Stenographisches Protokoll

707. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Freitag, 16. April 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

707. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 16. April 2004

Dauer der Sitzung

Freitag, 16. April 2004: 9.00 – 21.05 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz und das Karenz­geldgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geän­dert werden

2. Punkt: Bundesgesetz über ein System für den Handel mit Treibhausgas­emis­sions­zertifikaten (Emissionszertifikategesetz – EZG)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird

4. Punkt: Bericht gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträg­lichkeitsprüfung

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Ar­beits­losenversicherungsgesetz geändert werden (EU-Erweiterungs-Anpassungsge­setz)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden

7. Punkt: Übereinkommen über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Re­publik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG ge­ändert wird

9. Punkt: Bericht über die Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung in Öster­reich 1999 (Berufsbildungsbericht 1999)

10. Punkt: Bericht betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung

11. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerb­lichen Wirtschaft 2000/01

12. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2001


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13. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2002

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geändert wird und ein EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuld­verschreibungen geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanz­strafgesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungs­gesetz 2000 geändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novelle)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsge­setz 1994 geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das IAKW Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle)

19. Punkt: Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Ver­einfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhängen

20. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabi­schen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

22. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buch­haltungs­agentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bun­deshaushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden

23. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Ge­sundheitswesen“ geändert werden

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird

25. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finan­zierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004)

26. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG)

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das  Bundesbetreuungsgesetz geändert wird

28. Punkt: Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahngesetz 2004 – PrivbG)

29. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird

30. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle)


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707. Sitzung / Seite 3

31. Punkt: Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG)

32. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

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Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 42

33. Punkt: Selbständiger Antrag 137/A-BR/2004 der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend die Wahl des Ersatzmitgliedes für die 4. Stelle in den Bundesrat ......................................................................................... 16

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl der Mit­glieder und ihrer Ersatzmitglieder in den Bundesrat ............................................................................................................ 16

Angelobung der Bundesräte Ana Blatnik, Ing. Siegfried Kampl, Günther Molzbichler und Roland Zellot ......................................................................................................................................... 18

Antrag der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen An­trag 137/A-BR/04 betreffend Abhaltung einer Parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR zum Thema „Die Überwindung der ,Digital Divide‘ als regionale Herausforderung“ gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme ..................................................................  42, 42

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Ordnungsruf ................................................................................................................. 164

Fragestunde (101.)

Finanzen ........................................................................................................................ 19

Ilse Giesinger (1315/M-BR/04); Engelbert Weilharter, Stefan Schennach, Wolf­gang Schimböck

Johann Giefing (1321/M-BR/04); Josef Saller, Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichtenecker

Engelbert Weilharter (1319/M-BR/04); Stefan Schennach, Wolfgang Schimböck, Michaela Gansterer


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707. Sitzung / Seite 4

Sonja Zwazl (1316/M-BR/04); Engelbert Weilharter, Dr. Ruperta Lichtenecker, Wolfgang Schimböck

Günther Prutsch (1322/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach

Dr. Ruperta Lichtenecker (1320/M-BR/04); Johann Kraml, Sissy Roth-Halvax, Mag. John Gudenus

Karl Bader (1317/M-BR/04); Roland Zellot, Eva Konrad

Manfred Gruber (1323/M-BR/04); Stefan Schennach

Gottfried Kneifel (1318/M-BR/04); Christoph Hagen, Dr. Ruperta Lichtenecker, Adelheid Ebner

Wolfgang Schimböck (1324/M-BR/04); Helmut Kritzinger, Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 18

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 41

Wahlen in Institutionen

32. Punkt: Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versamm­lung des Europarates              ............................................................................................................................. 201

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 41

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz und das Karenzgeld­ge­setz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geän­dert werden (387 d.B. und 450 d.B. sowie 7003/BR d.B.)                     42

Berichterstatterin: Anna Schlaffer ................................................................................ 42

Redner:

Sissy Roth-Halvax ........................................................................................................ 43

Adelheid Ebner ............................................................................................................. 44

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 46

Eva Konrad ................................................................................................................... 47

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 50

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 50

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 51

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissions­zertifi­katen (Emissionszertifikategesetz – EZG) (400 d.B. und 417 d.B. sowie 7001/BR d.B. und 7004/BR d.B.) ......................................................................... 51


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707. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller .......................................................................... 51

Redner:

Johann Kraml ............................................................................................................... 52

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 54

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 55

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 58

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 60

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 62

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 64

Dr. Robert Aspöck ....................................................................................................... 65

Stefan Schennach ........................................................................................................ 67


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707. Sitzung / Seite 6

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 69

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (354/A und 418 d.B. sowie 7005/BR d.B.)                   69

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 69

Redner:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 69

Ilse Giesinger ................................................................................................................ 70

Karl Boden .................................................................................................................... 71

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 71

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 72

4. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umwelt­verträglichkeitsprüfung (III-247-BR/2003 d.B. sowie 7006/BR d.B.) ................................................................................................................. 72

Berichterstatter: Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg ................................................. 72

Redner:

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 72

Manfred Gruber ............................................................................................................ 73

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den vorliegenden Bericht III-247-BR/03 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 76

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosen­versicherungsgesetz geändert werden (EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz) (414 d.B. und 437 d.B. sowie 7007/BR d.B.) ......... 76

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 76

Redner:

Dr. Erich Gumplmaier ..........................................................................................  76, 84

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 78

Eva Konrad ................................................................................................................... 79

Christoph Hagen .......................................................................................................... 80

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 81

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 85

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (351 d.B. und 438 d.B. sowie 7008/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 85

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 85

Redner:

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 85

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 86

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 87

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Über­einkommen über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Est­land, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Re­publik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schluss­akte (404 d.B. und 419 d.B. sowie 7009/BR d.B.) ...................................................................................................... 87

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 88

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG geändert wird (329/A und 420 d.B. sowie 7010/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 88

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 88

Redner:

Johann Kraml ............................................................................................................... 88

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 89

Stefan Schennach ........................................................................................................ 90

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 91

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 93

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung in Österreich 1999 (Berufs­bildungsbericht 1999) (III-195-BR/99 d.B. sowie 7011/BR d.B.) ................................................................................................................. 93

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 94

10. Punkt: Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung (III-206-BR/2000 d.B. sowie 7012/BR d.B.)                  94

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ........................................................................... 94


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11. Punkt: Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2000/01 (III-237-BR/2002 d.B. sowie 7013/BR d.B.) .................................... 94

Berichterstatter: Mag. John Gudenus .......................................................................... 94

Redner:

Ilse Giesinger ................................................................................................................ 95

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 96

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 96

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 99

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 102

Eva Konrad ................................................................................................................. 104

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 106

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 109

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, den vorliegenden Bericht III-195-BR/99 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, den vorliegenden Bericht III-206-BR/2000 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 112

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, den vorliegenden Bericht III-237-BR/2002 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 112

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2001 (III-239-BR/2002 d.B. sowie 7014/BR d.B.) .............................................................................. 112

Berichterstatter: Mag. John Gudenus ........................................................................ 113

13. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2002 (III-253-BR/2003 d.B. sowie 7015/BR d.B.) .............................................................................. 112

Berichterstatter: Mag. John Gudenus ........................................................................ 113

Redner:

Hans Ager ................................................................................................................... 113

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 116

Roland Zellot ............................................................................................................... 117

Hans Ager (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 119

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 119

Christine Fröhlich ...................................................................................................... 122

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 123

Michaela Gansterer .................................................................................................... 126

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 127

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, den vorliegenden Bericht III-239-BR/2002 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 130

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, den vorliegenden Bericht III-253-BR/2003 d.B. zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 131

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Eu­ropäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geändert wird


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707. Sitzung / Seite 8

und ein EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird (350 d.B. und 429 d.B. sowie 7016/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 131

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 131

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuld­ver­schrei­bungen geändert werden (392 d.B. und 430 d.B. sowie 7017/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 131

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 131

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Grenzkontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsgesetz 2000 geändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-No­velle) (405 d.B. und 431 d.B. sowie 7018/BR d.B.) ...................................................... 131

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 132

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 ge­ändert wird (432 d.B. sowie 7019/BR d.B.)          ............................................................................................................................. 131

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 134

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 134

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 134

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 134

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das IAKW Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle) (413 d.B. und 433 d.B. sowie 7020/BR d.B.) ............................................................................................................... 134

Berichterstatter: Franz Wolfinger ............................................................................... 134

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach ........................................................................................ 135

Stefan Schennach ...................................................................................................... 136

Albrecht Konecny .............................................................................................  137, 140

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 138

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 141

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend das Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung


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und Harmonisierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhängen (339 d.B. und 434 d.B. sowie 7021/BR d.B.)                             141

Berichterstatter: Johann Kraml .................................................................................. 142

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (352 d.B. und 435 d.B. sowie 7022/BR d.B.) ................................................ 142

Berichterstatter: Johann Kraml .................................................................................. 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Absatz 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 143

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, 1. gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 143

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (310/A und 436 d.B. sowie 7023/BR d.B.)                       143

Berichterstatter: Ing. Hermann Haller ........................................................................ 143

Redner:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 144

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 144

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 145

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 145

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 146

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundes­haushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert wer­den (381 d.B. und 428 d.B. sowie 7024/BR d.B.) ............................................................... 147

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 147

Redner:

Johann Kraml ............................................................................................................. 147

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 148

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 149

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 150

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 153

Gemeinsame Beratung über

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Kran-


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kenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden (384 d.B. und 440 d.B. sowie 7025/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 153

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 153

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (441 d.B. sowie 7026/BR d.B.) ........... 153

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ...................................................................... 153

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 154

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-No­velle 2004) (369 d.B. und 445 d.B. sowie 7027/BR d.B.) .... ... 154

Berichterstatter: Josef Saller ...................................................................................... 154

Redner:

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 155

Anna Schlaffer ............................................................................................................ 156

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 158

Eva Konrad ................................................................................................................. 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 160

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Öster­reich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG) (412 d.B. und 448 d.B. sowie 7028/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 160

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 161

27. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das  Bundesbetreuungsgesetz geändert wird (449 d.B. sowie 7000/BR d.B. und 7029/BR d.B.)                        161

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 161

Redner:

Stefan Schennach .............................................................................................  161, 180

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 164

Bundesminister Dr. Ernst Strasser ......................................................................... 165

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 167

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 169


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 11

Eva Konrad ................................................................................................................. 172

Herta Wimmler ........................................................................................................... 173

Christoph Hagen ........................................................................................................ 175

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 177

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 177

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 178

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 26, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 181

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 27, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 182

Gemeinsame Beratung über

28. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahngesetz 2004 – PrivbG) (391 d.B. und 425 d.B. sowie 7030/BR d.B.)                   182

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 182

29. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (349 d.B. und 426 d.B. sowie 7031/BR d.B.)                         182

Berichterstatterin: Herta Wimmler .............................................................................. 182

Redner:

Wolfgang Schimböck .......................................................................................  183, 192

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 185

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 186

Roland Zellot ............................................................................................................... 188

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 189

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ............................................................  190, 193

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 194

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 29, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 194

30. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle) (358/A und 427 d.B. sowie 7032/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 194

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................. 195

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 195

31. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitglied­staaten der Europäischen Union (EU-JZG) (370 d.B. und 439 d.B. sowie 7002/BR d.B. und 7033/BR d.B.) ........................................................ 195

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 195


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 12

Redner:

Stefan Schennach .............................................................................................  195, 200

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 197

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................. 199

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 201

33. Punkt: Selbständiger Antrag 137/A-BR/2004 der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates ............................................................. 201

Annahme des Antrages auf Abhaltung einer Enquete ................................................ 202

Eingebracht wurden

Berichte ......................................................................................................................... 41

III-255/BR: Bericht betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen (Berichtszeitraum 2001 – 2002); Bundesregierung

III-256/BR: Bericht betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2004 – 2006; BM f. auswärtige Angele­genheiten

Anfragen der Bundesräte

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend radikale islamische Gruppen in Österreich (2159/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2160/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Ar­beiten (2161/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2162/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2163/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2164/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2165/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2166/J-BR/04)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 13

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2167/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2168/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Studien, Rechtsgutach­ten und ähnliche Arbeiten (2169/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2170/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Studien, Rechtsgutachten und ähnliche Arbeiten (2171/J-BR/04)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Tiertransport-Kontrollen in Nieder­öster­reich (2172/J-BR/04)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Weisungen an die BH Gmünd (2173/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Steuerreform auf kleine Unternehmungen (2174/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Kosten der „Zwischenlösung“ bei „Abfangjägern“ (2175/J-BR/04)

Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend steuerliche Geltendmachung sozialer Spenden (2176/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Steuerreform auf Städte und Gemeinden als lokale Investoren für die regionalen Klein- und Mittelbetriebe (2177/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend TOP 9 der Tagesordnung der Ministerratssitzung vom 14. April 2004 (2178/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend TOP 14 der Tagesordnung der Ministerratssitzung vom 14. April 2004 (2179/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend TOP 22 der Tagesordnung der Ministerrats­sitzung vom 14. April 2004 (2180/J-BR/04)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend TOP 23 der Tagesordnung der Ministerrats­sitzung vom 14. April 2004 (2181/J-BR/04)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Haftung bei Nuklearunfällen (2182/J-BR/04)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 14

Christoph Hagen, Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Straffälligkeit von Asylwerbern in Vorarlberg (2183/J-BR/04)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernachlässigung der Wirtschaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der Bundesregierung (1962/AB-BR/04 zu 2143/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlagerung der Notstandshilfe (1963/AB-BR/04 zu 2149/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernach­lässi­gung der Wirtschaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der Bundesregierung (1964/AB-BR/04 zu 2142/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernachlässigung der Wirt­schaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der Bundesregierung (1965/AB-BR/04 zu 2144/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernachlässigung der Wirtschaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der Bundesregierung (1966/AB-BR/04 zu 2141/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vernachlässigung der Wirtschaftsinteressen Österreichs durch Mitglieder der Bundesregierung (1967/AB-BR/04 zu 2140/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend völlig unkoordiniertes Auftreten Österreichs im Ausland (1968/AB-BR/04 zu 2145/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Haftung bei Nuklearunfällen (1969/AB-BR/04 zu 2148/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen be­tref­fend Vorantreiben des Atomausstiegs in Europa (1970/AB-BR/04 zu 2146/J-BR/04)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Haftung bei Nuklearunfällen (1971/AB-BR/04 zu 2147/J-BR/04)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereine, die keinen ideellen Zwecken dienen (1972/AB-BR/04 zu 2152/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringend erfor-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 15

derliche Übernahme der Trägerschaft für die HTL-Traun durch den Bund (1973/AB-BR/04 zu 2150/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten der „Zwischenlösung“ bei „Abfangjägern“ (1974/AB-BR/04 zu 2175/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Grenzkontrolldienstes und einer funktionierenden Zollab­ferti­gung an den Grenzübergängen zur Schweiz (1975/AB-BR/04 zu 2156/J-BR/04)



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 9 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 707. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der letzten Sitzung vom 11. März 2004 ist aufgelegen, unbe­anstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Dr. Elisabeth Hlavac und Reinhard Todt.

Einlauf

 


Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt sind ein Schreiben des Steiermärkischen Land­tages betreffend die Wahl des Ersatzmitgliedes für die 4. Stelle in den Bundesrat sowie ein Schreiben des Kärntner Landtages betreffend Wahl der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder.

Hinsichtlich des Wortlauts dieser beiden Schreiben verweise ich auf die im Sitzungs­saal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung ange­schlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

„Reinhold Purr

Präsident des Steiermärkischen Landtages

Herrn

Jürgen Weiss

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner-Ring 3

A-1017 Wien

GZ: LTD-W 1/29-2004

Sehr geehrter Herr Präsident!

Bundesrätin Johanna Schicker hat mit Schreiben vom 23. Februar 2004 (eingelangt am 24. Februar 2004) mitgeteilt, dass sie ihr Bundesratsmandat mit Wirksamkeit des 29. Februar 2004 zurücklegt.

Das bisherige Ersatzmitglied für die 4. Stelle Günther Prutsch rückte an die Stelle von Johanna Schicker nach.

In der Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 23. März 2004 wurde Horst Freiberger als Ersatzmitglied für die 4. Stelle in den Bundesrat gewählt.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen“

*****

„Erster Präsident

des Kärntner Landtages

DI Jörg Freunschlag


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 17

zu Ldtgs.Zl. 5-1/29

Wahl der Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner konstituierenden Sitzung der 29. Gesetz­gebungs­periode am 31. März 2004 die Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nach dem Verhältniswahlrecht gewählt.

In der Anlage übermittle ich ein Verzeichnis der Gewählten.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Anlage

Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder

vom Kärntner Landtag gewählt

Stand: 31.3.2004

29. Gesetzgebungsperiode

FPÖ:

1. Kampl Siegfried Ing.; geb. 12.8.1936, Landwirt, 9342 Gurk, Reichenhaus 3

Ersatzmitglied:

KITZ Gerwald; geb. 30.9.1968, Landwirt, 9103 Diex Nr. 6

SPÖ:

2. MOLZBICHLER Günther; geb. 15.1.1953, Angestellter, 9800 Spittal/Drau, St. Sig­mund-Strasse 16 a

Ersatzmitglied:

TAURER Karoline; geb. 10.11.1965, Angestellte, 9814 Mühldorf 93

FPÖ:

3. ZELLOT Roland; geb. 22.2.1955, Bundesheer-Bediensteter, 9500 Villach, Prosso­witscherstrasse 23

Ersatzmitglied:

NEUNER Christof, Mag.; geb. 15.1.1953, Kaufmann, 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 28


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 18

SPÖ:

4. BLATNIK Ana; geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin, 9072 Ludmannsdorf 49

Ersatzmitglied:

ABRAHAM Anna-Maria; geb. 8.7.1951, Angestellte, 9112 Griffen, Wallersberg 29“

Angelobung

 


Präsident Jürgen Weiss: Das wieder gewählte Mitglied beziehungsweise die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


Schriftführerin des Bundesrates Sissy Roth-Halvax: „Sie werden geloben unver­brüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfas­sungs­gesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflich­ten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Roth-Halvax leisten die nachstehend angeführten Bundesräte die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“:

Blatnik Ana;

Kampl Siegfried, Ing.;

Molzbichler Günther;

Zellot Roland.

*****

(Bundesrätin Ana Blatnik leistet nach Aufruf ihres Namens die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ und „Zaobljubljam“.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich begrüße Sie recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Jürgen Weiss: Der Bundeskanzler hat über Entschließung des Bundes­präsidenten die Mitteilung gemacht, dass innerhalb des Zeitraumes von 16. bis 19. April 2004 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Vizekanzler Hubert Gorbach durch den Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer vertreten wird.

Fragestunde

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Ich beginne jetzt, um 9.03 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 19

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 1. Anfrage, und zwar an den Herrn Bun­desminister für Finanzen. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Giesinger, um die Formulierung der Anfrage.

 


Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1315/M-BR/2004

„Welche Maßnahmen werden vom BMF vorbereitet, um die österreichische Wirtschaft auf die vom Basler Ausschuss für Sommer bzw. Herbst 2004 geplanten neuen Eigen­kapital-Richtlinien – Stichwort Basel II – vorzubereiten?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben nach dem Erfolgsmodell der Euro-Umstellung bereits Anfang des Jahres 2002 im Finanzministerium unter meiner Führung damit begonnen, eine so genannte Basel-II-Plattform aufzustellen. An dieser Basel-II-Plattform wirken mit: natürlich die Nationalbank, die Finanzmarkt­aufsicht, Wirtschaftskammer, Wirtschaftstreuhänder, Justizministerium. All diese Kreise sind während der Vorbereitung angesprochen.

Worum geht es bei Basel II? – Bei Basel II geht es um eine bewusste Stärkung des ganzen Banken- und Kreditapparates hinsichtlich der Kreditvergabe, darum, dass bei Ausfällen auch entsprechende Eigenmittel vorhanden sind, damit durch Kreditausfälle von Kreditnehmern nicht auch die Banken gefährdet sind.

Das bedarf des Ausbaus eines Informationsapparates – das ist ein Nachteil; dadurch, dass es bürokratisch aufwendiger wird, besteht die Gefahr, dass sich Kredite ver­teuern –, aber das erfordert auch von den Kreditnehmern, vor allem bei unserer struk­turierten Wirtschaft, die ja in sehr hohem Maße von den so genannten KMU geprägt ist, dass sie in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung, auf den Aufbau ihrer Bilanzen, auf ihr Rechnungswesen entsprechend darauf vorbereitet sind.

Wir bereiten uns diesbezüglich durch Studien gut vor, wir bereiten uns diesbezüglich auch durch Informationsveranstaltungen vor. Nächste Woche zum Beispiel nehme ich an einer von der Wirtschaftskammer ins Leben gerufenen Veranstaltungsserie teil, wo wir Vorbereitungen treffen.

Vorbereitungen sind natürlich vor allem auch im legistischen Bereich, im steuerlichen Bereich zu treffen. Die in der ersten Etappe der Steuerreform getroffene Begünstigung von nicht entnommenen Gewinnen ist genau solch eine Maßnahme, um die Eigen­kapitalbasis von Unternehmungen zu steigern. Und es sind auch im Rechnungs­wesen – das betrifft vor allem das Justizministerium – entsprechende legistische Ver­besserungen vorzusehen.

Im europäischen Vergleich muss ich sagen: Wir waren auf die Euro-Umstellung sehr gut vorbereitet, wir waren ein Herzeigeland, und ich glaube, wir werden auch Basel II gut bewältigen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Welche Benachteiligungen konnten für die österreichischen Kreditnehmer auf Grund der akkordierten Vorgangsweise der


Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 20

österreichischen Wirtschaftskammer sowie des Finanzministeriums auf internationaler Ebene verhindert werden?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich glaube, durch die Verhandlungen, und zwar in Kooperation mit Deutschland, das ebenfalls eine sehr stark mittelständische Wirtschaft hat, konnten wir dem Basel-II-Abkommen bereits die „Giftzähne“ ziehen. Bei uns werden die so genannten KMUs so wie Privatkunden, Privatkredite behandelt – „retail“ nennt man das –, und das ist die wichtigste Maß­nahme. Jene Betriebe, die nicht in diese praktisch Privatkreditbehandlung hineinfallen, haben trotzdem einen Vorteil, nämlich: bis zu einem Umsatz von 50 Millionen € gelten nicht so strenge Eigenmittelvorschriften wie bei Großunternehmen.

Außerdem ein großer Problembereich war, dass längerfristig laufende Kredite, die wir heute sehr oft in unserem Kreditnehmersystem haben, den Nachteil haben, dass sie von einer höheren Zinsbelastung betroffen sind. Diesbezüglich haben wir ein natio­nales Wahlrecht herausverhandelt, das heißt, die FMA kann bestimmen, dass länger­fristige Kredite nicht mit einem Zinsaufschlag belastet werden.

Ich denke, wir konnten diese Nachteile schon jetzt ausverhandeln.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Kollege Weilharter.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wie schaut nach Basel II die Vorgangsweise bei Betriebsgründungen aus?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Bundes­rat! Ich denke, Betriebsgründungen werden sich durch Basel II nicht grundsätzlich verändern. Wichtig ist, dass man aktuelle Bilanzen hat, und da werden wir noch neue Vorschriften herausgeben. Es geht auch um die Bewertung der Aktiva. Aber KMU-Kredite bis zu 1 Million € können, wie gesagt, wie Privatkredite behandelt werden, und daher kann ich Nachteile für unsere Wirtschaft hier grundsätzlich ausschließen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sie haben in Ihrer Beantwortung von „Giftzähnen“ gesprochen – und damit haben Sie auch Recht, es sind „Giftzähne“ drinnen –, aber was mich interessiert – Sie haben bisher keine Zahlen genannt –: Gibt es überhaupt konkrete Berechnungen seitens Ihres Mi­nis­teriums, in welcher Höhe durch Basel II negative Auswirkungen bei der Kreditfinan­zierung vor allem für Klein- und Mittelbetriebe zu erwarten sind?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Österreich hat schon an gewissen Studien teilgenommen, wo man zu simulieren versucht, welche Auswirkungen sich durch Basel II ergeben werden, und ich kann feststellen, dass wir im kleinen Bereich, also bei Krediten bis zu 1 Million €, sogar eine Verbesserung der Kreditkonditionen haben werden.

Was derzeit noch gewisse Sorge bereitet, ist, dass natürlich die Banken zu umfang­reichen EDV-Aufzeichnungen verpflichtet sind. Diese EDV-Aufzeichnungen haben nur dann Sinn, wenn sie aktuell upgedatet werden, und da gibt es in den Bankensektoren noch Untersuchungen, welchen Verfahren, welchen Methoden man sich hier an­schließen soll. Man muss da zwischen Groß- und Kleinunternehmungen unterschei­den. Wir sind dabei, die Banken insofern zu unterstützen, als dass wir gewisse


Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 21

Musterverfahren entwickeln, damit nicht jeder Bankensektor für sich eigene Aufzeich­nungsverfahren, wie die Bonität zu beurteilen ist, entwickelt.

Ich meine, ein Unsicherheitsfaktor im Großen und Ganzen ist: Wie werden sich die Boni­tätsbeurteilung und die damit zu verbindenden Unterlagen auf die Aufwendungen der Banken kostenmäßig auswirken? Das muss man noch untersuchen, damit man diesen Verteuerungsaufwand, der sich ja dann irgendwie in den Kreditkosten nieder­schlägt – das ist ja heute schon das Problem: die Überwälzung der gesamten Aufwen­dungen auf die Bankkunden –, so niedrig wie möglich hält.

 


Präsident Jürgen Weiss: Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Schimböck.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Gera­de im touristischen Bereich sprechen wir vielfach von Klein- und Kleinstunternehmen; es sind fast 95 Prozent. Die Eigenkapitalausstattung dieser touristischen Unterneh­mun­gen ist Ihnen ja sicherlich bekannt, und gerade die Eigenkapitalausstattung wird nach Basel II ein ganz wesentliches Kriterium sein.

Wie gedenken Sie seitens Ihres Ressorts diesen Bereich zu unterstützen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Bundes­rat Schimböck, ich möchte Ihre Ausführungen bestätigen. Der touristische Bereich ist ein Sorgenkind, weil wir dort bisher andere Besicherungsformen gehabt haben.

Als erste Maßnahme haben wir versucht, mit der steuerlichen Begünstigung nicht entnommener Gewinne – im Gedanken, dass man für Eigenkapital vorzusorgen hat – zu ermöglichen, dass man wirklich Eigenkapital aufbaut.

Das Zweite wird sein – darüber diskutieren wir noch –: Wie kann man stille Reserven, die auch im touristischen Bereich vorhanden sind – Liegenschaften, Bewertungen, die zu niedrig sind – aktivieren, sodass man das von Haus aus vorhandene Vermögen, das nur scheinbar nicht vorhanden ist, wieder in das Unternehmen hineinbringt, das dann natürlich bei der Kreditbewertung mit einbezogen werden kann? Wir werden in diesem Zusammenhang neue Bilanzvorschriften einbringen, und dabei ist natürlich auch die steuerliche Frage zu klären: Wie behandelt man die Aktivierung dieser stillen Reserven steuerlich? Wird das nämlich normal steuerlich behandelt, wird keiner stille Reserven aufdecken.

Das ist noch in Vorbereitung, aber wir haben ja auch noch im Jahr 2005 Zeit; Basel II soll nach den EU-Richtlinien ab dem Jahr 2006 in Kraft treten.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 2. Anfrage. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Giefing, um Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Meine Frage lautet:

1321/M-BR/2004

„Halten Sie es für familienfreundlich, dass nach Ihren Steuerreformplänen Familien mit zwei Kleinverdienern und mehr als einem Kind von den Kinderzuschlägen in der Höhe von insgesamt 200 Millionen € nicht profitieren können?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Die Steuer­reform 2005 ist von verschiedenen Gesichtspunkten geprägt. Vor allem sollen von dieser Steuerreform die niedrigen Einkommensbezieher einen Vorteil haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 22

Bis 10 000 € Jahresbemessungsgrundlage wird in Zukunft überhaupt keine Steuer mehr zu bezahlen sein.

In dem wichtigen Segment 10 000 € bis 25 000 € Jahresbemessungsgrundlage, wo sich von insgesamt 5,9 Millionen Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen 2 225 000 Steuerpflichtige befinden, wird die Steuerreform ganz massiv wirken. Dort wird es zu einer Entlastung von über 1 Milliarde € kommen. Im Vergleich: Durch die Steuerreform im Jahr 2000 unter Finanzminister Edlinger konnte „nur“ eine Gesamtentlastung von 1,2 Milliarden erreicht werden – jetzt wird allein schon für die 2 225 000 Steuer­pflich­tigen in dem vorhin angesprochenen Sektor eine Entlastung von über 1 Milliarde € er­reicht werden!

Wir haben auch eine sehr stark armutsgefährdete Gruppe, nämlich Alleinerzieher und Alleinerhalter in einer Familie. Dieser Gruppe – das sind ungefähr 900 000 Personen – wollen wir durch die Steuerreform noch eine zusätzliche Entlastung ermöglichen. Wenn zwei in einer Familie Geld verdienen, so können auch zwei von der Steuerreform pro­fitieren, ein Alleinerzieher oder Alleinverdiener selbstverständlich nur einmal, und daher wollen wir für diese Gruppe noch ein Sonderpaket schnüren, wodurch zum Allein­ver­dienerabsetzbetrag gestaffelt nach der Anzahl der Kinder noch weitere Zusatzbeträge kommen werden.

Also ich denke, alles in allem ist diese Steuerreform gerade im unteren Einkommens­bereich sehr ausgewogen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Sind Sie bereit, die Steuerreform noch so umzugestalten, dass nicht nur zum Beispiel Groß­verdiener, die Alleinverdiener sind, sondern auch Familien mit zwei Kleinstverdienern Kinderzuschläge erhalten können?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich habe so­eben ausgeführt, dass gerade die Bezieher niedriger Einkommen sehr stark von der Steuerreform profitieren. Einkommensbezieher, die zum Beispiel über 51 000 € Jahres­einkommen haben, haben auch einen kleinen Vorteil. Während aber im untersten Einkommensbereich eine steuerliche Entlastung von bis zu 640 € gegeben sein wird, wird im obersten Einkommensbereich, also für Einkommensbezieher über 51 000 €, die Entlastung nur in etwa 140 € betragen.

Ich meine, wir haben im untersten Einkommensbereich bewusst sehr viel gemacht. Außerdem muss ich dazusagen, dass über 2 Millionen grundsätzlich Steuerpflichtige ab dem Jahr 2005 überhaupt keine Steuern mehr zahlen müssen. Das heißt, wir haben im unteren Bereich eine sehr ausgewogene Steuerreform gemacht.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Welche Maßnahmen hat die österreichische Bundesregierung außerhalb der großen Steuer­reform im Sozial- und Familienbereich gesetzt?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Es gibt ver­schie­denste Maßnahmen, so zum Beispiel bei der Anhebung des Ausgleichszulagen­richtsatzes, bei der Dotation des Unterstützungsfonds für Behinderte. Weiters möchte ich anführen: das Kinderbetreuungsgeld, eine Erhöhung des Mehrkinderzuschlages, Erhöhung der Familienbeihilfe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Es gibt neben der Steuerreform sehr viele soziale Maßnahmen – alle mit dem Ziel, dass Beruf und Familie vor allem für Frauen auch möglich ist.

 


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Mag. Gudenus.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Welche familienpolitischen Maßnahmen wurden zum Beispiel in den Jahren 1995 bis 1999 eingeführt, die nicht auf die Umsetzung eines Verfassungsgerichtshofserkenntnisses zurückzuführen waren beziehungsweise welche familienbezogenen Leistungen wurden in diesem Zeitraum gekürzt?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich möchte darauf hinweisen, dass es schon einmal ein Sparpaket gegeben hat, das natürlich sehr massiv eingegriffen hat, und das war in den Jahren 1995, 1996. Ich war damals selbst Beamter im Rechnungshof und habe mich damals mit diesen Kürzungen auseinander zu setzen gehabt. Am 30. Juni 1996 zum Beispiel wurde die Geburtenbeihilfe in der damaligen Form abgeschafft.

Die Frage, welche Maßnahmen außerhalb des Erkenntnisses der Verfassungsgerichts­hofjudikatur getroffen wurden, ist in erster Linie an den Sozialminister zu richten. Im steuerlichen Bereich kann ich darauf hinweisen, dass die einzige konkrete Maßnahme, die ich vielleicht als Verbesserung bezeichnen möchte, die Einbeziehung des Allein­verdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages ab 1999 in die Negativsteuer ist. Durch die Steuerreform jetzt wird das übrigens noch ausgeweitet. Wir zahlen derzeit im Jahr ungefähr 30 bis 35 Millionen an Negativsteuer aus, und dieser Betrag wird sich durch unsere Steuerreform mit der Einführung der neuen Kinderabsetzbeträge beim Allein­verdienerabsetzbetrag in etwa verdoppeln.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Österreich zählt weltweit zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtenraten. Ist das auf die Familien­politik der Regierung zurückzuführen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir alle wis­sen, dass wir für die Erhaltung unseres Sozialsystems eine entsprechende Anzahl von Kindern brauchen. Wir haben ja beim Pensionssystem das Umlageverfahren, das darauf beruht, dass die im Beruf Stehenden unsere Senioren erhalten müssen. Wir müssen Maßnahmen setzen, wir müssen familienfreundliche Maßnahmen setzen, so­dass es möglich ist, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Dazu zählen viele Maß­nahmen. Einen Teil haben wir schon mit dem Kinderbetreuungsgeld gesetzt, einen Teil setzen wir mit der Neugestaltung der Karenzierungsmöglichkeiten.

Es müssen aber auch zum Beispiel die Kommunen daran mitwirken, dass sie ein ent­sprechendes Angebot an Kindergärten haben, dass diese Kindergärten auch ent­sprechende Öffnungszeiten haben und dass diese auch finanziell leistbar sind. Wenn ich da Bundesländer miteinander vergleiche – Wien mit Niederösterreich –, dann finde ich, dass Niederösterreich da bessere Schritte setzt. (Bundesrat Schennach: Oder Vorarlberg! – Heiterkeit der Bundesrätin Bachner.) Es besteht die Möglichkeit, dass man sich das auch leisten kann. In Wien ist diesbezüglich leider in letzter Zeit eine Tarifpolitik erfolgt, die nicht kinderfreundlich ist. (Bundesrätin Schlaffer: Setzen! Nicht Genügend!)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 3. Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Weilharter, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1319/M-BR/2004

„Ist es richtig, dass die neuen Banken-Eigenkapitalbestimmungen (Basel II) für die mittelständische Wirtschaft, welche das Rückgrat für die heimische Wirtschaft darstellt und die auch einen wesentlichen Teil der österreichischen Steuerlast trägt, einen Nachteil durch Verteuerung der Kredite bringen?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Das war die ursprüngliche Gefahr. Dieses System ist aus Amerika gekommen, war auf die ameri­kanischen Banken und die dortige Wirtschaftssituation zugeschnitten und hätte bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung wirklich zu einer Verteuerung der Kredite geführt.

Was wir inzwischen durch Verhandlungen im Rahmen der EU erreichen konnten, ist, dass Kleinstunternehmungen praktisch wie Privatkreditkunden behandelt werden, dass es aber darüber hinaus noch Sicherheitsregelungen gibt und dass ein nationales Wahl­recht eingeführt wird, von dem wir Gebrauch machen werden, sodass längerfristige Kredite, die normalerweise teurer werden, zu gleichen Konditionen wie kurzfristige Kredite gegeben werden können.

Unsere Wirtschaft lebt vor allem von Permanenzkrediten, bei denen es einen be­stimmten Kreditrahmen gibt, der ständig ausgenützt werden kann. Daher sind gerade diese Regelungen für Österreich sehr wichtig.

Darüber hinaus müssen wir aber auch darauf schauen, dass wir alternative Finan­zierungsmöglichkeiten – die Börse ist da genannt, besondere Möglichkeiten für Neu­gründungen – schaffen, dass wir auch in Beteiligungen denken, also in anderen For­men der Finanzierung, und dass wir unsere Finanzierungsmöglichkeiten nicht allein auf den Kreditapparat abstellen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wird von Ihnen eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Zu einer Zusatzfrage erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Für ein Unternehmen, das sich in Insolvenzverhandlungen befindet, wünsche ich Ihnen dann bei diesen Bedingungen viel Spaß. – Aber das ist eine Bemerkung außer Kon­kurrenz.

Herr Staatssekretär! Wie weit ist denn sichergestellt, dass die AWS, die ehemalige Bürges-Bank, nun auch trotz der internen Turbulenzen, von denen Sie uns vielleicht hier den jetzigen Stand berichten können, tatsächlich funktionsfähig in diese Aufgaben eintreten kann?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Die AWS ist dabei, ihre Führungspositionen neu zu regeln. Ich glaube, das wird in Kürze abge­schlossen sein. Der Betrieb ist dort gewährleistet. Für die Finanzierungsausstattung hat die AWS durchaus die Möglichkeit, den Forderungen nachzukommen.

Wir werden von Seiten des Finanzministeriums nur dafür sorgen, dass durch Um­schichtungen die entsprechenden Finanzierungsmittel in allen Bereichen vorhanden


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 25

sind – da besteht ein Ungleichgewicht bei den einzelnen Fonds, aber das ist eine technische Frage, eine technische Umschichtung –, dass also die AWS jederzeit den ihr zugedachten Aufgaben nachkommen kann.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Schim­böck. – Bitte.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Ich möchte nochmals auf die touristische Situation zurückkommen. Vielfach haben Ge­meinden und Länder auf Grund der lokalen und regionalen Interessen für den Tou­rismus Haftungen übernommen, haben eigene Förderprogramme gestaltet. Sie wissen, dass die Ertragsanteile für die Gemeinden und Städte in ungeahntem Ausmaß gesun­ken sind. Es wird daher nicht mehr möglich sein, diese Förderprogramme in diesem großzügigen Maß auszugestalten.

Welchen Ersatz haben Sie hier seitens Ihres Ressorts anzubieten, um gerade die Basel-II-Maßnahmen abzufedern?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Es haben unter meiner Führung vor kurzem Gespräche mit den Kommunen – Gemeindebund, Städtebund – beziehungsweise mit den Vertretern der Länder, den Finanzreferenten über die finanziellen Auswirkungen der steuerlichen Maßnahmen – Steuerreformgesetz von heuer, Steuerreformgesetz vom nächsten Jahr – stattgefunden. Ich kann dies­bezüglich nur sagen, dass das eine relative Belastung ist: Selbstverständlich müssen die Kommunen einen Teil der jetzigen Ausfälle auf Grund der Steuerreform mittragen.

Wenn man das aber in absoluten Zahlen misst, so kann man feststellen, dass auf Grund der Wirtschaftsentwicklung und vor allem auch der positiven Auswirkungen der Steuerreform in absoluten Beträgen keine Reduzierung eintreten wird. Sie wird nicht so stark eintreten, wie wenn es keine Steuerreform gegeben hätte.

Es gilt immer der Grundsatz: Wenn ich Vorteile aus dem Wirtschaftswachstum habe, habe ich höhere Steuereinnahmen, und dann habe ich beim Ertragsanteilsystem auch positive Effekte für die Kommunen. Bei einer Steuerreform habe ich dann natürlich umgekehrt genauso eine Mitfinanzierungspflicht.

Ich kann Ihnen die aktuellen Daten bekannt geben. Es treten in absoluten Beträgen keine Nachteile ein, sondern die Steigerungsraten sind relativ bescheiden. Sie liegen jährlich bei knapp unter 2 Prozent.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Frau Bundesrätin Gans­terer.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Die neuen Regelungen für die Eigenmittelunterlegung benachteiligen die Bankkredite gegenüber dem bestehenden Akkord dadurch, dass höhere Unter­le­gungssätze auf Bankkredite angewandt werden. Gerade in Österreich sind Aus­leihungen zwischen Banken sehr häufig.

Stellt diese Regelung eine eklatante Benachteiligung für den österreichischen Ban­kensektor dar?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Frau Bundes­rätin! Sie haben grundsätzlich Recht, aber es ist uns gelungen, hier ebenfalls ein so genanntes Wahlrecht zu erkämpfen. Das Rating österreichischer Banken wird sich nach dem Sitzland richten, also nach der österreichischen Bonität. Die österreichischen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 26

Kreditinstitute werden von unserer ausgezeichneten Bonität, Triple A, profitieren. Es werden mittlere und kleinere Institute nicht gezwungen werden, sich einem speziellen Ratingprozess zu unterwerfen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 4. Anfrage.

Ich bitte die Fragestellerin, Frau Bundesrätin Zwazl, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1316/M-BR/2004

„Welche Impulse erwarten Sie sich durch die neue Gruppenbesteuerung, welche im Rahmen des Steuerreformgesetzes 2005 geplant ist, für den Arbeits- und Wirtschafts­standort Österreich?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Frau Bundes­rätin! Wir haben bewusst zum Paket einer massiven Senkung des Körperschaft­steuer­satzes von 34 auf 25 Prozent einen Akzent mit der so genannten Gruppen­besteuerung gesetzt. Die Möglichkeit der Gruppenbesteuerung hat es grundsätzlich schon bisher gegeben, aber sie war sehr, sehr schwierig zu erlangen und es haben daher nicht sehr viele Unternehmungen teilgenommen. Die Gruppenbesteuerung in der neuen Form, dass quasi nur eine finanzielle Beteiligung über 50 Prozent, also 51 Prozent genügt, dass man sie auch über die Grenze hinweg durchführen kann – also dass man einen Mutter-und-Tochter-Verlustausgleich machen kann –, wird unseren Standort, vor allem bei einem Vergleich mit dem, was es sonst für Gruppensteuerregelungen in Europa gibt, so attraktiv machen, dass sich neue Konzernzentralen in Österreich platzieren werden. Das war unsere Absicht.

Wir wollen neue Konzernzentralen gewinnen, denn auf Grund des aggressiven Steuer­wettbewerbs der neuen EU-Mitgliedstaaten hätte die Gefahr bestanden, dass sich die Konzernzentralen nicht in Österreich ansiedeln. Mit diesen neuen Konzernzentralen sind natürlich attraktive Arbeitsplätze verbunden. Es sind vor allem auch For­schungs­einrichtungen damit verbunden. Man kann beobachten, dass sich Unterneh­mungen, die ihren Hauptsitz in einem Land haben, am schwersten tun, Betriebsstätten in diesem Land zu schließen; Betriebsstätten werden dort geschlossen, wo sich die Konzernzen­trale nicht befindet.

