Parlamentskorrespondenz Nr. 1370 vom 03.12.2020

Petitionsausschuss: Von der Ausfallshaftung für Gemeinden bis zum Problem der überfüllten Schulbusse

Intensive Bürgerbeteiligung in Form von 61 Tagesordnungspunkten

Wien (PK) – Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen wies auch heute wieder eine umfangreiche Tagesordnung auf. Die Abgeordneten befassten sich mit insgesamt 61 Materien, die thematisch ein breites Feld abdeckten und von den Auswirkungen der Corona-Krise auf Familien und Frauen, Problemen bei den Auszahlungen des Familienhärtefonds, Lärmschutzmaßnahmen in Kärnten bis hin zu diversen Verkehrsagenden reichten. Ein für heute geplantes Hearing mit ExpertInnen zu ausgewählten Initiativen musste coronabedingt auf die nächste Sitzung im ersten Quartal 2021 verschoben werden, gab Ausschussvorsitzender Michael Bernhard bekannt. Er wies zudem darauf hin, dass auch dieses Mal einige Tagesordnungspunkte aufgrund von fehlenden oder nicht rechtzeitig eingetroffenen Stellungnahmen vertagt werden müssen. Mehrheitlich angenommen wurde ein Sammelbericht über alle zur Kenntnis genommenen Petitionen und Bürgerinitiativen, der aber erst im nächsten Jahr auf der Tagesordnung einer Nationalratssitzung stehen wird.

Petition für Abschiebestopp von Auszubildenden in Pflegeberufen

Obwohl in ganz Österreich händeringend nach qualifiziertem Pflegepersonal gesucht werde, seien gut integrierte AsylwerberInnen, die eine Ausbildung in diesem Mangelberuf absolvieren, akut von der Abschiebung bedroht, heißt es in einer von SPÖ-Abgeordneter Selma Yildirim vorlegten Petition (12/PET). Nach einer aktuellen Studie des Gesundheitsministeriums werden in den nächsten zehn Jahren rund 75.000 zusätzliche Pflegefachkräfte zur Deckung des Bedarfs gebraucht, unterstrich SPÖ-Mandatarin Petra Bayr. Neben einem sofortigen Abschiebestopp für alle AsylwerberInnen, die eine Ausbildung in einem Mangelberuf absolvieren, treten die PetentInnen zudem für eine gesetzliche Regelung ein, welche dieser Personengruppe die Möglichkeit eröffnet, nach Abschluss ihrer Ausbildung in Österreich zu arbeiten. Außerdem müsse es zu einer Gleichstellung von schulischen Ausbildungen in Mangelberufen (z.B. Pflege) mit jenen in Lehrberufen kommen.

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) begründete den Antrag auf Kenntnisnahme, der mehrheitlich beschlossen wurde, mit dem laufenden Beteiligungsprozess für eine umfassende Pflegereform. Dabei werde auch die in der Petition angesprochene Problematik behandelt werden.

Aus Sicht von FPÖ-Mandatar Christian Ries ist die Verknüpfung des Fachkräftemangels mit dem Asylrecht grundsätzlich falsch. Es sei jedoch sinnvoll, über dieses Thema ausführlich im entsprechenden Fachausschuss zu diskutieren.

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ) bezeichnete es als sehr schade, dass sein Antrag auf Zuweisung an den Innenausschuss nicht unterstützt werde. Nicht nur beim Einbringen einer Petition, sondern auch bei den Stellungnahmen stecke sehr viel Arbeit dahinter, gab er zu bedenken, dies könnte als zusätzliche Expertise bei einer Debatte im Ausschuss genutzt werden. Generell müsse er mit Bedauern feststellen, dass heute viele Initiativen auf Antrag von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen werden.

Lösung für Diskriminierung schwuler und bisexueller Männer bei der Blutspende gefordert

Statt nach dem persönlichen Risikoverhalten von potenziellen BlutspenderInnen zu fragen, entscheidet in Österreich noch immer die sexuelle Orientierung darüber, wer einen Beitrag zum Gesundheitssystem leisten darf, heißt es in einer von SPÖ-Abgeordneter Gabriele Heinisch-Hosek vorgelegten Petition (18/PET). Dies führe dazu, dass Männer, die in den letzten zwölf Monaten Sex mit einem Mann hatten, automatisch von der Teilnahme ausgeschlossen werden, obwohl schon heute alle Blutspenden auf mögliche Krankheiten getestet werden. Es soll daher ein Verbot jeglicher Diskriminierung, insbesondere aufgrund der sexuellen Orientierung, in der Blutspenderverordnung verankert und im Anamnesebogen für SpenderInnen verankert werden, lauten die zentralen Forderungen. In eine ähnliche Richtung ging eine von NEOS-Mandatar Yannick Shetty eingebrachte Petition (19/PET). Gerade in Zeiten der Corona-Krise, wo lebensrettende Blutplasmaspenden von COVID-19-Genesenen sowie generell Blutkonserven benötigt werden, gebe es in dieser Frage einen dringenden Handlungsbedarf.

