Schulunterrichtsgesetz, Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und Schulpflichtgesetz 1985, Änderung (5/SN-54/ME)

Stellungnahme zu Ministerialentwurf

Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden

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Bundesministerium für Bildung


per eMail: begutachtung@bmb.gv.at
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Wien, am 22. Oktober 2025

Geschäftszahl: 2025-0.535.977

Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Schulpflichtgesetz 1985 geändert werden: Suspendierungsbegleitung

Der Entwurf zur Suspendierungsbegleitung ist in weiten Teilen zu begrüßen. Leider finden sich doch einige Fallstricke und Problemfelder, die vor dem Beschluss im Nationalrat geklärt werden müssen.

In unser aller Sinne sollten Suspendierungen bzw. selbst- und fremdgefährdendes Verhalten von Kindern und Jugendlichen verhindert werden. Hierbei darf zum wiederholten Mal darauf hingewiesen werden, dass Schulen ausreichend mit Ressourcen und Fachpersonal ausgestattet werden müssen. Prävention ist hier im wahrsten Sinne des Wortes eine sichere Investition in die Zukunft.
Aus unserer Perspektive ist ein interdisziplinärer Ansatz sowie institutionalisierte Vernetzung mit z.B. der Kinder- und Jugendhilfe, WGs und Krisenzentren, Gesundheitsinstitutionen, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, externe Vereine mit Workshopangeboten (Gewaltprävention, Selbstwahrnehmung, …), etc. unumgänglich. Dieser Ansatz bestätigt sich aus etlichen Praxiserfahrungen, bei denen Kinder und Jugendliche gut begleitet und die Ursache des selbst- und fremdgefährdenden Verhaltens erörtert werden konnte.
Im Entwurf wurde gänzlich auf die betroffenen Professionist:innen, den Pädagog:innen, vergessen, die mit der Situation des fremd- und selbstverletzenden Verhaltens konfrontiert wurden. Hier soll mindestens Supervision für die Beschäftigten und die Schüler:innen der Gruppe zur Verfügung gestellt werden. Das System Schule soll auch in einem professionellen Setting extern unterstützt werden. Angeleitete Begleitung, um zu reflektieren, zu analysieren und ggf. das System Schule zu verbessern.

§44 (6)
Hier bleibt offen, ab wann der Bescheid von der Behörde zugestellt wird und ob mit der mündlichen Suspendierung, z.B. der Schulleitung, diese Suspendierung rechtskräftig ist. Einer Suspendierung geht eine Fremd- oder Selbstgefährdung voraus. Die Maßnahme muss unmittelbar umgesetzt werden und dafür muss der Gesetzgeber für Rechtssicherheit sorgen. Offen bleibt auch die Aufhebung der Suspendierung. Wer entscheidet nach welcher Maßgabe, dass keine Gefährdung mehr von den Betroffenen ausgeht? Dies muss detaillierter formuliert werden. Z.B.: durch ein psychologisches Gutachten, Helfer:innenkonferenz, Normverdeutlichungsgespräche, etc.

§44 (7)
Es erschließt sich uns nicht, warum Schüler:innen erst ab dem 5. Tag begleitet werden und Schüler:innen mit “möglichem" sonderpädagogischen Förderbedarf komplett ausgeschlossen sind. Eine Sammlung der suspendierten Schüler:innen in einer ihnen unbekannten Umgebung ist abzulehnen. Je nach Alter, Grund der Suspendierung, sowie die sozial-emotionale und familiäre Situation, sind individuelle Aufklärungsmaßnahmen und persönlichkeitsunterstützende Angebote zu schaffen. Hier könnte ein Konfliktzentrum mit Expert:innen zur Gewaltprävention, Persönlichkeitsentwicklung und psychologischer Betreuung geschaffen werden. Dies wäre eine innovative Lösung, um kindzentriert aktuelle oder chronische Belastungen zu begegnen. Ferner muss sichergestellt werden, dass die betroffenen Schüler:innen weiter oder zumindest mittelfristig weiterbegleitet, therapiert und sozial-psychologisch unterstützt werden.