Daher ist uns das so wichtig, was die Arbeitsplätze betrifft. Wir haben für diese Maß­nahme nach unseren Schätzungen – wir haben da sehr viele Finanzämter befragt – einen Betrag von 100 Millionen € eingesetzt.

Ich glaube, das ist es wert, dass wir dieses Projekt eingeführt haben. Es ist derzeit wirklich konkurrenzlos in Europa. Die anderen Regelungen, die vergleichbar sind, sind wesentlich schlechter. Ich denke, dass von der europäischen Rechtsprechung her un­ser System überleben wird, das Mustermodell werden wird. Wir versprechen uns sehr viel davon.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Angeblich soll die neue Gruppenbesteuerung dazu führen, dass große Unternehmen wie bereits bisher kaum Steuern zahlen, insbesondere deshalb, weil Verluste nach Österreich transferiert werden. Stimmen Sie dem zu?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich stimme dem nicht zu. Bisher waren derartige Konstruktionen ebenfalls möglich, wenn auch etwas schwieriger. Außerdem war es bislang auch schon möglich, durch den Kauf einer ausländischen Betriebsstätte Verluste über die Grenze zu lukrieren. Allerdings war die Technik wichtiger. Ich glaube, es wird sich für den Standort insgesamt eine bessere Situation ergeben, weil wir neue Unternehmens- und Konzernzentralen für Österreich gewinnen. Das ist die geplante Maßnahme dazu. Es handelt sich um kein Steuergeschenk, sondern wir wollen den Wirtschaftsstandort Österreich damit deutlich verbessern.

 


Präsident Jürgen Weiss: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Durch die neue Regelung der Gruppenbesteuerung wird sich – der Kollege hat es vorhin kurz ange­sprochen – der effektive KöSt-Satz massiv senken, beziehungsweise real auf null gehen. Gibt es konkret Berechnungen in Ihrem Ministerium, in denen dieses Szenario mit berücksichtigt wird und in welchem Ausmaß sich die Größen bewegen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Für uns war bei dem Beschluss, als wir ein Steuerkonzept entwickelten, der effektive KöSt-Satz das Wichtige. Durch die Flat-Tax von 19 Prozent entstand vor allem in der Slowakei eine wirklich ernsthafte Konkurrenzsituation. Wenn ich unseren bisherigen KöSt-Satz von 34 Prozent betrachte, so entsprach dieser mit den Abschreibungsmöglichkeiten effektiv in etwa 27 bis 29 Prozent. Der neue 25-prozentige nominelle KöSt-Satz entspricht einem faktischen, realen Satz von ungefähr 21 bis 22 Prozent.

Wenn man berücksichtigt, dass bei der slowakischen Flat-Tax keine Abschreibungs­möglichkeit besteht, so haben wir, glaube ich, mit der neuen Körperschaftsteuer ein wirklich wettbewerbsfähiges Instrument geschaffen.

Darüber hinaus muss es aber in Zukunft Politik der EU sein, einen Steuerwettbewerb nach unten einzudämmen. Es muss eine Mindestgrenze geben. Es darf nicht dahin gehen, dass, wie es jetzt der Fall ist, neue Mitgliedsländer Nettoempfänger sind, ein hohes Defizit haben und dann zusätzlich über eine aggressive Niedrigstbesteuerung in Richtung null einen Wettbewerb mit jenen Ländern führen, die Aktivzahler sind. Wir werden uns im ECOFIN bemühen, das Thema Steuerharmonisierung in der Form wei­terzuführen, dass es gewisse Mindestgrundregeln und gewisse Mindestbe­steuerungs­maßnahmen geben muss, damit dieser ruinöse Wettbewerb nicht weitergeführt wird.

Dadurch, dass wir unmittelbar angrenzende Partner sind, haben wir dieses Problem zuerst verspürt. Andere Länder, die weiter weg liegen, wie etwa Irland, spüren dieses Problem nicht gleichermaßen. Daher war eine Regelung notwendig. Dies ist für uns eine absolute Untergrenze, denn Steuereinnahmen sind dazu da, dass sie gewisse soziale Aufgaben finanzieren.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Herr Bundesrat Schim­böck. – Bitte.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Bisher war es so, dass ein österreichischer Konzern, der seine Produktions- und Forschungs­stätten ins Ausland verlagerte, eine gewisse Hürde zu nehmen hatte. Er konnte die Anlaufschwierigkeiten und Verluste, die es in den ersten Jahren bei der Errichtung einer Produktionsstätte dort gibt, noch nicht in dem Ausmaß gegenrechnen wie jetzt. Er konnte allerdings, wenn er im Ausland Arbeitsplätze schuf, bereits den Vorteil lukrieren, die dort günstige Tarifsituation zu nutzen.


Bundesrat
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Inwieweit rechnen Sie damit, dass es durch Ihre neue Steuerbegünstigung für Groß­konzerne bei der Schaffung von Produktionsstätten und Arbeitsplätzen im Ausland zur Verlagerung von bestehenden Produktions- und Forschungsstätten von Österreich ins Ausland kommen wird?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Unsere Maß­nahme – die Kombination Körperschaftsteuer plus Gruppenbesteuerung – zielt darauf ab, Unternehmungen und Konzernzentralen hier zu behalten und vor allem auch die Möglichkeit zu schaffen, Betriebsstättenauslagerungen einzubremsen. Es gibt sogar einzelne Beispiele, wo Betriebsstätten im Ausland wieder aufgelassen werden. Gerade diesem von Ihnen geschilderten Phänomen, Herr Bundesrat, wollten wir mit dieser Steuerreform entgegenwirken.

Uns ging es beim zweiten Standbein dieser Steuerreform darum, den Wirtschafts­standort und Arbeitsplatzstandort Österreich zu erhalten beziehungsweise die Situation der steuerlichen Rahmenbedingungen dafür zu verbessern.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 5. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Prutsch, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1322/M-BR/2004

„Wie begründen Sie rechtlich das Steuergeschenk an Baumeister Richard Lugner in Form eines Steuernachlasses in Höhe von kolportierten (lt. News 50/3) 1,8 Mio. Euro, obwohl dieser Wochen später samt teurem Gast am Opernball tanzt und ,kleine‘ Steuerzahler laufend ihrer Steuerpflicht nachkommen müssen?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Bundes­rat! Die Beantwortung derartiger Anfragen ist natürlich sehr schwer (Bundesrat Ko­necny: Das verstehe ich! – ironische Heiterkeit bei der SPÖ), weil ich Ihnen den Steuerakt nicht vorlesen kann. Es gibt ein Steuergeheimnis, das ich wahren muss. Aber ich kann Ihnen versichern, dass unsere Finanz angewiesen ist, alle Fälle, vor allem auch Abschreibungen bei Insolvenzfällen, gleichartig zu behandeln. Das ge­schieht auch in diesem Fall. Es wurde keine „Lex Lugner“ geschaffen. Das kann ich Ihnen versichern. Ich kann Ihnen aber leider nicht sagen, was konkret geschah und ob die Angaben in der Zeitschrift „NEWS“ stimmen oder nicht.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Gibt es ähnliche Vorgangsweisen für Lohnsteuerzahler, wenn sie unverschuldet – ich betone: unverschuldet – in Finanz­nöte kommen und zum Beispiel der Verlust des Eigenheimes droht?

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Das Lohn­steuer­recht und das allgemeine Einkommensteuerrecht kennen derartige Fälle nicht, weil eine betriebliche Situation anders zu beurteilen ist. In diesem Fall geht es um Arbeitsplätze. Die Finanz verfolgt immer den Grundsatz, dass jeder gleichermaßen der Steuerpflicht nachzukommen hat. Allerdings zielen unsere Maßnahmen darauf ab, das Unternehmen zu erhalten, also die Kuh schon vorschriftsmäßig, aber nicht zu Tode


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 29

zu melken. Daher muss man hier Unterscheidungen treffen. (Zwischenruf des Bundes­rates Konecny.)

Bei den Lohnsteuerzahlern gibt es gewisse Möglichkeiten im Rahmen der außer­gewöhnlichen Belastungen. Diese sind aber im Vergleich zu einem Unternehmen an­ders gestaltet. Das gebe ich zu.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Wie beurteilen Sie die mit dem Abgabenänderungsgesetz 1997 rückwirkende Änderung des Umsatzsteuergesetzes, wodurch sich eine Kreditkartengesellschaft eine sich auf Grund einer Betriebsprüfung ergebende Steuernachzahlung von angeblich 44 Millionen € erspart hat? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: An und für sich soll man im Steuerrecht keine rückwirkenden Änderungen vornehmen. Wir haben so etwas allerdings auch bei dieser Steuerreform: Alle familienpolitischen Maßnahmen, die ab dem 1. Juli, oder wann eben das Gesetz beschlossen werden wird – wird sind ja noch im parlamentarischen Prozess –, gelten, werden nach unserem Vorschlag bereits rückwirkend ab 1. Jänner gelten. Das ist ein relativ bescheidener Zeitraum.

Mehrjährige Rückwirkungszeiträume sind für mich unerklärlich und sind aus steuer­politischer Sicht eindeutig abzulehnen. Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sein Staatssekretär Alfred Finz haben derartige Maßnahmen nicht vor. Ob das unter den Titel „Anlassgesetzgebung“ fällt, überlasse ich Ihrer Beurteilung.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wann immer Sie sagen, Sie können den Steuerakt hier nicht vorlesen, bleibt letztlich doch übrig: Die da oben können es sich richten, während die Finanz bei den Kleinen gnadenlos zuschlägt.

Wie wollen Sie folgendem Bild öffentlich begegnen: Die da oben können es sich rich­ten, können sich dann lustig auf dem Opernball bewegen und internationale Gäste auf ziemlich hohe Kosten einladen, während die Finanz dem kleinen Steuerzahler manch­mal sogar Ratenzahlungen ablehnt!?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich habe, wie gesagt, das Problem, dass ich den einzelnen Steuerakt hier nicht vorlegen kann und nicht beweisen kann, dass in diesem Fall so wie in allen Insolvenzfällen vorgegangen wurde, aber unser Ziel ist es, alle nach gleichen Regeln zu beurteilen. Natürlich ist aber jeder Sachverhalt anders, das muss man auch dazusagen. Unser Ziel ist es aber immer, das Unternehmen lebensfähig zu erhalten, sodass wir weiterhin Steuern erhalten. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gibt es gewisse Ermessens­um­stände – Gott sei Dank –, sodass wir fallgerecht eine Lösung erzielen können.

Ich kann Ihnen versichern – das kann ich Ihnen versichern –: Lugner hat keine Son­derbehandlung erfahren. Es wurde so vorgegangen wie in anderen Insolvenzfällen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 6. Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 30

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1320/M-BR/2004

„Mit welchen Mitteln und durch welche Maßnahmen sollen die Mindereinnahmen von rund 381 000 000 € für die Länder sowie 333 000 000 € für die Gemeinden, die durch die Steuerreform 2005 verursacht werden, ausgeglichen werden?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Die aktuellen Zahlen sind etwas anders; sie stimmen in etwa. Die Steuerreform 2005, das Steuer­re­formgesetz 2005, kostet insgesamt 2 564 Millionen €. Hievon trägt der Bund 1 644 Mil­lionen €. Der Anteil der Länder ist höher, denn zu den Ertragsanteilen kommen noch die Transfers dazu. Der Anteil der Länder beträgt 593 Millionen € und jener der Ge­meinden 327 Millionen €, ist also etwas geringer.

Wenn ich jetzt die Entwicklung der Ertragsanteile für Gemeinden und Länder an­schaue – das, was zuerst schon gesagt wurde, das ist ein relativer Wert –: Durch die Progression, durch die Wirtschaftsentwicklung wird der Anteil in absoluten Zahlen nicht geringer werden.

Wir hatten zum Beispiel für die Gemeinden im Jahr 2003 Ertragsanteile von 6 118 Mil­lionen, im Jahr 2004 wird sich dieser Betrag auf 6 310 Millionen steigern, im Jahr 2005 auf 6 373 Millionen. (Bundesrat Manfred Gruber: Das sind Schätzungen!) Das sind natürlich Schätzungen auf Grund der letzten Steuerprognose, selbstverständlich, kön­nen auch nur Schätzungen sein, aber fundiert durch eine ... (Bundesrat Manfred Gru­ber: Wer garantiert die Einhaltung, Herr Staatssekretär?) Die Einhaltung kann niemand garantieren, aber das ist auf Grund des Wifo, eine Schätzung; das ist nicht unsere eigene Schätzung. Im Jahr 2005 werden sich die Ertragsanteile bei den Gemeinden auf 6 373 Millionen steigern, im Jahr 2006 auf 6 509 Millionen. Also: In absoluten Zahlen gesehen tritt keine grandiose Steigerung ein – das gebe ich zu –, es tritt eine Steigerung von unter 2 Prozent ein.

Wie die Gemeinden ihre Aufgaben finanzieren, wird dann ein Thema im Finanzaus­gleich sein.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Einer der Gründe dafür ist die KöSt-Senkung. Gibt es Ihrerseits Berechnungen, auf welche Größen­ordnung sich die Investitionsvolumina, die durch die KöSt-Senkung ausgelöst werden, belaufen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Selbstver­ständlich gibt es einmal die Einnahmensenkungen durch die KöSt-Senkung, aber es ergibt sich ja eine Entlastung der Wirtschaft in der Höhe von ungefähr einer Milliarde. Und diese Milliarde wird sich ja in einer verbesserten Ertragssituation für die Unter­neh­men niederschlagen. (Bundesrat Schennach: Das ist Hoffnung!) Das wird nicht dazu führen, dass jetzt größere Gewinne gemacht werden, sondern ein Teil wird wieder in Investitionen zurückfließen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 31

Das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet überhaupt damit, dass die gesamte Steuer­reform, vor allem durch die KöSt-Senkung, eine Verbesserung von bis zu 0,7 Prozent beim Bruttosozialprodukt bringt beziehungsweise dass durch diese Steuerreform bis zu 12 000 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden – und davon profitieren natürlich alle Gebietskörperschaften, nicht nur der Bund.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage ... (Bundesrat Schennach – in Richtung Staatssekretär Dr. Finz –: Und alles geschätzt! – Staatssekretär Dr. Finz: Zukunft! Das kann ich nur schätzen! – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Ich bitte, Zusatzfragen der Reihe nach zu stellen und nicht in Form von Zwischenrufen.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Kraml.

 


Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Sie haben uns ja jetzt gesagt, dass die Ertragsabgabenanteile in den nächsten vier Jahren um knapp 2 Prozent steigen werden. Sie haben selbst gesagt, dass das dürftig ist.

Ich frage Sie: Wollen Sie beim nächsten Finanzausgleich die Gemeinden dahin gehend entlasten, dass Sie den Bundesanteil, den die Gemeinden da bekommen, wesentlich erhöhen, denn die Gemeinden haben natürlich immer mehr Leistungen zu erbringen, aber die Gelder, die sie dafür bekommen, werden letztendlich immer weniger?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir beginnen erst mit den Finanzausgleichsverhandlungen. Die Gemeinden sind auch für uns im Finanzministerium ein ganz, ganz wesentliches Instrument in unserer Republik, für die bürgernahe Verwaltung. Wir sind also interessiert daran, dass die Kaufkraft der Ge­meinden erhalten bleibt, weil wir wissen, wie wichtig gerade die regionalen Inves­titionen sind. Das werden wir mit dem Gemeinde- und Städtebund genau erörtern, und wir werden versuchen, beim Finanzausgleich eine faire Regelung zwischen den ein­zelnen Bereichen zu erzielen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Roth-Halvax, bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Finanz­staatssekretär! Auch wenn diese Frage schon im Rahmen der dritten Anfrage und auch jetzt teilweise behandelt wurde, ist sie mir doch so wichtig, dass ich noch einmal frage: Welches Ergebnis brachten die Gespräche zwischen den Ländern und Gemeinden und dem Bundesministerium für Finanzen über die Auswirkungen der Mindereinnahmen auf Grund der Steuerreform für Gemeinden und Länder?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Es hat unter meiner Führung eine Verhandlungsrunde gegeben. Diese Verhandlungsrunde ist im Finanzausgleichsgesetz gesetzlich vorgesehen, wir mussten diese Verhandlungs­runde also führen.

Es hat eigentlich zwei unterschiedliche Standpunkte gegeben. Die Länderposition: Die Länder haben gesagt, dass sie grundsätzlich bereit sind, die Steuerreform mitzufinan­zieren, haben jedoch beanstandet, dass es im Verhältnis zu den Ertragsanteilen zu hoch ist. Das widerspricht unserer Rechnung. Die Rechnung der Länder war: Sie ha­ben 16 Prozent Ertragsanteile und tragen jetzt die Steuerreform zu 25 Prozent mit. Das entspricht nicht unseren Vorstellungen. Wir haben zur Klärung dieser Frage – da hat es schon eine erste Sitzung gegeben – einen Arbeitskreis gebildet, damit wir einmal die Zahlen außer Streit stellen und wirklich diesen Anteil feststellen.


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Hingegen lehnen der Gemeindebund und vor allem der Städtebund überhaupt eine Mitfinanzierung der Steuerreform ab. Das kann ich als Vertreter des Finanzminis­teriums insofern nicht nachvollziehen, als gerade auch die Gemeinden und Städte bei der Steuerreform im Jahr 2001 Vorteile gehabt haben. Im Jahr 2001 sind wesentlich mehr Einnahmen hereingekommen, als vorgesehen waren. Es hat daher – insgesamt Länder und Gemeinden – eine um 500 Millionen € höhere Zuweisung an Länder und Gemeinden gegeben. Diese hätten eigentlich zurückgezahlt werden müssen, wurden jedoch nie zurückgezahlt. Damit ist unsere Auffassung: Man kann nicht nur die Vorteile haben und von den Nachteilen nichts wissen wollen, sondern: Wer den guten Tropfen hat, muss auch den schlechten Tropfen mit genießen. – Das ist schon eine altger­manische Spruchweisheit, und diese sollte auch hier gelten.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage dazu stellt Herr Bundesrat Mag. Gudenus.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Wie wer­den sich die Ertragsanteile der Länder und Gemeinden unter Berücksichtigung der Steuerreform in den nächsten Jahren entwickeln? – Das ist eine Frage, die auch das Föderalismusinstitut in Innsbruck sehr interessiert.

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich gehe aus vom Jahr 2003, da haben die Länder 7 061 Millionen € Ertragsanteile gehabt, die Ge­meinden 6 118 Millionen. Im Jahr 2004: die Länder: 7 195 Millionen, die Gemeinden: 6 310 Millionen; im Jahr 2005: die Länder: 7 251 Millionen, die Gemeinden: 6 373 Mil­ionen; im Jahr 2006: die Länder: 7 399 Millionen, die Gemeinden: 6 509 Millionen. Das ist eine auf das Wifo gestützte Steuerprognose – die Realität kann dann je nach wirt­schaftlicher Entwicklung besser oder schlechter sein. Die Prognose wurde sehr vor­sichtig geschätzt, also nehme ich an, dass sie halten wird.

Sie sehen, dass es trotz Steuerreform, trotz relativem Entfall in absoluten Beträgen zu keiner Minderung kommt – aber auch zu keinen kolossalen Erhöhungen, das gebe ich zu.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 7. Anfrage.

Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Bader, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1317/M-BR/2004

„Soll – im Hinblick auf den in Begutachtung geschickten Entwurf eines Erlasses zur steuerlichen Behandlung von Zulagen und Zuschlägen im Bereich von Kranken­anstalten – die Steuerfreiheit von Zulagen gemäß § 68 EStG eingeschränkt werden?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich muss sa­gen, da ist ein bisschen etwas unglücklich gelaufen. Worum geht es hier? Es geht um die Besteuerung von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen im Kranken­anstaltenbereich; vor allem das Pflegepersonal ist davon betroffen, Krankenschwes­tern, Ärzte.

Im § 68 EStG ist das geregelt, und auf Grund unterschiedlicher Besoldungsordnungen haben wir eine Auseinanderentwicklung. Man kann nicht mehr vergleichen, was jetzt


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eine Schmutzzulage ist, weil irgendwelche prozentuellen Anteile von irgendeiner Zu­lage besteuert werden. Diese Zulagen haben verschiedenste Bezeichnungen.

Uns ist es wichtig, dass in diesem Bereich gewährte Zulagen vergleichbar werden: Für gleiche Funktionen sollen gleiche Zulagen steuerbefreit sein.

Wir wollen keine Verschlechterung, das möchte ich hier ausdrücklich darlegen. Wir wollen keine Verschlechterung des bestehenden Zustandes, was § 68 betrifft. Es soll hier keine Gegenfinanzierung stattfinden, sondern es soll der Zustand beibehalten werden.

Wir haben versucht – und das war eigentlich ein Ersuchen aus den Bundesländern –, quer über die Bundesländer eine einheitliche Besteuerung sicherzustellen. Da sind noch Gespräche im Gang. Wir müssen ein Kunststück zustande bringen, da in Be­soldungsordnungen immer wieder neue Regelungen erfunden werden – und da gibt es dann eben einen prozentuellen Anteil von Schmutz-, Erschwernis- und Gefahren­zu­lagen – und gleiche Funktionen gleich behandelt werden sollen, sodass zum Beispiel ein Operateur im Unfallbereich im Bundesland A genauso den Steuervorteil hat wie einer im Bundesland C.

Ich versichere aber: Es wird hier keine Verschlechterung stattfinden. Der Entwurf, der da ausgesandt wurde, war nur ein erster Entwurf und kommt so nicht in Geltung.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Welche Gründe sprachen für die Erstellung dieses Begutachtungsentwurfes?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Es ist eigent­lich der Wunsch aus den Bundesländern gekommen, die quasi befürchtet haben, dass da eine Hinauflizitierung von irgendwelchen Zulagenregelungen erfolgt. Sie waren an einer einheitlichen Besteuerung nach denselben Grundsätzen interessiert.

Aber da das ein gewachsenes Wesen ist und Personalvertreter – ich war selbst zwölf Jahre lang Personalvertreter – diesbezüglich sehr erfindungsreich sind – wie kann man Zulagen erfinden?, und dann erfindet man noch einen Anteil für eine Schmutzzulage und hat damit eine steuerbefreiende Wirkung –, hat sich da ein Baum mit verschie­denen Verästelungen entwickelt. Diesen zurückzuschneiden wird uns noch viel Arbeit bereiten.

Aber was ich hier garantiere – weil es diesbezüglich eine Befürchtung gab –: Es wird zu keiner Verschlechterung derzeit bestehender Regelungen kommen. Wir wollen keine Verschlechterung des § 68 Einkommensteuergesetz haben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Zellot, bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Staatssekretär! Gibt es eine Rechtsprechung zu dem Thema, in welchem Umfang und unter welchen Voraus­set­zungen Zulagen und Zuschläge im Bereich von Krankenanstalten steuerfrei zu stellen sind?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ja, es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung, die auch in den Lohnsteuerrichtlinien 2000, Rand­zahl 1136, nachzulesen ist. Wenn man da die Judikatur hernimmt, dann sieht man, dass da immer von Vergleichsgruppen ausgegangen wird. Beim Arzt zum Beispiel sind nicht Ärzte der einzelnen Fachrichtung zu vergleichen, das ist zu wenig, sondern man


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muss unterscheiden nach Ärzten in Unfall-, Intensivstationen sowie in psychiatrischen Stationen. Nicht verglichen wird damit ein Anästhesist, der hat wieder eine andere steuerliche Behandlung – all das ist nachzulesen –, oder zum Beispiel ein Facharzt für Röntgenologie. Es ist also sehr kasuistisch und sehr streng nach Funktionen.

Die Absicht der Judikatur ist: Alle, die eine vergleichbare Funktion ausfüllen, sollen dieselbe Erschwerniszulage haben. – Es muss natürlich in der Besoldungsordnung eine derartige Zulage auch vorgesehen sein.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Warum sind Spenden an gemeinnützige Organisationen steuerlich nicht absetzbar, Teile des Kirchenbeitrages jedoch schon?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Es hat im Zuge der Steuerreform-Diskussion natürlich vielfältigste Wünsche nach Absetzbarkeit gege­ben, zum Beispiel im künstlerischen Bereich, für Entwicklungshilfeorganisationen. Wir hatten ein diesbezügliches Konzept vor, nämlich dass wir einen einheitlichen Absetz­betrag vorsehen, den man dann für verschiedenste Zwecke nützen kann. Es war dann aber eine Frage der Finanzierung: Was kann man sich im Rahmen einer Steuerreform unter Beibehaltung des Stabilitätspaktes leisten? Und da mussten dann gewisse Abstriche gemacht werden. Daher haben wir die derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht ausgeweitet.

Vielerlei Dinge sind unter die Räder gekommen, zum Beispiel auch Bagatellsteuern: Gerade heute im Zusammenhang mit der Frage Basel II wäre die Kreditvertragsgebühr im Hinblick auf die Höhe von Krediten abzuschaffen. Aber das ist eine Frage der Finanzierung, und wir mussten hier einen Kompromiss eingehen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 8. Anfrage.

Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Gruber, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist zwar eine sehr persönliche Frage, und zwar direkt an den Herrn Finanzminister, aber mich interessiert Ihre Antwort:

1323/M-BR/2004

„Werden Sie in Zukunft als Mitglied dieser Bundesregierung, das auf die Verfassung angelobt ist und welchem daher eine Vorbildfunktion zukommt, die Grundrechte – also auch die Pressefreiheit – respektieren?“

Ich weiß nicht, ob Sie sich mit dem Herrn Finanzminister vorher kurz unterhalten haben, ich bin sehr gespannt auf die Antwort.

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Nebenan­merkung: Ich unterhalte mich täglich mit ihm – wir haben eine hervorragende Team­arbeit –, auch über derartige Fragen selbstverständlich.

Alle Mitglieder der Bundesregierung, selbstverständlich auch ich und auch der Herr Finanz­minister, bekennen sich durch ihren Eid auf die Bundesverfassung zur öster­reichischen Rechtsordnung und den dort geltenden Normen. Dies gilt selbstver­ständlich auch für die in Artikel 10 Menschenrechtskonvention normierte Meinungs­frei­heit.


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Die Meinungsfreiheit ist ein unteilbares Grundrecht und gilt für alle Staatsbürger. Allerdings sind auch weitere Regelungen zu beachten. So regelt zum Beispiel das ORF-Gesetz im § 10 folgende Grundsätze:

„Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Auf­machung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.“

„Die Sendungen dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behin­derung, Religion und Nationalität aufreizen.“

„Das Gesamtprogramm hat sich um Qualität, Innovation, Integration, Gleichbe­rechti­gung und Verständigung zu bemühen.“

„Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungs­bildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.“

„Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein.“ – Ich glaube, mehr ist dazu nicht zu sagen.

Es ist nicht so, dass nur die Minister das zu beachten haben; jene, die Meinung bilden, haben ebenfalls gewisse Grundsätze zu beachten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Staatssekretär! Nachdem Sie von der umfassenden Information gesprochen haben, möchte ich jetzt die Frage stellen, die ich auch an den Herrn Finanzminister gestellt hätte und die er im ORF nicht be­antwortet hat:

Wie können Sie als Finanzminister nur der Republik beziehungsweise dem Wähler verpflichtet sein, wenn Sie über einen Ihnen nahe stehenden Verein einen großen Geldbetrag in der Höhe von 280 000 € von einer Interessenvertretung wie der Indus­triellenvereinigung nehmen beziehungsweise nehmen lassen? (Rufe: Was hat das mit der Pressefreiheit zu tun?)

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Der Herr Finanzminister ist nicht Mitglied dieses Vereines. Er ist auch gar nicht berechtigt, über die Vereinsgebarung Auskunft zu geben!

Im Übrigen wurde dieser Verein steuerrechtlich voll geprüft, ich habe über ein Ergebnis schon Auskunft gegeben. (Bundesrat Boden: Der so genannte Persil-Schein!) Derzeit laufen noch Erhebungen bei der Staatsanwaltschaft. Ich weiß also nicht, inwieweit da der Finanzminister zu weiteren Auskünften verpflichtet gewesen wäre, noch dazu, da er nicht Mitglied dieses Vereines ist. (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist etwas schwierig, diese Debatte mit Ihnen zu führen. Ich verstehe auch nicht ganz den Applaus von vorhin. Hat man vorher dem Text des ORF-Gesetzes applaudiert? Tatsache ist, dass ein Minister aus einem laufenden Gespräch entweicht und den Fragen, die ein Öffentlich-Rechtlicher zu stellen verpflichtet ist, nicht entsprochen hat. Man darf doch als interessierte Öffentlichkeit bitte auch die Frage stellen: Gut angelegt war das Geld der Industriellenvereinigung doch schon, wenn man sieht, wie dann die KöSt gesenkt wurde? (Präsident Weiss: Bitte eine Frage zu formulieren!) Teilen Sie


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diese Meinung, dass das Geld der Industriellenvereinigung gut angelegt war, wenn man es am Ergebnis der Steuerreform betrachtet?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Die in den Statuten der Industriellenvereinigung vorgesehenen Zuwendungen, die ja auch schon anderen Organisationen zugute gekommen sind, haben mit der Steuerreform über­haupt nichts zu tun. Wir haben eine Steuerreform gemacht, um gute oder bessere Rah­menbedingungen für die österreichische Wirtschaft zu schaffen. Auf jeden Fall hat das, was einem Verein zugewiesen oder überwiesen worden ist, mit dieser Steuerreform überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 9. Anfrage.

Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Kneifel, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1318/M-BR/2004

„Welche familienpolitischen Aspekte erwarten Sie sich durch das Familienpaket der Steuerreform?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir wollten mit der Steuerreform – das war eines der Standbeine – gerade einkommensschwache Gruppen gezielt mitfördern. Nach unseren Erhebungen sind es die Alleinverdiener und die Alleinerzieher. Wir haben ungefähr 900 000 Alleinverdiener, dazu gehören auch 100 000 Alleinerzieher; und gerade diese haben große Schwierigkeiten mit der Kinder­erziehung und den damit verbundenen Kosten. In diesem Fall sollte eine spezielle Hilfe gegeben werden.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass wir im familienpolitischen Bereich ebenfalls Maß­nahmen gesetzt haben, mit dem Kinderbetreuungsgeld, mit der Familienbeihilfe und den Ausweitungen bei Karenzierungsmöglichkeiten. Die Steuerreform ist also nur ein Teil der familienpolitischen Maßnahmen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Die Steuer­reform für die Familien ist ja bereits seit Beginn dieses Jahres in Kraft. Wann wird jetzt konkret ausbezahlt, und wie ist die weitere Vorgehensweise dazu?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Die Steuerre­form für die Familien kann natürlich erst ab ihrer Inkraftsetzung wirksam werden. Dies kann bereits ab dem 1. Juli, wenn das Gesetz so beschlossen wird – was ich hoffe und womit ich rechne –, bei der Lohnsteuerbemessung berücksichtigt werden. Weiters be­steht für die Betriebe – das ist aber eine Kann-Bestimmung und keine Muss-Bestim­mung, das richtet sich nach den betrieblichen Gegebenheiten – die Möglichkeit, dass am Ende des Jahres, im November zum Beispiel, das ganze Jahr nochmals aufgerollt wird und rückwirkend ab 1. Jänner auch die neuen Absetzbeträge mit berücksichtigt werden. Wenn das nicht geschieht, kann der Arbeitnehmer das auch noch im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung im nächsten Jahr geltend machen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Hagen.

 



Bundesrat
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Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Welche Auswirkungen hätte eine generelle Erhöhung der Familienbeihilfe gehabt?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir wollten mit dieser steuerlichen Maßnahme, mit diesen Kinderabsetzbeträgen bei Alleinverdiener­freibeträgen gezielt die Schwächsten treffen. Mit einer generellen Erhöhung einer Familienbeihilfe hätten wir zum Beispiel auch besser Verdienende getroffen und wahr­scheinlich mehr Geld dafür gebraucht. In diesem Fall ist es darum gegangen, nicht nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen, nach dem jedes Kind gleich behandelt wird, auch das von Besserverdienern, sondern wirklich gezielt für die Schwächsten in unse­rem System eine familienfreundliche Maßnahme zu setzen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Welche Auswirkungen werden die geplanten Änderungen im Steuerrecht perspek­tivisch auf die Frauenerwerbsquote haben?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir wollen versuchen, die Frauenerwerbsquote zu erhöhen. Die Frauenerwerbsquote wird vor allem durch die Karenzierungsmöglichkeiten bestimmt, auch durch die Verbes­serun­gen im Pensionswesen. Das ist ja auch eine Frage der Neuordnung im Pensions­wesen, dass ich für Zeiten, in denen ich mich der Kindererziehung widme, ebenfalls Pen­sionsansprüche erwerbe.

Beim Steuerpaket möchte ich darauf hinweisen, dass bei einem Vergleich des Ein­kommens von Arbeitnehmern in gleicher oder ähnlicher Verwendung festzustellen ist, dass gerade Frauen leider noch immer eine schlechtere Einkommensituation haben. Genau da wirkt die Steuerreform. Im Segment 10 000 bis 25 000 € befinden sich wesentlich mehr Frauen. Daher werden von dieser Steuerreform Frauen mehr haben als durch andere Maßnahmen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Ist es familienfreundlich, wenn rund 2,2 Millionen Menschen, darunter viele Familienerhalter, bei Ihren Steuersenkungsplänen leer ausgehen, weil sie auf Grund ihres niedrigen Einkommens bereits jetzt schon keine Steuern zahlen müssen?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Frau Bundes­rätin! Wir haben eine Steuerreform gemacht, und die Steuerreform hat sich zum Ziel gesetzt, jene, die Steuern zahlen, zu entlasten, wobei in gewissen Bereichen auch jene einen Vorteil haben, die jetzt auf Grund dieser neuen Absetzbeträge zu einer höheren Negativsteuer kommen. Negativsteuer heißt, anstelle Steuer zu bezahlen, bekomme ich etwas. Ich habe vorhin schon ausgeführt, der Betrag, den wir derzeit an Negativ­steuer auszahlen, ungefähr 30 bis 35 Millionen €, wird sich durch die Neueinführung von Absetzbeträgen in etwa um das Doppelte erhöhen.

Wichtig ist, dass man, wenn man andere Maßnahmen im sozialen Bereich treffen soll, diese im Transferbereich trifft, aber nicht über die Negativsteuer. Das ist meiner


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Meinung nach ein falscher Ansatz im Steuersystem und sollte bewusst nur eine Aus­nahmeregelung bleiben. Das sind nicht Fragen des Steuersystems, sondern Fragen im sozialen Bereich, wie man Gruppen, die praktisch schon bisher keine Steuer bezahlt haben, dazu verhelfen kann, dass sich ihre Einkommenssituation so verbessert, dass sie Steuern zahlen können.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur letzten Anfrage, und ich bitte den Fra­gesteller, Herrn Bundesrat Schimböck, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Die Frage wurde ja schon vielfach angesprochen, aber jetzt vielleicht zu den konkreten Zahlen.

Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1324/M-BR/2004

„Wie haben sich die Ertragsanteile der Gemeinden, summiert nach Bundesländern, 2003 gegenüber 2002 entwickelt?“

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich kann Ihnen gleich vorweg sagen, sie haben sich verschlechtert, weil das nicht Normjahre waren. 2001 war ein außerordentliches Jahr, da sind ja verschiedene steuerliche Maßnahmen getroffen worden. Vor allem die Anspruchsverzinsung bei der Steuererklärung hat dazu geführt, dass Steuererklärungen wesentlich prompter abgegeben werden, das hat sich noch bis in das Jahr 2002 ausgewirkt.

Ein Vergleich nach Bundesländern zeigt folgendes Bild: Das Burgenland hat sich von 163 Millionen € auf 160 Millionen € verschlechtert – das entspricht einem Minus von 2 Prozent –, Kärnten von 407 auf rund 395 Millionen – das entspricht einem Minus von 2,8 –, Niederösterreich von 1 030 auf 1 006 – minus 2,4 –, Oberösterreich 1 004 auf 961 – minus 4,3 –, Salzburg von 430 auf 420 – minus 2,2 –, Steiermark 806 auf 784 – entspricht minus 2,7 –, Tirol 543 auf 523 – entspricht einem Minus von 3,5 –, Vorarl­berg 291 auf 288 – minus ein Prozent –, Wien 1 614 auf 1 576 – minus 2,4 –; quer über ganz Österreich 6 292 auf 6 117 – entspricht einem Minus von 2,8.

Wenn ich allerdings zwischen 2000 und 2006 vergleiche, also einen längerfristigen Ver­gleich anstelle, komme ich zum umgekehrten Schluss: Die Abgaben steigen in diesem Zeitraum jährlich knapp unter 2 Prozent. – Danke.

 


Präsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Ich glaube, das ist ja nur die eine Seite der Medaille, Herr Staatssekretär.

In welchem Ausmaß haben sich eigentlich die Umlagezahlungen der Gemeinden erhöht? – Vielleicht können Sie das, wenn die Zahlen jetzt nicht ganz exakt vorliegen, zumindest grob beantworten, denn das würde ja einen noch viel genaueren Schluss auf die prekäre Finanzlage der Gemeinden und Städte in unserem Land zulassen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Da bin ich jetzt überfordert – ich möchte nicht irgendeine Zahl sagen. Aber ich werde sie Ihnen schrift­lich zukommen lassen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte.

 



Bundesrat
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Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Staatssekretär! Wie hat sich der Steuerausgleich für die Gemeinden im Vergleich zum seinerzeitigen Getränkesteuer­aufkommen entwickelt? (Ruf bei der SPÖ: Schlecht!)

 


Präsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir haben ja viele Dinge geerbt, von denen frühere Finanzminister zwar schon gewusst haben, dass sie ein Problem darstellen, die aber nicht gelöst wurden. (Bundesrat Binna: Nein! Nein!) Ich denke nur an das anonyme Sparbuch und natürlich auch an die Geträn­kesteuer. Da hat ein Finanzminister – Lacina, glaube ich, hat er geheißen – noch zugesichert, dass das auch nach EU-Recht halten wird. – Es hat nicht gehalten, und wir mussten daher natürlich eine Ersatzregelung treffen.

Das durchschnittliche Getränkesteueraufkommen in den Jahren 1993 bis 1997 hat 398 Millionen € betragen. Wir haben eine Ersatzregelung über die Umsatzsteuer ge­troffen, die allerdings keine volle Abgeltung darstellt. In der Zeit zwischen 2004 und 2006 wird sie von 352 Millionen € im Jahr 2005 auf 364 Millionen € und im Jahr 2006 auf 377 Millionen € steigen. Es ist also ungefähr ein Ausgleich, der durch die Umsatzsteuersteigerungen langsam auf über 94 Prozent kommt. Die Ersatzregelung hat mit 88,3 Prozent Ersatz begonnen und ist inzwischen bis auf 94,7 Prozent gestiegen.

Ich muss aber fairerweise dazusagen: Das ist jetzt sicheres Geld, das sich nach der Umsatzsteuer bemisst. Es erledigt sich damit auch der ganze Einhebungsaufwand, den die alte Getränkesteuer verursacht. Im Hinblick auf eine dynamische Entwicklung in der Zukunft meine ich, dass diese Getränkeersatzsteuerregelung keine schlechte Regelung war.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Staatssekretär! Wir wissen, dass die Rückforderung der Getränkesteuer für die österreichischen Gemein­den 1,2 Milliarden € ausmacht, für das Bundesland Kärnten 94 Millionen €. Wie ist der aktuelle Stand in der Getränkesteuer-Causa, bitte?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Wir wissen, dass in der Getränkesteuerfrage schon zweimal der Europäische Gerichtshof angeru­fen wurde. Wir wissen, dass es auch schon eine Mehrfach-Rechtsprechung des öster­reichischen Verwaltungsgerichtshofes gibt.

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat folgendes Erkenntnis erlassen: Die Getränkesteuer ist dann nicht zurückzuzahlen, wenn sie der Gastwirt oder der Geträn­kehandel auf den Konsumenten überwälzt hat – was im System eigentlich vorgesehen war, denn es war ja eine Art Umsatzsteuer. Der Nachweis, ob diese Getränkesteuer überwälzt wurde, ist von der Behörde, im Konkreten von der jeweiligen kommunalen Behörde, zu führen. Nach den Vorgaben des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts­hofs ist je nach Art des Gaststättenbetriebes und nach regionalem Unterschied ein durchschnittlicher Grobaufschlag zu ermitteln. Die Abweichung von diesem Grob­auf­schlag bei dem einzelnen Rückzahlungswerber – wir haben derzeit insgesamt unge­fähr 50 000 Anträge, das macht ungefähr zwischen 600 und 800 Millionen € aus – ist ein Indiz für den Verwaltungsgerichtshof, dass nicht die volle Getränkesteuer auf den Konsumenten überwälzt wurde. – Das ist einmal der eine Teil, den kann man relativ leicht ermitteln, obwohl es für mich etwas betriebswirtschaftlich Fremdes ist, wenn man


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das an dem durchschnittlichen Aufschlagssatz misst; aber gut, so ist das nach dem RIS.

Was uns größere Probleme verursacht: Es ist dann eine so genannte negative Preis­elastizität zu prüfen. Zwischen dem Beitritt zur EU bis zum Erlass des ersten Geträn­kesteuererkenntnisses im Jahr 2000 ist zu ermitteln: Wie hätten sich der Umsatz und der Gewinn entwickelt, wenn es keine Getränkesteuer gegeben hätte? Da haben wir Gutachten vom Wirtschaftsforschungsinstitut eingeholt, da brauchen wir mitunter viel­leicht auch Hilfe aus dem Betriebsprüfungsergebnis: Wie kalkuliert ein Betrieb? Auf Grund dieser Ermittlungen ist man auf gewisse Schätzungen angewiesen.

Es haben jetzt vor allem die Kommunen Wien und Linz umfangreiche Prüfungen in diesem Sinne durchgeführt, und zwar mit Hilfe von ausgesendeten Fragebögen, damit sie auch einen Überblick über die allgemeine Situation bekommen. Es werden in diesen Tagen die ersten Bescheide erlassen. Dann wird man sehen, ob diese be­kämpft und wieder bis zum Verwaltungsgerichtshof führen werden.

Letztlich ist die Frage zu beantworten: Hält der Verwaltungsgerichtshof diese neuen Bescheide mit seinem selbst veranlassten Spruch aufrecht? Ist das in seinem Sinne? Haben wir das jetzt richtig ermittelt? Dann wird man erst das endgültige Ergebnis sehen. – Also ein sehr aufwändiges und mühsames Verfahren, das gebe ich zu, und das ist eine große Belastung auch für die Kommunen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte sehr.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sie haben uns schon bei der Frage 6 und jetzt noch einmal bestätigt, die Gemeinden bekommen ja gar nicht weniger Geld, sondern es wird eben nur nicht mehr. Ich habe es nicht ganz verstanden, aber ich werde es dann im Protokoll nach­lesen, vielleicht wird es dann verständlicher für mich.

