Parlamentskorrespondenz Nr. 370 vom 24.04.2020

Justizausschuss beschließt Gutscheinregelung für Kultur- und Sportveranstaltungen

Veranstalter sollen Entgelte für Eintrittskarten erst 2023 zurückzahlen müssen

Wien (PK) – Die Koalitionsparteien haben sich kurzfristig auf eine Gutscheinregelung für Kultur- und Sportveranstaltungen geeinigt. Ein entsprechendes Sondergesetz wurde heute im Zuge der Beratungen des Justizausschusses eingebracht und mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen. Demnach müssen Entgelte für Eintrittskarten oder Teilnehmerentgelte bis zu einem Wert von 70 € vorläufig nicht rückerstattet, sondern können in Gutscheine umgewandelt werden. Damit wollen die Koalitionsparteien Veranstaltern unter die Arme greifen, die aufgrund der Absage von Kunst-, Kultur- und Sportereignissen durch die COVID-19-Pandemie in die Insolvenz zu schlittern drohen. Seitens der Opposition gab es viel Kritik an der Regelung, SPÖ und NEOS können sich allerdings, gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen, eine Zustimmung im Plenum vorstellen.

Konkret erhalten Kultur- und Sportveranstalter mit dem so genannten Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz die Möglichkeit, sich durch die Ausgabe eines Gutscheins vorübergehend von der Rückzahlungspflicht zu befreien. Die stattdessen ausgegebenen Gutscheine sollen zu einem späteren Zeitpunkt – auch für andere Veranstaltungen des gleichen Veranstalters – einlösbar sein und können auch übertragen werden. Erst ab Anfang 2023 wird, im Falle einer Nichteinlösung, eine Rückerstattung fällig. Die Regelung gilt allerdings nur für Tickets und Teilnahmegebühren bis 70 €, hat ein Ticket mehr gekostet, haben die BesucherInnen, ergänzend zum Gutschein, ein Anrecht auf eine Barerstattung des Differenzbetrags, maximal jedoch 180 €.

Nicht von der Sonderregelung umfasst sind Einrichtungen und Veranstaltungen der öffentlichen Hand, also etwa große Opern- und Theaterhäuser. Ergänzend zur Gesetzesnovelle fasste der Justizausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS auch eine von den Koalitionsparteien initiierte Entschließung (488/A(E)): Demnach wird die Regierung aufgefordert, weitere Maßnahmen für VeranstalterInnen zur Abfederung von wirtschaftlichen Härtefällen als Folge von gehäuften Rückzahlungspflichten nach Absagen zu prüfen.

Breite Kritik der Opposition

Bei der Opposition stieß die kurzfristig eingebrachte Novelle auf Skepsis. Der Schritt werde zwar manchen Betroffenen helfen, viele VeranstalterInnen werden voraussichtlich aber trotzdem insolvent werden, glaubt SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda. Er befürchtet außerdem eine Präjudizwirkung für andere Bereiche, etwa was Flug- oder Bahntickets betrifft. Drozda kann sich dennoch eine Zustimmung der SPÖ zum Gesetz im Plenum vorstellen, wenn dieses nachgebessert wird, wobei er insbesondere auf Ausnahmeregelungen für Minderjährige und GIS-befreite Personen drängt. Diese sollen weiter ein Recht auf Rückzahlung haben.

Auch die NEOS wollten nicht ausschließen, dem Gesetz im Plenum des Nationalrats zuzustimmen. Aus juristischer Sicht stünden ihm aber die Haare zu Berge, sagte Johannes Margreiter. Mit dem Gesetz werde in das ABGB eingegriffen, noch dazu mit unbestimmten Rechtsbegriffen. So werde nicht klar definiert, was ein Sportereignis oder ein Kulturereignis sei. In diesem prophezeite er jede Menge Probleme in der Praxis. Das Anliegen sei zwar ein hehres, meinte Margreiter, er könne dem Gesetz heute aber keine Zustimmung erteilen.

Seitens der FPÖ bezeichneten Harald Stefan und Christian Lausch den Gesetzentwurf als völlig unausgegoren. Das Insolvenzrisiko werde durch die vorgesehene Regelung zur Gänze an die Gutscheinbesitzer übertragen, kritisierten sie. Schließlich sei der schönste Gutschein nichts wert, wenn der Veranstalter trotzdem in die Insolvenz schlittere. Sowohl Stefan als auch Lausch machten sich demgegenüber für einen alternativen Vorschlag stark: Demnach sollen die KonsumentInnen wählen können, ob sie einen 100-prozentigen Gutschein oder 70% des Geldes zurückerhalten wollen. Damit würden Risiko und Schaden aufgeteilt. Lausch wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es zum Teil um hohe Beträge gehe, etwa bei Saisonkarten für die Fußball-Bundesliga.

ÖVP-Abgeordnete Martina Kaufmann hielt dem entgegen, dass es Vielen nicht möglich wäre, nach dem Ende der Krise wieder Kulturveranstaltungen anzubieten, würde man jetzt das ganze Geld aus der Szene herausziehen. Auch ist ihrer Meinung nach eine Ausnahmeregelung für bestimmte Gruppen in der Abwicklung schwierig. Grundsätzlich ist Kaufmann aber überzeugt, dass es nach der Krise wieder zu einem Wiedererstarken der Kultur- und Sportszene kommen wird.

Agnes Sirkka Prammer (Grüne) betonte, dass man mit dem Gesetz vor allem kleine Kunst- und Kulturbetriebe vor der Pleite bewahren wolle. Eine Insolvenz wäre schließlich auch nicht im Interesse der BesucherInnen, da diese kaum die Möglichkeit hätten, Geld aus der Masse zu bekommen. Zudem biete die Regelung den Vorteil, dass der Rückzahlungsanspruch – anders als bei freiwillig ausgestellten Gutscheinen – nicht verloren gehe. Es handle sich um eine Kompromissvariante, die für beide Seiten tragbar sei, ist sie überzeugt.

Dass es zu einer Prozesslawine kommen wird, glaubt Prammers Fraktionskollege Georg Bürstmayr nicht. Dafür seien die Streitwerte zu niedrig. Für ihn ist die Regelung insgesamt grundrechtlich vertretbar und aus wirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßig.

Im Mittelpunkt der Sitzung des Justizausschusses stand das 8. COVID-19-Gesetz, das vor allem Regelungen in Zusammenhang mit dem Wiederhochfahren der Justiz enthält. (Fortsetzung Justizausschuss) gs