Stenographisches Protokoll

674. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Mittwoch, 4. April 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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674. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 4. April 2001

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 4. April 2001: 16.06 – 16. 38 Uhr

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Inhalt

Bundesrat

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Dr. Peter Böhm und Kollegen gemäß § 45 (3), dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. April 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 5. April 2001 zu setzen 4

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konecny 4

Ludwig Bieringer 5

Dr. Peter Böhm 6

Annahme 8

Personalien

Krankmeldung 2

Entschuldigungen 2

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 2

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 2

Ausschüsse

Zuweisungen 4

Eingebracht wurde

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger und Maria Grander (1632/AB-BR/01 zu 1769/J-BR/01)


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 2

Beginn der Sitzung: 16.06 Uhr

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich eröffne die 674. Sitzung des Bundesrates, die ich auf Grund eines von einem Viertel der Mitglieder des Bundesrates unterstützten schriftlichen Verlangens gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung für heute einberufen habe.

Das Amtliche Protokoll der 673. Sitzung des Bundesrates vom 15. März 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Germana Fösleitner.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Paul Fasching, Dr. Ferdinand Maier, Monika Mühlwerth, Leopold Steinbichler, Mag. Michael Strugl, Vizepräsident Jürgen Weiss, Franz Wolfinger und Mag. John Gudenus.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ing. Gerd Klamt: Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "An den Präsidenten des Bundesrates

Der Herr Bundespräsident hat am 15. März 2001, Zl. 300100/10BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner innerhalb des Zeitraumes vom 3. bis 5. April den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer und innerhalb des Zeitraumes vom 10. bis 17. April 2001 den Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke. Dient zur Kenntnis.

Weiters ist ein Schreiben der Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie eingelangt, in dem sie mitteilt, dass sie sich am heutigen Tag in Brüssel bei einer Tagung befindet.

Eingelangt ist weiters eine Anfragebeantwortung, 1632/AB, die dem Anfragesteller übermittelt wurde. Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und ist bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste mit der eingelangten Anfragebeantwortung.

Eingelangt ist ein Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001, BGBl. I Nr. 1/2001, geändert wird.

Dieser Beschluss unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind weiters:

der Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Finnland, der Griechischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, dem Königreich Schweden, dem Königreich Spanien, der


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 3

Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Absätze 1 und 4 des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen samt Anlagen, Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation erdölexportierender Länder über die Änderung des Amtssitzabkommens samt Annexen,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend das Budgetbegleitgesetz 2002,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz (BGBl. I Nr. 12/2001), das Bundesfinanzgesetz 2001 (BGBl. I Nr. 1/2001) und das Versöhnungsfonds-Gesetz (BGBl. I Nr. 74/2000) geändert werden,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung einer Bundesbeschaffung Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BB-GmbH-Gesetz),

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD),

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Kabinett der Minister der Ukraine über Amtshilfe und gegenseitige Zusammenarbeit in Zollsachen,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina zur Förderung und zum Schutz von Investitionen,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Simbabwe über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Nepal zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll,

Beschluss des Nationalrates vom 27. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Zählung von Arbeitsstätten (Arbeitsstättenzählungsgesetz) geändert wird,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz (SMG) geändert wird,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz – GewRÄG,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend das Aktienoptionengesetz – AOG,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Regelung der elektronischen Übermittlung von Jahresabschlüssen das Handelsgesetzbuch, das 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden,

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend die Passgesetz-Novelle 2001 und

Beschluss des Nationalrates vom 28. März 2001 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden.


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 4

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Eingelangt ist ferner der Beschluss des Nationalrates vom 2. April 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, den ich dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen zur Vorberatung zugewiesen habe.

Fristsetzung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich gebe bekannt, dass mir ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Dr. Peter Böhm und Kollegen vorliegt, dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. April 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 5. April 2001 zu setzen.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Professor Konecny gemeldet. – Bitte.

16.17

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben einen Antrag eingebracht, der es zum Ziel hat, dem Sozialausschuss – wie auch dem Bundesrat selbst und davor schon dem Nationalrat – eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Vorlage unmöglich zu machen. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Von Ihnen ist eh niemand da, Herr Kollege! Bei Ihnen ist eh niemand da!)

Herr Kollege! Ich gebe zu, dass die stimmlichen Möglichkeiten heute etwas ungleich verteilt sind. Ich bin gegebenenfalls bereit, von den Möglichkeiten des Mikrophons Gebrauch zu machen, aber ich schlage vor, dass wir es nicht auf einem Wettbewerb der Lautstärke ankommen lassen, sondern, wie in der Demokratie sinnvoll, auf einen Wettbewerb der Argumente. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Gut, es geht so auch! (Der Redner spricht aus kurzem Abstand ins Mikrofon.)

