Parlamentskorrespondenz Nr. 38 vom 25.01.2007

Verfassungsausschuss stimmt Änderung des Bundesministeriengesetzes zu

Opposition kritisiert neue Vertretungsregelung bei Staatssekretären

Wien (PK) – Die Ressortverteilung in der neuen Bundesregierung steht zwar de facto seit der Unterzeichnung des Regierungsübereinkommens fest und auch die zuständigen Ministerinnen und Minister sind bereits in der Öffentlichkeit bekannt, zur rechtlichen Umsetzung der zwischen SPÖ und ÖVP getroffenen Vereinbarung bedarf es jedoch einer Änderung des Bundesministeriengesetzes. Den ersten parlamentarischen Schritt hierzu setzte heute der Verfassungsausschuss des Nationalrats. Die Abgeordneten stimmten mit S-V-Mehrheit einem entsprechenden Antrag der beiden Koalitionsparteien zu.

Zentrale Punkte des Antrags sind eine Teilung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in zwei Ministerien, eine Verschiebung der Kompetenzen für Familie und Jugend vom Sozialministerium in das Gesundheitsministerium sowie die Übertragung der Zuständigkeit für Frauenangelegenheiten an das Bundeskanzleramt. Neu ist außerdem, dass nicht mehr das Bundeskanzleramt, sondern das Unterrichtsministerium für Kunst zuständig sein wird. Das Außenministerium wird in Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten umbenannt.

Darüber hinaus legten SPÖ und ÖVP heute einen Abänderungsantrag vor, der bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde und einige Präzisierungen enthält. Demnach umfasst der Kompetenzbereich des Sozialministeriums ausdrücklich die Koordination von Pflegeangelegenheiten; für die Vollziehung des Tiertransportgesetzes wird in Hinkunft nicht mehr das Verkehrsministerium, sondern das Gesundheitsministerium zuständig sein. Die Pädagogischen Hochschulen fallen in die Kompetenz des Unterrichtsressorts. Genau festgelegt wurde auch, welches Ressort für welchen Bereich der Forschungsförderung zuständig ist und wie die Organe der entsprechenden Fonds und Gesellschaften beschickt werden.

Insgesamt sind im Bundesministeriengesetz künftig 13 Ressorts verankert: das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, das Bundesministerium für Inneres, das Bundesministerium für Justiz, das Bundesministerium für Landesverteidigung, das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz, das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Nicht im Gesetz angeführt ist das Frauenministerium – die Betrauung von Ministerin Doris Bures mit Frauenangelegenheiten und der Koordinationskompetenz für Gender Mainstreaming wird, wie Staatssekretärin Heidrun Silhavy erläuterte, per Entschließung des Bundespräsidenten erfolgen.

Die Opposition übte an der Ressortverteilung Kritik aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So bemängelte die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig (G) unter anderem, dass das Frauenministerium nicht im Bundesministeriengesetz verankert und die Frauenministerin damit bei Budgetverhandlungen vom Bundeskanzler abhängig sei. Ihrer Meinung nach wäre überdies ein eigenständiges Umweltministerium und die Abspaltung der Arbeitsagenden vom Wirtschaftsministerium erforderlich. Beide Punkte seien in den vergangenen Jahren auch von der SPÖ kritisiert worden, sagte Glawischnig, sie verstehe nicht, warum das nunmehr keine Priorität gehabt habe. Weiters vermisst sie eine klare Zuständigkeit für den Klimaschutz. Als "nicht fair gegenüber der Opposition" wertete Glawischnig, dass der Abänderungsantrag entgegen den Beteuerungen von SPÖ-Klubobmann Cap nicht 24 Stunden vor den Ausschussberatungen vorgelegen sei.

Weitere skeptische Anmerkungen seitens der Grünen kamen von den Abgeordneten Dieter Brosz und Terezija Stoisits, die unter anderem die Zuordnung der Pädagogischen Hochschulen zum Unterrichtsministerium, den "deutlich sichtbaren Proporzgedanken" bei der Zuständigkeit für Forschungsagenden, die Umbenennung des Außenministeriums und fehlende Zuständigkeiten für Integration und Menschenrechte kritisierten. Die Forschungsfonds würden parteipolitisch besetzt, ohne dass sachliche Kriterien eine Rolle spielten, sagte Brosz. Abgeordnete Glawischnig sprach in diesem Zusammenhang von einem "Kompetenzdschungel".

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) meinte, er hoffe, dass Abgeordneter Cap wegen der verspäteten Vorlage des Abänderungsantrages wenigstens ein schlechtes Gewissen habe. Inhaltlich kritisierte er die Reduzierung der Kompetenzen des Sozialministeriums, die Trennung des Bildungsressorts in ein Unterrichts- und Wissenschaftsministerium und die Institutionalisierung des "Proporzes" bei der Forschungsförderung. Überdies zeigte er kein Verständnis für die Vergrößerung der Bundesregierung und erinnerte daran, dass die Regierung am Beginn der letzten Legislaturperiode aus 18 Ministern und Staatssekretären bestanden habe. Das wäre, so Scheibner, leicht durch 2 teilbar gewesen.

Namens der FPÖ äußerten sich die Abgeordneten Robert Aspöck und Peter Fichtenbauer kritisch zur Ressortverteilung und vertraten u.a. die Auffassung, dass das Wettbewerbs- und Kartellrecht nicht in das Wirtschaftsministerium, sondern in das Justizressort gehöre. Auch den Konsumentenschutz hätte Fichtenbauer lieber im Justizministerium gesehen. Abgeordneter Aspöck beklagte überdies, dass es der Bundesregierung nicht gelungen sei, die Forschungskompetenzen im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu konzentrieren. Die Begründung für die Vergrößerung der Regierung von 18 auf 20 Mitglieder nannte er "fadenscheinig".

