Parlamentskorrespondenz Nr. 1409 vom 11.12.2020

Nationalrat: Freistellung von schwangeren Beschäftigten in Berufen mit Körperkontakt ab der 14. Woche

Abänderungsantrag von ÖVP, Grünen und SPÖ bringt Deckelung der Erhöhung von Luxuspensionen

Wien (PK) - Mit Stimmenmehrheit wurde heute im Nationalrat eine Novelle zum Mutterschutzgesetz beschlossen. Schwangere, die bei der Arbeit physischen Kontakt mit anderen Personen haben, können künftig ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche bei voller Lohnfortzahlung freigestellt werden. Darunter fallen etwa Friseurinnen, Stylistinnen, Physhiotherapeutinnen, Tätowiererinnen, Masseurinnen oder Kindergartenpädagoginnen, erklärte Arbeitsministerin Christine Aschbacher. Sei gehe davon aus, dass ca. 4.500 Beschäftigte von dieser Regelung profitieren werden. Solange noch kein Impfstoff zur Verfügung stehe, müsse man auf Nummer sicher gehen, betonte sie. Zu einem einstimmigen Beschluss kam es dann in der Frage der Deckelung der Erhöhung von sogenannten Luxuspensionen, die nicht mehr an die Inflation angepasst, sondern nur mehr um maximal 35 € steigen werden. Die Opposition beklagte, dass es erst einem Aufschrei der Öffentlichkeit bedurfte, um einen Meinungsumschwung bei den Regierungsfraktionen zu bewirken. ÖVP und Grüne brachten nämlich erst im Laufe der Debatte über diverse Sozialversicherungsgesetze einen Abänderungsantrag ein, der auch von der SPÖ mitgetragen wurde.

Coronabedingte Freistellung von werdenden Müttern in körpernahen Berufen

Die Novelle zum Mutterschutzgesetz sieht eine Freistellung von schwangeren Beschäftigen in Berufen mit Körperkontakt ab der 14. Woche bei vollem Lohnausgleich vor. Voraussetzung dafür ist, dass eine Änderung der Arbeitsbedingungen (z. B. Homeoffice) oder die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes nicht möglich ist. Der Arbeitgeber erhält im Gegenzug die Lohnkosten, inklusive Lohnnebenkosten von der Krankenversicherung ersetzt. Gelten soll die Regelung vorerst bis 31. März 2021. Erstattet werden dem Arbeitgeber die Kosten bis zur ASVG-Höchstbeitragsgrundlage; keinen Erstattungsanspruch gibt es für den Bund, politische Parteien und sonstige juristische Personen öffentlichen Rechts wie Sozialversicherungsträger oder Kammern.

Mit in Verhandlung standen drei Initiativen der SPÖ, die weder im Sozialausschuss noch heute im Plenum eine Mehrheit fanden. Darin ging es unter anderem darum, dass während der Corona-Pandemie Kündigungen von RisikopatientInnen von Gerichten genehmigt werden sollen. Weiters müsste die Freistellungsregelung auf MitbewohnerInnen von RisikopatientInnen ausgeweitet und die Möglichkeit geschaffen werden, dass Schwangere bereits ab der 15. Schwangerschaftswoche Mutterschutz und Wochengeld beanspruchen können. Außerdem sprachen sich die SozialdemokratInnen für eine Ausweitung des Rechtsanspruches auf Sonderbetreuungszeit aus. Einerseits sollten Eltern dieses Instrument auch dann ohne Zustimmung des Arbeitgebers nutzen können, wenn die Schulen während eines Lockdowns zwar Betreuung, aber keinen regulären Unterricht anbieten. Andererseits wäre es ihrer Auffassung nach wichtig, all jenen ArbeitnehmerInnen, die mit schwerkranken Angehörigen in einem Haushalt leben, ebenfalls einen Anspruch auf Sonderbetreuungszeit zu gewähren. Ebenso abgelehnt wie die SPÖ-Anträge wurde die FPÖ-Forderung nach mehr Planungssicherheit für die Wirtschaft.

