Geschäftsordnung des Nationalrates

Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975)

X. Besondere Bestimmungen über die Behandlung von Gesetzesvorschlägen

§§ 69 bis 74 des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrats (Geschäftsordnungsgesetz 1975)

§ 69 [Gesetzesvorschläge; erste Lesung]

(1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge von Abgeordneten, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung.

(2) Jeder von 100 000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder gestellte Antrag (Volksbegehren) ist von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. Das Volksbegehren muß eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen und kann in Form eines Gesetzesantrages gestellt werden.

(3) Gesetzesvorschläge gemäß Abs. 1 und 2 mit Ausnahme der Anträge von Abgeordneten werden nur auf Beschluß des Nationalrates in erste Lesung genommen. Ein darauf abzielender Antrag kann entweder vor Eingang in die Tagesordnung der auf die Verteilung der Vorlage folgenden Sitzung oder nach Beendigung der Verhandlungen dieser Sitzung gestellt werden.

(4) Über Gesetzesvorschläge von Abgeordneten (Initiativanträge) ist eine erste Lesung durchzuführen, wenn es im Antrag verlangt wird. Wird verlangt, die erste Lesung innerhalb von drei Monaten durchzuführen, ist dies bei der Erstellung der Tagesordnungen des Nationalrates zu berücksichtigen. Bei der ersten Lesung eines solchen Antrages erhält zunächst der Antragsteller, bei mehreren Antragstellern der von ihnen Bezeichnete, das Wort.

(5) Die erste Lesung hat sich auf die Besprechung der allgemeinen Grundsätze der Vorlage zu beschränken.

(6) In der ersten Lesung dürfen nur Anträge auf Wahl eines besonderen Ausschusses zur Vorberatung der Vorlage gestellt werden. Nach der ersten Lesung verfügt der Präsident die Zuweisung.

(7) Ist keine erste Lesung durchzuführen, weist der Präsident Volksbegehren, Regierungsvorlagen und Gesetzesanträge des Bundesrates in der auf die Verteilung der Vorlage zweitfolgenden Sitzung, Anträge von Abgeordneten in der auf die Einbringung nächstfolgenden Sitzung zu.

§ 70 [Zweite Lesung]

(1) Der Vorberatung durch den Ausschuß folgt die zweite Lesung des Gesetzesvorschlages. Selbständige Anträge von Ausschüssen auf Erlassung von Gesetzen werden vom Nationalrat unmittelbar in zweite Lesung genommen.

(2) Die zweite Lesung besteht aus der allgemeinen Debatte über die Vorlage als Ganzes (Generaldebatte) und den Beratungen über einzelne Teile der Vorlage (Spezialdebatte) sowie den Abstimmungen. Generaldebatte und Spezialdebatte werden unter einem abgeführt, wenn der Nationalrat auf Antrag des Berichterstatters nicht anderes beschließt.

§ 71 [Generaldebatte]

(1) Werden Generaldebatte und Spezialdebatte getrennt abgeführt, kann während der Generaldebatte der Antrag auf Vertagung, auf Rückverweisung an den Ausschuß oder auf Zuweisung an einen anderen Ausschuß gestellt werden. Die Beschlußfassung über solche Anträge erfolgt nach Erschöpfung der Rednerliste für die Generaldebatte.

(2) Am Schluß der Generaldebatte ist ferner darüber abzustimmen, ob der Nationalrat in die Spezialdebatte eingeht.

(3) Beschließt der Nationalrat, in die Spezialdebatte einzugehen, so folgt diese unmittelbar der Generaldebatte. Wird das Eingehen in die Spezialdebatte abgelehnt, ist die Vorlage verworfen.