Zweiter Nationalratspräsident Michael Spindelegger (V), SPÖ-Klubobmann Josef Cap und ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel verteidigten hingegen die Ressortverteilung. Cap gab zu bedenken, dass Verbesserungen immer möglich seien, die Ressortverteilung jedoch einen Kompromiss zwischen zwei Parteien darstelle. Zudem müsse man ohnehin den Teamgedanken in den Vordergrund stellen. Die Kritik der Opposition an der verspäteten Vorlage des Abänderungsantrages qualifizierte Cap als berechtigt, man werde sich um Besserung bemühen. Abgeordneter Spindelegger hielt fest, ein eigenes Wissenschaftsressort sei angesichts der Bedeutung der Universitäten, Fachhochschulen und anderer Forschungseinrichtungen gerechtfertigt, überdies wies er darauf hin, dass es eine eigene Staatssekretärin für den Bereich Arbeit gebe.

ÖVP-Klubobmann Schüssel machte geltend, dass viele Bereiche Querschnittsmaterie seien. So seien für europäische Integration, Forschung oder Umwelt klarerweise alle bzw. verschiedene Ressorts zuständig. Die Umbenennung des Außenministeriums soll ihm zufolge zum Ausdruck bringen, dass das Außenministerium Koordinator in europäischen Angelegenheiten sei. Bei den Forschungsfonds hat der Finanzminister laut Schüssel zugunsten der Fachminister auf Kompetenzen verzichtet. Mit der Zuordnung der Pädagogischen Hochschulen zum Unterrichtsministerium ist nach Meinung des ÖVP-Klubobmanns auch eine Festlegung in Richtung Beibehaltung der getrennten Lehrerausbildung und des jetzigen Schulsystems getroffen worden.

Staatssekretärin Heidrun Silhavy skizzierte, die genauen Kompetenzen der Frauenministerin würden mittels einer Entschließung des Bundespräsidenten festgelegt. Dass das Frauenministerium im Bundeskanzleramt angesiedelt und kein eigenständiges Ressort sein wird, begründete sie damit, dass die Frauenministerin damit über die Ressourcen des Bundeskanzleramts verfüge. Sie werde auch einen eigenen Budgetansatz haben, versicherte sie. Zur Stärkung des Bereichs Arbeit ist nach Ansicht Silhavys durch die Einsetzung einer Staatssekretärin ein starkes Signal gesetzt worden. Dass kein Ministerium explizit für Integration zuständig ist, liegt Silhavy zufolge daran, dass es sich hierbei um eine typische Querschnittsmaterie handelt.

S-V-Mehrheit für Änderung der Bundesverfassung

Auf Kritik der Opposition stieß auch eine von SPÖ und ÖVP beantragte Änderung der Bundesverfassung (94/A), die ebenfalls mit S-V-Mehrheit den Verfassungsausschuss passierte. Demnach wird es künftig dem Bundeskanzler möglich sein, sich auch durch einen Staatssekretär des Vizekanzlers im Nationalrat und im Bundesrat vertreten zu lassen und umgekehrt dem Vizekanzler durch einen Staatssekretär des Bundeskanzlers. Diese Vertretungsmöglichkeit soll sich auf alle dem Vizekanzler oder dem Bundeskanzler übertragenen Ressortangelegenheiten erstrecken.

Die Opposition warf den Koalitionsparteien vor, ihre Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zu missbrauchen, und äußerte Zweifel, dass die betroffenen Staatssekretäre in der Lage sein werden, sich neben ihrer eigentlichen Zuständigkeit auch in andere Materien so einzuarbeiten, dass sie den Abgeordneten bei Verhandlungen im Parlament ausreichend Auskunft geben können. Man mute den Staatssekretären zu viel zu, sagte etwa BZÖ-Abgeordneter Herbert Scheibner. Die FPÖ-Abgeordneten Manfred Haimbuchner und Peter Fichtenbauer gaben zu bedenken, dass es in der Verfassungslehre seit Jahren verpönt sei, aus einem politischen Anlass heraus in die Bundesverfassung einzugreifen. Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig hielt fest, all jene, die in den vergangenen Jahren für eine Verfassungsbereinigung gearbeitet hätten, seien "zutiefst frustriert".

Verteidigt wurde die Neuregelung von den ÖVP-Abgeordneten Peter Sonnberger und Franz Morak sowie von Staatssekretärin Heidrun Silhavy. Sie begründeten die Verfassungsänderung mit der ständigen Zunahme der Termine des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers. Er verstehe die Kritik der Abgeordneten bis zu einem gewissen Grad, erklärte Morak, aufgrund der zahlreichen Termine sei in der Praxis aber eine Ausweitung der Vertretungsmöglichkeiten erforderlich. Staatssekretärin Silhavy wies überdies darauf hin, dass auf EU-Ebene bereits die Vertretung eines Ministers durch ressortfremde Staatssekretäre möglich sei.

Zu Beginn der Sitzung war ein Antrag der Grünen, die Tagesordnung um den Antrag 90/A(E) betreffend Kärntner Ortstafeln zu ergänzen, von den anderen Fraktionen abgelehnt worden. SPÖ, ÖVP, BZÖ und FPÖ wiesen darauf hin, dass Gespräche in dieser Frage im Laufen seien und ein politischer Kompromiss angestrebt werde. Die Grünen fordern in ihrem Entschließungsantrag ein Einschreiten des Verkehrsministers in der Frage der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten.  (Schluss)