Mit der Novelle zum Mutterschutzgesetz reagiere man auf aktuelle medizinische Erkenntnisse, bekräftigte Arbeitsministerin Christine Aschbacher, denn es gelte, den höchsten Schutz für die werdenden Mütter sicherzustellen. Überall dort, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden könne, habe man nun Vorsorge getroffen. Die Ressortchefin rechnete dabei mit Kosten von ca. 10 Mio. € pro Monat.

Auch Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne) begründete die Änderungen im Mutterschutzgesetz mit den neuesten medizinischen Erkenntnissen. Die ExpertInnen gehen nämlich davon, dass eine COVID-19-Erkrankung bei Frauen, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft befinden, schwerer verlaufen könne.

ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber nahm zu den Anträgen der SPÖ Stellung und verwies unter anderem darauf, dass es bezüglich der Schulen eine Einigung zwischen den Sozialpartnern gebe. Außerdem sei es nach wie vor möglich, Sonderbetreuungszeit mit dem Arbeitgeber zu vereinbaren.

Nach Ansicht von Abgeordneter Heinisch-Hosek (SPÖ) sei die Regelung für Schwangere zu eng gefasst, weil nicht auf das Ansteckungsrisiko abgestellt werde. So sei es für im Handel oder der Industrie beschäftigte Frauen oft nicht möglich, einen entsprechenden Abstand zu KundInnen zu wahren, gab sie zu bedenken. Sie brachte daher einen entsprechenden Abänderungsantrag zum Mutterschutzgesetz ein, der aber keine Mehrheit fand.

NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler übte Kritik an den Änderungen im Mutterschutzgesetz, weil damit de facto ein Beschäftigungsverbot ab der 14. Schwangerschaftswoche verhängt werde. Dies zeuge von den veralteten Rollenbildern der ÖVP, die hiermit wieder zu Tage treten würden. Auch wenn es vielleicht gut gemeint sei, handle es sich dabei um einen klaren frauenpolitischen Rückschritt.

ÖVP-Grüne-SPÖ-Antrag: Erhöhung der Luxuspensionen wird mit 35 € gedeckelt

Bei der Debatte über eine von den Koalitionsparteien vorgelegte Novelle zum ASVG und zu weiteren Sozialversicherungsgesetzen, die vor allem redaktionelle Änderungen zum Inhalt hatte, stand das Thema Luxuspensionen im Mittelpunkt. Nachdem darüber bereits im Sozialausschuss lebhaft diskutiert worden war, brachten die Regierungsfraktionen heute einen auch von der SPÖ unterstützten Abänderungsantrag ein. Dieser bringe nun die von vielen Seiten geforderte Begrenzung der Erhöhung der Sonderpensionen, erläuterte Abgeordneter Markus Koza von den Grünen. Daneben enthalte er aber zusätzliche Maßnahmen, wie etwa die Regelung, wonach das im Rahmen von AMS-Bildungsmaßnahmen ausbezahlte Übergangsgeld nicht mehr auf die Notstandshilfe angerechnet werde. Außerdem komme es zu einer Verlängerung der Frist bei Stundungen und Ratenzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Dadurch sollen nach Einschätzung von Koza Insolvenzen bestmöglich verhindert werden. Schließlich werde festgelegt, dass die Krankenversicherungen die Honorare für die zweimalige Durchführung der COVID-19-Impfung übernehmen, wobei ihnen die Kosten aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds ersetzt werden, informierte Koza. Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) zeigte sich erfreut darüber, dass im Fall der Luxuspensionen nun eine praktikable Lösung gefunden werden konnte.

