Parlamentskorrespondenz Nr. 317 vom 24.03.2022

Nationalrat beschließt strategische Gasreserve für Österreich

Gasreserve soll erstmals ab November 2022 zur Verfügung stehen

Wien (PK) – Zum Thema Bevorratung und Versorgung mit Erdgas fand heute ein Antrag der Koalitionsparteien für die Anschaffung einer nationalen strategischen Gasreserve im Nationalrat breite Zustimmung aller Fraktionen außer den NEOS und damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Ukraine ist das Ziel der Maßnahme, auch im Falle einer vollständigen Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland die Versorgungssicherheit der österreichischen EndkundInnen aufrechtzuerhalten.

Einstimmigkeit erlangte der SPÖ-Vorstoß für Photovoltaik-Anlagen auf Bundesheergebäuden. Obwohl zwischen den Parlamentsparteien grundsätzlich Konsens darüber besteht, das Bundesheer zu stärken, wurden allerdings sämtliche von der Opposition im Zuge der Debatte eingebrachte Entschließungen abgelehnt. Die FPÖ forderte etwa ein Sonderinvestitionspaket von 1 Mrd. €, die Anhebung des Regelbudgets des Bundesheeres auf 1% des BIP, die Überarbeitung der österreichischen Sicherheitsstrategie sowie zusammen mit den NEOS ein sogenanntes Streitkräfteentwicklungsgesetz. Die SPÖ sprach sich dafür aus, insbesondere die Miliz zu stärken.

Einstimmig angenommen wurden zwei Beendigungsabkommen zu Investitionsschutzverträgen. Eine Mehrheit der Stimmen gab es für den Sammelbericht des Petitionsausschusses sowie für den ersten Tätigkeitsbericht der Investitionskontrolle. Eine Forderung der FPÖ für eine Genehmigungspflicht für alle in der Anlage zum Investitionskontrollgesetz aufgelisteten Bereiche bereits ab einem Stimmrechtsanteil von 10% blieb in der Minderheit.

Strategische Gasreserve ab November 2022

Der heute im Plenum vorgelegte Abänderungsantrag zum Gaswirtschaftsgesetz sieht vor, dass in Österreich eine strategische Gasreserve erstmals zum 1. November 2022 bereitstehen soll. Die dafür benötigten Mittel sollen vom Bund im Rahmen des jeweiligen Bundesfinanzgesetzes zur Verfügung gestellt werden. Die operative Abwicklung der Beschaffung und der Vorhaltung der strategischen Gasreserve wird dem Verteilergebietsmanager übertragen. Um eine rasche operative Abwicklung zu ermöglichen, hat selbiger der Vorlage zufolge eine Tochtergesellschaft zu gründen. Die Beschaffung der Gasreserve soll im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens durch den Verteilergebietsmanager erfolgen.

Die genaue Höhe der Gasreserve bemisst sich laut Erläuterungen aus den jeweils im Jänner abgegebenen Gasmengen und wird jeweils bis zum 1. März von der Regulierungsbehörde veröffentlicht. Für das Jahr 2022 ergebe sich ein Gesamtverbrauch von 12,6 TWh im Jänner. Die Höhe der Reserve kann per Verordnung der Bundesregierung angepasst werden, die allerdings laut Erläuterungen der Zustimmung des Hauptausschusses mit Zweidrittelmehrheit bedarf. Die Freigabe von Gasmengen aus der strategischen Gasreserve kann ausschließlich durch Verordnung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nach dem Energielenkungsgesetz erfolgen.

Für den Fall des Auslaufens der entsprechenden Bestimmungen ist durch Verordnung der Bundesregierung über die Verwendung der Gasreserve zu entscheiden. Auch hier ist wiederum eine Zustimmung des Hauptausschusses mit Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Die Regelungen zur strategischen Gasreserve werden laut Erläuterungen bis zum 30. September 2025 befristet und sind davor zu evaluieren. Der von Versorgern einzuhaltende Gasversorgungsstandard bleibe durch die strategische Gasreserve unberührt.

Vizekanzler Kogler stimmte in Vertretung von Ministerin Leonore Gewessler mit Tanja Graf (ÖVP) insofern überein, dass man sich mit diesem Schritt in der aktuellen Situation im Sinne der Versorgungssicherheit darauf konzentriere, was akut zu tun sei. Aus seiner Sicht sei es müßig, jetzt darüber zu diskutieren, was der privatwirtschaftlich organisierte Markt mache oder nicht. Für die Gasreserve werde die Bundesregierung einen Betrag zwischen 1,6 Mrd. € und 2 Mrd. € zur Verfügung stellen, so Graf. Christoph Stark (ÖVP) war sich mit Lukas Hammer (Grüne) insofern einig, dass das Gesetz zwar keinen Anlass zur Freude gebe, aber gehandelt werden müsse, damit im nächsten Winter genügend Gasreserven vorhanden sind. Es sei die bittere Wahrheit, so Hammer, dass es eine extreme Abhängigkeit von russischen Gasimporten gebe. Die Situation zeige einmal mehr, dass ein Ausstieg aus sämtlichen Gas- und fossilen Energieimporten nötig sei. Eingesetzt werde die Reserve im extremen Notfall, wenn es zu einem Energielenkungsfall komme und kein Gas mehr fließe. Insgesamt werde genau daran gearbeitet, vom Gas wegzukommen, unterstrich auch Martin Litschauer (Grüne).

