Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Staatsschutz- und Nachrichtendienstgesetz geändert wird
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Inhalt
Sehr geehrte Damen und Herren!
Angesichts vieler anderer wichtiger Beiträge zur Diskussion will ich meine Stellungnahme im Wesentlichen auf §11 Abs. 1 Z9 beschränken.
Der genannte Absatz gestattet eine Form digitaler Gewaltanwendung, die jedenfalls einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Als Schritt in diese Richtung verstehe ich den Entwurf, mithin als Versuch einer Ausgestaltung des staatlichen Gewaltmonopols im digitalen Raum.
Dieses staatliche Gewaltmonopol umfasst seinem Wesen nach einerseits, dass der Staat rechtskonform Gewalt anwenden kann, und andererseits, dass er Zweite an der illegitimen Gewaltanwendung gegen Dritte hindert. Aus beiden Aspekten ergeben sich relevante Problemstellungen, die im gegenwärtigen Entwurf nicht erwähnt, aber doch mit zu berücksichtigen sind.
Zum ersten ist die Herstellung und der Betrieb von Programmen, wie sie §11 Abs. 1 Z9 beschreibt, alles andere als einfach, sodass ich damit rechne, dass hier zumindest zum Teil auf fremde Dienstleistungen zurückgegriffen werden wird. Solche Dienstleistende und ihre Lieferketten bedürfen einer rechtsstaatlichen Kontrolle, ähnlich wie es auch bei der Herstellung von Waffen in der analogen Wirklichkeit wünschenswert ist. Hierzu fehlt im Gesetzesentwurf jeglicher Ansatz. Ich halte eine entsprechende Ergänzung für nötig, damit nicht letztlich Kriminelle oder Verfassungsfeindliche von der Beschaffung und dem Betrieb der Programme profitieren.
Zum zweiten nutzen Programme, wie sie §11 Abs. 1 Z9 beschreibt, häufig herstellerbedingte und somit weit verbreitete Schwachstellen im Computersystem der zu überwachenden Person aus. Dadurch gerät die Überwachung der einen oder wenigen Personen in einen direkten Zielkonflikt mit der Aufgabe des staatlichen Gewaltmonopols, Zweite von der Anwendung der selben Schwachstellen gegen eine Vielzahl von Dritten auszuschließen. Meiner Ansicht nach ergibt sich hier die Notwendigkeit einer Güterabwägung, die weit mehr einbeziehen muss als die Privatsphäre der direkt oder indirekt von der staatlichen Überwachung Betroffenen, wie sie etwa in §16 Abs. 2 eingegrenzt werden. Ich halte eine entsprechende Ergänzung hinsichtlich einer solch umfassenden Güterabwägung für nötig, damit nicht das Gut Gemeinte letztlich selbst zum Bösen wird.
Hochachtungsvoll,
Bernhard Bodenstorfer