Parlamentskorrespondenz Nr. 890 vom 12.09.2019

Bundesweite Behörde "Finanzamt Österreich" soll Finanzämter ersetzen

Budgetausschuss empfiehlt ferner verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse

Wien (PK) – Die österreichische Finanzverwaltung soll ab 1. Juli 2020 auf neue Beine gestellt werden. Der von ÖVP und FPÖ vorgeschlagenen Reform wurde im Budgetausschuss heute ebenso mehrheitlich zugestimmt wie der Verankerung der Schuldenbremse in der Bundesverfassung, die auf einen gemeinsamen Antrag von ÖVP, FPÖ und NEOS zurückgeht. Für einen Nationalratsbeschluss ist für letztere allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, das heißt, zumindest ein weiterer Abgeordneter bzw. eine weitere Abgeordnete müsste über die AntragstellerInnen hinaus der Gesetzesinitiative zustimmen.

Organisationsreform der Bundesfinanzverwaltung

An Stelle der 40 Finanzämter sollen ab 1. Juli 2020 zwei Abgabenbehörden mit bundesweiter Zuständigkeit treten – das "Finanzamt Österreich" sowie das "Finanzamt für Großbetriebe" (985/A). Die neun bestehenden Zollämter sollen ebenfalls zu einer bundesweit zuständigen Abgabenbehörde, dem "Zollamt Österreich" zusammengeführt werden. Für die Aufgaben der Finanzpolizei, der Steuerfahndung sowie der Finanzstrafbehörde soll das "Amt für Betrugsbekämpfung" errichtet werden. Vorgesehen ist des Weiteren ein Prüfdienst für lohnabhängige Abgaben und Beiträge. Somit bleiben von den dem Finanzministerium unterstellten Dienststellen künftig fünf Ämter. Die bisherigen Dienstbehörden werden zu Dienststellen.

Beabsichtigt wird mit der Zentralisierung der Finanz- und Zollverwaltung die Bündelung der Kompetenzen, die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten sowie die Erhöhung der fachlichen Qualität. Die Bediensteten bleiben weiterhin mit ihren Arbeitsplätzen bzw. Arbeitsfeldern betraut, werden allerdings den neuen Ämtern - im Bedarfsfall mittels eines speziellen Überleitungsverfahren - zugewiesen.

JETZT befürchtet parteipolitische Postenbesetzungen

Auf Skepsis stieß die Organisationsreform bei der SPÖ und dem Parlamentsklub JETZT. Nicht alles sei schlecht, sagte SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer, er fürchtet aber, dass als Folge der Reform einige Dienststellen im ländlichen Raum zugesperrt werden. Das könne der jeweilige Finanzminister künftig ohne Zustimmung der Abgeordneten verfügen. Eine ausführliche Stellungnahme zum Entwurf stellte Krainer für das Plenum in Aussicht.

Seitens der Liste JETZT meinte Bruno Rossmann, das Ziel der Reform sei richtig, schließlich seien die Finanzämter derzeit regional sehr unterschiedlich ausgelastet. In diesem Sinn seien Bestrebungen für eine effizientere Finanzverwaltung zu begrüßen. Rossmann fürchtet allerdings, dass die Reform für politische Postenbesetzungen genutzt wird.

Müller: Derzeitige Struktur ist nicht zukunftsfit

Finanzminister Eduard Müller hielt fest, dass die derzeitige Struktur nicht zukunftsfit sei. Die Reform werde eine gleichmäßigere Arbeitsbelastung der Finanzämter ermöglichen. Zudem müssten Akten, wenn ein Bürger von A nach B übersiedelt, nicht mehr zwingend abgetreten werden.

Die regionale Struktur der Finanzverwaltung sieht Müller nicht gefährdet. Vielmehr biete die Reform die Möglichkeit, hier bewusst Akzente zu setzen. So könnten durch die digitale Vernetzung und den digitalen Workflow telefonische Auskünfte etwa in Kärnten konzentriert werden. Auch die Gefahr einer politischen Einflussnahme auf Postenbesetzungen sei nicht gegeben, da es durch den Erhalt der regionalen Dienststellen de facto zu keinen Abberufungen und Neuausschreibungen kommen werde. Lediglich die Zusammenlegung kleinerer Dienststellen ist laut Müller geplant.

