Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem nähere Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass getroffen werden (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG) erlassen und das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz)
Bei den Stellungnahmen handelt es sich nicht um die Meinung der Parlamentsdirektion, sondern um jene der einbringenden Person bzw. Institution. Mehr Informationen finden Sie in den Nutzungsbedingungen.
Inhalt
Sehr geehrte Damen und Herren!
Als betroffene Frauen, Mütter, Großmütter und als Geburtskulturarbeiterinnen möchten wir eine Stellungnahme zum „Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz abgeben, mit dem das Bundesgesetz, mit den näheren Regelungen zu einem Elektronischen Eltern-Kind-Pass (eEltern-Kind-Pass-Gesetz – EKPG) erlassen und das Gesundheitstelematikgesetz 2012, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert werden (Eltern-Kind-Pass-Gesetz)“.
1. Wir haben mit Freude wahrgenommen, dass in den Medien (vom Bundesminister für Gesundheit in einer Presseaussendung vom 16.11.2022 angekündigt) das 2. Hebammengespräch im Zusammenhang mit den Änderungen des e-EKP verlautbart wurde. Dieses kommt im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht vor. Dabei handelt sich bei der Implementierung des zweiten Hebammenberatungstermins in der Schwangerschaft um eine notwendige und wichtige Leistung, die den ärztlichen Beratungsgesprächen zumindest gleichgestellt werden sollte. Unser Vorschlag: 1. Hebammenberatung vor SSW 16, 2. Hebammenberatung 32. SSW.
2. Wir hätten uns gewünscht, dass im Zusammenhang mit einer Überarbeitung des MKP auch die Wahlfreiheit der Schwangeren einhergehen würde, bisherige ärztliche Untersuchungen alternativ auch weitgehend von Hebammen im Rahmen des Tätigkeitsfeldes lt. Ö-HebG, abgesehen von definiert ärztlichen Leistungen (z.B. Ultraschall), durchführen zu lassen, wie das in anderen EU-Ländern wie z.B. Deutschland möglich ist, ohne auf die Leistungen des KBG verzichten zu müssen. Wir wünschen uns eine Weichenstellung zur Schaffung einer hebammengeleiteten, kontinuierlichen Betreuung im Zeitraum der frühen Schwangerschaft bis zum 1. Lebensjahr des Kindes bzw. zum Ende der Stillzeit. Diese Alternative ist nicht nur im Sinne der Frauen, die dieses Betreuungsmodell bevorzugen, sondern auch evidenzbasiert, wie die aktuellen WHO-Empfehlungen zeigen.
Jene wissenschaftlichen Empfehlungen, die Hebammen als PRIMÄRE medizinische Ansprechpartnerin in SS und als kontinuierliche Betreuungsperson durch den Zeitraum der Schwangerschaft, Geburt und über das Wochenbett hinaus befürworten, decken sich mit unseren persönlichen Erfahrungen und Präferenzen und unseren Erkenntnissen aus vielen Gesprächen mit Frauen, die sich Hebammen als kontinuierliche PRIMÄRVERSORGERINNEN wüschen, welche bei Bedarf Ärzte und Ärztinnen aller Fachbereiche und andere benötigte professionelle Angehörige des Gesundheits- und Sozialwesens beiziehen. Dafür erforderlich wäre die Ausarbeitung eines Indikationenkataloges, damit klar geregelt ist, wann es zu einer Zuweisung an andere Gesundheitsberufe/Soziale Arbeit kommen muss, z.B. bei von der Physiologie abweichenden Befunden oder anderen Auffälligkeiten, die außerhalb des in §2 HebG. definierten Tätigkeitsbereiche der Hebamme liegen.
3. Hebammen sollten als Fachpersonen festgelegt werden, die berechtigt sind, das neu geschaffene Angebot der Elternberatung in der 20. – 35. Schwangerschaftswoche anzubieten, im Sinne einer kontinuierlichen und tragfähigen Begleitung vom Beginn der Schwangerschaft und über das Wochenbett hinaus.
4. Gleichzeitig darf nicht darauf vergessen werden, die Kassentarife und Leistungen für Hebammen anzupassen, damit diese in der Lage sind, die kontinuierliche Betreuung für alle Frauen anbieten zu können.