Sie haben mit Ihrer skandalösen Vorgangsweise versucht, die Bundesländer auszuschalten. Das ist eine Länderkammer! Ich möchte am Beginn meiner Ausführungen Herrn Vizepräsidenten Weiss Respekt und Anerkennung bekunden, der sich ganz offensichtlich geweigert hat, an dieser Farce teilzunehmen.

Seit Jahren halten wir es ein, dass die Länder zwei Wochen Gelegenheit haben sollen, zu Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates Stellung zu nehmen. In einer so wichtigen Frage, in der auch verfassungsrechtliche Probleme und unmittelbare Interessen der Länder involviert sind, haben die Länder nicht die geringste Möglichkeit bekommen, Stellung zu nehmen.

Es hat jene Kuriosität gegeben, dass die Bundesregierung – nicht etwa die Regierungsparteien, sondern die Bundesregierung – einen Beschluss über die Reparatur dieses Gesetzes, das derart verunglückt war, gefasst hat und diesen Beschluss nicht als Regierungsvorlage eingebracht hat, weil eine Regierungsvorlage der Begutachtung durch die Länder zu unterziehen gewesen wäre. Nein – als Initiativantrag wurde es im Nationalrat eingebracht.

Wie bei uns jetzt, wurde dem Sozialausschuss die Möglichkeit einer ernsthaften Beratung unter Heranziehung von Experten unmöglich gemacht. Im Husch-Pfusch-Panik-Verfahren wurde es durchgepeitscht. Die Sondersitzung von heute, die nur die Aufgabe hat, dem Ausschuss die Arbeit unmöglich zu machen und das Plenum zu hetzen, wurde auf Ihr Verlangen einberufen. Wieder besteht für die Länder keine Möglichkeit, sich zu äußern. Das ist für eine Länderkammer ein verfassungsrechtlicher Skandal, der all jene, die auf Ihrer Seite immer von der Aufwertung des Bundesrates sprechen, Lügen strafen. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 5

Herr Fraktionsvorsitzender Bieringer hat in dankenswerter Weise in der Präsidialsitzung am Montag aufgezeigt, worum es geht. Diese Hast und Eile, diese Missachtung der Länder musste einfach sein – so sagt er wörtlich –, weil es gilt, eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu unterlaufen. (Bundesrat Bieringer: Das stimmt sicher nicht!)  – Sie haben es wörtlich so gesagt, aber ich gebe schon zu, das wollen Sie in der Öffentlichkeit vielleicht nicht hören! (Bundesrat Ledolter: Indiskretionen in einem nie da gewesenen Ausmaß!)

Ich habe in unserer Fraktion eine empörte Diskussion darüber gehabt, in welcher Form wir uns gegen eine solche Vorgangsweise zur Wehr setzen sollen. (Bundesrat Ledolter: Ein Skandal sondergleichen! Ein Skandal sondergleichen!) Aber, meine Damen und Herren, Kollege Bieringer – ich führe das nicht auf seine Statur zurück – hat diesen Wettlauf mit dem Verfassungsgerichtshof verloren. Der Entscheid des Verfassungsgerichtshofes, der selbstverständlich das bestehende Gesetz aufhebt, ist heute zugestellt worden und ist ab sofort nicht mehr anzuwenden. Die von Ihnen gewünschte Vermeidung der Legisvakanz ist gescheitert.

Man sollte eigentlich einen Aufruf an die Österreicherinnen und Österreicher loslassen, übers Wochenende in die Ambulanzen zu gehen; da kostet es ausnahmsweise einmal nichts. (Bundesrat Buchinger: Das ist Ihre Art von Politik!) Wenn wir schon diese Situation haben, dann gibt es keinen vernünftigen Grund, diese Hast, dieses Husch-Pfusch-Verfahren und diese Eile beizubehalten. Es steht Ihnen frei – ganz egal, wie viele von uns hier sitzen –, diese Fristsetzung für den Sozialausschuss zu beschließen. Sie haben die geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit dazu.

