Stenographisches Protokoll

671. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 15. Dezember 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

671. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 15. Dezember 2000

Dauer der Sitzung

Freitag, 15. Dezember 2000: 11.03 – 17.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 2001 – FAG 2001) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden

3. Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen

4. Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Investmentfondsgesetz 1993, das Börsegesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (Kapitalmarktoffensive-Gesetz, KMOG)

5. Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 erlassen wird

6. Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden

7. Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung samt Anlage

8. Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden

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Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Schlussansprache des Präsidenten Johann Payer 6

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny 8

Ordnungsrufe gemäß § 70 Abs. 3 9

Ordnungsruf gemäß § 70 Abs. 1 12

Unterbrechung 9

Personalien

Krankmeldung 6

Entschuldigungen 6

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte geändert wird (321/A und 408/NR sowie 6281/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Dietmar Hoscher 9

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Alfred Schöls 10 und 18

Herbert Würschl 11

Dr. Peter Böhm (zur Geschäftsbehandlung) 12

Dr. André d′Aron 13

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 15

Albrecht Konecny 18

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 20

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 2001 – FAG 2001) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden (379 und Zu 379 und 405/NR sowie 6289 und 6282/BR d. B.)


Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 3

(3) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen (387 und 406/NR sowie 6283/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Würschl 20

[Antrag, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Jürgen Weiss 21

Johann Grillenberger 23

Engelbert Weilharter 25

Ing. Franz Gruber 26

Mag. Dietmar Hoscher 27

Ing. Peter Polleruhs 29

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 30

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 32

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 37

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 37

(4) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Investmentfondsgesetz 1993, das Börsegesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden (Kapitalmarktoffensive-Gesetz, KMOG) (358 und 407/NR sowie 6290 und 6284/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Christof Neuner 38

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Stefan Prähauser 38

Dr. Ferdinand Maier 40

Wilhelm Grissemann 41

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 45

(5) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffen ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 erlassen wird (346/A und 412/NR sowie 6285/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Dietmar Hoscher 46

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Leopold Steinbichler 46

Herbert Thumpser 49


Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 4

Mag. John Gudenus 51

Germana Fösleitner 53

Hedda Kainz 55

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 56

Ing. Franz Gruber 57

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 58

Gemeinsame Beratung über

(6) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden (396, 338/A und 409/NR sowie 6291 und 6286/BR d. B.)

(7) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung samt Anlage (395 und 410/NR sowie 6287/BR d. B.)

Berichterstatter: Ludwig Buchinger 59

[Antrag, zu (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johanna Schicker 59

Maria Grander 60

Dr. Klaus Peter Nittmann 61

Friedrich Hensler 63

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 67

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (7) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 67

(8) Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden (324/A und 411/NR sowie 6288/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Ledolter 67

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Roswitha Bachner 68 und 73

Ilse Giesinger 69

Ing. Gerd Klamt 70

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 70 und 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 74


Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 5

Eingebracht wurden

Anfrage

der Bundesräte Horst Freiberger und Genossen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die Bestellung eines Bezirksschulinspektors für den Bezirk Fürstenfeld (1756/J-BR/00)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1610/AB-BR/00 zu 1742/J-BR/00)

 


Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 6

Beginn der Sitzung: 11.03 Uhr

Präsident Johann Payer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 671. Sitzung des Bundesrates.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Johann Kraml und Uta Barbara Pühringer. (Bundesrätin Pühringer: Nein, ich bin da!) – Entschuldigung, Frau Kollegin! Sie wurden uns leider genannt, aber es freut mich, dass Sie wieder gesund sind.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Melitta Trunk, Hans Ager, Gottfried Kneifel, Ulrike Haunschmid, Dr. Milan Linzer und Mag. Harald Himmer.

Schlussansprache des Präsidenten

Präsident Johann Payer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der letzten Sitzung während meiner Präsidentschaft und knapp vor meinem gänzlichen Ausscheiden aus dem Bundesrat ist es mir ein wirkliches Bedürfnis, einige Abschiedsworte an Sie zu richten.

Ich war zirka 35 Jahre lang politisch tätig. Begonnen habe ich als Jugendfunktionär in der Sozialdemokratie, 15 Jahre war ich in der Kommunalpolitik als Gemeinderat meiner Heimatgemeinde Neutal und 10 Jahre als Ortsvorsitzender tätig. Parallel dazu arbeitete ich in der Standesvertretung für Pflichtschullehrer und in verschiedenen Funktionen des ÖGB. Über 10 Jahre lang war ich in gesetzgebenden Körperschaften als Landtagsabgeordneter, Landesparteisekretär, Bundesrat, Vizepräsident und zweimal als Präsident des Bundesrates tätig.

Eines meiner politischen Vorbilder und – ich sage es ganz offen – auch mein Förderer, nämlich Landeshauptmann Kery, sagte bei seinem eigenen Abschied: Ich gehe nicht grollend, sondern segnend. – Dieser Ausspruch trifft auch auf mich zu, obwohl ich seit der gestrigen Sitzung doch ein wenig Wehmut verspüre.

Seine eigene politische Laufbahn zusammenfassend zu charakterisieren – wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Abschied stehen, wird es Ihnen ähnlich ergehen wie mir –, ist nicht so einfach, wie man es sich vorstellt. Für einen Politiker ist nämlich die Wirkung nach außen, die Wirkung in der Bevölkerung wichtiger als das, was man selbst als relevant und wichtig verspürt. Persönlich glaube ich, dass es mir in allen Funktionen, die ich bekleiden durfte, auch in der politisch etwas exponierten Lage als Landesparteisekretär oder Landesgeschäftsführer, wie es heute heißt, immer gelungen ist, auch über Parteigrenzen hinweg eine gute Gesprächsbasis aufzubauen. Ich hoffe, dass auch Sie hier im Bundesrat diesen Eindruck gewonnen haben.

Gerade in den letzten Monaten, nach dem Ende der EU-Sanktionen, glaube ich, feststellen zu können, dass es mir gelungen ist, auch international eine gute Gesprächssituation zum Wohle unseres Staates mitzugestalten und herbeizuführen. Ich hatte bei der Präsidentenkonferenz in Rom, bei der Milleniumskonferenz in New York, bei einer EU-Diskussion in Tallinn, bei der Landtagspräsidentenkonferenz in Südtirol, bei der Verbandsgründung der zweiten Kammern in Paris, bei einem offiziellen Bundesratsbesuch in Japan – dieser war zum geplanten Termin im Frühjahr nicht zu Stande gekommen –, bei einer China-Reise im Rahmen der österreichisch-chinesischen Gesellschaft und bei der Angelobung des mexikanischen Präsidenten als Vertreter des Bundespräsidenten die Möglichkeit, die österreichischen Interessen, so glaube ich, gut zu vertreten.

Dass der Vorsitzende des französischen EU-Ausschusses des französischen Senats in der kommenden Woche die Einladung, die ich im Namen des österreichischen Bundesrates aussprechen durfte, angenommen hat und unser Land besucht, werte ich als ein besonderes und gutes Zeichen.


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671. Sitzung / Seite 7

Meine Damen und Herren! Die Diskussion über die Bundesstaatsreform, die gestern von meinem burgenländischen Kollegen Dr. Milan Linzer angesprochen wurde, halte ich bei dieser sehr schwierigen Materie für sinnvoll. Hier erlangt das bekannte Zitat "Demokratie braucht Diskussion" wieder einmal seine volle Berechtigung. Ich meine aber, dass wir alle Diskussionsbeiträge – sie reichen von der Auflösung des Bundesrates, von der Auflösung von Landtagen bis zur Einrichtung eines Generallandtages – unter dem Aspekt "Kommen wir mit diesen neuen Lösungen, mit dieser Reform, die wir anstreben, näher zum Bürger?" sehen sollten.

Wir sollten uns folgende Frage stellen: Mit welchen Verwaltungseinheiten hat ein Staatsbürger zu tun? – Ich bin zur Ansicht gelangt, dass die Bezirksverwaltungsbehörden dabei von besonderer Wichtigkeit sind. Diese meine These habe ich mit niemandem, auch nicht mit meinem Klubvorsitzenden, abgesprochen. Da es aber meine Abschiedsrede ist, erlaube ich mir trotzdem, meine Gedanken kurz darzulegen.

Wäre es nicht sinnvoll, die Leiter der Bezirkshauptmannschaften und die Bezirksräte – die Bun-deshauptstadt Wien hat ein ähnliches System – demokratisch zu wählen?

Sie alle, meine Damen und Herren, arbeiten ebenso wie Ihre Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen politisch in Ihrer engeren Heimat, in den Bezirken. Sie wissen, wo der Schuh drückt.

Gleichzeitig glaube ich, dass auf Bundesebene das Zwei-Kammern-System, das viele neue Staaten des ehemaligen kommunistischen Systems übernommen haben, unverzichtbar ist.

Konkret geht es mir um die Verlagerung der politischen Arbeit von den oft anonymen Landesstellen, mit denen ein Staatsbürger eigentlich nur ganz selten zu tun hat, auf die Bezirksebene.

Bitte verstehen Sie diese meine Vorschläge als eine weitere Diskussionsanregung. Vielleicht gelingt es mir mit diesem Diskussionsbeitrag, das bisherige Schlagwort "näher zum Bürger" etwas mit Leben zu erfüllen.

Meine Damen und Herren! Meine Arbeit als Präsident wurde mir durch Ihre Kollegialität sehr erleichtert. Dafür sage ich heute ein herzliches Dankeschön. Besonders bedanken möchte ich mich beim gesamten Bundesratsdienst, mit Bundesratsdirektor Dr. Labuda und Vizedirektorin Dr. Alsch-Harant an der Spitze.

Für das kollegiale Gesprächsklima bedanke ich mich bei den Mitgliedern der Präsidialkonferenz, bei Vizepräsidenten Jürgen Weiss und bei Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach sowie bei den Fraktionsvorsitzenden Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny und Dr. Peter Böhm.

Mit diesem Dank verbinde ich auch die besten Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Möge für Sie alle, werte Kolleginnen und Kollegen, das kommende Jahr erfolgreich sein. Glück, Gesundheit und Zufriedenheit mögen Ihre Wegbegleiter sein. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Johann Payer: Eingelangt ist eine Anfragebeantwortung, 1610/AB, die dem Anfragesteller übermittelt wurde.

Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und ist bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind die Beschlüsse des Nationalrates vom 14. Dezember 2000, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse dem Finanzausschuss zur Vorberatung zugewiesen. Der soeben erwähnte Ausschuss hat seine Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte über die gegenständlichen Vorlagen erstattet.

Ich habe diese auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


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671. Sitzung / Seite 8

Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Johann Payer: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist somit mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Johann Payer: Ich beabsichtige die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 6 und 7 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall. (Bundesrat Konecny: Zur Geschäftsordnung!)

Es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung von Herrn Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

11.14

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der gestrigen Debatte hat es Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier für notwendig gehalten, der Sozialdemokratischen Partei Österreichs vorzuwerfen, sie habe sich bei "Konsum", verstaatlichter Industrie, Bank Austria, Zentralsparkasse und Länderbank "bedient". Er hat diese Unternehmen als "Selbstbedienungsläden" (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier )  – Sie haben beides gesagt, Herr Kollege – der Sozialdemokratie bezeichnet.

Diese Formulierung beinhaltet in doppelter Weise den Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen), einen Vorwurf an die Adresse der Sozialdemokratischen Partei Österreichs und auch ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. )  – Herr Kollege! Ich darf Sie bitten, mir zunächst einmal zuzuhören, dann können Sie sich, wenn Sie meinen, auch zu Wort melden. – Und sie beinhaltet auch den Vorwurf eines strafrechtlich relevanten Verhaltens an die Adresse der Organe der betreffenden Betriebe.

Es ist zweifellos unzulässig, einen solchen Vorwurf, nur weil er sich sprachlich nett macht, in einer Sitzung des Bundesrates zu erheben, selbstverständlich ohne den geringsten Hinweis auf reale Sachverhalte, die es auch nicht geben kann. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, Herrn Bundesrat Maier für diese absolut unzulässige Formulierung einen Ordnungsruf zu erteilen.

Da unsere Geschäftsordnung stipuliert, dass ein Ordnungsruf für die vergangene Sitzung lediglich am Beginn der nächsten Sitzung erteilt werden kann, aber der Stenographendienst auf Grund der gestrigen Doppelsitzung von Nationalrat und Bundesrat bisher nur ein unabgehörtes Protokoll erstellen konnte, ersuche ich gleichzeitig den Herrn Präsidenten, die Sitzung so lange zu unterbrechen, bis diese Passage abgehört werden konnte. (Beifall bei der SPÖ.)

11.16

Präsident Johann Payer: Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt einige Zeichen von Bundesräten bekommen, die sich zu Wort melden.

Ich unterbreche die Sitzung und bitte den Stenographendienst, das Protokoll von gestern auszuheben, und berufe eine Präsidialsitzung ein. (Bundesrat Dr. Böhm: Zur Geschäftsordnung!)


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671. Sitzung / Seite 9

Herr Kollege Böhm! Ich habe die Sitzung unterbrochen. Ihre Wortmeldung kann nach der Wiederaufnahme aufgerufen werden.

(Die Sitzung wird um 11.17 Uhr unterbrochen und um 12.09 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Johann Payer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ordnungsrufe

Präsident Johann Payer: Es steht das Verlangen des Professors Konecny auf Erteilung eines Ordnungsrufes an Kollegen Maier im Raum. Ich habe veranlasst, dass die entsprechenden Auszüge aus dem gestrigen Protokoll – nicht nur die Rohfassung, sondern die Fassung mit den Zwischenrufen – zur Verfügung gestellt werden. Außerdem habe ich die Meinung der Präsidiale eingeholt. Geschäftsordnungsmäßig kann natürlich die Präsidiale hier nichts machen, sondern diese schwierige Entscheidung liegt ganz allein bei mir, ich trage dafür auch die Verantwortung.

Bevor ich meine Entscheidung kundtue, danke ich den Stenographinnen dafür, dass sie heute – gestern haben zwei Haussitzungen gleichzeitig stattgefunden – in solch kurzer Zeit die betreffenden Passagen ausgearbeitet haben. – Ein herzliches Danke an die Stenographinnen! (Allgemeiner Beifall.)

Kollege Maier hat gestern von einem "Selbstbedienungsladen der Sozialdemokratischen Partei" gesprochen. In Selbstbedienungsläden – das wissen wir alle – bedient man sich und bezahlt dafür. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang. Mit diesen Selbstbedienungsläden hat er – so interpretiere ich diese Passage –: den "Konsum", die Länderbank, die Zentralsparkasse und die Bank Austria gemeint; die Causa "Konsum" wurde untersucht.

Er hat dann, nachdem er all diese so genannten Selbstbedienungsläden aufgezählt hatte, gesagt: "Und dort haben Sie sich bedient, ..." – Für diesen Zusatz erteile ich einen Ordnungsruf.

Weiters habe ich mir auch das Protokoll über die Ausführungen der Bundesrätin Brunhilde Fuchs im Rahmen der um 16 Uhr aufgerufenen Besprechung einer Anfragebeantwortung vorlegen lassen.

Kollegin Fuchs hat gesagt: "... Spitzel und Spitzeltätigkeit, die angeblich zu mir passen, habe ich heute schon zum zweiten Mal gehört. Ich denke, wer im Glashaus sitzt, wie alle, viele derer, wo ich jetzt hinschaue" – sie hat dann, das sieht man aus dem Protokoll, unterbrochen, wollte sich korrigieren, und die Stenographen haben geschrieben – "(die Rednerin blickt zu den Freiheitlichen), viele derer, wo ich jetzt hinschaue, sollte nicht mit Steinen werfen!" – Ich erteile auch Kollegin Fuchs einen Ordnungsruf.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte geändert wird (321/A und 408/NR sowie 6281/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Dietmar Hoscher: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betref


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fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte geändert wird.

Da Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, verzichte ich auf die Verlesung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm dieses.

12.14

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Materie, die wir heute zu behandeln haben und – ich gehe davon aus – positiv erledigen werden, trägt den Namen: "Bundesgesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte". Ich möchte daher gleich am Beginn meiner Ausführungen ausdrücklich festhalten, dass diese Sonderregelungen nicht so zu verstehen sind, wie man in der breiten Öffentlichkeit gelegentlich den Terminus "Privilegien" versteht, denn es handelt sich bei dieser Regelung keineswegs um die Schaffung eines Privilegs für bestimmte Gruppen des öffentlichen Dienstes, sondern mit dieser Regelung soll eine Möglichkeit geschaffen werden, einer Form, die ihre Berechtigung erst unter Beweis stellen muss, auf die Beine zu helfen.

Ich halte ausdrücklich fest – es handelt sich um meine persönliche Meinung, und zu der stehe ich –, dass das derzeitige System, das wir in unserem Land haben, nicht so schlecht ist, dass die öffentliche Verwaltung in den letzten Jahrzehnten sehr viele positive Dinge geleistet und einen großen Anteil daran hat, dass wir in einem Land leben, in dem nicht – wie in anderen Ländern – in den Schlagzeilen zu finden ist, dass korrupte Beamte abgeurteilt werden, die Statistiken beweisen, dass Strafanzeigen gegen Beamte vorliegen, weil sie in diesem System so korrumpiert sind, sodass sie nicht mehr zum Wohl dieser Gesellschaft beitragen können. – An dieser Feststellung liegt mir sehr viel.

Ich gebe dem, was in der Neusprache mit "New Public Management" umschrieben wird, durchaus die Möglichkeit, die Berechtigung und die Funktionsfähigkeit unter Beweis zu stellen, ich möchte aber schon festhalten, dass sich die öffentlich Bediensteten und die öffentliche Verwaltung darüber freuen würden, wenn sie im Vergleich dazu Chancengleichheit hätten. Die Verantwortlichen in der Verwaltung haben gewisse Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie alle erwartet hatten, nicht immer unter den gleichen Voraussetzungen leisten können.

Ich möchte nur ein Beispiel anführen, damit alle in diesem Haus wissen, was ich meine: Von den Medien wird sehr positiv über die Ausgliederung von Schönbrunn gesprochen. Manchmal verlieren sich dann Journalisten in der Feststellung, dass das, was mit dem Schloss Schönbrunn und den Schauräumen geschieht, jetzt viel besser und finanziell viel effizienter sei.

Ich habe mich mit Experten unterhalten, und diese haben schon extreme Befürchtungen, weil der heutige Massenbetrieb dazu führt, dass Besucher zu Tausenden hineingeführt werden, ohne dass Rücksicht darauf genommen wird, ob die wertvollen Kunstgemälde durch Tausende von Besuchern, die sich vom Regen durchnässt in diesen Räumlichkeiten bewegen, zu Schaden kommen.

Ich behaupte, wenn man der Verwaltung die Möglichkeit gegeben hätte, dort genauso ohne Rücksicht auf Verluste tätig zu sein, dann wäre das auch kein Problem gewesen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich kann es mir ersparen, hier näher darauf einzugehen, weil die Wissenden wissen, wovon ich rede, wenn ich die Privatisierung der "Münze" anspreche: Wenn die Beschäftigten und die Ver


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antwortlichen in diesem Bereich damals die gleichen Rahmenbedingungen gehabt hätten, wie sie heute die neuen Betreiber haben, hätte es anders ausgeschaut. Die Ideen wären vorhanden gewesen. – Das möchte ich am Beginn der Diskussion zu diesem Thema schon auch festhalten, weil ich mich darüber freue, dass jetzt andere – ob bessere, ist noch zu beurteilen, auf alle Fälle aber andere – Rahmenbedingungen geschaffen werden, zu denen sich in weiten Bereichen auch die Verantwortlichen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst bekennen.

Frau Vizekanzlerin! Ich darf herzlich dafür danken, dass es gelungen ist, in diesem Punkt eine einvernehmliche Lösung zu finden, weil wir durch diese Regelung die Möglichkeit schaffen, dass die neuen Strukturen auf die Beine kommen.

Ich möchte auch ausdrücklich festhalten, dass es sich sicher um kein Geschenk für die öffentlich Bediensteten handeln kann; im Bericht des Finanzausschusses wird festgehalten, dass in der ersten Etappe bereits Einsparungen in der Höhe von beinahe 33 Millionen Schilling erreicht werden. Es wurde sicher im Einvernehmen beider eine Lösung gefunden, zu der ich mich bekenne und der meine Fraktion auch die Zustimmung geben wird.

Ich würde mir aber wünschen, dass wir diese Möglichkeit – ich verwende jetzt einmal den nicht korrekten Begriff "Vorruhestandsregelung" – auch auf andere Bereiche ausweiten. (Zwischenbemerkung der Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer. ) – Ich habe gesagt: den nicht korrekten Begriff "Vorruhestandsregelung". (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Dann nehmen wir lieber den korrekten Begriff!)

Wir haben Modelle, die als Vorruhestandsregelungen bekannt sind, und die Exekutive und andere Gruppierungen haben auch Wünsche in diese Richtung, und sie wäre sehr glücklich darüber, wenn das auch für diese Bereiche Anwendung finden könnte. Unabhängig davon werden auch wir, weil es sich um eine sozialpartnerschaftliche Einigung handelt, dem zustimmen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit, weil wieder einmal die Sozialpartnerschaft unter Beweis gestellt hat, dass sie, wenn beide Seiten es wollen, funktionieren kann, bitten, dass wir die Möglichkeiten des Instrumentariums Sozialpartnerschaft wieder voll nützen, und zwar selbst um den Preis, dass die eine oder andere Verhandlungsrunde etwas länger dauert.

Ich habe mit etwas Betroffenheit heute einer österreichischen Tageszeitung einen Bericht entnommen, in welchem der Zweite Präsident des Nationalrates davon spricht, dass die "blödsinnigen" überbetrieblichen Mitbestimmungsregelungen abgeschafft gehören.

Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich halte ausdrücklich fest, dass die überbetriebliche Mitbestimmung in den § 8 bis 11 des Arbeitsverfassungsgesetzes geregelt und festgehalten ist (Ruf bei der SPÖ: Gott sei Dank!) und dass auch unbestrittene Experten die Vorteile dieser überbetrieblichen Mitbestimmung entsprechend herausstreichen. Mich hat es vielleicht sogar ein wenig mehr betroffen gemacht als die Wortklauberei des Herrn Professor Konecny, dass der Zweite Präsident des Nationalrates bei der überbetrieblichen Mitbestimmung von "blödsinniger" Bestimmung eines Gesetzes, das immerhin in Verfassungsrang steht, spricht. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinn werden wir der heute vorliegenden Regelung unsere Zustimmung geben. An die Frau Vizekanzlerin richte ich die Bitte, das Wohlwollen der Sozialpartner beziehungsweise der Gewerkschaft auch entsprechend anzunehmen, denn es sind auch für die Betroffenen erträgliche Regelungen vorhanden. (Beifall bei der ÖVP.)

12.21

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Bundesrat Herbert Würschl. Ich erteile ihm dieses.

12.21

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten stimmen dieser Gesetzesnovelle zu. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) Wir stimmen dieser Novelle nicht deshalb zu, weil wir über deren Inhalt


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begeistert sind, sondern deswegen, weil wir glauben, dass Arbeitnehmer nicht für die Politik der Regierung von ÖVP und FPÖ zu bestrafen sind. Dies ist eine Politik, die darauf hinausläuft, alles zu verscherbeln, zu privatisieren, auszugliedern, um bestimmten Leuten etliches zuzuschanzen. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verweise darauf, dass Volksvermögen verkauft werden soll, um sich gewisse Dinge, parteipolitisch motiviert, richten zu können. Ich sehe nicht ein, dass Arbeitnehmer auf Grund dieser Ihrer Politik zu bestrafen sind. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Deshalb stimmen wir diesem Sozialplan oder, wie es in der Gesetzesnovelle heißt, diesem Vorruhestandskonzept zu.

Es ist natürlich schon ein wenig problematisch, wenn man großspurig von der Freiwilligkeit redet, der sich die Arbeitnehmer da bedienen können, was aber ganz und gar nicht der Fall ist, denn wenn der Arbeitsplatz verloren geht, dann fragt man sich schon, Frau Vizekanzlerin, welche Freiwilligkeit da gegeben ist.

Sie reden in der Regierung auch davon, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. In diesem Fall wird genau das Gegenteil gemacht: Es sollen gesunde Menschen mit 55 Jahren, die eigentlich noch arbeiten wollen, einfach in die Wüste geschickt werden, und sie gehen – natürlich ist das nicht schlecht – zu 80 Prozent in der Gegend spazieren. Das ist, so glaube ich, keine menschenwürdige Politik, die von dieser Regierung gemacht wird.

Eines stört mich ganz besonders: Es ist die Rede davon, dass im Jahre 2001 – Herr Schöls hat es bereits formuliert – Einsparungen im Ausmaß von 32,8 Millionen Schilling gegeben wären. Frau Vizekanzlerin! Ich frage mich: Für wie blöd hält man eigentlich die Österreicherinnen und Österreicher, dass man es wagt, von Einsparungen zu reden, wenn die Leute in Wirklichkeit unfreiwillig in die Wüste geschickt werden, spazieren gehen müssen und keiner Arbeit nachgehen können. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Mäßigen Sie sich!)

Es handelt sich da um eine reine Budgetkosmetik, dem Geld wird ein Mascherl verpasst. Es wird davon geredet, dass 32 Millionen Schilling eingespart werden, in Wirklichkeit wird dieses Geld, das wir Steuerzahler aufzubringen haben, beim Fenster hinausgeworfen. Mit einer derartigen Politik sind wir, sehr geehrte Damen und Herren, nicht einverstanden! (Beifall bei der SPÖ.)

12.25

Präsident Johann Payer: Zur Geschäftsordnung: Professor Dr. Böhm. – Bitte.

12.25

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich verweise darauf, dass Frau Kollegin Fuchs gestern in ihrer Formulierung, die zur Erteilung eines Ordnungsrufes geführt hat, in Bezug auf Staatssekretär Dr. Waneck, auch noch ausgeführt hat: "Jetzt kommt es aber zu einer Berufsausübung trotz eindeutigem Verbot. Alle Delikte, die ich jetzt aufgezählt habe, wurden von Regierungsmitgliedern begangen."

Ich verweise darauf, dass heute schon ein Ordnungsruf erteilt wurde, und zwar an Kollegen Dr. Maier, für den Hinweis darauf, dass sich die SPÖ aus dem "Konsum" "bedient" habe.

Bei der Wortmeldung meines Vorredners war jetzt davon die Rede, dass Privatisierungen stattfänden, um auf diese Weise Günstlingen etwas "zuzuschanzen". Ich sehe in dieser Diktion keinen Unterschied zu den erwähnten Beispielen. Es hat der Vorredner auch für nötig gehalten, der Regierung vorzuwerfen, dass sie die Menschen für so "blöd" hält. Ich habe hier keinen Antrag zu stellen, sondern nur eine Anregung zu machen, aber ich bitte, hier die nötige Gleichbehandlung herzustellen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.26

Präsident Johann Payer: Das Parlament, das Plenum des Bundesrates braucht kein Nonnenkloster zu sein, sondern hier können verschiedene Ausdrücke verwendet werden, aber ich stimme mit Herrn Dr. Böhm überein, dass der Ausdruck "zuschanzen" ein ähnliches Gewicht hat wie der Ausdruck "sich bedienen". Ich erteile daher auch Kollegen Würschl einen Ordnungsruf.


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671. Sitzung / Seite 13

Kolleginnen und Kollegen! Ich ersuche Sie aber – wir stehen so knapp vor Weihnachten –, in Ihrer Wortwahl etwas vorsichtiger zu sein.

Wir setzen in der Debatte fort. Zu Wort gemeldet ist als nächster Redner Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

12.27

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz. Dieses Bundesbediensteten-Sozialplangesetz entstammt einer schon bestehenden Regelung, nämlich dem Gesetz über dienstrechtliche Sonderregelungen für ausgegliederten Einrichtungen zugewiesene Beamte. Das vorliegende Bundesbediensteten-Sozialplangesetz geht etwas weiter, es betrifft auch die Vertragsbediensteten und sieht auch konkretere Regelungen vor. Aber – darüber müssen wir uns schon im Klaren sein – dieses Gesetz ist auf der einen Seite der Versuch einer Flexibilisierung für diese Bereiche und auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, Beamten kurzfristig ein neues Modell zur Verfügung zu stellen. Das heißt, es ist auf eine limitierte Zeit von fünf Jahren gemacht worden, also ein Pilotprojekt!

Diese Regierung geht somit auf bekannten Pfaden. Es wundert mich also nicht, dass die SPÖ diesem Gesetz letztlich doch ihre Zustimmung erteilen muss, denn es ist eine Fortschreibung ihrer Überlegungen. (Bundesrat Gasteiger: Müssen tun wir gar nichts!) – Sie müssen auch nicht zustimmen, aber ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer für Sie sein wird, zu argumentieren, dass Sie das nicht machen wollen, weil es auch gegen jene Beamten gerichtet sein wird, die davon betroffen sind. – Aber wir müssen uns schon klar sein: Es hat sich die Gesellschaftsstruktur, die soziologische Struktur auf der gesamten Welt geändert. Es ist derzeit so, dass die Leute immer mehr Selbständigkeit haben wollen, sich immer mehr verwirklichen wollen, letztlich immer mehr Verantwortung tragen wollen und auch für ihre Leistung belohnt werden wollen.

Das ist eine deutliche Wandlung im Empfinden der Menschen, und so empfinden auch unsere sehr verdienten Beamten in Österreich, die natürlich ihr Bestes gegeben haben, aber im Rahmen der Struktur, die wir nun einmal in Österreich haben, durch das Beamten-Dienstrechtsgesetz, durch das Gehaltsgesetz, durch verschiedene andere Vorschriften in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Sie wissen um die Stellenpläne in den einzelnen Ministerien, um die Geschäftseinteilungen – all das schränkt ein und macht es schwer, strukturelle Veränderungen durchzuführen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Diese Bundesregierung hat sich dazu bekannt, Flexibilisierungen herzustellen. Wir haben jetzt die Frage der Global-Budgets. Die Beamten beziehungsweise die Ministerien sind in der Lage, innerhalb dieser Global-Budgets zu verfügen. Es wird die Controlling-Verordnung deutlicher angewandt werden. Wir werden zu NPOs finden, zu Zielvereinbarungen zwischen den Vorgesetzten und den Mitarbeitern. Wir werden zu ergebnisverantwortlichen Einheiten letztlich finden müssen, zu einer Zusammenführung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung. Und wir werden natürlich in Österreich auch zu flachen Strukturen, wie in anderen Ländern – es gibt die Benchmarks, die liegen vor – finden müssen. Das ist gar keine Frage. Wir werden es in Österreich deutlicher – da gibt es entsprechende Überlegungen, wie das Projektmanagement zum Beispiel – auch für Ressorts einführen müssen.

Genauso wie es strukturelle Veränderungen in den einzelnen Ressorts geben muss, genauso muss natürlich überprüft werden – wie das jeder Staat macht, das ist keine österreichische Eigenheit –, inwieweit man zu einem Outsourcing und auch zu einem Insourcing findet und im Rahmen dieses Insourcings Synergien zwischen den einzelnen Ministerien herstellt. Warum auch nicht? – Letztlich geht es darum, dass wir auf der einen Seite eine bestmögliche Verwaltung gegenüber dem Bürger haben und dass auf der anderen Seite so wenig Geld wie möglich dafür aufgewendet wird, und zwar unter Wahrung der Rechte jener Beamten, die derzeit tätig sind. Davon geht die heute vorliegende Gesetzesnovelle aus.


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Diese Novelle sagt, es ist ein zustimmungsbedürftiges Geschäft: Es kann nicht einseitig über den Kopf des Beamten hinweg verfügt werden, dass diese Regelung eintritt. Der Beamte muss bei dieser Geschichte auch immer zustimmen.

Herr Kollege Schöls! Sie haben einen Prinzhorn-Artikel zitiert. Wenn man diesen Artikel – ich kenne ihn – genau durchliest, dann stellt man fest, dass darin schon etwas anderes steht, als Ihre Aussage war. Prinzhorn hat nämlich Folgendes gesagt – er hat das nicht auf die öffentliche Verwaltung gemünzt –: Wir gehen einer Welt entgegen, wo die Mitarbeiter eines Betriebes immer mehr Mitverantwortung haben wollen und auch für ihre Leistung belohnt werden wollen. Wenn sie also diese Leistung erbringen im Rahmen dieses Betriebes, dann ist es erforderlich, sie auch zu beteiligen. – Zitatende.

Prinzhorn hat also Mitarbeiterbeteiligungsmodelle vorgeschlagen. Diese gibt es schon in einigen Bereichen der Wirtschaft, und sie werden verstärkt noch kommen. Herr Prinzhorn, so geht aus dem Artikel auch hervor ... (Bundesrätin Schicker: In seinem Betrieb gibt es sie nicht!) – Frau Kollegin Schicker! Ich führe das gleich aus.

Herr Prinzhorn hat in diesem Artikel angekündigt, dass er genau diese Mitarbeiterbeteiligungsmodelle jetzt bei sich einzuführen beabsichtigt. (Bundesrätin Schicker: Beabsichtigt!) Dazu ist ein kompliziertes Controlling-System notwendig. Man muss nämlich Leistungen auch zuordnen können. Das kann man nicht auf Knopfdruck machen, das muss entsprechend gerechnet werden.

