Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots (452/SN-44/ME)

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Stellungnahme zu Ministerialentwurf

Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots

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Inhalt

Die Österreichische Liga für Menschenrechte begrüßt grundsätzlich alle Bestrebungen, die Rechte von Kindern zu stärken und ihre freie Persönlichkeitsentfaltung sicherzustellen. Das Ziel Mädchen vor möglichen Formen von Zwang oder Einschränkungen ihrer Selbstbestimmung zu schützen ist aus menschenrechtlicher Sicht legitim und wichtig.
Der vorliegende Entwurf erscheint allerdings aus den im Dokument der Stellungnahme angeführten Überlegungen als nicht verfassungskonform und von den erzeugten sozialen Dynamiken auch als kontraproduktiv für das angestrebte Ziel. Es besteht insbesondere das erhöhte Risiko, dass der Verfassungsgerichtshof ein in dieser Form beschlossenes Gesetz binnen kurzer Zeit wieder aufheben könnte.

Stattdessen wären präventive und unterstützende Maßnahmen wirkungsvoller, um die Selbstbestimmung von Kindern zu fördern und gleichzeitig Zwang sowie Diskriminierung entgegenzuwirken. Dazu zählen insbesondere:

· eine umfassende Stärkung der Aufklärungsarbeit über Kinderrechte, Gleichstellung und Geschlechterrollen (Art. 29 KRK: Bildung soll die Entfaltung der Persönlichkeit, Begabung und Fähigkeiten des Kindes in vollem Umfang fördern);
· gezielte Förderung von Mädchen im schulischen und außerschulischen Bereich, um ihre Handlungsspielräume zu erweitern und ihnen gleiche Chancen in allen Lebensbereichen zu sichern (Art. 2 KRK: Schutz vor Diskriminierung; Art. 6 KRK: Recht auf Entwicklung);
· Ergänzend sollten Bubenarbeit und geschlechtersensible Pädagogik systematisch ausgebaut werden, um stereotype Rollenbilder frühzeitig aufzubrechen und gegenseitigen Respekt zu fördern (Art. 29 KRK).
Aufklärende Bewusstseinsbildung auch mit Erwachsenen müssten im Vordergrund stehen. Ein möglich entstehender „Religionskampf“ ist jedenfalls zu vermeiden.

Wenn es sanktionsbewährte Regeln geben muss, so sollten sich diese ausschließlich gegen Personen richten, die unzulässigen Druck auf Schülerinnen ausüben, und nicht gegen die Schülerinnen selbst.
Darüber hinaus wäre der Ausbau niederschwelliger Beratungs- und Unterstüt-zungsangebote für Schülerinnen und ihre Familien zentral, um Dialogräume zu eröffnen und individuelle Konfliktlagen ohne Stigmatisierung zu bearbeiten (Art. 12 KRK: Recht des Kindes, seine Meinung frei zu äußern und angemessen berücksich-tigt zu werden). Schulen sollten eng mit Eltern, Sozialarbeiter:innen und zivilgesell-schaftlichen Einrichtungen zusammenarbeiten, um das Vertrauen aller Beteiligten zu stärken und Kinder nachhaltig in ihrer Entscheidungsfreiheit zu unterstützen.
Durch diese positiven Ansätze wird das Ziel des Gesetzes – Schutz vor Zwang und Förderung echter Selbstbestimmung – nicht durch Verbote, sondern durch Befähigung und Partizipation erreicht. Damit ließe sich ein inklusives, diskriminierungsfreies Lernumfeld schaffen, das die Vorgaben der Kinderrechtskonvention umfassend berücksichtigt und die Rechte aller Kinder stärkt.
Die Österreichische Liga für Menschenrechte empfiehlt daher, den vorliegenden Gesetzesentwurf umfassend zu überarbeiten, von einem reinen isolierten Verbot des Tragens eines Kopftuchs Abstand zu nehmen, dafür jedoch die oben dargestellten präventiven Maßnahmen einzuführen.


Für die Österreichische Liga für Menschenrechte
Dr. Barbara Helige (Präsidentin)

Stellungnahme von

Österreichische Liga für Menschenrechte