§ 72 [Spezialdebatte]

(1) Am Beginn der Spezialdebatte bestimmt der Präsident, welche Teile der Vorlage für sich oder vereint zur Beratung und Beschlußfassung kommen. Hiebei hat er den Grundsatz zu beachten, daß die Teilung der Spezialdebatte in einer die Übersichtlichkeit der Beratung fördernden Weise erfolgt. Wird eine Einwendung erhoben, entscheidet der Nationalrat ohne Debatte.

(2) Liegen mehrere Gesamtanträge vor, so beschließt der Nationalrat, welcher derselben der Spezialdebatte zugrunde zu legen ist.

(3) Abänderungs- und Zusatzanträge können von jedem Abgeordneten zu jedem einzelnen Teil, sobald die Spezialdebatte über ihn eröffnet ist, gestellt werden und sind, wenn sie von mindestens fünf Abgeordneten einschließlich des Antragstellers unterstützt werden, in die Verhandlung einzubeziehen. Die Unterstützung erfolgt, wenn die Anträge nicht von fünf Abgeordneten unterfertigt sind, auf die Unterstützungsfrage des Präsidenten durch Erheben von den Sitzen.

(4) Diese Anträge sind dem Präsidenten schriftlich zu überreichen und von einem der unterfertigten Abgeordneten zu verlesen. Auf Anordnung des Vorsitzenden kann die Verlesung auch durch einen Schriftführer erfolgen.

(5) Dem Nationalrat steht das Recht zu, jeden solchen Antrag an den Ausschuss zu verweisen und bis zur Erstattung eines neuerlichen Ausschussberichts über den Gesetzesvorschlag die Verhandlung zu vertagen.

(6) Nach Beratung jedes Teiles der Vorlage hat die Abstimmung über denselben zu erfolgen. Der Nationalrat kann nach Erschöpfung der Rednerliste beschließen,

1. die Verhandlung zu vertagen,

2. den Gegenstand nochmals an den Ausschuss zu verweisen oder

3. zur Tagesordnung überzugehen.

Im Fall der Z 3 ist die Verhandlung erledigt.

§ 73 [General- und Spezialdebatte unter einem]

(1) Werden Generaldebatte und Spezialdebatte unter einem abgeführt, sind die Bestimmungen des § 72 Abs. 2 bis 5 sinngemäß anzuwenden.

(2) Auch wenn Generaldebatte und Spezialdebatte unter einem abgeführt werden, kann der Präsident bestimmen, daß Teile der Vorlage für sich zur Debatte und Abstimmung kommen. Wird eine Einwendung erhoben, entscheidet der Nationalrat ohne Debatte.

(3) Der Nationalrat kann nach Erschöpfung der Rednerliste für die gesamte Vorlage (Abs. 1) beziehungsweise für jeden Teil derselben (Abs. 2) beschließen,

1. die Verhandlung zu vertagen,

2. den Gegenstand nochmals an den Ausschuß zu verweisen oder

3. zur Tagesordnung überzugehen. Im Fall der Z 3 ist die Verhandlung erledigt.

§ 74 [Dritte Lesung]

(1) Nachdem das Gesetz in zweiter Lesung beschlossen ist, wird die dritte Lesung, das ist die Abstimmung im ganzen, vorgenommen. Auf Vorschlag des Präsidenten oder Antrag eines Abgeordneten kann der Nationalrat beschließen, daß die dritte Lesung nicht unmittelbar nach der zweiten Lesung durchgeführt, sondern auf einen späteren Zeitpunkt vertagt wird.

(2) In der dritten Lesung können nur Anträge auf Behebung von Widersprüchen, die sich bei der Beschlußfassung in zweiter Lesung ergeben haben, gestellt werden; ferner können Schreib- und Druckfehler sowie sprachliche Mängel behoben werden. Entschließungsanträge können in der dritten Lesung nicht mehr eingebracht werden.

(3) Eine Debatte über Anträge in der dritten Lesung ist nur zulässig, wenn es der Nationalrat im einzelnen Fall beschließt. Die Redezeit ist bei einer solchen Debatte auf fünf Minuten beschränkt.