Nichtsdestotrotz, die Gemeinden haben auch mehr Aufwendungen. Von meiner Ge­mein­de weiß ich, es fallen immer häufiger Aufgaben an, die eigentlich Bund und Län­der übernehmen sollten: bei Krankenhäusern, im öffentlichen Nahverkehr und auch bei Schulen.

Jetzt möchte ich Sie noch fragen: In welchen Bereichen sehen Sie Einsparungs­möglichkeiten für die Gemeinden?

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Frau Bundes­rätin! Das ist eine sehr wichtige Frage, weil wir ja jetzt den Österreich-Konvent haben, und da gibt es zwei Ausschüsse, in denen ich aktiv tätig bin: im Ausschuss VI, Reform der Verwaltung, in dem natürlich auch Einsparungsmöglichkeiten bei den Kommunen diskutiert werden, und im Ausschuss X, Finanzverfassung.

Ich glaube, wir haben schon einmal einen guten Schritt mit den Gebietskörperschaften getan, im Jahr 2000, als wir das Verwaltungsreformgesetz 2000 beschlossen haben, mit dem gewisse Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt wurden. Zum Beispiel wurde das Fundwesen in Städten mit eigenem Statut dort, wo es Polizei­behörden gibt, im Einvernehmen von der Polizeiverwaltung auf die Kommunen über­tragen. Im Meldewesen wurden Aufgaben übertragen, für die es gewisse finanzielle Ab­geltungen beziehungsweise gewisse faktische Personalübernahmen gegeben hat.

Wir von der Finanz haben den Gemeinden insofern eine Hilfestellung geleistet, als wir zum Beispiel die Einhebung der Kommunalabgaben übernommen haben und hiefür kein Entgelt verlangen. Ich glaube, eine Möglichkeit, auch im kommunalen Bereich


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Verwaltungsreform-Maßnahmen zu setzen, könnte auch in freiwilligen – ich betone: in freiwilligen! – Gemeindeverbänden liegen. Beim Einkauf sehe ich gewisse Sparmög­lichkeiten, bei der Übernahme gewisser Verwaltungsaufgaben sehen wir Möglichkei­ten. Diese diskutieren wir auch, und wir haben auch in unserem Bericht vom Aus­schuss VI gewisse Möglichkeiten aufgezeigt, etwa die Zusammenarbeit der Gebiets­körperschaften betreffend. Es ist, glaube ich, nicht mehr nötig, dass wir auf drei Ebenen für parallele Aufgaben Paralleleinrichtungen haben, wie etwa ein Bundes­finanzamt, ein Landesfinanzamt oder ein kommunales Finanzamt. Wenn ein Finanzamt vorhanden ist, soll es für die anderen Gebietskörperschaften die Aufgaben überneh­men.

Wir haben auch gemischte Behörden diskutiert, also dass praktisch in eine Gesell­schaft Bund, Landes- und Kommunalbehörden eingebracht werden. Ziel ist es, eine bessere Produktivität und Effektivität sowie eine Effizienzsteigerung zu erreichen. Auch die Gemeinden sollten, was ihre Ausgaben betrifft, nach Möglichkeit im Sinne der Verwaltungsreform mitwirken, und sie wirken zum Teil auch mit, aber da sehe ich noch ein gewisses Einsparungspotential, das wir natürlich auch in den Finanzausgleichs­verhandlungen ansprechen werden.

Nur ein Beispiel: Wir haben heute beim Bund niedrigere Personalkosten, effektive Per­sonalausgaben, als im Jahr 1999. Das hat keine andere Gebietskörperschaft in Öster­reich. (Bundesrat Manfred Gruber: Wir auch!) – Sie auch? Sehr gut! Aber es gibt auch welche, die höhere Ausgaben haben. Solchen Dingen werden wir natürlich nach­ge­hen. – Danke.

 


Präsident Jürgen Weiss: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, entsprechend vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 1962/AB bis 1975/AB verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen werden. (s. S. 14.)

*****

Eingelangt sind zwei Berichte, nämlich der Bericht der Bundesregierung betreffend den Abbau von Benachteiligungen von Frauen, Berichtszeitraum 2001 bis 2002, welchen ich dem Ausschuss für Frauenangelegenheiten zugewiesen habe, sowie der Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fortschreibung des Dreijahresprogramms der Österreichischen Entwicklungspolitik 2004 bis 2006, den ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zugewiesen habe.

*****

Weiters eingelangt und von mir zugewiesen sind jene Beschlüsse des Nationalrates sowie jene Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen sowie die Wahl eines Vertreters Österreichs in die Par­lamen­tarische Versammlung des Europarates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


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Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Jürgen Weiss: Die Bundesräte Mag. Himmer, Prof. Konecny, Prof. Dr. Böhm, Schennach, Kolleginnen und Kollegen haben gemäß § 21 der Ge­schäftsordnung den Selbständigen Antrag 137/A auf Abhaltung einer Parlamenta­ri­schen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Die Überwindung der ,Digital Divide als regionale Herausforderung“ eingebracht.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung verlangt, diesen Selbstän­digen Antrag ohne Ausschussvorberatungen in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag, den Antrag 137/A auf Abhaltung einer Parlamen­tarischen Enquete ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhand­lung zu nehmen, abstimmen.

Hierzu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag zustim­men, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, den Antrag 137/A ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit angenommen.

Ich ergänze die Tagesordnung um den Antrag 137/A als Tagesordnungspunkt 33 und somit als letzten Punkt der Tagesordnung.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Jürgen Weiss: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Punkte 9 bis 11, 12 und 13, 14 bis 17, 19 und 20, 23 und 24, 26 und 27 sowie 28 und 29 der Tagesordnung jeweils unter einem zu abzu­führen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen daher so vor.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz und das Karenzgeldgesetz, das Ka­renzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden (387 d.B. und 450 d.B. sowie 7003/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin dazu ist Frau Bundesrätin Schlaffer. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Anna Schlaffer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenz-


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urlaubszuschussgesetz und das Karenzgeldgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Roth-Halvax das Wort.

 


10.27

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Die vor­liegende Novelle stellt eine höchst notwendige Korrektur dar und unterstreicht die Fa­mi­lienpolitik der ÖVP unter dem Motto: die Familien stärken, Wahlfreiheit garantieren und die Leistungsfähigkeit sichern!

Es wird auf die Rückforderung der Zuschüsse an Familien seit dem Zeitpunkt der Einführung, also von 1996 bis 2001 sowie auf den bis zu 15-prozentigen Zuschlag verzichtet. Ich begrüße diesen Verzicht, der mit 4 Millionen € zu Buche schlägt und mit welchem ein Erbe sozialdemokratischer Minister korrigiert wird. (Bundesrat Manfred Gruber: ÖVP-Regierungsbeteiligung!) Sozialleistungen zur Existenzsicherung sollten nicht wie Bankdarlehen behandelt werden!

Wie ist der Stand des novellierten Gesetzes? – Die Eltern müssen nun über die Rück­zahlungspflicht informiert werden. Der 15-prozentige Zuschlag wird abgeschafft. Wie­ters ist der Minister ermächtigt, in Härtefällen bei einer bis zu 15-prozentigen Über­schreitung der Zuverdienstgrenze von einer Rückzahlung abzusehen.

Erwähnenswert ist weiters, dass man beim Karenzgeld 316 € pro Jahr dazuverdienen durfte und ab 2002 die Zuverdienstgrenze auf 14 600 € angehoben wurde.

Der Ruf seitens der Sozialdemokratie nach einer echten Wahlfreiheit ist für mich nicht nachvollziehbar, denn diese Maßnahme ist ein Quantensprung hinsichtlich Erhöhung und Wahlfreiheit für die mündige Bürgerin. So sei auch nicht unerwähnt, dass Öster­reich laut Eurostat bei den Familienleistungen hinter Luxemburg an zweiter Stelle rangiert.

Folgende Maßnahmen seien in diesem Zusammenhang erwähnt:

höhere Anrechnung der Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate für die Pension; die Bemessungsgrundlage für die Bewertung von Kindererziehungszeiten wurde auf mehr als 200 Prozent angehoben; pro Kind drei Jahre weniger Durchrechnungszeit; eine familienfreundliche Steuerreform, wie zum Beispiel der Alleinverdienerab­setzbe­trag in der Höhe von 364 €; die Anhebung der Pendlerpauschale, die Familienhospiz­karenz und die Anhebung der Zuverdienstgrenze um das Vierfache sowie die Erhö­hung der Familienbeihilfe.

Die von dieser Regierung getätigten Maßnahmen im Sinne einer familienfreundlichen Politik könnten noch weiter aufgezählt werden, sollten aber bekannt sein.

Was die Kinderbetreuungseinrichtungen betrifft, sollte berücksichtigt werden, dass die Ansprüche im ländlichen Raum andere sind als im städtischen Umfeld. Zusätzlich sollte die Wahlfreiheit eines vielfältigen Angebotes gewährleistet sein, wie zum Beispiel in Niederösterreich. Niederösterreich ist das einzige Bundesland, in dem die Kinder-


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betreuung vormittags kostenlos ist und in der Zeit zwischen 12 und 16 Uhr 77 € kostet. Ab drei Anmeldungen besteht das Recht auf eine längere Öffnungszeit. Bei uns be­steht die Möglichkeit der Betreuung der Kinder unter drei, der Tagesmütter und der Flying Nannys, die ins Haus kommen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die gesetzliche Lage ist so, dass, wenn ein Elternteil und ein Kind hauptgemeldet sind, ein gesetzlicher Anspruch auf einen Kindergartenplatz besteht. Diejenigen Abgeord­neten, die über mangelnde Kinderbetreuungseinrichtungen klagen, bitte ich, die Lan­desgesetze zu durchforsten und zu korrigieren. Und ich bitte auch Frau Kollegin Ebner, meine Landes-Kollegin: Bitte seien Sie so lieb und informieren Sie die Genossin Schlaffer, dass ihre Bemerkung bezüglich der Leistungen Niederösterreichs, nämlich: 5, setzen!, als der Herr Staatssekretär diese erwähnt hat, unpassend war, denn es stimmt nicht. Niederösterreich ist in diesem Punkt wirklich auf dem ersten Platz. Vielleicht glaubt sie es Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heit­lichen.)

All diese Maßnahmen sollen wieder Mut zum Kind machen und bieten der Mutter die Möglichkeit, den Anschluss an das Berufsleben nicht zu verpassen. Ich denke aber, dass neben all diesen politischen Maßnahmen auch unser aller Einstellung zum Kind wieder eine andere werden sollte. Ich habe manchmal, vorwiegend im städtischen Raum, den Eindruck, dass wir uns der Ein-Hund-Ehe nähern. Ein Kind zu bekommen und aufzuziehen bedeutet Mühe, bringt manchmal Ärger, manchmal Sorgen, kostet Zeit und Geld. Aber ein Kind auf die Welt zu bringen, bedeutet in viel höherem Maße Liebe, Freude, Gemeinschaft, Dankbarkeit und ein Für-einander-da-Sein in allen Lebenssituationen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Kind ist auch heute immer noch so etwas wie ein Generationenvertrag, was Beziehungen betrifft. Ein Kind, das Sie zur Welt bringen, mit dem Sie den Frühling verbringen, mit dem Sie im Sommer Gemeinschaft haben, ist auch bei Ihnen, wenn für Sie der Winter beginnt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.33

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


10.33

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Ich bin auch sehr stolz auf mein Bundesland Niederösterreich, aber ich muss trotzdem sagen, es gibt bei den Kinder­betreuungseinrichtungen doch einigen Nachholbedarf.

Unsere Fraktion wird der Regierungsvorlage, mit der das Karenzurlaubs­zuschuss­ge­setz, das Karenzgeldgesetz, das Karenzurlaubsgesetz und das Kinderbetreuungs­geld­gesetz geändert wird, selbstverständlich die Zustimmung geben. (Demonstrativer Bei­fall des Abg. Mag. Gudenus.) Die geplanten Korrekturen sind prinzipiell zu begrüßen, da sie eine Entlastung für Eltern mit kleinerem Einkommen bedeuten.

Das Kinderbetreuungsgeld ab 1. Jänner 2002 sieht eine Zuverdienstgrenze für den Antragsteller vor. Die Anspruchsdauer besteht unter gewissen Voraussetzungen bis zu drei Jahren. Der Zuschuss für das Kinderbetreuungsgeld beträgt jährlich zirka 2 000 € und wird über einen Antrag gewährt. Dieser Zuschuss soll eine Unterstützung für die Kinderbetreuung für Bezieher mit kleinem Einkommen sein. Überschreitet das Einkommen in weiterer Folge bestimmte Einkommensgrenzen, so ist der Zuschuss in Form bestimmter Prozentsätze dieses Einkommens zurückzuzahlen. Die Einkom­mens­grenze für die Gewährung des Zuschusses beträgt für den Antragsteller 5 200 €, für


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den zweiten Elternteil 7 200 € und pro jedes weitere Kind 3 600 €. Rückfor­derungs­möglichkeiten, die über das Finanzamt abgerechnet werden, bestehen bis zur Vollen­dung des 15. Lebensjahres des Kindes.

Wir begrüßen den Schritt, dass die Rückzahlbarkeit von gewährten Zuschüssen vor dem 1. Jänner 2002, also zu Zeiten des Karenzgeldes, beseitigt werden soll, da damit viele Familien beziehungsweise Alleinerzieher wieder in finanzielle Engpässe getrieben worden wären. Ich denke, gerade das Kinderbetreuungsgeld hat dazu beigetragen, dass sich Frauen aus dem Berufsleben zurückziehen. Ein Einstieg in eine Erwerbs­tätigkeit ist nach beinahe drei Jahren für viele oftmals schwerer oder überhaupt nicht mehr möglich.

Das Ziel, dass sich vermehrt Väter an der Kinderbetreuung beteiligen und den gesetz­lichen Anspruch wahrnehmen, wurde auch durch das Kinderbetreuungsgeld nicht erreicht.

Zukunftsorientierte Kinderbetreuung scheint eine ganz entscheidende Frage für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft zu sein. Immer mehr Frauen entschließen sich dazu, keine Kinder zu haben, da es eine Entscheidung zwischen Erfolg im Beruf und der Rolle in der Familie ist, die mangels brauchbarer Betreuungs- und Hilfeange­bote miteinander nicht vereinbar sind.

Die Gleichstellung der Männer und Frauen ist in Österreich per Gesetz festge­schrie­ben. Wenn ich von Niederösterreich ausgehe, gibt es angesichts der Tatsache, dass von 437 315 Familien rund 37 Prozent keine Kinder haben, dennoch viele Probleme. Von Jänner bis Dezember 2003 wurden in meinem Bundesland 13 679 Ge­bur­ten ver­zeichnet. Das sind um rund 2,7 Prozent weniger als im Vorjahr.

Immer mehr junge Frauen entscheiden sich dafür, keine Kinder zu haben. Die Ur­sachen liegen auf der Hand: Die Kosten für die Kinderbetreuung sind zu hoch. Noch dazu fehlt in vielen Gemeinden oftmals ausreichende Kinderbetreuung. Außerdem passen die angebotenen Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen oft nicht mit den beruflichen Bedürfnissen der Eltern zusammen.

In der heutigen Arbeitswelt wird den Menschen immer mehr Flexibilität abverlangt, oftmals bis zur Grenze der totalen zeitlichen Verfügbarkeit. Durch die Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handel stehen die Dienstnehmer in Bezug auf die Erziehung und Beaufsichtigung ihrer Kinder oft vor unlösbaren Problemen. In einer Befragung wurde beispielsweise auch eine Betreuung an Sonntagen und während der Ferien dringend gefordert. Bei einer besseren Kinderbetreuung mit ausreichenden Betreu­ungs­angeboten, so glauben jedenfalls die Befragten, könnten sich wieder mehr Men­schen ihren Wunsch nach Kindern leichter erfüllen.

Das bedarfsgerechte Betreuungsangebot für Kinder muss daher die Betreuung der Kinder vom ersten bis zum 14. Lebensjahr sicherstellen. Es muss eine liebevolle Be­treu­ung der Kleinkinder geben, die Geborgenheit und Nestwärme genauso beinhaltet wie die richtige Pflege und die Vorbereitung auf den Eintritt in den Kindergarten.

Die Einführung der Ganztagsschule würde Schülern und Eltern entscheidende Vorteile bringen. Hier wird das Lernen nicht so komprimiert gefordert, es gibt Pausen und Zeit zum Erholen. Bei Problemen mit Hausaufgaben könnten die Pädagogen helfen, und nach Schulschluss gibt es praktisch keine Hausarbeit mehr. Es werden so auch die Eltern entlastet, die mit ihren Kindern nun die Freizeit nach Schulschluss genießen könnten.

Nicht ausreichend erscheint die Betreuung für unter Dreijährige beziehungsweise die Nachmittagsbetreuung. Die Öffnungszeiten dieser Betreuungseinrichtungen ent­spre-


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chen oft nicht den Notwendigkeiten für die berufstätigen Eltern. Dieses Manko ist speziell in unserem ländlichen Raum festzustellen.

Die Gemeinden, die oftmals den größeren Teil für die Schaffung und Erhaltung der Kinderbetreuungsplätze übernehmen müssen, sind finanziell überlastet. Es wird immer schwieriger, diese Aufgaben zu übernehmen. Vielleicht kann in einigen Bereichen auch noch eine gemeinsame Regelung für die Zukunft unserer Familien gefunden werden. (Beifall bei der SPÖ.)

10.39

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


10.39

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Kollegen und Kolleginnen! Die beiden Vorrednerinnen haben sehr deutlich die Wichtigkeit einer sozial ausgewogenen Kinderbetreuung dargestellt: Frau Kollegin Roth sehr positiv und Tatsachen sonnig beleuchtend, Kollegin Ebner aus dem Waldviertel nachdenklich und auch kritische Anmerkungen machend, die ihre Bedeutung haben und die wir, glaube ich, auch in den weiteren Jahren beachten müssen.

Besonders beeindruckt in den Ausführungen von Kollegin Ebner – leider Gottes ne­gativ beeindruckt, aber das ist jetzt nicht ein Vorwurf an Kollegin Ebner – hat mich die Feststellung: Immer mehr junge Frauen entscheiden sich gegen das Kind.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir brauchen eine Kultur zum Leben, eine Kultur des Lebens und eine Kultur zum Kind und zu Kindern. Ohne diese Kultur ist all unser Agieren in den gesetzgebenden Körperschaften vergebens und eigentlich sinnlos.

Pro Frau 1,3 beziehungsweise 1,4 Kinder zu haben, heißt eigentlich, die Bevölkerung Österreichs einem ständigen Aderlass zuzuführen und sich selbst aufzugeben. Ich sehe nicht den Grund für den Pessimismus, den man zu haben glaubt, um keine Kinder haben zu wollen. Wir müssen den Egoismus einzelner Gruppierungen, einzel­ner Personen überwinden, und diesen können wir zum Teil mit finanziellen Anreizen überwinden.

Deswegen ist es ja auch wichtig, dass es diese Rückzahlungsverpflichtung, die dieses Gesetz verursacht, nicht mehr gibt. Es sind bedauerliche Informationsfehler gewesen, und ich bin froh, dass sowohl das Karenzurlaubszuschussgesetz wie das Karenz­geld­gesetz und das Karenzurlaubsgeldgesetz in diesen Punkten außer Kraft gesetzt wer­den. Also: keine Rückzahlung, das scheint mir besonders wichtig.

Wichtig ist auch, dass wir gewisse Erkenntnisse aus einer Unterlage gewinnen, die das Sozialministerium unter dem Titel „Schätzung der direkten und indirekten Kinder­kos­ten“ herausgegeben hat. Sie unterstreichen die Aussage von Frau Kollegin Ebner, warum sich junge Frauen oder junge Lebensgemeinschaften und Ehen oft gegen das Kind entscheiden.

Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung ergibt sich, dass zwei Erwachsene mit einem Kind ein um 16,5 Prozent höheres Einkommen realisieren müssen als ein Vergleichshaushalt ohne Kinder, um das gleiche Wohlstandsniveau zu erreichen.

Oder: Ein Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern muss ein um 34 Prozent höheres Einkommen aufweisen, um mithalten zu können; und ein Haushalt mit drei Kindern sogar ein um 52 Prozent höheres Einkommen.

Wir erkennen an diesen drei Zahlen, wie problematisch die Situation für Paare ist, sich für die Familie im wahrsten Sinne des Wortes, das heißt für Kinder, zu entscheiden. Es ist in diesem Zusammenhang eine wesentliche Besserstellung durch diese Regierung,


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im Speziellen durch das Finanzministerium und das Sozialministerium, erreicht wor­den. Wir können nicht in einer Legislaturperiode oder zwei Legislaturperioden das auf­holen, was in den vergangenen Jahren versäumt worden ist – nicht in böser Absicht, aber man ist einem gewissen modischen Trend gefolgt und hat die Familie nicht mehr als Kern einer Staatsgemeinschaft aufgefasst.

Bei AlleinerzieherInnen sind die Einschränkungen noch größer: Ein Alleinerzie­her­haushalt mit einem Kind muss um 33 Prozent und mit zwei Kindern um 64 Prozent mehr Einkommen erzielen, um im Wohlstandsniveau gegenüber dem Ein-Personen-Haushalt nicht zurückzufallen.

Diese Zahlen sind Fakten. Es muss uns gelingen, diese Einkommensunterschiede für Familien im Laufe der nächsten Jahre aufzuheben. Wir wissen, nicht nur Geld macht eine Familie aus. Wir wissen aber auch, dass das Geld sehr wohl ein wesentlicher Punkt ist, um das Leben lebenswert zu erhalten. Man möchte nicht gegenüber den Nachbarn abfallen.

Also: Wir brauchen nicht ein Kind pro Familie, wir brauchen mehrere Kinder, um das Wohlstandsniveau der Republik Österreich wieder anzuheben. Es wird immer von den Arbeitslosen gesprochen, aber dabei übersehen, dass wir keine Kinder haben. Die Arbeitslosen sind teilweise durch die Kinderlosigkeit bedingt, denn wer braucht denn die verschiedenen Tagesgüter, die man konsumieren will, wer braucht Haushalts­ge­räte, wenn keine Kinder mehr vorhanden sind? Viele haben zwei Haushalte, also mehr als zwei Staubsauger braucht man nicht. Wo kommt das Wachstum her? Wir brauchen Kinder!

Ich rufe Sie auf zu einer Politik und zu einer Kultur des Lebens! Ich rufe Sie auf gegen eine Politik und gegen eine Kultur der Abtreibung, welche ein staatlich straffrei gestell­ter Mord ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.46

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


10.46

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! – Herr Kollege Gudenus! Die Abtreibungsdebatte ist eine andere, die möchte ich hier nicht führen, aber ich bin doch ein wenig entsetzt über Ihre Meinung in diesem Punkt. Aber das diskutieren wir vielleicht später. (Bundesrat Mag. Gudenus: Es steht Ihnen frei, so zu sprechen, wie Sie wollen!)

Mit der Änderung, die wir hier heute beschließen sollen, wird ein alter Missstand be­seitigt, und das ist auch gut so. Da wurde zuerst Menschen in schwierigen Situationen Geld gegeben, aber in jenem Moment, da eine Einkommensgrenze überschritten wurde, musste das mit einem 15-prozentigen Zuschlag zurückgezahlt werden. Das ist ja alleine schon deshalb nicht sinnvoll, weil damit Menschen, vor allem Frauen, zu AlmosenempfängerInnen werden. Und sie werden auch noch bestraft, wenn sie Geld verdienen.

Dieses Problem wird auch weiterhin bestehen bleiben, auch wenn diese Zuverdienst­grenze angehoben wird. Es ist eben oft schwierig zu berechnen, wie hoch das Jah­reseinkommen letztendlich wirklich sein wird, vor allem bei einem unregelmäßigen Ein­kommen, das bei Frauen sehr häufig ist. Außerdem arbeiten Frauen sehr oft in so ge­nannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Hier ist es eben besonders schwie­rig, vorauszuplanen und Zuverdienstgrenzen im Auge zu behalten.


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Das ist wieder einmal eine Hürde für Frauen: Anstatt sie selbst entscheiden zu lassen, wie viel sie trotz kleiner Kinder arbeiten können und wollen, werden sie bestraft, wenn sie zu viel verdienen. Damit wird ihnen eine Wahlmöglichkeit genommen.

Ich mag es trotzdem nicht, wenn Frauen- und Familienpolitik immer in einem Atemzug genannt werden. Frauenpolitik geht über Familienpolitik hinaus. Es wurden vorher familienpolitische Maßnahmen dieser Regierung genannt: Nicht alles, was familien­politisch gut ist, ist auch frauenpolitisch gut. Es gibt genug Beispiele und Zahlen, die belegen: Auch wenn familienpolitische Maßnahmen erfolgreich sind, wird ein Kind im­mer noch von jemandem zu betreuen sein. Das sind in den meisten Fällen Frauen, und das hat in den meisten Fällen für die Frauen, zumindest hinsichtlich ihrer Berufs­ent­wicklung, negative Folgen.

Deshalb ist gerade die Frage der Kinderbetreuung massiv wichtig. In diesem Punkt treffen sich Frauen- und Familienpolitik nämlich. Sehr viele Frauen kehren nach der Karenz nicht mehr in den Beruf zurück oder haben massive Schwierigkeiten, ihre Karriere weiter zu verfolgen.

Im Bericht über die Einkommen von Frauen und Männern 2000, der ebenfalls heute, und zwar später, auf der Tagesordnung steht, gibt es dazu eine interessante Zahl aus einer Langzeitstudie: Frauen, die nicht in Karenz gegangen sind, verdienten 1997 im Schnitt 20 Prozent mehr als 1993; Frauen, die in Karenz gegangen sind, verdienten 1997 9 Prozent weniger. Das ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass sehr viele Frauen nach der Karenz zu Teilzeitbeschäftigungen übergehen. Aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass das Einkommen dieser Frauen weit geringer ist als jenes von Frauen, die nicht in Karenz waren.

Deshalb ist es genau in dieser Phase – in den ersten Lebensjahren des Kindes – wichtig, dafür zu sorgen, dass Frauen die nötigen Rahmenbedingungen vorfinden, um selbst zu entscheiden, wie sie beides unter einen Hut bringen. Es ist schon klar, dass jede politische Richtung ihr bevorzugtes Familienmodell hat, aber es ist nicht richtig, das den betroffenen Frauen und Familien aufzuzwingen.

Vor allem aber hat sich das Bild der Familie, so wie wir es kennen, in den letzten Jah­ren massiv gewandelt. Diese Vorstellung vom Vater, der das Geld verdient und heim­bringt, und von der Mutter, die kocht und die zwei Kinder versorgt, trifft ja in der Realität in den meisten Fällen nicht mehr zu und wird, glaube ich, in dieser Form auch nicht mehr von allen begrüßt. Als alleinige Form der Familie gehört das jedenfalls der Ver­gangenheit an.

Anstatt aber jetzt Frauen und Familien gegeneinander auszuspielen, wird es Zeit, auf diese geänderten Bedürfnisse einzugehen und eine Familienpolitik zu betreiben, wie sie schon lange fällig ist: Es muss ein hoch qualitatives Angebot an Kinderbetreuung, angepasst an die Lebensrealitäten der Eltern, geschaffen werden und Wahlfreiheit für Frauen und auch für Männer, wie sie Familie und Beruf in Einklang bringen wollen, geben. Es ist ja auch nicht fair den Männern gegenüber, davon auszugehen, dass sie dann automatisch die Verpflichtung haben, die Familie zu erhalten, und die Frau dazuverdient, sondern auch Männer sollen sich entscheiden können, ob sie vielleicht mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Solange allerdings Frauen im Schnitt um ein Drittel weniger verdienen als Männer, wird das, so denke ich, oft eine theoretische Diskussion bleiben.

Im Nationalrat ist im Zuge dieser Debatte auch das Argument gebracht worden, dass sich die wenigsten Frauen im Beruf verwirklichen könnten und insofern das Leben in der Familie doch besser sei. Dieses Argument ist einerseits irrelevant, und anderer­seits zeugt es von einem unglaublich verstaubten Frauenbild, denn für den Großteil der


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Berufstätigen sind der Beruf und die Arbeit in erster Linie dazu da, Geld zu verdienen, und erst in zweiter Linie, sich zu verwirklichen.

Wenn man seinen Lebensunterhalt bestreiten kann und nicht von Sozialleistungen oder von Almosen abhängig ist, dann ist man selbständig. Auch die 72 Prozent der Stu­dierenden, die neben ihrem Studium arbeiten, machen das ja nicht, um sich Kennt­nisse in Soziologie zum Beispiel anzueignen, sondern machen das, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch eine Frau mit eigenem Einkommen, auch wenn es statistisch noch immer um ein Drittel niedriger ist und oft aus Teilzeitbeschäftigungen oder atypischen Arbeitsverhältnissen kommt, ist dann nicht davon abhängig, ob sie verheiratet ist oder wie viel ihr Mann verdient und ihr dann zur Verfügung stellt. Sie ist finanziell unabhängig, und darum geht es bei Berufstätigkeit – und erst in zweiter Linie geht es um die Selbstverwirklichung!

Aber mit diesem Argument zu kommen, Frauen können eh zu Hause bei den Kindern bleiben und müssen nicht berufstätig sein, weil sie nicht die Jobs der Generaldirektorin oder der Schriftstellerin bekommen, in denen sie sich verwirklichen können, das halte ich in dieser Debatte eigentlich für verfehlt. (Bundesrat Mag. Himmer: Hat aber nie­mand gesagt, das muss man auch dazusagen!) – Ich habe ja gesagt, im Nationalrat ist das gesagt worden! Und das ist mir so aufgefallen, dass ich mich doch darauf be­ziehen wollte.

Zur Frage der Entscheidung für oder gegen Kinder. Natürlich ist es wichtig für einen Staat, dass es Kinder gibt, die dann das Staatswesen weiter erhalten. Der Herr Kollege vor mir hat sehr oft davon gesprochen, dass sich Frauen für oder gegen Kinder entscheiden und dass Frauen im Schnitt 1,4 Kinder haben. Erst später in seinem Beitrag hat er dann auch die Männer erwähnt. Es sollte doch diese Entscheidung für oder gegen Kinder nicht von der Frau allein getroffen werden, sondern die Rolle der Männer sollte hier schon ein bisschen stärker betont werden!

Es ist nun einmal die freie Entscheidung eines jeden Menschen, Kinder zu haben oder nicht. Die Politik kann das nicht vorschreiben, sondern sie kann nur Rahmen­bedin­gungen schaffen, unter denen sich eine Frau nicht entscheiden muss, ob ihr Familie oder Karriere beziehungsweise generell beruflicher Erfolg lieber ist, Rahmenbedin­gun­gen, unter denen ein partnerschaftliches Familienmodell möglich ist –anstatt dass der Mann allein für den Unterhalt zu sorgen hat und die Frau im besten Fall dazuverdienen kann.

Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder geht es ja nicht nur um diese ersten Lebensjahre und um die Betreuungsmöglichkeit, sondern da geht es auch um Fragen wie: Welche Schulbildung kann ich meinem Kind bieten? Wird es später eine Lehrstelle und einen Job finden, und kann ich es mir auch leisten, meine Kinder studieren zu lassen? Welches Umfeld, welches Leben und welche Gesellschaft werden meine Kinder vorfinden? – All das sind Rahmenbedingungen, die bei der Entscheidung für oder gegen Familie eine sehr wichtige Rolle spielen.

Umso trauriger finde ich es dann, wenn zum Beispiel die Ministerin Gehrer darüber lamentiert, dass die Werte verfallen und Urlaub oder Ferienwohnungen wichtiger seien, und wenn das dann auch noch als Wertedebatte bezeichnet wird. Besser wäre es, die Politik würde endlich die Rahmenbedingungen schaffen, um diese Entscheidung zu erleichtern. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.53

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundes­rätin Zwazl. – Bitte.

 



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10.54

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Meine Damen und Herren! Das Kinderbetreuungsgeld ist ein weiterer Schritt, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, und dafür sind wir sehr dank­bar. Ich spreche jetzt hier als Vertreterin der Wirtschaft und als Vertreterin der Selbständigen und Unternehmerinnen, und es ist mir hier ein besonderes Anliegen, auf die spezielle Situation der Unternehmerin hinzuweisen. Ich weiß, dass wir dieses Problem hier nicht lösen können, aber ich nehme jede Gelegenheit wahr, um auf diese speziellen Bedürfnisse und Situation aufmerksam zu machen.

Für Unternehmerinnen ist die Zuverdienstgrenze mit dem Unternehmensgewinn ge­kop­pelt. Wer sich in der Wirtschaft auskennt, weiß, dass Gewinn nicht gleich Entnahme bedeutet. Viele Unternehmerinnen machen nämlich genau das und müssen das machen, was man von ihnen erwartet: Sie lassen den Gewinn im Unternehmen, denn sonst haben sie bald kein Unternehmen mehr. Wir wissen alle, dass die Unter­nehmerinnen meist in sehr kleinen Betrieben mit einem bis drei MitarbeiterInnen arbeiten, und da ist es ganz wichtig für den Fortbestand des Betriebes, dass man nicht den gesamten Gewinn entnimmt.

Deshalb ist meine große Bitte, dass man für die Unternehmerin die Zuverdienstgrenze in eine Entnahmegrenze umwandelt. Das ist auch meine Bitte an dich, Herr Staats­sekretär, sich dafür einzusetzen. Es sind ja gerade die Unternehmerinnen, die die meisten Kinder in Österreich haben und diese unter sehr schwierigen Bedingungen großziehen müssen. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe meine Kinder immer im Unternehmen mitgehabt. Ich bin eine so genannte „Känguru-Mutter“, es ist jedenfalls nicht einfach.

Ich bitte Sie, wenn es Maßnahmen gibt, um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie zu erleichtern, dass man auch die besonderen Bedürfnisse der Unternehmerin­nen berücksichtigt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der Frei­heitlichen, der SPÖ und der Grünen.)

10.55

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


10.56

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung, gegen das Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschussgesetz, das Karenzgeldge­setz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert werden, keinen Einspruch zu erheben, wird soziale Ungleichheit, um nicht zu sagen, soziales Unrecht, beseitigt.

Meine Damen und Herren! Die von der damaligen Regierung, bestehend aus ÖVP und SPÖ, 1996 eingeführte Rückzahlung mit einer Verzinsung von 15 Prozent gehört damit der Geschichte an. Diese Maßnahme kann auch als Sozialleistung einer blau-schwarzen Regierung in die Geschichte eingehen. Der Verzicht auf die Rückzahlung der Zuschüsse zum Karenzgeld, aber auch die damit verbundene Abschaffung des, wie ich meine, überhöhten Zinssatzes von 15 Prozent ist für viele Menschen, für rund 60 000 Mütter und Väter, ein richtiger sozialer Schritt in die richtige Richtung und bringt vor allem für 60 000 Betroffene soziale Gerechtigkeit.

Das, meine Damen und Herren, ist eine Sozialpolitik, wie wir sie uns vorstellen, um nicht zu sagen, Sozialpolitik vom Feinsten. Das ist Sozialpolitik, wie sie von ÖVP und SPÖ in der Vergangenheit nie gemacht wurde.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Wir, die Vertreter der Regierungsparteien, haben das Kinderbetreuungsgeld eingeführt, wir haben die Zuverdienstgrenze angehoben, wir haben die Familienbeihilfen erhöht, wir haben die Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate ausgedehnt, wir haben die Familienhospizkarenz geschaffen, wir haben die Bemessungsgrundlage für die Bewer­tung von Kindererziehungszeiten auf drei Jahre angehoben, und wir beseitigen so­ziales Unrecht, wie eben mit der gegenständlichen Beschlussfassung, welches von Vorgängerregierungen geschaffen wurde.

Das ist eine neue Qualität der Politik, wie ich meine, und das, meine Damen und Herren, kann durchaus als Sozialpolitik vom Feinsten bezeichnet werden. Das ist Familienpolitik, wie sie sein soll, und ich freue mich, dass die Vertreter der größeren Oppositionspartei, der SPÖ, dies erkannt haben und diesen Beschluss mittragen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.58

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Karenzurlaubszuschuss­ge­setz, das Karenzgeldgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und das Kinderbetreuungs­geldgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (Emis­sions­zertifikategesetz – EZG) (400 d.B. und 417 d.B. sowie 7001/BR d.B. und 7004/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Haller übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über ein System für den Handel mit Treibhaus­gasemis­sions­zer­tifikaten (Emissionszertifikategesetz – EZG).

Das von den Vereinten Nationen eingesetzte Intergovernmental Panel on Climate Change hat in seinem Dritten Sachstandsbericht im Jahr 2001 die Aussage getroffen, dass es verstärkte Beweise für den durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt gibt. Die internationale Staatengemeinschaft hat auf das Problem Klimawandel durch Annahme der Klimarahmenkonvention 1992 und des Kyoto-Protokolls 1997 reagiert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 52

Das Kyoto-Protokoll sieht für die EU und alle Mitgliedstaaten ein Reduktionsziel für die Treibhausgasemissionen von 8 Prozent im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber 1990 vor.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates enthält Bestimmungen über die Geneh­migung für Treibhausgasemissionen aus Anlagen, die unter das Emissionshandels­system fallen, sowie Regelungen für die Überwachung und Meldung von Treibhaus­gasemissionen und die Überprüfung durch unabhängige Prüfeinrichtungen.

Weiters ist vorgesehen, dass der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Pläne für die Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten an die Betreiber der betroffenen Anlagen auf Grund von exakt definierten Kriterien erstellt.

Die Zertifikate sind in der ganzen EU frei handelbar. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat ein Register für die Verbuchung der Zertifikate zu führen, in dem jede Transaktion aufscheint.

Die Anlagenbetreiber sind verpflichtet, für die erfassten Treibhausgasemissionen der Anlage (ab 2005 Kohlendioxid) in jedem Jahr Zertifikate an die Behörde zurück­zu­geben. Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung sind Pönalen vorgesehen.

Ziel des Gesetzes ist es, durch die Schaffung eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten einen Beitrag zur Erreichung des österreichischen Reduktionsziels von 13 Prozent der Emissionen von Treibhausgasen zu leisten und die Emissionshandelsrichtlinie der EU umzusetzen. Durch das gemeinschaftliche System sollen ökonomische Effizienzgewinne bei der Erreichung von CO2-Reduktionszielen lukriert werden.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege! Ich darf Sie bitten, vor allen Dingen den Antrag zu stellen, wie sich das Plenum nach der Ausschussberatung verhalten soll.

 


Berichterstatter Ing. Hermann Haller (fortsetzend): Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich wiederhole: Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat in seiner Sitzung be­schlossen, dem Plenum zu empfehlen, keinen Einspruch zu erheben.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Ich bitte Herrn Kollegen Kraml, das Wort zu ergreifen.

 


11.02

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heute vorliegenden Emissionszertifikategesetz kann niemand so wirklich zufrieden sein. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Es ist so, Herr Bundesminister! Ich bin nicht wirklich zufrieden damit, und zwar des­halb, weil es nicht zu tatsächlichen Einsparungen bei den Treibhausgasen führen wird. Meiner Meinung nach führt dieses Gesetz zu einem nicht gewollten Lenkungs­effekt, und zwar dahin gehend, dass Investitionen dort getätigt werden, wo die Sache am billigsten ist, und das ist nun einmal nicht in Österreich. Ich nenne das „virtuelle Einsparungen“, die auf dem Papier stattfinden, in Wirklichkeit aber weniger bringen.


Bundesrat
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Sie, Herr Bundesminister, haben es da ja nicht so leicht, denn die Kyoto-Ziele hat ja noch der damalige Umweltminister Bartenstein ausverhandelt, und Sie müssen sich jetzt Ihrer Haut wehren, weil der Herr Wirtschaftsminister jetzt andere Interessen verfolgt. Man kann fast von einer Kindesweglegung sprechen, die er in diesem Zusam­menhang vornimmt.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass wir mit unserer Umwelt so schonend wie möglich umgehen müssen. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, werden wir uns alle auch einschränken müssen. Der Klimawandel erfolgt schneller, als er uns einmal prognostiziert wurde, und das wissen wir alle. Wenn der Klimawandel, so wie er jetzt stattfindet, weiter fortschreitet, mündet er in der Klimakatastrophe, und diese trifft uns alle – jeden Einzelnen von uns und auch jeden Zweig der Wirtschaft.

Meine Damen und Herren! Gemäß den Kyoto-Zielen sind wir eine Verpflichtungs­erklä­rung eingegangen, die eine Reduktion der CO2-Emissionen im Ausmaß von 13 Prozent vorsieht. Wo stehen wir diesbezüglich jetzt? – Österreich verzeichnet eine Steigerung und keine Senkung der Werte, und wir sind im europäischen Vergleich auch leicht zurückgefallen.

Anders ausgedrückt heißt das, dass wir mit diesen 13 Prozent Einsparungen nicht mehr das Auslangen finden werden, sondern dass wir an die 20 Prozent einsparen werden müssen. Dazu kommt auch noch, dass, wenn Russland das Gesetz nicht ratifiziert, die gesteckten Ziele insgesamt nicht erreicht werden können.

Es sind gewaltige Aufgaben, denen wir uns in diesem Zusammenhang stellen müssen. Es geht auf der einen Seite um den gesamten Bereich des Verkehrs, und dort hatten wir in den letzten Jahren noch große Steigerungen beim Schadstoffausstoß zu verzeichnen.

Wir sind mit immer mehr Transport- und Individualverkehr auf unseren Straßen kon­frontiert. Wir haben Wohngebiete, an denen täglich Hunderttausende Fahrzeuge vor­bei­rollen und die Bevölkerung nicht nur durch den Lärm strapazieren, sondern natürlich auch durch den Schadstoffausstoß gewaltig belasten.

Um hier wirklich zu wesentlichen Entlastungen zu kommen, werden die Schiene, aber auch die Wasserstraße zu forcieren sein – beides geschieht jetzt nicht. Die Rollende Landstraße zum Bespiel verzeichnet durch die verfehlte Transitpolitik der Bundesre­gierung, sage ich jetzt, sogar signifikante Rückgänge.