Herr Kollege Würschl! Die so genannte menschenwürdige ... (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) – Herr Kollege Schöls! Sie haben unrichtig zitiert. (Bundesrat Schöls: Nein! – Bundesrat Konecny, auf den Redner zeigend: Sie haben unrichtig zitiert!) – Nein, das ist nicht richtig. Prinzhorn hat ausgeführt, es soll die Mitarbeitermitbestimmung dadurch gewährleistet werden, dass der Mitarbeiter am Betrieb beteiligt ist. (Bundesrat Konecny: Das haben Sie schon gesagt!) Das ist ein Modell, das man andenken kann, und das habe ich jetzt auch ausgeführt. (Bundesrat Konecny: Aber er hat noch etwas gesagt! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er hat gesagt, dass das Modell, das wir heute haben, entsprechend zu überarbeiten ist. Und das ist wohl legitim. (Bundesrat Konecny: Hat er das gesagt, was Kollege Schöls zitiert hat?) Haben Sie den Artikel gelesen, Herr Professor Konecny? (Bundesrat Konecny: Ja!) Er hat gesagt ... (Bundesrat Konecny: Das ist Wahrheitsverweigerung!) Er hat gesagt, das Modell, das wir haben ... (Bundesrat Schöls geht zum Rednerpult und zeigt dem Redner den erwähnten Artikel mit dem Worten: Es geht um diesen Artikel!) Das muss man im Gesamtzusammenhang lesen! (Rufe: Nein, nein, nein! – Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.) Das muss man im Gesamtzusammenhang lesen! Sie vergessen immer, was dahinter steht. (Bundesrat Konecny: Wir haben Sie überführt, Herr Kollege! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe, dass es Unruhe gibt, wenn zwei Zitate verwendet werden, die in ein und demselben Artikel stehen. Ich würde bitten, so vorzugehen: Am Wort ist jetzt Kollege d'Aron, die nächste Wortmeldung kommt von der Frau Vizekanzlerin, und ich würde dann bitten, dass Kollege Schöls noch einmal zum Rednerpult kommt und seine Meinung darlegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Bundesrat Dr. André d'Aron (fortsetzend): Herr Kollege Konecny! Ich werde mich sehr schwer tun, Gebrauch von meinem Wort zu machen, wenn Sie ständig dazwischenrufen. (Bundesrat Konecny: Das ist die Würze der Demokratie!) – Ja, das ist Ihr Recht (Bundesrat Konecny: Das lass ich mir von Ihnen nicht nehmen!), aber Sie haben auch das Recht, sich jederzeit zu Wort zu melden, Herr Professor Konecny!

Herr Kollege Würschl sagte hier, dies sei eine Politik, die darauf hinausläuft, alles zu verscherbeln. Da frage ich mich: Ist es wirklich so? Welche Situation haben wir in Österreich? – Es ist sicher zutreffend, dass die Fraktion der Sozialdemokraten jahrzehntelang, bis zum jetzigen Regierungswechsel, den Finanzminister gestellt hat, und wir haben in Österreich auf Grund dessen eine deutliche Verschuldungssituation. Wir haben die Situation, dass einige Beteiligun


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gen, einige Tätigkeiten und einige Funktionen in diesem Staat nicht mehr zeitgemäß sind. Das wissen auch Sie, denn Sie haben eine entsprechende Absprache mit der ÖVP bereits getroffen und haben sich dazu bekannt, dass es in diesem Land zu deutlichen Einsparungen kommen muss, und zwar nicht zuletzt auf Grund der Politik, die Sie gemacht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Aber Ihnen geht es heute gut!)

Sie können heute natürlich Kindesweglegung betreiben, aber diese Kindesweglegung wird Ihnen niemand abnehmen, denn die Österreicher wissen, welche Politik Sie in der Vergangenheit gemacht haben. (Bundesrat Konecny: Ihnen glauben die Menschen nicht mehr sehr viel!)

Ich freue mich jedenfalls darüber, dass sich auch die Fraktion der Sozialdemokraten nunmehr dazu bekennt, den Mut zu Reformen zu haben und sie mitzutragen. Ich gratuliere Ihnen dazu, dass Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen werden. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

12.37

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich glaube, wir müssen zunächst einmal definieren, was der Sinn von Ausgliederungen ist. Ausgliederungen heißt nichts anderes als Rückzug des Staates aus all jenen Bereichen, in denen hoheitliches Handeln nicht erforderlich ist. Das ist ein Konzept, zu dem ich mich voll und ganz bekenne, weil sich in der Vergangenheit nicht nur in Österreich, sondern auch überall anderswo erwiesen hat, dass der Staat kein guter Unternehmer ist und war.

Das beste und wahrscheinlich schlagendste Beispiel in Österreich ist die verstaatlichte Industrie. Wir haben in der verstaatlichten Industrie in Österreich jahrzehntelang eine Politik gemacht, bei der man gesagt hat, wir müssen Schulden in Kauf nehmen, damit wir Arbeitsplätze sichern. Das war das Konzept der Sozialdemokratie in den siebziger Jahren, die gesagt hat, lieber höhere Schulden, aber dafür mehr Arbeitsplätze.

Was war das Ergebnis dieser Politik? – Ein riesiger Schuldenberg, angewachsen zu 2 200 Milliarden Schilling, und (Zwischenrufe bei der SPÖ) – Frau Kollegin Schicker, das ist das Wesentliche! – die Vernichtung von Zigtausenden Arbeitsplätzen. Das heißt, Sie haben Schulden gemacht und Arbeitsplätze vernichtet. (Bundesrätin Kainz: Das ist nur die eine Seite der Wahrheit!) Zigtausende Arbeitsplätze wurden in diesem Land in der verstaatlichten Industrie vernichtet, und zwar durch eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik in diesem Bereich.

Ein weiteres Beispiel, das heute schon Gegenstand der Diskussion war, ist der "Konsum". Auch das ist ein Beispiel, an welchem man gesehen hat, dass eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik gemacht wurde, da Genossenschaftsvermögen in Milliardenhöhe verschleudert und Arbeitsplätze vernichtet wurden. Das ist ein Faktum! Ich weiß, dass Ihnen das wehtut, aber es ist richtig. (Bundesrätin Kainz: Das ist die Handlung einzelner Personen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich erspare Ihnen jetzt, zu erwähnen, wer die Verantwortung für das Milliardendebakel "Konsum" und die vernichteten Arbeitsplätze trägt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir haben die Strategie, dass wir sagen: Privatisierungen und Ausgliederungen, sinnvolle Konzepte machen und Arbeitsplätze sichern. (Bundesrat Konecny: Sie haben die Erfolge von "Freies Wohnen"!) Herr Kollege Konecny! Wir haben heute fast Vollbeschäftigung, also etwas, was Sie in 30 Jahren Sozialdemokratie nicht erreicht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben heute die Situation, dass die Menschen in der Privatwirtschaft Arbeit haben, und zwar gesichert durch die klein- und mittelständischen Unternehmen. (Bundesrätin Schicker: Wir


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haben dafür die Voraussetzungen geschaffen!) Das sind nämlich diejenigen, die Arbeitsplätze sichern, und nicht die eine oder die andere Regierung. Die klein- und mittelständischen Unternehmer sind diejenigen, die Arbeitsplätze schaffen und sie auch für die Zukunft sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wir wollen, dass Ausgliederungen in der Zukunft anders erfolgen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, als man in vielen Bereichen Ausgliederungen so durchgeführt hat, dass sie im Endeffekt teurer waren als vorher.

Das Beispiel "Schönbrunn", das Herr Kollege Schöls angeführt hat, verwundert mich allerdings ein wenig, und zwar vor allem deswegen, Herr Kollege Schöls, weil die Ausgliederung von Schönbrunn mit Zustimmung Ihrer Fraktion und auf Betreiben Ihrer Fraktion erfolgt ist und eigentlich von einem ÖVP-Wirtschaftsminister umgesetzt wurde. Ich würde daher auch bitten, dass Sie die Kritik an die richtige Stelle richten.

Das heute zur Diskussion stehende Modell ist kein Vorruhestandsmodell – ich sage auch dies in aller Deutlichkeit –, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Ziel dieser Ausgliederung ist es, jenen Mitarbeitern, die in den ausgegliederten Einheiten nicht mehr gebraucht werden oder für die es keine Verwendung mehr in den Zentralstellen der entsprechenden Ressorts gibt, eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Bereich des öffentlichen Dienstes zu sichern. Das ist das primäre Ziel. Jeder dieser Mitarbeiter hat Interesse daran, nicht mit 55 Jahren in Karenz zu gehen, sondern jeder dieser Mitarbeiter möchte selbstverständlich auch weiterhin eine sinnvolle Tätigkeit ausüben. (Bundesrätin Kainz: Das war in der Verstaatlichten nicht so?)

Der Unterschied zu früheren Sozialplanmodellen, Frau Kollegin von der Sozialdemokratie, besteht darin, dass man zum Beispiel bei der Post unter Ihrer Regierung ein Sozialplanmodell geschaffen hat, das ein Nebenbeschäftigungs- und Weiterbeschäftigungsverbot beinhaltet hat. (Bundesrätin Kainz: Wir haben von der Verstaatlichten geredet!) Es ist geradezu grotesk, die Menschen in die Nichttätigkeit zu zwingen, die sie gar nicht haben wollen, sondern diese Leute wollen arbeiten und eine Leistung erbringen. (Bundesrätin Kainz: Auch die Mitarbeiter der Verstaatlichten wollten und wollen!) Diese Möglichkeit gibt jetzt es mit diesem Sozialplanmodell, weil man weiterarbeiten kann, weil man auch eine Nebenbeschäftigung haben und annehmen kann, wenn man eine findet. Und so soll es auch sein. Das ist der Unterschied zu einem Vorruhestandsmodell.

Diese Regelung umfasst nur folgende Bereiche: Bedienstete in ausgegliederten Einrichtungen und Bedienstete in Bundeseinrichtungen, deren Arbeitsplatz infolge der Übertragung an ausgegliederte Einrichtungen überflüssig wird, und sonst keine.

Herr Kollege Schöls! Ich sage auch in aller Deutlichkeit dazu, damit Sie sich da keine falschen Hoffnungen für die Zukunft machen: Für keine anderen Bereiche wird es ein solches Modell geben. Wir haben ein Vorruhestandsmodell im Lehrerbereich, das dort aus ganz spezifischen Gründen eingeführt wurde und auch funktioniert. (Bundesrätin Kainz: Und nicht angenommen wird!) – Das ist völlig unrichtig, Frau Kollegin! Eine Diskussion ist immer dann schwierig, wenn etwas behauptet wird, ohne dass man die Fakten kennt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Fragen Sie die Lehrergewerkschafter der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, mit denen ich vor kurzem gesprochen haben. Diese werden Ihnen bestätigen, dass dieses Vorruhestandsmodell sehr wohl und sehr gut angenommen wird (Bundesrätin Kainz: Ihr Koalitionspartner sagt etwas anderes!) und dass sie auch sehr stolz darauf sind, dass dieses Modell, das unter Ihrer Regierung beschlossen wurde – das ist bitte ein Modell, das die frühere sozialdemokratische Regierung beschlossen hat! –, sehr gut funktioniert. Wenn Sie das abschaffen wollen, dann müssen Sie das mit Ihren Gewerkschaftern ausmachen. Ich glaube, dass es gut funktioniert.

Wichtig ist auch, dass in den Zentralstellen der Bundeseinrichtungen, bei denen solche Aufgaben wegfallen, keine Nachbesetzungen mehr möglich sind, sondern die Planstellen eingezogen werden, um auch das hier klar zu sagen. Vorrang hat selbstverständlich, Arbeitsplätze für diese Mitarbeiter zu finden.


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Abschließend möchte ich noch ein Wort zur Sozialpartnerschaft sagen, weil das jetzt gerade zu großer Aufregung in der Diskussion geführt hat und von Kollegen Schöls angesprochen wurde.

Das Wohlwollen der Sozialpartnerschaft, Herr Kollege Schöls, nehme ich immer sehr gerne entgegen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Ich habe auch mit der Gewerkschaft sehr konstruktive Gespräche. Ob Ihnen das jetzt passt oder nicht, ich habe mit der Gewerkschaft sehr konstruktive Gespräche geführt, die zu einem einvernehmlichen Gehaltsabschluss im öffentlichen Dienst geführt haben. Ich weiß, dass Sie das nicht freut, denn Sie hätten gerne ein bisschen mehr Agitation gehabt. Dass es sich die Lehrergewerkschaften im Nachhinein anders überlegt haben, ist ihr Problem.

Was ich aber in einer Sozialpartnerschaft nicht akzeptiere, ist, dass man Vereinbarungen trifft – so wie in diesem Fall auch mit der Lehrergewerkschaft Vereinbarungen getroffen wurden, die unterzeichnet wurden und vereinbart waren – und im Nachhinein eine Gruppe, nämlich die AHS-Lehrer, kommt und sagt: Nur weil wir jetzt eine Regelung haben, dass Klassenvorstände statt 19 Stunden 20 Stunden unterrichten sollen, fühlen wir uns an diese Vereinbarung nicht mehr gebunden.

Da wünsche ich Ihnen und auch der Sozialpartnerschaft viel Vergnügen dazu, wenn Sie das bei Demonstrationen auf der Straße den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land erklären möchte.

Ich sage Ihnen: Was ich von einer Sozialpartnerschaft geradezu schockierend finde, sind Lehrergewerkschafter, die in den Schulen von 10-jährigen Kindern in der ersten Klasse AHS Unterschriften sammeln und von Schülern verlangen, dass sie Petitionen an die Bundesregierung unterschreiben müssen. Das ist ein krasser Missbrauch – ein krasser Missbrauch! (Rufe bei den Freiheitlichen: Unerhört!)  – von Lehrern und Personalvertretern, den ich gar nicht genug kritisieren kann. Wenn Sie Resolutionen in der Lehrergewerkschaft machen wollen, dann machen Sie sie, aber missbrauchen Sie nicht 10-jährige Kinder dafür. Das ist eine Schande in meinen Augen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Kainz: Da gäbe es aber andere Beispiele auch! Gummibärlis an den Schulen, wo "ÖAAB" draufsteht!)

Sozialpartnerschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, heißt, dass man sich gemeinsam mit den Interessenvertretern darum bemüht, konstruktive Lösungen zu finden. Sozialpartnerschaft hat auch die Aufgabe, nicht nur Besitzstände zu verwalten und abzumauern, sondern Sozialpartnerschaft hat die Aufgabe, in einer veränderten, in einer modernen Berufswelt auch auf diese neuen Erfordernisse einzugehen, die neuen Herausforderungen anzunehmen, neue Berufsbilder in der Ausbildung zu berücksichtigen, die Technologisierung in allen Bereichen auch entsprechend umzusetzen und leistungsgerechte Entlohnungsmodelle auch für den öffentlichen Dienst zu erarbeiten, denn das liegt im Interesse der Mitarbeiter. Und das Interesse der Mitarbeiter, sei es im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft, muss immer auch unser oberstes Interesse sein, und nichts anderes.

Abschließend zu dem, was Herr Kollege Würschl gesagt hat: Nichts anderes hat auch Thomas Prinzhorn gesagt. (Bundesrat Würschl: Schöls!) Oder Schöls, ich bitte um Entschuldigung! Schöls hat es gesagt, gut. Prinzhorn hat nichts anderes gesagt, als dass wir flexible Entlohnungsmodelle brauchen, bei denen der einzelne Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligt ist, und das ist für ihn wichtiger als die überbetriebliche Mitbestimmung. (Bundesrätin Schicker: Prinzhorn hätte zehn Jahre Zeit gehabt, das umzusetzen!)

Über das kann man jetzt diskutieren, aber darüber nachzudenken, wie man Mitarbeiter am Erfolg eines Unternehmens beteiligt, kann doch hoffentlich in Ihren Augen keine Schande sein, schon gar nicht, wenn er hinzugefügt hat: Um zu untermauern, was er meint – so geht das nämlich weiter, und das hat Kollege Schöls nicht zitiert –, wird er in seinem Industrieunternehmen, der Hamburger AG, an Aktive und auch an Pensionisten eine Prämie ausschütten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Das sagt er schon jahrelang!)

Den Betrieb in Ihrer politischen Verantwortung zeigen Sie mir, wo sogar an Pensionisten eine Prämie ausgeschüttet wird!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sei es im privaten Bereich oder im öffentlichen Dienst, bestmögliche, leistungsorientierte Bedingungen bieten. Das ist unsere Aufgabe, und das ist auch die Aufgabe der Sozialpartnerschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schöls zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.47

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vizekanzlerin! Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich darf bitten, den "Kurier"-Artikel wieder zurückzubekommen. Ich mache Ihnen gerne eine Kopie. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer reicht dem Redner eine Zeitungsseite.)

Ich habe nicht – damit das klargestellt ist – in Frage gestellt, dass Herr Präsident Prinzhorn auch darüber nachgedacht hat – zumindest in dem Artikel –, wie er seine Mitarbeiter am Gewinn beteiligen kann. Es gehört auch dazu Waffengleichheit. Ich kann von der betrieblichen Mitbestimmung nur dann reden, wenn in allen Betrieben auch legitimierte Organe vorhanden sind. Es gibt hier einige, die wissen, in wie vielen Bereichen es legitimierte Organe gibt. Das lässt sich in Prozenten recht klein bemessen. Wenn man vorher die Voraussetzungen dafür schafft, dass die betriebliche Mitbestimmung entsprechend abgesichert ist, dann ist nichts dagegen einzuwenden. – Das sei nur zur Klarstellung gesagt. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Was mich gestört hat, ist nur, dass Herr Präsident Prinzhorn meint, dass das Arbeitsverfassungsgesetz eine blödsinnige Regelung sei. Vielleicht hat mich Herr Professor Konecny in der Früh bereits motiviert, auch ein bisschen kleinkrämerisch zu sein. Und da war ich dann auch ein bisschen kleinkrämerisch und habe gesagt: Mich stört es, dass das Arbeitsverfassungsgesetz ein Blödsinn ist. Dazu sage ich als Parlamentarier: Das gefällt mir nicht recht. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

12.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

12.49

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Vizekanzlerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Genau darum geht es – ich greife das Wort des Kollegen Schöls sehr gerne auf –, dass dort, wo der soziale Kompromiss geschlossen werden soll, Waffengleichheit besteht.

Wir haben in vielen Jahrzehnten dieser Republik beste Erfahrungen damit gemacht, dass Lösungen zwischen denen, die in dem betreffenden Bereich Interessen zu vertreten haben, ausgehandelt werden. Ich stehe zu dem, auch wenn man manchmal sagen kann, dass die Kompromisse, weil sie eben Kompromisse waren, unbefriedigend waren und vielleicht nicht in jedem Einzelfall das Durchschlagen eines Knotens ermöglicht haben. Aber es haben sich in diesem System die Vertreter der Belegschaften, der Arbeitnehmer, die Vertreter der Wirtschaft und, wo sie betroffen sind, auch die Vertreter des Staates einbringen können, und es war wichtig, dass sich diese Partner ernst genommen gefühlt haben.

Ich war an keinem dieser Gespräche beteiligt, aber aus dem, was die Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften, aus den Pensionistenorganisationen und anderen Bereichen erzählen, wie heutzutage Gespräche mit der Bundesregierung und einzelnen Mitgliedern dieser Bundesregierung ablaufen, hat mir noch niemand das Gefühl vermittelt, dass er sich bei diesen Gesprächen mit seinen Anliegen und seinen Interessen ernst genommen fühlt. (Bundesrat Steinbichler: Vielleicht sprechen Sie nicht mit den richtigen Leuten, oder?)  – Ich nehme doch an, dass die Minister die richtigen Leute sind, mit denen die Gewerkschafter reden. Dass ich sie für die falschen Minister halte, das ist ein politisches Werturteil. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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671. Sitzung / Seite 19

Die Auseinandersetzung, die hier zum Teil angeklungen ist, hat mich in einer Hinsicht ein bisschen verblüfft. Ich mag es aus fraktionellen Gründen bedauern, dass die AHS-Lehrer in ihrer übergroßen Mehrheit nicht in den Reihen der Sozialdemokratie stehen, aber der geradezu frenetische Jubel eines wesentlichen, ja des führenden Teiles der ÖVP-Fraktion, als die Frau Vizekanzlerin den AHS-Lehrern schwere Vorwürfe gemacht hat, hat mich schon ein wenig verblüfft. (Beifall bei der SPÖ.)

Und um Karl Kraus zu zitieren: Wir werden es nicht verabsäumen, diese bedeutende Kundgebung eines wichtigen politischen Führers der Öffentlichkeit mitzuteilen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie sind also für die Politisierung der Schule?) – Nein, ich bin nicht für die Politisierung der Schule, aber Sie wissen so gut wie ich, dass dieser unangenehme Aspekt nicht das zentrale Thema der Auseinandersetzung der Lehrer mit der Regierung war.

Ich sage ganz im Gegenteil zu diesem Konflikt eines: Ich bewundere eine Berufsgruppe, in der jene, die mehr Geld bekommen – das ist ein Ergebnis dieser Lösung, die die Bundesregierung getroffen hat –, aus Solidarität mit jenen, die ihren Job verlieren, sagen: Wir wollen diese gar nicht so unwesentliche Mehreinkunft nicht. Wir wollen wie bisher einen Teil, einen ganz kleinen Teil unserer Lehrverpflichtung nicht wahrnehmen, aber dafür jungen Kolleginnen und Kollegen die Berufstätigkeit und den Einstieg in den Beruf ermöglichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Hut ab vor einer Gruppe, die aus Solidarität mit den Schwächsten ihres Standes streikt! Ich würde mir dieses soziale Bewusstsein, dieses Mitgefühl auch von den Dienstherren – oder -herrinnen in diesem Fall – der Lehrer wünschen. Und ich würde mir vor allem eines wünschen: Dass das, was Kollege Schöls hier eingebracht hat, verstanden wird.

Ich halte es für einigermaßen merkwürdig, wenn die Frau Vizekanzlerin es als betriebliche Mitbestimmung versteht, wenn Herr Prinzhorn seinen Beschäftigten eine Prämie verspricht. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist das schlecht?) – Das ist nicht schlecht, und die Kolleginnen und Kollegen werden das mit Handkuss nehmen. (Bundesrätin Schicker: Er verspricht es eh schon seit zehn Jahren!) Aber Mitbestimmung heißt, dass der, der auf der anderen Seite im sozialen Dialog sitzt, nicht ein Kuvert über den Tisch gereicht bekommt, sondern entsprechende Unterlagen erhält, auf Grund derer darüber verhandelt werden kann, wie hoch eine Prämie zu sein hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie das nicht verstehen, dann haben Sie die Gutsbesitzermentalität des beginnenden 19. Jahrhunderts.

Es werden nicht mehr viele wissen: In diesem Haus war es einmal üblich – in diesem Haus, im Parlament; das muss ein spätes Erbe der Monarchie gewesen sein –, dass die Weihnachtsgratifikation im verschlossenen Kuvert vom Präsidenten des Nationalrates jedem einzelnen Mitarbeiter des Parlaments ausgehändigt wurde – ohne Handkuss, aber trotzdem. Präsident Anton Benya, ein Gewerkschafter, hat es verstanden, was das an Demütigung und Abhängigkeit bedeutet, und diese unsägliche Praxis abgeschafft. (Beifall bei der SPÖ.) – Vielleicht hat Herr Vizepräsident Prinzhorn dieselbe Größe seinen Beschäftigten gegenüber. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

12.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Ledolter: Es waren doch Sozialdemokraten, die die Ersten Präsidenten waren, oder? – Gegenrufe bei der SPÖ.)  – Nachdem nicht mehr das Wort vom Rednerpult her gewünscht wird, sondern offensichtlich Zwiegespräche bevorzugt werden, sage ich: Die Debatte über diesen Tagesordnungspunkt ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 2001 – FAG 2001) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden (379 und Zu 379 und 405/NR sowie 6289 und 6282/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen (387 und 406/NR sowie 6283/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 2001 – FAG 2001) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden, sowie

ein Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Würschl übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Herbert Würschl: Ich bringe den Bericht zu Tagesordnungspunkt 2:

Der Bericht des Finanzausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden, liegt schriftlich vor. Ich darf daher auf die Verlesung verzichten.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung am heutigen Tag mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen liegt ebenso schriftlich vor, und ich ersuche auch hier, auf die Verlesung dieses Textes verzichten zu dürfen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung am heutigen Tag mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über beide Punkte unter einem abgeführt wird.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.


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13.00

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den ersten Blick mag es nicht sehr sinnvoll erscheinen, sich in der Länderkammer des Parlaments intensiv mit einem Gesetz zu beschäftigen, das das Einvernehmen der Länder bereits vorausgesetzt hat. Gleiches gilt für 15a-Vereinbarungen, wie wir sie heute auch auf der Tagesordnung haben, die schon der Natur der Sache nach nur deshalb Beratungsgegenstand sein können, weil sie das Einvernehmen der Länder gefunden hatten.

Die Beratung im Bundesrat ist aber deshalb nicht überflüssig, weil es rechtlich durchaus möglich ist, dass im Nationalrat an dem, was an Regierungsvorlage auf Grund des Paktums über den Finanzausgleich in den Nationalrat eingebracht wurde, auch noch Veränderungen vorgenommen werden können, und es ist durchaus eine interessante Abwägung, ob diese Veränderungen dem Geist dieses Paktums auch tatsächlich entsprechen.

Hier hat es gestern im Nationalrat meines Wissens erstmals substanziell einen derartigen Fall gegeben – im Interesse der ganz kleinen Gemeinden –, aber wir haben keine Gewähr dafür, dass auf diesen gelegten Schienen künftig nicht vielleicht auch einmal ein anderer Zug fahren könnte als der, der gestern zu beobachten war. Ich halte schon fest, dass es für das Verhältnis des Bundes, der Länder und der Gemeinden wichtig wäre, bei künftigen Finanzausgleichsverhandlungen auch wieder darauf bauen zu können, dass das Paktum auch tatsächlich umgesetzt und nicht durch einfache Mehrheit des Nationalrates verändert wird.

Ich möchte nun nicht im Detail darauf eingehen, aus welchen Gründen der ausgehandelte Finanzausgleich den Interessen der Länder wie auch des Bundes und der Gemeinden in einem hohen Maße Rechnung trägt. Er ist ein guter Kompromiss, dem ich deshalb auch gerne zustimme. Der Bund hat, so glaube ich, wie auch die anderen beteiligten Gebietskörperschaften gesehen, dass wir, vergleichbar mit einer Kette, insgesamt nur so stark wie das schwächste ihrer Glieder sind und es, vergleichbar mit einem Nullsummenspiel, keinen rechten Sinn macht, sich auf Kosten anderer Vorteile verschaffen zu wollen.

Ich möchte ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu Fragen des Finanzausgleichs machen und damit beginnen, dass es wünschenswert wäre, dass das dem Finanzausgleichsgesetz zu Grunde liegende politische Paktum der Gebietskörperschaften auch in der Regierungsvorlage nachzulesen wäre. Es ist mir natürlich bekannt, was vereinbart wurde, aber es wäre im Interesse einer Vollinformation des Gesetzgebers wünschenswert, wenn das künftig auch zum Inhalt der Regierungsvorlage gemacht würde.

Aus Sicht der Länder ist es bekanntermaßen traditionell nicht befriedigend, dass wohl Eingriffe in ihre verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten nur mit Zweidrittelmehrheit und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundesrates möglich sind, Eingriffe in ihre Finanzausstattung aber – verfassungsrechtlich durchaus in Ordnung – vom Nationalrat mit einfacher Mehrheit und ohne Zustimmungsrecht des Bundesrates möglich wären. Ich erinnere an die in diesem Hause schon mehrfach und früher auch von allen Fraktionen gemeinsam vertretene Forderung, dass auch das Finanzausgleichsgesetz dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen soll. Die Verhandlungsposition der Länder ist in Fragen des Finanzausgleiches aber auch noch ... (Der Redner unterbricht, weil lautes Klopfen an der Tür zu hören ist. – Bundesrat Bieringer: Entschuldigung! Es ist die Türschnalle kaputt, und deshalb muss sie repariert werden!) – Ich fühle mich nicht irritiert dadurch.

Ich wollte darauf zu sprechen kommen, dass die Verhandlungsposition der Länder noch in einem zweiten Punkt geschwächt ist, nämlich durch folgenden Umstand: Wenn ein Finanzausgleichsgesetz ausläuft – es ist ein befristetes Gesetz – und kein neuer Finanzausgleich zu Stande kommt oder der Nationalrat keine einfache Mehrheit für die Umsetzung des Finanzausgleichspaktums fände, dann laufen zwar einige Zahlungen des Bundes an die Länder und Gemeinden vorschussweise vier Monate weiter, aber wenn diese vier Monate verstrichen sind, sind die Länder im Wesentlichen auf ihre Erträge aus der Feuerschutzsteuer und der Jagdabgabe


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und die Gemeinden auf die Hundesteuer angewiesen. Also totale Ebbe in den Kassen! (Bundesminister Mag. Grasser: Was gut so ist!)

Das ist natürlich eine günstige Voraussetzung für die Verhandlungsposition des Bundes, weil sich, realistisch gesehen, die Länder und Gemeinden eine Nichteinigung letztlich gar nicht leisten können. Das macht dem Finanzminister natürlich Freude, das verstehe ich durchaus, und ich attestiere ihm auch – wie allen seinen Vorgängern –, dass das nicht missbräuchlich eingesetzt wurde, sondern dass man auf einen Konsens geachtet hat. Wie das bei einer anderen politischen Zusammensetzung ausgesehen hätte oder aussehen würde, wissen wir nicht. Die Phantasie lässt hier einen breiten Spielraum für verschiedene Szenarien – durchaus zum Nachteil der Länder, vielleicht weniger der Gemeinden – offen.

Das Finanzausgleichsgesetz schafft erstmals auch eine Verknüpfung mit dem Konsultationsmechanismus, indem für verschiedene Bundesgesetze die den Ländern oder Gemeinden erwachsenen Belastungen als abgegolten gelten. Das ist auch der Sinn des Konsultationsmechanismus. Es ist dort ausdrücklich vorgesehen, dass das in die Finanzausgleichsverhandlungen eingepasst wird.

In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings daran erinnern, dass es dem Konsultationsmechanismus an sich – dieser Vereinbarung des Bundes mit den Ländern – noch einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Absicherung mangelt. Wir haben das vor einem Jahr in Anfragen an den Bundeskanzler und den damaligen Finanzminister thematisiert und von beiden die Mitteilung bekommen, dass – ich zitiere jetzt beispielhaft – nach Auffassung des Finanzministeriums die in der Konsultationsvereinbarung und im Stabilitätspakt vorgesehene bundesverfassungsgesetzliche Umsetzung derart erfolgen sollte, dass dem Nationalrat von der Bundesregierung eine entsprechende Regierungsvorlage zugeleitet wird.

Ich möchte daran erinnern, dass das nach wie vor offen ist. Das betrifft natürlich nicht nur den Konsultationsmechanismus, sondern selbstverständlich auch den Stabilitätspakt.

In der heute noch zu beratenden Vereinbarung gemäß Artikel 15a über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung findet sich – wenn ich das einfügen darf – auch eine interessante Passage, die für den Gesetzgeber nicht unwesentlich ist, nämlich in der dort abgedruckten Nebenabrede zu dieser Vereinbarung. Ich darf Abs. 1 zitieren; er gilt spiegelbildlich dann auch für Landesgesetze: Gesetze und Verordnungen des Bundes, die für die anderen Gebietskörperschaften unmittelbar finanzielle Belastungen im Krankenanstaltenwesen verursachen, dürfen nur mit Zustimmung der Landesregierungen und des Städtebundes und des Gemeindebundes beschlossen beziehungsweise erlassen oder geändert werden.

Das ist ein etwas merkwürdiger Vorgang, nicht zuletzt aus der Sicht des Bundesrates, weil das nichts anderes heißt, als dass die Länder hier ihre Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung selbst in die Hand nehmen. Das ist nicht das erste Mal, das war ansatzweise schon beim Konsultationsmechanismus so und auch in der Bestimmung, dass die Betrauung der Unabhängigen Verwaltungssenate mit zusätzlichen Aufgaben durch Bundesgesetze der ausdrücklichen Zustimmung der Landesregierungen bedürfen.

Das ist also eine Entwicklung, die deutlich macht, wie sehr wir die Kritik am Bundesrat ernst nehmen sollten. Ich meine jetzt nicht jene, die von der Überlegung geleitet ist, dass man zu wohlfeilen Schlagzeilen kommt, sondern ich meine beispielsweise jene, die Herr Landeshauptmann Stix kürzlich geäußert hat – ein außerordentlich besonnener Mann, der sich um die Bundesstaatlichkeit Österreichs große Verdienste erworben hat. Er hat bei einer Pressekonferenz in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landeshauptmännerkonferenz gesagt: Entweder muss es eine Aufwertung geben, oder wenn man den Bundesrat so belässt, wie er jetzt ist, kann man ihn auch abschaffen. – Ende des Zitats.

Das ist nicht die einzige Wortmeldung in diese Richtung. Ich bin sehr dafür, dass wir gerade diese Kritik aus dem Munde des burgenländischen Landeshauptmannes sehr ernst nehmen.


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Ich möchte diagnostizieren – das ist aber meine ganz private Meinung –, dass ein zu hohes Maß an Kritik am Bundesrat berechtigt ist, insbesondere aus der Sicht der Ländervertreter, und ich kritisiere den Herrn Finanzminister keineswegs, dass er darüber nachgedacht hat, wie man den Bundesrat zwar nicht abschaffen, aber ihm allenfalls neue Aufgaben geben sollte, und ich denke auch, wir sollten uns gemeinsam mit den Landtagen der Diskussion öffnen, ob es angesichts des heutigen Stellenwertes von Gesetzgebung im Rahmen der Europäischen Union noch gerechtfertigt ist, so viel Women- oder Manpower einzusetzen. Ich nenne jetzt nicht eine Zahl, ich nenne jetzt nicht Beträge, aber ich denke, diese Gesichtspunkte wären eine Überlegung wert.

Das Paktum, das dem Finanzausgleich zu Grunde liegt, stellt auch eine Verknüpfung zu Reformen in der Staatsorganisation – landläufig Verwaltungsreform genannt – her, indem Experten einer eigenen Struktur- und Aufgabenreformkommission von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam bestellt werden und den Auftrag haben sollen, binnen sechs Monaten Strukturänderungen der Erfüllung staatlicher Aufgaben umsetzungsfähig auszuarbeiten. Das geschieht offenbar parallel zu einer bereits von der Frau Vizekanzlerin berufenen Aufgabenreformkommission, die schon tätig ist.

