Stellungnahme zu Ministerialentwurf
Stellungnahme zu dem Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots
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Inhalt
Stellungnahme zum Bundesgesetz zur Stärkung der Selbstbestimmung von unmündigen Mädchen an Schulen mittels Einführung eines Kopftuchverbots
Die unterzeichnenden Pädagog:innen und Wissenschaftler:innen unterstützen das Bemühen des Gesetzgebers zur Stärkung der Selbstbestimmung von Schüler:innen an österreichischen Schulen, sehen den Weg über ein Verbot aber aus den im Folgenden dargelegten Gründen nicht als zielführend an:
1. Aus pädagogischer Sicht wird Selbstbestimmung und Mündigkeit durch Bildung, differenzierte Reflexion und dialogische Auseinandersetzung unterstützt. Ein Verbot verhindert dies. Es hält die Betroffenen davon ab, über ihre eigene Haltung und Position nachzudenken und schränkt sie in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung ein.
2. Pädagogische Arbeit zielt darauf ab, alle Kinder und Jugendlichen zu befähigen, ihre Grundrechte zu verstehen, Geschlechterrollen zu reflektieren und sich als anerkannter Teil einer vielfältigen Gesellschaft zu erleben. Ein Verbot birgt die Gefahr, diese Ziele zu konterkarieren. Im vorliegenden Fall wird dies dadurch verstärkt, dass faktisch ausschließlich muslimische Mädchen betroffen sind und daher eine bestimmte Gruppe diskriminiert wird.
3. Das Kindeswohl ist eines der zentralen Ziele jeglicher pädagogischen Interaktion. Ein Verbot dient dem Kindeswohl nicht, da es nicht auf individuelle Lebenssituationen der Einzelnen eingeht.
4. Wissenschaftlich begründete Pädagog:innenbildung bereitet zukünftige Lehrer:innen auf ein professionelles, reflektiertes und diskriminierungssensibles Handeln in einer pluralen Gesellschaft vor. Ein Verbot unterläuft die Grundlage einer anerkennenden und beziehungsstiftenden Pädagogik.
Aus diesen Gründen wenden sich die Unterzeichnenden gegen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen. Sie fordern vielmehr die Umsetzung pädagogisch sinnvoller Maßnahmen zur Förderung von Selbstbestimmung wie Bildungs- und Empowerment-Strategien für Mädchen als auch Buben, sowie eine Stärkung der diversitätssensiblen Pädagogik in Lehrer:innenbildung und Schule.
Diese Stellungnahme wurde von 197 Pädagog:innen und (Bildungs-)Wissenschaftler:innen unterzeichnet, siehe vollständige Stellungnahme im Anhang.