Aber ich sage Ihnen klar und deutlich, dass Sie damit, wenn Sie es trotzdem beschließen, den letzten Rest einer Argumentation für diese Vorgangsweise verloren haben. Ob diese Legisvakanz vier Tage oder 14 Tage dauert, ist weder für das Budget noch für die Rechtssicherheit von Bedeutung. Dass dieses Gesetz, das – das betone ich – vom Verfassungsgerichtshof inhaltlich noch nicht geprüft wurde – denn ein Gesetz, das es nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes nicht gibt, kann auch er auch nicht inhaltlich prüfen – und dessen verfassungsrechtliche Mängel durch diese Novellierung nicht im Geringsten verändert werden, wieder einmal nicht nur den Österreicherinnen und Österreichern, sondern auch den Verwaltungsapparaten, die das zu exekutieren haben, aufs Aug gedrückt wird, ist nicht Verwaltungsreform, sondern das exakte Gegenteil davon.

Es ist über die Belastung der Bevölkerung hinaus die Verschleuderung von Verwaltungskapazitäten und damit Steuergeldern.

Wie gesagt, Sie haben die Möglichkeit zu beschließen, was immer Sie wollen – nein, nicht was immer Sie wollen, sondern so weit Sie sich im Rahmen der Geschäftsordnung bewegen.

Meine Fraktion hat beschlossen, an dieser traurigen Veranstaltung nicht teilzunehmen. Ich bitte Sie, diese Erklärung und diese Ermahnung zur Kenntnis zu nehmen. Wenn Sie meinen, es ist trotzdem notwendig, dieses Husch-Pfusch-Verfahren fortzusetzen, dann tun Sie es.

Wir werden weiter Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. Aber ich bin nicht der Einzige, da gibt es Prominentere als mich, die gemeint haben (Bundesrätin Haunschmid: Bezeichnen Sie sich als prominent?), dass eine solche Politik der sozialen Kälte und des Speed kills auf die Urheber zurückfällt. (Ruf bei der ÖVP: Tosender Applaus!)

16.24

Präsident Ing. Gerd Klamt: Im Sinne der bisherigen Praxis werde ich den beiden anderen Fraktionen Gelegenheit zur Stellungnahme geben. – Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

16.24

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 6

Kone
cny! Sie irren, wenn Sie sagen, dass das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs bereits in Kraft ist. Es tritt nicht mit der Zustellung, sondern mit deren Kundmachung in Kraft – erster Irrtum Ihrerseits. (Bundesrat Konecny: Hat der Bundeskanzler vielleicht vor, die Kundmachung zu verzögern? Kündigen Sie hier den nächsten Skandal an?)

Herr Kollege! Ich habe Sie auch ausreden lassen. (Bundesrat Konecny: Sie schon, aber ...!) Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Für mein Dafürhalten ist überhaupt kein Grund vorhanden, sich aufzuregen.

Herr Kollege Konecny! Zweiter Irrtum Ihrerseits: Herr Vizepräsident Weiss hat eine unaufschiebbare Verpflichtung im Land Vorarlberg, und er wird selbstverständlich am Freitag bei der Beschlussfassung hier sein.

Dritter Irrtum Ihrerseits: Niemand von uns hat gesagt, dass wir heute diese Sondersitzung brauchen. Wir haben Sie gebeten, dass Sie auf die Vorsitzende des Ausschusses für Soziales und Generationen dahin gehend einwirken mögen, dass heute eine Ausschusssitzung stattfindet. Wir haben Ihnen angeboten, dass bei dieser Sitzung der Bundesminister für Soziales, Mag. Haupt (Bundesrat Konecny: Wäre die Kabinettschefin auch mitgekommen?), und der Staatssekretär in diesem Ministerium, Dr. Waneck, anwesend sind, ebenso wie – von uns aus gesehen – jeder von Ihnen verlangte Experte. Sie haben das beharrlich abgelehnt. (Rufe bei der ÖVP: Hört! Hört! Aha! Aha!)

Wir hatten daher überhaupt keine andere Möglichkeit, als eine Sondersitzung des Bundesrates einzuberufen, und das haben wir getan. Dieses Verlangen haben wir eingebracht. Sie haben wahrscheinlich geglaubt, wir werden irgendwelche Blankounterschriften vorlegen. Sie irren sich. Sie haben unsere Mitglieder dahin gehend gebeten, dieses Verlangen zu unterstützen, und es liegt auch ein Verlangen, unterschrieben von Herrn Vizepräsidenten Weiss, vor, der auch diese heutige Sitzung mitgetragen hat, aber leider wegen einer anderen Verpflichtung nicht anwesend sein kann. Aber das wird er Ihnen am Freitag persönlich sagen.