Man könnte das jetzt kritisch als neue Doppelgleisigkeit sehen. Ich sehe es positiv als gesunden Wettbewerb. Wie auch immer: Man wird an dem nicht vorbeikommen, was Herr Rechtsanwalt Dr. Barfuss in den letzten Tage in einem Artikel im "Standard" dargelegt hat. Ich darf kurz zitieren: Er beklagt, dass sich die Qualität der Gesetzgebung in den vergangenen zehn Jahren katastrophal verschlechtert habe. Da wundert es einen nicht, dass die Verwaltung so teuer ist. Am Schluss wird er zitiert: Ohne eine grundlegende radikale und konsequente Änderung der Rechtsordnung seien sämtliche Strukturreformen zum Scheitern verurteilt.

Nach meiner Erfahrung kann man dem nichts als Bekräftigung hinzufügen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

13.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

13.12

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann den Worten des Herrn Präsidenten zum Finanzausgleich nichts mehr hinzufügen. Ich möchte nur einige Anmerkungen machen, und verzeihen Sie mir schon im Vorhinein, dass ich zur Sache nicht viel sage, sondern dass ich, da das heute meine letzte Rede beziehungsweise meine letzte Sitzung ist, auch einige persönliche Worte sage.

Zum Finanzausgleich: Ich habe mich immer wieder, wenn es in diesem Haus um Finanzen gegangen ist, besonders für die Gemeinden zu Wort gemeldet. Als Bürgermeister muss ich das auch heute wieder unterstreichen. Der Finanzausgleich berührt alle gesetzgebenden Körperschaften, also Bund, Länder und Gemeinden, und, wie es so schön heißt, die Letzten sind die Gemeinden. Den Gemeinden werden immer mehr Aufgaben übertragen. Aber wie schaut es finanziell aus? – Ich weiß schon, dem Minister ist es zu viel, was er gibt, jenen, die nehmen, ist es zu wenig, was sie bekommen. Hier einen guten und ausgleichenden Kompromiss zu finden, ist immer ein Spagat. Aber ich glaube, dass auch bei diesem Finanzausgleich, der bis zum Jahr 2004 vereinbart ist, eine zufriedenstellende Lösung für die Gemeinden, besonders für die kleineren Gemeinden, zu Stande gekommen ist.

Ich habe mir bei der Budgetierung in meiner Gemeinde angesehen, dass es in Summe ein höherer Betrag ist, den wir durch den Finanzausgleich bekommen, aber auch die Ausgaben, die schon automatisch abgezogen werden, sind mehr geworden. Das heißt, das Ganze ist ein Nullsummenspiel.

Eines möchte ich aber auch erwähnen, weil ich in diesem Haus immer wieder dazu gesprochen habe: das leidige Problem der Gemeinden mit der Getränkesteuer. Hier, so glaube ich, haben wir auch ein Problem, das nicht gelöst ist.


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Herr Bundesminister! Ich habe hinsichtlich der Rückzahlung mit Null budgetiert. Meine Gemeinde gehört zu den betroffenen Gemeinden. Es ist eine Weinbaugemeinde, die auch in Summe ein höheres Getränkesteueraufkommen hat. Hier gibt es eine Rechtsunsicherheit, bei der die Gemeinden sicherlich eine baldige Entscheidung brauchen. (Bundesminister Mag. Grasser: Der Verfassungsgerichtshof hat ihnen gestern Recht gegeben!) – Ja, aber ich habe gehört, das gilt nur für Wien. Oder? (Bundesminister Mag. Grasser: Für alle Bundesländer!) – Für alle Bundesländer? – Das ist eine beruhigende Mitteilung, ein kleines Weihnachtsgeschenk. Ich hoffe, dass auch mit Stempel und Siegel in die Gemeinden kommt, dass diese Entscheidung gefallen ist. (Bundesrat Bieringer: Das ist eine kluge Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes!) Dann kann ich doch beruhigt sein. Aber wie heißt es so schön? – Ich höre es wohl, ich kann es auch glauben, aber zuerst möchte ich es schwarz auf weiß mit Stempel haben.

Ansonsten, so muss ich sagen, ist der Finanzausgleich ein guter Kompromiss, auf dem die Gemeinden weiterhin aufbauen können und auch weiter Finanzierungen durchführen können. Die Gemeinden sind große Financiers in puncto Wirtschaft und werden auch weiterhin gut für die Bürger wirtschaften können.

Eine kleine Bemerkung hätte ich auch noch zu Maastricht. Ich rede jetzt von meiner Gemeinde. Sparen ist bei uns positiv besetzt. Ich bin Gott sei Dank in der Lage, ein gutes Budget zu haben, nicht mit Schulden, nicht mit übermäßigen Schulden, sondern mit Überschuss zu arbeiten. (Bundesrat Gasteiger: Sag das nicht vor dem Finanzminister! Der nimmt dir noch was weg!) – Das sage ich dem Finanzminister (Beifall bei der SPÖ), und ich muss ihm auch Folgendes sagen: Laut Maastricht wird man bestraft, wenn man einen Überschuss hat. Im Budget müssen wir uns selbst betrügen, so muss ich sagen, weil wir nach Maastricht-Kriterien budgetieren müssen. Hier wünsche ich mir eine Regelung, die für alle, ob links, rechts oder in der Mitte, eine zufriedenstellende Lösung für die kommenden Budgets darstellt.

So wie es jetzt ist, ist es, so glaube ich, nicht der Sinn der Sache. Mathematisch mag es stimmen, mag es richtig sein, wenn man eins und eins zusammenzählt, aber für die Optik ist es, so glaube ich, nicht das Richtige, wenn man in einem Budget trotz Überschuss nicht nach Maastricht-Kriterien budgetiert. Da unterliegen wir einer Selbsttäuschung.

Das möchte ich zum Finanzausgleich sagen. Unsere Fraktion stimmt diesem Finanzausgleich natürlich wohlwollend zu.

Zu mir persönlich – ich habe es schon angekündigt –: Gestern ist dankenswerterweise auch schon die Rede davon gewesen, dass die Vertreter des Burgenlandes komplett aus dem Bundesrat ausscheiden. Ich will nicht für meine beiden Kollegen reden, sie haben das selbst gemacht. Für mich persönlich war es eine schöne Zeit, eine angenehme Zeit, und ich bin zufrieden, wenn ich einen kleinen Beitrag zu dem Bild aus lauter kleinen Mosaiksteinen leisten konnte, wenn ich auch ein kleiner Mosaikstein in dieser Länderkammer sein konnte, die – heute wurde es schon angesprochen –, seit ich im Bundesrat tätig bin, immer wieder einmal abgeschafft, einmal gestärkt wird; einmal werden Bundesstaatsreformen durchgezogen, dann wieder nicht durchgezogen. Es ist eine fortlaufende, permanente Diskussion.

Aber ich möchte mir eines wünschen: Der Bundesrat sollte als Länderkammer gerade in Hinblick auf unsere große EU-Gemeinschaft den Stellenwert erhalten, den er sich verdient. Und er verdient sich einen besonderen Stellenwert, denn die kleinen Zellen können nur aus der Praxis vertreten werden. Das sollte man auch im Hinblick auf zukünftige Entscheidungen in diesem Hohen Haus immer berücksichtigen. Das würde ich mir persönlich wünschen.

Zu meiner Person und zum Ausscheiden: Für mich ist schon, als ich in das Haus eingetreten bin, festgestanden: Ich stehe nur eine Periode zur Verfügung. Ich wäre ganz gerne – das gebe ich zu – bis zum Ende der Legislaturperiode im Burgenland, bis Mai, in diesem Haus tätig gewesen, aber andere Umstände haben es so gewollt, dass eine frühzeitige Wahl durchgeführt wurde. Ich bin persönlich gar nicht unglücklich über den Ausgang. Das brauche ich hier nicht extra zu betonen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Ich scheide daher mit einer gewissen Befriedigung aus diesem Hause. Das möchte ich ganz klar sagen.


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Ich habe nicht mehr kandidiert, und ich möchte allen in diesem Haus recht herzlich danken für die immer wieder erlebte Bereitschaft zur Zusammenarbeit und für das Entgegenkommen. Ab und zu gab es hitzige Debatten, dazu ist das Parlament, dazu ist diese Kammer berufen, aber ansonsten – das möchte ich betonen –, wenn man aus dem Haus hinausging, nur einige Meter weiter, hat es ein gutes Zusammensitzen und ein gutes Gespräch gegeben. Manchmal hat es in persönlichen Gesprächen viele Übereinstimmungen gegeben, hier im Haus, aus welchen Gründen auch immer, dann kontroversielle Diskussionen. Das nehme ich mir mit.

Ich wünsche dem Haus noch alles Gute und viele gute Entscheidungen! Ich hoffe, dass ich in der Zukunft auch so gesehen werde. Herzlichen Dank und alles Gute! (Lang anhaltender allgemeiner Beifall.)

13.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Lieber Kollege Grillenberger! Der Applaus hat dir gezeigt, wie sehr man dich hier im Hause schätzt und wie traurig wir sind, weil du uns verlässt. Du warst immer einer jener Bundesräte, die in ihrer Art und Weise dafür gesorgt haben, dass ein gutes Klima und ein guter Ton geherrscht haben. Du warst durchaus fest im Einnehmen deiner Standpunkte, aber du hast immer so gesprochen, dass sich dein Visavis auch verstanden und nie angegriffen gefühlt hat. Dafür schulden wir dir Dank, denn du warst sehr wohl gerade in diesem Bereich ein gutes Beispiel für uns alle.

Du hast davon gesprochen, ein Mosaiksteinchen zu sein, und das Bild sei wieder zu vervollständigen. – Ich kann dir nur eines sagen: Funktionsträger sind immer wieder ersetzbar, das ist überhaupt keine Frage. Aber das Mosaiksteinchen Mensch ist nicht zu ersetzen! Das heisst, du wirst uns fehlen, und wir sollten uns alle bemühen, daran zu denken: So wie du immer in den Wald gerufen hast und es sehr freundlich zurückgekommen ist – genau dieser Sprache sollten wir uns auch in Zukunft befleißigen! Vielen herzlichen Dank für deine Tätigkeit hier im Hause, und alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner lang anhaltender Beifall. – Bundesrat Grillenberger steht auf und dankt mit einer Verbeugung.)

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

13.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Neuregelung des Finanzausgleiches hat – so stellt man nach kurzer Betrachtung des vorliegenden Entwurfes fest – zwei Ziele: einerseits die Sicherstellung der Gemeindefinanzierung und andererseits natürlich auch, den Budgets in den Kommunen – sprich: in den Gemeinden –, den Kriterien, die dafür erforderlich sind, Rechnung zu tragen. Das heißt, dass die Budgetdefizite kurzfristig, nämlich bis 2002, auf 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesenkt werden, mit dem mittelfristigen oder längerfristigen Ziel – das heißt, ab 2002 –, das Budgetdefizit der Kommunen auf Null abzusenken.

Meine Damen und Herren! Diese Verteilung der Geldmittel, der Budgetmittel wird damit neu geregelt, und zwar – das ist sehr positiv – im Konsens, in Übereinstimmung mit den betroffenen Körperschaften. Es gibt einen Konsens mit den Ländern, mit den Gemeinden und deren Vertretungen, sprich: Gemeindebund und Städtebund. Das heißt, dies ist ein weiterer großer Konsens, der von allen Gebietskörperschaften getragen wird.

Gleichzeitig ist es bei diesem Entwurf gelungen, dass eine Anhebung des Sockelbetrages erfolgt. Wir Länder- und Gemeindevertreter hoffen natürlich, dass sich diese Mittel in den Kommunen, in den Ländern in Hinkunft entsprechend erhöhen werden.

Diese Anhebung des Sockelbetrages von derzeit 102,3 S auf künftig 1 000 S pro Einwohner ist natürlich auch als Ausgleich des Bundes für eine Maßnahme zu sehen, die nicht der Bund geregelt hat, sondern die von der größeren Gebietskörperschaft, nämlich von Europa gekommen ist: nämlich als Ausgleich, als Ersatz für die Getränkesteuer. Das ist heute bereits angesprochen worden.


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Ferner wird die Aufteilung der Werbeabgabe geregelt, und auch darüber gibt es einen Konsens. Für Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern – also nicht für Städte mit eigenem Statut, aber für Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern – gibt es steigende Bedarfszuweisungen. Alles in allem könnte man sagen: in Summe ein gelungener Wurf des Gesetzgebers.

Meine Damen und Herren! Wesentlich ist, dass dieses Gesetz, dieser Finanzausgleich den Kommunen und den Ländern eine Art Einnahmensicherheit gibt, wenn auch zeitlich begrenzt mit der Gültigkeit oder Geltungsdauer dieses Gesetzes. Gerade das, meine Damen und Herren, ist der Punkt, den wir als Ländervertreter innerhalb unserer Länder auch einmahnen sollten, nämlich dass zwischen den Gebietskörperschaften Gemeinden und Ländern eine Einnahmensicherheit geschaffen wird.

Ich will nicht sagen, es muss zwischen Ländern und Gemeinden ein Finanzausgleich geschaffen werden. Aber man könnte in den Ländern zum Beispiel durchaus ein Gemeindefinanzierungsgesetz schaffen, damit die Gemeinden in Hinkunft nicht zu finanziellen Bittstellern beim Land degradiert werden, damit die Gemeinden in Hinkunft die erforderlichen Kriterien erfüllen und korrekte Budgets erstellen können und damit es in Hinkunft für die Gemeinden auch realistische Budgetplanungen gibt.

Meine Damen und Herren! Wenn dieser Konsens von den Ländern auch mit Leben erfüllt wird, dann werden wir natürlich die Kriterien erreichen – das heißt, bis 2002 1,3 Prozent vom BIP, und in der Folge ein Nulldefizit bei den Budgets der Kommunen und der Länder. Ich bitte Sie, tragen Sie diese Intentionen mit den Ländern mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Gruber. – Bitte.

13.28

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Der Finanzausgleich sollte Gerechtigkeit für die ländlichen Gemeinden bringen. Das ist eine jahrelange Forderung der politischen Vertreter im ländlichen Raum. Die Menschen im ländlichen Raum sollten genausoviel wert sein wie jene in der Großstadt!

Ein Haus im Grünen, den Greißler ums Eck und ein Einkaufszentrum in nächster Nähe, ein optimal ausgebautes Verkehrsnetz, gleichzeitig öffentliche Verkehrsmittel im Viertelstundentakt, ein kurzer Weg zur Arbeitsstätte, aber die Betriebsansiedlungen so weit weg wie nur möglich. – Das sind die unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Anforderungen, die heutzutage an die Infrastruktur einer Gemeinde gestellt werden. Diese Liste ließe sich beliebig lange fortsetzen.

Kinderbetreuung, neue soziale Aufgaben, höhere Ansprüche der Bürger bei den Dienstleistungen im Umwelt-, Wirtschafts- und Gesundheitsbereich und und und. Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem die Gemeinde keine Rolle spielt. Die Zahl der Aufgaben wächst ständig, das merkt man deutlich, und mit den vorhandenen finanziellen Mitteln kann nur schwer das Auslangen gefunden werden.

Der ländliche Raum ist mit einem gewaltigen Strukturwechsel konfrontiert. Die Globalisierung hat auch die Gemeinden erfasst. "Zentralisierung" wird immer mehr zum gelebten Schlagwort.

Der Trend ist klar: Die wenigen Zentralgemeinden profitieren stärker vom Finanzausgleich als die vielen kleinen Gemeinden. Wie ist es zu erklären, dass die Bürger der Stadt Wien bei der Verteilung der gemeinsamen Steuern doppelt so viel wert sind wie die Bürger meines Bezirkes, unserer Täler: des Gurktales, des Metnitztales, des Görtschitztales und des Glantales?

Wie kann man dem Umstand begegnen, dass die kleineren Gemeinden zu reinen Schlafstätten verkommen und zum Teil wirklich nur mehr die Hundesteuer als Einkommen haben, während sich die wirtschaftlichen Interessen auf die regionalen Zentren verlagern?


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671. Sitzung / Seite 27

Herr Finanzminister! Der Bund bestimmt zu über 95 Prozent, wer wieviel Steuern zahlt, und kassiert auch 90 Prozent der Abgaben über das Finanzamt ein. Allerdings ist er durch die Bundesverfassung verpflichtet, diese Gelder zwischen Ländern und Gemeinden aufzuteilen. Wer wieviel Geld bekommt, wurde gestern im Nationalrat beschlossen.

Durch die bisherigen Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes werden alle Gemeinden, deren Einwohnerzahl unter 20 000 liegt, benachteiligt – am meisten die weniger als 2 500 Einwohner zählenden Gemeinden, die Ärmsten der Armen –, und die größeren Städte werden übermäßig bevorzugt. Derzeit erhält Wien für einen Gemeindebürger etwa 12 000 S, während dem Bund bis jetzt ein Bewohner meines Bezirkes St. Veit an der Glan nur 6 500 S wert ist. Weitere Zuschüsse für einzelne Projekte müssen immer von Bund oder Land genehmigt werden. Wenn dem Bund alle Bürger gleich viel wert wären, dann bekämen die Gemeinden in unserem Bezirk pro Einwohner um 2 000 S mehr.

Der Finanzausgleich sollte der größtmögliche Interessenausgleich für die Bevölkerung sein. Der Finanzausgleich sollte den größtmöglichen Interessenausgleich zwischen großen und kleinen Gemeinden darstellen, aber den finanziellen Belastungen finanzschwacher Gemeinden wird leider nicht Rechnung getragen.

Die Summe, die wir bekommen – wir haben es heute schon gehört –, wird aufgrund der Erhöhung des Sockelbetrages mehr, aber die Ausgaben, die wir haben, sind viel höher! Das ist kein Nullsummenspiel! Daher kann ich dem Finanzausgleichsgesetz nicht meine Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

13.34

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Wien wird diesem Finanzausgleich trotzdem zustimmen, obwohl das jetzt vielleicht ein bisschen überraschend gekommen ist.

Ich möchte vorerst ein paar Worte zum Makro-Teil des Finanzausgleiches ausführen, nämlich zum Stabilitätspakt, denn dieser steht mit im Vordergrund dieses Finanzausgleiches. In diesem Pakt verpflichten sich die Länder, in der FAG-Periode einen durchschnittlichen Haushaltsüberschuss von nicht unter 0,75 Prozent des BIP zu produzieren, jedenfalls aber 23 Milliarden Schilling. Ich glaube, dass gerade dieser Länderbeitrag gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, vor allem der Passus "jedenfalls aber 23 Milliarden Schilling" hat besondere Brisanz angesichts der Prognose, dass die erwähnten 0,75 Prozent etwa im Jahr 2001 deutlich unter 23 Milliarden liegen werden.

Da lohnt es sich auch, sich kurz die Chronologie vor Augen zu halten. Der Auftakt der Finanzausgleichsgespräche fand am 25. April dieses Jahres zwischen Finanzminister, einer Länder-Delegation, dem Österreichischen Städtebund und dem Österreichischen Gemeindebund statt. Anlässlich dieser Gesprächsrunde war noch von einem Beitrag der Länder und Gemeinden zum Stabilitätspfad von 0,5 Prozent die Rede, ebenso bei der nächsten Runde am 29. Mai, bei der es unter anderem auch um die Übertragung des nicht-hochrangigen B-Straßennetzes an die Länder ging – eine Maßnahme, die ich persönlich für sehr sinnvoll erachte, die aber an den etwas überzogenen Vorstellungen des Bundes scheiterte, insbesondere an der nichtdynamisierten Abgeltung.

Am 26. Juni wurden dann die Länder, Städte und Gemeinden mit einem etwas überraschenden Belastungspaket konfrontiert: Die gesamten Kosten der Landeslehrer sollten – gegen Abgeltung durch einen Pauschalbetrag – auf die Länder überwälzt werden; der Wohnbauförderungs-Zweckzuschuss und die entsprechenden Bedarfszuweisungen nach § 21a FAG sollten um 15 Milliarden Schilling gekürzt werden; die Abgeltung für den klinischen Mehraufwand sollte um 1 Milliarde Schilling reduziert werden; knapp 500 Millionen Schilling an Finanzzuweisungen und Zweckzuschüssen an die Länder sollten gestrichen werden; der Gemeinde-Kopf-Quoten-Aus


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671. Sitzung / Seite 28

gleich sollte um über 400 Millionen Schilling gekürzt werden und so weiter. Noch immer war aber der geforderte Beitrag zum Stabilitätspakt in Höhe von 0,5 Prozent angesetzt.

Erst nach diesem Zeitpunkt wurden dann die Länder und Gemeinden mit den neuen Vorschlägen des Bundes zum Stabilitätspfad konfrontiert. Die Forderung nach einem ausgeglichenen Haushaltsergebnis der Gemeinden etwa wurde diesen überhaupt erst am 4. Oktober offiziell übermittelt.

Ich glaube, dass diese Vorgangsweise des Bundes die Kompromissbereitschaft der Länder, Städte und Gemeinden doch in einem solch großen Ausmaß strapaziert hat, das es diesen fast unmöglich machte, doch noch zu einer gemeinsamen Lösung zu finden. Ich bin froh, dass es diese gemeinsame Lösung dennoch gegeben hat. Ich glaube aber, dass der Dank am Zustandekommen dieses FAG vor allem auch den Ländern, Städten und Gemeinden gebührt!

Dass ob dieser notwendigen Abwehrstrategie, wie ich sie bezeichnen möchte, die eigentlich angestrebte innere Reform des Finanzausgleiches im Wesentlichen auf der Strecke geblieben ist – ich gebe zu: wiederum auf der Strecke geblieben ist –, kann daher in keiner Weise, wie ich meine, den Ländern angelastet werden. Ich glaube trotzdem, dass eine derartige Neuausrichtung durchaus sinnvoll sein kann und auch durchaus Platz greifen muss, und bin froh, dass diesbezügliche Arbeitsgruppen eingerichtet wurden, die in den nächsten Jahren beziehungsweise in den nächsten sechs Monaten neue Lösungen konzipieren sollen.

Es ist verständlich, wenn der Finanzminister im Nationalratsausschuss vor einigen Tagen betont hat, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der Länder erreicht sei. Ich finde, dem kann man durchaus zustimmen; dies wohl auch im Hinblick auf § 4 Finanz-Verfassungsgesetz, der normiert, dass die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden dürfen.

Es wird Sie wahrscheinlich überraschen, dass ich auch einige Worte zu Wien verlieren möchte. Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel war neben der Werbeabgabe einer der wesentlichen Punkte. Die geplante Aufhebung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels hätte für Wien Mindereinnahmen in der Höhe von 3,5 Milliarden Schilling jährlich bedeutet. Nun sind es immerhin noch 180 Millionen im Jahr 2001, die bis 2004 auf 550 Millionen anwachsen werden. Letztlich konnte auch die Wohnbauförderung gehalten werden, die gerade in der Großstadt auch für das Bau-Haupt- und Bau-Nebengewerbe und die Arbeitsplätze, die damit zusammenhängen, eine wesentliche Bedeutung hat, und in Wien kann man nun aufgrund dessen auch eine allgemeine Wohnbeihilfe für Mieter in Privathäusern einrichten.

Insgesamt wird Wien im Zusammenhang mit diesem FAG auf rund 1,5 Milliarden Schilling zu verzichten haben, und ich denke, dass man in diesem Zusammenhang doch einige grundsätzliche Worte zum Verhältnis zwischen Städten und Gemeinden, und zwar auch der Größe nach, verlieren sollte.

Ich selbst war lange genug in FAG-Verhandlungen involviert, schon in meiner Zeit im Klub, um zu wissen, dass es bei einem Konflikt zwischen großen und kleinen Gemeinden letztlich nur einen Sieger gibt, und das ist der Bund.

Man muss schon auch bedenken, dass etwa ein bloßer Ersatz des abgestuften Bevölkerungsschlüssels durch die einfache Volkszahl auch für die kleinen Gemeinden nur eine scheinbare Lösung ist. Durchgerechnet würden sich zwar die ordentlichen Einnahmen der Gemeinden um 5,3 Prozent verbessern, jene der Städte aber um 7,2 beziehungsweise 10,6 Prozent verschlechtern.

Dazu kommt, dass bei völlig nivellierter Aufteilung der Ertragsanteile zwangsläufig auch die Vorausanteile wegfallen. Auch die Bedarfszuweisungen würden wegfallen – etwas, was gerade für die kleinen, finanzschwachen Gemeinden von essenzieller Bedeutung ist.


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Gemeinden und Städte werden also gut beraten sein, kooperativ und gemeinsam neue Lösungen zu finden, und zwar im Sinne einer Aufgabenorientiertheit des FAG, denn der lachende Dritte sitzt ansonsten in der Himmelpfortgasse.

In Summe bedeutet dieser Finanzausgleich momentan für keinen der Betroffenen, so glaube ich, eine existenzielle Bedrohung. Die Überführung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels etwa wird von mir besonders begrüßt. Was unter anderem fehlt, sind Details, etwa eine Verbesserung im Bereich der Nahverkehrsfinanzierung, obgleich der Nationalrat im Jahre 1999 hiezu einen entsprechenden Entschließungsantrag gefasst hat.

Alles in allem werden wir aber trotzdem diesem FAG natürlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Polleruhs. – Bitte.

13.41

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wieder ein Gesetz, das es zu novellieren gilt. Dafür sind wir ja in diesem Hause anwesend.

Das Finanzausgleichsgesetz 1997 hat den Finanzausgleich für die Jahre 1997 bis 2000 geregelt und tritt, wie Sie der Regierungsvorlage entnehmen können, mit Ablauf des 31. Dezember 2000 außer Kraft. Damit das möglich wird, haben wir es hier und heute zu behandeln. Man mag es aus vielen Perspektiven sehen: Die einen meinen, es ist gut; die anderen sagen, für mich in der Gemeinde als Betroffener ist es weniger gut. – Ich hoffe nicht, dass es ein schlechtes Omen vom Präsidenten war, dass die Türschnalle geklemmt hat. Wir Bürgermeister – das hat mit der parteipolitischen Zugehörigkeit nichts zu tun – kennen das so genannte Schnallendrücken, wenn wir zu den zuständigen Referenten fahren und um eine Bedarfszuweisung ersuchen.

Man wird dann meistens gefragt, wie es einem geht. Da kann ich meinen Kollegen nur raten, die von mir in letzter Zeit gegebene Antwort zu gebrauchen, die sich anscheinend positiv ausgewirkt hat. Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, sage ich: Gesundheitlich danke, finanziell bitte! – Dann kennt sich jeder aus, was man für seine Heimatgemeinde braucht und haben möchte.

Die Vertreter der Gebietskörperschaften – wobei die Gemeinden durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, wie Sie wissen, vertreten wurden – haben in Gesprächen eine Einigung über den neuen Finanzausgleich für den Zeitraum 2001 bis 2004 erzielt, die – sehen Sie es bitte so! – in ein Paktum zwischen den Gebietskörperschaften einfließt und auf deren Grundlage der vorliegende Gesetzentwurf erstellt wurde. Für die Budgeterstellung 2001 ist es in den Gemeinden – zumindest bei uns in der Steiermark – so, dass mit spätestens 2. Dezember der Voranschlagsentwurf für das kommende Haushaltsjahr durch den Bürgermeister aufgelegt werden muss, damit er in der 14-tägigen Auflagefrist und nach der Behandlung im Gemeinderat wiederum nach einer 14-tägigen Auflagefrist mit spätestens 31. 12. dieses Jahres rechtskräftig wird.

Ich bin heuer bei meinem Voranschlag gesessen und habe eben, wie es empfohlen wurde, die gleichen Ertragsanteile aufgenommen, wie wir sie 2000 hatten. So gesehen ist diese Einigung, die gemeinsam ausverhandelt wurde, als Gesamtkompromiss zu verstehen, ebenso wie die Summe aller Regelungen der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften.

Aber es freut mich sehr, dass ein weiteres zentrales Thema für die Gemeinden die Verteilung der Ertragsanteile war, wobei sich die Gespräche früher auf eine Erhöhung des so genannten Sockelbetrages und damit auf eine weitere Reduzierung der Bedeutung der Verteilung nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel konzentrierten. Es freut mich als Bürgermeister einer Gemeinde mit 1 700 Einwohnern, dass wir doch in den nächsten Jahren leicht davon profitieren werden.


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Ich sage das aber nicht mit Freude und Genugtuung gegenüber genauso liebgewonnenen Kollegen, die es auf der anderen Seite vielleicht negativ treffen wird, weil doch jene Gemeinden, die die Bundesgesetze genauso erfüllen müssen wie mittlere oder größere Städte – da denke ich vor allem an die Einhaltung des Abfallwirtschaftsgesetzes oder des Wasserrechtsgesetzes und im Speziellen an die Abwasserentsorgung –, auch Aufgaben haben. (Bundesrätin Schicker: Sozialhilfevergabegesetz!) Da sind sicherlich in ländlichen Gebieten mehrere Kilometer Kanalstrang in Form eines Sammlers zu verlegen, wobei aber durch die gesetzliche Möglichkeit der Einhebung einer einmaligen Kanalisationsgebühr keine Mittel zufließen, weil sie, wenn dazwischen Freiland ist, keinen anschlusspflichtigen Kanal haben.

Mir ist schon klar, dass ein Kollege aus der Stadt sagen wird: Tja, aber im Grünland, im Freiland ist es wesentlich leichter zu graben, weil noch nicht so viele Einbauten enthalten sind! – Das stimmt auch teilweise, aber über die gesamte Straßenwiederherstellung nach erfolgtem Kanalbau kann ich als Bürgermeister, der in der letzten 14 Jahren Kanäle bauen ließ, ein Lied singen. (Bundesrätin Schicker: Das passiert nur auf öffentlichem Grund!) Man geht logischerweise auch mit persönlichem Eigentum, auf den öffentlichen Straßen so vor, weil man auch künftig daran denken muss, dass Wartungen und Erhaltungen vorgenommen werden. So gesehen sind es die Gemeinden, die künftig über die Ertragsanteile mehr verdiente Schillinge bekommen, weil sie ihr Hauptvermögen in Wirklichkeit eigentlich unsichtbar unter der Erde verlegt haben, um den gesetzlichen Bestimmungen nachzukommen.

Um mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates durch eine verfassungsrechtliche Absicherung der Bestimmungen über den abgestuften Bevölkerungsschlüssel und die Verteilung der Werbeabgaben den betroffenen Gebietskörperschaften die erforderliche Rechtssicherheit zu geben, werde ich diesem Beschluss gerne meine Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Gstöttner. )

13.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon. – Bitte.

13.47

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Das Gesetz, das heute zur Beschlussfassung ansteht – viele Aspekte sind schon beleuchtet worden –, steht für mich natürlich auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Budget- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Ich möchte diesen Aspekt noch einbringen, weil ich glaube, dass im Grunde genommen die Zielsetzung, ab 2002 ein Nulldefizit zu erreichen, eigentlich wesentlich ist, die ich auch voll und ganz unterstütze und die wir auch nicht aus dem Auge verlieren sollten.

In den Diskussionen auch im Bereich des Finanzausgleichs, aber speziell gestern im Bereich der Budgetbegleitgesetze hatte ich schon noch sehr oft den Eindruck, dass dieses Ziel nicht wirklich von allen hier im Bundesrat mitgetragen wird. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wir hatten, so glaube ich, bei der vorletzten Bundesratssitzung das Thema Entwicklungszusammenarbeit und Schuldentilgungsprogramme auf der Tagesordnung. Wir waren uns darüber einig, dass Schulden-Machen und Schulden-Haben für ein Land entwicklungshemmend sind. Ich möchte ganz bewusst dieses Thema des Nulldefizits und der Nicht-Neuverschuldung besprechen, da es für mich das zentrale Thema ist.

Dass die SPÖ in diesem Zusammenhang für mich natürlich eine nicht nachvollziehbare Position bezieht, hat aus meiner Sicht folgenden Hintergrund – das ist auch der Grund, warum wir auch hier immer wieder in der Diskussion zu einem Konflikt kommen –: Es geht mir gar nicht darum, welche Bundesregierungen in der Vergangenheit für die Schulden oder für das Schulden-Machen verantwortlich waren. (Bundesrat Gasteiger: Jetzt bin ich gespannt!) Mir geht es vielmehr darum, dass wir das Problem als Problem erkennen. Der Vorwurf, den ich Ihnen mache, ist, dass Sie das Problem Schulden nicht als Problem wahrnehmen und erkennen (Bundesrätin Kainz: Schulden sind nicht ein grundsätzliches Problem!) und sich nicht mit der entsprechenden Sorgfalt und mit der entsprechenden Kraft einer Problemlösung zuwenden.


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Ich habe gestern sehr aufmerksam bei der Diskussion der Budgetbegleitgesetze zugehört. Sie von der SPÖ haben kaum einen Alternativvorschlag eingebracht. Ihre einzigen Vorschläge waren, alte Dinge wieder zurückzunehmen (Bundesrätin Schicker: Gerechter! Sozial gerechter, Herr Kollege!), die Bauern ein bisschen zu belasten, die Wirtschaft sowieso, aber Sie haben nicht wirklich ein Alternativprogramm für die Entschuldung Österreichs. Das ist der Punkt.

Ich glaube – das geht an Ihre Adresse –, der erste Punkt ist: Nehmen Sie das Problem Schulden auch als Problem wahr! Denken Sie einmal darüber nach! (Bundesrätin Kainz: Kennen Sie einen Unternehmer, der investiert, ohne Schulden zu machen?) Den kenne ich schon. (Bundesrätin Kainz: Aber wenige!)

Ich komme noch zu dem Punkt Unternehmer, weil Herr Professor Konecny so unterschwellig immer wieder darauf insistiert, dass Unternehmer – er hat es nicht gesagt, aber ich möchte es so formulieren, wie ich es verstanden habe – quasi dieses Ausbeutertum gegenüber den Arbeitnehmern noch immer forcieren. (Bundesrätin Schicker: Es gibt sie aber, Herr Kollege Missethon!) Lasst mich fertig reden!