Alois Schroll (SPÖ) betonte, die strategische Gasreserve stelle ein wichtiges und noch fehlendes Instrument dar, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Bei der Ausgestaltung sei ihm wichtig gewesen, darauf zu achten, dass BürgerInnen und KMU nicht mit noch höheren Energiepreisen konfrontiert werden. Er mahnte aber auch ein, dass unter anderem noch immer kein gültiges Energieeffizienzgesetz vorliege. Hier sei es Zeit, zu handeln. Christoph Matznetter (SPÖ) fügte hinzu, man sei durch den Angriffskrieg auf die Ukraine gezwungen, diese Notmaßnahme zu setzen. Die kurzfristige Ausarbeitung der Vorlage im Parlament zeigt für ihn, dass in Krisen die Zusammenarbeit mit dem Hohen Haus gesucht werden sollte.

Axel Kassegger (FPÖ) zufolge geht es um die gesetzliche Schaffung einer Notstandsreserve für Gas, die es bisher nur für Erdöl gegeben habe. Er kritisierte insgesamt, dass jahrzehntelange Versäumnisse passiert seien, auch im Hinblick auf den Umstieg auf erneuerbare Energien, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sowie Leistbarkeit. Kritisch sieht Karin Doppelbauer (NEOS), dass das vorliegende Gesetz die Abhängigkeit von russischem Gas nicht verringere und neues Geld in russische Kriegskassen gespült werde. Aus ihrer Sicht sei die extreme Abhängigkeit beim Gas nicht durch den Markt, sondern durch frühere Entscheidungen und Haltungen von PolitikerInnen entstanden. Die Gasreserve stelle nur eine Symptombekämpfung dar, verwies sie auf einen umfassenden Plan der NEOS gegen die Abhängigkeit von russischem Gas, der aber einfach "vom Tisch gewischt" worden sei.

Der ursprüngliche Gesetzesantrag von ÖVP und Grünen für Änderungen im Gaswirtschaftsgesetz enthielt beim einstimmigen Beschluss im Wirtschaftsausschuss vorerst nur redaktionelle Anpassungen. Bis zum Plenum waren dazu Gespräche mit den Energie- und WirtschaftssprecherInnen sowie mit entsprechenden Stakeholdern angekündigt. In einem mit den Änderungen miterledigten Entschließungsantrag hatte die FPÖ thematisiert, dass der gegenwärtige Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einmal mehr die Abhängigkeit Europas und damit auch Österreichs insbesondere auch am Energiesektor veranschauliche. Die FPÖ forderte daher eine Regierungsvorlage, mit der ein gesetzlicher Rahmen für das Anlegen einer strategischen Pflichtnotstandsreserve für Erdgas in Österreich geschaffen wird.

Photovoltaik-Anlagen auf Bundesheergebäuden

Die SPÖ-Forderung nach einer Vorbeugung für etwaige Blackouts in Form einer Anschaffung und Inbetriebnahme von inselfähigen Photovoltaik-Anlagen mit Batteriespeicher auf Gebäuden des Bundesheers fand einhellige Zustimmung im Plenum. Dadurch könne im Falle eines Blackouts Autarkie und Einsatzfähigkeit gewährleistet werden, heißt es im Entschließungsantrag.

Österreich werde erst in Krisenzeiten wieder richtig bewusst, wie wichtig das Bundesheer etwa auch für Katastrophenfälle ist, sagte SPÖ-Antragstellerin Elisabeth Feichtinger (SPÖ). Damit das Bundesheer alle seine Aufgaben erfüllen kann, brauche es eine starke Unabhängigkeit. Vorbereitungen wie die Anschaffung von Photovoltaik-Anlagen auf Kasernen seien essentiell, zumal Österreich in den letzten Jahren an Blackouts "vorbeigeschrammt" sei, so Feichtinger.

Seit 2019 habe sich die Welt durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg verändert, die Selbstversorgung im Lebensmittel- und Energiebereich, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht spiele nun eine wesentliche Rolle, machte Manfred Hofinger (ÖVP) seine Zustimmung zur Autarkie von Kasernen geltend. Großen Nachholbedarf gebe es angesichts der veränderten Bedrohungsszenarien auch im Sicherheitsbereich, deswegen unterstütze er das Vorhaben von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, mehr Geld in das Bundesheer investieren zu wollen.