Da dieses Thema vor zwei Tagen im Rahmen eines Expertenhearings im Gesundheitsausschuss ausführlich beraten wurde, stelle er in beiden Fällen den Antrag auf Kenntnisnahme, erklärte ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Prinz. Ralph Schallmeiner von den Grünen machte zudem darauf aufmerksam, dass Gesundheitsminister Anschober eine Lösung bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt habe.

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ), der noch weitere Stellungnahmen eingefordert hatte, konnte die Argumentation von ÖVP und Grünen nicht nachvollziehen, zumal die Materie im Ausschuss auch vertagt wurde. Außerdem hatte Anschober schon vor den Wahlen in Wien eine Lösung angekündigt. Beide Petitionen wurden schließlich mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Hürden beim Familienhärtefonds und die Auswirkungen der Corona-Krise auf Frauen

In einer von SPÖ-Abgeordneter Petra Wimmer überreichten Petition werden zahlreiche Probleme bei der Umsetzung des Corona-Familienhärteausgleichs aufgezeigt (33/PET). Viele Betroffene klagten darüber, dass sie etwa keine Bestätigung über eingelangte Anträge erhalten haben, dass sie monatelang auf die Überweisung der Gelder warten mussten oder die versprochenen Hilfen gar nicht angekommen sind. Außerdem seien einige Gruppen wie zum Beispiel SozialhilfebezieherInnen, AlleinerzieherInnen in Karenz, getrennt lebende Eltern oder ehemals gering beschäftigte und nun arbeitslose Personen von vornherein ausgeschlossen, lautet die Kritik. Auch all jene Selbstständige, die vom WKÖ-Härtefallfonds abgelehnt wurden, haben keinen Anspruch. Mit diesem Chaos müsse nun Schluss sein, denn alle betroffenen Familien hätten ein Recht auf einen unbürokratischen und einfachen Zugang zu den Leistungen und auf eine zeitnahe und transparente Bearbeitung der Anträge. Außerdem habe das Anliegen aufgrund einer Missstandsfeststellung durch die Volksanwaltschaft keineswegs an Aktualität verloren, betonte Wimmer. Sie beantragte zudem die Einholung von Stellungnahmen der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende

Unterstützung dafür kam abermals vonseiten des Abgeordneten Michael Bernhard (NEOS), der seit Beginn der Pandemie – laut eigenen Aussagen - mit ca. 500 Familien in dieser Causa Kontakt hatte. Auch wenn sich schon etwas verbessert habe, seien viele Probleme noch immer nicht vom Tisch.

Man habe mittlerweile schon mehrfach über das Thema diskutiert und zudem die Anregungen der Volksanwaltschaft aufgenommen, argumentierte Abgeordnete Claudia Plakolm. Ihr Antrag auf Kenntnisnahme wurde mehrheitlich angenommen. 

Die Auswirkungen der Corona-Krise standen auch im Fokus von zwei weiteren Petitionen, die aufgrund von fehlenden Stellungnahmen vertagt wurden. So wurde in einer von SPÖ-Abgeordneter Julia Herr eingereichten Initiative eine Sonderprämie von 1.000 € für besonders belastete Berufsgruppen gefordert, da die Pandemie für viele Beschäftigte, die etwa im Lebensmittelhandel, im Versand, in der Zustellung, im Gesundheitssektor, in der Pflege oder im Reinigungsbereich tätig sind, zu erschwerten Arbeitsbedingungen geführt habe (14/PET). Damit die Corona-Krise nicht auf Kosten der Frauen gehe, legte eine Petition einen Forderungskatalog vor, der von einer Stärkung des Sozialstaates in Verbindung mit dem Ausbau öffentlicher, qualitativ hochwertiger und leistbarer Infrastruktur für die Bereiche Pflege, Gesundheit sowie Kinder- und Jugendbildung, einer Wiedereinführung des 50%-Ziels für Frauen im Rahmen des arbeitsmarktpolitischen Förderbudgets, einer grundlegenden Aufwertung und Neubewertung der in den systemrelevanten Branchen geleisteten bezahlten Arbeit bis hin zu einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70% sowie einer Anhebung der Notstandshilfe reichte. Deutlich mehr Mittel brauche es zudem für den Ausbau der psychosozialen Beratungseinrichtungen im frauen-, arbeitsmarkt-, gesundheits- oder gewaltschutzpolitischen Sektor. Als besonders dringlich stuften die PetentInnen Sofortmaßnahmen für AlleinerzieherInnen und sonstige stark betroffene Gruppen wie etwa 24-Stunden-BetreuerInnen, AsylwerberInnen, Prostituierte oder obdachlose Menschen ein (15/PET).