In diesem Zusammenhang ist auch der Wohnbau ein ganz wichtiger Bereich, denn da diskutieren wir auch darüber, ob die Wohnbauförderung insgesamt zurückgenommen wird. Das ist meiner Ansicht nach ein falscher Ansatz, denn ich glaube, dass wir die Wohnbauförderungsmittel sehr wohl brauchen, nur müssen wir sie anders einsetzen. Ich meine, dass wir sie in der Wohnhaussanierung wirklich sehr gut brauchen können und dass die Wohnhaussanierung letztendlich auch für unsere Umwelt sehr viel bewirken wird.

Es geht auch um die Wirtschaft und um die Industrie. Wenn ich mir zum Beispiel die voestalpine in Linz anschaue, dann muss ich sagen, dass dort wirklich gewaltige Leistungen im Bereich Umwelt vollbracht worden sind, nur: All das darf nicht aufhören, es muss weitergehen. Ich weiß schon, dass das sehr viel kostet – gerade die letzten Prozent sind ja meistens die teuersten.

Meine Damen und Herren! Wir sehen, dass wir da noch gewaltige Aufgaben zu lösen haben. Ich denke, dass neben der Bewusstseinsbildung auch Taten gesetzt werden müssen, Taten, die – ich habe es schon erwähnt – manchmal auch wehtun werden. Aber es ist letztendlich ganz wichtig, dass die Umwelt nachhaltig verbessert wird.


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707. Sitzung / Seite 54

Wie ich eingangs schon erwähnt habe, ist uns das vorliegende Gesetz nicht weit reichend genug, und wir werden dieser Vorlage daher auch nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.08

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.08

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Herr Kollege Kraml hat gerade gesagt, Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, stimmen dem Gesetz nicht zu, weil es zu wenig weit reichend ist. Ich glaube aber, es ist ein Anfang, und jeder Anfang ist gut – man kann ja später immer noch weitere Schritte darauf folgen lassen. Ich halte das für sehr wichtig.

Sie haben gesagt, es werde darüber diskutiert, dass die Wohnbauförderung zurück­genommen wird. Dazu muss ich Ihnen Folgendes sagen: Bei uns wird nicht darüber diskutiert, dass sie zurückgenommen wird – im Gegenteil, sie ist verbessert worden. Es war Ihr Parteivorsitzender, der der Meinung war, dass die Wohnbauförderung sogar abgeschafft werden soll. Das ist natürlich nicht gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir wissen von der Wissenschaft, welchen Umweltschaden die Treibhausgasemissionen anrichten. Ich komme aus der Landwirtschaft und weiß sehr wohl, wie wichtig eine gute Umwelt ist, denn gerade das Klima und das Wetter sind Faktoren, die uns sehr stark betreffen – man denke nur an die Katastrophen in den vergangenen Jahren. Daher ist es sehr wichtig, dass etwas für den Klimaschutz getan wird.

Daher hat sich auch die Europäische Gemeinschaft gemäß dem Kyoto-Protokoll ein Reduktionsziel von 8 Prozent im Zeitraum von 2008 bis 2012 gegenüber dem Basis­jahr 1990 gesetzt. Österreich hat wiederum im Rahmen einer internen Lastenaufteilung innerhalb der EU ein Reduktionsziel von 13 Prozent übernommen. Ich glaube, das ist eine gute Sache. Wenn wir andere Länder hernehmen, dann sehen wir, dass diese wesentlich weniger an Reduktion und manche sogar eine Aufstockung vorsehen.

Schade ist natürlich, dass die USA in dieser Sache sehr wenig tun, dass diese sich bis 2012 zurücklehnen. Und ganz besonders schade ist, dass Russland bis jetzt immer noch nicht ratifiziert hat.

Bei der Kyoto-Konferenz wurden drei flexible Optionen entworfen: erstens die Stand­ortmaßnahmen, zweitens der Emissionshandel, den wir heute hier behandeln, und drit­tens grenzüberschreitende Projekte, schadstoffreduzierende Projekte im Ausland, die im nationalen Reduktionsziel angerechnet werden.

Die Emissionshandelsrichtlinie gliedert sich in verschiedene Bereiche: erstens in die Bestimmung über die Genehmigung der betroffenen Anlagen, zweitens in die Über­wachung und Überprüfung der Emissionen, drittens in die Zuteilung der Emissions­zertifikate und viertens in die Verwaltung und Verbuchung der Zertifikate.

Mit der Umsetzung dieser Emissionshandelsrichtlinie wird es nun ermöglicht den Unternehmen, ihre Treibhausgasemissionen auf kosteneffiziente Weise zu reduzieren. Ich glaube, es ist ein erster Ansatz in diesem Bereich, den wir gemeinsam mit der Wirtschaft umsetzen, um das Ziel eines besseren Umweltschutzes zu erreichen.

Mit dem Beschluss dieses Gesetzes können wir uns aber nicht zurücklehnen, sondern das ist einfach ein Anfang. Wir in Österreich wollen 14 Millionen Tonnen an Einsparung erreichen: 1,25 Millionen Tonnen im Bereich der Industrie; 4 Millionen Tonnen aus der


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Raumwärme – dazu kann ich nur sagen, dass wir diesbezüglich in Niederösterreich wirklich einen guten Weg gehen: Wir nehmen die Umweltpolitik aktiv in die Hand, denn durch die ökologische Wohnbauförderung werden Arbeitsplätze geschaffen, der Wohn­bau gefördert und dem Klimaschutz wird Rechnung getragen; ein Beispiel, wie es funktionieren kann. Weiters: 2,1 Millionen Tonnen aus der Energieerzeugung – da muss ich wieder auf Niederösterreich hinweisen, denn wir haben den CO2-Ausstoß durch 168 Fernwärmeanlagen, mehr als 10 000 Hackgutheizungen gegenüber dem Vorjahr um 500 Tonnen verringern können, und im Bereich der Windenergie und der Energie aus Biomasse liegen wir auch sehr gut. 4 Millionen Tonnen sollen im Verkehrsbereich eingespart werden, was sicher das schwierigste Unterfangen ist, denn in den letzten zehn Jahren hat sich der CO2-Ausstoß um 42 Prozent gesteigert.

In diesem Bereich kann aber sehr viel durch technische Innovationen wie Partikel­katalysator oder -filter erreicht werden. Da können wir unserem Landwirtschaftsminis­ter, unserem Lebensminister herzlichen Dank aussprechen, denn er hat in der EU die Initiative ergriffen. Ein Forcieren der Biotreibstoffe würde auch noch einen Beitrag leisten; da würde ich vor allem auch die Beimengungsverpflichtung ansprechen.

Durch das JI/CDM-Programm können wir ebenfalls noch einige Tonnen lukrieren.

Es müssen alle einen Beitrag leisten – jeder Einzelne, die Gemeinden, die Länder, der Bund. Wir in Niederösterreich haben bereits 219 Klimabündnisgemeinden – das sind mehr als 50 Prozent der Gemeinden –, in denen sehr viele Aktionen gestartet werden und vor allem das Bewusstsein des Einzelnen gestärkt wird.

Meine Damen und Herren! Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, um die Er­reichung des Kyoto-Ziels zu ermöglichen. Mit all den aufgezeigten Beispielen und mit dem Beschluss des heutigen Gesetzes über den Emissionshandel ist ein guter Anfang gemacht. Daher würde ich Sie bitten: Stimmen Sie diesem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

11.14

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Lichtenecker. – Bitte.

 


11.14

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Diesner-Wais hat ausgeführt, welche Maßnahmen dazu führen könnten, die CO2-Emissionen zu senken, was auch richtig ist und seine Berechtigung hat, nur: Wir sprechen nicht mehr von der Notwendigkeit einer Reduktion um Tonnen und darüber, welche Möglichkeiten dazu bestehen, sondern es ist erforderlich, um Millionen, um zig Millionen von Tonnen zu reduzieren. Darum geht es hier im Wesentlichen.

Die Situation im Klimaschutz ist derzeit die, dass wir seit Jahren kontinuierlich Stei­gerungen verzeichnen – das ist heute bereits erwähnt worden. Statt der erwähnten 13 Prozent Reduktion haben wir es geschafft, 15 Prozent zuzulegen. Das ist sehr bedauerlich. Selbst die Europäische Umweltagentur sagt, dass im Ranking nur drei Staaten noch schlechter sind als wir, und das kann ja wirklich nicht unser Ziel sein.

Es wird in dieser Diskussion auch immer ins Treffen geführt, dass wir doch nicht unbedingt „Klassenbester“ sein wollen. – Ich will im globalen Kontext gesehen als Österreich und als Oberösterreich immer Klassenbeste sein! Davon sind wir ja ohne­dies weit entfernt, davon kann ja gar keine Rede sein! Letztendlich geht es um eine Strategie, mit der wir Ökonomie und Ökologie gut vereinbaren können. Die Zertifikate sind, auch von der Struktur her, ein richtiger Ansatz. Die Frage ist nur: Wie gestalten wir das Ganze?


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Herr Minister! Es bestand jetzt, auch mit dem Zuordnungsplan, eine historische Chan­ce, und diese hätte genutzt werden sollen. Sie wurde aber bedauerlicherweise – zu meinem Leidwesen, Herr Minister! – nicht genutzt.

Generell sind, wenn man von Nachhaltigkeit spricht, wie Kollege Kraml das heute be­reits getan hat, drei Teile zu berücksichtigen: Das sind die ökologischen, die sozialen und die ökonomischen Bestandteile. Um gesamtgesellschaftlich eine nachhaltige Ent­wick­lung zu erreichen, braucht es alle drei Teile gleichermaßen. Der ökologische Part wird im Moment sträflich vernachlässigt, insbesondere im Bereich des Umgangs mit den fossilen Energieträgern, was zu einer enormen Energieverschwendung und zum entsprechenden Kohlendioxidausstoß und zur Erderwärmung und Klimaveränderung führt.

Wichtig ist es, sich die Kriterien, Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine ökonomisch und ökologisch effiziente Klima- und Umweltpolitik anzuschauen. Dabei geht es auch darum, den Ausgangspunkt zu betrachten. Das ist etwas, was ich in Österreich wahrlich vermisse, etwas, was in jedem Betrieb ein zentraler Bestandteil der Überlegungen ist, was aber im umweltpolitischen Bereich schwerst vernachlässigt wird, nämlich das Thema Kostenwahrheit. Um Wahrheit geht es – und diese wird ver­nachlässigt.

Letztendlich ist – insbesondere auch Ihnen als Agrarökonom, der mit Marktversagen, externen Effekten und so weiter bestens vertraut ist – völlig klar, dass dies Bereiche sind, die berücksichtigt werden müssen, wenn wir von Umweltpolitik sprechen, und dass nicht Kosten vergesellschaftet werden können, während der Nutzen privatisiert wird, so wie es jetzt der Fall ist.

Wenn Sie die Studien zum Klimawandel betrachten, dann sehen Sie, dass diese Entwicklung ja enorme Folgekosten verursacht, die wir gemeinsam zu tragen haben. Ich nenne hier etwa die Hochwasserkatastrophen, die Dürreschäden, generelle Verän­derungen im Ökosystem, ihre Auswirkungen auf die Gesundheit, auf das Umwelt­sys­tem sowieso, auf das Finanzwesen, die Raumordnung, die Landwirtschaft, den Tou­rismus.

Anschauliche Beispiele waren im Jahr 2002 in Oberösterreich, aber auch in Nieder­österreich das Hochwasser und im Folgejahr dann die Dürreperioden mit den Ernte­ausfällen und Missernten. Wir hatten dadurch enorme Kosten zu tragen – auch als Land Oberösterreich, auch die Versicherungen, auch die Privathaushalte. Und es geht dabei auch nicht nur um die finanziellen Aspekte, sondern auch um das menschliche Leid, das damit verbunden war.

Wenn wir uns jetzt anschauen, was die Erreichung des Kyoto-Ziels für Oberösterreich bedeuten würde, dann können wir aus einer Studie ersehen, dass sie eine Einsparung von 3,65 Millionen Tonnen bedeutet – nicht ein paar Tönnchen da und ein paar dort, sondern es geht um enorme Mengen! Wir sind in Oberösterreich mit unserem neuen grünen Umweltlandesrat Rudolf Anschober auf dem besten Wege, auch dem Kyoto-Ziel einen Schritt näher zu kommen. Und wenn Sie diese Menge bewerten, dann bedeutet sie eine Einsparung von Schadens- und Folgekosten in der Höhe von 73 Millionen €. Das ist doch eine ganz enorme Summe, die es zu berücksichtigen gilt.

Wenn man generell die umweltpolitischen Instrumente betrachtet, so muss man sich fragen: Wonach wählt man aus? Wie gestaltet man diese?, und da gibt es die ver­schiedensten Aspekte, wie etwa die ökologische Effektivität, die ökonomische Effi­zienz, die Praktikabilität, die politische Durchsetzbarkeit und so weiter. Es gibt aber na­türlich auch Verteilungsaspekte, wie zum Beispiel: Wer trägt denn die Kosten? De­ment­sprechend sind die Instrumente zu bewerten.


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Umweltpolitische Instrumente sollen so eingesetzt werden, dass es einerseits Impulse für die Industrie, für die Wirtschaft und für einen Strukturwandel gibt, aber andererseits auch eine positive Beeinflussung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und natür­lich auch positive Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation. Umweltpolitik soll und muss immer so gemacht werden, dass sie sowohl für den Unternehmenssektor als auch für die Haushalte planbar ist.

Wenn man sich die Zertifikate anschaut, so kann man feststellen, dass es einige wesentliche zentrale Punkte gibt, die zu beachten sind, wenn man sie einsetzt. Einer dieser Punkte ist zum Beispiel die Wahlmöglichkeit betreffend kostenlose Zuteilung oder Versteigerung.

Es wurde, obwohl es nicht dringend vorgesehen war, die kostenlose Zuteilung gewählt statt der Versteigerung, obwohl Letztere meiner Meinung nach und nach Auffassung vieler Ökonomen und Ökonominnen effizienter wäre. Statt sozusagen einen Einnahme­effekt zu erzielen, wäre zunächst einmal ein Marktpreis herzustellen. Leider wurde das in diesem Bereich nicht beachtet. Auch bei der Geltungsdauer der Zertifikate sollte es klarerweise so sein, dass es sukzessive eine Entwertung gibt, um tatsächlich einen ökologischen Effekt erreichen zu können.

Ein wesentlicher Punkt, der speziell im österreichischen Kontext nicht gegeben ist, ist der Umstand, dass man für eine Zertifikatlösung die Situation eines perfekten Marktes braucht. Das haben wir in Österreich nicht, weil nur einige wenige Betriebe über den Großteil der Zertifikate verfügen. Bei genauer Betrachtung kann man sogar von einer monopolistischen Tendenz sprechen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Ich rede jetzt von Österreich! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bun­desminister Dipl.-Ing. Pröll.)

Es gibt beim gesamteuropäischen Handel genug Nachfrager, aber in Österreich gibt es sehr wohl ein Problem bei der Vergabe. Da hat nämlich sozusagen das Säbelrasseln einiger weniger beim Zuteilungsplan dazu geführt, dass die Emissionsgrenzen noch erhöht werden. Wir bedauern das sehr, denn wir halten das a) ökonomisch und b) ökologisch nicht für klug.

Es wären viele Maßnahmen zu setzen, so zum Beispiel: Ausbau des öffentlichen Ver­kehrs, Umstellung auf Biolandwirtschaft, Erstellung umweltfreundlicher Abfallkon­zepte, Erarbeitung eines Energiewendeprogramms, eine Offensive im Wohnbau, wie es Kollege Kraml heute schon angesprochen hat. All das sind Punkte, die wir auf Bun­desebene sehr vermissen, wie überhaupt den Ansatz zu einer ökonomisch und ökologisch effizienten Steuerreform. Dabei bietet gerade der Umweltsektor einen enor­men Markt, wie auch die Studie der Wirtschaftskammer zeigt. Es gibt da ein enormes Wachstumspotential für die Umwelttechnikindustrie, und das sollten wir auch nutzen.

Ein wesentlicher Punkt, Herr Minister – ich hoffe, dass es noch nicht zu spät ist für Sie beziehungsweise für dieses Land (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Für mich ist es nie zu spät!) –, ist die Registerstelle. Die Registerstelle soll im Wesentlichen a) in der öffentlichen Verfügungsmacht stehen und b) unabhängig sein, und da bietet sich das Umweltbundesamt für deren Eingliederung beziehungsweise Ansiedlung an.

Wenn man sich ein wenig umhört, so stellt man fest, dass da schon einige Bieter­konsortien fleißig am Agieren beziehungsweise am Werken sind. Ich hoffe doch, dass Sie bei der Zuteilung genug Durchsetzungsvermögen haben werden. Das war bei der Zertifikatslösung leider nicht der Fall.

Ich muss sagen: Ich verstehe die Industrieunternehmen absolut. Sie haben ein Eigen­interesse, sie haben einen Auftrag, und ihr Verhalten ist logisch und rational begründ-


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bar. Ihre Aufgabe ist – mikroökonomisch gesehen – die Maximierung des Gewinns. Das ist okay!

Wir Politikerinnen und Politiker hingegen sind für das Gemeinwohl des Staates, für das Gesamtwohl der Gesellschaft zuständig, das haben wir im Auge zu behalten, und insofern halten wir es für wichtig, da ein wesentlich strikteres Paket, das tatsächlich eine Senkung der CO2-Emissionen zur Folge hat, auszuhandeln und nicht sozusagen ansatzweise eine von vornherein unglückliche Lösung.

Nach den CO2-Emissionen – da bereits das rote Lamperl leuchtet, möchte ich mit meiner Rede gleich enden – wird das Nächste die Wasserrahmenrichtlinie sein. Sie, Herr Minister, haben sicher ein Ohr oder beide Ohren immer am Sektor Industrie oder Wirtschaft. Ich nehme an, man beginnt Ihnen schon die Türen einzutreten. (Bundes­minister Dipl.-Ing. Pröll: Nein!) Wirklich? Na, da sind Sie davon vielleicht noch verschont geblieben. Ich hoffe, dass in diesem Bereich die Frucht nicht aufgeht.

Ich meine, dass man sich da – auch im Zusammenhang mit der Politik – anschauen muss: Wie kann man auch im Bereich der Wasserrahmenrichtlinie in effizienter und kluger Weise ansetzen? Auch da können Sie, Herr Minister, Ihr Standing unter Beweis stellen.

Für die Verhandlungen mit der Industrie sei Ihnen, Herr Minister, noch Folgendes mitgegeben – so lautet auch ein oberösterreichisches Sprichwort –: Zu Tode gefürch­tet, ist auch gestorben!.

Abschließend erlaube ich mir, Ihnen ein Präsent der Uni Linz zu übergeben, und zwar ein Buch von zwei von mir sehr geschätzten Kollegen, Herr Dozenten Dr. Bartel und Herrn Dozenten Dr. Hackl, mit dem Titel: „Einführung in die Umweltpolitik“. (Die Rednerin übergibt Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das genannte Buch.)

Ich nehme an, Sie wissen das alles ohnehin, nur: Ich dachte mir, zur Auffrischung wäre es vielleicht gut, und ich habe sowohl für Sie als auch für die Fraktionsvorsitzenden und auch für den Vorsitzenden des Umweltausschusses jeweils ein Exemplar mitge­nommen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Wenn Sie es schon studiert haben, nehme ich es gerne an!) Ich bin Mitautorin, keine Sorge! (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Geschenkannahme! – Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker – das Rednerpult verlassend –: Es ist nicht von der Partei, es ist vom Institut für Volkswirtschaftslehre!)

11.27

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat. (Weitere anhaltende Zwischen­rufe.) – Bei Geschenkannahmen ist natürlich auch die Verhältnismäßigkeit zu beur­teilen.

 


11.27

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Auch das Team des Herrn Bundesministers sei herzlich gegrüßt! Meine Damen und Herren! Bei diesem Thema, mit dem wir uns heute hier beschäftigen, können wir überzeugt sein, dass sich auch schon unsere Ahnen mit diesem Thema beschäftigt haben. Das CO2-Thema befindet sich ungefähr seit 1825 in wissen­schaftlicher Beurteilung. Beschäftigt hat sich damals damit der Schweizer Theodore de Saussure. 1872 hat ein Robert Smith aus Großbritannien über das CO2-Thema und die Belastung der Umwelt geschrieben. Dies tat 1941 auch ein deutscher Wissenschafter namens Walter Kreutz. Unter anderem auf deren Wissensstand, wobei natürlich noch nicht die dramatische Entwicklung dargestellt werden konnte, weil sie noch nicht vor-


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handen war, geht der Wissensstand von 1970 zurück, der zum Kyoto-Ziel und Kyoto-Protokoll geführt hat.

Die eingetretene Entwicklung wirft jedoch zwei Fragen auf. Es sind hehre Ziele, die das Kyoto-Protokoll enthält. Die zwei Fragen lauten wie folgt: Ist die Zielsetzung der CO2-Reduktion dem Grunde nach wohl richtig, der Höhe nach aber vielleicht doch über­zogen? Ist die Zielsetzung vollständig gewesen, oder wurden Einflüsse übersehen?

Bezüglich der Höhe der Zielsetzung muss ich anmerken, dass von den 15 EU-Staaten 13 das Ziel der Selbstverpflichtung nicht erreichen werden. Es erscheint mir doch etwas problematisch, wenn man sich Ziele gemeinschaftlich vorgibt, die eine Mehrzahl der sich verpflichtenden Staaten in der EU nicht erreichen kann. Zumindest bislang waren sie dazu nicht in der Lage. Daher ist zu überlegen – und es liegt im Wesen der Wissenschaft, dass bei jeder Aussage immer auch jede Voraussetzung hinterfragt werden muss –, welche Ursachen für den Treibhauseffekt noch in Frage kämen.

Dem ist vorauszuschicken, dass vor allem die drei Wissenschafter Böhringer, Lange und Moslener, von einem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konsens über die Schädlichkeit der CO2-Emissionen sprechen. Dieser Konsens wird öffentlich nicht in Frage gestellt, und doch gibt es mit diesem Thema befasste Wissenschafter, die diesen Konsens sehr wohl in Frage stellen – und ich glaube, es ist durchaus berechtigt, dass man auch wissenschaftliche Ergebnisse hinterfragt.

Als Nichtwissenschaftler, aber als Befasste mit diesem Thema sind ein Walter Lüftl aus Wien zu nennen, aus Deutschland ein Professor Wolfgang Thüne und ein Professor Hans-Eberhard Heyke und aus Amerika unter anderen – dort sind es mehrere, die damit befasst sind – ein aus Wien stammender Professor Singer. Sie alle befassen sich kritisch mit diesem Thema.

Im Jahre 2002 ging eine aufregende wissenschaftliche Nachricht um die Welt: Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe in den Vereinigten Staaten unter Leitung von Professor Mark Jacobson hatte zwölf mögliche Einflüsse und deren Wechselwirkung auf das globale Erwärmungssystem untersucht. Das Ergebnis war sensationell: Nicht das vielfach verteufelte CO2, sondern Russ ist der Hauptverursacher des Treibhaus­effektes. Auf die Masse bezogen ist der Beitrag von Russ zur globalen Erwärmung hunderttausend bis fünfhunderttausend Mal größer als der von CO2. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das sind wirklich neue Ergebnisse!)

Freilich entsteht bei Verbrennungsprozessen CO2 in weit größerer Menge als Russ, das ist bekannt, andererseits ist aber CO2 als Verbrennungsprodukt unvermeidlich und entweicht als Gas in die Atmosphäre. Hingegen ist der Russ ein Nebenprodukt, das in kleinen Mengen aus der nicht idealen Verbrennung entsteht, das man aber auch aus­filtern kann.

Die Arbeit von Professor Jacobson wurde im „Journal of Geophysical Research“ ver­öffentlicht.

In der Schweiz hat sich das Paul-Scherrer-Institut in Zürich – aber auch die NASA in den USA – mit diesen Forschungen beschäftigt und im Grunde genommen die Ergebnisse von Jacobson aus den Vereinigten Staaten zwar nicht zu hundert Prozent, aber im Großen und Ganzen bestätigt.

Es ist nicht zweckmäßig, den Vertrag von Kyoto aufzuheben – das zu tun, hat niemand die Absicht, auch die genannten Wissenschafter nicht –, aber auf Grund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse wäre doch zu überdenken, ob nicht eine entsprechen­de Revision, eine Art Ergänzung dieses Vertrages stattfinden sollte.


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Da vom wissenschaftlichen Standpunkt die Reduktion der Russemissionen für die un­mittelbare Zukunft ein besseres Resultat liefert als die nur beschränkt mögliche Ver­ringerung des CO2-Eintrags in die Atmosphäre, sollte zumindest die Alternative einer äquivalenten Russreduktion zur CO2-Verminderung vertragsmäßig ermöglicht werden.

Im Kyoto-Protokoll wird ausschließlich die Wirkung auf die Atmosphäre angesprochen, Luftverschmutzung und entsprechende Folgen für die Gesundheit werden nicht ange­sprochen.

Eine Verminderung des Eintrages von Russ in die Atmosphäre würde es aber ermög­lichen, gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe zu treffen, nämlich eine Verbes­serung der Volksgesundheit und eine Verminderung des Treibhauseffektes. Da ein erheblicher Teil der Russeintragung in die Atmosphäre aus dem Verkehr, insbesondere von Dieselfahrzeugen, stammt – und das wird eigentlich erst seit zwei Jahren wahr­genommen – und Russfilter für Dieselmotore zum Stand der Technik gehören, wäre es möglich, Russfilter im nationalen Bereich über Steueranreize oder EU-weit über Brüs­sel verpflichtend auf breiter Basis diese Filter durchzusetzen.

Die Erkenntnisse von Dipl.-Ing. Legerer, einem Österreicher, der international in Kana­da und in der Schweiz auf diesem Gebiet tätig war, wurden in der März/April-Ausgabe des „Umweltjournals“ veröffentlicht, und all jenen, die sich für dieses Thema inter­essieren – und ich bin sicher, dass der Herr Bundesminister da aufgeschlossen ist, dafür ist er nämlich bekannt –, empfehle ich, sich auch dieses Themas anzunehmen. Ich bin überzeugt davon, dass wir da gemeinsam im Hohen Haus, aber auch zwischenmenschlich eine gute Lösung finden werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.36

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.37

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Gudenus, es hat Wissenschafter gegeben – und das waren sicher auch namhafte Wissenschafter –, die behauptet haben, die Erde sei eine Scheibe, inzwi­schen wissen wir es besser. Also man kann wissenschaftliche Theorien in alle Rich­tungen auslegen. (Zwischenruf des Bundesrates Ager.) Ja, vielleicht gibt es noch immer welche, die das behaupten, wenn man lange genug sucht.

Zu Ihrer Anmerkung, Herr Bundesrat Gudenus, es sei vielleicht das Ziel zu hoch ge­setzt, muss ich sagen: Das wäre so, wie wenn ich bei einem Marathon mitlaufen und mir das Ziel setzen würde, 43 Kilometer zu laufen, aber dann nicht trainieren und sagen würde: Bitte, kürzt die Marathonstrecke auf 5 Kilometer, denn die 43 Kilometer schaffe ich nicht! – Das kann nicht der Schritt in die richtige Richtung sein!

Zur Frau Kollegin Diesner-Wais möchte ich sagen: Ich bin mit Ihnen d’accord, wenn Sie sagen, dass das Ziel wichtig ist und wir es auch erreichen wollen. Aber es geht gar nicht um das Ziel, sondern das Problem ist, dass dieses Ziel mit diesem Gesetz nicht umgesetzt werden kann. So wie es im Gesetz vorgesehen ist, werden wir dieses Ziel nicht erreichen, und genau das ist das Problem, das wir bei diesem Gesetz sehen – nicht das Ziel!

Ziel dieses Gesetzes ist es – wie in den Unterlagen schon gestanden ist –, durch die Schaffung eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten einen Beitrag zur Erreichung des österreichischen Reduktionsziels von 13 Prozent der Emissionen von Treibhausgasen zu leisten und die Emissionshandelsrichtlinie der EU


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umzusetzen. Durch das gemeinschaftliche System sollen ökonomische Effizienzge­winne bei der Erreichung von CO2-Reduktionszielen lukriert werden.

Wie schaut dieser Beitrag aus, den dieses Gesetz leisten kann oder will?

Wir hatten im Jahr 1990 77,64 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent, und im Jahr 2002 wa­ren es schon 84,6 Millionen Tonnen. Das ist eine Zunahme von 8,5 Prozent. Das Kyoto-Ziel sieht eigentlich eine Reduktion der Treibhausgase vom Stand 1990 um 13 Prozent vor. Das heißt, von der Zahl her kommen wir ungefähr hin, nur leider sind die Vorzeichen nicht richtig.

Ich habe schon im Ausschuss gefragt, in welchem Bereich dieses Ziel erreicht werden soll. Ich wollte wissen, wo wir einsparen können beziehungsweise wo eingespart werden wird, damit dieses Ziel erreichbar ist.

Die Verursacher der CO2-Emissionen sind zu je einem Drittel die Industrie und die Energiewirtschaft, der Verkehr und die Haushalte. Im Bereich der Haushalte – zumin­dest in Niederösterreich – gibt es ein Wohnbauförderungsgesetz, das mit Energie­sparmaßnahmen gekoppelt ist, und da wird man sicherlich einiges erreichen können, aber ob das ausreichend sein wird, um die anderen Bereiche sozusagen aufzuholen, wage ich sehr zu bezweifeln.

Im Verkehrsbereich hatten wir von 1990 bis 2001 eine Zunahme von 40 Prozent. Der Trend scheint sich ganz sicher nicht zu ändern, ganz im Gegenteil: er wird eher noch weiter ansteigen. Um das auszugleichen, müsste man wahrscheinlich in der Industrie und im Energiebereich komplett rationalisieren oder vielleicht doch im Verkehr irgend­wann einmal irgendwelche Maßnahmen treffen. (Zwischenruf des Bundesrates Ager.) – Wenn man das ausgleichen muss, was vom Verkehr her an Zuwächsen kommt, dann darf die Industrie wahrscheinlich überhaupt kein CO2 mehr ausstoßen. Wenn man nämlich einsparen muss, dann muss man sich entscheiden, wo – darum geht es! (Bundesrätin Giesinger: Der Staat ...!)

Ich würde sagen, dass man in allen drei Bereichen einsparen muss, und zwar so, dass man insgesamt 13 Prozent erreicht, und nicht, dass man in einem Bereich ein bisschen einspart, in allen anderen Bereichen aber Zuwächse verzeichnen muss. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Giesinger: Wie?) – Ich erkläre Ihnen das vielleicht dann nachher. (Bundesrätin Giesinger: Wie konkret? Was soll man konkret einsparen?) – CO2 soll man konkret einsparen! (Bun­desrätin Giesinger: Ja! Aber wie CO2 konkret?) Dafür habe ich, glaube ich, zu wenig Redezeit, das machen wir nachher.

Für den Bereich Industrie und Energie wurde jetzt der Emissionshandel erfunden. Wie meine Kollegin schon dargelegt hat, betrifft die Richtlinie 240 Anlagen in Österreich, die für 45 Prozent dieses Drittels der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Es handelt sich bei diesen nicht um kleine Betriebe, und sie haben sich auch ausreichend dagegen gewehrt, dadurch irgendwie beschnitten zu werden. Nachdem nun dieser Allokations­plan ausgehandelt wurde, ist es diesen Betrieben erlaubt, ihre Emissionen bis 2007 um 12 Prozent zu steigern – und nicht zu senken! Das ist für mich ebenfalls kein beson­ders toller Erfolg. Im Vergleich dazu gibt es in Deutschland null Prozent Zuwachs, in Irland eine Senkung von 2 Prozent und im „Umweltmusterland“ Großbritannien eine Senkung von 5,8 Prozent!

Meiner Überzeugung nach wäre es wichtig, dass sich wirklich alle Länder bemühen, ihre Ziele einzuhalten, denn dann wäre vielleicht auch der Druck der Industrie nicht so groß, dann könnte die Industrie nicht ein einzelnes Land damit erpressen, abzuwan­dern, weil es dann nämlich woanders auch nicht „besser“ wäre.


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Auch in puncto Marmelade und Konfitüre wurde uns von der EU etwas vorgeschlagen, was wir nicht unbedingt wollten. Und in diesem Fall wäre es wirklich leichter gewesen, in ganz Europa einheitlich vorzugehen, überall Konfitüre zu sagen – und nicht dann nur bei uns Marmelade. Bei den Emissionszertifikaten ist das mit der Vereinheitlichung offensichtlich nicht so einfach.

Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es zwar Zuwächse, diese gibt es allerdings, so fürchte ich, hauptsächlich trotz der derzeitigen Politik, man braucht sich ja nur die Probleme mit dem Ökostrom-Gesetz beziehungsweise mit der Verordnung 2004 anzu­schauen. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Aber die Rechts­unsicherheit der Betriebe ist trotzdem gegeben. Und der Energieverbrauch steigt einfach stärker als durch die erneuerbaren Energien jetzt ausgeglichen werden kann.

In Deutschland hat man offensichtlich begriffen, dass Klimaschutz und Umweltschutz auch zusammenspielen können. Allein im Bereich der erneuerbaren Energien gab es dort in den letzten Jahren 130 000 neue Arbeitsplätze. (Bundesrat Schennach: Grüne in der Regierung!) Würde man das weiter verfolgen, gäbe es auch viele Möglichkeiten für neue Arbeitsplätze im öffentlichen Verkehr, und das sind Arbeitsplätze (Bundesrat Schennach: Grüner Umweltminister!), bei denen niemand mit der großen Keule kommen und sagen kann, wir siedeln ab, denn der öffentliche Verkehr muss hier statt­finden. (Bundesrat Schennach: Grüner Landwirtschaftsminister!)

Wenn wir uns dem nicht bald anschließen und auf den richtigen Zug aufspringen, werden wir ihn verpassen, und dann werden die anderen die Geschäfte mit dem Know-how im Bereich Klimaschutz machen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wie gesagt: Auch wir sind der Meinung, dass diese Ziele sehr wichtig sind. Aber mit diesem Gesetz werden wir sie, so fürchte ich, nicht erreichen. (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.44

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort.

 


11.44

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Frau Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Emissionszertifikategesetz bedeutet einen völlig neuen Weg in der Umweltpolitik, orientiert an einem wichtigen Ziel! Und ich stelle eingangs fest: Niemand – und ganz besonders ich nicht – rückt von jenem Ziel ab, das wir uns in Österreich selbst gesteckt haben, nämlich im Vergleich zu 1990 minus 13 Prozent im Rahmen der Kyoto-Vereinbarung.

Es ist aber auch ganz klar, dass wir dieses Ziel nicht einseitig auf dem Rücken der Industrie erreichen können, sondern Maßnahmen dafür in allen betroffenen Sektoren – sie wurden schon ein paar Mal angesprochen: Raumwärme, Verkehrsbereich und auch Industrie – umzusetzen und sie so zu erreichen haben.

Ich bedanke mich eingangs sehr herzlich für das Buch „Einführung in die Umwelt­politik“. Grammatikalisch nicht ganz richtig, steht darüber: „WiSo“. Ich habe die Antwort gefunden, ich mache Umweltpolitik! Aber trotzdem: herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1,25 Millionen Tonnen an Reduktion für die Industrie und 2,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Bereich der Energieaufbringung sind die Zieldaten der Klimastrategie. Das haben wir mit dem Gesetz, und daraus folgend mit dem Allokationsplan, der in diesen Tagen Brüssel übermittelt wurde,


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gemacht. Das Gesetz gibt den Rahmen und die Parameter vor, auf Grund derer wir dann den Allokationsplan für jedes einzelne Unternehmen festlegen können und schon festgelegt haben.

Als Datengrundlage dazu diente – da das oft diskutiert wurde – eine wissenschaftliche Studie und eine Datenerhebung des Umweltbundesamtes sowie eine Wifo/KWI-Studie zur Wachstumsentwicklung, in der für jede Branche, für jedes einzelne Unternehmen in sehr aufwändiger und sehr detailreicher Arbeit die historischen Daten eruiert wurden. Ich danke in diesem Zusammenhang ausdrücklich allen daran beteiligten Beamten meines Hauses und auch den Beamten des Umweltbundesamtes, die hervorragende Arbeit geleistet haben. Es ist dies ein völlig neues Instrument der Umweltpolitik, mit dem erstmals ökonomische und ökologische Interessen miteinander verknüpft werden. Ich glaube, dass wir damit auch bewiesen haben, dass in Österreich die Verwaltung und die Umsetzung von Vorgaben so gut funktionieren wie in wenig anderen Ländern. Wir sind nämlich unter den ersten fünf, die den Allokationsplan in Brüssel vorlegen konnten.

Was wir getan haben – und dazu stehe ich auch –, ist, im Sinne der Nachhaltigkeit, wie schon angesprochen, die ökologische Komponente, die für mich ohne Zweifel im Vor­dergrund steht, die soziale und die ökonomische Wirkung, die die Nachhaltigkeit insgesamt ausmachen, zu bewerten.

Herr Bundesrat Kraml, Frau Bundesrätin Lichtenecker, Sie sind beide, glaube ich, aus Oberösterreich! Vor allem an Sie, Herr Bundesrat Kraml: Haben Sie mit Ihrem Partei­vorsitzenden gesprochen? Dieser war nämlich einer der heftigsten Gegner in der Frage der Emissionszertifikate, derjenige, der mich am meisten kritisiert und gemeint hat, es wäre alles viel zu streng und zu rigoros, speziell im Hinblick auf die Voest.

Vor dem Hintergrund der Voest auch an Sie eine klare Antwort: Die Voest hat zeit­gerecht einen Bescheid für einen ambitionierten Ausbauplan bekommen. Ich will gar nicht im Detail darauf eingehen, wie wir in dieser Frage auch eine richtige Stand­ortentscheidung zu treffen hatten. Es ist der seit langem ambitionierteste Ausbauplan in der österreichischen Industrie. Und ich habe auch ganz klar gesagt: Ja, man muss fairerweise Wachstum bewerten, Wachstum berücksichtigen und davon dann die klimastrategische Zielerreichung, also jene 1,6 Millionen Tonnen zwischen 2005 und 2007 abziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir sind aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, damit noch nicht in der Ziel­periode angekommen; ich sage das auch und besonders all jenen, die jetzt schon fragen, wie hoch der Beitrag ist. Die Zielperiode ist zwischen 2008 und 2012, in der die Industrie auch ihren Beitrag wird leisten müssen.

Wir schauen uns in der ersten Handelsperiode ganz genau an, wie Wachstum realisiert wird, wie die Unternehmen im Verhältnis ihrer Ausstoßleistung zu den zugeteilten Zer­tifikaten umgehen. Und wir werden uns ganz genau überlegen, wie wir für die zweite Periode der Zuteilung, nämlich 2008 bis 2012, in der das Ziel zu realisieren ist, damit umgehen. Auch das liegt klar auf dem Tisch.

Was sind die Eckpunkte, auf die wir uns geeinigt haben und in die wir auch eine Reihe von Anliegen der Unternehmen aufnehmen konnten? Wir haben ja den Unternehmen in einer ersten Welle mitgeteilt, wie viel auf Grund der Erhebung, des Wachs­tums­szenarios und des Reduktionsfaktors für die CO2-Zielerreichung für das jeweilige Un­ternehmen vorgesehen ist. Viele Unternehmen haben uns dann Stellungnahmen, zum Teil begründete Stellungnahmen, hinsichtlich der ursprünglichen Erhebung ge­schickt, die wir auch berücksichtigen konnten.


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Was ist die Zuteilungsmenge? – Wir haben insgesamt 33,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Einbehalten wird eine Reserve von knapp über 300 000 Tonnen, wir teilen damit eine jährliche Menge von 32,9 Millionen Tonnen auf die einzelnen Unternehmen auf, es sind zirka – Sie haben das erwähnt – 240. Dieser Plan, bezogen auf die einzelnen Anlagen, ist Brüssel mitgeteilt, und ich denke, dass wir damit den richtigen Schritt in die richtige Richtung gesetzt haben. Jetzt geht es darum, ab 2005 den Handel europaweit zu ermöglichen. Fünf Länder haben bis jetzt einen Plan vorgelegt; ich hoffe, dass die anderen bald folgen.

Irgendjemand – ich glaube, Sie waren es – hat gesagt, wir wollen immer Musterschüler sein. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Klassenbester!) Ja, in der Umweltpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Österreich nicht nur Musterschüler, sondern Klassenbester in Europa, und wir werden das auch in Zukunft so halten! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Widerspruch bei den Grünen. – Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Das ist ja wirklich ein sehr freies Schulsystem!)

11.50

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Mag. Baier. – Bitte.

 


11.50

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vize­prä­sidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann nur gratulieren zum eben Gesagten, kann dem nur vollinhaltlich beipflichten und zustimmen, möchte aber noch einiges zu den Äußerungen meiner Vorredner sagen, vor allem – Herr Bundesrat Kraml wurde bereits angesprochen – zur Voest.

Sie haben in Ihren Ausführungen betont – oder lamentiert oder bemängelt –, das Ge­setz gehe zu wenig weit, es sei viel zu wenig. Ich darf Ihnen sagen, was Ihr Partei­vor­sitzender, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Erich Haider, in einer Aussendung gesagt hat: „... gravierende Nachteile für die Betriebe, das kann OÖ nicht akzeptieren!“ Dieses Gesetz gehe viel zu weit. – Das waren seine Worte. Ich würde Ihnen doch dringend anraten, eine Klärung Ihres Kurses herbeizuführen, denn es führt nicht ge­rade zu einer Sicherung des Wirtschaftsstandortes, wenn man auf der einen Seite so sagt und auf der anderen Seite so.

Wie bereits hinsichtlich der Voest angesprochen, hat es wieder zu einer Verun­siche­rung geführt. Die Politik, die Sie – vor allen Dingen in Oberösterreich – in diesem Punkt machen, führt zu einer Verunsicherung. Man verunsichert die Menschen mit Unwahr­heiten, mit Halbwahrheiten, und das kann man nicht hinnehmen.

Und jetzt stellen Sie sich hierher an dieses Rednerpult und sagen: Das Gesetz geht zu wenig weit, und Österreich kann eigentlich gar nichts bewirken. – Ich muss wirklich an Sie appellieren, Ihr Gewissen zu erforschen, ob man so, auf diese Art und Weise, eine seriöse Politik machen kann.

Im Gegenzug möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, herzlich bedanken, der Sie hier gesprächsbereit waren – auch gemeinsam mit dem Herrn Wirtschaftsminis­ter –, um eine sinnvolle Lösung für die Voest und für den Ausbau der Voest herbei­zuführen, denn da geht es um eine Menge Arbeitsplätze, und das ist notwendig, das ist ein ganz wichtiger Beitrag für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich.

