Wird Redezeit gleich auf Männer und Frauen verteilt?

Ein Showcase zu Plenarsitzungsdaten – basierend auf dem Open Data Angebot des Parlaments.

Geschlecht und Redezeit im National­rat: Wer gewählt ist, kommt auch zu Wort

2022 hat der Anteil an weiblichen Abgeordneten im österreichischen Nationalrat erstmals die 40-Prozent-Marke überschritten. Spiegelt sich das Geschlechterverhältnis auch in der Verteilung der Redezeit auf Männer und Frauen wider?

Um das zu untersuchen, wird das numerische Geschlechterverhältnis im Nationalrat verglichen – das ist die Anzahl von männlichen und weiblichen Abgeordneten – mit der Verteilung der Redezeit auf Männer und Frauen. Da sich die Zusammensetzung des Nationalrats laufend ändert, ist auch das Geschlechterverhältnis nicht auf Dauer fixiert. Um diese Schwankungen zu berücksichtigen, erheben wir den Frauenanteil im Nationalrat an allen Monatsersten im Beobachtungszeitraum. Wir ermitteln also die Anteile männlicher Abgeordneter und weiblicher Abgeordneten am 1. September 1996, am 1. Oktober 1996 usw. bis zum 1. Juli 2021 und berechnen damit Mittelwerte für die jeweiligen Auswertungszeiträume. Für dieselben Zeiträume summieren wir die Redezeit auf und berechnen, welcher Anteil auf männliche bzw. weibliche Abgeordnete entfällt.

Geschlechterverhältnis und Redezeitverteilung im National­rat, 1996–2021

Die erste Grafik zeigt, dass zwischen September 1996 und Juli 2021 im Nationalrat im Schnitt 69 % männliche und 31 % weibliche Abgeordnete vertreten waren. Betrachtet man die Redebeiträge der Abgeordneten im Plenum für denselben Zeitraum, so verteilt sich die Redezeit fast genauso auf die Geschlechter: 70 % der Redezeit für männliche Abgeordnete, 30 % der Redezeit für weibliche Abgeordnete.

Die Auswertung legt nahe, dass sich die Redezeit stark nach dem numerischen Verhältnis von Frauen und Männern im Parlament richtet. Je mehr Frauen im Nationalrat vertreten sind, desto mehr Redezeit entfällt auf weibliche Abgeordnete.

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Geschlechterverhältnis und Redezeitverteilung nach Klubs, 1996–2021

Diese Ergebnis wiederholt sich, wenn man dieselbe Auswertung pro Klub durchführt. In allen Klubs ähnelt die Verteilung der Redezeit den numerischen Geschlechterverhältnissen – meist mit einem leichten Überhang für die männlichen Abgeordneten. So etwa beim Klub der Grünen von 1996 bis 2021: Frauen machen 54 % der Abgeordneten aus und erhalten in diesem Zeitraum 49 % der Redezeit.

Nun gibt es im Beobachtungszeitraum aber nicht nur große Unterschiede zwischen den Klubs, es verändert sich der Anteil von Männern und Frauen im Nationalrat auch insgesamt stark. Die dritte Grafik zeigt die numerische Präsenz von weiblichen Abgeordneten und ihren Anteil an der Redezeit im Nationalrat pro Sitzungsperiode (die Zeit zwischen September und Juli des Folgejahres).

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Frauenanteil im National­rat und Redezeitanteil weiblicher Abgeordneter

Generell steigt der Frauenanteil im Nationalrat seit den 1990er Jahren an – mit einigem Auf und Ab. Ende der 1990er-Jahre ist etwa ein Viertel der Abgeordneten weiblich, 2022 sind es zwei von fünf. Der Redezeitanteil, der auf weibliche Abgeordnete entfällt, folgt diesem Trend.

Zudem zeigt sich, dass es bis 2005 einen leichten Redezeit-Überhang für weibliche Abgeordnete gibt: Frauen hatten etwas mehr Redezeit als es ihrer rein numerischen Präsenz entsprechen würde (Männer umgekehrt etwas weniger). Ab 2006 dreht sich dieses Verhältnis jedoch um. In beiden Phasen macht diese Differenz aber nur wenige Prozentpunkte aus.

Die drei Grafiken zeigen in Summe einen starken Zusammenhang: Ändern sich die zahlenmäßigen Geschlechterverhältnisse im Nationalrat, so ändert sich auch die Verteilung der Redezeit. Dieses Ergebnis mag für sich genommen nicht besonders überraschen, es legt aber einen wichtigen Schluss nahe: nämlich, dass das Bemühen um ein quantitativ ausgewogenes Geschlechterverhältnis im Nationalrat (etwa durch den 2017 eingeführten Klubförderungs-Bonus für Klubs mit zumindest 40 % Frauenanteil) auch zu einer Veränderung der Verteilung der Redezeit führt: Wer gewählt ist, kommt auch zu Wort.

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Wie wurde es gemacht?