Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots
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Inhalt
Stellungnahme zum geplanten Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren
Die Diskussion um ein Kopftuchverbot für Schülerinnen im schulischen Kontext wird mit dem Ziel geführt, Kinder vor familiärem Druck zu schützen und ihnen eine freie Entwicklung zu ermöglichen. Bei genauer Betrachtung des Entwurfs zeigen sich jedoch mehrere Widersprüche, die sowohl aus pädagogischer als auch aus entwicklungspsychologischer Sicht problematisch sind. Ich spreche mich daher gegen das geplante Verbot aus.
Meine Position
Ich finde es sehr kontrovers, wenn einerseits von Freiheit und Selbstbestimmung gesprochen wird, andererseits aber jungen Mädchen das Recht genommen werden soll, selbst zu entscheiden, wie sie sich kleiden möchten. Auch aus meiner Perspektive als angehender Elementarpädagoge kann ich einem Gesetz nicht zustimmen, das Kindern und Jugendlichen die freie Entfaltung in all ihren Facetten verwehrt.
Probleme im Gesetzesentwurf
Erstens heißt es im Entwurf: „Kinder unter 14 Jahren verfügen entwicklungsbedingt noch nicht zwingend über die kognitive Reife und emotionale Abstraktionsfähigkeit, um die religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung symbolischer Bekleidung eigenständig zu beurteilen.“
Dieser Satz wirft ein Grundproblem auf: Es ist nicht seriös, eine Zweijährige mit einer Neunjährigen oder gar mit einer Dreizehnjährigen gleichzusetzen. Die Unterschiede in Reife, Selbstständigkeit und Urteilsvermögen sind in dieser Altersspanne enorm.
Zweitens formuliert der Entwurf: „Die Schule soll ein Ort gleichberechtigter Begegnung und freier Entfaltung sein.“ Gleichzeitig wird aber Kindern mit Kopftuch die Möglichkeit genommen, sich dort frei zu entfalten. Dieser Widerspruch ist offensichtlich: Gleichberechtigung kann nicht durch Einschränkung von Vielfalt erreicht werden.
Mein Hauptargument
Während meiner fünfjährigen Ausbildung zum Elementarpädagogen habe ich einen tiefen Einblick in die kindliche Entwicklung gewonnen. Ich weiß, wie schnell sich Kinder zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr verändern und wie stark die individuellen Unterschiede ab dem Schulalter sind. Durch Praktika und persönliche Erfahrungen – etwa mit meiner kleinen Schwester – konnte ich beobachten, dass viele Zwölfjährige bereits reifer sind als manche fünfzehn- oder sechzehnjährigen Jugendlichen.
Wie allgemein bekannt, beginnt die Pubertät bei Mädchen oft schon zwischen dem achten und dreizehnten Lebensjahr. In dieser Phase setzen sich viele bewusst mit ihrer Identität auseinander. Dass sie religiöse Symbole tragen wollen, kann daher sehr wohl Ausdruck ihrer eigenen Entscheidung sein. Religionsfreiheit beginnt nicht erst mit 14 Jahren, wie auch Amina Baghajati im Interview mit Puls 24 betont hat.
Aus entwicklungsbiologischer Perspektive ist es völlig normal, dass Kinder durch Nachahmung lernen – sei es im Rollenspiel, in der Schule oder zu Hause. Niemand würde einem Kind die Puppe wegnehmen, nur weil es seine Mutter nachahmt. Genauso wenig sollte man einem jüdischen Jungen verbieten, eine Kippa wie sein Vater zu tragen, oder einem muslimischen Mädchen, das Kopftuch seiner Mutter nachzuahmen. Solche Nachahmung ist ein wesentlicher Teil der Persönlichkeitsentwicklung.
Schließlich muss betont werden: Wenn die Schule wirklich ein Ort der Gleichbehandlung und Demokratie sein soll, dann darf sie religiöse Symbole nicht als etwas Negatives darstellen. Ein Verbot vermittelt Kindern, dass das Kopftuch „falsch“ oder „schlimm“ sei. Dies fördert nicht Toleranz, sondern legt den Grundstein für Vorurteile und interkulturelle Konflikte.
Fazit und Appell
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das geplante Kopftuchverbot widerspricht seinem eigenen Anspruch. Es nimmt Kindern die Freiheit, während es vorgibt, sie zu schützen. Es verallgemeinert Altersgruppen, die in ihrer Reife sehr unterschiedlich sind. Und es schwächt das Fundament der Schule als Ort gelebter Demokratie und Vielfalt.
Mein Appell lautet daher: Vertrauen wir Kindern und Jugendlichen mehr zu. Schützen wir sie nicht durch Verbote, sondern durch Aufklärung, Unterstützung und echte Partizipation. Eine demokratische Gesellschaft lebt nicht von Einschränkungen, sondern von der Freiheit, Unterschiede zu respektieren und Vielfalt als Stärke zu begreifen.