Ich möchte das auf das Schärfste zurückweisen, weil ich glaube, dass es Tausende Unternehmen in diesem Land gibt – ich denke da vor allem an die kleineren und mittleren Unternehmen, die eine ganz andere Beziehung zu ihren Mitarbeitern haben –, in denen diese Sozialpartnerschaft (Bundesrätin Kainz: Sie erleben keine Sozialverhandlungen!)  – lassen Sie mich fertig reden, Frau Kollegin – ohne Betriebsratskörperschaften funktioniert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Das ist der feine Unterschied! – Bundesrat Payer: Wenn es so wäre, wäre es ideal!)

Ich möchte aber deshalb nicht die Betriebsratskörperschaften in Frage stellen – dass wir uns da nicht falsch verstehen –, weil ich glaube (Bundesrätin Schicker: Das wäre auch schlecht!), dass sie gerade bei großen Konzernen ihre Wichtigkeit haben, weil sehr viele Dinge zu regeln sind, die wir in Österreich nicht mehr regeln können, sondern die auch auf europäischer Ebene gelöst werden müssen. (Bundesrätin Schicker: Hat Herr Prinzhorn große Konzerne?)

Über sozialdemokratische Betriebsräte, die ich damit meine, in Leoben habe ich mein eigenes Bild. Ich habe in diesem Hohen Hause schon einmal das Beispiel gebracht, welche Auswirkungen das haben kann. Wir haben bei der VOEST-Alpine in den letzten 20 Jahren 5 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verloren, aber wir haben heute drei Mal so viele sozialdemokratische Betriebsräte in diesen Unternehmen. Das ist eine besondere Leistung, und es zeigt auch ... (Bundesrätin Schicker: Warum das so ist, müssen Sie dazu sagen! Weil es drei Gesellschaften gibt!)  – Ja, aber Sie wissen natürlich auch ganz genau, dass kein Gesetz vorschreibt, dass Betriebsratskörperschaften gegründet werden müssen. (Bundesrätin Schicker: Das ist die halbe Wahrheit! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Da bin ich mir nicht immer so ganz sicher, Herr Kollege Konecny!

Ich sage Ihnen auch, was ich unter "sozial" verstehe und wo ich nach der Erreichung des Nulldefizits hinmöchte. Wissen Sie, was aus meiner Sicht unsozial ist? – Dass arbeitende Menschen, die in Wirklichkeit den Sozialstaat finanzieren, wenn sie am Monatsende auf ihren Lohnzettel schauen, sehen, was der Bruttobetrag ist und was sie netto herausbekommen. Das ist soziale Ungerechtigkeit, geschätzte Damen und Herren! (Zwischenruf des Bundesrates Prähauser.  – Bundesrat Konecny:  ... ein bisschen weniger als früher!)

Ich komme jetzt zu dem Punkt, den meines Erachtens die Bundesregierung richtigerweise erkannt hat. Das ist das Ergebnis der Politik, die wir bis jetzt betrieben haben. (Bundesrat Payer: Ich habe nicht den Herrn Minister gemeint!) Ich glaube, das, was die Bundesregierung und der Herr Minister sehr richtig erkannt haben, ist, dass wir im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu viel Personal haben. Das ist der Punkt. Darüber gibt es genügend Studien (Bundesrat Prähauser: Auch in den Kammern! Bundesräte und Nationalräte!), zum Beispiel von Herrn Professor Kramer, und wie die Experten alle heißen. (Bundesrat Payer: Schau, wie Kollege Schöls reagiert!)  – Ich bin noch nicht fertig, Herr Kollege Payer!


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Es ist klar, dass wir in der öffentlichen Verwaltung und im Speziellen im Bereich des Bundes zu viel an Personal haben. Es ist sehr klar, dass da korrigiert werden muss. Bei dieser Bundesregierung habe ich das Gefühl, dass sie das sehr konsequent angeht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Privatisierungen. Diese können meines Erachtens im Bereich der öffentlichen Verwaltung und des Bundes auf folgenden Dingen basieren: dass sie a) über Ausgliederungen erfolgen, aber auch – das möchte ich auch sagen – b) über Vergabe von Aufgaben an den privaten Markt.

Claus Raidl, seines Zeichens Vorstandsdirektor von Böhler-Uddeholm, hat einmal ein sehr klares Grundprinzip genannt, das generell für die öffentliche Verwaltung, für Bund, Länder, aber auch Gemeinden und speziell für Städte gilt. Er hat gesagt: Alles, was der freie Markt zur Verfügung stellt, sollte eigentlich die öffentliche Verwaltung nicht angreifen. Das kann man in Form von Aufträgen an den freien Markt vergeben. – Dieses Grundprinzip halte ich für einen ganz wesentlichen Punkt, weil ich meine, dass wir nicht nur beim Bund und in den Ländern, sondern vor allem auch in den Städten Handlungsbedarf haben.

Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel: Ich gebe mich nicht damit zufrieden, dass wir nur beim Bund darüber nachdenken, wie man im Grunde genommen Einsparungen treffen sollte, sondern wir sollten auch in den Ländern – in der Steiermark tun wir es, wir denken über Beteiligungen, über Veräußerungen nach – einsparen; das muss bis auf die Städteebene gehen.

Es ist nicht einzusehen – ich sage das sehr klar und bewusst –, dass beispielsweise die Stadt Leoben die Haftung für eine Sparkasse besitzt. Diese Haftung – wir sind in der glücklichen Lage, dass wir für diese Haftung auch noch Geld bekommen – beträgt 600 Millionen Schilling – Schätzung –, wird nicht lukriert, und dann lehnt man sich locker zurück und sagt: Bitte, Land, ich brauche Geld, weil wir die Wahlen verloren haben (Bundesrätin Schicker: In Leoben haben wir sie nicht verloren, Herr Kollege!) und weil der sozialistische Gemeindereferent weniger Geld zur Verfügung hat! – So kann es nicht gehen.

Ich glaube, wir müssen auch speziell in den Städten – da rede ich noch gar nicht von Wien, Frau Kollegin – an das vorhandene Privatisierungspotenzial denken. Ich meine, dass wir auch bei den Städten sehr wohl über diese Dinge nachdenken sollen. Muss die Stadt eine Stadtgärtnerei haben? Muss die Stadt die Hausverwaltungen selbst machen? Muss die Stadt die Müllabfuhr selbst organisieren, wozu man Beamte und Angestellte braucht? (Bundesrat Mag. Gudenus: Friedhofsverwaltung!)

Über diese Fragen sollten wir bis auf Städteebene hinunter nachdenken. Ich sage bewusst: auf Städteebene, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, die Gemeinden sind da viel effizienter organisiert, im Speziellen die Kleinstgemeinden.

Ich möchte zum Schluss kommen. Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf ein tragbarer Kompromiss ist. Ich bin der Meinung, dass dieses Gesetz auch die Länder stärker in die Verantwortung nimmt, aber auch mehr an Verantwortung gibt. Das ist für mich ein wesentlicher Punkt bei diesem Gesetzentwurf. Wir werden daher diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte.

13.59

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich für die meines Erachtens sehr konstruktive Debatte dieses Finanzausgleichsgesetzes bedanken und möchte versuchen, aus meiner Sicht kurz einige Schwerpunkte darzulegen, warum ich der Überzeugung bin, dass dieser Finanzausgleich ein im Grunde gelungener Wurf ist, der alle Seiten und alle Verhandlungspartner, also Städte, Länder, Gemeinden und den Bund, gleichermaßen zufrieden stellen kann.


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Ich darf betonen, dass wir den Grundsatz des paktierten Finanzausgleichs einhalten konnten. Es wurde in der Diskussion beschrieben, welche Erschwernisse es gegeben hat, wie die Verhandlungen gelaufen sind, in welchen Punkten es manchmal für die Länder schwierig war. Ich darf Ihnen versichern, es war auch für den Bund nicht immer leicht, und jeder, der die Verhandlungspartner kennt, weiß, dass es natürlich verschiedene Strategien gibt, die zu einem gemeinsamen Ziel führen.

Wesentlich ist, dass es ein gemeinsames Bekenntnis gegeben hat, dass gesagt wurde: Wir wollen einen paktierten Finanzausgleich; wir wollen nicht über irgendeinen der Verhandlungspartner drüberfahren und sagen, es ist uns nicht wichtig, ob es da eine Zustimmung gibt oder nicht, sondern wir haben von Anfang an gesagt, dass ein Finanzausgleich von grundlegendem und vitalem Interesse für unsere Bevölkerung in den verschiedenen Gebietskörperschaften ist, und daher muss es uns ein Anliegen sein, zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen. Natürlich ist dies ein Kompromiss, aber ich bin der Überzeugung, dass es ein guter Kompromiss ist, dem schlussendlich alle, ob nun Gemeindebund, Städtebund, Länder – und zwar alle Länder, auch über Parteigrenzen hinweg – oder Bund, ihre Zustimmung geben können. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben auf der Basis des Finanzausgleiches 1997 aufgebaut. Das wurde von dem einen oder anderen Redner heute mitunter auch etwas kritisch reflektiert, denn man hat gesagt: Ist es ein großer Wurf? Ist es eine grundsätzliche Veränderung? Oder ist es die Fortführung des Bestehenden?

Meine Damen und Herren! Wenn man etwa sechs Monate Zeit hat, um einen Finanzausgleich neu zu verhandeln, dann denke ich, man ist bei allen Bekenntnissen zu Reformen und zu Veränderung in unserem Land doch damit besser beraten, zu sagen, wir versuchen, auf dem Bestehenden aufzubauen und so weit wie möglich strukturelle Veränderungen in den Verhandlungen zu erreichen, als zu sagen: Wir maßen uns an, etwas, das über mehr als 40, 50 Jahre in Österreich Grundlage für Finanzausgleichsverhandlungen war, jetzt innerhalb eines halben Jahres auf eine gänzlich neue Basis zu stellen.

Einschränkend und ergänzend sei hinzugefügt: Ich glaube, dass der Finanzausgleich eine sehr schwer nachvollziehbare Materie ist, und jeder von Ihnen, der sich damit im Detail beschäftigt, muss sich sehr intensiv damit beschäftigen, um mit Recht sagen zu können, sich in dieser Materie auszukennen. Es ist in hohem Ausmaß komplex, intransparent und schwer nachvollziehbar, daher werden wir unsererseits bis zum nächsten Mal versuchen, eine Reform zu erarbeiten. Vor allem in Debatten auf internationaler Ebene bekommt man ein sehr starkes Feedback in die Richtung, dass es so etwas eigentlich nicht gibt. Es ist auch nur dadurch zu erklären, dass es in Österreich historisch gewachsen ist und dass es nach einem sicherlich logischen Beginn in der Folge immer wieder viele politische Entscheidungen gegeben hat, die zu dem heutigen Finanzausgleichskonstrukt geführt haben.

Natürlich muss es unser Ziel und unser Interesse sein, zu sagen: Wir versuchen jetzt, mit diesem Konsens, der uns auch Zeit gibt, für den nächsten Finanzausgleich an einer grundlegenden Reform – auch was die Basis der Rechtsmaterien betrifft – zu arbeiten.

Ein im Grundsatz paktierter Finanzausgleich, der für mich insofern wesentlich ist – der letzte Redner hat das angesprochen –, als er im Ergebnis doch auch eine ganz massive Stärkung der stabilitätsorientierten Budgetpolitik mit sich bringt, ist somit für mich auch – das möchte ich betonen, weil es nicht nur hier, sondern auch medial so wenig kommentiert wurde – in hohem Ausmaße Strukturpolitik, meine Damen und Herren! Denn jene 0,75 Prozent plus nach Maastricht-Rechnung, die wir erreichen konnten, sind nicht nur ein versprochenes Wort, sondern sollen auch den bisher gültigen Stabilitätspakt ersetzen.

Sie wissen, dass bis jetzt minus 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Stabilitätspaktes verankert sind, die Städte, Gemeinden und Länder könnten also knapp 10 Milliarden Schilling Defizit machen. Es war richtig, dass am Beginn unserer Gespräche der Ausgangspunkt der Länder war: Wir können 0,5 nicht erreichen! Es wurde uns ein Ländermemorandum präsentiert,


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das – ich muss es ganz offen sagen – die Finanzkraft des Bundes ganz einfach überfordert hätte. All das eingerechnet war man bei vorsichtiger Bewertung bei einer Größenordnung von 15 Milliarden Schilling Finanzmittelbedarf, die Länder, Städte und Gemeinden damit zusätzlich von Bundesseite gefordert haben.

Nach vielen Verhandlungsrunden haben wir uns dann auf die erwähnten plus 0,75 geeinigt. Das heißt, es ist mehr als 1 Prozent Bruttoinlandsprodukt oder mindestens 23 Milliarden Schilling nach Maastricht-Rechnung dazwischen. Jedem, der jetzt behauptet, dass diese 0,75 Prozent beziehungsweise 23 Milliarden mehr oder wenig Statistik seien, dass dies eher eine Scheinrechnung und für die Länder kein großes Problem sei – es gibt manche Kommentatoren, die das sagen –, muss ich entgegenhalten: Allein der Umstand, dass unter anderem Ausgliederungen in größerer Dimension vorgenommen werden müssen – wir haben uns beispielsweise mit der Stadt Wien darauf geeinigt, dass man das Allgemeine Krankenhaus und andere Krankenhäuser aus der normalen budgetären Gebarung ausgliedern wird –, ist schon ein struktureller Schnitt, und zwar deshalb, weil man damit in Richtung privatwirtschaftlicher Rechtsformen mit einer verantwortlichen Geschäftsführung gehen wird, wodurch der Kostengesichtspunkt und die Ausgabendynamik natürlich eine ganz andere Bedeutung haben, als es heute innerhalb des budgetären Rahmens der Fall ist.

Das ist nur ein ganz kleines Beispiel, das zeigt, dass diese 0,75 massive strukturelle Auswirkungen in den Ländern haben werden. Ich betone, dass es nicht leicht sein wird, diese 0,75 tatsächlich zu erreichen. Nur ein Indiz dafür ist, dass die 0,5 am Beginn von allen Verhandlungspartnern als unmöglich betrachtet worden sind. Wir haben natürlich im Wege eines Kompromisses versucht, zu sagen: Wir wollen jedem die Möglichkeit geben, zu sagen, wie man dieses gemeinsame Ziel, auch zu einer stabilitätsorientierten Budgetpolitik beizutragen, bestmöglich erreichen kann.

Ich denke, dass dies ein wesentlicher und gelungener Schritt des Finanzausgleichs ist, vor allem deswegen, weil er in einen neuen Stabilitätspakt münden wird – einen Stabilitätspakt, der mit einem rechtlich verpflichtenden Sanktionsmechanismus ausgestattet sein wird. So wie Österreich gegenüber der Europäischen Union einen Sanktionsmechanismus betreffend unsere Beitragsverpflichtungen hat, wird es auch einen zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern, Städten und Gemeinden auf der anderen Seite geben, so dass auch die Steuerzahler in einem hohem Ausmaß die Sicherheit haben können, dass dieses Ergebnis erreicht werden wird, denn andernfalls würde es zu weniger angenehmen Konsequenzen für die Gebietskörperschaften kommen.

Darüber hinaus haben wir – was ein bisschen, aber nur ganz leise als mögliche Doppelgleisigkeit, aber mit dem Zusatz des Kollegen Weiss auch auf "Wettbewerb" kommentiert worden ist – eine Struktur- und Aufgabenkommission eingerichtet, die letzte Woche mit der Arbeit begonnen hat. Ihre Zielsetzung ist, schon im Jahre 2001 – das ist ein äußerst ambitioniertes und ehrgeiziges Ziel – dem Bund durch Strukturreformen, also Verwaltungsreformen sowie Reformen zwischen den Gebietskörperschaften Bund, Ländern, Städten und Gemeinden im Verwaltungsgefüge zu Einsparungen in der Höhe von 3,5 Milliarden Schilling zu verhelfen.

3,5 Milliarden Schilling an Einsparungen cashmäßig schon im Jahre 2001, und natürlich auch in den Folgejahren, sind sehr ehrgeizig, weil wir zwar Ausgliederungen und Privatisierungen machen können, vielleicht gelingt es uns auch, einen grundsätzlichen Schritt zu tun, etwa die mittelbare Bundesverwaltung abzuschaffen, weil wir sagen, der Bürger hat das Recht darauf, eine Verwaltung zu haben, die weniger hoheitsstaatlich als vielmehr service- und dienstleistungsorientiert ist und den Bürger als Kundschaft in den Mittelpunkt stellt. Aber auch für den Fall, dass uns solche Dinge gelingen – was ich sehr hoffe, wir werden uns massiv anstrengen –, haben wir noch immer jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf Bundesebene als öffentlich Bedienstete begonnen haben – sofern sie nicht in Pension gehen können. 3,5 Milliarden cashmäßig sind ein sehr ambitioniertes Ziel auf diesem Weg.

Wenn man weiters bedenkt, dass es uns gelungen ist, über den bisherigen Betrag von 2,29 Milliarden Schilling, den die Länder jetzt schon als Konsolidierungsbeitrag für den Bund und den


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Gesamtstaat leisten, hinaus noch 3 Milliarden Schilling in cash als Vorwegabzug von den Ländern zu erreichen, dann bedeutet das auch ein ganz wesentliches Bekenntnis der Länder zu einer gemeinsamen Finanzpolitik und zur Konsolidierung unserer Haushalte – ein Bekenntnis dazu, im Jahre 2002 erstmals seit mehr als 30 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Dafür möchte ich den drei Landeshauptleuten – natürlich auch allen anderen, aber vor allem jenen drei Länderpolitikern, mit denen wir die Verhandlungen geführt haben –, nämlich Landeshauptmann Stix als Vorsitzendem, Landeshauptmann Sausgruber und Landeshauptmann Haider, herzlich danken. Diese drei haben meiner Ansicht nach überaus deutlich gezeigt, dass es Ihnen wichtig ist, diese gesamtstaatlichen Ziele zu erreichen und ihr diesbezügliches Bekenntnis abgegeben – dafür meinen herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dieser Dank ist insofern noch zu ergänzen, als wir unter anderem im Finanzausgleich auch vereinbart haben, dass von den gesamten Erträgen, die sich aus Ihrem gestrigen Beschluss, auch was die Budgetbegleitgesetze betrifft, ergeben – das sind, grob gesagt, etwa 30 Milliarden Schilling an Mehreinnahmen, an denen Länder, Städte und Gemeinden natürlich im Wege der Ertragsanteile einen entsprechend hohen Anteil gehabt hätten –, nur 1 Milliarde Schilling, also nicht die üblichen Ertragsanteile, sondern von etwa 30 Milliarden nur 1 Milliarde Schilling, den Ländern zukommen wird. Auch das ist eine wesentliche Hilfe zur Erreichung unserer gesamtstaatlichen Konsolidierungsanstrengungen.

Es wurden die Leistungsfähigkeit und ihre Grenzen angesprochen. Es war uns auch wichtig, den Ländern einen Spielraum zu geben. Dieser Spielraum ist sicherlich in der Wohnbauförderung, in den Wohnbauförderungsmitteln in hohem Ausmaß vorhanden. Denn es ist richtig, dass wir zunächst einmal auf eine Reduzierung dieser Wohnbaumittel gedrängt haben, und zwar deshalb, weil es eine sachliche Berechtigung hat. Wie man weiß, mussten in Österreich bisher etwa 60 000 Wohnungen auf Grund der demographischen Entwicklungen gebaut werden, um die Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen. Nun aber geht diese Entwicklung nach unten auf etwa 40 000 neu zu schaffende Wohnungen pro Jahr. Daraus ist klar ersichtlich, dass es einen finanziellen Spielraum gibt, also Einsparungen bei der Wohnbauförderung möglich wären. (Bundesrat Thumpser: Außer die Sanierung steigt!)  – Die Sanierung steigt natürlich auf der anderen Seite.

Wir haben uns aber zu dem Kompromiss durchringen können, zu sagen: Wir geben euch zwar diesen Spielraum, wir geben euch auch den Spielraum für die bestehenden Wohnbauförderungen, also für jene Forderungen, die die Länder auf Grund von Altvergaben haben – das ist ein sehr stattlicher Betrag, ich habe jetzt nur die grobe Größenordnung im Kopf: etwa 300 Milliarden Schilling –, was ein ganz wesentliches Zugeständnis an die Länder war, ergänzen ihn aber insofern – das ist wiederum strukturell bedeutsam –, als dass die Wohnbauförderung nun umgestellt wird und nicht mehr nur Wohnbauförderung im engen Sinn ist, sondern auf eine breite infrastrukturelle Förderung ausgedehnt wird. Dadurch können diese Mittel auch für alle Infrastrukturinvestitionen der Länder – ob Straßen, ob Hochbauten, ob unter Umständen auch für Datenhighways – eingesetzt werden.

Man hat sich außerdem dazu bekannt, dass man mit diesen Wohnbauförderungsmitteln auch das gesamtgesellschaftlich bedeutsame Kyoto-Ziel anstreben wird, und angesichts der Tatsache, dass die Wohnbauförderungsmittel bekanntermaßen zu einem guten Teil in Richtung oberes Einkommensdrittel umverteilen, schlussendlich auch die Bereitschaft erklärt, die soziale Treffsicherheit zu erhöhen.

Mit diesem Kompromiss bei den Wohnbauförderungsmitteln haben wir meiner Überzeugung nach einerseits einen deutlichen Spielraum für die Länder und andererseits strukturelle Aspekte und Effekte erreicht, die man abschließend noch insofern ergänzen darf, als einige Länder, zum Beispiel Kärnten und Oberösterreich, aber auch andere, nun mit dem Spielraum, den sie durch die Wohnbauförderungsmittel bekommen, Schuldenrückzahlungsprogramme starten wollen, was, wie Sie wissen, im Rahmen der Budgetkonsolidierung auch unser Ziel ist, nämlich Schulden, sofern es geht, durch Privatisierungen abzubauen und zurückzuzahlen.


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Oberösterreich hat ebenso wie Kärnten bereits ein Programm präsentiert, um mit diesem finanziellen Spielraum aus der Wohnbauförderung und aus der Flüssigmachung der Forderung der Länder in diesem Zusammenhang die bestehenden Finanzschulden der Länder zurückzuzahlen. Das wird uns wiederum gesamtstaatlich insofern sehr stark unterstützen, als wir bisher, wie Sie wissen, das Maastricht-Kriterium bezüglich der 60 Prozent Finanzschuldgrenze gemessen am Bruttoinlandsprodukt noch nicht erreicht haben. Wenn nun der Bund versucht, das zurückzuzahlen, und die Länder ihn dabei unterstützen, indem sie ebenso ihre Rückzahlungen vornehmen, wird damit ein gemeinsamer, klarer Kurs in Richtung Schuldenrückzahlung und Schuldenabbau eingeschlagen.

Damit verändern wir natürlich auch die Struktur. Ich glaube, wir können froh sein, wenn wir nicht überall Finanzschulden haben – in etwa sind das 140 Milliarden Schilling bei Ländern, Städten und Gemeinden –, sondern es eine gemeinsam getragene Initiative in Richtung Privatisierung und Schuldenabbau gibt. Denn das geht in die richtige Richtung! Ich wäre auch froh darüber, wenn wir erreichen könnten, dass Österreichs Länder, Städte und Gemeinden einmal schuldenfrei sind. Das ist, wie ich glaube, ein schönes Ziel, das uns sicherlich auch einen wird.

Ich darf abschließend noch zum bereits angesprochenen abgestuften Bevölkerungsschlüssel Stellung nehmen. Dieser war wahrscheinlich der sensibelste und fragilste Teil des Finanzausgleichs. Ich habe mehrmals gesagt, ich mische mich nicht ein – das ist mir auch vorgeworfen worden –, weil ich nicht zwischen Städten und Gemeinden als Zahler übrig bleiben möchte, denn das hätte eine sehr wahrscheinliche Konsequenz sein können. Auch wenn manche, sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat, offensichtlich nicht der Meinung sind, dass der Gemeindebund sehr gut verhandelt hat, kann ich aus meiner Sicht sagen: Es gab zwei einander gegenüberstehende Positionen. Jene des Städtebundes hat gelautet: Wir sind bereit zu einem Einstieg in eine Veränderung – im Bewusstsein dessen, dass die Finanzströme zurzeit auf Grund der historischen Entwicklung sicherlich zu Gunsten der Städte und zulasten der kleineren und finanzschwächeren Gemeinden verteilt sind.

Während also der Städtebund dazu bereit gewesen wäre, den Sockelbetrag bei der Verteilung der Ertragsanteile pro Einwohner von 102 S auf 1 000 S in acht Jahren anzuheben, um damit in etwa 1 Milliarde Schilling Finanzvermögen von den Städten zu den Gemeinden zu verlagern, hat der Gemeindebund umgekehrt gefordert, dass das in vier Jahren passieren solle. Eigentlich habe ich mir gedacht, dass man sich im Wege eines Kompromisses, den man in dieser Frage erreichen wollte, bei sechs Jahren treffen werde. Der Gemeindebund ist aber diesbezüglich hart geblieben und hat gesagt, es sei ihm nicht möglich, dieses Ziel erst in sechs Jahren zu erreichen, man müsse es in vier Jahren erreichen. Der Städtebund hat dann letztendlich, auch mit Hilfe des Bundes, der noch gewisse Zugeständnisse gemacht hat, eingelenkt. Angesichts dessen, dass dies das Ziel des Gemeindebundes war, nämlich innerhalb von vier Jahren – schon im ersten Jahr mit einem Schritt von 102 auf 602 S – diese Milliarde von den Städten zu den Gemeinden umzuschichten, dann ist es, so glaube ich, auch für den Gemeindebund ein herzeigbares Ergebnis.

In Anbetracht dessen, dass wir darüber hinaus weitere 60 Millionen Schilling von unserer Seite für die finanzschwachen Gemeinden im Wege des § 21 unter Ertragsanteileverteilung dazu gelegt haben und gestern noch ein Beschluss gefallen ist, weitere 25 Millionen Schilling wiederum nach § 21 an die finanzschwachen Gemeinden zu verteilen, ist das meiner Überzeugung nach ein annehmbarer Kompromiss auch für die finanzschwachen Gemeinden. Ein größerer Schritt in Richtung Veränderung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels ist überhaupt noch nie gelungen. Es ist ein gutes Signal, dass man in Erkennung der Probleme, auch der Finanzsituation der Gemeinden, auch in Zukunft auf diesem Weg weitere Fortschritte machen kann. Ich hoffe, dass das auch so mitgetragen wird.

Die Getränkesteuer ist angesprochen worden. Ich kann es dem Kollegen jetzt leider nicht schwarz auf weiß geben, wie er es verlangt hat. Aber ich glaube, dass gestern der Verfassungsgerichtshof ein wichtiges Urteil gefällt hat. Es steht uns ohnehin nicht an, das zu kommentieren, aber mit der Weisheit, die angesprochen wurde, kann ich mich sehr einverstanden erklären. Ich glaube, es ist ein richtungsweisendes Urteil, auch wenn es nur zu Wien ergangen ist. Es wird


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natürlich auch für alle anderen Bundesländer maßgebend sein. Nun liegt es beim Verwaltungsgerichtshof, festzustellen, ob er dieses Urteil inhaltlich mittragen kann. Ich denke, dass das wichtig wäre in Hinsicht auf die Finanzkraft der Städte und Gemeinden und damit natürlich auch des Bundes und der Länder – denn es ist ein gemeinsames Problem!

Letzter Punkt: Nahverkehr. Es ist nicht ganz richtig, dass, wie hier gesagt wurde, diesbezüglich nichts erreicht wurde, sondern die bisher statischen Mittel im Nahverkehr sind durch eine Anbindung an die Energieabgabe dynamisiert worden – also auch da ein kleiner Punkt, abgesehen davon, dass die Mittelhöhe unverändert beibehalten werden konnte.

Meine Damen und Herren! In Summe ist dies – davon bin ich überzeugt – ein Finanzausgleich, der Strukturen in unserem Land verändert, ein Finanzausgleich, der ein wichtiger Beitrag zu einer stabilitätsorientierten Budgetpolitik und damit zur Erreichung unseres Zieles im Jahre 2002 ist, ein Finanzausgleich, der das Paktum und damit den gemeinsamen Kompromiss und Konsens sicherstellt und somit auch größtmögliche Sicherheit und Vertrauen unserer Bürger in die Finanzkraft ihrer jeweiligen Gebietskörperschaft gewährleistet. Ich danke Ihnen schon jetzt für Ihre Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abwesenheit des Berichterstatters werte ich als Verzicht auf sein Schlusswort. (Heiterkeit.)

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2001 bis 2004 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 2001) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Wohnbauförderungs-Zweckzuschussgesetz 1989 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit  – Herr Kollege Gruber, wenn ich das richtig interpretiere.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über den Verfassungsrang bestimmter finanzausgleichsrechtlicher Bestimmungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Investmentfondsgesetz 1993, das Börsegesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpas


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sungsgesetz geändert werden (Kapitalmarktoffensive-Gesetz, KMOG) (358 und 407/NR sowie 6290 und 6284/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung: Kapitalmarktoffensive-Gesetz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Christof Neuner: Sehr geehrter Herr Präsident! Hochverehrter Herr Finanzminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Investmentfondsgesetz 1993, das Börsegesetz, das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Kapitalmarktgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am heutigen Tage mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Prähauser das Wort. – Bitte.

14.21

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Mit rund 500 000 Aktienbesitzern und einem Anteil von nur 3 Prozent der Arbeitnehmer an ihren Unternehmen liegt der österreichische Kapitalmarkt immer noch unter dem Niveau der internationalen Entwicklung. Um Abhilfe zu schaffen, hat die Bundesregierung dem Nationalrat daher ein Bündel gesetzlicher Maßnahmen unter dem Titel "Kapitalmarktoffensive" vorgeschlagen. Im Einzelnen geht es um die Verdoppelung des Freibetrages bei der Mitarbeiterbeteiligung auf 20 000 S pro Jahr und um die Begünstigung von Stock-Options im Einkommensteuergesetz. Der Vorteil aus Optionen auf Beteiligungen am Unternehmen soll für Arbeitnehmer bis zu 500 000 S steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei gestellt werden.

Eine begünstigte Ausübung der Option kann frühestens nach einem Jahr erfolgen, wobei sich die steuerliche Bemessungsgrundlage jährlich um 10 Prozent, höchstens jedoch um 50 Prozent vermindert. Zuwendungen an Belegschaftsbeteiligung und Stiftungen sind als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Spekulationsertragssteuer wird aus dem Gesetz eliminiert und der Rechtszustand vor dem Steuerreformgesetz 2000 wieder hergestellt.

Zuwendungen einer Belegschaftsbeteiligungsstiftung sind bis zu 20 000 S im Jahr als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, darüber hinaus als Vorteile aus dem Dienstverhältnis. Die Grenze der Steuerpflicht für Beteiligungsveräußerungen wird von mehr als 10 Prozent auf unter 1 Prozent gesenkt werden. Körperschaften sollen Einnahmen von betrieblichen Stiftungen auf den Zweckerfüllungszeitraum beziehungsweise auf 10 Jahre verteilen können. Dies gilt auch in der neuen Belegschaftsbeteiligungsstiftung für Zuwendungen, die den Freibetrag von 20 000 S übersteigen. Erbschaften in- und ausländischer Anteile an Kapitalgesellschaften werden von der Erbschaftssteuer befreit, wenn die Erblasser zu weniger als 1 Prozent an dem Kapital beteiligt sind.

In den Bereichen Börsegesetz, Bankwesengesetz, Wertpapieraufsichtsgesetz und Kapitalmarktgesetz sind folgende Änderungen vorgesehen: Prospektveröffentlichungen werden auch via Internet und in englischer Sprache zugelassen. Die Emission von Euro-Wertpapieren wird erleichtert und die internationale Zusammenarbeit der Bundeswertpapieraufsicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Der sonstige bislang ungeregelte Wertpapierhandel erhält ein Mindest


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maß an Aufsichtstandards und wird in einen EU-konform geregelten Markt mit Zulassungsverfahren, Verbot des Insider-Tradings und Beaufsichtigung, jedoch ohne Anforderungen an den Emittenten wie Mindestbestandsdauer des Unternehmens und gesonderte Börsenprospektpflicht, übergeführt.

Neue Märkte in Form alternativer Handelssysteme werden zugelassen und nicht als Winkelbörsen verfolgt – sofern sie ordnungsgemäß unter staatlicher Aufsicht arbeiten. Von der Senkung der steuerpflichtigen Beteiligungsveräußerung auf unter 1 Prozent Beteiligung erwartet die Bundesregierung ein Mehraufkommen in der Höhe von 1 Milliarde jährlich. Bei der Steuerbefreiung von nicht der Einkommensteuer unterliegenden Beteiligungserwerben wird mit Mindereinnahmen in der Höhe von unter 100 Millionen Schilling gerechnet. Die pauschalierte Erfassung der Spekulationserträge von Investmentfonds wird laut Bundesregierung mit Mehreinnahmen in der Höhe von 700 bis 800 Millionen Schilling zu Buche schlagen.

Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten werden diesem Gesetz nicht zustimmen. Ich werde versuchen, dies anhand einiger Bespiele auch zu begründen.

Die im Entwurf geschaffene Regelung für die Begünstigung von Aktienoptionen ist kompliziert und lässt einige Fragen offen. Unserer Meinung nach ist zum Beispiel besonders kritisch zu sehen, dass das Ausmaß der Steuerersparnis betragsmäßig nicht begrenzt ist. Gerade bei Unternehmen der New Economy oder bei erfolgreicher Sanierung von Unternehmen, wie zum Beispiel von Head, ist eine Wertsteigerung von mehreren 100 Prozent innerhalb von ein paar Jahren durchaus möglich. Die Steuerersparnis bei Ausübung der Option kann in solchen Fällen in die Millionen gehen.