Ich darf nur noch an einen Satz erinnern, der ja im Zuge der Voest-Privatisierung oder –Teilprivatisierung auch immer wieder im Landtagswahlkampf zu hören war: dass die Russen kämen und die Voest aufkaufen wollten. – Auch das war nicht wahr, auch das hat nicht den Tatsachen entsprochen! Das ist die Politik, die hier im Besonderen die SPÖ betreibt.


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Eine kleine Bemerkung noch zu Frau Kollegin Lichtenecker. – Sie haben von Wohn­haussanierung und von Maßnahmen, die hier notwendig wären, die auch der Bund zu setzen hätte, gesprochen. Auch wenn Sie heute hier großartig Bücher verteilt haben, ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie sich offenbar im Bereich der Wohnhaussanierung mit der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit noch ein wenig aus­einander setzen müssen, denn die thermische Sanierung ist Aufgabe der Bauordnun­gen, und die Bauordnung wiederum ist (Bundesrat Dr. Böhm: Ländersache!) Länder­sache. – Also das darf ich hier noch ganz kurz betonen. (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Ich habe nur gesagt, was man tun kann!)

Wenn Sie schon den Wohnbau ansprechen, dann müssten Sie seriöserweise – se­riöserweise! – auch jene Maßnahmen betreffend thermische Sanierung erwähnen, die in vielen Ländern bereits getroffen wurden. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ich habe ja auch aus Sicht von Oberösterreich gesprochen!) – Aber es ist Ländersache! Es ist und bleibt Ländersache! (Bundesrat Schennach: Das ist kein Ruhmesblatt!) Und dieses Haus ist gut beraten, Länderkompetenzen sehr ernst zu nehmen – und ich würde auch Ihnen empfehlen, das in Zukunft zu tun. (Bundesrat Schennach: Das heißt, Sie kriti­sieren die Politik der Länder! Oder wie?)

Abschließend möchte ich mich noch einmal herzlich bei Herrn Bundesminister Pröll für seinen engagierten Einsatz im Sinne unseres Klimas und des Schutzes unserer Um­welt bedanken. Ich bin mir sicher, dass es ein erster und wichtiger Beitrag war, der hier geliefert wurde, und dass wir mit den Maßnahmen, die bereits öfter angesprochen wurden, unser Ziel bis 2013 in allen Bereichen erreichen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.54

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. – Bitte.

 


11.55

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Vizepräsidentin! Verehr­ter Herr Minister! Nach so vielen klugen Ausführungen über ein Thema, das mir über­haupt nicht liegt – Grund meiner Wortmeldung ist nur, dass ich bei meinen Lieblings­themen, wie etwa Europäischer Haftbefehl, in Anbetracht der Redelängen der Grünen erst um 1 Uhr in der Nacht zu Wort käme –, will ich versuchen, ein paar andere Aspek­te in diese Diskussion einzubringen.

Der Begriff „Emissionszertifikat“ geistert jetzt durch die Medien, und alle glauben, dass das vielleicht das einzig Wahre ist. Es ist natürlich der Versuch, den CO2-Ausstoß zu reduzieren; es stellt sich allerdings die Frage, ob dieser in der Europäischen Union eingeschlagene Weg der richtige ist.

Die Schweizer, so lese ich, haben das Kyoto-Protokoll auch ratifiziert, gehen aber ei­nen ganz anderen Weg: Derjenige, dem es nicht gelingt, den Ausstoß zu reduzieren, muss eine Abgabe entrichten. Die Erlöse daraus sollen dazu dienen, die Bemühungen um die Reduktion im ganzen Land zu finanzieren. – Ob dieser Weg richtig ist, wird – natürlich vor allem in der Schweiz – ebenfalls bezweifelt, aber er scheint zumindest machbarer.

Jetzt ein ganz anderer Aspekt: Sei es, wie es sei, während wir uns hier im kleinen Österreich zumindest bemühen und heftig herumstreiten, zur Reduktion der CO2-Emissionen ein kleines Scherflein beizutragen, sind – und das ist wie so oft das Paradoxe an der Politik – andere immer noch der Meinung, dass man nicht Kyoto unterschreiben, sondern bei einer allfälligen – die Betonung liegt auf „allfällig“ –, bei


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einer allfälligen Erderwärmung eben die Klimaanlage etwas stärker aufdrehen müs­se – ich glaube, Sie kennen den Autor dieses Spruches.

Genau diejenigen, die das Kyoto-Protokoll nicht unterschreiben – und das sind, wie wir schon gehört haben, nicht nur die Amerikaner –, genau die sind es, die, zum Teil wohl berechtigt, zum Teil aber auch nicht so ganz berechtigt – und damit komme ich zu einem ganz anderen Thema –, zum solidarischen Kampf gegen jene Schurken, Dik­tatoren und Terroristen aufrufen, die sie zuvor – zumindest zum Teil – durch massive militärische Unterstützung zunächst einmal erst stark gemacht haben. (Rufe bei den Freiheitlichen: So ist es! Genau!)

Die Gnade der Endlichkeit des Lebens wird voraussichtlich zumindest die älteren heute Handelnden davor bewahren, die vielleicht viel schlimmeren Folgen heutigen Nichts­tuns in Richtung Umwelt noch erleben zu müssen. Persönliche und politische Courage wäre gefragt; Strafzölle zum Beispiel, nicht auf Stahl oder irgendwelche andere Pro­dukte zwischen Europa und Amerika, sondern beispielsweise Strafzölle auf hem­mungslose Verschandelung und Verschmutzung unseres Lebensraumes Erde.

Meine Damen und Herren – keine Angst, ich bin bei meinem Spezialthema schon am Ende! Es war mir eine Ehre, diesem Hause von 1999 bis heute anzugehören. Niveau und Sachlichkeit bei durchaus legitimer Emotion und Engagement haben mich oft beeindruckt. Dieser Bundesrat beweist immer wieder aufs Neue, dass man politische Diskussion fast immer auch ohne Ordnungsrufe über die Bühne bringen kann – dies im Gegensatz zu einer anderen Kammer dieses Hauses.

Ich habe auch mit Freude registriert, dass gegenseitige Achtung über Parteigrenzen hinweg besonders in diesem Hause gelebt wird. (Allgemeiner Beifall.)

Mag sein, dass dies auch an der faktischen Bedeutung der Beschlüsse dieses Hauses liegt – wobei ich an dieser Stelle auch als ausscheidender Bundesrat ganz aus­drück­lich betonen möchte, dass ich diesen Bundesrat auch in seiner derzeitigen Form für einen unverzichtbaren Bestandteil dieser österreichischen Demokratie halte! (Allgemei­ner Beifall.)

Ich glaube aber auch, dass sehr viele besonnene Kolleginnen und Kollegen – was temperamentvolle Redebeiträge durchaus nicht ausschließt – für dieses Klima stets gesorgt haben. Aus vielfacher Erfahrung wissen wir, dass dort, wo die Macht des Apparates als einziges Ziel im Vordergrund steht, die Freiheit und Chancengleichheit derjenigen, die dem Apparat nicht angehören, im Ausmaß dieses Machtstrebens redu­ziert wird. Dagegen hilft nur eine starke und – ich betone ausdrücklich – auch bunte Demokratie.

Gesunde und starke Demokratie heißt einerseits, Mehrheiten zu akzeptieren, anderer­seits, über Minderheiten nicht einfach drüberzufahren. Ich weiß schon, die Schwierig­keit liegt in der jeweiligen Abgrenzung zwischen diesen beiden berechtigten Forderun­gen.

Ich möchte einen sehr bekannten Denkansatz, den jeder ohne Verleugnung seiner Weltanschauung aus seiner Sicht der Dinge anzuwenden vermag, in Erinnerung rufen: Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns Grundlage einer allgemeinen Ge­setzgebung sein könnte. – Ich danke. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

12.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrter Kollege Dr. Aspöck! Ich möchte es nicht verabsäumen, Ihnen auch von dieser Stelle aus für Ihre Tätigkeit hier im Haus zu danken. Sie waren fünf Jahre lang Mitglied des Bundesrates. Sie haben Ihre Tätigkeit begonnen als ein Mitglied des Bundesrates, das einer Oppositions­frak­tion angehört hatte, Sie waren dann Mitglied einer Fraktion, die in der Regierung


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mitgestaltet hat, und in beiden Situationen haben Sie sich nie – ich kann mich nicht daran erinnern – im Ton vergriffen. Sie waren immer ein Kollege, der vor allen Dingen versucht hat, das sachliche Argument zu bringen und nie die Diskussion zu ver­weigern.

Herr Kollege! Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Tätigkeit hier im Hause und wünschen Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute. Sie haben ja gesagt, wie sehr Sie zur Demokratie stehen – bitte tun Sie das auch, wo immer Sie können, auch wenn Sie nicht in politischer Funktion sind, nämlich die Menschen immer darauf hinzuweisen, dass Demokratie ein Gut ist, das unverzichtbar ist! Vielen herzlichen Dank für Ihre Tätigkeit! (Allgemeiner Beifall.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer (den Vorsitz übernehmend): Weitere Wortmel­dungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Schennach: Ja!) – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


12.04

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Um nach dem Abschied von Herrn Aspöck doch noch einmal zum Thema zurückzukommen: Herr Minister, Sie waren schuld daran, dass ich mich jetzt kurz gemeldet habe, ich musste es einfach tun. (Bundesrat Bieringer: Ach geh!) – Kollege Bieringer, das halten Sie schon aus! Sie haben ja in Salzburg gerade einige Gefechte durchgehalten, da werden Sie das kleine hier auch noch durchhalten. (Heiterkeit. – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Wobei ich der Ehre halber sagen muss (der Redner deutet auf die ver­bundene linke Hand von Bundesrat Bieringer): Die Verletzung resultiert nicht aus den politischen Gefechten, das muss man dazusagen. (Heiterkeit.)

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt – es stimmt ja –, es ist dies das erste Gesetz, das Ökonomie und Ökologie zusammenführt. Aber Sie haben das hier mit Über­raschung und mit so einem Stolz vorgebracht, dass ich es ein bisschen zurechtrücken muss.

1992, vor 14 Jahren ... (Bundesrat Bieringer: Zwölf!) – Ja, vor zwölf Jahren haben wir das erste Mal an der Wiener Börse Ökonomie und Ökologie zusammengeführt mit dem Grundsatzpapier „Arbeit durch Umwelt“. Es sind dem mehrere gefolgt. Wir haben damals nachgewiesen: Durch eine couragierte Umweltpolitik schaffe ich 65 000 Ar­beitsplätze jährlich – durch eine ganz gezielte Politik. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Haben Sie da ein Gesetz gemacht?)

Wir haben mehrere initiativen dazu gemacht, Herr Minister. Damals war auch die ÖVP in der Regierung, die dazu gar nicht gewillt war; sie hat zwar immer wieder „sehr interessant!“ gesagt, war aber nicht zur Umsetzung gewillt. Ich halte Sie – ich sage das hier ganz offen, auch aus der Opposition – auf der absoluten Plusseite der Bundes­regierung stehend. Aber ... (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.) – Ich hoffe, es schadet Ihnen nichts, ich sehe das wirklich so. Aber hier sind Sie ein Stück ... (Bun­desrat Bieringer: Wenn Sie ausnahmsweise die Wahrheit sprechen, werden wir nicht dagegen sein!) Es gibt dann jedoch auch Minusseiten, das ist ja klar. – Aber Sie sind in dem Gesetz einfach zu mutlos, oder Sie haben zu schnell resigniert.

Allein von 1996 bis 1998 haben die Grünen das Programm des Energiesteuermodells präsentiert und 96 Firmen in Österreich durchgerechnet, im Auftrag der Firmen. Da waren keineswegs kleine Firmen und kleine Buden dabei, sondern da waren die Voest, die ÖBB und andere Großfirmen dabei. Wir konnten ihnen das nachweisen, und die Firmen waren sehr wohl auch sehr dankbar. Sie mussten dafür alle Unterlagen zur


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Verfügung stellen. Die Aktion damals in der Voest hat bei uns enorme Arbeitskräfte ge­bunden, das können Sie mir glauben: mit wie vielen Leuten wir damals zur Voest an­gereist sind, das war ein mehrwöchiger Prozess, den wir finanziert haben.

Es gab eine einzige Firma in Vorarlberg, die gebeten hat, dass wir sie durchrechnen sollen, und die dann draufgekommen ist: Wir zahlen bei der Energiesteuer eine Mil­lion – damals – Schilling drauf.

Der Firmenbesitzer hat damals an Professor Van der Bellen geschrieben: Wir zahlen drauf, aber die Energiesteuer ist es wert, in dieser Härte durchgeführt zu werden. Weichen Sie nicht von diesem Kurs ab! Ich bin zwar ÖVP-Kammerfunktionär, aber machen Sie diese, denn wir werden über ein couragiertes Einsparpotential nach­den­ken und diese Million einsparen können, indem wir jene Bereiche, in denen wir eben draufzahlen, durchdenken oder dort Innovationen setzen werden.

Wir haben nachgewiesen, dass gerade in beschäftigungsintensiven Bereichen eine couragierte Umweltpolitik genau all diese Themen betrifft, die Sie heute diskutiert haben, von der Klimaerwärmung bis hin zum Schwund der Gletscher. Bitte, meine Damen und Herren, jetzt sage ich es einmal in Richtung der Tiroler, die hier im Saal sind: Dieser Schwund der Gletscher ist eine wirklich dramatische Situation! Gletscher in der Form wird es bald nicht mehr geben, die wachsen so nicht mehr nach. Der Bruch der Gletscherzungen ist in Gesamt-Mitteleuropa wirklich alarmierend und besorgnis­erregend. Dazu bedarf es eben stärkerer Schritte!

Dann kommt Herr Kollege Baier heraus und versucht, uns einen Grundsatzvortrag über die Bundesverfassung zu halten. Was die Bauordnung betrifft – na logisch, das wissen wir doch alle! Wir wissen doch, was Landessache und was Bundessache ist. Aber genau das ist: Der Bund schiebt es auf die Länder, die Länder schieben es auf den Bund. Dann sagt der Bund: die EU! Die EU sagt: aber das böse Japan und die bösen USA! Und alle finden, dass Russland und China überhaupt die Übeltäter schlechthin sind. Dann geht es wieder zurück auf die nationale Ebene, die Klimaerwärmung geht weiter und die Gletscher schmelzen weiter.

Was wir hier haben, ist Folgendes: Ich halte ja das ganze Emissions-Trading für ein interessantes und richtiges Modell, aber es ist einfach zu zahm. Es wirkt in der Form nicht, und deshalb gibt es heute Kritik von unserer Seite. Hätten wir die Zeit von 1992 bis 2004 genützt – das sind zwölf Jahre, wie Kollege Bieringer richtig zusammen­ge­rechnet hat –, hätten wir diese zwölf Jahre genützt, dann wären wir heute einen Schritt weiter. Und vielleicht wären dann die Maßnahmen, die Sie heute hätten präsentieren können, nur noch nachjustierende Maßnahmen gewesen.

So steigen wir mit einem Schritt ein, aber er ist zu zaghaft, um die tatsächlichen Prob­leme von Klimaerwärmung und CO2-Ausstoß wirklich in den Griff zu bekommen. Deshalb habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet, Herr Minister. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir gelangen damit zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend das Emissionszertifikategesetz – EZG.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird (354/A und 418 d.B. sowie 7005/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschafts­ge­setz 2002 geändert wird, liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine Gesetzesreparatur, und sie erfolgt deshalb, weil durch ein Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes die Verlängerungsbestimmungen im Abfallwirtschaftsgesetz aufge­ho­ben wurden. Inhalt dieses Erkenntnisses ist, dass die individuellen Rechte der De­poniebetreiber beschnitten werden, wenn diese Verlängerung mehr oder weniger vom Goodwill des Landeshauptmannes abhängt, und dass dies eine Ungleichbehandlung wäre. Durch diese Aufhebung der Verlängerungsbestimmungen sind die erlassenen Verlängerungsverordnungen ungültig, weil es eben dafür keine gesetzliche Grundlage mehr gibt, da der Verfassungsgerichtshof sie aufgehoben hat.

Gefragt wäre jetzt also gewesen, dass auf diese Verordnungen ein Rechtsanspruch entsteht, das heißt, die Verordnungen wären durch Bescheide zu ersetzen. Das liegt nicht unbedingt in unserem Interesse, aber das Gesetz erfüllt dieses Bestreben des Verfassungsgerichtshofes nicht. Unser Bestreben wäre es gewesen, diese Form der Umgehung des Deponierungsverbotes gänzlich zu verhindern.

Dieses Gesetz entspricht jedenfalls nicht dem, was der Verfassungsgerichtshof be­zweckt hat. Es gibt wieder keine Bescheide, sondern es gibt nach wie vor die Mög­lichkeit, bei Kapazitätsproblemen bei den Vorbehandlungsanlagen das Deponie­rungs­verbot per Verordnung hinauszuschieben. Die Landeshauptleute bekommen jetzt sogar noch mehr freie Hand, indem die Voraussetzungen für die Verlängerung redu­ziert wurden. Die alten Verlängerungen, die der Verfassungsgerichtshof ja aufgehoben hat, werden jetzt in Gesetzesrang erhoben. Das ist meiner Meinung nach keine beson­ders rühmliche Leistung bei der Umsetzung eines Entscheides des Verfassungs­ge­richtshofes.


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Die Verlängerungsmöglichkeit war eigentlich schon 1997, bei der Erstellung des Ge­setzes, abzulehnen. Dadurch ist de facto für die Hälfte des Mülls das Deponierungs­verbot für unbehandelte Abfälle auf zwölf Jahre aufgeschoben. Länder, die in erster Linie auf die mechanisch-biologische Abfallverwertung gesetzt haben, werden dadurch wirtschaftlich benachteiligt, weil es für sie keine Verlängerungsmöglichkeiten gibt. Denn es ist eine Voraussetzung für die Möglichkeit, das Deponierungsverbot für unbehan­delte Abfälle zu umgehen, dass die im selben Bundesland eingesammelten Siedlungs­abfälle mit Ausnahme der getrennt gesammelten Altstoffe, bezogen auf das Kalender­jahr, im überwiegenden Ausmaß einer thermischen Behandlung unterzogen werden. Thermische Behandlung heißt Verbrennung, da ist es also nichts mit Trennen.

Zusammenfassend noch einmal unsere Gründe für die Ablehnung dieses Gesetzes, die im Ausschuss offensichtlich überrascht hat: Dem für die Gesetzesreparatur aus­schlaggebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird in diesem Gesetz wieder nicht Rechnung getragen. Die Umgehung des Deponierungsverbots für reak­tionsfreudige unbehandelte Abfälle und damit eine Verlängerung der Grundwasser­gefährdung wird weiter möglich sein. Und die ökologisch und ökonomisch bessere Form der Abfallbehandlung – die mechanisch-biologische Abfallbehandlung, die im Vergleich zur Müllverbrennung weit weniger Schadstoffe freisetzt – wird in diesem Gesetz weiterhin dezidiert benachteiligt.

Deshalb werden wir Grüne nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

12.16

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Giesinger. – Bitte.

 


12.16

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Durch das Erkenntnis des Verfassungsge­richtshofes vom 9. Oktober 2003, worauf meine Kollegin schon hingewiesen hat, war beziehungsweise ist eine Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 notwendig. Im Abfallwirtschaftsgesetz 2002 kann durch Verordnung eine befristete Ausnahme von dem Verbot von Abfällen, welche mehr als fünf Masseprozent Gesamtkohlenstoff auf­weisen, bewilligt werden. Nun ist aber der Verfassungsgerichtshof der Meinung, dass hier die Kriterien individuell zu prüfen sind und dies daher nur im Bescheidverfahren zulässig ist.

Mit der heutigen Änderung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 kann nun der Lan­deshauptmann durch Verordnung eine Ausnahme vom Verbot der Deponierung von bestimmten Abfällen mit mehr als fünf Masseprozent Gesamtkohlenstoff bis längstens 2008 festlegen. Gerade die Lagerung von Abfällen ist eine sehr sensible Angelegen­heit. Allerdings möchte ich auch erwähnen, dass Betriebe, die Deponien betreiben, hohe Investitionskosten haben und daher auch eine gewisse Sicherheit benötigen. Investitionen werden ja nicht kurzfristig geplant und durchgeführt, sondern in einem Zeitablauf von Jahren.

Erfreulich bei diesem Gesetz ist aber, dass die Länderkompetenzen gewahrt bleiben. Notwendig ist dies auch deshalb, weil meiner Meinung nach der Landeshauptmann vor Ort die Situation am besten kennt und dadurch auch verantwortungsvoll agieren kann.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass die Abfallvermeidung nach wie vor das Beste für die Umwelt ist und jeder Einzelne dazu aufgerufen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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12.18

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 wird also geändert, weil ein Bundesland ganz einfach nicht in der Lage war, diesem Gesetz Rechnung zu tragen. Tirol sollte nämlich bis 2004 seine Behandlungsanlagen errichten, und das konnte nicht durchgeführt werden. Also dient diese Gesetzesvorlage nur dazu, dieses Gesetz aufzuschieben, um vier Jahre zu verlängern.

Für Tirol war es insofern schwierig, als es sehr viele Bürgerinitiativen, öffentliches Inter­esse und öffentliche Diskussionen gab, wodurch man es zum Beispiel in Kundl nicht schaffte, einen Standort festzulegen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: ... in Wien und Burgenland, dort gibt es auch massive Probleme!) Speziell aber in Tirol, das weiß ich – Wien und Burgenland, glaube ich, erfüllen ihre Aufgaben sehr wohl. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Sie wollten die Änderung haben ...!) – Sie wollten die Änderung, aber sie erfüllen ihre Aufgaben. Ich verstehe nicht, warum sie eine Änderung wollten. Sie erfüllen ja ihre Aufgaben. (Zwischenruf des Bundesrates Kritzinger.)

Tirol hat natürlich mit enormem Aufwand Deponien gebaut, und ich verstehe schon, dass es diese Deponien jetzt auch ausnützen will und dass dieser Kostendruck wirklich enorm ist. Die Seefelder-Plateau-Gesellschaft benützt diese eigentlich gesetzeswidrig und verschiebt den Müll Richtung Wels, was sie ja eigentlich gar nicht dürfte. Dadurch wird der Kostendruck auch wieder wesentlich erhöht.

Ich glaube, dass man die mit diesem Gesetz vorgesehene Verlängerung um vier Jahre eigentlich nicht durchführen sollte. Das ist auch der Grund dafür, warum wir Sozial­demokraten diesem Gesetz nicht zustimmen können.

Meine persönliche Meinung dazu ist: Man sollte nach wie vor Müll vermeiden, anstatt zu deponieren oder zu verarbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.21

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.21

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr verehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Weil ja Tirol mehrmals angesprochen wurde: Ich werde diesem Gesetz als Person und als Vertreter des Landes Tirol die Zustimmung geben. Man muss die Örtlichkeiten und die Schwierigkeiten im Bundsland Tirol bezüglich der Abfallwirtschaft kennen. Es haben sich alle politischen Gruppierungen bemüht, hier eine Lösung zu finden, aber die Struktur Tirols gibt eben andere Zeilen auf. Daher war es sehr schwie­rig. Ich habe da einmal den Namen Gschwentner aus Ihrer Reichshälfte gehört, der sich als Bürgermeister von Kundl sehr bemüht hat, diesen Standort zu verwirklichen – das wäre dort auch sinnvoll gewesen –, doch er hat auf Grund – sagen wir es einmal so salopp – politischer Diskussionen diesen Standort nicht umsetzen können.

Wir haben als Bundesland Tirol in der Abfallwirtschaft sehr wohl eine Vorbildwirkung erzielt. Wir haben mit großem finanziellem Aufwand diese Deponien, die uns auch von Bundesseite her vorgeschrieben wurden, errichtet. Es ist eben so, dass diese Deponien nach dem heutigen technischen Stand geeignet sind, diese Abfälle zu ent­sorgen. Daher ist für uns ein gewisser Spielraum sehr, sehr wichtig. Wir werden aber unsere Hausaufgaben mit Sicherheit erfüllen. – Das wollte ich noch dazu sagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.23

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

4. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglich­keits­prüfung (III-247-BR/2003 d.B. sowie 7006/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. – Bitte, Herr Bundes­rat.

 


Berichterstatter Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bezüglich des Berichtes des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung liegt Ihnen vor. Bei der Abstim­mung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichts zu empfehlen.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


12.25

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Kein vernünftiger Mensch bezweifelt mehr die Sinnhaftigkeit und die Effizienz der Umweltverträglichkeitsprüfung und des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes.

Der Bericht über die Vollziehung dieses Gesetzes informiert ausführlich über die bis­herigen Erfahrungen, insbesondere seit der Novelle im Jahr 2000, er evaluiert die Stärken und Schwächen dieser Bestimmungen und gibt auch einen Überblick über die europäische und internationale Entwicklung.

Insgesamt hat sich die Vollziehung dieses Gesetzes bestens bewährt, und zwar auch unter dem Aspekt, dass die Zahl der Umweltverfahren in den letzten Jahren enorm angestiegen ist. Trotzdem hat sich die Dauer der einzelnen Umweltverträglichkeits­prü­fungsverfahren in dieser Zeit halbiert. Das ist meiner Meinung nach ein großer


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Fortschritt, und den Behörden, die diese Verfahren durchführen, gebührt dafür auch ein Kompliment, Dank und Anerkennung. Im Umweltverträglichkeitsverfahren ist wirklich – das kann man ohne Übertreibung sagen – auch eine Verwaltungsvereinfachung bewirkt worden. Es ist eine Konzentration und eine Vereinfachung entwickelt worden.

Allerdings: Nichts ist perfekt, und es gibt auch in diesem Bereich noch Vorschläge, wie man das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung optimieren und verbessern kann. Ich denke hier zum Beispiel an einen Autobahnanschluss in meinem Bundes­land, an die Anschlussstelle Linz oder die Anschlussstelle Traun in Haid im Bereich der A 1. Früher war es ja so, dass die Bundesstraßen und die Autobahnen in eine Kom­petenz gefallen sind. Durch die Verländerung der Bundesstraßen fallen jetzt die früheren Bundesstraßen in die Landeskompetenz, daher sind bei einem solchen Autobahnanschluss jetzt zwei Verfahren abzuführen. Es besteht zwar, wenn sich die Behörden einigen, die Möglichkeit, das auf freiwilliger Basis in einem abzuführen, ich würde es aber für sinnvoll halten, das vom Gesetz aus so zu regeln, dass nur ein Ver­fahren gemacht wird und nicht ein Verfahren auf Landesebene für die Landes­straße – also die verländerte ehemalige Bundesstraße und jetzt Landesstraße – und wieder ein eigenes Verfahren für die Autobahn.

Ich würde das anregen, weil es einfach auch im Sinne der Umwelt und der Umwelt­standards, die erreicht werden sollen, aber auch der betroffenen Konsenswerber sinnvoller wäre und dem Ganzen keinen Abbruch täte. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Das wäre meine Anregung, und ich bitte, das bei weiteren Überlegungen mit einzubeziehen und zu verbessern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.29

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte.

 


12.29

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Bericht der Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfungen so viel: Bedauerlicherweise erfuhr dieser Bericht im Nationalrat ein Begräbnis erster Klasse. Das heißt im Klartext: Enderledigung im Ausschuss. Ich bin der Meinung, dass gerade ein an und für sich sehr positiver Bericht über Umweltverträglichkeitsprüfungen auch das Licht der Öffentlichkeit – das ist kein Vorwurf – nicht scheuen müsste. (Bundesrat Kneifel: Dafür gibt es ja den Bundesrat!) – Sehr gut! Darum wollen wir ihn auch beibehalten.

Trotzdem darf ich einige Bemerkungen dazu machen. Wir teilen zwar nicht die unein­geschränkte Meinung der Parlamentskorrespondenz, hiebei würde es sich um einen einzigartigen Erfolgsbericht handeln, stellen aber fest, dass sich die Umweltverträg­lichkeitsprüfung zu einem effizienten und anerkannten Instrument in der Umweltvor­sorge entwickelt hat.

Wir stellen auch fest, dass dieser Bericht eine sehr gute Analyse bezüglich der Stärken und der Schwächen dieses Instruments für die Umweltpolitik beinhaltet. Er gibt einen guten Überblick über europäische und internationale Entwicklungen.

Wir räumen ein, dass Vorbehalte, die gegen die UVP nach dem Beschluss 1993 be­standen haben, zum Teil ausgeräumt werden konnten. Wir sehen eine positive Entwicklung der Verfahrensabläufe. Obwohl die Zahl der Verfahren deutlich zugenom­men hat, konnte die Dauer der Genehmigungsverfahren halbiert werden. Konzentration sowie die Vereinfachung der Verfahren haben sich unserer Meinung nach bewährt.


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Daher werden wir diesem Bericht unsere Zustimmung geben, und wir hoffen, dass diese positive Entwicklung im Bereich der Umweltverträglichkeit zugunsten unserer Umwelt, unserer Natur, unserer Landschaft in dieser Form weitergeführt werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.31

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! – Viele sind ja momentan nicht da. – Wir werden diesem Bericht jetzt zustimmen, weil er formell umfassend ist. Leider ist er ziemlich veraltet, und ich glaube, Sie (an Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll gerichtet) sind ja eigentlich gar nicht derjenige, in dessen Zuständig­keitsbereich er damals erstellt worden ist. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum bis zum 1. März 2002. Das ist jetzt zwei Jahre her, und theoretisch müsste der nächste Bericht schon bald kommen.

Dass wir dem Bericht jetzt zustimmen, ändert aber nichts daran, dass das UVP-Gesetz unserer Meinung nach novellierungsbedürftig ist, und zwar dringend novellierungs­bedürftig!

Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, warum man als Anrainer nicht ein Fest­stellungsverfahren beantragen kann. Wir haben in Korneuburg gerade das Problem, dass es sehr viele Bürger gibt, die sich vor dem Ausbau der A 22 fürchten, die gerne ein UVP-Verfahren hätten. Leider ist der Bürgermeister anderer Meinung, und darum wird es auch kein Feststellungsverfahren geben. Ich würde mir wünschen, dass sich das ändert.

Mir ist auch nicht erklärbar, welche Prioritäten letztlich bei der UVP-Pflicht gesetzt werden. Für die Errichtung eines Windrades braucht man ein Umweltverträglich­keits­prüfungsverfahren, für die Erweiterung eines Gletscherskigebietes aber nur, wenn es 20 Hektar erreicht. Auch die meisten Einkaufszentren brauchen kein Umweltverträg­lichkeitsprüfungsverfahren, sondern wachsen einfach wie die Schwammerl aus dem Boden. Ein Einkaufszentrum ist natürlich ... (Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg: Es geht um die Größenordnung!) – Größenordnung, ja, aber es sind eben die Priori­täten, die damit gesetzt werden, die meiner Meinung nach nicht immer ganz ersichtlich sind.

Ein weiteres Problem für uns ist der Vollzug des UVP-Gesetzes durch die Landes­behörden. Dieser lässt teilweise zu wünschen übrig. Das liegt vielleicht auch daran, dass möglicherweise manchmal das Land Interesse an einem Projekt hat, das einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden sollte, und deshalb liegt diese Um­weltverträglichkeitsprüfung oft nicht unbedingt im Interesse des Landes. Schlimm ist das dann, wenn ein Bundesland keinen unabhängigen Umweltanwalt hat – das gibt es jetzt nur mehr in Kärnten – oder wenn diese Umweltanwaltschaft nicht wirklich mit Rückgrat wahrgenommen wird.

Für mich ist auch nicht erklärbar, warum Bürger, die sich gegen ein Projekt wehren, ihre Zeit und ihr Geld einsetzen müssen, weil sie Gesundheitsschäden abhalten wol­len, während in einem UVP-Verfahren auf der Gegenseite oft Behörden sitzen, die sehr viel Geld hinter sich haben. Ich denke da gerade an den Verkehr: Wenn man als Bürgerinitiative irgendwie weiterkommen will, dann muss man ziemlich viel Geld in die Hand nehmen. Auf der anderen Seite sitzen Bund oder Land, diese haben öffentliche


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Gelder und haben es natürlich insofern sehr viel einfacher. Für mich ist das kein fairer Wettbewerb.

Wie unfair dieser Wettbewerb ist, möchte ich kurz am Beispiel der B 301 erläutern. Da gibt es eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Es ist zwar damals der Bür­gerinitiative nicht Recht gegeben worden, meiner Meinung nach zeigt aber dieser Ent­scheid sehr deutlich die Schwächen des UVP-Gesetzes auf.

Es wurde zum Beispiel festgestellt, dass der Bundesminister nicht mehr prüfen kann, ob überhaupt Bedarf nach einer Straße besteht beziehungsweise ob der Bedarf auch alternativ gedeckt werden könnte, weil die Trasse ja bereits in einem Gesetz im Bun­desstraßenverzeichnis festgelegt wurde. Wenn der Bundesminister jetzt über andere ökologische Alternativen nicht mehr nachdenken soll, dann müsste das UVP-Verfahren eigentlich schon dann stattfinden, wenn das zum Gesetz erhoben wird, das heißt, wenn das Bundesstraßenverzeichnis erstellt wird. Also das heißt, das UVP-Verfahren ist eigentlich zu spät angesetzt, denn wenn man sagt, man darf im UVP-Verfahren nicht mehr prüfen, braucht man eigentlich keine UVP.

Weiters hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass Auflagen zur Minimierung der Emissions- und Immissionsbelastung durch die Straße nicht Gegenstand der Tras­senverordnung sind, diese aber laut GutachterInnen sehr wohl die Umweltverträg­lich­keit der Trasse bedingen. Das heißt, die Gutachter schlagen Maßnahmen vor. Um die Straße bauen zu können, muss man diese Maßnahmen jedoch nicht einhalten. Laut diesem Verfassungsgerichtshofentscheid ist es also rechtlich ohne Belang, wenn zum Beispiel begleitende Verkehrsmaßnahmen im öffentlichen Bereich in die amtliche Pro­gnosen mit einberechnet werden, dann aber nicht durchgeführt werden und somit eigentlich die Prognosen, die dem Projekt zu Grunde liegen, gar nicht mehr stimmen.

Ich bin sehr häufig mit Bürgerinitiativen unterwegs und treffe sehr viele Bürger, die sagen: Das ist ja wirklich fürchterlich mit diesem Verkehr, es gibt so viele Autos, so viele Straßen, aber man kann ja überhaupt nichts tun. Schlimmstenfalls muss ich von hier wegziehen. – Das find ich irgendwie traurig und schade. Ich würde mir schon wün­schen, dass wir in Österreich ein Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz haben, das mehr ist als „unheimlich viel Papier“, wie es ein niederösterreichischer Regionalpolitiker einmal bezeichnet hat.

Gerade im Verkehrsbereich fehlt uns auch der Gesamtüberblick in der Umweltverträg­lichkeitsprüfung. Es ist eben zum Beispiel für die Wiener Außenringschnellstraße nicht ganz unerheblich, ob die A 5, die Nord Autobahn, gebaut wird oder nicht und umge­kehrt natürlich auch. Aber es wird nach wie vor in möglichst kleine Abschnitte ge­stückelt und damit wird der Blick auf das Ganze eingeschränkt. Bei uns gilt die Nord Autobahn als Verbindung nach Tschechien. Wenn man nach Tschechien fährt, sagt man, das ist die Verbindung nach Polen, und das zieht sich dann so weiter. Es fehlt einfach der Gesamtüberblick. Deshalb wäre es mir sehr wichtig, dass die Umsetzung der Richtlinie für eine Strategische Umweltprüfung, die 2005 ja fällig sein sollte, recht­zeitig erfolgt. Im Ausschuss haben wir gehört, es werden Gespräche mit dem Ver­kehrsministerium geführt. Ich hoffe, es wird bald auch wirklich effektiv etwas umge­setzt.

Ich wünsche mir künftig ein Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz mit etwas mehr Biss. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Österreich nicht das Gefühl haben, dass sie wegziehen müssen und dass sie sowieso nichts machen können. Ich wünsche mir, dass die EU-Richtlinie für die Strategische Umweltprüfung möglichst bald und effizient umgesetzt wird, und ich wünsche mir bald einen aktuellen Bericht, in dem dann all


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diese Vorschläge schon vorkommen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.38

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Berichterstattung? – Es wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz geändert werden (EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz) (414 d.B. und 437 d.B. sowie 7007/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangen wir zum 5. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz geändert werden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.40

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Werte Bundesräte! Ich möchte die Diskussion damit beginnen, Ihnen zu verdeut­lichen, was Sie mit dem Beschluss dieses Gesetzes verantworten. Wenn Sie gegen dieses EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz keinen Einspruch erheben, dann machen Sie sich in weiterer Folge auch für die Folgen schuldig und haben die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Wie ist die Ausgangslage? Die Auswirkungen dieses Gesetzes erscheinen nicht in dieser Dimension, dass großes Aufsehen in der Öffentlichkeit entsteht, aber wenn man genau hinschaut, so hat es doch gewaltige negative Folgen, die man nicht negieren sollte.


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Die Ausgangsbasis ist folgendermaßen zu beschreiben: Wir haben im Inland Rekord­arbeitslosigkeit. Wir haben ein Überangebot auf dem Arbeitsmarkt, vor allem in den min­derqualifizierten Sektoren. Wir haben sechsfach höhere Löhne als in den Nach­barländern. Wir haben eine hohe illegale Beschäftigungsrate, Schwarzarbeit in bestimmten Sektoren, genau in jenen Sektoren, die auf Saisonniers zurückgreifen. Und wir haben eine Einigung der Sozialpartner mit der Bundesregierung, was die Über­gangsregelungen betrifft.

Zumindest nach dem Lehrbuch haben Märkte die Tendenz, ausgleichend zu wirken – ich verwende Ihre Diktionen –, das heißt: Arbeitnehmer beginnen klarerweise zu wandern, die Arbeitslosigkeit steigt im Inland, die Löhne sinken im Inland, die Arbeits­losigkeit sinkt im Ausland, die Löhne sollten im Ausland steigen, der Wohlstand sinkt im Inland, der Wohlstand steigt im Ausland. – So weit die ausgleichende Wirkung von Arbeitsmärkten, die an sich auch gewollt ist, grob gewollt ist, allerdings mit ent­sprechenden Begleitmaßnahmen, sodass der Ausgleich sanft und ohne drastische negative Auswirkungen erfolgen kann. Genau diese Wirkung sollten die Übergangs­bestimmungen haben.

Es erschließt sich ein reiches Betätigungsfeld für eine Regierung, ein reiches Betäti­gungsfeld für einen Arbeits- und Wirtschaftsminister mit einer aktiven Arbeitsmarkt­politik, um im Inland die Beschäftigung zu forcieren, gleichzeitig mit Maßnahmen, die illegale Beschäftigung zu bekämpfen, mit Begleitmaßnahmen, wie es frühere Regierun­gen geschafft haben. Ich erinnere an dieser Stelle an die Aufleb-Stiftung als Begleit­maßnahme für die Anpassungsmöglichkeiten in der Nahrungs- und Genussmittel­indus­trie durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Es gäbe Möglichkeiten und Spielräume, mit den Beitrittsländern entsprechende Abkommen zu treffen.

Rechtssicherheit wäre ein Gebot für ein solches Gesetz. Das hat die Regierung nicht geschafft. Das Gesetz ist von Anfang an von namhaften Rechtsexperten als nicht verfassungskonform bezeichnet worden.

Es gäbe viele andere Wege, das Lohnniveau in den Nachbarländern zu steigern. Das Gesetz, das hier vorliegt, verstärkt die Probleme und bringt kaum Lösungen.

Die Saisonniers, die nach der schon bestehenden Gesetzeslage ins Land geholt wer­den können, haben die Tendenz – wir haben das in Einzelfällen ortsweise genau unter­sucht –, im Land zu bleiben und in die Illegalität abzutauchen. Sie werden nach Öster­reich gelockt, in solche Regionen und Branchen gelockt, die Billiglöhner suchen, die einen hohen saisonal schwankenden Arbeitskräftebedarf haben; sie werden in solche Regionen gelockt, wo unter den schlecht ausgebildeten Arbeitskräften ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit besteht.

Wir haben uns einige Gemeinden, in die in den letzten Jahren nach Ihrem derzeit gül­tigen Gesetz, Herr Arbeitsminister, Saisonniers geholt wurden, genau angesehen. Wie waren die Auswirkungen dort? – Die Betriebe haben Saisonniers hereingeholt, obwohl Arbeitslose in der Gemeinde vorhanden gewesen wären, die man allerdings hätte umschulen, hätte aufrüsten müssen. Saisonniers werden ins Land hereingeholt, müs­sen nach einer gewissen Zeit wieder abgebaut werden, kehren aber nicht mehr in ihr Heimatland zurück und haben nach jetzigem Recht Arbeitslosen­versicherungs­zeiten erworben. (Ruf bei der ÖVP: Nein! – Bundesrat Ager: Haben Sie einen anderen Vorschlag, Herr Kollege? Alternativen zum Thema Arbeitskräfte?)

Das Problem ist auch deswegen so relevant, weil wir wissen, dass dieses Gesetz die Tendenz hat, im Zusammenhang mit dem Facharbeiterbedarf, den wir in einigen Jahren haben werden, dahin zu wirken, dass wir einen Mangel in diesem Bereich zu erwarten haben. Sie werden mir Recht geben, Herr Minister, dass für die kommenden Jahre ein Facharbeitermangel prognostiziert ist, und dieses Saisonniergesetz verleitet


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eigentlich auch noch zum Faulsein, zum Ausruhen und nicht zur Investition in Fach­arbeiterausbildungen.

Verfassungsrechtlich bedenklich bei dieser Gesetzesvorlage ist, dass für die Saison­niers vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer selbst Arbeitslosenversicherung bezahlt werden muss, dass sie aber keinen Anspruch erwerben. Durch legistische Tricks wird dieser ausgeschlossen, und es ist zu erwarten, dass diese Bestimmung von den entsprechenden Stellen zu Fall gebracht wird.

Die Crux an dem Ganzen ist: Die Arbeitslosigkeit wird weiter ansteigen, aber das wird statistisch nicht sichtbar. Das heißt, das Problem wird nicht sichtbar, und somit besteht weiterhin kein Handlungsbedarf.

Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben. Im Begutachtungsverfahren wurden sie von den Gewerkschaften, von den Arbeiterkammern, aber auch von anderen Interes­senvertretungen dargestellt – sie wurden vom Minister negiert.