Nun zu meiner Aussage in der Präsidiale: Es stimmt einfach nicht, dass ich gesagt habe "unterlaufen". Ich lasse mir von Ihnen nicht irgendetwas unterstellen, das ich nicht gesagt habe. Ich habe gesagt: Wir wollen, bevor die Kundmachung in Kraft tritt, den gesetzeslosen Zustand, falls es einen gesetzeslosen Zustand geben soll, herstellen. Als Sie mich korrigiert haben, habe ich sofort gesagt, ich bin kein Jurist, und ich lasse nicht jedes Wort, das ich in der Präsidiale sage, auf die Waagschale legen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir waren daher, Herr Kollege Konecny – das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen; die Geschäftsordnung sieht das vor –, bei einer Aussprache, die bereits erfolgt ist, mit allen Gesundheitsreferenten, mit dem Herrn Bundesminister für Soziales und Generationen, mit dem Herrn Staatssekretär und mit den Fraktionsführern der ÖVP im Nationalrat und haben über diesen Gesetzesbeschluss gesprochen. Alle der ÖVP angehörigen Gesundheitsreferenten haben zugestimmt.

Lediglich aus ideologischen Gründen – oder wie immer Sie es begründen wollen – haben die Vertreter der SPÖ nicht zugestimmt, und meine Fraktion sieht keine Veranlassung, dem Antrag, den Kollege Böhm und ich eingebracht haben, nicht die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.28

Präsident Ing. Gerd Klamt: Für die freiheitliche Fraktion zu Wort gemeldet hat sich Herr Professor Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

16.28

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung) : Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung zur sozialdemokratischen Fraktion! Würde ich mich deren demokratiepolitischem Stil anschließen, müsste ich sagen: Ich vermisse sie nicht! – Aber ich teile diesen demokratiepolitischen Stil nicht. Ich vermisse sie sehr wohl. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

In einem privatrechtlichen Dienstverhältnis wäre das Arbeitsverweigerung und ein Entlassungsgrund. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) –


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 7

Ich schätze auch viele Mitglieder viel zu sehr, als dass ich diese Fraktion hier nicht vermissen würde.

Meine Fraktion hat den vorliegenden Fristsetzungsantrag gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eingebracht – das aus den schon von Kollegen Bieringer angeführten Gründen. Ich kann mir daher auch die Wiedergabe unseres Versuches, in der Präsidiale eine konsensuale Lösung herbeizuführen, versagen.

Auch ich darf hervorheben, dass wir die Regelung bezüglich der Ambulanzgebühren umgehend sanieren wollen. Dazu jetzt auch Bemerkungen zu dem Vorwurf an meinen Kollegen, Fraktionschef Bieringer, und zum Vorgehen des Verfassungsgerichtshofs:

Es ist völlig richtig, dass Kollege Bieringer natürlich nicht in Anspruch genommen hat, ein Experte der Verfassungsdogmatik zu sein, und es ist ihm tatsächlich das Wort im Mund umgedreht worden. Denn er wollte nur von einer Sanierung in Bezug auf eine bevorstehende Aufhebung durch ein Erkenntnis, das einen Formalfehler konstatiert hat, sprechen.

Zum Verfassungsgerichtshof – bei allem Respekt, den ich, das werden Sie verstehen, vor dieser Einrichtung hege – muss ich sagen, es war ein einmaliger Skandal, dass unmittelbar vor der Wahl eine Indiskretion stattgefunden hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich unterstelle gar nicht, dass sich das noch besonders auf die Wahl ausgewirkt hat. Das würde ich auch in Kauf nehmen. Das ist nicht meine Hauptbesorgnis, sondern ich meine, wenn man so weit geht, dass man sich sehenden Auges durch Mitglieder dieses Hauses – wer immer das gewesen sein mag – für einen Wahlkampf instrumentalisieren lässt, dann ist man mitschuldig, wenn man Institutionen beschädigt. Auch das ist ein demokratiepolitischer Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich muss auch etwas Weiteres sagen: So sehr ich akzeptiere, dass jede Rechtsprechung unabhängig von politischen Vorgängen und Konstellationen zu agieren hat – es ist für mich völlig klar, dass Zivil- und Strafgerichtsbarkeit ihre Verhandlungstermine oder Urteilsfällung nicht von Wahlterminen abhängig zu machen hat –, so wenig verstehe ich, dass in gewissen Strafverfahren, die auch Repräsentanten meiner Fraktion betreffen, plötzlich ein erstaunlicher Stillstand eingetreten ist. Ich billige das nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Bei einem Verfassungsgericht hingegen meine ich schon eines: Wenn man auf Grund notorischer Überlastung damit rechnen muss – wenn es nicht Eilverfahren sind –, dass zwei oder drei Jahre lang kein Erkenntnis gefällt werden kann – das kann man dem Verfassungsgerichtshof nicht vorwerfen, das ist auf Grund seiner Überlastung bedingt –, dann finde ich es schon bemerkenswert, dass nicht nur die schon kritisierte Indiskretion im Hinblick auf ein bevorstehendes Erkenntnis so knapp vor einem Wahltermin bei einem Gerichtshof fällt, der unbestrittenermaßen auch eine politische Dimension hat, sondern dass man sich dann auch noch mit der Zustellung in einer Weise beeilt, die sonst unüblich ist. Aber es ist richtig, wie schon Kollege Bieringer gesagt hat: Die Zustellung allein macht das Erkenntnis nicht wirksam!