Genau vor 16 Tagen haben die Regierungsfraktionen ein Gesetz beschlossen, das man nur als "Pensionsraub" bezeichnen könne, urteilte Abgeordneter Josef Muchitsch unter Bezugnahme auf die Abschaffung der abschlagsfreien Pension nach 540 Beitragsmonaten. Eine weitere Kürzung erfolge durch die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung, wovon mehr als 100.000 Personen betroffen sein werden. Aus diesem Grund brachte er einen umfassenden Entschließungsantrag ein, der auf eine Zurücknahme dieser Maßnahmen sowie generell auf eine faire Berechnung für alle Berufsgruppen und Pensionsarten abzielt. Gleichzeitig habe man aber darauf vergessen, einen Deckel bei den Luxuspensionen einzuziehen, zeigte Muchitsch kritisch auf. Während die Pensionen von ArbeiterInnen, BäuerInnen und kleinen Selbstständigen um maximal 35 € erhöht werden, sollten die BezieherInnen von sehr hohen Pensionen die volle Inflationsabgeltung mit mehr als 150 € monatlich erhalten. Da der Aufschrei vonseiten der Opposition, aber auch der Öffentlichkeit, sehr groß war, haben ÖVP und Grüne endlich eingelenkt und einen Initiativantrag eingebracht, der aber zunächst wieder "nicht das Gelbe vom Ei war", schilderte der SPÖ-Sozialsprecher. Durch die Einbindung von ExpertInnen im SPÖ-Klub sei es nun aber gelungen, eine gute Lösung zu finden, die von seiner Fraktion mitgetragen werden könne. Künftig erhalten auch LuxuspensionistInnen mit Mehrfachpensionen maximal 35 € Pensionsanpassung.

Auch wenn jetzt eine Einigkeit darin bestehe, die "wirklich fetten Pensionen" zu deckeln, habe dies im Ausschuss noch ganz anders geklungen, erinnerte NEOS-Mandatar Gerald Loacker. Grundlage dafür war ein Antrag seiner Fraktion, der keine Zustimmung gefunden hatte. Entgegen anderslautender Meinungen können mit dieser Maßnahme sehr wohl hohe Beträge eingespart werden, nämlich mehr als 200 Mio. €. Loacker ging einen Schritt weiter und schlug vor, Luxuspensionen generell "einzufrieren"; aber da fehle weiterhin die Ambition.

Erst nachdem man nach einem Artikel in der Kronen Zeitung gemerkt habe, dass die "Volksseele kocht", seien die Regierungsfraktionen in der Frage der Luxuspensionen nun umgeschwenkt, konstatierte auch Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ). Seine Fraktion trete seit Jahren dafür ein, solch hohen Pensionen, die etwa 40.000 Personen erhalten, ganz "wegzubekommen". Es müsse endlich ein Deckel auf Höhe des ASVG-Niveaus eingezogen werden, forderte Wurm.

Bei diesem Tagesordnungspunkt brachte SPÖ-Abgeordneter Philip Kucher noch einen Entschließungsantrag ein, in dem er darauf hinwies, dass ÄrztInnen mit Vertrag im ersten, zweiten und vierten Quartal des Jahres 2020 zumindest 80% jenes Honorarvolumens bekommen, das sie in den Vergleichszeiträumen im Jahr 2019 erhalten haben. Im Sinne der Gerechtigkeit sollte dies auch für die anderen Gesundheitsberufe gelten, wie insbesondere ZahnärztInnen, MTD-Berufe, PsychologInnen, Hebammen etc., welche einen Vertrag im Sinn des Sozialversicherungsrechts haben.

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP) begrüßte ausdrücklich das im Abänderungsantrag enthaltene "Stundungspaket", das wichtige Erleichterungen für die Betriebe enthalte. Somit können auch noch die Beiträge im Jänner und Februar gestundet werden. Danach können Anträge auf Ratenzahlung bis Mitte 2022 bzw. 2024 gestellt werden. Was den SPÖ-Vorschlag bezüglich der nicht ärztlichen Gesundheitsberufe angeht, so werde man sich das noch genauer ansehen, versprach er.

Bei der Abstimmung wurde die Novellierung der diversen Sozialversicherungsgesetze in der Fassung eines von ÖVP, Grünen und SPÖ eingebrachten Zusatz- bzw. Abänderungsantrags einstimmig beschlossen. Die beiden Entschließungsanträge der SPÖ fanden keine Mehrheit. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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