Wir haben in den Gemeinden exemplarisch untersucht: Die Saisonniers haben zu 90 Prozent die Tendenz, im Land zu bleiben. Und im Land zu bleiben heißt, sie tauchen auf dem illegalen Arbeitsmarkt unter, drücken dort weiter die Löhne. Es herr­schen irreguläre Arbeitsbedingungen. Sie liefern sich dem jeweiligen Arbeitgeber mit Haut und Haaren aus, und es entsteht eine soziale Situation, die wir so nicht zur Kenntnis nehmen sollten.

Das Gesetz bietet die Möglichkeit, diesen Austausch weiter zu forcieren, eine Struktur entstehen zu lassen, die wir in diesen Rochademodellen, die in den USA an den Rän­dern der Großstädte zur Slumbildung geführt haben, vorfinden – eine Struktur nämlich, dass immer neue Arbeitskräfte aus Niedriglohnländern hereingeholt werden, aber keine Begleitmaßnahmen getroffen werden, um sie in den Arbeitsmarkt auch wirklich auf Dauer zu integrieren.

Ich habe hiemit begründet, warum die sozialdemokratische Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen wird.

Herr Minister! Sie haben die Folgen zu verantworten, die da heißen werden: nicht ver­fassungskonform, zumindest umstritten, Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, den Billiglohnbranchen zu ermöglichen, weiterhin ungeregelte Arbeitssituationen beibehal­ten zu können, Steigerung der Arbeitslosigkeit in diesen Sektoren, Entstehung lokaler sozialer Ghettos, Arbeitgeber nicht zu veranlassen, in höhere Qualifikation zu inves­tieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.51

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.51

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Minister! Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße das EU-Erweiterungs-Anpas­sungsgesetz und erlaube mir, Folgendes anzumerken:

Gerade im Umfeld der angespannten Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation wäre völli­ge Freigabe der Personen- und Dienstleistungsfreizügigkeit der falsche Weg. Eine völ­lige Öffnung der Arbeitsmärkte zum Zeitpunkt des Beitritts hätte weit reichende nega­tive Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Durch das nun vorlie­gende Gesetz behalten wir uns den nötigen Handlungsspielraum.

Als Wirtschafts- und Sozialpartnerin sind mir aber zwei Punkte ganz besonders wichtig. Erstens: Da dieses Gesetz unbefristet, also maximal sieben Jahre gilt, ist mir eine sorgfältige Evaluierung nach zwei Jahren ein besonderes Anliegen. Im Zuge dieser


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Evaluierung sollen die Sozialpartner eingebunden werden, um eine praxiskonforme Vorgangsweise zu gewährleisten.

Zweitens: Seitens der Wirtschaft wird damit gerechnet, dass die Erweiterungsländer auf diese Regelungen mit Retorsionsmaßnahmen reagieren und ihren Arbeitsmarkt für österreichische Arbeitskräfte einschränken werden. Und diese mögliche Maßnahme müssen wir im Zuge der Evaluierung genauestens überprüfen. Nur so können wir nämlich verhindern, dass die Nachteile der Retorsionsmaßnahmen nicht die Vorteile dieses Gesetzes überwiegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.52

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kon­rad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.53

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die grüne Fraktion wird diesem Antrag nicht zustimmen. Ein interessantes Detail ist auch, dass Ungarn, Tschechien und Slowenien, also die betroffenen Staaten, bereits angekündigt haben, reziproke Maß­nah­men auf dieses Gesetz zu setzen. Das heißt, dieses Gesetz wird in weiterer Folge auch Österreicherinnen und Österreicher, die zukünftig in Ungarn, Tschechien oder Slowenien arbeiten wollen, behindern. – Das als Vorbemerkung.

Die Ungleichbehandlung von Saisonniers hat mein Vorredner Gumplmaier schon angesprochen. Sie erwerben zwar einen Anspruch, aber sie erhalten kein Arbeitslo­sengeld, und das ist einer der Gründe dafür, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Andererseits – und das halte ich schon für problematisch – werden zukünftige EU-BürgerInnen zwar offiziell, aber noch lange nicht faktisch vom Arbeitsmarkt fern­gehalten. Eine Aufenthaltsberechtigung haben diese Menschen nämlich, aber sie ha­ben eben keine beziehungsweise eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis. Dass sie diese noch nicht bekommen, wurde ja damit begründet, dass der österreichische Arbeits­markt Zeit braucht – was wahrscheinlich stimmt –, sich auf so viele potentielle Arbeits­kräfte einzustellen.

Natürlich – wurde dann weiter argumentiert – haben diese Menschen aus den neuen Mitgliedstaaten sehr großes Interesse daran, in Österreich zu arbeiten, da hier das Lohnniveau höher ist. Man kann sagen, sie dürfen hier nicht arbeiten, aber dadurch wird diese Differenz beim Lohnniveau auch nicht geringer. Und da ihnen der Aufenthalt gestattet ist, gehe ich davon aus, dass wir durch diese Regelung in den nächsten Jahren vor allem die Schwarzarbeit fördern werden, aber sicher nicht die Einstellung des Arbeitsmarktes auf die neue Situation.

Etwas Weiteres fällt mir auf: Wir haben heute den 16. April, am 1. Mai findet die Erweiterung statt, und heute soll der Bundesrat dieses Gesetz bestätigen. – Ich gebe Ihnen Recht, es ist wichtig, sich an die neue Situation anzupassen, ich merke aber an, dass mir vorkommt, Österreich ist nicht nur in diesem Bereich ziemlich spät dran, wenn es darum geht, sich darauf einzustellen, dass am 1. Mai die EU erweitert wird. Öster­reich hat eine ganze Reihe von Chancen verschenkt.

Wir haben zum Beispiel – ich glaube, in der letzten Sitzung des Bundesrates – das akademische Mobilitätsprogramm Ceepus bestätigt, und im Laufe dieser Diskussion hat die Bildungsministerin zugegeben, dass es eigentlich sinnvoll wäre, das Angebot beim Sprachunterricht um Sprachen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern zu erweitern. Es ist tragisch genug, dass diese Idee nicht schon nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Angriff genommen wurde, aber jetzt würde ich sagen, kann man einen Intensivsprachkurs gar nicht mehr so schnell belegen, damit es sich bis zur Er-


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weiterung noch ausgeht. – Das ist ein Beispiel für eine vertane Chance seitens Österreichs.

In der Frage des Arbeitsmarktes gewinnt man Zeit, maximal sieben Jahre – hoffen wir, dass es schneller geht –, aber ich denke, auch diesbezüglich hätte man schon vorar­beiten können, anstatt die Zeit so knapp werden zu lassen. Vor allem – kommt mir oft vor – wird hier auch ignoriert, dass diese neuen Mitgliedsländer keine Bedrohung dar­stellen, sondern dass diese auch einen neuen Markt für Österreich eröffnen. Das sind ja nicht nur potentielle Arbeitsuchende, sondern auch potentielle Konsumentinnen und Konsumenten.

Es sind früher viele Firmen in Wien angesiedelt gewesen, um von hier aus den Markt im Osten zu betreuen. Viele dieser Firmen haben ihre Firmensitze schon verlegt und sind bereits im Osten. – Auch da, glaube ich, hat Österreich nicht schnell genug reagiert.

Besonders amüsant finde ich auch: Im Nationalrat gab es einen Antrag der Grünen, der von ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde. Der einzige Inhalt dieses Antrags war, dass Abkommen mit der Tschechischen Republik, die eine nähere Kooperation zur Folge gehabt hätten, die schon lange beschlossen wurden, endlich umgesetzt werden sollten. Dieser Antrag wurde abgelehnt. – Das wäre eine Chance gewesen. Sie wurde zumindest pro forma schon genutzt, wurde aber eben nie umgesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nichts tut so weh wie eine verpasste Chance. Insofern, habe ich die Befürchtung, ist die Erweiterung für Österreich tatsächlich ein schmerzhafter Prozess. (Beifall bei den Grünen.)

12.57

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.57

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Vizepräsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir hier ein gutes Gesetz beschließen. Eine Passage, die mir auf Grund der Osterwei­terung äußerst wichtig zu sein scheint, ist, dass unser Arbeitsmarkt nicht über­schwemmt wird.

Fakt ist, dass mir persönlich diese EU-Osterweiterung etwas zu schnell gekommen ist. Die neuen Beitrittsstaaten sind meiner Ansicht nach in Bezug auf den Arbeitsmarkt noch nicht reif genug, den westlichen Hochlohnländern Paroli zu bieten, und das heißt: Natürlich wird ein Ansturm auf unsere Arbeitsplätze erfolgen! Ich meine, dass hier auch die Gewerkschaften zu Recht gewarnt haben, dass das zu erwartende Potential an Arbeitskräften, die natürlich zu wesentlich günstigeren Konditionen arbeiten und den hier etablierten Arbeitern die Arbeitsplätze wegnehmen, noch nicht überschaubar ist. Es ist daher richtig, dass man Regeln setzt, dass man sagt, man braucht eine Über­gangsfrist.

Ich möchte Ihnen nur ein kleines Beispiel erzählen. Ich kenne aus einem netten Wein­lokal hier in Wien eine slowakische Angestellte, die mir erzählt hat, wie sich das Lohn­niveau in ihrem Heimatland entwickelt hat. Fakt ist, dass der bevorstehende Beitritt zur EU die Preise in der Slowakei schon im Vorhinein in die Höhe getrieben hat, das Lohnniveau aber nicht gestiegen ist. Es besteht nur die Aussicht darauf, dass das irgendwann geschieht. Das bedeutet, die Bürger dort stecken – auf Deutsch gesagt – in der Schere zwischen Armut und Wohlstand und haben ein großes Problem. Natürlich werden sie versuchen, vor allem jene im grenznahen Bereich, hier in Öster-


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reich einen Arbeitsplatz zu bekommen, wo sie das Sechsfache wie in der Slowakei verdienen.

Das muss man bedenken, und dem muss man einen Riegel vorschieben – zur Siche­rung unserer Arbeitskräfte, zur Abwehr des Massenansturms in den Grenzgebieten. Es ist mir schon klar, dass jemand, der weiter im Landesinneren zum Beispiel der Slowakei oder von Ungarn wohnt, nicht nach Österreich pendeln wird, aber der im grenznahen Bereich Angesiedelte wird das sehr wohl tun, denn das ist ja attraktiv für ihn.

Ein Beispiel dazu: Österreich/Schweiz. In der Schweiz besteht ein sehr hohes Lohn­niveau. Vorarlberg ist zwar auch nicht gerade schwach, wenn wir ehrlich sind, aber Fakt ist, dass man in der Schweiz noch wesentlich mehr verdienen kann. Es gibt daher sehr viele Pendler in die Schweiz.

In diesem Gesetz ist auch geregelt, dass das einfacher wird und dass das EU-Niveau zur Schweiz hin angepasst wird. Es gibt ein Personen-Freizügigkeitsabkommen zwi­schen der Schweiz und Österreich, das da auch Erleichterungen schafft.

In diesem Sinne wird hier eine Gleichheit geschaffen, während auf der anderen Seite, im Osten, ein Riegel vorgeschoben wird. Damit haben jene Länder, die jetzt der EU beitreten, noch eine gewisse Zeit zur Verfügung, um das Lohnniveau anzuheben, damit dann nicht dort Arbeitskräftemangel herrscht, während bei uns ein Überhang an Arbeitskräften vorhanden ist. Das sollte mit diesem Gesetz verhindert werden, und daher kann meine Fraktion diesem Gesetz nur zustimmen. – Ich kann es nur gut­heißen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.01

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzin­ger. – Bitte.

 


13.01

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Minister, Herr Präsident! Dieses EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz hat natürlich bei allen – so auch bei uns – Gedanken und Kopfzerbrechen verursacht. – Wie kann man das Problem lösen? Welche Mög­lichkeiten gibt es?

Es hat auf mich schon einen gewissen Eindruck gemacht, als Kollege Gumplmaier gesagt hat, dass wegen der illegalen Beschäftigung große Sorgen herrschen. Man ist sich dessen bewusst – und das will man auch –, dass dem ein Riegel vorgeschoben werden sollte, und hat überlegt, wie man so einen Riegel vorschieben könnte.

Ich glaube, eine der Voraussetzungen ist wirklich, dass man einmal eine rechtliche Regelung über eine gewisse Übergangsfrist hat – Spanien hat bis zu zehn Jahre Übergangsfrist eingebaut – und dann beobachtet, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt, der uns ja Sorgen macht, weil Missbrauch betrieben wird. Selbstverständlich gibt es überall schwarze Schafe, das wissen wir. Eines der Werkzeuge ist, dass man alle, die bei uns Arbeit suchen, registriert und identifiziert. Das ist, glaube ich, eine ganz wich­tige Voraussetzung, auch Schwarzarbeit zu unterbinden.

Ich habe Gelegenheit gehabt, in Südtirol in Gaststätten öfters zu beobachten, dass dort junge ausländische Arbeitskräfte arbeiten. Bitte überzeugen Sie sich einmal selbst! Ich war ganz überrascht, denn man kann sie ja rein äußerlich nicht erkennen: Sie reden gutes Deutsch, sodass man sie auch versteht. Sie kommen aus der Slowakei und teilweise aus Ungarn. Ich meine, das ist eine durchaus erfreuliche Entwicklung! Diese Nachbarstaaten – Ungarn, aber auch die Slowakei – identifizieren sich ja mit uns. Da gibt es überhaupt keine Schwierigkeiten. In dieser Richtung haben wir, so denke ich, wirklich positive Entwicklungen zu erwarten.


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Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen über die Bedürfnisse im Pflegebereich erzählen. Es gibt dort Frauen und Männer, die diesen harten Beruf teilweise aus rein psychi­schen Gründen nicht mehr ausüben können, und auch Leute, die wieder in den Kran­kenpflegeberuf zurückkehren wollen oder einen ganz anderen Arbeitsplatz suchen.

Wir brauchen in diesem Bereich jedenfalls dringend Arbeitskräfte, und der Bedarf wird in den nächsten Jahren gewaltig steigen. Nur auf diesem Gebiet, auf dem ich Be­scheid weiß, ist es mir natürlich auch sehr recht, dass Arbeitskräfte ins Land kommen. Wir brauchen keine Asiatinnen und keine Türkinnen mehr – gute und fleißige Leute, aber doch aus einem ganz anderen Kulturkreis. Jetzt gibt es Leute aus unserem Kulturkreis, die wir da einsetzen können, und darüber, glaube ich, können wir uns nur freuen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.05

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.05

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist nationaler Konsens, dass Österreich von dieser siebenjährigen Übergangsfrist Gebrauch machen soll und muss – jedenfalls einmal von der ersten Etappe. Es ist ja richtig, dass sich diese sieben Jahre in zwei plus drei plus zwei Jahre aufgliedern.

Zweifellos werden uns die Entwicklung der Wirtschaft, das Wachstum – das jetzt hof­fentlich kommt, aber noch nicht da ist – und die Entwicklung des Arbeitsmarktes dann in unseren weiteren Überlegungen leiten, nämlich insofern, als im Moment die Arbeits­losenzahlen leicht steigen. – Per Mitte April gehen sie auch um 2 bis 3 Prozent hinauf.

Das kann und soll sich aber, wenn das Wachstum zurückkommt, relativ rasch wenden, und – da bin ich ganz der Meinung der Präsidentin Zwazl – wenn das Wachstum vorhanden ist und die Arbeitslosigkeit wieder rückläufig ist, werden wir es sehr schnell wieder mit einem Facharbeitermangel zu tun haben, der im Übrigen schon heute da und dort gegeben ist. Dann wird sich die Stimmung im Lande hinsichtlich einer libe­raleren Anwendung dieses Regimes durchaus rasch wenden. – Ich würde das auch so sehen.

Im Moment – vorläufig einmal zum 1. Mai – ist es wichtig, diese Bestimmung zu haben. Es ist nicht richtig, Frau Bundesrätin Konrad, dass Österreich hier ein Nachzügler wäre. Wir sind, ganz im Gegenteil – übrigens atypischerweise gemeinsam mit Irland –, das erste EU-Land, das diese Möglichkeiten ausnützt. In den meisten anderen EU-Ländern ist man bisher über Ankündigungen nicht hinausgekommen. – Das nur zu Ihrer Information. (Bundesrätin Konrad: Sie haben nicht verstanden, was ich gemeint habe!)

Von Frau Präsidentin Zwazl wurden Retorsionsmaßnahmen angesprochen. Es ist richtig, dass unsere Nachbarn zum Teil ähnliche Regelungen erlassen. Ich erwarte mir daraus aber keinerlei Beschränkung, was Österreicher in diesen Märkten betrifft, denn – Hand aufs Herz – jene Arbeitskräfte, die aus Österreich in diese Länder gehen, sind im Regelfall nicht an Niedriglohnjobs interessiert, sondern das sind Führungs­kräfte, Manager.

Frau Bundesrätin! Gerade in diesem Bereich haben wir eine weitere Liberalisierungs­maßnahme gesetzt, nämlich dadurch, dass Kontingente für Schlüsselkräfte aus den EU-Beitrittsländern entfallen – abgesehen davon, dass die bestehenden Kontingente sowieso nicht ausgenützt werden und daher genug Spielraum vorhanden wäre. Un­garische Schlüsselkräfte können aber ohne Kontingentbeschränkung nach Österreich


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kommen. Das heißt, dass Österreicher – auch wenn Retorsionsmaßnahmen vorhan­den sind – diese Möglichkeit auch vice versa haben müssen und dies auch haben werden.

Im Übrigen ist es ja so, dass – in der Öffentlichkeit wenig beachtet – eine gewaltige Liberalisierung für Arbeitskräfte aus diesen Ländern insofern eintritt, als etwa Slowaken oder Ungarn freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben, wenn sie per 1. Mai schon zwölf Monate legal in Österreich arbeiten – und nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familien.

Wir schätzen, dass dann etwa drei Viertel der heute legal in Österreich beschäftigten Slowaken, Ungarn, Tschechen und so weiter – also etwa 30 000 Arbeitskräfte, die in Österreich beschäftigt sind – volle Freizügigkeit haben. Das wird für den Arbeitsmarkt keine wesentliche Änderung bedeuten, aber für die jeweiligen Arbeitnehmer schon, weil sie von heute auf morgen – gewissermaßen vom 30. April auf den 1. Mai – EU-Arbeitnehmern gleichgestellt sind, und das ist gut so!

Herr Dr. Gumplmaier! Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, aber trotzdem ist für mich manches von dem, was Sie gesagt haben, nicht ganz nachvollziehbar, nämlich, welche Wege es gäbe, das Lohnniveau in unseren Nachbarländern zu erhöhen. Welche fielen Ihnen denn da ein? – Auch dort hängt es von der Wirtschaftskraft, von Sozialpartner­verhandlungen und Ähnlichem mehr ab.

Tatsache ist, dass insbesondere im sensiblen Bereich der Industriearbeit die Löhne deutlich unter unseren liegen. Sie wissen, dass wir in Österreich eine Industriestunde inklusive aller Nebenkosten mit etwa 21 oder 22 € zu berechnen haben. In Deutsch­land liegt die Stunde bei 26 bis 28 €, in England im Übrigen weit unter unserem Niveau. In unseren Nachbarländern im Osten rechnet man mit 3 bis 6 €.

Schätzungen sagen uns, dass es zwischen 20 und 50 Jahren dauern wird, bis in diesen Ländern unser Lohnniveau erreicht sein wird, selbst wenn man dort die Löhne in den nächsten Jahren überproportional steigert, was auch der Fall sein wird. So gesehen kenne ich also keinen Weg, um dort rascher, als es auf Basis der wirtschaft­lichen Entwicklung möglich ist, das Lohnniveau zu erhöhen. – Sie wahrscheinlich auch nicht.

Herr Bundesrat und Frau Bundesrätin Konrad! Zu den Saisonniers: Was schlagen Sie denn vor? – Schlagen Sie vor, dass Saisonniers keine Arbeitslosenversicherungs­beiträge zahlen sollten? – Da bin ich strikt dagegen. Ich bin dafür, dass ausländische Arbeitskräfte, auch Saisonniers, genau dieselben Beiträge zahlen und damit genau dieselben Lohnnebenkosten verursachen sollen wie Österreicher, denn sonst ist das natürlich ein direktes Lohndumping, gewissermaßen gefördert durch den Staat. – Das wäre nicht sinnvoll!

Sind Sie vielleicht dafür, dass Saisonniers dann, wenn ihre Beschäftigungsbewilligung in Österreich abgelaufen ist, Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung erhal­ten? – Wahrscheinlich auch nicht, weil das die Gebarung der Arbeitslosenversicherung einseitig belasten würde und diese Saisonniers dem Arbeitsmarkt ja auch nicht zur Verfügung stehen, weil sie in Österreich keine Beschäftigungsbewilligung mehr haben.

Sie üben hier also Kritik, ohne irgendeinen Ansatz einer Alternative bieten zu können. Diesen Weg, den wir im Übrigen ja nicht erst seit gestern gehen – ich habe ihn von meiner Vorgängerin Hostasch übernommen, Sie wissen das –, werden wir auch in Zukunft weiter beschreiten.

Frau Bundesrätin Konrad! Sie haben gesagt, die Divergenz zwischen Aufenthalts­bewilligung – ja! und Beschäftigungsbewilligung – nein! würde zu mehr Schwarzarbeit


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führen. – Wie wollen Sie es denn halten? Sie haben andererseits ja gesagt, es sei rich­tig, dass es Übergangsbestimmungen gibt, der Arbeitsmarkt braucht das.

Heißt das, dass Sie den neuen EU-Bürgern – was rechtlich gar nicht ginge – den Auf­enthalt verweigern wollten? – Nein.

Dann bleibt nichts anderes übrig, als das Aufenthaltsregime zu liberalisieren. Es gibt keine fremdenrechtliche Begrenzung mehr. Das Ganze liegt nicht mehr bei Strasser und den Bezirkshauptmannschaften, sondern ausschließlich im Verantwortungsbereich des AMS und des Arbeitsressorts, was im Übrigen auch manches beschleunigen und erleichtern wird. Beschäftigungsmäßig werden wir natürlich diese Übergangsfrist in Anspruch nehmen, so wie wir das wollen.

Das heißt, Ihre Kritik, sehr verehrte Frau Bundesrätin, geht ins Leere! (Zwischenruf der Bundesrätin Konrad.) Wir müssen so handeln.

Und abgesehen davon – Hand aufs Herz –: Wer aus diesen Ländern nach Österreich kommen sollte und wollte, hat auch heute und in den letzten Jahren schon wenig aufenthaltsrechtliche Beschränkungen vorgefunden, wenn er oder sie da war und schwarz gearbeitet hat. – Das soll vorgekommen sein. Abgesehen davon warne ich davor, Schwarzarbeit immer nur auf Ausländer zu beschränken. (Bundesrätin Konrad: Nein!) Es soll auch Einzelfälle geben, dass Österreicher dies tun. (Bundesrätin Kon­rad: Einzelfälle?) Sowohl das eine als auch das andere ist nicht gut. Beides gehört bekämpft – im Übrigen genauso wie Schwarzunternehmertum. Gerade Finanzminister Grasser, aber auch mein Haus bemühen sich diesbezüglich nach Kräften, und ich sehe Besserung.

So gesehen denke ich, dass das ein vernünftiger gesetzlicher Ansatz ist, wobei ich seitens der Sozialdemokratie zum Beispiel im Ausschuss des Nationalrates durchaus den Eindruck hatte, man trägt das im Großen und Ganzen mit, man hat dazu keine alternativen Vorschläge.

Daher nochmals meine Einladung an Sie, vielleicht im Bundesrat dem Gesetz doch noch die Zustimmung zu geben. Es ist alternativenlos. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.13

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Gumplmaier.

 


13.13

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Herr Minister! Es muss nur der Ordnung halber korrigiert werden, dass im Nationalrat von der sozialdemo­krati­schen Fraktion Änderungsanträge eingebracht wurden, die abgelehnt wurden. Der heute hier vorliegende Entwurf ist also nicht alternativenlos. Es gibt Vorschläge.

Unser Vorwurf ist eigentlich – und Ihre Fraktion ist ja meiner Argumentation gefolgt –, dass Sie mit den Saisonniers die Übergangsregelungen, die ja okay sind, aushebeln. – Das ist unser Vorwurf. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Ager: Wir können natürlich die Betriebe zusperren, bis die sieben Jahre um sind! – Bundesrat Dr. Gumplmaier – das Rednerpult verlassend –: Ein polemisches Argument!)

13.14

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 85

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend das EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Ich sehe, das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden (351 d.B. und 438 d.B. sowie 7008/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz geändert werden, liegt vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tiefnig. – Bitte.

 


13.16

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Arbeitsruhege­setz und dem Arbeitszeitgesetz wird eine europäische Verordnung umgesetzt.

Man sieht, dass wir eigentlich ein gutes Gesetz hatten: Es waren nur kleine Abän­derungen zu treffen. Ich will mich in meiner Rede kurz fassen, da es ja einen einstim­migen Beschluss im Nationalrat gegeben hat, und ich glaube, auch hier im Bundesrat wird der Beschluss einstimmig sein.

Einige Punkte sind für mich jedoch wichtig. Wie es schon in der Bibel steht: Sechs Tage sollst du arbeiten, und einen Tag musst du ruhen. – Es ist einfach wichtig, dass man einen Tag in der Woche ruht, und für diese Ruhezeit ist der Sonntag ein wesent­licher Tag. Es ist wichtig für die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, aber auch für die kulturelle Gemeinschaft.

Es könnte heute zum Beispiel keine Feuerwehr und kein Verein mehr tätig sein, wenn es nicht ein gemeinschaftliches Leben im ländlichen Raum gäbe. Es ist daher wirklich von großer Bedeutung, dass in diesem Gesetz auch die Arbeitszeiten geregelt sind, und zwar nicht nur für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen selbst, sondern auch in bestimmtem Maße für die Sicherheit im Eisenbahnbereich oder etwa im Flugdienst­bereich.


Bundesrat
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Ich würde mir wünschen, dass auch im Transportwesen – bei den LKW-Fahrern – die Arbeitszeiten dementsprechend eingehalten werden. Man sieht oft, wie viele Über­stunden von den LKW-Fahrern geleistet werden und welche Gefahren dadurch auf der Straße lauern. Das wird aber sicher in weiterer Folge noch einmal debattiert werden.

Bedanken möchte ich mich noch bei den Personen, die die Sonntagsruhe nicht einhalten können: bei der Exekutive, dem Personal in den Urlaubsgebieten, den Saisonarbeitskräften und den Bediensteten in den Krankenhäusern, die zur sozialen Sicherheit unseres Staates beitragen.

Genauso gilt unser Dank aber den Bauern und Unternehmen, die sich die 40-Stunden-Woche nicht leisten können, für die es kein Thema ist, nur 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, weil sie mit der Produktion von Lebensmitteln beauftragt sind und so zur Versorgung und zur Sicherung unseres Wohlstandes und unserer Arbeitsplätze beitra­gen.

In diesem Sinne bitte ich alle, dieser Gesetzesänderung zuzustimmen und somit auch den ökosozialen Weg der Nachhaltigkeit weiterzugehen, den schon Joschi Riegler aus unserer Fraktion vorgezeigt hat und auf dem alles in einem bestimmten Ablauf statt­finden muss. Es darf nicht immer nur ein engstirniges Denken geben, bei dem man in eine Richtung schaut, sondern man muss das Ganze sehen.

Es ist wirklich wichtig, das Ganze zu sehen – ob im Emissionsbereich oder auch im Tierschutz. Man muss auch wissen, dass die einen davon leben und für die anderen der Arbeitsplatz daran hängt.

In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu diesem Gesetz. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen und der Grünen.)

13.19

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Lich­tenecker. – Bitte.

 


13.20

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zwei zentrale Punkte, die Bestandteil dieses Gesetzes sind, erwähnen: Das ist einerseits die Fest­legung der täglichen Mindestruhezeiten und der Umstand, dass Gesetze, die schon seit 1. August 2003 ihre Gültigkeit haben sollten – wir sind etwas spät dran, aber es ist gut, dass das jetzt umgesetzt wird –, einer EU-Richtlinie folgend, auch in der öster­reichi­schen Rechtsprechung Anwendung finden.

Diese Bestimmungen über Ruhezeiten sind ganz zentral für die Lebensqualität der betroffenen Menschen in den verschiedenen Transportgewerben, die schon von Herrn Bundesrat Tiefnig genannt worden sind. Das sind eben Eisenbahn, Schifffahrt, Straßenbahn, Seilbahn und so weiter.

Weiters wichtig ist da aber auch das Thema Sicherheit. Von dieser Regelung ist nun der LkW-Verkehr nicht direkt umfasst, dennoch möchte ich kurz darauf eingehen. Das Thema Sicherheit wird im Transportgewerbe zunehmend zum Problem. Jetzt mag es für Sie eigen erscheinen, dass gerade eine grüne Bundesrätin vor Ihnen steht und dieses Thema aufgreift. Verkehr, auch LkW-Verkehr ist notwendig, wenn man einmal die lokalen Ressourcen, die lokale Wirtschaft ausgenützt hat und alles, was möglich war, auf die Schiene gebracht hat. Selbst wenn man den Schiffverkehr nutzt, ist es sicherlich notwendig, Güter auch auf Lkw zu verladen.

Faktum ist, dass die Menschen in diesen Bereichen täglich Unglaubliches leisten und am Stück – das zeigen Studien – nicht nur 20, 30, sondern sogar 40 Stunden unter-


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wegs sind! Das ist einerseits den Fahrerinnen und Fahrern abträglich, aber anderer­seits natürlich auch der Sicherheit im Straßenverkehr. Überlange Arbeits- und Lenk­zeiten sind an der Tagesordnung; damit verbunden ist selbstverständlich eine gewisse Übermüdung. Sekundenschlaf ist an der Tagesordnung, wodurch Unfälle verursacht werden.

Ich möchte Ihnen ganz kurz zwei Zahlen nennen. In einer Studie wird belegt, dass 44 Prozent der FahrerInnen regelmäßig zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche un­ter­wegs sind. Sie sehen, das ist eine enorme „Leistung“ – unter Anführungs­zeichen –, die da erbracht wird, denn das stellt einfach eine Gefahr dar. 15 Prozent der Berufs­kraftfahrerinnen und -fahrer geben an, im Gesamtkontext 40 Stunden an Fahr­leistung pro Woche zu erbringen.

Was sind die Folgen? – Erstens ist die persönliche Gesundheit total beeinträchtigt und die wenigsten glauben, dass sie in ihrem Beruf auch in Pension gehen können. Zwei­tens ist das Familien- oder Beziehungsleben beeinträchtigt, was ebenfalls nicht wirklich eine Variante ist, die wir uns wünschen. Und natürlich ist die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls gefährdet.

Das heißt, in diesem Bereich besteht dringender Handlungsbedarf, um klarzulegen, dass es eben Wochenend- und Feiertagsregelungen gibt sowie genügend Ruhezeiten und Pausen. Auch die Politik muss da Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass auch diese Berufsgruppe mit Sicherheit und zur Sicherheit von allen unterwegs ist. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.23

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitszeitgesetz und das Arbeits­ruhe­gesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Übereinkommen über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Re­publik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slo­wakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte (404 d.B. und 419 d.B. sowie 7009/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Über-


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einkommen über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Wir gelangen zu Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Übereinkommen über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG geändert wird (329/A und 420 d.B. sowie 7010/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 – ZTKG geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


13.27

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Ziviltechnikerkammergesetz liegt uns wieder einmal ein Reparaturantrag der schwarz-


Bundesrat
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blauen Bundesregierung vor. Dieses Gesetz muss repariert werden, weil der Verfas­sungsgerichtshof in seinem Erkenntnis festgestellt hat, dass es nicht verfassungskon­form war. Und wieder einmal ist es so, wie es bei dieser Regierung üblich ist: Es wird nicht wirklich repariert, es wird nicht wirklich versucht, die Dinge im Ganzen zu sehen – nein, es wird die Materie schnell durchgezogen.

Meine Damen und Herren! Ich sage damit nicht, dass nicht auch richtige Schritte in diesem Gesetz, in diesen Änderungen enthalten sind: zum Beispiel die Höchstbemes­sungs­grundlage, die eingeführt wird, oder die Mindestbeiträge, die abgesenkt werden. Das ist auf alle Fälle positiv zu bemerken.

Warum aber nicht auch die Interessen der jungen Architekten berücksichtigt wurden, das ist mir nicht klar, denn jeder von uns weiß, dass, wenn er sich selbständig macht, zu Beginn zumeist mit einem sehr geringen Einkommen zu rechnen ist. Zuerst muss man sich einmal einen Namen machen, man muss Referenzen vorweisen können. Wenn man das geschafft hat, dann läuft es sowieso. Aber bis dahin vergehen eben an die fünf bis zehn Jahre, die finanziell gesehen relativ trocken sind. In diesem Zeitraum sind die meisten dazu gezwungen, noch einer Zweitbeschäftigung nachzugehen, um damit finanziell über die Runden zu kommen.

Genau da fängt die Ungerechtigkeit an. Neben den Mindestbeiträgen in das System sind auch noch die ASVG-Beiträge zu entrichten. Diese Beiträge werden aber nicht wechselseitig angerechnet.

Meine Damen und Herren! Man sollte die Wünsche der jungen Architekten – ich meine, diese sind die Zukunft in diesem Berufsstand – nicht so locker abtun, sondern den Wunsch auf eine bessere und vor allem leistbare Absicherung eigentlich als einen gerechtfertigten Anspruch sehen. Es gibt ja die Stellungnahme der Interessengemein­schaft Architektur, die diesbezüglich ihre Sorgen klar und deutlich deponiert hat, aber leider ohne Erfolg.

Nicht die bereits arrivierten Architekten sind zu schützen, sondern der Nachwuchs muss gefördert werden. Dabei ist es wichtig, dass es entsprechende Erleichterungen gibt, dass also nicht Beiträge zu zahlen sind, die dann später nirgendwo zum Tragen kommen.

Was Sie aber in diesem Gesetz vorgelegt haben, ist eigentlich nur eine Minimal-Repa­ratur: Sie schützen die Großen mit den gut florierenden Büros und Sie vergessen – und ich sage das ganz bewusst – auf den Nachwuchs in diesem Bereich. Diese werden vertröstet, vielleicht – wie man bei uns immer zu sagen pflegt – auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.

Meine Damen und Herren! Voller Einsatz für die großen Büros und damit vielleicht auch Schutz vor unerwünschter Konkurrenz – das ist in diesem Fall die Devise. Ich glaube, da kann man nicht mitmachen.

Meine Damen und Herren! Für uns ist diese Gesetzesmaterie nicht weitgehend genug. Wir werden daher diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.31

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.31

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kraml! Ich kann Ihre Ausfüh­rungen nicht ganz nachvollziehen. (Bundesrat Kraml: Pech!) Es ist nun einmal so,


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dass der Verfassungsgerichtshof Teile des Ziviltechnikerkammergesetzes aufgehoben hat. Diesem Erkenntnis ist Rechnung zu tragen, was mit dieser vorliegenden Novelle getan wird.

Der wesentliche Inhalt des Gesetzes wird nicht geändert, er wird nur präziser for­muliert. Weiters werden entsprechend dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Mindestbeitragsgrundlage und die Höchstbeitragsgrundlage festgelegt. Wir haben eine Mindestbeitragsgrundlage festzulegen!

Wir sind auch der Gruppe der Ziviltechniker zu einer raschen Umsetzung dieses Erkenntnisses verpflichtet, da uns der Verfassungsgerichtshof eine Frist bis zum 30. Juni 2004, die Sie ja kennen, zur Reparatur gesetzt hat. Anderenfalls würde eine rechtlich nicht geregelte Situation vorliegen. (Präsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Diese vorliegende Novelle hat nichts mit der Pensionsharmonisierung zu tun – was im Nationalrat in einer Kritik angesprochen wurde –, sondern lediglich mit einer notwen­di­gen und fristgerechten Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes.

Wir sichern mit dieser Novelle den Mitgliedern der Ziviltechnikerkammer den ordnungs­gemäßen Fortbestand ihres Pensionssystems. Die Mitglieder dieser und jeder anderen Kammer denken nicht in parteipolitischen Kategorien, sondern erwarten sich von uns eine rasche Umsetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes.

Aus diesem Grund erwarte ich mir – aber ich glaube, da erwarte ich mir zu viel –, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, diesem Gesetz zustimmen. Wir von der ÖVP stimmen diesem Gesetz natürlich zu. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.33

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.33

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Frau Präsidentin! Gerade als Präsidentin der Bun­deswirtschaftskammer beraten Sie ja immer Jungunternehmer. (Bundesrätin Zwazl: Wirtschaftskammer Niederösterreich!) – Niederösterreich! Mein Gott! Der Wirtschafts­kammer Niederösterreich! Sie haben in Ihren Redebeiträgen meinem Empfinden nach durchaus das Zeug dazu, irgendwann sogar an die oberste Spitze zu gelangen, und die Niederösterreicher sind ja immer federführend in vielen Bereichen. Da ich heute schon Minister Pröll gelobt habe, darf ich doch auch die Präsidentin der Wirtschafts­kammer Niederösterreich loben.

Sie beraten Jungunternehmer, indem Sie sagen: Überhitzt euch im ersten Jahr nicht mit den Kosten, vor allem nicht bei den Angestellten und so weiter und so fort! – Sie müssten doch gerade um die jungen Architektenbüros Sorge haben. Die jungen Architektenbüros kämpfen ohnedies mit dem „Platzhirschentum“ der alten und arri­vierten Architekten. Was Sie so nonchalant als Mindestbeitragsgrundlage nennen – 15 000 € –, das ist nicht wenig! Dann kommt noch Basel II! Schauen wir einmal, ob die Kreditwürdigkeit von jungen Architekten angesichts von Basel II so einfach gegeben ist! 15 000 € als Mindestbeitragsgrundlage ist ein Hammer!

Dass das bei den großen Architekturbüros vielleicht ein Schmunzeln hinterlässt – das schaffen diese locker! –, glaube ich. Aber die Kleinen schaffen das in der Form nicht. Da geht es wirklich nicht um Parteipolitik. Da geht es um die Sorge ... (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.) – Nein, Herr Kollege Bartenstein! Ich weiß nicht, in welcher Zunft die Architekten sind – sind sie bei uns, sind sie bei Ihnen? – Ich schätze, Frau Kollegin Zwazl wird sich freuen. Ich kenne eigentlich nur Architekten aus dem ÖVP-nahen Bereich. (Bundesrat Mag. Himmer: Das spricht für


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den Umgang!) Aber vielleicht sind das die Platzhirsche und vielleicht schützen Sie die Platzhirsche. Ich meine, Peichl ist ja nicht gerade ein Roter, ein Grüner ganz sicher nicht! – Aber es geht um die Kleinen.

Als Präsidentin der Wirtschaftskammer werden Sie auch wissen, wie wichtig gut gemachte Reparaturen sind. Für Pfusch-Reparaturen gibt es keine Gewährleistung! Für diese Reparatur fordern Sie jetzt die Zustimmung der Opposition ein – für eine Reparatur mit dieser Mindestbeitragsgrundlage auch für junge Architekten, die wirklich hart darum kämpfen, zu Wettbewerben eingeladen zu werden und ein Standing zu bekommen. Da können Sie nicht erwarten, dass die Opposition sagt: Das ist eine tolle Reparatur.

Mit Verlaub möchte ich sagen: Diese Reparatur würde ich als eine Pfusch-Leistung sehen, auch wenn es eine Deadline gibt. Der 30. Juni ist eine Deadline, keine Frage! Aber man hätte das doch aus folgendem Blickwinkel sehen sollen: Wie können auch junge Architekten damit leben? Wie können sie es finanzieren? Kann man da nicht Übergangsregelungen einführen, zum Beispiel drei Jahre nach Betriebsgründung? Hätte man nicht solche Ideen mit einbeziehen können, die für ein junges Unternehmen eine höhere soziale Abfederung oder eine Sicherheit ihres Betriebsfortganges nach sich ziehen?

Es tut mir Leid, weil alles, was mit Architektur zusammenhängt, gefördert und begüns­tigt werden soll. Unser Land braucht viele gute junge Architekten und Architektinnen. Aber damit erweisen Sie dieser Zunft einen Bärendienst. Wir Grüne werden daher nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.37

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


13.37

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! In einem Erkenntnis aus dem Jahre 2003 hat der Verfassungsgerichtshof Bestimmungen des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993 und des Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen als verfassungswidrig aufgehoben. Das geschah im Wesentlichen deshalb, weil darin eine Regelung der Höchstgrenze der zu leistenden Beiträge fehlte. Denn aus der Sicht des Beitragspflichtigen mache es einen entscheidenden Unterschied, ob eine gesetz­liche Regelung den Verordnungsgeber ganz allgemein dazu ermächtigt, Beiträge festzulegen, oder ihm diesbezüglich eine beitragsmäßige Grenze – nämlich eine Höchstgrenze – setzt.

Mit der Neufassung der maßgeblichen Bestimmungen wird im vorliegenden Gesetz dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen: Nunmehr werden auch die aus dem Pensionsfonds und dem Sterbekassenfonds dieser Standesorga­ni­sation zu gewährenden Leistungen näher umschrieben.

Die Höhe der Versorgungsleistungen aus dem Pensionsfonds richtet sich nach den eingezahlten Beiträgen und den erzielten Veranlagungsüberschüssen und ist nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu errechnen. Die Höhe der jährlichen Beiträge zum Pensionsfonds ist im Statut festzusetzen. Dabei ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder Bedacht zu nehmen. Ebenso ist im Statut geregelt, wie die Beiträge im Pensionsfonds zu verwenden sind.

Für den Regelfall der Beitragsleistung gilt ein festzusetzender Fixbetrag, der Ziviltech­niker kann jedoch die Ermittlung der Beiträge auf der Basis der Beitragsgrundlage be­antragen. Diese wiederum wird auf Grund der Einkünfte des vorletzten Kalenderjahres


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aus der Tätigkeit als Ziviltechniker vor Steuern und vor Abzug der Beiträge an die Wohlfahrtseinrichtungen ermittelt. Gewinnanteile aus Gesellschaften sind bei der Bemessung zu berücksichtigen.

Der Beitragssatz darf 25 Prozent der Beitragsgrundlage nicht übersteigen, zudem sind Höchst- und Mindestbeitragsgrundlagen vorgesehen, die laufend an die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG angepasst werden.