Ein Beispiel dazu: Option auf 10 000 Stück Aktien, Beteiligungswert bei Entnahmen von 500 000 S. Wer kontrolliert das? Wer hat die Beteiligung bei Ausübung der Option nach fünf Jahren auf Grund eines Börsenganges von 500 Aktien im Wert von insgesamt 5 Millionen Schilling. Der Vorteil beträgt somit 4,5 Millionen Schilling. Die steuerliche Bemessungsgrundlage reduziert sich um 50 Prozent auf somit 2,25 Millionen Schilling. 2,25 Millionen sind steuerfrei. Die Steuerersparnis bei 50 Prozent Grenzsteuersatz beträgt daher mehr als 1 Million.

Meine Damen und Herren Kollegen! Grundsätzlich gibt es gegen eine Steuerersparnis nichts einzuwenden, nur glauben wir, dass gerade jene, nämlich die Masse der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, nicht in der Lage sein werden, sich entsprechend finanziell zu beteiligen. Bleiben wir bei den 500 000 S, das sind mehr als zwei Jahreseinkommen mittlerer Gehälter. Daher werden wir Sozialdemokraten – so verlockend das auch wäre – diese Variante der Steuerersparnis nicht mittragen können und wollen das auch nicht.

Die Gewährung eines zeitlichen Aufschubs bei der Besteuerung von Stock-Options – 7 Jahre ab Einräumung der Option hinsichtlich des nichtsteuerbefreiten Teils – ist nicht einzusehen und wird auch in den Erläuterungen nicht begründet. Auch hier werden Aktienoptionen besser gestellt als herkömmliche Mitarbeiterbeteiligungsmodelle. Entsprechend dem Zuflussprinzip hätte die Besteuerung zum Zeitpunkt der Optionsausübung zu erfolgen. Auch fehlt jegliche Begründung für die zusätzliche Gewährung der Inanspruchnahme des Freibetrages.

Die Frage ist auch, wie zu verfahren ist, wenn die Option nach sieben Jahren noch nicht ausgeübt wurde. Die Vorschrift, dass der Zeitraum zwischen der Einräumung und Ausübung der Option nicht ein Jahr überschreiten darf, widerspricht der Vorschrift, dass erst nach einem Jahr ab Einräumung der Option der Gewinn zu 10 Prozent steuerfrei sein kann.

Ein weiterer Punkt, der es uns unmöglich macht, hier mitzustimmen, betrifft die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Nach der erfolgten Abschaffung der Börsenumsatzsteuer sollen Aktien im Streubesitz von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit werden. Welchen mystischen Stellenwert nimmt die Aktie in unserer Gesellschaft ein, dass der Gesetzgeber meint, alle Umsätze von Waren und Dienstleistung inklusive Grundstücksumsätze und Versicherungsdienstleistungen einer Verkehrssteuer unterwerfen zu müssen, nicht aber die Umsätze von Aktien? Welchem Ziel soll es dienen, die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer von Grundstücken zu verdreifachen, Aktien im Streubesitz aber ohne jedes betragliche Limit von dieser Steuer zu


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befreien? Was ist der Sinn einer Politik, die es ermöglicht, das Realkapital etwa durch Wegfall des Investitionsfreibetrages höher zu besteuern und das Finanzkapital mehr und mehr von Steuern zu befreien? Welcher Minorität einer Gesellschaft soll geholfen werden, indem man selbst zaghafte Versuche einer verbesserten Spekulationsgewinnbesteuerung zurücknimmt?

Diese Fragen, meine Damen und Herren, drängen sich auf und machen es uns unmöglich, diesem Gesetz zuzustimmen. Ich bitte aber die Kolleginnen und Kollegen der Koalition, im Sinne der Mehrheit in diesem Lande, der Mehrheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dieses zu überdenken und vielleicht noch einen gemeinsamen Weg zu finden und dieses Gesetz zu beeinspruchen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier das Wort. – Bitte.

14.28

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Kapitalmarktoffensive, die heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, ist an sich ein weiterer logischer Schritt im Rahmen von stabilitätsorientierten budgetpolitischen Schritten – ähnlich wie wir sie gestern auch im Rahmen des Bezügegesetzes, des Parteiengesetzes und des Gesetzes zur Förderung der politischen Bildung von politischen Parteien zu diskutieren hatten. Dass Sie gestern nicht mitkonnten und auch heute nicht mitkönnen, überrascht uns nicht, da wir Ihnen in den letzten Jahren sicherlich nicht vorwerfen konnten, dass Sie die Wirtschaftskompetenz gepachtet hätten. (Bundesrat Prähauser: Mir können Sie das sicherlich nicht vorwerfen!)

Lassen Sie mich aber zu den gestern diskutierten Gesetzen noch kurz Stellung nehmen. Nachdem ich gestern die Möglichkeit hatte, dazu die Stellungnahme meiner Fraktion abzugeben, habe ich während meiner Ausführungen Herrn Konecny beobachtet, als er etwas verkrümmt dagesessen ist. Aber heute Morgen bin ich draufgekommen, dass er relativ lang braucht, um professoral dann zu erklären, warum es eher ... (Bundesrat Konecny: Ich war nicht im Saal! Sie können mich nicht gesehen haben!)  – Sie sind da gesessen, Herr Kollege! (Bundesrat Konecny: Nein! Ich habe sie am Lautsprecher gehört!)  – Wenn ich es Ihnen aber sage, aber okay, dann muss ich Ihnen das auch noch erzählen. (Bundesrat Konecny: Sie brauchen mit gar nichts zu erzählen!) – Als Sie da gesessen sind, habe ich mir gedacht, irgendetwas wird er sich überlegen.

Das, was ich Ihnen, Herr Kollege, und den Damen und Herren der Sozialdemokratischen Fraktion aber schon im Juli vorgeworfen habe, ist, dass Sie erst die Oppositionsrolle lernen müssen. Ich hätte von einer wirklich guten Opposition erwartet, dass schon gestern aufgestanden worden wäre, um zu sagen: Dazu soll ein Ordnungsruf erteilt werden. Da hat das eine oder andere nicht gestimmt. – So haben Sie die Damen und Herren des Bundesrates heute eine Stunde lang blockiert. Der Herr Bundesminister sitzt eine Stunde länger da, und die Frau Vizekanzlerin wurde auch aufgehalten. Aus irgendwelchen Gründen hat mir der Vorsitzende nicht das Wort erteilt, als Ihre Wortmeldung in Richtung Ordnungsruf erfolgt ist.

Ich hätte den Vorschlag gemacht, den Ordnungsruf zuzulassen, aber dann zu erklären, was ich gemeint habe. Lassen Sie mich das jetzt kurz sagen:

Ich stehe dazu, dass die Bank Austria, die Länderbank, die Zentralsparkasse, viele Betriebe der verstaatlichten Industrie und der "Konsum" ein Selbstbedienungsladen der SPÖ waren. Sollte wieder ein Ordnungsruf fällig werden, dann sage ich Ihnen gleich, ich nehme das gerne zur Kenntnis.

Was ich unter Selbstbedienungsladen verstehe, Herr Professor, ist, dass man in diesen Laden geht und einräumt. Wenn ich gesagt hätte: Selbstbedienungsladen, in dem Sie Ladendiebstahl begangen hätten, dann hätte ich einen Ordnungsruf verstanden, aber ich bin gewöhnt, in einem Selbstbedienungsladen einzupacken und bei der Kasse zu zahlen.


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Nachdem Sie das anders verstanden haben, nehme ich das zur Kenntnis, glaube aber, ein wenig Nachhilfe geben zu müssen. Wenn Sie die Damen und Herren Ihrer Fraktion und Ihrer Partei auf Landesebene, Gemeindeebene und in den Sektionen fragen, dann werden Sie wissen, dass sie ein Problem mit der Finanzierung ihrer Parteiblätter haben. Sie sagen, es ist alles anders geworden, aber nicht erst seit 4. Februar. Es gibt keine Inserate mehr vom "Konsum", es gibt keines mehr von der VOEST, es gibt nichts mehr von anderen ... (Bundesrat Thumpser: Kollege Maier! In welcher Zeit leben Sie?) – Ich lebe im Jahr 2000. (Bundesrat Thumpser: Ich habe mir gedacht, Sie sind zehn Jahre hinten!) Aber Sie sind offensichtlich nicht in Kontakt mit der Basis, denn von dort kommt diese Klage. (Bundesrat Thumpser: Nein, überhaupt nicht! Das würde ich Ihnen einmal empfehlen!) Ich glaube, ich bin gestern nicht darauf eingegangen, welche Probleme sonst noch auf dem Tisch des Hauses liegen, aber das soll auch heute nicht das Thema sein. (Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. )

Ich wollte Ihnen jetzt sagen: Meine Aussage – dazu stehe ich – bezog sich auf die Selbstbedienung. Hätte ich gesagt, Selbstbedienung mit Ladendiebstahl, dann hätte ich den Ordnungsruf verstanden.

Ich glaube, dass die gegenständlichen Gesetzesvorlagen ein richtiger Schritt sind, obwohl er eigentlich sehr spät kommt. Es wäre der Vorgänger des Herrn Bundesministers eingeladen gewesen, schon solche Maßnahmen vorzuschlagen, es hätte ihn niemand aufgehalten. Ich glaube, dass diese Vorlagen angesichts der weltpolitischen Entwicklung richtig sind, vor allem wenn wir nach Amerika schauen, da dort die Konjunkturdaten und die Prognosen rückläufig sind. Auch wenn wir nach Deutschland schauen, wissen wir, dass dort ein Steuersystem beschlossen wurde, das sehr offensiv ist. Das heißt, dass wir mit unserer sehr geglückten Budgetpolitik, die auf die nächsten zwei Jahre abstellt, wahrscheinlich nachziehen können. Das sind Maßnahmen, um den Kapitalmarkt in Österreich zu beleben.

Herr Professor Konecny, der ein wirklich interessanter Diskussionspartner ist, hat auch in seiner Wortmeldung den alten Präsidenten Benya angesprochen. Es war großartig, als er gemeint hat, dass Präsident Benya auf die Idee gekommen ist, das Kuvert anlässlich der Weihnachtsremuneration abzuschaffen und kein Bargeld mehr zu geben. Dass das irgendetwas mit bargeldloser Zahlungsüberweisung zu tun hat, hat der Herr Professor offensichtlich vergessen.

Ich meine, wir leben jetzt Gott sei Dank in einer anderen Welt, es ist dies eine modernere Welt geworden, und Herr Präsident Benya ist seit längerer Zeit im verdienten Ruhestand. Wenn Sie davon sprechen, dass irgendjemand leistungsorientierte Prämien auszahlt, dann verstehe ich nicht, was Sie daran stört. Wahrscheinlich stört Sie das Wort leistungsorientiert, weil Sie manchmal glauben, es gibt einen gewissen Automatismus, und es steht jemanden einfach zu, irgendetwas ersessen oder errungen zu haben. Diese Zeiten sind vorbei! Dafür steht auch diese Regierung. Das ist einer der wesentlichsten Schritte, die uns auch im internationalen Wettbewerb künftighin helfen werden.

Ich glaube also, dass diese Maßnahmen, die auf dem Tisch liegen, völlig richtig sind, obwohl sie eigentlich schon zu spät kommen, aber ich bin sehr froh, dass sie doch noch kommen. Ich bin auch froh, dass meine Fraktion die Zustimmung dazu geben wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Willi Grissemann das Wort. – Bitte.

14.34

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Nur 500 000 Österreicher besitzen Aktien, und gar nur 3 Prozent aller Arbeitnehmer sind an ihrem Unternehmen finanziell beteiligt. Im internationalen Vergleich ist das ein äußerst unbefriedigender Zustand. Aus diesem Grund hinkt die Wiener Börse auch der europäischen und internationalen Entwicklung nach.


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In den USA ist es geradezu selbstverständlich, dass sich der Arbeitnehmer, wann immer sich die Gelegenheit ergibt, an seinem Unternehmen beteiligt. Dass diese Angestellten natürlich hoch motiviert sind und hoch motivierte Arbeit leisten, ist ein logischer Nebenaspekt.

Diese Kapitalmarktoffensive bedeutet natürlich auch ein Umdenken auf Gewerkschaftsseite, weil, Herr Kollege Prähauser, das alte Feindbild abhanden kommt. Auf der anderen Seite kommt ein verstärktes Verantwortungsgefühl beim Arbeitnehmer zum Wohl der Firma zum Tragen, was auch logisch ist.

Nicht nachvollziehen kann ich auch die Meinung der Sozialdemokraten, dass die steuerliche Förderung von so genannten Stock-Options Ellbogentaktik und kurzfristige Profitstrategien in den Unternehmen begünstigen. Sozialpartnerschaft kann nur bei gegenseitigem Vertrauen funktionieren und muss auch gewollt sein. Eine Ablehnung der Mitarbeiterbeteiligung schadet in Wahrheit jenen, die die SPÖ angeblich schützen will. (Bundesrat Prähauser: Sie haben die Mittel einfach nicht! Das ist das Problem!)

Eigenkapitalmangel ist ein Hemmnis für die Unternehmen und Hauptursache für Insolvenzen. Natürlich braucht es auch dazu ein Umdenken auf Unternehmerseite, das ist keine Frage, Herr Kollege Prähauser! Eine rechtzeitige Kapitalzufuhr durch Mitarbeiterbeteiligung könnte so manche Firma retten. Denken Sie vielleicht einmal darüber nach, das wäre ein ganz interessanter Aspekt! Dass diese Novelle das so genannte Management-Buyout weiter fördert, ist auch zu begrüßen.

Hoher Bundesrat! Von Professor Konecny wurde heute auf angeblich demütigende Gehaltszahlungen oder Gehaltszahlungsusancen hingewiesen. In einem Zukunftsszenario, in dem Mitarbeiter auch Mitbesitzer sind, könnten solche Emotionen erst gar nicht entstehen, das ist meine Meinung.

Meine Damen und Herren! Freilich: Sozialpartnerschaft muss gewollt sein und jeden Tag gelebt werden. Herr Bundesrat Kollege Schöls hat das mehrfach heute betont, ich bin seiner Meinung. Es darf aber auch keine Einbahnstraße sein, sie muss von beiden Partnern praktiziert werden. Ein stures Ablehnen dieser Handreichung zum Nutzen der Arbeitnehmer trägt sicher nicht zum sozialen Frieden bei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser das Wort. – Bitte.

14.38

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Es ist dargestellt worden, aus welch wesentlichen Eckpfeilern diese Kapitalmarktoffensive besteht. Ich möchte kurz die Gelegenheit noch einmal nutzen, um vor Augen zu führen, weshalb es diese Kapitalmarktoffensive gibt und warum wir darin eine alternativenlose Notwendigkeit zu diesen Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, sehen.

Erster Punkt: Meine Damen und Herren! Wenden Sie Ihren Blick dem österreichischen Kapitalmarkt zu, zum Beispiel der Wiener Börse. Nehmen Sie die verschiedensten Indikatoren und Analyseinstrumente zur Hand, und Sie werden sehen, dass die Wiener Börse beispielsweise in Bezug auf die Marktkapitalisierung an letzter Stelle in Europa liegt. Wir sind hinter Luxemburg, wir sind hinter Irland, und wir sind hinter Griechenland. Ich ziehe jetzt keine Vergleiche zu den großen Börsen wie Deutschland mit Frankfurt und Großbritannien mit London. Vergleichen Sie das Handelsvolumen, und Sie werden merken, dass Wien in Europa am Schluss steht. Nehmen Sie die Performance der Wiener Börse! Wie hat sich der ATX entwickelt? Wie hat sich im Vergleich dazu die Börse beispielsweise in Deutschland entwickelt? – Vor etwa acht Jahren lag der ATX bei 1 200 Punkten, die deutsche Börse war auch etwa bei 1 200 Punkten. Heute ist der ATX noch immer plus/minus gleich, der deutsche Börsenindex steht aber jenseits der 6 000 Punkte und war auch schon wesentlich höher.


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Dazwischen, meine Damen und Herren, stehen viele Milliarden, und zwar viele Hunderte, auch Tausende Milliarden Schilling an Vermögensschaffung, an Wertschaffung, die dort stattgefunden haben, die in Unternehmen investiert werden konnten, von denen Aktionäre und von denen Mitarbeiter über Unternehmensexpansionen profitiert haben. Ich sage das deshalb, um vor Augen zu führen, dass ein Kapitalmarkt für die Mitarbeiter, für den Arbeitsmarkt, für die Beschäftigung in einem Land genauso wichtig ist wie für die Unternehmen in einem Land.

Der zweite wesentliche Punkt betrifft die Kapitalausstattung der Unternehmen in Österreich. Die Eigenkapitalquote unserer Betriebe beträgt im Durchschnitt eines langjährigen Vergleichs, der relativ schwierig ist, wenn man es auf ein vergleichbares Niveau setzen will – 1986 bis 1997 ist der letzte verlässliche EU-Wert –, aber in dieser gesamten Periode beträgt die durchschnittliche Eigenkapitalquote etwa 26 Prozent, der entsprechende Wert auf europäischer Ebene ist 34 Prozent.

Wenn man es auf heute hochrechnet, sind es etwa 32 Prozent zu 38 Prozent. Das heißt, man sieht, die Kapitalausstattung unserer Unternehmen liegt deutlich unter dem europäischen Schnitt. Außerdem weiß man, dass Kapital in unseren Unternehmen auf der einen Seite die Insolvenzursache schlechthin ist. Wenn Sie sich anschauen, warum welche Unternehmen Pleite gehen, dann stellen Sie fest, meistens hat es eine massive Unterausstattung an Kapital gegeben.

Nächster Punkt: Sehen Sie sich an, welche Faktoren für Unternehmenswachstum maßgeblich sind. Wann kann ein Unternehmen eine starke Expansionsphase durchmachen? – Das kann es dann, wenn es auch eine entsprechende Kapitalausstattung hat, was nicht zuletzt Grund für die Unternehmen der New Economy ist, sich zuerst für den Start up um Adventure Capital zu bemühen, um dann möglichst rasch einen Börsengang machen zu können, damit man in diesen zweistelligen Wachstumsraten weiter fortfahren kann.

Wenn man nach dem Kapitalmarkt in Österreich, nach der Eigenkapitalausstattung unserer Unternehmen auf die Mitarbeiterbeteiligungen geht, dann kommt man drauf, dass in Österreich etwa 3 Prozent unserer Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt sind. Im europäischen Durchschnitt sind es 13 Prozent.

Meine Damen und Herren! Das hat aus meiner Sicht überhaupt nichts damit zu tun, ob es sich der Mitarbeiter leisten kann oder nicht, wie angesprochen wurde – ich glaube, dass das ein Missverständnis ist –, sondern immer mehr Unternehmen wissen, es kann nur eine gemeinsame Unternehmensführung geben. Es geht darum, einen motivierten Mitarbeiter zu haben. Es geht darum, einen Mitarbeiter zu haben, der sich mit diesem Unternehmen identifiziert, und deswegen bekommt er zusätzlich zu dem, was kollektivvertraglich ohnehin vereinbart ist, eine entsprechende Mitarbeiterbeteiligung zugesprochen.

Ich erachte das als ein ganz wesentliches Instrument zur Motivation eines Mitarbeiters und für eine gemeinsame Unternehmensführung Management und Mitarbeiter. Wenn sie das Unternehmen gemeinsam tragen, dann werden sie auch das beste Ergebnis erzielen können.

Meine Damen und Herren! Wenn man das so analysiert, dann stellt man fest, es gibt einen massiven Handlungsbedarf, weil wir uns auf der einen Seite zu einem funktionierenden Kapitalmarkt in Österreich bekennen, das ist viel zu lange verschlafen worden, da hat man viel zu viel Zeit vergehen lassen. Wir bekennen uns zu einer höheren Eigenkapitalausstattung unserer Wirtschaft, unserer klein- und mittelständischen Unternehmen. Wir reden so oft davon, dass es die Klein- und Mittelbetriebe sind, die in Wirklichkeit die Wertschöpfung erarbeiten, die die Steuern bezahlen, die die Mitarbeiter in unserem Land beschäftigen. Also sollten wir auch etwas dafür tun, dass sie sich ein höheres Eigenkapital aufbauen können.

Ich bekenne mich dazu, dass es in Österreich Mitarbeiterbeteiligungen geben soll. Ich möchte, dass Mitarbeiter am Unternehmenswachstum partizipieren. Ich möchte, dass sie am Gewinn eines Unternehmens partizipieren, weil nur damit auch gemeinsam der Erfolg im Vordergrund steht und alle davon Nutzen ziehen können.


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Deswegen haben wir gesagt, wir müssen diese Kapitalmarktoffensive erarbeiten. Wir haben es im gemeinsamen Dialog gemacht mit allen wesentlichen Ansprechpartnern in Österreich – Kapitalmarkt, Börse, Bankvertreter – und auch international, weil es nur einen Standard im Kapitalmarktbereich geben kann, weil man sonst nicht wettbewerbsfähig ist. Niemand von den großen Investmenthäusern und Investmentbanken wird nach Wien gehen, wenn wir keinen Standard haben, der mit Frankfurt, London oder New York vergleichbar ist. Daher ist es keine Frage, was wir wollen und ob wir Mauern rund um Österreich bauen, sondern man muss einen Standard in einer globalisierten Welt haben, und zwar natürlich mit immer stärker integrierten Finanzmärkten.

All das sind die Argumente, warum wir gesagt haben, wir wollen ein Paket anbieten, das einen Rahmen für attraktive Mitarbeiterbeteiligungen vorgibt. Da verstehe ich – ganz offen gesagt – die Kollegen von der Sozialdemokratie nicht, weil sie offensichtlich einer Reform nicht zustimmen, von der Mitarbeiter profitieren. Ein Bestandteil dieser Reform sind unter anderem einkommensteuerrechtlich die Erhöhung des Freibetrags von 10 000 S auf 20 000 S und eine sozialversicherungsrechtliche Gleichstellung.

Sie wissen, dass ich vorher privatwirtschaftlich tätig war, bevor ich diese Verantwortung annehmen durfte. Ich kann Ihnen nur aus diesem Unternehmen, um Ihnen ein Beispiel zu geben, sagen: Da gibt es zurzeit etwa 8 000 bis 9 000 Mitarbeiter in Österreich, die über den Kollektivvertrag hinaus Mitarbeiterbeteiligungen haben.

Durch diese Reform, die hier beschlossen wird, werden diese Mitarbeiter netto wesentlich mehr Geld in der Brieftasche haben, als sie bisher hatten. Das erhöht ihr netto verfügbares Einkommen ganz deutlich, weil auf der einen Seite 10 000 S zusätzlich sozusagen nicht der Steuer zu unterwerfen sind und sie auf der anderen Seite auch keinen Sozialversicherungsbeitrag zu bezahlen haben werden. Somit ist das eine ganz wesentliche Besserstellung und Attraktivierung für diese Mitarbeiter.

Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, die Mitarbeiter sollen diesen Vorteil nicht haben. Ich sage ganz offen, ich möchte, dass diese vielen Tausend Mitarbeiter in Österreich – ich hoffe, dass es jeden Tag, jeden Monat mehr werden – diesen Vorteil auch tatsächlich haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Stock-Options sind angesprochen worden. Dazu muss man sagen, wir befinden uns in einer Wirtschaft, in der die New Economy einen besonderen Stellenwert hat und ihn auch weiterhin einnehmen wird. Ich denke, das wird sich in Zukunft auch verstärken. Gerade diese jungen Unternehmen können es sich nicht leisten zu sagen, sie zahlen dem hochqualifizierten EDV- oder Telekommunikations-Fachmann oder einem Finanzvorstand 3, 4 oder 5 Millionen Schilling fix als Gehalt, sondern sie sagen natürlich, es gibt einen relativ kleinen fixen Satz in diesen Managementbereichen, aber es gibt eine Aktienbeteiligung – das in der Überzeugung, dass man dieses Unternehmen gemeinsam erfolgreich machen wird, dass man etwas aus dem Nichts aufbaut, wofür man für uns alle in diesem Land Wertschöpfung produziert, wofür man viele Arbeitsplätze schafft, Wachstumsraten in Höhe von 10, 20, 30 Prozent pro Jahr erreicht und damit einfach einen positiven Beitrag für den Wirtschaftsstandort und für unser gesamtes Land leisten kann.

Dazu muss man wissen, es gibt überall Stock-Options, egal ob in den USA, in England, in Deutschland oder sonstwo. Deshalb halte ich es für wirtschaftliche Vernunft zu sagen, es gibt auch bei uns eine solche Begünstigung.

Da die Höhe der Begünstigung angesprochen wurde, muss ich Ihnen entgegenhalten, meine Damen und Herren, beispielsweise in den USA ist die Begünstigung dreimal so groß, wie wir sie in Österreich gestaltet haben. Ich glaube, man sollte weniger in irgendeiner Form in einen Futterneid – wenn ich das so umgangsprachlich formulieren darf – ausarten, sondern man sollte sagen: Wir sehen das optimistisch. Wir sind dafür, dass Mitarbeiter viel Geld verdienen. Wir sind dafür, dass Unternehmen Gewinne machen, und sind stolz darauf, wenn sie diese Leistung


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erbringen, denn dann ist das ein wesentlicher Beitrag für die Wirtschaft unseres Landes, für den Wirtschaftsstandort, für die Beschäftigung und für die Wertschöpfung in Österreich.

Wir haben diese Reform aufkommensneutral gemacht, damit nicht das, was gestern teilweise aufgerechnet und was auch heute angesprochen wurde, dargestellt werden kann, nämlich dass wir auf der einen Seite Kapitalmarkt begünstigende Reformen machen würden und auf der anderen Seite Beschlüsse in Bezug auf Steuern fassen, die die Menschen in diesem Land mehr belasten.

Das war ein wesentlicher Punkt zu sagen, es ist eine aufkommensneutrale Maßnahme, eine Maßnahme, die eben gegenfinanziert wird durch die Investmentfonds und die Pauschalbesteuerung, durch das Herabsetzen der Beteiligung von 10 Prozent auf 1 Prozent. Damit können wir uns diese anderen, sehr positiven Struktureffekte leisten. Wir können es uns leisten, nachdem wir mit 1. Jänner die Getränkesteuer ohne Ersatz, ohne eine neue Steuer abgeschafft haben, die zweite Steuer in dieser Regierungszeit abzuschaffen, nämlich die Börsenumsatzsteuer.

Wenn auch das jetzt kritisiert worden ist, meine Damen und Herren, dann sage ich Ihnen auch als Finanzminister, ich schaffe sehr gerne Steuern ab und freue mich, wenn wir eine Steuer in dem Land abschaffen können.

Wenn man weiß, dass es weltweit praktisch nirgendwo so etwas wie eine Börsenumsatzsteuer gibt, dann gilt auch hier, Sie müssen auch in Österreich einen Standard an den Kapitalmärkten, wie ihn die ganze Welt hat, anbieten können. Wir können es uns nicht leisten, in einem kleinen Land mit 8,5 Millionen Menschen und einem Kapitalmarkt, der ohnehin nicht funktioniert, unsere eigenen Regeln schreiben zu wollen, sondern wir müssen kompatibel und mit anderen Börsenplätzen wettbewerbsfähig sein. Deswegen war es wichtig, dass man diese Börsenumsatzsteuer abschafft.

Wir haben zu guter Letzt auch die Aufsichtsstandards wesentlich verbessert, gerade was den sonstigen Wertpapierhandel betrifft. Wir haben sichergestellt, dass das Schutzniveau der Aktionäre, der Investoren in dieses Marktsegment wesentlich verbessert wird, und können mit diesem Paket einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaft, einen wichtigen Beitrag für die Mitarbeiter, einen wichtigen Beitrag für den Wirtschaftsstandort schaffen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.49


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Danke, ebenfalls nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 erlassen wird (346/A und 412/NR sowie 6285/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 erlassen wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Dietmar Hoscher: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Entscheidung des Rates über Schutzmaßnahmen in Bezug auf die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und die Verfütterung von tierischem Protein vom 4. Dezember 2000 erlassen wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich kann auf die Verlesung verzichten.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

14.51

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Konecny! Ich darf mir eine persönliche Anmerkung zu Ihren Ausführungen erlauben, denn ich habe deshalb keine Zwischenrufe gemacht, weil ich gewusst habe, dass ich heute noch sprechen werden: Zu Dr. Benya hat Kollege Maier bereits Stellung genommen. (Bundesrat Konecny: Präsident Benya hat viele Verdienste, aber den Doktortitel hat er nicht erworben!)

Erlauben Sie mir eine Antwort zu Ihrer Meinung betreffend Lehrer: Ich lasse mir als Bezirksschulrat von Vöcklabruck keine Lehrerfeindlichkeit nachsagen. (Bundesrat Konecny: Werden wir Ihre Lehrer fragen!) Aber, Herr Kollege, wenn es auf Grund einer Politik, die nicht besonders familienfreundlich und nicht sehr familienförderlich war, auch zu fallenden Geburtenraten kommt und nicht jeder Lehrer sofort nach Vollendung des Studiums gebraucht wird, dann finde ich persönlich es gar nicht schädlich, wenn diese Damen und Herren, bevor sie den zukünftigen Job als Lehrer antreten, vielleicht einmal kurz in die Wirtschaft hineinschnuppern – dort werden Fachleute gebraucht. Es würde sich auch für die spätere Berufung als sehr dienlich erwiesen, wenn man sich auch hier Praxiswissen aneignen kann – es würde auch Politikern und Journalisten sehr gut tun.

Herr Professor Konecny! Ich komme wieder zu Ihrer Person: Sie haben mir nach meiner Rede zum Grünen Bericht gesagt, dass ich nicht leichtfertig über die Kontrollen sprechen sollte. Ich habe nämlich erwähnt, wie streng in Österreich kontrolliert wird – im Gegensatz zu den anderen Mitbewerbern auf dem europäischen Markt. Sie sind ganz stolz mit der APA-Meldung hereingekommen, es gebe den ersten BSE-Toten in Kärnten. Können Sie sich noch daran erinnern? – Sie haben gesagt: Vielleicht stimmt es, seien Sie vorsichtig!

Ich kann Ihnen heute sagen, was richtig ist. (Bundesrat Konecny: Nein, das habe ich nicht!) – Nicht Nein sagen, es gibt ein Stenographisches Protokoll, Herr Kollege! (Bundesrat Konecny: Eben, eben! Das haben Sie offensichtlich nicht gelesen!)

Herr Kollege! Der Grazer Uni-Pathologe Universitätsprofessor Kleinert sagte: Erster BSE-Toter ist Unsinn. (Bundesrat Konecny: Das war nicht der Fall!)  – Herr Kollege! Ihre Ausführungen


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waren sehr unfair, waren für die Bauern, für den Handel, für die Konsumenten sehr geschäftsschädigend, und Ihnen und nicht Kollegen Maier hätte ein Ordnungsruf gebührt – Sie sind nämlich auch sehr sensibel beim Abwägen. (Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Ich verstehe Sie so schlecht!)

Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Das war ein Versagen des Herz-Kreislauf-Systems. (Bundesrat Konecny: Wobei sind Sie sensibel?) – Das ist Ihr Problem: dass Sie schlecht zuhören und gerne reden. Das ist das Problem! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Ich höre Ihnen gerne zu, wenn Sie artikulieren! Ich habe nur gefragt, wobei ich sensibel war! Das Wort war nicht verständlich!)

So weit zu dieser Patientin. Ich bin gerne bereit, die Originalschrift zur Verfügung zu stellen, in der steht: Herz-Kreislauf-Krankheit. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) – Wenn Sie immer reden, ist es schwierig zuzuhören. (Bundesrat Konecny: Sie sollen ja reden, aber so, dass man etwas davon versteht!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zum heute vorliegenden Gesetz und darf eines festhalten: Für mich ergibt sich eine Parallele, die so natürlich nicht stimmt, zum ehemaligen Wein-Skandal. Warum stimmt sie nicht? – Weil die Rinderbauern nichts Verbotenes getan haben. – Ganz im Gegenteil: Sie haben vorbildlich gehandelt. Seit zehn Jahren ist das Verfütterungsverbot von Tiermehl aufrecht.

Aber es ergibt sich aus meiner Sichtweise jene Chance, die damals auch beim Wein-Skandal ergriffen wurde, nämlich dass man klar und nachvollziehbar kontrolliert, dass man klar und nachvollziehbar zum Schutz der Bauern, zum Schutz der Verarbeiter und zum Schutz der Konsumenten die notwendigen Maßnahmen ergreift. Ich selbst war bei einigen Verhandlungen und einigen Gesprächen mit den anwesenden Ministern Haupt und Molterer anwesend und kann bestätigen, dass die jetzt getroffenen und geplanten Maßnahmen sehr zielstrebig umgesetzt werden.

Ich darf nur eines erwähnen: Ich habe mir gestern erlaubt, kurz unser Plenum zu verlassen und den Ausführungen der Frau Kollegin Petrovic im Nationalrat zuzuhören. Es ist mir Gott sei Dank bis heute die "Hühnerhaut" wieder vergangen, die ich angesichts dieses Stumpfsinnes und dieser Unwahrheiten bekam, die von Frau Kollegin Petrovic behauptet wurden.

Wenn eine Abgeordnete des österreichischen Parlaments von organisiertem Subventionsbetrug in der Agrarpolitik, im Agrarwesen in Österreich spricht, dann muss ich sagen, sie weiß nicht, wovon sie spricht. Auch darüber kann man im Stenographischen Protokoll nachlesen. Ich finde es äußerst unfair und diffamierend, dass man den österreichischen Bauern, den Rinderbauern, die schwerst getroffen sind, auch noch in dieser Stunde in den Rücken fällt.

Vielleicht wollte sie den Weg der Grünen in Oberösterreich gehen, die nämlich empfehlen, die Schulkinder sollten keine Schulmilch mehr trinken, weil das schädlich ist. – Ich gratuliere! Der neue Weg zu Mc Donald’s, zu mehr Cola, zu mehr Chips, zu mehr Kartoffelchips und ähnlichen amerikanischen Ernährungsarten wird der Gesundheit unserer Schüler sehr förderlich sein. – Ich denke, das ist der verkehrte Weg!