In Richtung Abgeordnetem Krainer hielt Müller fest, der Finanzminister könne schon nach der derzeitigen Rechtslage per Verordnung Finanzämter schließen. Seitens der ÖVP begrüßte Andreas Hanger die Reform und betonte, wichtig sei, dass die Dienststellen in den Regionen gesichert seien.

Schuldenbremse in der Bundesverfassung

Angesichts der Entwicklung der öffentlichen Schulden im letzten Jahrzehnt erachten ÖVP, FPÖ und NEOS die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung als angemessen (928/A). SPÖ und JETZT sehen das als völlig falschen Weg an und erkennen in der Verfassungsverankerung keine ökonomische Effizienz.

Als einfaches Gesetz gilt in Österreich eine Schuldenbremse bereits wegen des EU-Stabilitätspakts. Ziel einer solchen ist es, die zulässigen Ausgaben auf die Höhe der um einen Konjunkturfaktor bereinigten Einnahmen zu begrenzen. In konjunkturell hervorragenden Jahren sollte Österreich aus Sicht der AntragstellerInnen einen Überschuss schaffen, der notwendige Investitionen in schlechten Jahren finanzieren kann. Über den kompletten Konjunkturzyklus wäre der Haushalt somit ausgeglichen.

Konkret dürfte das Defizit des Bundes laut Gesetzesantrag demnach maximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts betragen, jenes der Länder und Gemeinden insgesamt höchstens 0,1% der Wirtschaftsleistung. Ausnahmeregelungen sollen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen gelten. Abweichungen von den zulässigen Obergrenzen sollten laut Gesetzesantrag auf einem Kontrollkonto erfasst und konjunkturgerecht zurückgeführt werden.

Weil sich in den letzten Jahrzehnten ein Schuldenberg angehäuft hat, müsse man nun besonders auf die nächste Generation achten, sagte Klaus Lindinger (ÖVP). Dafür wäre der gemeinsame Vorstoß, der an das Schweizer Modell angelehnt ist, ein vernünftiger und nachhaltiger Schritt, meinte er. Als großen Wurf für die Generationengerechtigkeit bezeichnete das Konzept auch Karin Doppelbauer (NEOS). Ein Besonders wichtiges Element dessen wäre für die NEOS-Budgetsprecherin die Hervorhebung des strukturellen Nulldefizits gewesen, um die konjunkturellen Möglichkeiten deutlich zu machen. Ihr entsprechender Abänderungsantrag wurde allerdings nicht von den restlichen Ausschussmitgliedern mitgetragen.

Als "gesetzlichen Pfusch" bezeichnete die Gesetzesinitiative der Klubobmann der Liste JETZT, Bruno Rossmann. Sie sei aufgrund der Verhinderung von Zukunftsinvestitionen nicht ökonomisch effizient. Nicht nur würde man sich bei einer Schuldenbremse beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur gehindert sehen, auch wäre es wichtig, in den Klimaschutz zu investieren, so Rossmann. Christoph Matznetter und Alois Stöger (beide SPÖ) betonten, dass sie eine einfachgesetzliche Regelung für ausreichend befinden. Außerdem, so lautete die Kritik von SPÖ-FraktionskollegInnen Sonja Hammerschmid und Kai Jan Krainer, wäre das vorgelegte Konzept vielmehr am Deutschen, nicht am Schweizer Modell einer Schuldenbremse angelehnt. Aus dem deutschen Negativbeispiel müsse man lernen, diese Fehler nicht nachzumachen, meinten sie. Investitionsmöglichkeiten müssten nicht nur für Ausnahmesituationen sondern auch im Sinne einer Wachstumspolitik oder für die Infrastruktur möglich sein. Die ÖVP-Mandatare Karlheinz Kopf und Andreas Ottenschläger entgegneten, dass die Infrastruktur in der langfristigen Budgetplanung ohnehin eingeplant sei und sich etwa Investitionsanreize für Unternehmen besser eignen würden. Das wäre trotz Schuldenbremse möglich.

Die Schuldenbremse nach dem Vorschlag von ÖVP, FPÖ und NEOS soll, sofern es im Nationalrat zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit kommt, erstmals im Finanzjahr 2021 Anwendung finden. (Schluss Budgetausschuss) fan/gs