Wenn Kollege Schennach darauf verwiesen hat, dass die Mindestbeitragsgrundlage zirka 15 000 € beträgt (Bundesrat Schennach: Nur einen Euro weniger! Nicht „zirka“!), 14 995 € exakt, so trifft das für das Jahr 2004 zu, aber es muss auch dazugesagt werden, dass sie schon im Jahr 2005 auf 8 553,80 € abgesenkt wird.

Bei unselbständigen Ziviltechnikern, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft stehen, sind die Beiträge zum Pensionsfonds vom Dienstgeber anhand des laufenden Entgelts zu bemessen und zu entrichten und unter sinngemäßer Anwendung des ASVG vom Dienstnehmer und Dienstgeber zu tragen.

All diese Konkretisierungen dienen der Rechtssicherheit der Standesmitglieder. Zudem sehen wir in der Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage durchaus auch eine soziale Komponente, auch im Interesse junger Ziviltechniker, abgesehen von der erwähnten Bezugnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Einkünfte im vorange­gangenen Kalenderjahr.

Es überrascht mich daher, dass vor allem die Kollegen von der Sozialdemokratie einer Reparatur nicht zustimmen, da sie damals dem Ziviltechnikergesetz sehr wohl ihre Zustimmung gegeben haben.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.41

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein das Wort.

 


13.41

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Professor Böhm hat die inhaltlichen Aspekte des vorliegenden Gesetzesantrages bestens beleuchtet, ich muss das nicht wiederholen. Lassen Sie mich aber auf zwei oder drei Aspekte hinweisen, die mir bemerkenswert erscheinen.

Erstens: Es liegt in der Natur solcher standesrechtlichen Rahmenbedingungen, dass sie im Konsens beschlossen werden, dass die Standesvertretungen an die politischen Parteien herantreten, um diesen Konsens zu erzielen. In der Tat hatte die Bundes­kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten den Eindruck, eine Vier-Parteien-Unterstützung zu haben, und war dann ebenso wie wir überrascht, dass diese im Par­lament verloren gegangen ist, dass nur mehr die beiden Regierungsfraktionen dem Antrag die Unterstützung geben.

Zweitens: Ich möchte noch einmal unterstreichen: Wir müssen in Österreich schon zum Bewusstsein kommen, dass zwischen Pensionsleistungen und Pensionsbeiträgen ein Zusammenhang besteht und dass es keinesfalls eine großzügige Tat ist, jetzt jeman­dem Pensionsversicherungsbeiträge zu erlassen. Er oder sie wird es später büßen.

Es ist nun einmal nicht mehr so, dass nur die besten 15 Jahre für die Pensionsbemes­sung herangezogen werden – 40 Jahre sind es jetzt mit bestimmten Einschrän­kun­gen –, sondern Sie wissen ganz genau, dass die Verhandlungen zur Harmonisierung des Pensionssystems natürlich in die Richtung gehen, dass es eine Berechnung über die gesamte Lebensarbeitszeit geben soll, dass jeder eingezahlte Euro von der Pen-


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sionsbemessung gleich viel wert sein soll. Manches ist noch zu diskutieren, aber diese Punkte stehen völlig außer Streit.

Das bedeutet eine noch engere Relation zwischen geleisteten Beiträgen und der zu erwartenden Pension.

Was in der heutigen Diskussion bisher nicht erwähnt wurde: Im Nationalrat und in der Ausschussdiskussion wurde seitens der Opposition ja sogar vorgebracht, dass junge Architekten oder Architekten während der Teilnahme an Wettbewerben ihre Befugnis ruhend stellen können und keine Beiträge leisten sollen. Obwohl er als Architekt oder sie als Architektin tätig ist, an einem Wettbewerb teilnimmt, soll die Befugnis ruhend gestellt werden. – Ich glaube, das ist nicht einmal vordergründig zu begrüßen und hintergründig erst recht nicht. Das ginge zu Lasten des jungen Freiberuflers, der jungen Freiberuflerin.

Über die Höhe der Mindestbeitragsgrundlage kann man diskutieren. Professor Böhm hat gesagt, ab dem Jahr 2005 wird es ohnehin um ein Viertel gesenkt. Das ist dann etwa in dem Rahmen, in dem auch die Mindestbeitragsgrundlage junger Unternehmer liegt. Sie ist in den ersten Jahren unter jener späterer Jahre.

Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen, weil von Herrn Bundesrat – las­sen Sie mich den Namen kurz nachlesen, damit ich hier keinen Fehler begehe – Kraml gesagt wurde: typisch, verfassungswidrig, die Regierung!: Sehen Sie sich einmal an, was der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat – das Überlassen, diese Grenze per Statut festzulegen, sei nicht verfassungskonform. Das wird repariert, das muss im Gesetz festgelegt werden, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Insgesamt, denke ich, eine durchaus vernünftige Gesetzesvorlage und keinesfalls die Absicht, jemanden zu schützen.

Wenn es eine Absicht gibt, dann die: insgesamt einen Freiberuflerstand insofern zu schützen, als man den Zugang zu einer Pension weiterhin gewährleisten möchte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.45

 


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

9. Punkt

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Be­rufsausbildung und berufliche Weiterbildung in Österreich 1999 (Berufsbildungs­bericht 1999) (III-195-BR/99 d.B. sowie 7011/BR d.B.)


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10. Punkt

Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung (III-206-BR/2000 d.B. sowie 7012/BR d.B.)

11. Punkt

Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der ge­werblichen Wirtschaft 2000/01 (III-237-BR/2002 d.B. sowie 7013/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 9 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 9 und 11 ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich bitte ihn um die beiden Berichte.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung in Österreich 1999.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufsausbildung und die berufliche Weiterbildung in Österreich 1999 zur Kenntnis nehmen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Betriebe der gewerblichen Wirtschaft zur Kenntnis nehmen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke. – Die Berichterstattung zu Punkt 10 hat Frau Bun­desrätin Fröhlich übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

 


Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Frauenangelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäf­tigung. Der schriftliche Ausschussbericht liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für Frauenangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselb­ständiger Beschäftigung zur Kenntnis nehmen. – Danke.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem ab­geführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Schimböck das Wort. – Er ist nicht im Saal, sodass wir zur nächsten Wortmeldung kommen: Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

 



Bundesrat
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13.49

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte von den drei Berichten der Tagesordnung den Bericht über die Situation der Klein- und Mittelbetriebe herausgreifen. Dieser Bericht ist sehr interessant, und ich danke all jenen, die ihn verfasst haben, da dies sicher sehr viel Arbeit bedeutet hat. Vor allem gefällt mir, dass fundierte Informationen der KMUs in Österreich, aber auch im EU- beziehungsweise internationalen Vergleich angeführt sind.

In Österreich beziehungsweise auch in der EU sind zirka 93 Prozent Klein- und Mittel­betriebe, davon sind zirka 84 Prozent Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern oder Mitar­beiterinnen.

Die gesamten Klein- und Mittelbetriebe stellen zirka 65 Prozent der Arbeitsplätze. Sie sind also ein sehr wichtiger wirtschaftlicher Faktor in Österreich.

Weiters möchte ich erwähnen, dass in Österreich jedes dritte Unternehmen von einer Frau geführt wird. Dazu kommen noch die vielen Mitunternehmerinnen, die im Betrieb ihres Mannes oder Partners mitarbeiten. Ich persönlich bin auch davon überzeugt, dass viele Betriebe gar nicht existieren könnten, wenn die Mitunternehmerinnen nicht tatkräftig im Betrieb mitarbeiten würden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Böhm: Ganz richtig!)

Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, aus Anlass des Berichtes über die Situation der KMUs Folgendes zu sagen: Es ist so, dass es auch für Gewerbetreibende soziale Gerechtigkeit geben muss. Laut Berechnung der Wirtschaftskammer ist nämlich die Abgabenlast keineswegs bei Dienstgebern und Dienstnehmern gleich verteilt. Der Beitrag der Wirtschaft beträgt fast 56 Prozent, während der Beitrag aller Arbeitnehmer zusammen rund 44 Prozent beträgt. Dabei sind die vom Arbeitgeber zu leistenden Abgaben zum Familienlastenausgleichsfonds nicht mitgerechnet. Das heißt, dass die Wirtschaft in hohem Ausmaß das soziale Netzt finanziert.

So werden zum Beispiel nur mit den Beiträgen der Wirtschaft das Kinderbetreuungs­geld, die Schülerunfallversicherung, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten, Schulbücher und so weiter finanziert. Das bestätigt deutlich, dass alles, was der Sozialstaat verteilt, letzten Endes von den Betrieben und deren Mitarbeitern beziehungsweise Mitarbei­terinnen erwirtschaftet werden muss. Dies sollte allen klar sein, vor allem auch jenen, die immer wieder soziale Forderungen stellen.

Ich möchte hier folgenden Vergleich anstellen: Während für einen Dienstnehmer, der krank ist, unser Sozialstaat mit seinem breiten Leistungsangebot voll einspringt, ist dies bei den Unternehmern nicht der Fall, obwohl diese zur Finanzierung der Sozialleistun­gen einen hohen Beitrag zahlen.

Als Beispiel möchte ich Ihnen Folgendes näher bringen: Jemand, der fünf Jahre in einem Betrieb ist, erhält vom Dienstgeber acht Wochen das volle und vier Wochen das halbe Krankengeld. Das heißt in der Praxis, dass der Betrieb zehn Wochen Kranken­geld bezahlen muss; das sind zweieinhalb Monate. Ich überlasse es Ihnen, sich auszurechnen, wie sehr das gerade kleine Unternehmen belastet. Auch Klein- und Mittelbetriebe stehen voll im Wettbewerb.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen: Unter­nehmer, Unternehmerinnen sowie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und nur mit­einander stark sind. Die Finanzierung unseres Sozialsystems hängt in hohem Ausmaß davon ab, und dessen sollten sich alle bewusst sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.53

 



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Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.53

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wir haben uns darauf geeinigt, drei Berichte gemeinsam abzuhandeln, wobei alle drei Berichte – das kann man, glaube ich, vorweg einmal sagen – nicht unbedingt druckfrisch sind.

Der Berufsbildungsbericht stammt aus dem Jahr 1999 und behandelt schwerpunkt­mäßig eigentlich die Zeiträume vor 1999. Ich habe schon im Ausschuss moniert und davon gesprochen, dass der Berufsbildungsbericht etwas antiquiert ist. Das heißt, dieser Bericht ist mindestens vier, im Juni dann sogar fünf Jahre alt und daher nicht mehr zeitgemäß. Es haben sich ja in vielen Bereichen die Berufsbilder geändert, und dadurch ist auch die Vergleichbarkeit in vielen Bereichen nicht mehr gegeben. Zeit­gemäßere Berufsbildungsinformationen gibt es ja zum Teil über elektronische Medien, und soweit sie eben in diesen elektronischen Medien vorhanden sind, ist natürlich die Vergleichbarkeit deshalb nicht mehr gegeben, weil die Grundlagen für die neuen, in den Medien erstellten zeitgemäßen Berichte andere sind.

Meine Damen und Herren! In aller Kürze: Meine Fraktion nimmt alle drei Berichte zur Kenntnis im Sinne einer Abarbeitung von Berichten, aber nicht im Sinne einer zeit­gemäßen Information. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.55

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. Ich erteile ihr das Wort.

 


13.55

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Drei Berichte liegen vor, warum sie teilweise so spät zu uns kommen, haben wir schon erfahren: Das liegt nicht am Ministerium oder an der Beamtenschaft, sondern sozusagen in unseren Händen, in den Händen des Bundesrates. Das heißt, da müssen wir uns an der Nase nehmen!

Ich möchte inhaltlich auf die Berichte eingehen, vorab aber sagen, dass wir den Be­richten unsere Zustimmung erteilen werden, und zwar in dem Sinne, dass wir das zur Kenntnis nehmen. Ich möchte mich bei den Beamtinnen und Beamten bedanken für die Arbeit, die da geleistet wurde.

Die Berichte sind teilweise sehr selektiv, teilweise sehr kontinuierlich, was von Vorteil ist, insbesondere wenn man dann zum Beispiel auch den Tourismusbericht – das ist der nächste Tagesordnungspunkt – betrachtet.

Zum ersten Bericht, dem Berufsbildungsbericht. Zwei Bereiche sind darin zentral, einerseits die Berufsausbildung und andererseits die berufliche Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens. Im Bereich Berufsausbildung sind natürlich sehr stark Jugendliche betroffen, daher möchte ich kurz auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit zu sprechen kommen.

Es ist bedauerlich, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich inzwischen bei 8,8 Prozent liegt und sozusagen die Schwierigkeiten in diesem Bereich immer mehr zunehmen.

Ich denke, die Politik hat dafür zu sorgen, dass der jungen Generation die Spielräume und Handlungsmöglichkeiten erhalten bleiben, sowohl im ökonomischen als auch im ökologischen Kontext.


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Bildung und Arbeit bedeuten auch das Schaffen von Identität, bedeuten in der Regel auch Partizipation am gesellschaftlichen, am sozialen, am kulturellen und am ökono­mischen Leben.

Studien belegen, dass junge Menschen, wenn sie arbeitslos werden, sehr schnell in ein schlechteres ökonomisches Segment abrutschen und das auch zur Stigmatisierung beiträgt. Dazu kommt, dass Jugendliche, wenn sie arbeitslos werden – das belegen die Zahlen über Jahrzehnte –, in der Folge schlechtere Berufsmöglichkeiten, schlechtere Erwerbsmöglichkeiten haben. Insofern gilt es, hier Schwerpunkte zu setzen, insbe­son­dere in diesen Bereich zu investieren, sei es, dass man sich eine Novellierung des Be­rufsausbildungsgesetzes überlegt, sei es, dass man verstärkt die AMS-Mittel forciert, die in diesem Bereich meiner Meinung nach zu gering sind, um auch die Qualität der Ausbildungsprojekte zu sichern, wo Jugendliche eine zweite Chance haben, sei es, dass man die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe forciert. Hier gibt es einige Be­reiche, wo sozusagen wirklich ein Schwerpunkt gesetzt werden soll.

Was ich vermisse in Bezug auf den Bildungsbericht 1999: Darin wurde noch ein großer Bereich dem lebenslangen Lernen, der Berufsweiterbildung gewidmet, das sich jetzt so nicht mehr findet. Ein Vorschlag wäre, hier auch wieder schwerpunktmäßig etwas zu machen, weil völlig klar ist, dass in einer kleinen offenen Volkswirtschaft wie Österreich Bildung das Kapital schlechthin ist und Humanressourcen wichtig sind. Das vermisse ich in der Folge, in den nächsten Jahren, das ist in dieser Form nicht zu finden, dass nämlich Wert gelegt wird auf Fördermaßnahmen, darauf, dass innerbetriebliche Weiter­bildung, innerbetriebliches Lernen sehr wichtig ist, was seine Schwerpunkte bei den Klein- und Mittelunternehmungen hat.

Da möchte ich gleich wechseln zur Situation von kleinen und mittleren Unternehmun­gen. Der Bericht ist sehr umfassend, sehr spannend und interessant. Ein Bezug auf die derzeitige Situation ist – weil immer betont wird, dass die KöSt-Senkung ja den KMUs zugute komme –, dass das nur ein sehr kleiner Bereich der KMUs ist. Wenn man sich die Körperschaftsteuer-Statistik anschaut, stellt man fest, dass 0,3 Prozent der GesmbHs 43 Prozent des KöSt-Aufkommens zahlen; insofern kann man auch die Ent­lastung sehen.

Herr Staatsekretär Finz hat heute schon betont, dass man langsam die AWS in den Griff bekommt, wie auch immer. Bei dem Versuch, generell einmal ein innovatives Instrumentarium zu finden, die KMUs zu fördern, gäbe es meiner Meinung nach genug an Handlungsspielraum, die Forschungs-, Entwicklungsausgaben zu erhöhen. Bildung, Weiterbildung – das habe ich vorhin schon erwähnt – ist ein zentraler Punkt. Auch in Oberösterreich merken wir, dass ein zentraler Bereich der Wissenstransfer von den Forschungsinstitutionen zu den Klein- und Mittelunternehmungen wäre, wo wir noch immer Mängel sehen, weil dadurch Innovationsräume erst genutzt werden können.

Ein wesentlicher Bereich, für den meiner Meinung nach natürlich auch die Kommunen, jetzt insbesondere der Bund, zuständig wären, ist die Sicherstellung von Infrastruktur. Im Breitbandbereich wird jetzt eine erste Maßnahme gesetzt, aber sie wird sehr spät kommen. Da sehen wir große Nachteile. Österreich hinkt einfach hinterher, was den Breitbandausbau betrifft.

Von Seibersdorf Research gibt es eine Studie zu Innovationsverhalten und Barrieren der österreichischen KMUs. Darin finden sich, wie ich meine, wesentliche Punkte, wo die Politik tatsächlich ansetzen soll. Was wird da genannt? – Das eine sind hohe Innovationskosten, wo gleichzeitig auch beklagt wird, dass die Banken nicht bereit sind, Risikokapital zu gewähren, dann Finanzierungsprobleme per se – aber das lässt sich auch dem Bericht entnehmen – mit den Eigenkapitalquoten, dann die Qualifikation des Personals und auch fehlende Marktinformationen. Das sind alles Bereiche, die


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genannt werden, wo durchaus seitens des Bundes, seitens des Ministeriums Unter­stüt­zung gewährt werden kann.

Generell ist, denke ich, in diesem Bereich auch zu überlegen: Was heißt denn inno­vative Standortpolitik? Aber darauf werde ich heute bei einem späteren Tagesord­nungs­punkt noch eingehen.

Zum letzten Bericht, der aus Ihrem Hause kommt, zum Bericht in Bezug auf die Ein­kommen von Frauen und Männern in unselbständiger Beschäftigung. Die Studie finde ich sehr gelungen, die Ergebnisse weniger toll und belebend, aber es zeigt etwas, was längst allen bekannt ist, nämlich dass die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen nach wie vor sehr groß ist und sich in den letzten 30 Jahren – und jetzt betone ich noch einmal: in den letzten 30 Jahren – kaum verringert hat. Das heißt nichts anderes, als dass es da großen Handlungsbedarf gibt.

Ich nenne noch ein paar Fakten dazu. Zum Beispiel hat sich zwischen 1977 und 1997 der Einkommensabstand um 3 Prozent vergrößert. Die einkommensstärksten Frauen verdienen um 30 Prozent weniger als die einkommensstärksten Männer. Die einkom­mens­schwächsten Frauen verdienen sogar um 42 Prozent weniger als die einkom­mensschwächsten Männer. Sie sehen hier also unglaublich große Differenzen.

Was hat dies zur Folge? – In der Studie ist definiert, dass es auch EU-Ziel ist, dass Frauen wirtschaftlich unabhängig sein sollen. Letztendlich ist die Folge dieser zuneh­menden Einkommensschere die Armutsfalle, die Armutsgefährdung, von der inzwi­schen in Österreich 13 Prozent aller Frauen betroffen sind. Von Armut betroffen sind 5 Prozent – ein Wert, der höher liegt als bei den Männern. Das ist eine wenig erfreu­liche Geschichte.

Aber wo sind die Ursachen zu finden? – Einerseits im Berufseinstieg. Es handelt sich teilweise um Branchen, in denen Frauen, Mädchen anfangen, ihre Ausbildung zu machen, die schlecht bezahlt sind. Es finden sich wenige Mädchen in technischen Berufen. Der Berufsverlauf ist eindeutig so gekennzeichnet, dass Frauen im Aufstieg beziehungsweise in der Weiterbildung benachteiligt sind, und zwar eindeutig benach­teiligt sind. Ein interessantes Ergebnis ist, dass sich die Karenzzeiten auf den Einkom­mensverlauf schwerwiegender auswirken als Arbeitslosigkeit. Zudem führen die Ka­renzzeiten in der Regel zu Teilzeitbeschäftigungen, die wiederum geringer bezahlt sind, das heißt geringer bezahlt in dem Sinn, dass der Stundenlohn im Teilzeitbe­reich – gleiche Qualifikation, gleicher Status – geringer ist als bei Vollzeitbeschäftigung. Das belegt die Studie.

Wenn Sie es noch einmal genauer anschauen – da komme ich noch einmal auf das Kinderbetreuungsgeld zu sprechen, weil das gestern auch im Ausschuss Thema war, von wegen welche Auswirkungen es gibt –, dann sehen Sie, dass die Wifo-Studie belegt, dass das in dem Sinn negative Auswirkungen auf das Einkommensdifferential hat, dass es zunimmt, und keinerlei faire Aufteilung der Betreuungsarbeit zwischen den Eltern erfolgt. Ich meine, da müsste es bei den Ministerien eigentlich zu klingeln be­ginnen, dass Adaptionen erforderlich wären beziehungsweise andere Maßnahmen ge­setzt werden müssten.

Eine Frage möchte ich ganz kurz anschließen. Am Ende des Berichtes sind einige Szenarien angeführt, wie man zu einer Reduktion der Einkommensdifferentiale kom­men könnte. Es finden sich darin einige sehr interessante, konstruktive Vorschläge, bei denen es eben um gleiche Chancen für Frauen im Berufsleben geht. Was heißt im Konkreten Karriereförderung in den Betrieben? Was heißt Vereinbarkeit von Job und Familie – Familie definiert aber als Frauen und Männer? Was wird in diesem Kontext im Ministerium sozusagen vorangetrieben – nicht nur in Ihrem, sondern auch in an-


Bundesrat
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deren –, beziehungsweise ist in Bezug auf die Ergebnisse eine Arbeitgruppe installiert worden? – Darauf konnte gestern keine Antwort gefunden werden.

In diesem Sinne und in der Hoffnung, dass im Bereich Einkommensschere Frauen – Männer demnächst tatsächlich aktive Maßnahmen gesetzt werden, bin ich gespannt auf Ihre Antwort. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.07

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.07

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier eine Reihe von Berichten vorliegen. Auf Grund der aktuellen Arbeitsmarktsituation sollte uns, wie ich meine, der Berufsbildungsbericht natürlich sehr nachdenklich stim­men.

Es gibt im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit dermaßen frappant ansteigende Zahlen, dass dieser Bereich schon eher fast vom Bundesministerium für Soziales abzuhandeln wäre als vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Die Jugendarbeitslosigkeit hat einen Wert erreicht, den wir eigentlich bisher bei weitem noch nicht gekannt haben.

Wenn wir uns die Lehrlingssituation anschauen, dann sehen wir, dass erstmals 4 168 Lehrstellensuchenden nur 2 409 Plätze zur Verfügung stehen, also auch ein Ansteigen von 4,7 Prozent gegenüber dem Jahr 2003.

Aber zurück zum Bericht über die Berufsausbildung. Wenn ich mir ein wenig die Zahlen in meinem Bundesland, was das duale Ausbildungssystem betrifft, zu dem sich, wie ich meine, alle Sozialpartner sehr bekennen und das auch zu einem hohen Maß an beruf­licher Qualifikation in diesem Land geführt hat, ansehe, dann stelle ich fest, es ändert sich dort eigentlich – jetzt ist zwar der Bericht schon etwas zurückliegend, wie von mei­ner Vorrednerin gesagt wurde, er stammt aus dem Jahre 1999 – doch sehr viel. Man stelle sich vor, dass die Zahl der Lehrstellen im Bereich des Gewerbes – ich habe die Zahlen jetzt allerdings nur aus Oberösterreich – von 12 845 auf 11 166 gesunken ist! Ja, auch in der neuen Sparte tut sich einiges. Auch dort gibt es bereits Lehrplätze. Das ist aber jetzt schwer vergleichbar, also der ganze Bereich Informationstechnologie und so weiter. Da gab es damals natürlich noch keine Zahlen, was verständlich ist.

Wer eigentlich dort noch immer die Position hält, das ist die Tourismusbranche. Da gab es 1 869 Arbeitsplätze, aktueller Stand: 1 864.

Jetzt haben wir aber immer wieder das Problem, dass viele junge Menschen, seien es Schulabbrecher oder auch andere, Ausbildungsmöglichkeiten finden und dann doch eigentlich keine Chance bekommen, sich aus- und fortzubilden. Da gibt es in Ober­österreich in der Stadt Wels eine interessante Einrichtung, Herr Bundesminister, eine berufsbildende Hauptschule. Ich finde so etwas bedauerlicherweise kaum in anderen Bundesländern. Ich glaube, da wäre wirklich die Politik gefordert, eben Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung herzustellen.

Dieses Ausbildungsmodell hat nämlich einen riesigen Vorteil. Es gibt dort zwei Be­reiche: einen technischen und einen kaufmännischen. Ich konnte mir das wirklich ein­gehend ansehen: Es gibt keinen Schüler dieser berufsbildenden Hauptschule, der nach Absolvierung seiner Schulpflicht keinen Lehrplatz findet. Das ist eine Topausbildung. Ich glaube, da ist es dringend notwendig, doch auch ein wenig experimentierfreudig zu werden.


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Ich weiß, unser Schulsystem geht auf Maria Theresia zurück. Wenn man sich das gan­ze System anschaut, dann hat man oft den Eindruck, vieles ist dort leider noch immer sehr historisch. Diesbezüglich ist, wie ich meine, wirklich Zukunftsmusik gefragt.

Ein anderes Beispiel: Im Bezirk Kirchdorf – wir haben hier im Bundesrat auch einen Vertreter aus diesem Bezirk – gibt es zum Beispiel die Bemühung eines Industrie­be­triebes, die Lehre mit einer höheren technischen Ausbildung, mit einer Schule, mit ei­nem Maturaabschluss zu koppeln. Diese Entwicklung hat bis jetzt noch immer ihr Ende beim lokal zuständigen Landesschulinspektor gefunden, eigentlich einem Bundes­beamten. Ich meine, es ist dringend notwendig, sich neu zu orientieren, Herr Bundes­minister, und dort neue Wege zu gehen. Wir müssen uns ganz einfach wappnen und eben dem Rechnung tragen, dass sich viel tut.

Im Bericht über die so genannte mittelständische Wirtschaft, über die Klein- und Mittelbetriebe, konnte dem noch nicht Rechnung getragen werden, da das in dieser Zeit noch nicht so ausgeprägt war. Aber wenn ich schaue, welchen Auftrieb die Betrie­be im Bereich Consulting, EDV haben, dann muss ich sagen, da wird wirklich einiges gegründet.

Bei diesem Bericht über die Situation der Klein- und Mittelbetriebe, der Unternehmer in diesem Bereich, möchte ich Folgendes kritisch anmerken. Wir haben es hier eigentlich mit einem Mikrokosmos des Unternehmertums zu tun. Wenn einmal der jetzige Re­gierungschef gemeint hat, wir brauchen eine makroökonomische Neuarchitektur, dann würde ich meinen, wenn ich jetzt die Raumplanung mit den Aktivitäten des Häusl­bauers vergleiche, man muss sich in dieser Republik wirklich sehr bemühen, dass es mit der Mikroökonomie nicht bergab geht, denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Wenn Präsident Leitl von der Wirtschaftskammer Österreich immer meint, wir leben im Gründerboom, dann, muss ich sagen, ist es sehr erfreulich, dass der Kreditschutz­verband eine Studie in Auftrag gegeben hat, die ein wenig Licht in diese Entwicklung der Klein- und Mittelbetriebe gebracht hat. Dies war eigentlich schon sehr ernüchternd, was den Gründerboom, was die wirtschaftliche Situation von kleinen Unternehmungen betrifft, und das ist ja bekanntlich die Mehrheit.

In meinem Bundesland, Herr Bundesminister, schaut es so aus, dass etwa 70 Prozent der Gewerbetreibenden einen Betrieb mit weniger als zehn Mitarbeitern haben, und nur 0,7 Prozent fallen in die Klasse über den KMUs, haben also mehr als 249 Beschäftigte.

Professor Schwarz vom Institut für Innovationsmanagement und Unternehmensgrün­dung hat ein paar sehr frappierende Feststellungen getroffen. Von diesen so genann­ten Neugründungen sind grundsätzlich 81 Prozent Einzelunternehmer, also all jene werden diese Wohltat der Körperschaftsteuersenkung nicht genießen können. 20 Pro­zent von diesen Neugründern konnten trotz intensivster Recherche des Universitäts­institutes nicht einmal telefonisch irgendwo aufgefunden werden. 12 Prozent dieser Neugründer haben eigentlich einen alten Betrieb, sei es von den Eltern, wie immer, übernommen. 25 Prozent der Neugründer führen diesen Betrieb quasi in einem Neben­erwerb, und 71 Prozent dieser Neugründer haben selbst nach drei Jahren noch immer keinen Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt. Das lässt mich an den Zahlen, die sowohl von Ihrem Ressort als auch von der Bundeswirtschaftskammer immer wieder in den Raum gestellt werden, nämlich dahin gehend, dass diese Neugründungen eine Jobmaschine sind, sehr stark zweifeln.

Zur sozialen Situation: 41 Prozent dieser Neugründer haben diesen Sprung in die Selb­ständigkeit gemacht, um einer drohenden Arbeitslosigkeit aus dem Weg zu gehen. Auch das ist nicht gerade ein gutes, positives Vorzeichen.


Bundesrat
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Es sind heute von Staatssekretär Finz einige Beispiele genannt worden, wie zum Beispiel die steuerliche Situation, Thema Gruppenbesteuerung, weitere Jobs und so weiter. Herr Bundesminister! Gerade im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe habe ich ärgste Zweifel, dass das passieren wird.

Ich möchte hier exemplarisch nur einen Bereich herausgreifen, nämlich jenen der Frächter. Es kommt dort jetzt zur so genannten Ausflaggung. Jene, die sich mit See­fahrt beschäftigt haben, wissen, dass das bisher nur auf hoher See üblich gewesen ist, dass man nämlich eine Flagge irgendeiner steuerarmen Zone für das Schiff wählt. Jetzt wird uns das ins Haus stehen. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat erhoben, dass 25 Prozent jener Fracht-LKWs, die im Jahr 2003 von großen Frachtunternehmen angemeldet wurden, nicht mehr mit einem österreichischen Kennzeichen fahren, son­dern sie sind in der Slowakei, in Tschechien und so weiter angemeldet. Der steuerliche Verlust, der daraus resultiert, ist natürlich enorm. Er wird von diesem Institut bis 2007 mit etwa 565 Millionen € beziffert. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Bar­tenstein.)

Der Rückschluss, Herr Bundesminister, wäre eigentlich der, dass man sich gerade diese Gruppenbesteuerung, die die in diesem Bericht erwähnten Klein- und Mittelbe­triebe ja völlig ausspart, wirklich noch sehr gründlich überlegt. Was bedeutet denn das, dass diese Fahrzeuge mit ausländischem Personal besetzt werden, dass die Steuern dort abgeführt werden? – Das bedeutet – ich spreche hier vor allem Frau Zwazl als ausübende Händlerin an –, dass der Konsument bei uns weniger in der Tasche haben wird, weil die Löhne halt in der Slowakei oder wo auch immer ausbezahlt werden. (Bundesrätin Zwazl: Keinen Katastrophenbericht! Ich weiß nicht, wo Sie leben!) – Ich weiß nicht, vielleicht ticken in Niederösterreich die Uhren anders, Frau Präsidentin.

Zum Beispiel hat es in Oberösterreich Ende des Vorjahres eine Analyse gegeben. In den kleinen und mittleren Betrieben, über die heute eben der Bericht vorliegt, gab es im Bereich des Schuhhandels, des Lederhandels jeweils ein Minus von 12 Prozent, im Textilhandel ein Minus von 3 Prozent, im Lebensmittelhandel erfreulicherweise ein Plus von 3 Prozent, nur um hier ein paar Zahlen zu nennen.

Ich glaube ganz einfach, es wird wirklich dringend notwendig sein, dieses Steuer­system noch einmal zu überdenken, denn es kann nicht sein, dass in dieser Republik nur Groß- und Größtbetriebe unterstützt werden, aber der kleine Unternehmer, dem man hier zwar viele Seiten in einem Bericht gewidmet hat, eigentlich übrig bleibt.

Da fällt mir noch eines ein: Es sind ja sehr viele Bürgermeister im Bundesrat vertreten, und wir sind die Kammer der Regionen, die föderale Institution. Wir haben heute schon sehr viel an Zahlen von Herrn Staatsekretär Finz gehört. Wenn den Gemeinden immer weniger Geld in den Gemeindenkassen bleibt, dann muss man sich wirklich vorstellen, was da passiert, denn bekanntlich werden alle kommunalen Investitionen zu mehr als 70 Prozent an Unternehmen vergeben, die sich im Umkreis von nicht mehr als 50 Kilo­metern befinden. Das, meine Damen und Herren, sind diese kleinen und mittelständi­schen Betriebe. Viele Betriebsinhaber stehen alleine mit einer Mitarbeiterin, mit einem Mitarbeiter, mit einem Lehrling im Haus. Sie sind auch die Garanten – um noch einmal zum Beginn zurückzukommen – für diesen Berufsbildungsbericht. Sie sind diejenigen, die für Ausbildung sorgen und die sich lokal um die Wirtschaftsstruktur kümmern.

In diesem Sinne würde ich doch darum ersuchen, dass man auch seitens des Wirt­schaftsressorts Einfluss auf die Fiskalpolitik nimmt, damit auch kleine und mittlere Unternehmen in diesem Land wieder eine Zukunft haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


14.19


Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 102

Präsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Kneifel das Wort.

 


14.19

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Erlauben Sie mir eingangs die Feststellung, dass der Weltuntergang für die kleinen und mittleren Betriebe in Österreich derzeit noch nicht vor der Tür steht. Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Schimböck könnte man von solchen Ahnungen erfasst werden.

Es ist richtig, die kleinen und mittleren Betriebe haben zu kämpfen. Sie bemühen sich sehr, ihre Aufgabe zu erfüllen, insbesondere als Motor der Wirtschaft, als Ausbildungs­stätten für Lehrlinge, für den Berufsnachwuchs, um das Angebot im Rahmen der Marktwirtschaft, die Angebotsvielfalt bereitzustellen, die Steuern zu zahlen und vieles mehr.

Aber es ist richtig, wir sollten uns mehr mit den Menschen befassen, die dahinter ste­hen. Wenn ich mir den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unter­neh­mungen durchlese, sehe ich, es wird hier über Finanzierung, Internationalisierung, Informationstechnologie, Arbeitskräfte, Ausbildung und so weiter gesprochen. Ich möchte aber die Situation der Gestalter, der Unternehmer, der Menschen, die in diesen Betrieben wirken, beleuchten, weil ich glaube, dass sie es verdienen, auch so im sozialen Netz verankert zu werden, dass sie ihre Aufgaben, die sehr wesentlich sind für diesen Staat und für die Gesellschaft, nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft noch besser erfüllen können. In diesem Bereich ist bereits sehr viel geschehen.

Lieber Kollege Schimböck! Du hast einige Befürchtungen und Ängste angesprochen. Ich darf sagen, dass für die kleineren und mittleren Betriebe auch sehr viel Gutes und Wichtiges in den letzten Jahren geschehen ist. Ich denke etwa nur an die Forderung, für die wir, glaube ich, über zehn Jahre lang gekämpft haben, nämlich die Halbierung des Steuersatzes auf den nicht entnommenen Gewinn.

Ich denke zum Beispiel an die Lehrlingsausbildungsprämie von 1 000 €, die an die Betriebe, insbesondere an die Ausbildungsbetriebe, bezahlt werden und mit der wir eigentlich schon eine Forderung vorweggenommen haben, die vielleicht zu einem Aus­bildungsfonds führen würde, wenn ich über unsere Grenzen hinweg in die Bun­des­republik Deutschland schaue. Das haben wir gut gelöst, um eben auch die Monate der Berufsschulausbildung, die für den Betrieb nicht in produktiver Weise durchgeführt werden können, vom Staat und von der Gesellschaft abzugelten.

Es ist einiges geschehen, aber es bleibt sicher noch einiges zu tun. Das ist absolut richtig. Ich denke hier zum Beispiel an die Sorge, die ein Unternehmer hat, insbeson­dere wenn er einen kleinen Betrieb führt oder gar alleine ist – und solche gibt es ja immer mehr – und von Arbeitslosigkeit befallen wird. Auch ein Einzelunternehmer, ein kleiner Unternehmer ist nicht davor gefeit, dass er arbeitslos wird, aus welchen Grün­den immer.

Was passiert dann? – Einem Arbeitnehmer, der im ASVG-Netz sehr gut verankert ist, kommt die Arbeitslosenversicherung zugute. Was aber passiert mit einem Unterneh­mer, der vielleicht auch einige oder gar viele Jahre – bekanntlich fällt ja kein Meister vom Himmel – als Unselbständiger gearbeitet hat, Arbeitslosenversicherungsbeiträge eingezahlt hat, dann mit 35 oder 38 Jahren selbständig wird? – Da sind alle diese Beträge einfach ... (Widerspruch des Bundesrates Kaltenbacher.) – Na ja, aber sie sind in Wirklichkeit vergessen. Und wenn ich an die Pensionsbeiträge denke: Diese sind zur Gänze verloren!


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Und wenn er krank und alt wird, muss das volle Risiko, das erhöhte Risiko die Sozial­versicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft tragen. Wir kennen alle das Phänomen der Wanderversicherung, dass es eben keinen Ausgleich für Beträge gibt, die bei einer Einrichtung bezahlt wurden und nicht weitergegeben werden, im Ruck­sacksystem zum Beispiel, an den anderen Sozialversicherungsträger.

Das sind alles ungelöste Fragen, die jetzt einmal dargestellt und festgehalten werden, aber noch nicht zur Gänze gelöst sind.

Da ist einmal das Problem der Arbeitslosenversicherung. Was passiert, wenn so ein kleiner Unternehmer, ein Kleingewerbetreibender, krank wird? Das Problem des Krank­heitsfalls ist nicht gelöst!

Frau Kollegin Giesinger und auch Herr Kollege Schimböck haben berichtet, dass die Einzelunternehmer immer mehr werden, dass immer mehr Menschen die Verantwor­tung für ihre zukünftige Existenzsicherung selbst tragen. – Das ist ja an sich eine posi­tive Entwicklung unserer Gesellschaft, wenn einer sagt: Ich gehe nicht zum AMS oder zur Landesregierung oder zum Magistrat und stelle mich an und warte auf einen Job!, sondern sagt: Ich nehme meine Existenzsicherung, ich nehme meine Zukunft selbst in die Hand und bemühe mich, eine eigene Existenz zu gründen!

Das sollte eigentlich der Normalfall sein – und nicht der Ausnahmefall. Deshalb, glaube ich, sollten wir diese Situation auch nicht krankjammern, wenngleich die Erkran­kung eines Unternehmers für diesen ein Problem ist. Dieses Problem sollte in Zukunft gelöst werden.

Ein drittes Thema, das mich sehr bewegt, wenn ich über die soziale Situation der kleinen Unternehmerinnen und Unternehmer nachdenke, ist zum Beispiel auch die Er­krankung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stellen Sie sich vor, ein Unternehmer hat einen Betrieb gegründet, hat ein, zwei Angestellte, und die werden gleichzeitig krank! Was ist dann? – Das kann ein Unternehmen in Riesenprobleme stürzen, und dann reden wir vom Scheitern solcher Unternehmen; das hat aber in diesem Fall keine wirtschaftlichen Gründe, sondern soziale Gründe.

Auch diese Fragen sollten uns meiner Meinung nach im Rahmen der Diskussion eines Berichtes über die Lage der kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigen.

Es ist ja auch schon viel geschehen, es hat viele Initiativen gegeben. Weil ich gerade die Kollegin Präsidentin Zwazl sehe: Es ist im Bereich der Betriebshilfe viel geschehen, etwa ein Zusammenschließen der Kammer und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Wenn ich allein an mein Bundesland denke: In den letzten Jahren sind mehr als 280 Fälle in diesem Bereich gelöst worden: durch Selbsthilfe, durch Bereitstellung eines Betriebshelfers in Krankheitsfällen. Ich rede ja nicht von Missmanagement, wenn einer schlecht wirtschaftet, sondern ich rede davon, was einem Kleinunternehmer droht, wenn er unverschuldet in eine solche Lage kommt.

Das sind Fragen, die uns beschäftigen sollten und wo wir gemeinsam nach Lösungen suchen sollten.

Ich möchte ein anderes Beispiel bringen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Aber nicht gesundbeten!) – Ich bin ja dabei, die Probleme aufzuzeigen, die einen Unternehmer, eine Unternehmerin begleiten, wenn sie sich entschieden haben, sich selbständig zu machen und selbständig ihre Existenz zu sichern.

Ich denke an die Aktion, die nach dem Hochwasser in Oberösterreich und Nieder­österreich gestartet wurde und wie rasch hier die Sozialversicherung geschaltet und Maßnahmen getroffen hat. Allein in Oberösterreich sind 1,3 Millionen € an 754 Betrof­fene sehr rasch und unbürokratisch ausbezahlt worden.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Ansicht, neben der rein technischen Abwicklung sollte man bei der Behandlung derartiger Berichte immer auch die Menschen betrachten, egal ob es Unselbständige oder Selbständige sind – in diesem Fall, wenn wir von kleinen und mittleren Unter­nehmen reden, sind es Selbständige –, die dahinter stehen, und wie sie in der Lage sind, ihre Schicksale und ihre Notlagen zu meistern. Wir sollten ihnen eigentlich jene Rahmenbedingungen geben, die sie in die Lage versetzen, die Schicksalsschläge und die schlimmen Situationen, in die sie unverschuldet geraten, auch entsprechend meis­tern zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.29

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. Ich erteile ihr das Wort.

 


14.30

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme jetzt zu einem anderen Punkt, der in der Diskussion noch nicht sehr ausführlich besprochen worden ist, nämlich zum Bericht betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselb­ständiger Beschäftigung vom Jahr 2000.

Meine Kollegin hat schon ein paar Punkte daraus angeführt, ich habe dann für mich so eine Art „best of“ zusammengestellt. Gleich vorneweg: Große Überraschungen waren da nicht dabei.

Die ersten drei wirklich auffälligen Punkte waren: Erstens: Gesetzliche Gleichstellung führte nicht zu wirtschaftlicher Gleichstellung. Zweitens: Die Einkommensdifferenz zwi­schen Frauen und Männern hat sich in den letzten 30 Jahren kaum verringert. Drittens: Schlechtere Berufschancen, Karenzzeiten und kürzere Wochenarbeitszeiten von Frauen bewirken, dass Frauen- und Männereinkommen auseinander klaffen.

Das sind alles Dinge, die sich in den letzten 30 Jahren nicht so verbessert haben, wie man es eigentlich hätte erwarten können. Insofern hat mich dieser Bericht sehr interes­siert. Ich glaube nämlich, das war eine sehr gelungene Analyse der Ursachen. Es ist auch im letzten Teil eine Reihe von Vorschlägen aufgeführt, wie man diesen Prob­lemen begegnen könnte.