All jene, die sich das Fähnchen auf den Hut stecken und sagen, sie sprächen im Interesse der Bauern, sollten einmal ihre Ausführungen überdenken. Besonders betroffen war ich, dass auch Kollege Pirklhuber, der selbst Kontrollor bei einem Bio-Verband ist, nicht bereit war, diese unrichtigen Ausführungen richtigzustellen, und zwar gegen sein besseres Wissen. – Ich bin betroffen.

Aber zurück zur Thematik: Es ist jetzt in dieser Stunde notwendig, dass, so wie geplant, als Übergangsregelung natürlich aus dem Katastrophenfonds geholfen wird, dass Maßnahmen getroffen werden. Man muss einmal überlegen, worum es überhaupt geht, um welche Dimensionen es geht – nicht nur im Bereich der Tiermehl-Lagerung, der Produkte, die im Bereich Tiermehl auf dem Markt, im Handel sind, sondern natürlich auch im Bereich Tierfutter,


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das zum Teil schon bei den Bauern, zum Teil beim Handel und zum Teil bei den produzierenden Firmen gelagert wird: Da geht es natürlich um immense Kosten.

Natürlich muss dann in weiterer Folge beraten werden über dauerhafte Finanzierungslösungen gerade in Richtung Risikomaterial, Tierkörper-Verwertung, Sammelkosten und Test-Kosten, weil gerade zum Schutz der österreichischen Landwirtschaft, zum Schutz der österreichischen Konsumenten und zum Schutz der Verarbeitungsindustrie und der Gewerbebetriebe nachgewiesene Tests, die bestätigen, dass in Österreich kein Problem besteht, wiederum zur Beruhigung auf dem Markt beitragen können. – Da muss man einmal mit aller Klarheit sagen, das ist nachweislich so, weil kein Problem besteht.

Ich hatte gestern manches Mal den Eindruck, es gibt Abgeordnete in diesem Haus, die so lange kontrollieren wollen, bis man doch endlich etwas finden könnte. – Das ist nach meinem Dafürhalten völlig überzogen.

Ich möchte in dieser Diskussion noch einen Vergleich bringen. Es ist interessant: Wir unterhalten uns über die Zusammensetzung des Tierfutters – das finde ich richtig, das sind die Ausführungen der AMA, die sogar in den Bestimmungen so weit geht, dass die Futtermittel kontrolliert gehören, welche eingesetzt werden –, aber es ist schrecklich, dass man sich nicht darüber unterhält, was die Menschen zum Teil essen. Es ist anscheinend der Kampf um den Teller, wie ich es beim Grünen Bericht angesprochen habe, nicht der Kampf – der fälschlicherweise dargestellt wird – zwischen Bio-Bauern und herkömmlicher Landwirtschaft, sondern der Kampf zwischen Landwirtschaft und Chemie: Wer besetzt den Teller, was wird den Menschen verabreicht? – Ich denke, das ist in dieser Situation zu sehen.

Da ich einen Tatsachenbericht einbringen möchte, habe ich mir erlaubt, einen Werbeprospekt von Weihnachten – kopierbar für jede einzelne Kollegin und jeden einzelnen Kollegen – mitzubringen. Unser großer Discounter C+C WEDL, österreichweit aktiv, beliefert bei uns in Oberösterreich im Bezirk Vöcklabruck zirka 90 Prozent der Gastwirte. Ich darf vorlesen, welche Marken es auf dem Fleischsektor zu kaufen gibt:

Das ist einmal "TILS" – undefinierbar, Handelsmarke –, "ABERDEEN-ANGUS Argentinia", "Premium" Fleisch vom Schwein – Handelsmarke –, "Styria Beef" – Qualitätsmarke –, "Premium" Rindfleisch – Handelsmarke –, "AIA" – italienisches Geflügel, Handelsmarke –, "Richmond New Zealand lamb" und "ASHLEY NEW ZEALAND LAMM" – zwei neuseeländische Lammproduktionen –, und dann gibt es noch eine spezielle Landesmarke, die bedeutungslos ist.

Das ist genau der Knackpunkt! Ich denke, hier ist anzusetzen, Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat!

Wo sind denn diese Experten, die in sonst sehr ruhigen Zeiten mit großartigen Expertisen auftreten und für jedes Problem eine Lösung haben, wenn es tatsächlich ein Problem gibt?

Ich darf als Bauernfunktionär und als jetzt von dieser Situation betroffener Rinderbauer Folgendes festhalten: Unsere Bauern haben uns Funktionäre immer für die überzogene Bürokratie geprügelt, weil wir in Österreich Aufzeichnungen machen müssen, weil in Österreich mit der AMA-Kontrolle, mit der Rinderdatei, die aufgebaut wurde, ein Kontrollsystem geschaffen worden ist, mit dem spätestens bis zum siebenten Geburtstag eines Tieres vom Bauernhof bis zur Fütterung, bis zur Schlachtung kontrolliert und nachgewiesen werden kann, was österreichische Qualität, was österreichische Produktion ist.

Jetzt verlangen wir – ich denke, das ist gerade zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt –, dass dieses österreichische AMA-Gütesiegel, welches nicht mit dem Austria-Gütezeichen zu verwechseln ist, das über die Wertschöpfung Bescheid gibt, zum Schutz unserer Konsumenten, der Lebensmittelhändler, des Verarbeitungsbereiches und unserer Bauern verpflichtend auch für Wurst- und Verarbeitungsprodukte verwendet werden muss, damit endlich mit diesem Unfug Schluss gemacht wird, dass mit dem Austria-Gütesiegel dem Konsumenten vor Augen geführt wird, er hätte es hier mit einem österreichischen Produkt zu tun, was aber sehr oft nicht stimmt. Es gäbe hier sehr berühmte Namen zu nennen.


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Ich erwarte mir hier ganz wesentlich die Unterstützung der Arbeiterkammer. Selbst die Arbeiterkammer hat in ihrer letzten Aussendung gefordert: Aufräumen mit dem Etiketten-Dschungel! – Richtig, ich erwarte mir hier ein vermehrtes Auftreten der Konsumentenschützer. Diese könnten gemeinsam mit den AMA-Kontrolloren zu den Betrieben fahren und würden sehen, dass es nachweislich eine ordentliche Produktion gibt.

Ich darf noch Folgendes festhalten: Es geht hier um immense Kosten. Ich denke, das ist der wesentliche Knackpunkt, und zwar nicht nur bei der Entsorgung, weil das Tiermehl jetzt in der Übergangszeit verbrannt werden muss. Man muss in nächster Zeit an diesem Problem arbeiten. Ich habe in nächster Nähe meines Zuhause die Tierkörperverwertung Regau, die natürlich von dieser Thematik total betroffen ist. Mit 120 Mitarbeitern ist das auch ein bedeutender Betrieb der Region, der bereits vor Jahren innovativ in Richtung Biovergasung gemahnt hat, dass man mit einer Biogasanlage diese Tiere verarbeitet. Ich verweise auch auf das Projekt in Deutschland, wo bereits ein Erfinder das Patent in der Tasche hat, dass er sogar Treibstoff aus diesen Tieren produziert.

Ich denke, es gibt sinnvolle und wirtschaftliche Wege für die Zukunft, und es ist sehr wesentlich, dass diese Wege unter diesen Rahmenbedingungen, die mit diesem Gesetz beschlossen werden, in weiterer Folge auch beschritten werden können.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. Ich darf abschließend noch bemerken, es gibt manches Mal in der Diskussion den Ansatz, dass dieses Geld, das die Bauern jetzt durch diese BSE-Krise nicht bekommen – wir haben bis zu 20, 25 Prozent Erlösverluste –, nur den Bauern fehlen würde. Das ist der verkehrte Ansatz, das ist die falsche Diskussion. Dieses Geld fehlt den Regionen, dieses Geld fehlt dem Handel und fehlt dem Gewerbe draußen vor Ort. Ich bitte deshalb, auch diesen Standpunkt in die Diskussion einzubringen.

Wir werden diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Thumpser das Wort. – Bitte.

15.04

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Hohes Haus! Gleich vorweg: Wir werden dieser vorliegenden Ge-setzesmaterie auch unsere Zustimmung geben. Ich möchte aber doch anmerken, dass ich glaube, dass wir uns in einer Krise der österreichischen, aber vor allem auch der europäischen Landwirtschaft befinden und dass das Vertrauen der Konsumenten seither erschüttert ist und die Konsumenten verunsichert sind. Wenn man Pressemeldungen Glauben schenken darf, dann spiegelt sich diese Verunsicherung auch – so wie es Kollege Steinbichler gesagt hat – in fallenden Preisen und einem niedrigeren Absatz wider.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte mit zwei Beispielen beginnen. Das erste Beispiel ist: Wir kaufen uns ein Auto. Eines der Kaufmotive beim Autokauf ist die Garantie, und dieses Motiv ist es, das viele Konzerne dazu motiviert, mit dieser Garantie, dieser Sicherheit auch offensiv Werbung zu machen, weil, wie gesagt, eines unserer Kaufmotive die Sicherheit ist. Viele Konzerne investieren in diese Frage der Garantie Unsummen. Wir alle können uns an die berühmte Diskussion über die Elch-Tests erinnern, bei denen Gott sei Dank Daimler-Mercedes, so glaube ich, noch draufgekommen ist, dass die Autos nicht die entsprechende Standfestigkeit besitzen. Der gleiche Konzern hat abermals Milliarden in die Weiterentwicklung, nämlich in die Garantie und in die Sicherheit, investiert. Sicherheit ist beim Autokauf eines der Hauptmotive.

Das zweite Beispiel betrifft die Landwirtschaft. Wir haben heuer als Industriegemeinde – ich habe es schon einmal gesagt – bereits zum fünften Mal eine Likör- und Edelbrandmesse veranstaltet. Beachtlich ist, dass bei dieser jetzt fünften Veranstaltung die Qualität der Erzeugnisse wesentlich höher war als beim ersten Mal vor vier Jahren. Es hat sich aber mit der Steigerung


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dieser Qualität selbstverständlich auch der Preis gesteigert. Was ganz sonderbar ist: Jene Produkte mit der besten Qualität, jene Produkte, die auf Grund der hohen Qualität auch einen entsprechenden Preis hatten, waren als erste vergriffen. Der Konsument, der Käufer hat die Sicherheit gehabt, ein gutes Produkt zu kaufen, und hat Vertrauen in den Produzenten gesetzt, dass dieser auch ein entsprechendes Produkt anbietet. Es gibt, zumindest in unserem Bereich, ein Gütesiegel für einen qualitativ hochstehenden Edelbrand.

Kollege Steinbichler hat es schon gesagt, und ich als Konsument bemerke das auch, es gibt ein Wirrwarr an Gütesiegeln, ein Wirrwarr an Kennzeichnungen, die scheinbar oder wirklich Qualität widerspiegeln, das es dem Konsumenten nicht mehr erlaubt, abschätzen zu können, ob das Produkt tatsächlich von hoher Qualität ist oder nicht.

Bei all den Diskussionen – die Diskussion, die wir jetzt haben, zeigt das – ist dann schlussendlich das Vertrauen, ob richtig oder falsch, in den Produzenten dementsprechend erschüttert.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erwähnen, dass ich dafür bin, dass die österreichischen Landwirte ihr entsprechendes Einkommen haben, und ich durchaus auch dafür bin, dass den österreichischen Landwirten für ihre Tätigkeit, und zwar nicht nur für das Produzieren von Lebensmitteln, sondern auch für den Bereich der Umwelt- und Landschaftspflege, Geldmittel zur Verfügung gestellt werden sollen.

Ich glaube aber nicht, dass es Sinn macht, wie wir zurzeit in Europa, aber leider auch in Österreich mit den Förderungen umgehen, dass wir nämlich die Masse und nicht die Qualität fördern. Beim Rind geht das – gerade in dieser Diskussion erlauben Sie mir diese Bemerkung – von der Wiege bis zur Bahre. Insbesondere von der Wiege weiß ich das als Bürgermeister, denn wir zahlen auch unsere Beiträge für die Besamungen an die landwirtschaftlichen Betriebe.

Ich muss sagen, ich war erstaunt, als vor zirka 14 Tagen Ministerpräsident Edmund Stoiber im bayrischen Fernsehen gesagt hat – ich habe nachgelesen, auch der deutsche Bundeskanzler Schröder hat ähnliches gesagt –, dass man sich von der Förderung der Massenproduktion zu verabschieden hat und sich zugunsten des Verbraucherschutzes in Richtung einer individuellen Produktionsweise orientieren muss.

Für mich als Konsumenten ist es daher unverständlich, dass eine Stunde später im gleichen Fernsehen ein Bericht gebracht wird – ich kann es jetzt allerdings nicht mehr verifizieren, ob es Belgien oder Holland war (Bundesminister Mag. Molterer: In Holland!) –, dass in Holland geplant ist, einen vier- bis fünfstöckigen Schweinestall zur Massenproduktion zu bauen. Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich, in welche Richtung wir uns im Bereich der – ich sage jetzt bewusst – Genussmittel bewegen, wenn solche Massenproduktionen wie dieser vier-, fünf- oder sechsstöckige Stall auch noch entsprechend unterstützt werden. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir zu keiner anderen Förderschiene, nämlich zur Förde-rung von Qualität, kommen und rein nach der Masse fördern, dann, so glaube ich, sind wir auf diesem Weg, der sich abzeichnet, nämlich dass irgendwann einmal auch in Österreich vier- oder fünfstöckige Ställe gebaut werden könnten. (Bundesrat Bieringer: Das wird es sicher nicht geben!) – Das weiß ich nicht! Herr Minister! Sie wissen es, Gesetze können heutzutage relativ rasch geändert werden. (Bundesrat Bieringer: Dass ein fünfstöckiger Stall gebaut wird, das wird es sicherlich nicht geben!)

Ich will gar nicht auf die Diskussion betreffend die Handy-Masten eingehen und darauf, was in diesem Bereich alles möglich ist. (Bundesrat Bieringer: Ja das ist etwas anderes!) – Lieber Genosse Bieringer, du siehst ... (Lebhafte Heiterkeit.) Ah, Genosse sag’ ich, Kollege Bieringer, Entschuldigung, Kollege Bieringer. (Bundesrat Freiberger: Den nehmen wir nicht auf!) Ich ziehe den Ausdruck "Genosse" mit Bedauern zurück. (Neuerliche Heiterkeit.)

Man sieht aber, was im Bereich der Handy-Masten möglich ist, die auch wild wuchern in unserem Land, und es gibt – auch nicht von den Gemeinden her – bisher noch keine Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun.


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Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Steinbichler hat gesagt, dass es natürlich Sofort-maßnahmen geben muss, die auch finanziert werden müssen, und ich bin dafür, dass diese Entsorgung auch dementsprechend geregelt wird. Ich bin aber auch dafür – das ist für mich ein wesentlicher Punkt –, dass sehr rasch der Sach- und der Personalaufwand, aber auch die Infrastruktur finanziert werden.

Noch ein Punkt: Liebe Kolleginnen und Kollegen! All dies kostet natürlich Unsummen – Kollege Steinbichler hat schon darauf hingewiesen –, und gewisse Maßnahmen werden aus dem Katastrophenschutz bezahlt. Ich bin der Meinung, dass wir gerade in diesem Bereich, weil es Verursacher gibt, auch die Verursacher dazu heranziehen sollten, einen entsprechenden Beitrag für diese Maßnahmen zu leisten. Bei einer Katastrophe ist das etwas anderes. In diesem Bereich haben wir auch Verursacher. Auch der Herr Finanzminister hat schon angedeutet, dass er sich 30 bis 40 Prozent vorstellen kann. (Bundesminister Mag. Molterer: Wer ist der Verursacher?) – Zum Beispiel meine ich die Futtermittelindustrie, die auch ihren Beitrag dazu leisten kann.

In diesem Sinne: ein Bekenntnis zu mehr Qualität in der Landwirtschaft und ein Ja zu diesem Gesetz. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

15.15

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute eine Gesetzesmaterie – sie wird einstimmig angenommen, davon bin ich überzeugt –, die in der ökonomischen Weltsicht, der Grenzenlosigkeit und Maßlosigkeit dieser Weltsicht ihre Ursachen hat. Zumindest scheint es mir so zu sein.

Tierschutzauflagen, Umweltauflagen werden Standortvorteilen geopfert, weil sonst unter Umständen eine Verlagerung der Produktion in das Ausland bevorstehen könnte. Die Globalisierung, die Grenzenlosigkeit, die Maßlosigkeit des Gewinnstrebens beschleunigen, wie wir sehen, Krankheiten- und Seuchenverbreitung. Die Grenzenlosigkeit und die Globalisierung bauen auch das Verantwortungsbewusstsein vieler Produzenten, aber auch Konsumenten ab. Die Folgen des eigenen Handelns und Konsumverhaltens verschwinden hinter dem Eigenerfahrungshorizont, den wir haben, nur weil wir meinen, Profit maximieren zu müssen.

Ich stimme Kollegen Thumpser in weiten Bereichen zu: Jawohl, die Fleischproduktion findet in immer weniger und in immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben statt. Es gibt immer weniger Schlachthöfe und immer weniger Metzgereien und Fleischhauer. Es ist nicht gelungen, für Fleisch ein Marken- und Qualitätsbewusstsein aufzubauen. Alles Rindfleisch scheint gleich zu sein, es kommt allein darauf an, dass es billig ist und nicht einmal preiswert.

Bauern, Lebensmittelindustrie und Handel müssen dringend ein neues Qualitätsbewusstsein für Nahrungsmittel aufbauen. Fleisch braucht wie ein gutes Auto – jetzt komme ich zu Kollegen Thumpser, der das Auto als Beispiel herangezogen hat – ein Image – das Image, ein Artikel für einen gehobenen Anspruch zu sein. Fleisch soll weiterhin ein Festmahl sein.

Marketing-Fachleute sind daher gefragt – wir in Österreich bemühen uns auch in diese Richtung mit der Agrarmarkt Austria –, Rezepte zu finden, wie man aus einem zum Massenprodukt verkommenen Lebensmittel wieder ein hochwertiges Produkt machen kann, welches vom Konsumenten als hochwertig anerkannt wird und für das dadurch auch höhere Preise bezahlt werden.

Das derzeitige Problem, dieses BSE, hat einen Vorläufer. Ich richte jetzt mein Wort an den hier anwesenden Gesundheitsminister, der sich wahrscheinlich noch daran erinnern kann. Im Jahr 1966 wurde im "Journal of Infectious Diseases" über keine unbekannte Nerzkrankheit berichtet, die unter dem Namen "Transmissible Mink Encephalopathy" (TME) bekannt geworden ist. Auch diese Krankheit wurde auf Grund der Maßlosigkeit der Mink-Züchter in den Vereinigten Staaten,


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die dazu geführt hat, dass die Minks eigentlich Kannibalismus betrieben haben, hervorgerufen. Man hat Abwehrmechanismen gefunden, und heute ist diese Krankheit nur noch aus Studien, so wie sie mir in die Hand gefallen sind, bekannt.

Ich möchte hier zu diesem ernsten Thema Günther Nenning auf seine schrullige Art zitieren – es sind nicht meine Worte –: "Wir fressen einfach zu viel Fleisch. Zu viel Fleisch, zu schlechtes Fleisch, zu billiges Fleisch. Die Tiere rächen sich an uns Tierfressern, Tierschindern, Tierquälern. Täglich bringen die LKWs Tonnen um Tonnen geschundene Kreatur in die TKVAs (Tierkörperverwertungsanstalten).

Das alles geben wir Sadisten den Rindern zu fressen, die Gott zu Pflanzenfressern gemacht hat, und Schweinen und Hühnern und Fischen." Was haben wir ihnen alles zu fressen gegeben. "Und alle diese Tiere fressen dann wiederum wir. Und da wundern wir uns. ... Es geht um unsere Gesundheit, zetern und zittern wir. Ja, aber in erster Linie geht es um die Beleidigung der Würde und Geschöpflichkeit der Tiere."

Ich glaube, es ist gerade jetzt, knapp vor Weihnachten, wertvoll, auch in diesem Bereich bei Tieren, aber auch bei Pflanzen und überhaupt der ganzen Schöpfung darauf hinzuweisen, dass Beleidigungen sondergleich an Würde und Geschöpflichkeit der Tiere vorgenommen werden.

"Und solange wir die Tiere so behandeln, wie wir sie behandeln – solange liegt der Fluch über uns. Wenn es den Tieren nicht gut geht, so geht es auch uns nicht gut." – Das meint Günther Nenning.

Er sagt dann zum Schluss noch: "Wahr ist auch, dass es bei uns genügend Schlupflöcher und Schwachstellen gibt. 78 % der befragten Österreicher können sich jederzeit vorstellen, dass es auch bei uns zu BSE-Erkrankungen kommt."

Welche Nahrungsmittel, welche Fleischwaren können wir nun eigentlich ungefährdet zu uns nehmen? – Da bleibt nicht so viel übrig, nicht wahr! Beim Metzger kann man nach der Herkunft fragen. Im Großen und Ganzen können wir sagen: Rindfleisch aus österreichischer Produktion hat einen ziemlichen Sicherheitsgrad. Rindfleisch aus Argentinien hat einen absoluten Sicherheitsgrad gegen diese Krankheit. Rindfleisch aus Indien gibt es hier nicht. Kalbfleisch aus der Muttertierhaltung ist auch sicher. So gibt es einige Möglichkeiten, trotz der Probleme, die sich für den Haushalt ergeben könnten, doch einen vollen Mittagstisch zu präsentieren.

Problematisch scheint mir aber in diesem Zusammenhang zu sein, dass internationale Gentlemen Agreements über den Viehhandel getroffen werden. Ist es nicht so, dass Deutschland derzeit Rinder zum Schlachten ausführt, um sie dann wiederum als Schlachtteile einzuführen, um gewissen Kontrollen und Kosten zu entgehen? – Angeblich werden sogar in Österreich Rinder aus deutscher Zucht und von deutscher Herkunft geschlachtet. Die EU übernimmt angeblich 70 Prozent des Tierankaufs, so steht es im "Focus". Davon profitieren sicherlich die Seuchenländer, besonders die Netto-Geldempfängerländer. Österreich kann als Nettozahler diese Kosten höchstens für die Alttiere lukrieren.

Um die Katastrophenfondsgelder und -mittel balgen sich bereits die Tierkörperverwerter, die mit Konkursdrohungen die Politiker zu erpressen trachten, und die Energieverwerter, die das Tiermehl sogar inmitten der Großstädte verbrennen wollen. Was geschieht aber für die Rinderbauern, deren Preise auf Grund der schlechten Nachfrage verfallen, Herr Bundesminister? – Wie wir hören, gibt eine britische Studie – die Briten haben es auf diesem Gebiet notwendig! – bekannt, dass 100 BSE-Rinder in diesem Jahr in die Nahrungskette Frankreichs geraten sind. Bisher sind rund 1 200 Rinder in Frankreich an dieser schrecklichen Krankheit zugrunde gegangen beziehungsweise wurden sie geschlachtet.

Wir kennen den tatsächlichen Wortlaut der Schlussfolgerungen über das Thema BSE in Nizza noch nicht. Wir kennen auch noch nicht die tatsächlichen Absprachen der Sozialpartner. Oder sind diese uns allen hier schon bekannt? – Vielleicht werden sie uns hier noch bekannt gegeben, denn sie können erst in den letzten Tagen erfolgt sein. Viele kennen die Absprachen über das die Rinder betreffende EU-Gütesiegel noch nicht. Es ist für uns mit einem gewissen


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Optimismus verbunden, erkennen zu müssen, dass wir diese Probleme, wenn wir sie nicht heute lösen, in weiteren Novellen zu diesem Gesetz werden lösen müssen. Wer wird aber die Kosten für die freiwilligen Untersuchungen bestreiten? – Die EU ist auch weiterhin säumig oder nur halbherzig. Wir meinen, dass ein unbefristetes Fütterungsverbot von Tiermehl auf jeden Fall einem halbjährigen Fütterungsverbot vorzuziehen wäre. Das halbjährige Fütterungsverbot von Tiermehl hindert die Bauern nur beim Umstieg auf den Sojaanbau. Aus meiner Sicht müsste ein unbefristetes Verbot greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es müsste der Sojaanbau in Europa forciert werden. Es müssten in diesem Zusammenhang auch harte Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten im Rahmen der Welthandelsorganisation geführt werden.

Die Futtermittel in Europa sind auch noch nicht ausreichend deklariert. Ich meine daher, dass eine komplette und wahrheitsgemäße Deklaration von Futtermittel, insbesondere hinsichtlich der Herkunft der Proteine, erfolgen muss. Die Katastrophenfondsmittel stehen ebenfalls nur befristet zur Verfügung. Die Tierkörperverwertungs- und Abfallverbrennungsanlagen – ich erwähnte sie schon vorhin – halten die Hand auf. Gerechnet wird damit, dass Geld durch Gebühren jener, die Tierkörper verwerten lassen, hereinkommen wird.

Ich frage: Was passiert mit jenen Rinder- und Milchbauern, deren wahrscheinlich gesunde Viehbestände einen Preis- und Wertverfall erleiden? Wer ersetzt ihnen die Kosten für die notwendigen Untersuchungen und die notwendige Entfernung des Risikomaterials? – Ich erachte die Strafbestimmungen – vielleicht deshalb, weil ich nicht die wahren Ausmaße kenne – als doch besonders geringfügig. Wer tierische Proteine verfüttert, muss 60 000 S Strafe bezahlen. Wer tierische Proteine ein- und ausführt oder mit ihnen handelt, zahlt 100 000 S. Wenn man weiß, dass jene, die mit diesem Produkt handeln, keine Kleinhändler, sondern große Betriebe sind, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Geldstrafe in der Höhe von 100 000 S eine abschreckende Wirkung hat.

Zum Schluss möchte ich sagen, dass meines Erachtens zu wenig Geldmittel zur Verfügung stehen. Das ist den Verantwortlichen sicherlich bewusst. Aber wie ich schon weiter oben erwähnt habe, geben wir gerne die Zustimmung dazu. Wir wissen, dass diesem Gesetz Novellen folgen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. Ich erteile ihr das Wort.

15.28

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Herren Minister, Herr Mag. Molterer, Herr Mag. Haupt! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Obwohl Österreich eines der wenigen Länder ist, das durch rechtzeitige Vorsorge und durch eine naturverbundene Landwirtschaft BSE-frei ist, trifft die BSE-Katastrophe auch unsere Rinderbauern besonders hart. Die Konsumenten sind verunsichert. Sie meiden vielfach den Rindfleischkonsum. Die Nachfrage nach Rindfleisch ist zurückgegangen, und damit sind die Preise stark gefallen.

Diese Einkommenseinbußen bringen unsere Rinderbauern existenziell in Schwierigkeiten. Aber genau diese Rinderbauern sind es, die die Landschaft vorwiegend, oft unter sehr schwierigen Verhältnissen pflegen, wertvolle Erholungsgebiete und Lebensqualität schaffen. (Präsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Die österreichischen Bauern können mit gutem Gewissen ihr Rindfleisch anbieten. Bei uns wird seit dem Jahr 1990 kein Tiermehl mehr an Rinder, an Wiederkäuer verfüttert. Obwohl diese Vorsichtsmaßnahmen erhöhte Kosten für teures Eiweißfutter verursacht haben, wurde diese Maßnahme von den Bauern im Interesse der Konsumenten und zum Schutz der Gesundheit durchgeführt.


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Die österreichische Rinderproduktion ist eindeutig nachvollziehbar – von der Geburt des Kalbes bis zur Schlachtung. Seit 1998 gibt es bei uns auch ein Markierungssystem mit Meldepflicht. Innerhalb von sieben Tagen muss jede Veränderung gemeldet werden: die Geburt des Kalbes, der Verkauf eines Kalbes oder auch der Verkauf an Mäster, an den Fleischer und an Schlächter. Von den Landwirten wurde der dadurch bedingte Zeitaufwand als Mehrbelastung empfunden. Jetzt kommt uns diese Nachvollziehbarkeit zugute.

Unsere Bauern sind keine Tierquäler, wie das bei manchen Vorrednern vielleicht zum Ausdruck gekommen ist. Darüber können wir uns freuen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Unsere Bauern erzeugen Lebensmittel – ich sage bewusst Lebens mittel – bester Qualität und in besonderer Frische.

Wir bekennen uns in Österreich zu einer bäuerlich orientierten, nachhaltigen Landbewirtschaftung. Österreich hat einen der höchsten Anteile, ja wenn nicht den höchsten Anteil an Bioproduzenten. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! 85 Prozent aller Bauern beteiligen sich am Umweltprogramm, dem Programm für eine umweltgerechte landwirtschaftliche Nutzung. Viele unserer Rinder, die dann zur Schlachtung kommen, sind während des Sommers auf den Almen und ernähren sich von würzigen Gräsern und Bergkräutern. Ein ganz besonderer Dank gilt unserem Herrn Landwirtschaftsminister Mag. Molterer für die langfristige, vorausschauende, strategische Orientierung unserer Agrarpolitik, die europaweit beispielgebend und auch zum Vorbild für die EU geworden ist.

In Österreich und vor allem in Europa muss man sich die Frage stellen – das ist auch schon bei meinen Vorrednern zum Ausdruck gekommen –: Was sind uns Lebensmittel wert? Was ist uns Qualität wert? – Die Verantwortlichen der europäischen Agrarpolitik müssen erkennen, dass höchste Qualität nicht durch permanenten Kostendruck und grenzenlosen Liberalismus gewährleistet werden kann. Unser Landwirtschaftsminister hat gestern im Nationalrat eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht, dass "eines nicht möglich ist" – ich zitiere ihn –: "das Billigste und das Beste gleichzeitig zu bekommen. Wer das Billigste will, wird langfristig nicht das Beste bekommen und gefährdet unsere Form einer bäuerlich orientierten, nachhaltigkeitsverpflichteten Landwirtschaft."

Bundeskanzler Schröder hat noch im vergangenen Jahr beim Deutschen Bauerntag erklärt, dass die Schrebergartenlandwirtschaft, wie er sie bezeichnet hat, keine Zukunft haben wird, dass sich auch die Landwirtschaft wird industrialisieren müssen. Im Lichte der BSE-Krise ist aber auch dort bereits ein Umdenken erkennbar.

Die österreichische Bundesregierung räumt dem Konsumentenschutz höchste Priorität ein und will auch in Zukunft die hohen Sicherheitsstandards für Konsumenten und Produzenten sicherstellen. Um auf europäischer Ebene einen klaren Schlussstrich zu ziehen und ein Übergreifen von BSE auf Österreich zu verhindern, wurde beim Sonderministerrat der EU-Landwirtschaftsminister am 4. Dezember dieses Jahres Wichtiges beschlossen:

Erstens: ein generelles und europaweites Tiermehlverfütterungsverbot ab 1. Jänner 2001. Österreich kommt dieser Forderung schon seit 1990 nach und macht das jetzt für alle Nutztiere.

Zweitens: Durch ein rasches Umsetzen des BSE-Schnelltestprogramms bei Rindern über 30 Monate soll nur noch getestetes Fleisch in die Kühlregale kommen. Wir wissen, dass Österreich nach Meinung der EU für den Inlandsverbrauch auf diesen BSE-Test verzichten könnte. – Wir machen das nicht! Wir führen, um das Vertrauen der Konsumenten zu stärken, auch diese Maßnahme durch.

Und drittens müssen die Importe aus Drittstaaten hinsichtlich des BSE-Risikos von einwandfreier hygienischer Beschaffenheit sein.

Darüber hinaus ist das Ziel der Bundesregierung: die Einrichtung einer europäischen Lebensmittelagentur, die Harmonisierung der europäischen Lebensmittel- und Konsumentenschutzgesetze, der Ausbau eines europäischen Forschungsprogramms, das einerseits die BSE-Tests effizienter gestalten sowie andererseits die medizinische Forschung über die Creutzfeldt-


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Jakobsche-Krankheit vorantreiben soll, und einen europäischen Aktionsplan für pflanzliches Eiweiß als Ersatzfuttermittel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser uns vorliegenden Novelle zum Katastrophenfondsgesetz wird einerseits die Umsetzung der Maßnahmen des Agrarministerrates mit eingebaut, andererseits aber auch ermöglicht, dass 2001 aus dem Katastrophenfonds Mittel für die Bekämpfung von BSE verwendet werden können.

Ich appelliere an alle in unserem Lande, zu ihrem Vorteil und Schutz österreichische Qualität zu kaufen. Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten dazu: direkt vom Bauernhof, bei den Direktvermarktern, auf Bauernmärkten, in Bauernläden, überall dort, wo das AMA-Gütesiegel, das heute schon mehrmals erwähnt wurde, österreichische Herkunft und österreichische Qualität garantiert. Ich hoffe, dass auch Österreichs Gastronomen und Gastwirte heimisches Rindfleisch auf ihre Speisekarten bringen und dass unser Rindfleisch im Export an Bedeutung gewinnt.

Ich bedanke mich bei den beiden Ministern, bei den Ministerien, bei den Fachabteilungen, aber auch bei den Ländern und Gemeinden, die zusammen mit dem Bund an einer langfristigen finanziellen Lösung arbeiten werden, und bitte Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, um Ihre Zustimmung zu dieser Novelle. (Allgemeiner Beifall.)

15.39

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile ihr dieses.

15.40

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Uns eint heute hier eine Materie, von der die gesamte österreichische Bevölkerung, ja die übrige europäische Bevölkerung über die österreichischen Grenzen hinaus unterschiedlich in ihren Gruppierungen betroffen ist.

Schlimm ist diese Problematik für alle vor allem durch die Tatsache, dass sie doch noch sehr viele Unwägbarkeiten in sich birgt, etwa was die Frage der Testung betrifft. Ich denke, es werden mich die Herren Minister möglicherweise berichtigen oder, wie ich hoffe, meine Worte bestätigen, wenn ich sage, dass alle nach heutigem Wissensstand möglichen Untersuchungen nicht absolut sicherstellen, dass sich nicht neue Erkenntnisse ergeben, die uns dann zu einem Umdenken auch in dieser Materie zwingen. Trotz wirtschaftlicher Auswirkung auf viele Gruppierungen meine ich doch, dass der Verbraucherschutz im Vordergrund zu stehen hat. Das ist hier an diesem Pult heute schon sehr deutlich ausgesprochen worden.