5. Damit Frauen gleichberechtigt Zugang zu Hebammenleistung haben, sollten Hebammen in allen Primärversorgungszentren vertreten sein. Frauen aller sozialer Schichten und in jedem Teil des Landes brauchen einen niederschwelligen Zugang zu Hebammenbetreuung, nicht nur für die geforderten zwei Hebammengespräche während der Schwangerschaft, sondern auch für Angebote zur Vorbereitung auf die Geburt als Kassenleistungen.
6. Gesundheitspräventionsmaßnahmen wie z.B. Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik, Elternbildungskurse zur Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft, Stillvorbereitung etc. dienen der langfristigen Gesundheit und dem ganzheitlichen Wohlbefinden von Mutter und Kind (und mitunter auch der des zweiten Elternteils) und sollten als Kassenleistung im Rahmen des Eltern-Kind-Passes freiwillig genutzt und von Hebammen und anderen qualifizierten Personen ohne finanziellen Aufwand durch die Eltern angeboten werden. So können Gesundheitsrisiken vermindert und Folgekosten verringert werden.
7. EEKP versus „HAND HELD DOCUMENTATION“ (Empfehlung WHO)
Auch wenn der Trend zur „App“, der Wunsch zur elektronischen Datenübermittlung, -sammlung und -verwertung unaufhaltbar scheint, möchten wir unsere Gedanken dazu teilen:
a) Bisher war es so, dass schwangere Frauen und junge Eltern den MKP in Papierform mit sich getragen haben, sodass in Notfällen für Ersthelfer:innen wichtige Informationen zugänglich gemacht werden konnten (wie von der WHO empfohlen) Wie wird das in Zukunft gehandhabt werden?
b) Nicht alle schwangeren Frauen verfügen über ein funktionsfähiges Smartphone oder ein anderes Endgerät, das ihnen jederzeit Zugang zum Inhalt ihres EEKP ermöglicht. Selbst wenn die Mehrheit der Bürger:innen gerne bereit ist, dauerhaft ein internetverbundenes Telefon bei sich zu tragen, sollten jene, die sich dagegen entscheiden möchten oder aus Kostengründen müssen, nicht benachteiligt werden. Deshalb braucht es eine Möglichkeit, die bisherige Papierform des MKP über die Übergangsfrist hinaus weiter nutzen zu dürfen (bzw. weitreichende Opt-outbestimmungen aus den einzelnen Datenverarbeitungsprozessen).
Aus dem Gesetzesentwurf geht auch nicht hervor, wie mit der Entscheidung von Frauen umgegangen wird, die sich bereits in der Vergangenheit für ein ELGA-Opt-out entschieden haben. Ihre grundlegende Ablehnung des Vernetzens und Teilens ihrer Gesundheitsdaten muss weiterhin respektiert werden, ohne dass deswegen Nachteile für sie entstehen.
c) Die Speicherung sehr persönlicher, mitunter intimer Informationen in einer Cloud über einen Zeitraum von 30 Jahren löst Unbehagen bei den Nutzer:innen aus. Kann eine Datenschutz-Folgenabschätzung für einen so langen Zeitraum unter sich rasend schnell veränderten Möglichkeiten verlässlich gemacht werden? Oder ist dies -aus einer in der Zukunft liegenden Perspektive? – ein Riesenschritt hin zum „gläsernen Patienten“ ab dem Lebensbeginn?
d) Aber auch ohne zu weit in die Zukunft zu blicken ergeben sich zahlreiche mögliche Szenarien, wie Daten aus dem EEKP ohne Kontrolle durch die Schwangere, Partner:in oder Kind:er, die bisher entscheiden konnten, wer Einblick in die Datensammlung erhält, gegen ihren Willen und ihr Wissen anderen Behandelnden, Behörden und Institutionen zugänglich gemacht werden können. Bitte klären Sie mit viel Bedacht, wie der verantwortungsvolle und datenschutzkonforme Umgang mit sensiblen Daten geregelt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Angelika Rodler,
Obfrau DiA-Doulas in Austria
im Auftrag der Vereinsmitglieder