Dieses angesprochene Erkenntnis, das also, wie ich glaubte, in den nächsten Tagen zugestellt werden wird – nun höre ich, es ist schon zugestellt, wenn auch noch nicht kundgemacht –, hat die ursprüngliche Regelung allein aus formalen Fehlern aufgehoben.

Freilich ist richtig, dass es uns nicht nur darum geht, den neuerlichen Gesetzesbeschluss formgerecht abzufassen, und das Sie es vermeiden wollen, für einen bestimmten Zeitraum überhaupt keine Rechtsgrundlage mehr für die Einhebung der Ambulanzgebühren zu haben.

Ich möchte der Sachdebatte nicht vorgreifen und die Regelung daher jetzt nicht meritorisch verteidigen. Da wir, die beiden Fraktionen der Regierungsparteien, aber nun einmal die Lenkungs- und Steuerungseffekte dieser Maßnahme erhoffen und sie so rasch wie möglich eintreten lassen wollen, müssen wir umgehend eine einwandfreie Ersatzregelung beschließen. Dabei können wir es nicht mit einer rein formalen Reparatur bewenden lassen.


Bundesrat
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674. Sitzung / Seite 8

Die zwischenzeitigen Erfahrungen – das stelle ich selbstkritisch fest – mit der ursprünglichen Regelung haben erkennen lassen, dass dieses schwer administrierbar war – und das selbst unter Außerachtlassung der nachweislich auch feststellbaren gezielten Sabotage in der Anwendung durch die Spitalsärzte in manchen Regionen, insbesondere im Großraum Wien, und auch im Hinblick auf den aktuellen Wahlkampf. Das ist wieder ein Beispiel dafür, wie die sozialdemokratische Fraktion auch öffentliche Institutionen für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert. (Rufe bei der ÖVP: Ungeheuer! Ungeheuer! – Bundesrat Dr. Nittmann: Missbraucht!)

So wie mir – ich komme noch einmal auf den Verfassungsgerichtshof zurück – eines auffällt, nachdem der Präsident des Verfassungsgerichtshofes an die Öffentlichkeit gegangen ist und diese einmalige Indiskretion als klare Verletzung der Amtsverschwiegenheit angeprangert hat, so hat mir gestern der Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes, den ich zufällig getroffen habe, gesagt, es verwundert ihn, dass das, obwohl es ein Offizialdelikt ist, bis heute noch nicht zum Anlass einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft genommen worden ist.

Die von mir angedeuteten sachlichen Defizite dieser Regelung über die Einhebung der Ambulanzgebühren waren also Anlass dafür, die gebotene Neuregelung auch zu inhaltlichen Verbesserungen zu nutzen, und zwar sowohl hinsichtlich der leichteren administrativen Umsetzung als auch bezüglich der Klarstellung und Erweiterung des von der Gebührenpflicht ausgenommenen Personenkreises.

All das drängt uns dazu, eine rasche Neuregelung anzustreben. Das ist keine Husch-Pfusch-Gesetzgebung. Wir haben auch verfassungsrechtliche Expertisen eingeholt. Der Verfassungsdienst hat sich verweigert – auch bemerkenswert –, es ist also eine Neuregelung, die sowohl Formfehler vermeidet, als auch inhaltliche Verbesserungen mit sich bringt. Deshalb haben wir den vorliegenden Fristsetzungsantrag gestellt, der die Obstruktionspolitik der sozialdemokratischen Fraktion, wie sie sich heute wieder zeigt, überwinden soll.

Meine Damen und Herren! Da die sozialdemokratische Fraktion, wenn auch prominent durch ihren Fraktionschef vertreten ist, im Übrigen aber nicht existent ist, darf ich fast sagen, ich ersuche Sie, meine Damen und Herren, um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.36

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Dr. Peter Böhm und Kollegen, dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. April 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, eine Frist bis zum 5. April 2001 zu setzen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist mit Stimmenmehrheit angenommen .

Dem Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen ist somit eine Frist bis zum 5. April 2001 zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. April 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden, gesetzt.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluss der Sitzung: 16.38 Uhr