Die Frage des Rindfleischkonsums ist nur eine Facette in diesem Bereich. Es gibt eine ganze Menge von viel schwierigeren und diffizileren Bereichen, die auch von dieser Materie berührt sind. Eines muss man sich hier doch auch vor Augen halten – ich möchte das jetzt nicht tun, um ein Verschulden in den Vordergrund zu stellen, sondern um die Problematik für die Zukunft klarzumachen, das haben, wie gesagt, auch schon meine Vorredner getan –: Mit ein Ge-fahrenmoment ist natürlich die Frage, mit welcher Zielsetzung man Landwirtschaft überhaupt betreibt. Ich darf für die SPÖ in Anspruch nehmen, dass sie immer vor der Industrialisierung der Landwirtschaft gewarnt hat. Wir wollen immer mehr und immer schneller produzieren, obwohl ich auch dem ein gewisses Verständnis entgegenbringen kann.

Eines muss ich schon sagen: Auch unser Förderungssystem war auf diesen Prozess abgestellt. Wir haben Überschüsse produziert und dann Förderungen einsetzen müssen, um diese Berge abzubauen. Wir haben den Großen viel gegeben, wir haben den Kleineren weniger gegeben, und wir haben den Kleinen möglicherweise gar nichts gegeben, ich erinnere da nur an die Problematik der Bergbauern, die unter sehr schlechten Bedingungen auch andere Aufgaben zu erfüllen haben.

Ich glaube, die Förderung in der Landwirtschaft hat von zwei Komponenten bestimmt zu sein: einerseits von der sozialen Komponente und anderseits von der ökologischen Komponente. Der ökologischen Komponente entspricht das Verbot von Tiermehlverfütterung in Österreich, das


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schon länger besteht – ein Aspekt, der auch schon angesprochen wurde. Ich sage etwas vorsichtig, ich glaube, dass auf Grund der Problematik der Kontrollen noch sehr viel mehr Einsatz erforderlich ist.

Ich meine, wir haben auch so manche Chance nicht genutzt, wenn ich feststellen muss, dass im Budget 2001 die Förderungsmöglichkeiten und die finanziellen Ansätze für die Beratung der Biolandwirtschaft gekürzt wurden. Da muss ganz einfach ein Umdenken Platz greifen, es muss gehandelt und der Einsatz finanzieller Mittel in den Vordergrund gestellt werden, um so dem Anspruch, der Feinkostladen Europas zu sein, gerecht zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube eben, die Biolandwirtschaft hat ausgebaut zu werden, sie hat unterstützt zu werden, um die Sicherheit des Verbrauchers zu gewährleisten, aber auch die Grundlage für eine sichere Existenz in der Landwirtschaft zu bieten. Wir müssen alles tun, um nicht wieder zu solchen Unwägbarkeiten zu kommen, wie sie sich jetzt aus der BSE-Problematik ergeben. Ich sage ganz bewusst nicht BSE-Krise, weil es durchaus ein starkes Interesse daran geben muss, dass Österreich den Sicherheitsstandards, die wir uns Gott sei Dank in vielen Bereichen selbst auferlegen, auch gerecht wird. Das muss auch von allen anderen anerkannt werden. Daher ist es notwendig, einerseits darauf hinzuweisen, es aber andererseits mittels Handlungen zu unter-stützen.

Etwas sei noch am Schluss meiner an und für sich grundsätzlichen Bemerkungen gesagt: Mit der Frage der sechs Monate, die jetzt mit der Beschlussfassung in der Europäischen Union im Raum stehen, kann es nicht getan sein. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Wir müssen den Mut zu einem nationalen Alleingang haben. Wenn es nicht möglich ist, in der EU zu einer Einigung zu kommen, weil dort eben andere Kräfteverhältnisse herrschen, dann muss es Österreich im Alleingang gelingen, zu einem generellen Verbot der Verfütterung von Tiermehl zu kommen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.46

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer. – Bitte, Herr Bundesminister.

15.46

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich für diese absolut faire und korrekte Diskussion zu diesem so wichtigen Tagesordnungspunkt und für die hohe Qualität der Redebeiträge bedanken. Ich möchte nur einige Sätze ergänzend sagen.

Für uns ist klar, die Sicherheit der Konsumenten und die Qualität der Lebensmittel haben oberste Priorität – das ist nicht erst seit heute so, sondern das war und ist Strategie der Bundesregierung und der politischen Verantwortungsträger. Wir haben in Österreich viel investiert: die Bauern, die Wirtschaft, auch die Konsumenten in ihrer Treue zu den österreichischen Produkten, auch die Behörden und letztendlich auch viel Steuergeld. Ich denke, angesichts des großen Anteils der Biobauern, des großen Anteils ökologisch orientierter Landwirtschaft kommt dieses Investment auch zum Ausdruck. Wir müssen auch auf diesem hohen Sicherheits- und Qualitätsniveau bleiben und alles Menschenmögliche tun, damit wir das Überschwappen dieser BSE-Problematik auf Österreich verhindern, damit wir auch in Zukunft sagen können, wir haben keinen Fall von BSE.

Ich meine daher, dass wir auch jetzt die richtigen Schritte setzen, auch was das Verfütterungsverbot in der Europäischen Union betrifft, von dem ich überzeugt bin, dass die politische Debatte in den EU-Ländern ähnlich wie in Österreich ablaufen wird und mit sechs Monaten eigentlich nicht die richtige Perspektive auf europäischer Ebene gegeben ist. Sie wissen, dass wir für ein dauerhaftes Verbot eingetreten sind. Ich meine, dass in den nächsten Monaten auch in diese Richtung ganz klare Signale erfolgen und Entscheidungen getroffen werden.

Ich halte es auch für richtig, zu sagen, nicht der Katastrophenfonds ist die Dauerregelung, sondern ist ein Zwischenschritt, der notwendig ist, bis wir eine Dauerregelung auch mit einer


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sauberen Finanzgrundlage haben, die uns alle Risken abdeckt, die wir letztendlich haben, und uns auch die Garantie gibt, dass wir das, was notwendig ist, vom Test bis zur Vernichtung auch tatsächlich durchführen können.

Ich meine, dass wir verstärkt, also noch stärker als bisher, in den Bereich Gütesiegel und Qualitätssiegel gehen müssen. Ich meine, dass da auch der Unterschied zum Autobeispiel liegt. Beim Auto kann ich mir die Marke aussuchen, beim generischen Produkt habe ich diese Möglichkeit nicht, sondern da muss ich mich auf Qualitätssiegel, auf Herkunftsbezeichnungen verlassen. Daher unterstützen wir ganz dezidiert die Strategie von Herkunftszeichen, wie etwa dem AMA-Gütesiegel. Ich bin sehr froh, dass es in einem ersten Schritt gelungen ist, das rot-weiß-rote A aus dem Fleischbereich und der Verarbeitungsware letztendlich zu entfernen, weil das rot-weiß-rote A kein Herkunftszeichen, sondern ein Wertschöpfungszeichen ist. Der Konsument muss Sicherheit und Vertrauen haben.

Apropos Sicherheit und Vertrauen: Ich würde Sie bitten, meine Damen und Herren, dass Sie auch mit manchen Urteilen – Vorurteilen, würde ich meinen – vorsichtig sein und sich doch zuerst die Faktenlage ansehen sollten. Wenn heute von Bundesrat Freiberger in der APA erklärt wird, dass ich die Österreicher bewusst einem Gesundheitsrisiko aussetze (Bundesrat Dr. Böhm: Unglaublich!), dann würde ich doch bitten, meine Damen und Herren, mit derartigen Dingen, die ganz massive, auch strafrechtlich relevante Vorwürfe beinhalten, insofern vorsichtig umzugehen, als Sie sich doch zuerst erkundigen sollten, worum es geht. (Bundesrat Dr. Böhm: Das glaube ich!)

Der Hintergrund ist ganz einfach: Die schwedische Agrarministerin, ihres Zeichens Sozialdemokratin, hat verlangt, dass bei einer Entscheidung in Brüssel auf die so genannte Risikoinzidenz einzugehen ist. Die Kommission hat diesem Verlangen Rechnung getragen, und Österreich ist so wie Schweden und Finnland in der Gruppe der geringsten Risikoinzidenzländer. Wir halten es für eine Auszeichnung, in dieser Gruppe zu sein, weil es ein Ausdruck der Investition ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Trotzdem haben wir entschieden – das war eine gemeinsame Entscheidung von Kollegen Haupt und mir –, von dieser Möglichkeit der Ausnahme nicht Gebrauch zu machen, sondern trotz dieser Möglichkeit den aufwendigeren Weg des flächendeckenden Tests zu gehen. Ich erwarte daher auch Klarstellungen zu derartigen Vorwürfen, die, meine Damen und Herren, weder von der Faktenlage gedeckt sind noch vom politischen Bestreben dieser Bundesregierung oder die, anders ausgedrückt, das Gegenteil des politischen Bestrebens dieser Bundesregierung sind, die der Sicherheit der Konsumenten größtes Augenmerk schenkt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen auch, warum ich das will – es gibt zwei Gründe –: Erstens möchte ich, dass politische Verantwortungsträger Sicherheit geben und nicht Verunsicherung schaffen, und zweitens meine ich, dass auch Regierungsmitglieder ein Grundausmaß an Seriosität und Fairness im Umgang erwarten können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.52

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Gruber.

15.52

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Herr Staatssekretär! Werter Bundesrat! Heute haben wir die Vorruhestandsregelung für Lehrer beschlossen. (Bundesrätin Pühringer: Nicht der Lehrer! Der ausgegliederten Beamten!) – Richtig, der ausgegliederten Beamten. Ich fordere ein Vorruhestandsmodell für unseren St. Veiter Amtstierarzt Heimo Axmann. Er hat im "profil" heftige Kritik geübt und gemeint, dass Kärnten voll sei von Zuchtrindern aus BSE-Gegenden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen keinen Elchtest. Wir haben Verbraucherschutz trotz Preisdruck, und Verbraucherschutz steht im Vordergrund, Frau Kainz! Wir in Kärnten haben 70 Prozent Mutterkuhhaltung und fast 100 Prozent aus eigener Nachzucht. Wir haben


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dank Minister Molterer keinen Wirrwarr, sondern das AMA-Gütesiegel. Wir können Ihnen die Großeltern jedes Kalbes sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verstehe auch eines nicht: Argentinien hat keinen BSE-Fall, und Österreich hat auch keinen BSE-Fall, und Herr Gudenus sagt, dass Argentinien BSE-frei sei. Sagen Sie auch, dass Österreich BSE-frei ist!

Vorige Woche war auf der Titelseite Kärntner Zeitungen, etwa der "Kleinen Zeitung" als große Überschrift zu lesen: BSE. In der "Kronen Zeitung" hingegen hieß es: 120 000 Österreicher infiziert durch Aids. – Ich glaube, dies sagt alles über die Gewichtung.

Trotzdem haben wir auch das Problem mit dem Tiermehl, obwohl wir keine Massenproduktion haben, Herr Thumpser! Ich darf berichten, dass wir heute im Schlachthof St. Veit beinahe keine Schlachtung durchgeführt hätten – ihr könnt euch sicher vorstellen, was das für Kärntens Bauern bedeuten würde –, weil die TKV, die Tierkörperverwertung in Lantschern, die einen Anfall von täglich 100 Tonnen Tierkörpern zur Entsorgung in Kärnten und der Steiermark hat, voll gewesen ist.

Heute um 1.45 Uhr in der Früh haben wir die Bewilligung bekommen, dass im kalorischen Kraftwerk St. Andrä 5 Tonnen Tiermehl pro Stunde verbrannt werden dürfen. Dafür allen Beteiligten ein herzliches Vergelt’s Gott.

Es sind heute in der Diskussion sehr viele Fragen offen geblieben: Wer trägt die zusätzlichen Kosten? Werden die Mittel des Katastrophenfonds ausreichen? – Ich darf da den Herren Ministern herzlich für die Bewältigung der auf uns zukommenden Probleme danken. Sie werden sicherlich keine ruhigen Weihnachten haben.

Zum Schluss darf ich nur noch sagen: Ich habe mich vehement dafür ausgesprochen, dass in unserem Bezirk im Zementwerk Wietersdorf keine Müllverbrennung stattfindet, ich kann mir aber eine Tiermehlverbrennung vorstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.56

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden (396, 338/A und 409/NR sowie 6291 und 6286/BR der Beilagen)


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7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung samt Anlage (395 und 410/NR sowie 6287/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir kommen nun zu den Punkten 6 und 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden, und

eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung samt Anlage.

Die Berichterstattung über die Punkte 6 und 7 hat Herr Bundesrat Ludwig Buchinger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Ludwig Buchinger: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Bericht zu Punkt 6 der Tagesordnung liegt in schriftlicher Form auf.

Ich komme zum Wesentlichen: Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zu Punkt 7 der Tagesordnung liegt ebenfalls schriftlich auf.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

15.59

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, dass meine Fraktion wohl Punkt 7 der Tagesordnung, nämlich der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung, zustimmen wird, nicht jedoch Punkt 6 der Tagesordnung, und zwar aus folgenden Gründen:

Uns ist allen bewusst – das ist ein Faktum –, dass die Änderung des Krankenanstaltengesetzes notwendig geworden ist, weil die 15a-Vereinbarung zur Finanzierung der Krankenanstalten mit 31. 12. 2000 ausläuft. Teil dieser Vereinbarung war auch, dass die Bestimmungen des Krankenanstaltengesetzes ebenfalls befristet waren. Daher ist grundsätzlich – dazu bekennen wir uns – Artikel 1 und Artikel 2 zuzustimmen.

Aber im Artikel 1 findet sich unter Ziffer 21 eine Bestimmung, die besagt, dass der Verpflegskostenbeitrag insgesamt erhöht wird, nämlich von 72 S auf 100 S. Meine Damen und Herren! Insbesondere verweise ich auf die Bestimmung in den Absätzen 5 und 6, die nämlich vorsieht, dass 10 S davon für eine verschuldensunabhängige Patientenentschädigung verwendet werden sollen.


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Was heißt das im Klartext? – Das heißt, dass Patientinnen und Patienten durch diesen Beitrag gezwungen werden, einen erheblichen Teil der verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung selbst zu tragen, währenddessen Ärzte oder die Pharmaindustrie oder wer immer keinen Schilling dazu beitragen muss, um eben diese Versicherungen für Patientinnen und Patienten zu bezahlen. Wir finden das total ungerecht und sind wieder einmal dort, wo wir schon des öfteren Kritik haben walten lassen müssen: Es geht wieder einmal gegen die Schwächeren, die diese Lasten zu tragen haben. Die Regierung geht wie schon so oft ihren unsozialen Weg unbeirrt weiter.

Das Zweite, wogegen wir sind, sind die Selbstbehalte in den Ambulatorien, das wissen Sie, Herr Gesundheitsstaatssekretär Waneck! Es sind zwar jetzt Teile davon zurückgenommen worden, und zwar die Ambulanzgebühren in den Kassenambulatorien. Wir sind aber der Meinung, dass es viele sozial Schwache gibt, die auch andere Ambulatorien benützen, und somit die soziale Treffsicherheit nicht in dem Ausmaß gegeben ist, wie immer gesagt wird. Wir fordern beziehungsweise ersuchen, dass auch da noch Verhandlungen stattfinden und auch für jene Gruppierungen, für jene Patientinnen und Patienten, die Ambulanzen aufsuchen, die nicht von Kassen verwaltet werden, diese Ambulanzgebühr zurückgenommen wird.

Die weiteren Artikel 3 bis 7 lehnen wir deswegen ab, weil in diesen, wie gesagt, die Ambulanzgebühren – wir nennen sie Strafgebühren – festgeschrieben sind.

Ich will diese Materie nicht noch weiter ausführlich behandeln. Dem anderen Gesetz stimmen wir zu. Ich möchte da nur noch auf etwas hinweisen, Herr Staatssekretär, was für mich einen negativen Beigeschmack hat, und zwar aus der Sicht der Länder. Die Begutachtungsfrist für diese beiden Gesetze läuft heute ab. Meine Damen und Herren! Das ist Ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst. Die Gesetze sind gestern bereits im Nationalrat beschlossen worden. Wir sollen sie jetzt beschließen, und die Begutachtungsfrist läuft heute ab. Das ist wieder ein Zeichen dafür, wie man über die Interessen der Länder hinwegfährt, da man ihnen nicht einmal Gelegenheit gibt, diese Frist zu nützen.

Herr Staatssekretär! Es ist mir schon klar, es gab Zeitnot, da noch vor Weihnachten diese Gesetze beschlossen werden sollten, aber es schaut auch nach außenhin nicht gut aus. Wir erleben es immer wieder, dass über uns sozusagen drübergefahren wird. Das möchte ich mir eigentlich für die Zukunft für uns alle verbeten haben, dass wir eigentlich nur benutzt werden, da ohnehin schon alles eine ausgemachte Sache ist. Es scheint Ihnen egal zu sein, ob es da jetzt eine Frist gibt oder nicht, denn es ist schon alles ausgemacht.

Herr Staatssekretär! Ich bitte Sie, in Zukunft auch darauf zu achten, dass, wie gesagt, die Länder von diesem Recht der Einspruchsfrist bis zum letzten Tag Gebrauch machen können. – Ein herzliches Dankeschön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.04

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Maria Grander. Ich erteile ihr dieses.

16.04

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Beschluss wird für die nächsten vier Jahre die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung festgelegt. Die begonnene Arbeit der Umstrukturierung durch die Einführung der LKF 1997 bekommt meiner Ansicht nach weitere neue Dimensionen für die im Gesundheitswesen Verantwortlichen und Tätigen.

Diese Strukturveränderungen werden unterer stärkerer Einbeziehung insbesondere der ambulanten Bereiche stattfinden, was sicher zu einer weiteren Verbesserung der Koordination dieser Bereiche beitragen wird, um den Patienten beziehungsweise Klienten damit eine lückenlosere, umfassendere und raschere Versorgung zu gewährleisten. Ich denke, dass besonders im extramuralen Bereich und in der Zusammenarbeit mit dem intramuralen Bereich sehr viel Potenzial enthalten ist.


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Die gesamtökonomische Betrachtung ist da sehr wichtig, und zwar angesichts der Tatsache, dass 2013 die Altersstruktur derart aussehen wird, dass es mehr ältere Leute geben wird, die immer pflegebedürftiger werden, wodurch eine hohe Anforderung an das Gesundheitswesen gestellt wird.

Die Kooperationsform zwischen den verschiedenen Leistungserbringern, das so genannte Schnittstellenmanagement durch die verbindlichen Kooperationsformen zwischen den Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen, wird auch zu verbessern sein. Es ist festgehalten, dass das so stattfinden soll. Ich nenne es immer vernetztes System für den Patienten und Klienten, sodass einfach viele Zugriffsmöglichkeiten und auch Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Nutzung verschiedener Dinge für mich als Klienten bestehen.

Die flächendeckende verbindliche Verankerung in der Qualitätsarbeit auf allen Ebenen des Gesundheitswesens ist sicher eine ganz wichtige Geschichte, weil die Qualitätsarbeit auf allen Ebenen einfach miteinander koordiniert sein muss und auch die entsprechende Kommunikation untereinander stattfinden muss. Weiters sind bereichsübergreifende Qualitätssysteme mit intramuraler und extramuraler Wirksamkeit wichtig.

Meine Fraktion wird also diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

16.07

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann. Ich erteile ihm dieses.

16.07

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Der Krankheitsverlauf war schon 1996 chronisch, der Kollaps schien nur eine Frage der Zeit zu sein. In dieser Zeit verordnete man den Patienten eine nachhaltige Rosskur. Sein Name: österreichisches Gesundheitssystem, die Therapie: eine 15a-Vereinbarung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000. Damit wurden die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung sowie ein Österreichischer Krankenanstalten- und Großgeräteplan eingeführt.

Nunmehr tritt diese Vereinbarung mit 31. 12. 2000 außer Kraft. Da sich der therapeutische Ansatz aber bewährt hat, sind Bund und Länder übereingekommen, die 1997 eingeleitete Reform fortzusetzen. Im Herbst dieses Jahres hat man sich über die Prinzipien der Reformfortsetzung verständigt. Mit der vorliegenden 15a-Vereinbarung über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung wurden jetzt auch die Einzelheiten geregelt.

Erlauben Sie mir, Ihnen eine Vorstellung von der Ambitioniertheit dieses Unterfangens zu geben. Auch wenn der eine oder andere von uns schon verstohlen nach der Uhr schaut, entweder weil der Weihnachtsbaum oder die Weihnachtsgeschenke noch nicht gekauft sind, so verdient das in Rede stehende Reformwerk doch eine angemessene Würdigung. (Bundesrätin Schicker: Bei mir gilt halbe-halbe! Das macht der Mann zu Hause!) Vergessen wir nicht, die Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.

Die Präambel der neuen 15a-Vereinbarung beschreibt bündig die Stoßrichtung der Gesundheitsreform. Dort heißt es: Die Vertragsparteien verbinden mit dieser Vereinbarung die Absicht, auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige, effektive und effiziente, allen frei zugängliche und gleichwertige Gesundheitsvorsorge sicherzustellen und die Finanzierbarkeit des österreichischen Gesundheitswesens unter Berücksichtigung der finanziellen Rahmenbedingungen und möglicher Kosteneinsparungen abzusichern.

Entsprechend dieser Präambel baut der Österreichische Krankenanstaltenplan 2001 auf folgenden Zielvorstellungen und Planungsgrundsätzen auf:


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Erstens: Die stationäre Akutversorgung soll durch leistungsfähige, bedarfsgerechte und in ihrem Leistungsspektrum aufeinander abgestimmte Krankenanstalten sichergestellt werden.

Zweitens: Die Krankenanstalten sollen eine möglichst gleichmäßige und bestmöglich erreichbare, aber auch wirtschaftlich und medizinisch sinnvolle Versorgung der österreichischen Bevölkerung gewährleisten.

Drittens: Die Festlegung der Standorte und der Kapazität von bettenführenden Strukturen erfolgt unter Berücksichtigung der regionalen Bevölkerungsstrukturen, der Besiedelungsdichte, der Erreichbarkeit im Straßenverkehr, der beobachteten Auslastung bereits bestehender stationärer Einheiten sowie der Entwicklungstendenzen in der modernen Medizin.

Viertens: Die Kooperation von Krankenanstalten zur Verbesserung des Leistungsangebotes und der Auslastung sowie zur Realisierung ökonomischer Synergieeffekte soll gefördert werden, insbesondere dann, wenn die Krankenanstalten in derselben Versorgungsregion liegen.

In ambulanten Leistungsbereichen, gedacht ist etwa an radiologische Institute und dergleichen, soll die Kooperation zwischen dem intra- und dem extramuralen Bereich zur besseren gemeinsamen Ressourcennutzung bei gleichzeitiger Vermeidung paralleler Leistungsangebote in derselben Region gefördert werden. Entsprechende Konzepte sind im Rahmen von Pilotprojekten zu erproben und zu evaluieren.

Fünftens: Für unwirtschaftliche Krankenanstalten mit unzureichender Versorgungswirksamkeit sind bis zur nächsten Revision des Krankenanstalten- und Großgeräteplans Konzepte zur Umwidmung in alternative Versorgungsformen zu entwickeln. Dabei sollen auch neue Modelle in die Überlegungen einbezogen werden, wie dislozierte Tageskliniken und Ambulanzen, Kurzzeitpflegestationen oder Gesundheitszentren.

Sechstens: Eine zentrale Zielsetzung der Neustrukturierung des Gesundheitswesens besteht in einer Erhöhung der Kosten- und Leistungstransparenz in denjenigen Krankenanstalten, die von der öffentlichen Hand finanziert werden. Von der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung wird einerseits die Umsetzung struktureller Maßnahmen, andererseits die Optimierung des Ressourceneinsatzes im Krankenanstaltenbereich erwartet. Dies soll durch eine nur den medizinischen Erfordernissen entsprechende kürzere Verweildauer im Krankenhaus, durch vermehrte Leistungserbringung im ambulanten Bereich sowie im rehabilitativen Nachsorgebereich und durch eine Reduzierung unnötiger Mehrfachleistungen erreicht werden.

Wesentlich ist aber stets – und das erscheint mir wichtig – die Aufrechterhaltung der Qualität der Behandlung und die Sicherstellung einer Behandlung nach modernen Methoden.

Ähnliche Überlegungen wie für den Krankenanstaltenplan gelten für den Österreichischen Großgeräteplan.

Rechtsverbindlich wird die neue Artikel-15a-Vereinbarung, wie auch schon gesagt wurde, aber erst durch ihre Transformation in gesetzliche Normen. Was den Bund betrifft, so geschieht dies vor allem durch die heute anstehenden Novellierungen, vor allem durch die Novellierung des Krankenanstaltengesetzes und des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Gesundheitswesen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Artikel-15a-Vereinbarung und der daraus resultierende Novellierungsbedarf zeichnen sich nicht nur durch eine sperrige Begrifflichkeit aus, sie behandeln auch eine höchst komplexe Materie. Erlauben Sie mir trotzdem noch folgende Schlussbemerkung: Trotz aller Exzesse, die seine Existenz bedrohen, stellt der Sozialstaat eine abendländische Zivilisationsleistung ersten Ranges dar. Er verkörpert die humane Alternative zum real existierenden Sozialdarwinismus US-amerikanischer Prägung.

Eine tragende Säule des Sozialstaates wiederum ist das Gesundheitssystem. Diese Säule darf nicht einknicken. Weder darf sie ausgehöhlt noch überlastet werden.


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Die vorliegende Artikel-15a-Vereinbarung und die daran geknüpften Anpassungen schaffen die Voraussetzung dafür. Sie gewährleisten, dass diese Säule auch in Zukunft tragfähig bleibt. Darum werden wir Freiheitliche beiden Vorlagen zustimmen.

Erlauben Sie mir so knapp vor Schluss der Sitzung noch zwei persönliche Bemerkungen: Erstens: Das Burgenland ist bekannt für den guten Wein, den Neusiedler See als Naherholungsgebiet (Bundesrat Hensler: Niederösterreich auch!) – ja, auch Niederösterreich –, für die Störche und den Rotwein, aber auch, wie wir heute gesehen haben und längere Zeit beobachten konnten, durch eine Reihe ganz vorzüglicher, vorbildhafter Parlamentarier. Man sollte das einmal sagen.

Zweitens: Ihnen allen darf ich frohe Weihnachten, ein glückliches neues Jahr, erholsame Feiertage und Glück im Kreise der Familie wünschen. Achten Sie alle bitte auf Ihre Gesundheit! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.14

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Friedrich Hensler. Ich erteile ihm dieses.

16.14

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben das Sozialversicherungsgesetz und Krankenanstaltengesetz auf der heutigen Tagesordnung.

Gestatten Sie mir vorerst eine klare Feststellung in diese Richtung. Ich glaube, Sie werden mir beipflichten: Die Gesundheit ist das wichtigste Gut jedes Einzelnen. Eine Grundvoraussetzung ist, dass wir ein hervorragendes Gesundheitssystem haben. Hinsichtlich dieser Überlegung gebe ich der sozialistischen Partei Recht. Abgeordneter Lackner hat im Nationalrat erklärt, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt. Jawohl! Aber in einem gebe ich ihm sicher nicht Recht, nämlich darin, dass dieses System durch diese Reform in Frage gestellt wird. Das stimmt schlicht und einfach nicht.

In den letzten Jahren sind die Kosten explodiert, und daher musste man sich Gedanken darüber machen, wie dieser Abgang abgefangen werden kann. Die Arzneimittel sind rapide angestiegen und gleichzeitig auch die Dienstleistungen.

Ich bekenne mich zum Fortschritt der Medizin, er ist unheimlich wichtig, er ist aber keine Garantie. Es macht den Menschen nicht immer gesünder, wenn in diese Richtung sehr viel und um jeden Preis investiert wird.

Was mich persönlich sehr beeindruckt hat, sehr geehrter Herr Staatssekretär – das möchte ich hier klar und deutlich sagen –, ist die Tatsache, wie schnell und wie zielführend diese Bundesregierung in diesem wichtigen Punkt gehandelt hat. Respekt und Hochachtung dafür. Es ist gelungen, diese Reform in vier Monaten durchzuziehen – eine großartige Leistung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich gibt es wie bei jeder Reform Diskussionen. Diskussionen sind berechtigt. Auch heute hat Frau Bundesrätin Schicker gesagt, Selbstbehalte sind sicher kein positiver Faktor. Frau Bundesrätin! Es gibt Berufszweige – ich denke dabei nur an uns Bauern –, die immer Selbstbehalte gehabt haben, jeder Selbständige hat Selbstbehalte. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja! – Bundesrat Hagen: Beamte auch!) – Natürlich nicht immer, aber ich glaube, dass der Weg in diese Richtung richtig ist.

Die Krankenhäuser sind von Rationalisierungen betroffen, die Krankenhäuser haben Probleme. Jede Gemeinde, jede Stadt, die ein Krankenhaus hat, weiß, wie wichtig die Finanzierung ist. Es geht darum, die Synergieeffekte zu nutzen, Doppelgleisigkeit abzuschaffen, und gleichzeitig wurde mit dieser Novelle die Gleichstellung von privaten und öffentlichen Krankenhäusern erreicht. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass auch da viel erreicht wurde.


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Für beide Bereiche konnte eine leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung erreicht wer-den. Für private Krankenanstalten steht in Zukunft, ich glaube ab 2002, 1 Milliarde zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg bei der Entwicklung unseres Gesundheitssystems sind, ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Engagement und mit diesem Einsatz auch in Zukunft die Gesundheit unserer Bevölkerung fördern können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.18

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck. Ich erteile ihm dieses.

16.18

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich doch ein paar Worte zur Klärung beitrage, es dürften doch noch immer einige Missverständnisse vorliegen, ich habe aber nicht die Absicht, Sie über Gebühr in Anspruch zu nehmen.

Es ist mir in den letzten Monaten nicht sehr oft beschieden gewesen, großes Lob zu hören, wenngleich ich das heutige als ein solches empfinde. Auf der anderen Seite ist es mir gelungen, in einem Bereich, in einem Rahmen, in dem ich es nicht erwartet hätte, Zustimmung zu bekommen, nämlich vorige Woche bei der Tagung für Medizin und Recht in Linz, wo quer durch alle Couleurs, durch alle Schattierungen, Juristen und Mediziner gesessen sind. Dort sind mehrere Redner aufgestanden und haben gesagt, wir haben 30 Jahre lang über die Möglichkeit einer verschuldensunabhängigen Patientenentschädigung diskutiert, und jetzt kommt jemand und schafft das in acht Monaten. Wir sollten darüber glücklich sein und nicht weiter kritisieren.

Was ist denn geschehen? – Es wurde eine Lücke geschlossen. Sie dürfen nicht vergessen, dass gerade im niedergelassenen Bereich die Entschädigungssituation wesentlich besser organisiert ist und funktioniert, allein schon dadurch bedingt, dass dort der Patient einem Arzt allein gegenübersteht und ein Behandlungsvertrag mit einer bestimmten Person besteht, die jederzeit entsprechend zur Verantwortung gezogen werden kann.

Es existieren in allen neun Bundesländern so genannte Schiedsgerichte, sodass auch diese Fälle außergerichtlich geklärt werden können.

Das heißt, da existiert eine Struktur. Dort, wo sie nicht existiert hat, war der große anonyme Krankenhausbereich, wo meistens der Patient gar nicht an den Arzt oder an die möglichen Verursacher herangekommen ist, weil ihm immer die Institution der Kostenträger gegenüber- gestanden ist, die sich naturgemäß, schon aus ökonomischen Gründen, für alle Forderungen selten zugänglich erwies.

Wie setzen Sie so etwas tatsächlich um? – Schauen Sie sich die Modelle an, die bereits funktionieren! Es gibt mehrere in Österreich. Es gibt eines, das schon seit vielen Jahren funktioniert, das ist das Wiener Modell. Wir haben eine Arbeitsgruppe, sogar eine parteiliche, nämlich eine von allen Gruppierungen besetzte, eingesetzt, und diese ist zu einem Ergebnis gekommen, und aus diesem Ergebnis haben wir die richtigen Schlüsse gezogen.

Wenn Sie jetzt sagen, da bezahlt der Patient 10 S für seine eigene Versicherung, so muss man sagen, das ist an sich kein schrecklich hoher Betrag. Außerdem ist von diesen 10 S natürlich genau jene Patientengruppe ausgenommen, die bisher schon keinen Verköstigungsbeitrag zahlt, und zwar sind das all jene, die auch von der Behandlungsgebühr befreit sind. Auch die chronisch Kranken sind auf Grund der Limitierung von 28 Tagen höchstens mit 280 S im Jahr belastet.

Daraus sozusagen eine Belastung der Patienten abzuleiten, und zwar gerade der Armen und sozial Schwachen, ist, so glaube ich, nicht gerechtfertigt, zumal es eine ganz andere Konsti


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tuierung ist. Es ist nämlich so, dass wir bei der Planung der Höhe dieses Beitrages davon ausgegangen sind, dass der Fonds mit einer gewissen Basissumme in dem jeweiligen Bundesland gespeist sein muss, und dazu ist es auch notwendig, dass eine gerechte Verteilung stattfand. Wie schaut diese gerechte Verteilung aus? – Dass ein Krankenhaus mit vielen Patienten ein viel höheres Risiko hat, dass in dieser Richtung eher etwas schief gehen kann als in einem Krankenhaus mit weniger Patienten. Das heißt, die Frequenz und nicht der Name, also der Patient allein ist ausschlaggebend für die Möglichkeit – auch für die statistische Möglichkeit – von Schwierigkeiten.