Gesetzliche Einlagensicherung und Ausfallshaftung für Gemeinden

Vom Konkurs der Commerzialbank Mattersburg seien nicht nur 60.000 PrivatkundInnen und Unternehmen betroffen, sondern auch etliche Kommunen, zeigt eine von Abgeordnetem Andreas Kollross (SPÖ) überreichte Petition auf (35/PET), die mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde. Alleine der Gemeinde Loipersbach sei ein Schaden in der Höhe von mehr als einer Million Euro entstanden. Während PrivatkundInnen durch die Einlagensicherung bis zu einem Betrag von 100.000 € abgesichert seien, gingen die Gemeinden, die "das schwächste Glied in der Kette der Gebietskörperschaften" darstellen, aber leer aus, hob Kollross hervor. Außerdem seien sie aufgrund der ausbleibenden Kommunalsteuern und Ertragsanteile in Folge der Corona-Krise nun doppelt geschädigt. Neben einer raschen finanziellen Soforthilfe brauche es daher mittelfristig eine gesetzlich garantierte Einlagensicherung sowie eine Ausfallshaftung für Gemeinden. Der von Kollross eingebrachte Antrag auf Zuweisung an den Finanzausschuss, der auch von Abgeordnetem Christian Ries (FPÖ) mitgetragen wurde, fand keine Mehrheit.

Bürgerinitiative zur Polizeidienststelle in Villach mehrheitlich zur Kenntnis genommen

Mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde eine bereits seit längerem diskutierte Bürgerinitiative, in der die Wiedereröffnung der unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser geschlossenen Polizeidienststelle am Villacher Hauptbahnhof sowie eine dementsprechende Erhöhung der Planstellen gefordert wurde (11/BI). Beim Bahnhof handle es sich um einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt, der auch von vielen Kindern und Jugendlichen frequentiert werde. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Problemen und unschönen Szenen, zeigen die UnterstützerInnen auf, eine bessere Überwachung und Kontrolle sei daher dringend notwendig. Während sich SPÖ und FPÖ noch eine Stellungnahme von Seiten der ÖBB gewünscht hätten, wies Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) darauf hin, dass laut BMI insgesamt 40 Dienststellen besetzt seien und es außerdem noch Verstärkung durch PolizeischülerInnen gebe. Damit sei das Anliegen erfüllt, urteilte auch Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS).

Neue Initiativen: SchülerInnentransporte, Verkehrsprojekte und Lärmschutzmaßnahmen

Im Rahmen einer Einlaufbesprechung befassten sich die Abgeordneten noch mit allen neu eingelangten Anliegen, bei denen es unter anderem um Lärmschutzmaßnahmen rund um den Wörthersee (44/PET) und im Raum Klagenfurt (45/PET), um Einwände gegen die Schließung von drei Haltestellen der Salzkammergutbahn (46/PET), die Dotierung des "Fonds Zukunft Österreich" (47/PET) sowie um ein Zehn-Punkte-Konzept zur Rettung des Wintersemesters an den Universitäten (48/PET) geht. Bei allen Petitionen beschloss der Ausschuss, Stellungnahmen von Ministerien, Interessenvertretungen oder diversen Organisationen einzuholen.

Für den verstärkten Einsatz von Linien- und Schulbussen an überfüllten Strecken setzt sich eine von Abgeordnetem Andreas Kollross (SPÖ) unterstützte Petition ein (43/PET). Die EinbringerInnen geben zu bedenken, dass sich laut Kraftfahrgesetz in Schulbussen drei Kinder unter 14 Jahren zwei Plätze teilen dürfen, sollte kein anderer Sitzplatz mehr frei sein. Da es nur durch entsprechende Abstandsregeln und die Bereitstellung zusätzlicher Verstärkerbusse möglich sei, einen sicheren Schulweg zu gewährleisten, brauche es eine Umstellung auf die Zählweise 1 Kind pro Platz sowie mehr budgetäre Mittel für den Ausbau des öffentlichen Kraftfahrtlinienverkehrs und des täglichen Gelegenheitsverkehrs. Eine vom Ausschuss beschlossene Stellungnahme des Familienministeriums soll eine Grundlage für die weitere Debatte bieten.

Abgeordneter Hermann Weratschnig (Grüne) begrüßte die Einholung einer Stellungnahme, gab aber zu bedenken, dass die angesprochene Sitzplatzregel nur einen Rahmen vorgebe und die Bundesländer intensiv daran arbeiten, Verstärker-Busse einzusetzen. Er regte zudem an, über alternative Schulbeginnzeiten nachzudenken.

Genau diesen Rahmen sollte man aber überdenken, entgegnete Andreas Kollross (SPÖ), da jedes Kind das Recht auf einen eigenen Sitzplatz haben sollte. Gerade in Corona-Zeiten sei es nicht einzusehen, dass die SchülerInnen in die Busse "wie Sardinen hineingepfercht" werden.

Auch FPÖ-Mandatar Christian Ries unterstützte das Anliegen mit Nachdruck, nachdem seit Jahrzehnten bekannt sei, dass Busse zu bestimmten Zeiten "aus allen Nähten platzen". Dieser Zustand sei nicht mehr länger hinzunehmen und müsste endlich einer Lösung zugeführt werden.

Nähere Informationen zum aktuellen Stand des parlamentarischen Verfahrens in Bezug auf jene Bürgerinitiativen und Petitionen, die heute auf der Tagesordnung standen, sind auf der Website des Parlaments einsehbar. (Schluss) sue