§44 (8)
In diesem Absatz fehlt vollumfänglich die Mitwirkungspflicht der Schule und Behörde. Auf welche Unterstützungsmaßnahmen können sich die betroffenen Familien verlassen? Wer stellt den Förderplan zusammen und welche Kriterien liegen diesem zu Grunde? Wer arbeitet mit den Kindern sozialpädagogisch? An welche Stellen können sich Lehrer:innen wenden, um im Sinne des Kindes eine Verbesserung des Verhaltens zu ermöglichen. Eine Stigmatisierung der Kinder und Jugendlichen und deren Erziehungsberechtigten ist nicht angebracht und zielführend.
Grundsätzlich und abschließend soll bei diesem Absatz noch einmal darauf hingewiesen werden, wovon wir hier sprechen: Es geht um Kinder, Jugendliche und Familien, die laut Behörde eine Selbst- oder Fremdgefährdung darstellen. Die Kinder und Jugendliche dann mit Lernstoff unter Druck zu setzen und sie in die Schule zur Informationsbeschaffung zu schicken, ist für alle Beteiligten ein nicht tragbarer Zustand.

§48
Die größte Schwierigkeit ist die Kommunikation und die Kompetenzen unterschiedlicher Behörden bzw. Erziehungsberechtigten. Das beginnt bei der Informationsweitergaben zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe, genauso wie bei Erziehungsberechtigten. Hier schlagen wir eine klare gesetzliche Regelung vor, um z.B. Diagnosen zu teilen, regelmäßige Konferenzen zwischen den Institutionen (Helfer:innenkonferenz), etc. zu institutionalisieren. Oft sind Familien oder Kinder fremdbetreut oder bekommen unterschiedliche sozialpädagogische Unterstützung, Erziehungsberatung, etc. Diese Information erhalten wir als Schule nur von kooperativen Behörden oder Erziehungsberechtigten.

§80b
Bildungs- und Erziehungsarbeit, gerade in schwierigen Lebensphasen und/oder psychischen Beeinträchtigungen, gelingt ausschließlich mit Kooperation, Empathie und passenden Rahmenbedingungen. Bevor Verwaltungsstrafen tatsächlich zur Anwendung kommen, müssen alle sozialpädagogischen, finanziellen, medizinischen Mittel, etc. auf staatlicher Seite ausgeschöpft werden. Hier sehen wir die Fürsorgepflicht des Staates im Ganzen schwerwiegender als jene des Individuums. Nicht nur in multiplen Krisen muss der Staat unterstützend eingreifen, sondern auch bei individuellen Krisen einzelner Mitbürger:innen. Jedem Kind die Flügel heben, nicht stutzen.
Darüber hinaus möchten wir in folgender Punktation auf zusätzliche Maßnahmen hinweisen, die das Zusammenleben in der Schule erleichtern und für die betroffenen Schüler:innen in schwierigen Lebensphasen hilfreich sein können.


Psychosoziale Unterstützung
● Konsiliarpsychiater:in (automatisierte JF mit den Schulleitungen, Beratungslehrer:innen und betroffenen Lehrer:innen)
● Ausbau und Weiterführung von „Wege aus der Krise“
● Psychologische Abklärung
● Enge Zusammenarbeit mit z.B. PSD
● Opferarbeit

Elternarbeit
● Schulkooperationsteam
● Elternberatung und -begleitung
● Anamnese der Familiengeschichte (Traumata, Misshandlungen, …)

Selbsterfahrung im Einzelsetting und Workshops
● Männerberatung
● Gewaltprävention
● Sport
● Selbsterfahrung- und stärkung
● Menschenbilder (Frauenbilder, Religion, Gesellschaft, …)

Interdisziplinäre Maßnahmen
● Helfer:innenkonferenz am Beginn und während der Suspendierung
● Stufenplan der Kinder- und Jugendhilfe zur Unterstützung einer gesellschaftsfähigen Entwicklung
● Ausbau der (psychologischen) Gesundheitsversorgung an Schulen






Mit freundlichen Grüßen,

Bernhard Lahner für die apfl-ÖLI-ug

Stellungnahme von

apfl-ÖLI-ug Aktive Pflichtschullehrer:innen Wien; Personalvertretung