Aus diesem Grunde haben wir errechnet, dass der Fonds mit ungefähr 200 Millionen Schilling dotiert sein müsste. Wir haben 22 Millionen Krankenhaustage im Jahr in Österreich, daher ist es logisch, dass pro Belagstag völlig anonym 10 S vom Krankenhausträger dafür einbezahlt werden. Die einzige Regelung besteht darin, dass dieser Krankenhausträger die Möglichkeit hat, sich von den 100 S, die er im Namen der Sozialversicherungsträger einnimmt, 10 S zu behalten, um diesen Fonds mitzuspeisen. Da liegt eine ganz andere Regelung vor, und es sind, wie Sie sehen und wie ich, so glaube ich, darlegen konnte, die sozial Schwachen davon absolut ausgenommen.

Damit bin ich bei dem berühmten Behandlungsbeitrag angelangt, der so viele Diskussionen vom Zaun gebrochen hat. Auch dort haben wir errechnet, dass auf Grund der legistischen Maßnahmen – ich hoffe, Sie alle kennen die sechs Punkte – gerade jene Gruppe, die von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, immer als die von uns belastete bezeichnet wird, ex lege von der Leistung dieser Beiträge ausgenommen ist, und zwar sind das etwa 55 Prozent der Gesamtbevölkerung, insbesondere die Armen, die sozial Schwachen und die chronisch Kranken. Auch da stelle ich eine gewisse Polemik fest, wenn man etwas wider besseres Wissen behauptet.

Ich darf Ihnen das vielleicht noch untermauern: Ich habe zufällig in den letzten Tagen der Zeitung entnommen, dass 3,5 Millionen Österreicher in diesem Jahr einen Auslandsurlaub, und zwar in den Monaten Juli, August und September, gemacht haben. Das ist sehr schön, und ich freue mich, dass sie das tun können, weil das zeigt, dass wir doch ein reiches Land sind. In diesen drei Monaten haben diese 3,5 Millionen Österreicher 54,3 Milliarden Schilling im Ausland ausgegeben. Das ist genau jene Personengruppe, die letztlich auf Grund ihrer finanziellen Potenz in Frage kommt, einen Beitrag zur Finanzierung unseres Gesundheitssystems mitzuleisten. Genau von diesen 54,3 Milliarden Schilling wollen wir 2 Prozent für die Ambulanzen haben. Ich glaube, dass das kein unbilliges Verlangen ist.

Ich gebe Ihnen Recht, dass der Umstand, dass die Begutachtungsfrist – wenn Sie die Fristen sehen, werden Sie das verstehen – heute abgelaufen ist, nicht befriedigend sein kann. Es war aber die gesamte Situation nicht befriedigend, weil, wie Sie wissen, durch das viermonatige Interregnum wertvolle Verhandlungszeit verloren gegangen ist. Wir haben einen Öster-reichischen Krankenanstaltenplan vorgefunden, der – ich verwende jetzt ein Wort, das ich sonst nicht verwende – nur so vor Grauslichkeiten gestrotzt hat. Was ist in diesem gestanden? – Das, was man versucht hat, in polemischer Weise dann uns oder meinem Ressort oder meiner Person zuzuschieben, indem man sagte, dass ich etwas zuzusperren vorhabe.

Darin war enthalten, dass bis zum Jahr 2005 19 Krankenanstalten und 50 Abteilungen zu schließen sind. Fix vereinbart wurde von der vorhergehenden Regierung unter der Leitung der sozialistischen Partei in diesem Ressort, dass 19 Spitäler und 50 Abteilungen bis zum Jahre 2005 zu schließen sind. (Rufe bei den Freiheitlichen: Hört! Hört – Bundesrätin Fuchs: Das hören wir heute zum ersten Mal!)

Das hören Sie nicht zum ersten Mal, weil ich es auch schon im Parlament gesagt und immer wieder festgestellt habe. Dieser Plan, den wir vorgefunden haben, war Anlass, dieses Vorhaben in kürzester Zeit zu überarbeiten und ihm ein modernes managementförmiges Image zu geben, damit wir in diesem Bereich zukunftsorientiert tätig werden können. Das Ergebnis ist, dass keine einzige Krankenanstalt und keine einzige Abteilung in Österreich geschlossen wird, dass aber


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sehr wohl Strukturmaßnahmen gesetzt werden. Die Zeit dafür war sehr kurz. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Jetzt möchte ich sozusagen das Gemeinsame hervorheben, das Trennende liegt mir persönlich ferne. Was wäre die Alternative zu dieser jetzigen Vereinbarung gewesen? – Die Alternative wäre gewesen, dass, wie vom Gesetz her vereinbart, dann, wenn es nicht bis zum 31. 12. dieses Jahres zu einer Vereinbarung über die Fortführung der Artikel 15a-Vereinbarung gekommen wäre, die alte Vereinbarung des österreichischen KRAZAF mit seiner früheren Lösung in Kraft getreten wäre. Das war der Motor – auch für die Bundesländer, die sich ebenfalls nicht sehr leicht getan haben –, hier wirklich konstruktiv und in kürzester Zeit zu einem sehr guten Ergebnis zu kommen.

Ich darf noch dazu sagen: Zu all diesen Bestimmungen, die darin enthalten sind, haben letztlich auch zwei sozialistisch regierte Bundesländer, und zwar Wien und Burgenland, durch ihre Zustimmung beigetragen. Ich rechne das diesen beiden Ländern sehr hoch an, dass auf Länderebene – Sie wissen, es hätte keine Vereinbarung gegeben, wenn nicht alle Bundesländer unterschrieben hätten – eine ausgewogene Vereinbarung zu Stande gekommen ist.

Ich möchte Ihnen zum Abschluss sagen, auch mit der Ankündigung, dass da offensichtlich Einhelligkeit herrscht: Ich möchte mich bei Ihnen allen, die Sie aus den Bundesländern kommen, bedanken. Sie sind die Träger der Meinung aus den Bundesländern. Tragen Sie meine Worte zurück in Ihre Bundesländer, dass ich sehr angenehm berührt war und dass es sehr produktiv war, mit den Bundesländern in so kurzer Zeit zu einem sehr guten Ergebnis zu kommen!

Diese Artikel-15a-Vereinbarung, die in vielen Dingen richtungsweisend ist – das wurde schon von den Vorrednern angeschnitten –, birgt noch zwei Aspekte in sich, die ich hervorheben möchte.

Es ist darin zum ersten Mal gelungen, Qualitätskriterien festzuschreiben, die nicht nur für das ärztliche und medizinische Personal in Behandlungsgrundlagen eine Sicherung geben, sondern auch für die Patienten, nämlich dass sie sich weiterhin in Österreich mit ruhigem Gewissen in ein Krankenhaus legen können.

Es ist noch etwas gelungen, nämlich die Schnittstellenproblematik zum niedergelassenen Be-reich zu überwinden; das wurde auch schon angerissen. Damit ist ein massiver Schritt in Richtung eines Gesamtgesundheitssystems gesetzt worden, mit dem es dann tatsächlich gelingen sollte, dass die Leistung dort erbracht wird, wo sie am kostengünstigsten ist. Als Arzt darf und soll man nicht immer nach Kosten fragen, denn die Leistung ist nämlich dann am günstigsten, wenn dem Patienten am raschesten und effektivsten geholfen wird. Das ist immer die billigste Form einer Behandlung.

Es ist noch etwas im Unterschied zur früheren Vereinbarung gelungen, bei der etwas für drei Jahre festgeschrieben wurde und das dann fix war, so nach dem Motto: Was liegt, das pickt. – In der jetzigen Vereinbarung steht, dass im Rahmen dieses Krankenanstaltenplans im Laufe der vier Jahre seine Gültigkeit permanent weiterentwickelt werden kann. Es sind mehrere Pilotprojekte und mehrere Modellversuche darin enthalten, die begleitet werden müssen und bei denen beobachtet werden muss, ob sie sich in die richtige Richtung entwickeln. Es wird im Laufe dieser vier Jahre möglich sein, mit allen konstruktiven Kräften in diesem Land diesen modernen Grundkatalog umzusetzen. Deutschland zum Beispiel beneidet uns darum; ich habe eine diesbezügliche Rede von Andrea Fischer anläßlich des Krankenhaustages gehört. In Deutschland gehen sie den gleichen Weg, nur mit dem Nachteil, dass sie damit erst im Jahre 2003 beginnen, bis zum Jahre 2006 einen Versuch unternehmen und erst dann etwas Derartiges haben werden, was wir bereits heute und für die nächsten vier Jahre haben werden.

Gehen Sie bitte stolz nach Hause, denn Sie können stolz darauf sein, dass hier ein gemeinsames Werk gelungen ist, das sich nicht nur in Österreich, sondern auch in Europa und vor der Welt zeigen lässt! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.30


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Präsident Johann Payer:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz, das Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung samt Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden (324/A und 411/NR sowie 6288/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Ledolter übernommen. Ich bitte um den Bericht, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Johann Ledolter: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nachtschwerarbeitsgesetz und das Urlaubsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen

Da Ihnen dieser Bericht auch schriftlich zugegangen ist und vorliegt, darf ich auf dessen Ver-lesung verzichten.

Ich darf Ihnen weiters berichten, dass der Finanzausschuss nach Beratung der Vorlage am heutigen Vormittag mit Stimmenmehrheit den Antrag gestellt hat, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche um Eröffnung der Debatte.

Präsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.


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Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als erste Rednerin Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. Ich erteile ihr dieses.

16.33

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen sagen, dass meine Fraktion der Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes und des Urlaubsgesetzes nicht zustimmen wird. Ich werde in meiner Rede auch näher darauf eingehen, warum das nicht der Fall ist.

Die Regierung hat sich ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt: das Budget – unter dem Deckmantel "Speed kills" – sehr rasch zu sanieren. Wir haben gestern schon – da die Zeit schon sehr vorgeschritten ist, werde ich nicht mehr auf einzelne Punkte eingehen – sehr lange über die verschiedensten Maßnahmen diskutiert. So haben wir sehr oft zu hören bekommen, dass wir nicht wirtschaften konnten und viele Schulden hinterlassen haben. Ich möchte heute anhand eines Beispiels beweisen, dass dieser Vorwurf, der uns gemacht wurde, eigentlich auch für die jetzige Regierung gilt.

Viele Maßnahmen, die beabsichtigt und bereits beschlossen sind, tragen keineswegs zur Sanierung des Budgets bei, sondern sind reine Umverteilungsmaßnahmen von unten nach oben. Ich komme gleich zum ersten Punkt, bei dem es um das Nachtschwerarbeitsgesetz geht.

Es ist so, dass die Arbeitgeber Beiträge in die Pensionsversicherung einzuzahlen haben und damit einen Deckungsgrad von 75 Prozent erreichen sollten. Der Rest wird durch den Bundeszuschuss gedeckelt. Es ist so, dass die Arbeitgeberbeiträge das letzte Mal diese 75 Prozent im Jahr 1991 erreicht haben, und jetzt liegt wiederum ein Antrag mit der Forderung vor, dass für die Jahre 2000 und 2001 die Beitragsanpassung ausgesetzt werden soll, obwohl die Beiträge für das Jahr 2000 3,8 Prozent und für das Jahr 2001 4,2 Prozent betragen müssten. Begründet wird dieser Aussetzungsantrag damit, dass es zu keiner Lohnnebenkostenerhöhung für die Wirtschaft kommen darf.

Da ich als Gewerkschafterin bekannt bin, möchte ich nicht unbedingt immer als Feindin der Wirtschaft auftreten. Jetzt mag das schon ein Argument sein, nur einer Sache muss man sich schon bewusst sein: Wenn man diesem vorliegenden Antrag zustimmt, bedeutet das eine weitere Erhöhung des Bundeszuschusses von mehreren Hunderten Millionen Schilling, und das zu einer Zeit und vor dem Hintergrund laufender Diskussionen – wir hatten jetzt zwei Tage das Vergnügen –, wo ständig aufgezeigt wird, wo wir nicht überall zu sparen hätten.

Dadurch, dass 1991 das letzte Mal die erforderlichen Beiträge durch die Arbeitgeber aufgebracht wurden, ist bis heute ein Bundeszuschuss in der Höhe von insgesamt über 1 Milliarde Schilling erforderlich. Das möchte ich hier nur zu bedenken geben. – Jetzt stellt sich für mich schon die Frage, wo da die soziale Gerechtigkeit bleibt – und man soll da bei der Wahrheit bleiben. Deshalb wird es von unserer Seite dazu keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte gleich auf den zweiten Punkt eingehen, bei welchem es um die Änderung des Urlaubsgesetzes geht. – Es ist, so glaube ich, hier im Raum allseits bekannt, dass es schon jahrelange Diskussionen – schwerpunktmäßig im Arbeitslosenversicherungsbereich – im Zusammenhang mit den Saisonbeschäftigten gibt, in welchen immer wieder die Saisonbeschäftigten als so genannte Schmarotzer – weil sie so viel aus dem Arbeitslosentopf herausnehmen – bezeichnet werden, wobei bei den Vorwürfen immer übersehen wurde, dass kein einziger Arbeitnehmer und keine einzige Arbeitnehmerin es sich aussuchen konnte, wie lange ihre Saison dauern wird.

Es ist gestern von einem Bundesrat – ich kenne ihn leider persönlich noch nicht, ich bin erst sehr kurze Zeit im Bundesrat – auf die Problematik gerade im Bereich der Gastronomie und im


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Saisonbereich aufmerksam gemacht worden. (Bundesrat Hagen: d′Aron!) – Ich kenne ihn zwar nicht, aber danke.

Diese Regierung hatte die Absicht, eine Sperrfrist von vier Wochen bei befristeten Dienstver-hältnissen einzuführen. Es gab lange Verhandlungen, und wir von den Gewerkschaften sind Sturm dagegen gelaufen, und zwar, wie ich meine, zu Recht. Es kam zu, so meine ich auch – das möchte ich auch betonen –, konstruktiven Gesprächen, und Herr Minister Bartenstein hat versprochen, wenn sich zum Beispiel die Gastronomie ein geeignetes Konzept einfallen lässt, um die Saison zu verlängern, dann könnte man von dieser Sperrfrist Abstand nehmen.

Dies ist dann auch – das möchte ich schon betonen – sehr rasch passiert. Die Kollektivver-tragspartner haben sich geeinigt und ein Modell entworfen, das die Saison verlängern soll. Aber ich möchte von dieser Stelle aus sagen, dass das für uns als Gewerkschaftsvertreter nicht selbstverständlich ist, weil wir uns mit dieser Maßnahme, mit welcher darauf abgezielt wird, dass ein Teil des erworbenen Urlaubs während der Saison zur Verlängerung der Saison verwendet werden muss, bei unseren eigenen Mitgliedern nicht unbedingt beliebt gemacht haben. Wir stehen aber dazu, weil wir meinen, dass wir die Dinge auch in der Gesamtproblematik be-trachten müssen.

Das wäre an und für sich ein positiver Bericht, und wir alle könnten zufrieden nach Hause gehen, nur: Dabei blieb es leider nicht. Denn siehe da: Kaum hatten die Sozialpartner die fertige Lösung auf dem Tisch, meinte Herr Minister Bartenstein, diese sei nicht ausreichend, obwohl diese Maßnahme, diese Saisonverlängerungsmaßnahme, in der Endausbauphase 800 Mil-lionen Schilling pro Jahr bringt. Minister Bartenstein hat sich jetzt durch die Regierungsparteien eine Verordnungsermächtigung bestätigen lassen. Das heißt, sollte das Ziel der Saisonverlängerung, wodurch auch immer es beeinflusst wird, nicht erreicht werden, kann der Herr Minister mittels Verordnungsermächtigung trotzdem eine zweiwöchige Sperre beim Arbeits-losengeld verordnen.

Ich sage hier allen Kolleginnen und Kollegen: Dieser Kollektivvertrag ist so abgefasst, dass er bis zum April 2001 befristet ist, und wenn Herr Minister Bartenstein von der Möglichkeit Gebrauch macht, mittels Verordnungsermächtigung in die – das ist übrigens in der letzten Zeit auch ein neuer Stil – Kollektivvertragshoheit der Sozialpartner einzugreifen, dann wird dieser Kollektivvertrag nicht verlängert.

In diesem Kollektivvertrag ist zwischen Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter eindeutig festgehalten, dass mittels Monatsfrist dieser Kollektivvertrag jederzeit wieder gekündigt werden kann. Das, meine Damen und Herren, wird auch passieren, wenn der Herr Minister von seiner Absicht nicht Abstand nimmt. Jetzt gebe ich zu bedenken, was dem Herrn Minister wichtiger ist: 800 Millionen Schilling im Jahr – diese sind nicht leicht erreicht worden, ich habe es schon gesagt – oder der Wegfall dieser, wie ich glaube, sehr positiven Maßnahme?

Auch deshalb können wir dieser Änderung nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

16.42

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie, Frau Bundesrätin Bachner, zwar die Verhandlungen als positiv bewerten, diesem Gesetz aber letzten Endes nicht zustimmen, dann verstehe ich das, ehrlich gesagt, nicht. (Bundesrätin Bachner: Dann haben Sie nicht zugehört, entschuldigen Sie!) – Ich habe schon zugehört.

In Artikel 2 dieses Gesetzes wird geregelt, dass für Beschäftigte, wie Sie schon gesagt haben, im Gastgewerbe Kollektivvertragsermächtigungen erteilt werden, sodass bei Saisonende das Beschäftigungsverhältnis um die Hälfte des Urlaubs, längstens aber um sieben Werktage verlängert werden kann. Einerseits erfüllen dadurch viele Arbeitnehmer die Arbeitslosenvoraus


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setzung, die wir von 26 auf 28 Wochen erhöht haben, andererseits wird aber auch dadurch eine Ungleichbehandlung zwischen ganzjährigen Betrieben und Saisonbetrieben teilweise aus der Welt geschafft. Und das ist, so glaube ich, der springende Punkt.

Aus meiner Erfahrung und aus vielen Gesprächen weiß ich, dass es gerade auch in Klein- und Mittelbetrieben Zeiten gibt, in denen sehr wenig oder keine Arbeit da ist. In diesen Betrieben werden aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gekündigt, sondern es wird versucht, über die Runden zu kommen, wie man so schön sagt. Es wird während dieser Zeit der Lohn bezahlt, es werden während dieser Zeit die Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt – 3 Pro-zent vom Arbeitgeber und 3 Prozent vom Arbeitnehmer –, also die Mitarbeiter und der Betrieb bezahlen das Arbeitslosenversicherungsgeld vom Bruttolohn.

Dann gibt es Saisonbetriebe, die eine gewisse Zeit im Jahr Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen – sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer –, deshalb auch Saisonbetriebe heißen, weil sie nicht das ganze Jahr über eine Beschäftigung haben, und trotzdem einige Monate im Jahr keinen Arbeitslosenversicherungsbeitrag bezahlen. Das ist meiner Meinung nach eine Un-gleichbehandlung zwischen den verschiedenen Betrieben und auch zwischen den Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern.

Deshalb freue ich mich darüber, dass ein erster kleiner Schritt in diese Richtung gemacht wird, weil das auch ein Schritt der Fairness ist, der letzten Endes wieder allen zugute kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Fairness zwischen schlechten Regelungen!)

16.45

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt. – Bitte, Herr Bundesrat.

16.45

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Die Verlängerung der Sistierung einer Beitragserhöhung, mit der wir uns im Zuge der Änderung des Nachtschwerarbeitsgesetzes auseinander setzen, kann sicherlich als Zugeständnis an die Wirtschaft betrachtet werden. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Würschl: So ist es! Abkassierer!)

Angesichts des immer härter werdenden Wettbewerbs, dem die österreichischen Betriebe ausgesetzt sind, kann ich dieses Zugeständnis ohne weiteres mittragen. – Jetzt kommt kein Applaus. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Bachner: Das hat niemand von uns bezweifelt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Eines möchte ich hier festhalten: Ohne eine funktionierende Wirtschaft gibt es keine Sicherung von Arbeitsplätzen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Die Änderungen des Urlaubsgesetzes sind ein richtiger Schritt zur Saisonverlängerung für die Mitarbeiter von Tourismusbetrieben mit allen sich daraus ergebenden positiven Konsequenzen. In diesem Sinne wird die freiheitliche Fraktion den Tagesordnungspunkt 8 mittragen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.47

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. Ich erteile ihm dieses.

16.47

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich möchte Frau Kollegin Bachner einiges mit auf den Weg geben, weil sie die reine Konzeption der Wirtschaftsfreundlichkeit in den Raum gestellt hat.


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Ich darf Sie schon daran erinnern, dass seit 1996 meine sozialdemokratische Vorgängerin und mein sozialdemokratischer Vorgänger, Frau Kollegin Hostasch und Herr Kollege Hums, eine gleiche Lösung auf Grund ihres Budgets getragen haben, und daher ist das seit 1996 unbestritten. Die Überlegungen, die Kollege Hums und Kollegin Hostasch damals angestellt haben, teile auch ich.

Nachdem in manchen europäischen Ländern für den Bereich der Schwer-, Nacht- und Schichtarbeiter Regelungen des Konkurrenzvorteils getroffen worden sind, die auf Grund der österreichischen Situation für diese Bereiche ausschließlich und allein, wenn mein Ministerium diese Kostenfrage nicht getragen hätte, durch Rationalisierungseffekte innerhalb des Betriebes erfolgt wären – auf deutsch gesagt: durch einen weiteren Kostendruck auf die Arbeitnehmerseite innerhalb der Betriebe, durch einen noch höheren Druck auf die Arbeitnehmerseite innerhalb der Betriebe, durch noch höheres Tempo und noch größere Beschleunigung der Maschinen in diesen Bereichen –, betrachte ich diese Maßnahmen nicht ausschließlich als Wirtschaftsförderung und Förderung des Wirtschaftsstandortes Österreichs, sondern vor allem – das hat auch mich als Sozialminister bewogen, dem zuzustimmen – als Entlastung und auch als Unterstützung für die Personalvertreter und für die in diesen Branchen Tätigen, die den schwierigen Bedingungen des Nacht-, Schwer- und Schichtarbeitergesetzes unterliegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich hoffe daher, nachdem es auch sozialdemokratische Vorgänger so gesehen haben, dass Sie Ihre Sichtweise nicht wegen des Regierungswechsels geändert haben, sondern dass Sie auch sehen, dass wir die Argumente meiner Vorgängerin und ihres Vorgängers ins Treffen geführt haben. Die Argumente, die dazu geführt haben, dass sie diese Maßnahmen getätigt und finanziert haben, sind natürlich auch nachzulesen. Vielleicht können Sie das in Zukunft in der Öffentlichkeit mittragen und es nicht ausschließlich unter dem von Ihnen hier angeführten Aspekt betrachten.

So ganz verstehe ich allerdings auch nicht, warum Sie das als der Regierungsübereinkunft der beiden Regierungsparteien entgegenstehend bezeichnen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass in der Übereinkunft beider Regierungsparteien die Absicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich und die Reduktion der Lohnnebenkosten beinhaltet sind.

Ich glaube, es ist daher geradezu eine Parademaßnahme, die im Einklang mit den Regierungs-übereinkünften beider Regierungsparteien – ich verweise auf die Wirtschaftsstandortsicherung, die Lohnkostenreduktion in diesem Falle um mehr als 4,5 Prozent, darüber hinaus auch noch auf den sozialen Effekt, nämlich auf die Einsparungspotenziale, zu denen es ohne diese Maßnahme für die Betriebe und damit für die Arbeitnehmer in diesen Betrieben gekommen wäre – zu sehen ist. Ich glaube daher, dass ich als Sozialminister meine Zustimmung dazu mit ruhigem Gewissen verantworten kann.

Zum Zweiten, zum Bereich der Saisonarbeit: Ich darf Sie schon darauf hinweisen, dass es in diesem Bereich auch innerhalb der Gewerkschaft zwei Meinungen gibt. Sie wissen auch, dass sich der Vorsitzende der Gewerkschaft, Kaske, auch in der Vergangenheit immer wieder bemüht hat, ähnliche Regelungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Saisonbetrieben zu erreichen, allerdings immer am Obmann seiner eigenen Gewerkschaft gescheitert ist, weil es da zwei Polaritäten gibt, ähnlich wie bei den Bau- und Bauhilfsberufen, die jetzt im BUAG zusammengefasst sind.

Sie wissen selbstverständlich, dass Herr Kollege Hesoun zunächst als Bau- und Holzarbeitergewerkschafter die Regelungen, die fast parallell im BUAG getroffen sind, entriert hat und dann als Sozialminister – meiner Ansicht nach zu Recht und im Bewusstsein dessen, dass in der Zukunft in der österreichischen Pensionslandschaft erworbene, mit Bezahlung erworbene Pensionsansprüche wichtiger werden und Ersatzzeiten unwichtiger werden – mit dieser Maßnahme den älteren Arbeitnehmern geholfen hat – das wurde heute in der Diskussion nicht erwähnt –, zu ihrer Lebensarbeitszeit ungefähr eineinhalb bis zwei Jahre echte pensionsbegründende Jahre dazu zu bekommen. Das war immer ein wichtiges Argument – auch innerhalb der Gewerkschaft –, sich für diese Position stark zu machen.


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Meine Vorrednerin hat sicher Recht damit, wenn sie sagt, dass die Ganzjahresbeschäftigten in den Tourismusbetrieben immer schon ihre Einkommenssituation im Verhältnis zu ihrer Jahres-arbeitszeit gegenüber der Einkommenssituation der Saisonarbeiter als unbefriedigend be-trachtet haben. Da ist ein Spannungsfeld, das sich innerhalb der Gewerkschaften in sehr vielen Diskussionen gezeigt hat.

Sie können sicher in den Protokollen Ihrer internen Gewerkschaftssitzungen das nachlesen, was in der Öffentlichkeit und in den Publikationen nie so transparent geworden ist, was aber in den Verhandlungen vor etwa dreieinhalb Jahren innerhalb der damaligen Bundesregierung durchaus auch schon am Tapet gewesen ist. Bei den Verhandlungen zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei, die schließlich an diesem Vorhaben gescheitert sind, ist das auch ins Treffen geführt worden.

Ich glaube daher, dass man von Seiten der Kollektivvertragspartner in dieser Branche nicht so empfindlich reagieren, sondern das gesamte Umfeld betrachten sollte: die Ganzjahresbeschäftigten und die Saisonbeschäftigten in dieser Branche, den durchaus berechtigten Wunsch der jungen Menschen in dieser Branche, zunächst hohe Verdienste zu haben, die gesundheitlichen Schäden der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Branche, die oft Probleme mit den Gelenken, im Schultergürtelbereich haben auf Grund der Lasten, die sie zu tragen haben, die oft auch an Rheumatismus leiden oder an anderen Berufskrankheiten, die wir gerade von den Saisonberufen her kennen und die auch in einem sehr hohen Ausmaß die Ursache dafür sind, dass man diesen Beruf vorzeitig verlassen und andere Optionen für das Alter ab 50, also für die letzte verbleibende Erwerbsphase, suchen muss. All das ist ein Spannungsfeld innerhalb dieser Berufsgruppe, das man sehen muss.

Ich glaube daher, dass es in Zukunft davon abhängen wird, wie weit beide Vertragspartner auf einem Bestimmverhältnis oder an einer Fortschreibung dieses Verhältnisses bestehen werden. Ich halte es für vernünftig, die Möglichkeit der Lebensarbeitszeit und der Beitragszeiten zu nutzen, ebenso die Saisonausdehnung, damit in Zukunft ein Gleichgewicht zwischen den Saisonarbeitern und den Ganzjahresbeschäftigten innerhalb der Branche hergestellt wird.

Wenn weiterhin Kollektivverträge abgeschlossen werden, die diese Zielsetzungen, nämlich den gesundheitlichen Faktor, den Rehabilitationsfaktor, die Lebensarbeitszeit, die Anspruchsberechtigung für die Pension und die Saisonverlängerung, insgesamt, einschließlich der Schu-lungselemente, die mit inkludiert sind, berücksichtigen, so werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass von Seiten der Bundesregierung keine Gefahr besteht, dass es gegen den Willen der Vertragspartner zu einem Eingriff in dieses Paket kommt. Bei klugen und vernünftigen Kollektivverträgen braucht der Minister auch in Zukunft das, was als sein Recht im Gesetz verankert ist, nicht in Anspruch zu nehmen. Wenn Sie allerdings glauben, das Ungleichgewicht zwischen den Protagonisten in diesem Feld wie in der Vergangenheit auf Kosten der anderen Gruppen ausnützen zu können, werden Sie damit rechnen müssen, dass das, was im Gesetz festgeschrieben ist, auch so gehandhabt werden wird.

Ich darf auch noch darauf hinweisen, dass gerade bei den Tourismusbetrieben, welche die Arbeitslosigkeit zu ihren Gunsten ausnutzen, auffällig ist, dass gerade diese Betriebe eine hohe Rate von Betriebsangehörigen haben und dass viele Mitarbeiter von Familien in diesen Betrieben präsent sind. Diese haben gerade diese Regelungen sehr gut gekannt und daher auch sehr gut genützt.

Ich glaube, dass in diesem Spannungsfeld diese Regelung vernünftig und sauber im Interesse der gesamten Volkswirtschaft, der Gesundheit der dort Beschäftigten und des Gleichgewichtes zwischen den unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)


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16.56

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Bachner, bitte.

16.56

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Minister! Eines möchte ich von dieser Stelle aus schon noch klarstellen: Ich weiß schon, wovon ich spreche, wenn ich über die Gastronomie rede. Ich habe die letzten 17 Jahre hauptberuflich in diesem Bereich zugebracht, komme aus dieser Fachgewerkschaft und war die letzten fünf Jahre Zentralsekretärin der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst. (Bundesrat Dr. Aspöck: Da wissen Sie viel aus der Praxis! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Deshalb weiß ich sehr wohl, wie es dort zugeht.

Noch etwas möchte ich klarstellen: Herr Kaske ist der Vorsitzende der Gewerkschaft, und er ist nicht an seinem Obmann gescheitert, denn über ihm gibt es niemanden mehr. Ich gebe Ihnen Recht – ich finde vieles von dem, was Sie gesagt haben, absolut richtig –, es gab schon jahrelang Bestrebungen, die Saisonverlängerung zu erreichen, weil wir es für sinnvoll halten. Nur muss ich schon dazusagen, dass das damals, all die Jahre lang – ich war bei einigen Verhandlungen selbst dabei, noch unter Minister Hums, ich bin selbst dort gesessen –, am Nichtwollen der Unternehmer gescheitert ist. Das möchte ich hier schon klarstellen, denn das möchte ich nicht so im Raum stehen lassen, wie es hier gesagt wurde.

Ich gebe Ihnen auch Recht, dass sich auch vor Ihrer Zeit, was das Sistieren der Arbeitgeberbeiträge betrifft, schon einiges getan hat. Ich habe auch deutlich gesagt, dass im Jahr 1991 – ich weiß, dass es diese Regierung damals noch nicht gegeben hat – das letzte Mal der Deckungsgrad erreicht wurde. Das habe ich eindeutig gesagt und somit auch nicht verschwiegen, dass das auch schon vor Ihrer Zeit passiert ist.

Nur muss man schon eines betonen, und auch da gebe ich Ihnen Recht, Sie haben es erwähnt: Es sind in den letzten Jahren sozialpartnerschaftliche Verhandlungen geführt worden – im Gegenzug, als Ausgleich dazu, würde ich sagen – zur Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer im Bereich des Nachtschichtschwerarbeitsgesetzes, bezüglich Urlaubsanspruch im Bereich der Schichtarbeiter und so weiter. Jetzt – deshalb habe ich das so betont –, in Zeiten, in denen man den Arbeitnehmern Belastungen auf das Auge drückt – ich wollte es wirklich nicht so ausführlich machen, weil es schon spät ist –, in denen Unfallrenten besteuert werden, die reine Schadenersatzzahlungen sind, in denen man also den kleinsten Arbeitnehmern beibringt, dass sie sparen müssen, gibt es keine Gegenleistung, sondern man erspart der Wirtschaft die Beiträge und erhöht damit den Bundeszuschuss. Das halte ich für ungerecht! (Beifall bei der SPÖ.)

16.59

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Herbert Haupt. Ich erteile ihm dieses.

17.00

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich möchte es auch kurz machen. Wir kennen uns beide in der Situation, wie Sie mir attestiert haben, in den Grundzügen aus. Ich möchte daher korrigieren: Es sind nicht immer sozialpartnerschaftliche Regelungen mit in Verhandlung gestanden, sondern Sie sollten sich auch daran erinnern, dass außerhalb der sozialpartnerschaftlichen Regelungen etwa die Regelungen für Feuerwehrleute, die Regelungen für Hilfsorganisationen, die Regelungen für gastronomische Nebentätigkeiten der Landwirte, die Nebentätigkeiten in anderen Bereichen jeweils mit ein Teil des Verhandlungsvolumens waren, die für diese Zahlungen dann herangezogen worden sind.

Wenn Sie sozialpartnerschaftliche Verhandlungen gemeint haben, so waren es mit Sicherheit nicht sozialpartnerschaftliche Verhandlungen im alleinigen Interesse der Arbeiternehmerinnen und Arbeiternehmer, sondern höchstens sozialpartnerschaftliche Verhandlungen im gesamten Umfeld der freiwilligen Tätigkeiten in unserer Gesellschaft. Wenn Sie es auch so sehen, dann sind wir wieder d’accord. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.01

Präsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
671. Sitzung / Seite 74

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vor-liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung die Anfrage 1756/J eingebracht wurde.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auch auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. Februar 2001, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 13. Februar 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Beginn der heutigen Sitzung war sicher etwas hektisch. Im Laufe des Tages hat sich die Debatte mit Rede und Gegenrede sehr lebendig gestaltet. Sehr fundierte und interessante Wortmeldungen, wofür ich Ihnen allen danke, haben bewiesen, dass im Bundesrat qualitätsvolle Arbeit geleistet wird.

Abschließend möchte ich Ihnen allen ein friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest, wenn möglich im Kreise Ihrer Familie, wünschen. Mögen Gesundheit und Zufriedenheit Ihre Wegbegleiter sein. – Danke schön.

Die Sitzung ist geschlossen . (Allgemeiner Beifall.)

Schluss der Sitzung: 17.03 Uhr