Für die Freiheitlichen drückte Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) seine Zustimmung aus, brachte aber auch seine Hoffnung zum Ausdruck, dass dafür die notwendige Finanzierung aufgestellt wird. Positiv erachtete Bösch, dass es in Bezug auf das Bundesheer einen Paradigmenwechsel gegeben habe. Wollte die Politik vor Jahren die schweren Waffen noch abschaffen, habe man nun angesichts der traurigen Ereignisse den einstimmigen Beschluss im Nationalen Sicherheitsrat gefasst, die umfassende Landesverteidigung wieder herzustellen.

Irritiert zeigte sich Bösch ebenso wie David Stögmüller (Grüne) und Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) über heute öffentlich gewordene Pläne der Verteidigungsministerin über ein "Neutralitätspaket" zur Aufstockung des Bundesheeres. Es habe heute Vormittag Gespräche zwischen den WehrsprecherInnen und der Ministerin gegeben, in denen von konkreten Zeitplänen und Zahlen noch keine Rede gewesen sei, sagte Bösch. Es gebe einen parteiübergreifenden Konsens zur Stärkung des Bundesheeres, weitere Schritte oder konkrete Zahlen seien in der Regierung noch nicht ausverhandelt, kritisierte auch David Stögmüller (Grüne), der eine bessere Vertrauensbasis einforderte. "Die heutigen Fake News kommen von der ÖVP", zeigte sich Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) ebenfalls "schwer irritiert". Es gehe nun darum, das Bundesheer zu stärken, um Österreichs liberale Demokratie verteidigen zu können, so der NEOS-Abgeordnete. Sicherheit müsse auch etwas wert sein. Hoyos-Trauttmansdorff wertete es aber auch als Armutszeugnis, die umfassende Landesverteidigung wieder herstellen zu müssen.

Verteidigungsministerin Tanner sagte, dass es nun nicht darum gehe, wer etwas gesagt oder geschrieben hat. Es müsse nun gemeinsame Aufgabe sein, für die Sicherheit Österreichs zu sorgen und das Bundesheer so auszustatten, dass es auch seine verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllen kann. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei nicht nur für Österreich eine Zeitenwende, sondern für Europa und die gesamte Welt. Jahrzehntelang sei die soziale Sicherheit im Vordergrund gestanden, nun sei es die militärische.

Erster Tätigkeitsbericht der Investitionskontrolle

Die neuen Regeln nach dem Investitionskontrollgesetz haben zu einem deutlichen Anstieg an Verfahren geführt, wird im ersten Tätigkeitsbericht der Investitionskontrolle für den Zeitraum 25. Juli 2020 bis 24. Juli 2021 unter anderem ausgeführt. Seit Inkrafttreten seien insgesamt 50 Genehmigungsanträge und Anträge auf Ausstellung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen geführt und abgeschlossen worden, weitere 20 Verfahren waren anhängig, keines der Genehmigungsverfahren sei zurückgewiesen worden. Nach den früheren Bestimmungen seien in rund 8 Jahren davor nur 25 Verfahren geführt worden. Der Bericht wurde im Nationalrat mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Beendigungsabkommen zu Investitionsschutzverträgen

Zur Umsetzung eines EuGH-Urteils genehmigten die Abgeordneten einstimmig weitere Beendigungsabkommen zu bilateralen Investitionsschutzverträgen, und zwar diesmal mit Polen und Lettland.

Petitionen

Befasst hat sich der Nationalrat auch mit einem Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, der fünf Petitionen und vier Bürgerinitiativen umfasst. Die Bürgeranliegen betreffen unter anderem Sorgen von AnrainerInnen bezüglich der Errichtung einer Schottergrube in Gerasdorf, verpflichtende Erdkabel für 110kV-Leitungen, den Umgang mit der sogenannten LKW-Mautflucht in den betroffenen Gemeinden sowie die transparentere Kennzeichnung von Lebensmitteln. Die Abgeordneten nahmen den Bericht mehrheitlich zur Kenntnis.

Am Ende des heutigen Sitzungstages wurde zudem ein Fristsetzungsantrag von ÖVP und Grünen mehrheitlich angenommen, der dem Verkehrsausschuss eine Frist bis 26. April zur Berichterstattung über die Regierungsvorlage zur Novelle des Kraftfahrgesetzes setzt. Ebenso mit Mehrheit setzten die Abgeordneten dem Finanzausschuss zur Berichterstattung eine Frist bis 19. April für einen Antrag der Koalitionsparteien, der unter anderem eine temporäre Erhöhung des Pendlerpauschale enthält. Nicht durchsetzen konnten sich die Freiheitlichen mit einem Fristsetzungsantrag für ein Außerkrafttreten des Impfpflichtgesetzes. (Schluss Nationalrat) mbu/keg

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.