Ich möchte jetzt nur einige Aspekte herausgreifen. Einerseits sind die Ausgangs­pos­itionen für Frauen und Mädchen im Berufsleben meistens schon schlechter als für Männer. Sie haben schon zu Beginn ihrer Berufstätigkeit niedrigere Löhne als Männer. Sie beginnen meistens in Berufen, in denen dann auch generell niedrigere Löhne bezahlt werden, als das bei klassischen Männerberufen der Fall ist. Diese ungünstige Ausgangsposition lässt sich in den meisten Fällen nicht mehr aufholen. Das heißt, wenn man einmal in dieser schlechten Ausgangsposition ist, dann ist die Wahr­scheinlichkeit, dass eine Frau später das gleiche Einkommen hat wie ein Mann, sehr gering.

Andererseits geht auch aus diesem Bericht hervor, dass es Frauen mit Universitäts-, Akademie- oder Fachhochschulabschluss sehr wohl gelingt, diese Einkommens­diffe­renz zu den Männern zu verkürzen. Das heißt, wenn es einem ernst damit ist, dass Frauen und Männer gleiche Einkommen erzielen sollten, dann wäre es doch sehr not­wendig, das vor allem in diesem Punkt weiter zu fördern. Inzwischen sind Frauen an der Universität schon in der Mehrzahl. Langsam beginnt es, dass sich das auch bei den Universitätsabschlüssen abzeichnet. Bisher war ja die Drop-out-Rate bei Frauen entscheidend höher als bei Männern; es haben zwar mehr Frauen studiert, aber weniger ihr Studium beendet.


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Ich glaube, das ist ein Prozess, der beschleunigt werden müsste. Das heißt, es reicht jetzt nicht, sich zurückzulehnen und zu warten, bis diese Frauen in 20 Jahren quasi die Statistik bereinigt haben, sondern da braucht es auf jeden Fall noch weitere Anstrengungen.

Interessant war für mich auch, dass der Einkommensunterschied bei Führungskräften besonders hoch ist. Also: Auch wenn es eine Frau geschafft hat, diese „gläserne Decke“ zu durchbrechen und sich hochzuarbeiten, dann hat sie immer noch um ein Drittel weniger Einkommen als ein Mann in derselben Position. Das betrifft nicht nur Hilfskräfte, bei denen es auch einen sehr deutlichen Unterschied gibt, sondern das trifft auch auf diese Führungspositionen zu.

Interessanterweise ist aber in den letzten 20 Jahren der Frauenanteil beim so genannten hoch qualifizierten Personal deutlich gestiegen. Das müsste doch eigentlich auch eine Auswirkung auf die Statistik haben. Wenn man jetzt sagt, es sind nur statistische Gründe, weil eben so viele Frauen in Teilzeit oder in generell schlechter bezahlten Berufen sind, ausschlaggebend dafür, dass diese 30 Prozent herauskom­men, dann stimmt das nicht. Der Frauenanteil beim hoch qualifizierten Personal ist gestiegen. Das müsste sich dann auch statistisch abzeichnen.

Ein weiterer Punkt ist, dass es Personen, die eine Teilzeitbeschäftigung anstreben, kaum gelingt, gut bezahlte Führungspositionen einzunehmen. Das ist jetzt keine große Überraschung, hängt aber stark zusammen mit der Diskussion, die wir vorhin beim Karenzgeld geführt haben, nämlich in Bezug auf die Vereinbarkeit. Wenn eine Frau neben ihrer Familie arbeiten oder Karriere machen möchte, ist das schwierig, wenn es keine ausreichende Kinderbetreuung gibt und sie deshalb nur Teilzeit arbeiten kann. Aus diesem Bericht geht klar hervor, dass Teilzeitbeschäftigung dann eben auch dazu führt, dass sie kaum in einer Führungsposition landen wird. Solange die Voraus­set­zungen so sind, ist einfach keine Vereinbarkeit gegeben.

Ein weiterer Punkt aus dem Bericht ist, dass Frauen ihren Arbeitsplatz so wählen, dass sie ihre Versorgungspflicht noch wahrnehmen können. Jetzt war für mich dieser Begriff „Versorgungspflicht“ schon interessant, weil ich ihn im Bericht im Zusammenhang mit Männern so nicht gelesen habe. Ich hatte dann an Hand dieses Punktes eine inter­essante Diskussion mit meinem Sitznachbarn, Kollegem Aspöck; er ist jetzt leider nicht im Saal. Er hat mir erklärt, früher hätte es ein sehr gut funktionierendes Sozialsystem gegeben. Da haben die Frauen die Kinder betreut – das heißt, das musste der Staat nicht zusätzlich finanzieren –, und als Gegenleistung sind dann die alten Frauen, solange sie eben noch gelebt haben, von der Familie gepflegt worden. – Das ist also seine Vorstellung von einem Sozialsystem.

Ich denke, wenn man das so sieht, würde das doch in weiterer Folge heißen, die Frau ist dafür da, dass sie quasi den Erhalt der Gattung Mensch sicherstellt und schaut, dass die Kinder aufgezogen werden, dass die Kinder – die Männer – dann eine erfolgreiche Zukunft haben und die weiblichen Nachkommen sich weiterhin dem Erhalt der Gattung widmen. (Bundesrat Mag. Gudenus demonstrativ Beifall spendend –: Ist ja vernünftig!) – Also, meine Vorstellung ist das nicht!

Vielleicht gibt es ja mehr Menschen, die so eine Einstellung haben. (Bundesrat Schen­nach: Kollege Gudenus hat sich auch schon sehr positiv dazu geäußert!) Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, warum sich die Dinge nicht so schnell ändern, wie es eigentlich zu erwarten wäre.

Ich denke, nach diesem Gesellschaftsmodell, das offenbar dem Kollegen Aspöck sehr gut gefallen würde, wäre Bildung ja auch wieder etwas, was für Frauen nicht unbedingt nötig wäre, denn sie sind ja vor allem dazu da, Kinder zu bekommen und aufzuziehen. Das ist wieder dieser interessante Rückschluss, dass Frauen aus hohen Bildungs-


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schichten sehr wohl höhere Einkommen haben. Das scheinen mir zwei Weltbilder zu sein, die sich diametral widersprechen.

Ich glaube, es ist unnötig zu sagen, dass die Meinung des Kollegen Aspöck meiner Ansicht nach eher eine Bremse darstellt, als für eine sinnvolle Gesellschaftsentwick­lung hilfreich zu sein.

Ich habe vorher schon bei der Diskussion über das Karenzgeld angeführt, dass sich Karenzzeiten ganz deutlich auf den Einkommensverlauf auswirken und später oft in früh beginnenden Teilzeitbeschäftigung resultieren.

Bei Frauen in höheren Positionen sind die Einkommensverluste auf Grund von fa­milienbedingten Unterbrechungen besonders hoch. Es schaut so aus, als würden auch Frauen, die sich wirklich hochgearbeitet haben, ganz besonders darunter leiden, dass eben diese Vereinbarkeit von Beruf und Familie so schwierig, ja eigentlich nicht gegeben ist.

Das waren jetzt, wie gesagt, alles keine besonders neuen und überraschenden Punkte. Für mich traurig – gut, der Bericht ist aus dem Jahr 2000, aber ich glaube, dass sich die Welt in den letzten vier Jahren auch nicht so massiv verändert hat –, für mich eigentlich tragisch ist, wie langsam dieser Prozess vor sich geht. Ich hoffe, dass es nicht nur daran liegt, dass es Meinungen gibt wie die meines Sitznachbarn. Diese Diskussion werde ich aber mit ihm weiterführen, wenn er wieder hier ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.37

 


Präsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Zwazl das Wort. – Bitte.

 


14.37

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schimböck! Wenn ich Ihnen so zuhöre, bin ich froh darüber, dass ich Sie nicht schon vor ein paar Jahren gehört habe, denn dann wäre ich nicht schon seit 30 Jahren selbständig. Sie hätten mir nämlich den „Nipf“ genommen. Ich bin ein sehr optimistischer und positiver Mensch, und in der Wirtschaft hat man das auch zu sein, denn man muss die Situation, in der man ist, ganz einfach bewältigen. Und wir machen das sehr gut.

Es gibt sehr viele Einrichtungen, die uns helfen. Wenn ich sage „uns“, dann meine ich in erster Linie die Klein- und Mittelbetriebe. Ich habe es ja schon ein paar Mal hier gesagt: Ich komme aus einem kleinen Betrieb und habe sehr viel Freude daran. Ich habe, glaube ich, diese Freude auch an meine Kinder weitergegeben. Meine Älteste, die immer gesagt hat: Ich gehe einmal nicht in ein Geschäft!, die sich einmal hingestellt hat und als das Geschäft voller Kunden war, aufgestampft und geschrieen hat: Ich hasse alle Kunden!, weil die Mutti für sie keine Zeit hatte, gerade diese Tochter ist nach dem Studium in den Betrieb eingestiegen, hat hier ihre Ausbildung gemacht und führt den Betrieb weiter.

Dass ich hier stehe als Präsidentin, als Bundesrätin, ist deshalb, weil ich diese Posi­tionen angenommen habe, weil ich etwas bewegen und etwas machen kann. Als mein Jüngster, mein Sohn, geboren wurde, habe ich angefangen mit der Betriebshilfe, weil ich gesagt habe: Es kann doch nicht so sein, dass man überhaupt nicht an Unterneh­merinnen, die Mütter sind, denkt. Das habe ich heute auch bei der Zuverdienstgrenze gesagt, beim Betreuungsgeld. Da habe ich ein Formular von der SVA-Gewerbe be­kommen, da ist gestanden: 250 S pro Tag bei Mutterschutz oder eine Betriebshilfe.

Da habe ich gefragt: Was mache ich mit 250 S am Tag? Dafür bekomme ich keine Kraft. Ich will eine Betriebshilfe haben! – Es hat geheißen, das gibt es nicht. Ich habe


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gesagt: Pflanzen lasse ich mich nicht!, und habe mit meiner Kammerorganisation, mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich, mit dem Leiter der sozialpolitischen Abteilung die Betriebshilfe für Unternehmer und Unternehmerinnen ins Leben gerufen. Und auf die bin ich stolz! Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie als Vertreter der Wirtschaft Ihren Leuten – gerade denen, von denen Sie immer sagen, um die ginge es Ihnen, die alleine in einem Geschäft stehen oder mit einem oder zwei Mitarbeitern, wenn denen das Wasser bis zum Hals steht oder wenn sie schwer krank sind oder die Unter­nehmerin ein Baby bekommt und nicht weiß, wie sie ihren Betrieb weiterführen soll – sagen: Da gibt es eine Hilfe, nimm sie dir!

Das erwarte ich mir, und ich bitte Sie wirklich, in diese Richtung zu agieren. Ich weiß, dass es genug Probleme gibt, die wir noch zu lösen haben, und das tun wir auch. Aber wir sollten nichts schlechtreden. Wir wissen auch, dass die Wirtschaft nicht aus einem Guss ist. Wir haben Großbetriebe, wir haben ganz kleine Betriebe, und wir müssen für jeden Unternehmer etwas tun, damit er mit seinem Betrieb am Leben bleiben und seinen Betrieb gut führen kann. Wir wissen alle: Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut!, denn es werden nun einmal die Arbeitsplätze von einer gut funk­tionierenden Wirtschaft geschaffen, egal, ob der Betrieb groß oder klein ist.

Ich weiß natürlich auch, dass in Österreich 80 Prozent der Betriebe nur bis zu zehn Mitarbeitern haben und dass diese Betriebe 65 Prozent der Arbeitskräfte stellen. Wir – wenn ich sage „wir“, meine ich die Politik – machen nicht nur für die Großen etwas, wie man das jetzt immer im Zusammenhang mit der KöSt-Senkung darzustellen versucht. Die KöSt-Senkung ist nun einmal für die großen Firmen, das ist ganz wichtig, denn ohne gut funktionierende Industrie geht es auch den Kleinen nicht gut.

Was haben wir für die Kleinen gemacht? – Wir haben den nicht entnommenen Gewinn steuerlich begünstigt; für die ganz Kleinen machen wir jetzt neue Pauschalierungs­verordnungen. Ich würde mir da viel mehr Engagement von den Wirtschaftsvertretern, ganz egal welcher Couleur, erwarten. Das ist etwas Wichtiges, und das erwarten sich unsere Mitglieder! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ein anderes Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist die Lehrlingsausbildung. Hier wird oft ein Bild gezeichnet, das mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Jeder junge Mensch, der keine Lehrstelle bekommt, ist einer zu viel. Ich glaube, das unterstreichen wir alle. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Bachner.) Aber so, wie die Situation geschildert wird, ist sie bitte nicht! Auch damit verunsichern wir die Leute. Ich weiß, dass es junge Leute gibt, die eine Lehrstelle suchen, aber ich weiß auch, dass es in der gemeinsamen Lehrlingsbörse von AMS und Wirtschaftskammer Österreich 5 000 offene Lehrstellen gibt. Da frage ich mich: Wir kriegen wir es zustande, dass die jungen Leute, die eine Lehrstelle suchen, zu den Betrieben kommen, die einen Lehrplatz zur Verfügung stellen? Darauf, glaube ich, müssen wir uns konzentrieren und schauen, wie wir das schaffen.

Wir wissen auch ganz genau, dass bis zum Jahr 2007 die Zahl der 15-Jährigen um 100 000 steigen wird. Das ist ein Plus von 5 000. Aber danach sinkt die Zahl rapide ab. Das müssen wir doch in all unsere Überlegungen einbauen! Darum finde ich das Zeichnen dieses Horrorszenarios nicht in Ordnung.

Ich habe mir das jetzt angeschaut, weil wir zwei immer um die Zahlen rittern. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben, aber ich bin wirklich so kameradschaftlich, dass Sie jedes Zahlenmaterial von mir haben können, denn ich glaube, dass es wichtig ist, dass man korrekte Zahlen nennt.

Derzeit ist es so, dass der Anteil der Lehrlinge im ersten Lehrjahr 37,4 Prozent, ge­messen an der Wohnbevölkerung der 15-Jährigen, ausmacht, das sind 35 454. Die übrigen Jugendlichen absolvieren eine landwirtschaftliche oder sonstige Lehre oder


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Ausbildung beziehungsweise eine allgemeine berufsbildende mittlere oder höhere Schule. Ein Teil – und das ist ein Problembereich – der Jugendlichen absolviert keine weitere Ausbildung, bricht die Ausbildung ab, ohne eine neue zu beginnen. Da müssen wir eingreifen! Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich wirklich: wir alle. Das sind die Sozialpartner, das sind die Schulen, das ist die Politik, aber das sind bitte auch die Eltern.

Da gibt es Einrichtungen, die das den Jugendlichen näher bringen, und die liegen mir wirklich am Herzen: die Berufsinformationszentren der Sozialpartner. Ich finde es ganz wesentlich, dass ein junger Mensch, der in das Berufsleben einsteigt, bei der Berufs­wahl viel sorgfältiger vorgeht, dass er nicht schaut, wo es eine Lehrstelle gleich ums Eck gibt oder was der Freund oder die Freundin lernt, sondern es geht darum, dass der junge Mensch einen Beruf ergreift, für den er Talente hat, für den er Fähigkeiten hat und wo es Berufsaussichten gibt. Wir haben diese Institute, diese Einrichtungen. Die jungen Menschen brauchen sich nur einen Dreivierteltag dafür Zeit zu nehmen, und sie werden getestet, wofür sie geeignet sind, ob sie von ihrem Naturell geeignet sind, al­leine zu arbeiten oder im Team arbeiten zu können. Mit dieser Grundlage kann sich dann der junge Mensch wirklich den geeigneten Beruf aussuchen.

Wir haben jetzt in Niederösterreich, weil mir das so ein Anliegen ist, eine virtuelle Be­rufsinformation für die jungen Menschen geschaffen, gemeinsam mit einer profes­sionel­len Agentur und mit jungen Leuten. Das ist die Plattform www.fragjimmy.at. Da werden in vier großen Blöcken 175 Berufe vorgestellt. Hier können die jungen Men­schen – vielleicht, ich hoffe schwer, mit ihren Eltern gemeinsam – in diese Plattform einsteigen und sich anschauen, welche Berufe für sie geeignet sind. Es gibt auch die Möglichkeit, sich Bewerbungsschreiben downzuloaden. Es stellen sich auch Firmen auf dieser Internetplattform vor, die Lehrlinge suchen und bei denen sich die jungen Menschen bewerben können.

Ich finde, es wird wirklich sehr viel gemacht. Es kann nie zu viel sein, denn es tut mir, wie ich schon eingangs gesagt habe, um jeden einzelnen Jugendlichen, der keine Lehrstelle bekommt, Leid. Aber er muss es auch wollen, einen Beruf zu erlernen!

Ich kann das nur von Niederösterreich sagen: Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen mit den Sozialpartnern, mit dem AMS; hier gibt es sehr gute Einrichtungen. Wenn es in einem Betrieb einen Jugendlichen gibt, der nicht entspricht, dann gibt es auch die Möglichkeit, dass ein Berater zur Verfügung gestellt wird. Und wenn es ganz einfach nicht geht, dann kann man sich natürlich auch trennen – das ist auch etwas ganz Wesentliches.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Berufsausbildung beziehungsweise die Situation unserer Jugendlichen ist ein ganz wichtiges Thema, das wir wirklich Fach­leuten überlassen sollten. Wir sollten diese Frage nicht dazu benützen, politisches Kleingeld zu machen, wir sollten nicht ein Szenario zeichnen, das der Wirklichkeit nicht entspricht.

Es wird sehr viel gemacht. Wir haben auch einen Regierungsbeauftragten in Sachen Lehrlinge. Das ist Herr Blum. Blum ist ja über die Grenzen Vorarlbergs hinaus bekannt, und zwar deshalb, weil er sehr viele Lehrlinge ausbildet und weil gerade die Firma Blum bei der Berufsolympiade immer mit Olympiasiegern vertreten ist. Das ist ein Mann, der wirklich die Fähigkeit hat, auch andere zu begeistern und aufzuzeigen, wo man in diesem Bereich in Österreich noch etwas verbessern kann, damit wir mehr Kinder in eine gute Ausbildung bekommen, denn eine gute Ausbildung ist wesentlich für den weiteren Lebensweg eines jeden. Ich glaube, das ist im Sinne von uns allen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


14.47


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 109

Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein das Wort. – Bitte.

 


14.47

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Natürlich böte die Debatte über die drei vorliegenden Berichte Gelegenheit, sehr breit in diese Themen einzusteigen, aber gestatten Sie mir, dass ich mich im Wesentlichen auf einige Reaktionen zu von Ihnen angeführten Kritikpunkten und auch Zahlen beschränke – das schon aus Zeitgründen.

Frau Dr. Lichtenecker! Sie haben das Thema Jugendarbeitslosigkeit nebst anderen Punkten in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt. Lassen Sie mich sagen, dass die von Ihnen genannte Zahl „mehr als 8 Prozent Jugendarbeitslosigkeit“ nicht richtig ist! Es sind 7,2 Prozent. Das sind veröffentlichte Zahlen, sie stehen jederzeit zur Ver­fügung. Frau Präsidentin Zwazl hat gesagt: Jeder Lehrstellensuchende, der keine Lehr­stelle bekommt, ist einer zu viel. So ist natürlich auch die Jugendarbeitslosigkeit zu sehen: Jeder junge Mensch, der arbeitslos ist, ist genau einer zu viel.

Trotzdem muss man hier die internationale Relation sehen: Österreich ist mit 7,2 Pro­zent Jugendarbeitslosigkeit das Land innerhalb der Europäischen Union mit der nied­rigsten Jugendarbeitslosigkeit, und das schon seit geraumer Zeit. Die durchschnitt­liche Jugendarbeitslosigkeit im Bereich der Europäischen Union liegt bei 15,5 Prozent.

Wenn Sie mich fragen, was der Hauptgrund dafür ist, dann meine ich, es ist letztlich unser exzellentes Berufsausbildungssystem. Die Berufsausbildung, die Lehrlingsaus­bildung, das, was uns, was die Deutschen, die Schweizer, die Südtiroler, die deutsch­sprachigen Länder traditionell auszeichnet, ist der beste Garant dafür, dass junge Menschen keine Arbeitslosigkeit erleiden und beste Chancen haben, in das Berufs­leben einzusteigen.

Im Übrigen ist die Entwicklung – ich habe schon gesagt: per Mitte April plus 2,6 Pro­zent – im Bereich der jungen Menschen am Arbeitsmarkt etwas besser. Nicht zuletzt dadurch, dass wir für jeden jungen Menschen zwar keine Lehrstelle, aber, wenn er oder sie keine Lehrstelle bekommt, einen Lehrgangsplatz garantieren, ist die Jugend­arbeitslosigkeit in der Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen statistisch signifikant rück­läufig und steigt auch die Arbeitslosigkeit der bis zu 24-Jährigen weniger stark an als die der Gesamtpopulation. Also bei aller Sorge um diesen Bereich, wir sind hier besser unterwegs als insgesamt, und das zeigt die Richtigkeit der Maßnahmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Zweites Thema, mehrfach angesprochen: Einkommensdifferenz zwischen Mann und Frau. Ich danke für die sehr faire Anmerkung, dass im Bericht steht, in den letzten 30 Jahren hat sich die Differenz kaum verringert. Das heißt, auch Teile der Opposition anerkennen, das ist nicht eine Entwicklung etwa seit dem Jahr 2000, sondern das ist eine Entwicklung seit Jahrzehnten. Das ist eine Entwicklung, die uns nicht zufrieden stellen kann. Die Grünen tun sich da vielleicht – noch – leichter; denken Sie an Ober­österreich und anderswo, sie steigen ja schon in Regierungsverantwortung ein! (Bun­desrat Schennach: In Oberösterreich haben wir schon ausgeglichen!) – So schnell geht es leider nicht.

Meine Damen und Herren! Für mich wesentlicher als die statistische Durchschnitts­betrachtung – so viele Frauen, so viele Männer, Einkommen dividiert durch x, und das ist der Unterschied – ist vielmehr die Analyse: Wie viele Jobs gibt es, wo für gleiche oder gleichwertige Arbeit Frauen schlechter bezahlt werden als Männer? Das geht nicht, das ist auch gesetzwidrig! Das würde ich auch, wann immer ein solcher Fall an mich herangetragen wird, sofort verfolgen.


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707. Sitzung / Seite 110

Es ist nicht so, dass man nicht auch die anderen Ursachen Schritt für Schritt und konsequent angehen muss: eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen, den jungen Mädchen zu sagen, es ist zwar schön, Friseurin und Einzel­han­delskauffrau zu erlernen, aber es sind diese Berufsbilder nun einmal schlechter bezahlt als Mechatroniker – und, und, und. Es ist auch gesagt worden, dass die Einstiegs­gehälter für Mädchen und Frauen um 20 Prozent niedriger sind. Also nicht, dass man nicht auch dort ansetzen muss, aber ich glaube, das Wichtige ist, jedenfalls einmal bei gleicher und gleichwertiger Arbeit für gleichen Lohn und gleiches Gehalt zu sorgen.

Der öffentliche Dienst ist hier ein Vorbild, da ist das durch die Bank durchgesetzt. Letzt­lich auch auf Grund der Struktur, dass vor allem im recht gut bezahlten Lehrberuf Frauen dominieren, ist das Durchschnittsgehalt von weiblichen öffentlich Bediensteten höher als das von männlichen öffentlich Bediensteten. Ich glaube also, wir sollten hier eine entsprechende Entwicklung in Gang setzen.

Ich sage Ihnen auch, sehr verehrte Frau Bundesrätin, ich war heute in einer Bank, die eine Vorstandsdirektorin hat – es handelt sich um die Erste Bank. Sie verdient gleich viel wie ihre männlichen Vorstandskollegen und nicht um 30 Prozent weniger. Selbst­verständlich verdienen unsere Sektionschefinnen, unsere Ministerialrätinnen exakt das Gleiche wie unsere Sektionschefs und Ministerialräte. Das wissen Sie.

Wo es Fehlentwicklungen gibt, dort gehört eingegriffen. Wenn in einem Bereich zum Beispiel Kollektivverträge existieren sollten, die in irgendeiner Weise für gleichwertige Arbeit Frauen weniger gut bezahlen als Männer, sagen Sie es mir! Ich würde sehr, sehr rasch eingreifen. Die Mittel dazu hätte ich.

Herr Bundesrat Schimböck hat sehr breit einiges kritisiert. Zur Jugendarbeitslosigkeit habe ich schon Stellung genommen. Zum Thema Berufsausbildung: Es gibt manche Schulen, die Matura und Lehrabschluss vermitteln. Wenn es jetzt eine Hauptschule gibt, die auch eine Berufsausbildung vorwegnimmt, recht gut und schön, aber seien wir ehrlich: Warum sollte ein junger Mensch noch ein Jahr dazunehmen, nämlich 18 plus ein Extrajahr für Matura und Lehrabschluss, wenn er eine HTL in fünf Jahren ab­schließen kann, die auch eine ausgezeichnete Berufsgrundlage bietet? Die berufs­bil­denden höheren Schulen, denke ich, decken hier sehr vieles ab, was der Markt anfor­dert, und die Entwicklung der berufsbildenden höheren Schulen ist eine sehr gute.

Da scheint mir – Präsidentin Zwazl hat es angeführt – die Zielrichtung des Egon Blum schon die deutlich bessere zu sein, die da lautet – ich teile sie –: Schauen wir, dass mehr junge Menschen Lehre mit Matura absolvieren, eine Berufsausbildung absol­vieren und dann zur Berufsreifeprüfung kommen! Aus meiner Sicht könnte diese Be­rufsreifeprüfung durchaus in Richtung einer Fachmatura gehen, auch vom Namen her. Also Lehre mit Matura zu vereinbaren wie auch andere Initiativen von Egon Blum, das ist der Weg, den wir gehen werden.

Ich verstehe nicht, was Sie mit der Differenzierung zwischen Mikro- und Makro­ökono­mie meinen. Ich habe Sie nämlich so verstanden, als meinten Sie, die Mikro­ökonomie sei die Ökonomie der kleinen Betriebe, die Makroökonomie jene der großen. Mikroöko­nomie, die Betriebswirtschaft, Makroökonomie, die Volkswirtschaft, beides ist wichtig.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Gerade Ihnen, der Sie aus Oberösterreich kommen, möchte ich sagen: Vergessen wir die Voest nicht ganz! Ich weiß, dass über 99 Prozent der Betriebe kleine und mittlere Unternehmungen sind. Sie sind wichtig, sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und letztlich unseres Wohlstandes, und nicht nur in Sachen Wertschöpfung, sondern auch in Sachen Jobs, in Sachen Innovation. Wir brauchen sie, wir brauchen sie wie einen Bissen Brot! Und wann immer die Sozial­demokratie bereit ist, der ÖVP und der FPÖ, der Regierungskoalition in Sachen Mittel­standspolitik unter die Arme zu greifen, kommen Sie! Wir tun es!


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Aber ein Problem bekomme ich dann, wenn ich in Bezug auf die Voest in Sachen Standortabsicherung und in Sachen Allokationsplan sehr wohl die Unterstützung von manchen aus Oberösterreich aus Ihrer Fraktion habe, während sie mir hier in Wien fehlt. Bitte schön sagen Sie das auch den UmweltsprecherInnen, die für die SPÖ dort im Nationalrat sitzen (der Redner möchte mit einer Handbewegung in Richtung Nationalratssitzungssaal weisen, deutet aber in die falsche Richtung), denn diese haben etwas anderes gesagt. Und wäre es nach denen gegangen ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Entschuldigung! Die sitzen ungefähr da drüben im Plenum des National­rates. (Der Redner weist neuerlich in eine falsche Richtung.) Frau Sima meine ich. Wäre es nach ihr gegangen ... (Bundesrat Konecny – in die richtige Richtung wei­send – : Da ist der Nationalrat!) – Ich bedanke mich, dass Sie, Herr Bundesrat Ko­necny, mir bei dieser Orientierungsschwäche unter die Arme greifen. Aber für mich ist die Orientierungsschwäche der Frau Sima und ihrer Nationalratsfraktion schon das größere Problem, denn wäre es nach ihr und ihrer politischen Meinungsbildung ge­gangen, dann hätte die Voest nicht die CO2-Zertifikate bekommen, die sie dazu ermächtigt und in die Lage versetzt hat, die Investitionen am Standort Linz mit einer Milliarde € und mit tausenden zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechtfertigen. Wenn ich sage „tausende zusätzliche Arbeitsplätze“, dann meine ich insgesamt – allein der Hochofen macht es natürlich nicht aus.

Da bin ich dafür: Bleiben wir mit den Beinen auf der Erde! Auch wenn man hier in Wien Opposition ist, kann man in Oberösterreich nicht das eine sagen und in Wien das andere! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht verständlich ist auch die Kritik: Ein Bericht habe ergeben, 80 Prozent der Neugründer sind Einzelunternehmer. – No na, Herr Bundesrat! Glauben Sie, dass Unternehmer ihre Karriere mit einem Mitarbeiter­stab von 30, 40 Leuten starten? Auch Bill Gates hat einmal klein angefangen, als Einzelunternehmer, noch dazu in einer Garage – viele andere tun das auch!

Selbstverständlich fangen viele im Nebenerwerb an. Es ist doch gescheit, wenn ich ein Arbeitnehmer und unternehmerisch besonders talentiert bin, dass ich einmal mit einem Geschäft anfange und dann, wenn es sich ausgeht, ganz wechsle. Das ist ein völlig normaler Vorgang. Und dass ein gewisser Prozentsatz auch nach drei Jahren noch keine Mitarbeiter hat – so ist das eben. Aber der Rest auf hundert Prozent hat Mitar­beiter!

Natürlich haben wir Recht, Präsidentin Zwazl, Präsident Leitl und auch ich, wenn wir sagen, dass diese 30 000 Neugründungen im Jahr der Jobmotor für dieses Land sind. Es ist wichtig, dass es sie gibt! Die Statistik lügt hier nicht – sie lügt ja nie, aber besonders hier nicht –: Pro neu gegründetem Unternehmen werden zwischen zwei und vier Arbeitsplätze geschaffen, während die Großindustrie, wenn es gut geht, die Arbeitsplätze hält.

Was die Ausflaggung betrifft: Wenn Sie sagen, aus Steuergründen gehen Unterneh­men ins Ausland, dann erwarte ich mir, dass Sie in Ihrer Fraktion, auch im Nationalrat, dafür Sorge tragen, dass die standortrelevanten Teile der Steuerreform, nämlich insbesondere die KöSt-Senkung, von Ihnen auch mitgetragen werden. Ebenso wie Sie auch mittragen hätten können die Steuersenkung für die kleinen Unternehmer, nämlich die Halbierung des Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne. Das ist in Wirklich­keit eine Senkung auf unter 25 Prozent, da kommt man durchaus auch mit 10, 15 Pro­zent durch. Also bitte, Herr Bundesrat, setzen Sie sich in Ihrer Fraktion durch! Diese Maßnahmen sind standort-, mittelstands- und arbeitnehmerfreundlich. Aber machen Sie uns nicht zum Vorwurf, dass niedrigere slowakische oder ungarische Steuern LKW-Unternehmer zum Ausflaggen bringen.


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Zur Gruppenbesteuerung kann ich Ihnen nur sagen, die ganz Großen wie zum Beispiel die Voest konnten es sich ohnehin richten, über Organschaftsverträge und so weiter. Für die ist die Gruppenbesteuerung zwar gescheit, aber nicht unbedingt notwendig. Jedoch für den Mittelstand, der entweder über Tochtergesellschaften geht oder auch nicht, war es wichtig, diese Gruppenbesteuerung einzuführen. Sie ist europaweit fast einzigartig, sie wird erstens unsere Investitionstätigkeit in unseren Nachbarländern verstärken und wird zum Zweiten manches Unternehmen nach Österreich holen, das hier zusätzlich sein Headquarter zu den schon bestehenden tausend errichten wird.

Mittelstandsfreundlichkeit aus Ihrem Munde verdient aus meiner Sicht volle Unter­stützung, aber bitte setzen Sie sich in Ihrer Fraktion auch einmal durch, sodass wir für mittelstandsfreundliche Maßnahmen nicht nur zwei Fraktionen im Hohen Hause an unserer Seite haben, sondern drei oder vielleicht, Herr Bundesrat Schennach, da und dort auch einmal vier! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.00

 


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Offenkundig auch nicht.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Berufsbildungsbericht 1999.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend Einkommen von Frauen und Männern in unselbständiger Be­schäftigung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Bericht über die Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft 2000/01.

Jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständ­lichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ersuche ich ebenfalls um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

12. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2001 (III-239-BR/2002 d.B. sowie 7014/BR d.B.)

13. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002 (III-253-BR/2003 d.B. sowie 7015/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.


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707. Sitzung / Seite 113

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


Berichterstatter Mag. John Gudenus: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2001.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2001 zur Kenntnis nehmen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit betreffend den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, dem Bundesrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002 zur Kenntnis nehmen.

Beide Berichte liegen Ihnen vor.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung. – Wir gehen in die Debatte ein, die über die beiden zusammengezogenen Punkte unter einem ab­geführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ager. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.03

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Ich glaube, wir können da nahtlos anschließen: Tourismusbetriebe sind zu 99 Prozent Klein- und Mittelbetriebe. Alles, was wir vorher gehört haben, passt daher zu diesen Tagesordnungspunkten dazu, und wir sollten uns auf diesem Terrain bewegen.

Die beiden Punkte 12 und 13 der Tagesordnung, über die wir zusammen diskutieren, sind die Berichte über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft für die Jah­re 2001 und 2002. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft wieder ein Nachschlagewerk geschaffen, das es auch Branchenfremden ermöglicht, sich im Tourismusgeschehen statistisch zurechtzufinden.

Dafür gilt wie immer mein Dank dir, lieber Martin, aber auch dem Team und Frau Mag. Udolf-Strobl, den Mitarbeitern, die mit viel Akribie wieder Zahlen und Fakten zusammengetragen haben, um diese Werke entstehen zu lassen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich werde Sie heute mit Nächtigungs­zahlen, Steigerungsprozenten und Vergleichsstatistiken verschonen. Diese können Sie den Berichten, die ja öffentlich sind, entnehmen, und die nachfolgenden Redner werden Sie zur Genüge mit diesen Zahlen versorgen.

Ich möchte Ihnen heute die Bedeutung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft etwas näher bringen und diese auch als künftigen Motor für die Gesamtwirtschaft in Öster­reich ins rechte Licht rücken. Ich möchte dies so tun, dass wir uns auch richtig verstehen. Im Vordergrund steht nicht der Tourismus treibende Hotelier, Gastwirt, Cafetier, Tourismusfunktionär – wer immer –, der bei jeder Gelegenheit sagt: Schaut


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her, wie wichtig wir sind, was wir alles tun!, sondern im Mittelpunkt steht der Betrieb mit seinen Mitarbeitern. Das ist das Wichtigste, was wir im Tourismus haben, und zwar bis in die entlegensten Täler und Gebiete unseres schönen Österreich, und das Wichtigste auch als Devisenbringer, als Steuerzahler, als Arbeitgeber und vieles andere mehr.

Ich denke, dass wir gemeinsam einer Meinung darüber sind, dass es zu diesem flächendeckenden Tourismusgeschehen in Österreich keine Alternative gibt. Oder hätte jemand einen anderen Vorschlag? Denken wir zum Beispiel an die Täler – ich nehme da unsere Täler her –: Ötztal, Pitztal, Stubaital! Jetzt sage ich es einmal ein bisschen überspitzt: Zum Teil wären die Leute dort von den Bäumen noch nicht heruntergestiegen! – Ich hoffe, Sie verraten mich nicht in Tirol, denn dort darf ich das natürlich nicht sagen. (Heiterkeit der Bundesrätinnen Dr. Lichtenecker und Bach­ner. – Bundesrätin Bachner: Das steht im Protokoll!)

Aber die Menschen in diesen Tälern brauchen einmal eine Stunde lang, bis sie vom Talinneren zum Taläußeren gelangen, sie brauchen eineinhalb Stunden, bis sie zu den nächsten größeren Städten und auch zu den nächsten größeren Arbeitgebern gelan­gen. Wenn man sich das ein bisschen anschaut, liebe Freunde, dann weiß man, dass der Tourismus als Sicherung auch des Wohlstandes für ein Land von immenser Be­deutung ist: für Leistungsbilanzen, als Devisenbringer – das habe ich schon gesagt –, zur Arbeitsplatzsicherung.

Deshalb sollten wir uns aber auch folgenden Punkt überlegen und vielleicht auch darüber gemeinsamer Meinung sein: Wir sollten auch ja sagen zum Dienstleistungs­arbeitsplatz im Tourismus und ihn nicht als Arbeitsplatz zweiter Klasse abstempeln oder abqualifizieren, was zum Teil leider immer wieder geschieht. Es ist in den Köpfen mancher Leute einfach drinnen, dass sie sagen: Bevor wir dann gar nichts mehr bekommen, gehen wir auch in den Tourismus arbeiten. – Das ist Österreich und sei­nem Image nicht zuträglich!

Vieles hat sich im und um den Tourismus verändert, aber unser größtes Problem ist nach wie vor – der Herr Minister ist gerade nicht im Saal (Bundesrätin Bachner – auf den zwischen den Bankreihen der ÖVP stehenden Bundesminister Bartenstein wei­send –: Oja! Dort! Er schwätzt!), ist er da?, er weiß es aber ohnedies genau, weil wir ihm diesbezüglich immer wieder in den Ohren liegen –, genügend Mitarbeiter für unsere Branche zu finden. Ich weiß nicht, ob Dr. Gumplmaier jetzt im Saal ist – leider nicht –, aber ich glaube, wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann bin ich mit meiner Meinung gar nicht so weit entfernt von seiner Meinung, die er zu äußern versucht hat. Er hat sich vielleicht da oder dort ein bisschen unglücklich ausgedrückt.

Ich möchte heute ein ganz offenes Wort sagen: Es wird sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein, jedes Jahr die Saisonniers-Kontingente um vieles zu erhöhen. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Bachner.) – Das haben Sie von mir hier noch nie gehört, gell?

Liebe Frau Kollegin, ich hoffe, dass ich auch für den zweiten Satz, den ich jetzt sagen werde, noch ein bisschen Applaus bekomme (Bundesrätin Bachner: Den muss ich mir zuerst anhören! Sie können doch von mir keinen Freibrief haben!) – ich möchte auch keinen Freibrief haben, aber das würde mich dann auch freuen –, und zwar: Ich möchte vorausschicken, dass wir im Tourismus in den Klein- und Mittelbetrieben eine ganze Menge tragender Säulen haben, ohne die das ganze Spiel gar nicht mehr funktionieren würde, nämlich Mitarbeiter, auf die man sich bei Tag und Nacht verlassen kann und ohne die die Betriebe nicht funktionieren würden. Aber ich glaube, dass es auf der anderen Seite auch notwendig sein wird, so manchen einheimischen Arbeit­nehmer aus seinem lieb gewordenen Platz, nämlich im sozialen Liegestuhl, zu vertrei­ben. Ich glaube, da werden wir irgendwann ... (Bundesrätin Bachner: Zu dem erwarten


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Sie sich aber keinen Applaus von mir! Das wäre nämlich fast pervers!) – Das habe ich zuerst gemeint. Da hat sich bei Ihnen jetzt die Freude in Grenzen gehalten.

Eines wird aber nicht zielführend sein – das möchte ich hier auch erwähnen –, nämlich dass man nur einseitig die Kontingente der Saisonniers zurückschraubt, was wir ja nicht tun – Gott sei Dank, Herr Minister –, sondern wir verteilen den Kuchen nur ab und zu an mehrere Münder, weil die Begehrlichkeit aus anderen Branchen natürlich auch sehr groß geworden ist, verständlicherweise, weil es eine Menge Branchen gibt, die auch keine Mitarbeiter mehr finden. Wenn wir diese dann kürzen, so werden wir das tun müssen, ohne auf der anderen Seite an diesem Rädchen zu drehen – wie immer wir das dann gemeinsam machen, aber es wird uns nichts anderes übrig bleiben, weil auch diejenigen Leute Recht haben, die uns Touristikern dann immer wieder die Statistiken vor die Nase halten – mit Recht, sage ich – und sagen: Schaut her, wir können nicht immer neue Saisonniers bringen, und auf der anderen Seite gehen viele Inländer und auch manche Ausländer stempeln. – Also da werden wir einen Weg finden müssen. Wie immer wir das auch machen, das werden wir tun müssen!

Ich möchte nicht ohne Selbstkritik noch Folgendes sagen: dass wir, glaube ich, nach einer Phase der großen Investitionen und nach dem notwendigen Streben nach Qualitätsverbesserung im Tourismus wieder zu dem zurückkehren müssen, womit der Tourismus einmal groß geworden ist, nämlich dazu, Gastgeber zu sein, und zwar ein Gastgeber mit Hirn und Herz. Das wird in der Zukunft wichtiger sein denn je.

Ein Thema darf ich noch kurz ansprechen, weil es bei uns in Tirol sehr wichtig ist, näm­lich die Partnerschaft von Tourismus und Landwirtschaft. Da möchte ich nur ein paar Dinge streifen, weil oftmals der Anschein erweckt wird, dass das zwei verschiedene Dinge sind. – Das glaube ich nicht, wenn ich nur die bestehende Situation hernehme und mir ansehe, wie viele Nebenerwerbslandwirte bei den Bergbahnen beschäftigt sind, auch in Randgebieten des Tourismus mit Bauernmärkten, mit Urlaub am Bauern­hof. All das sind wichtige Dinge, und ich glaube, dass wir gemeinsam diese Partner­schaft noch verstärken müssen.

Eine Bemerkung darf ich noch zur „Österreich Werbung“ machen, weil es momentan so aussieht, als würde die „Österreich Werbung“ nur mit den Pinguinen identifiziert. Das ist ja nicht so, da geschieht eine ganze Menge! Ich denke – und es ist ja auch so –, dass die „Österreich Werbung“ Botschafter für die Welt sein muss von Österreich, dem Tourismusland Nummer eins, in seiner ganzen Vielschichtigkeit: Berge zum An­fassen, Seen mit Trinkwasserqualität, Kunst und Kultur in den Städten und freundliche, offene Menschen, die einem hier als Tourist begegnen. Die „Österreich Werbung“ macht sehr viel, und die Pinguine sind nur Teil einer Werbekampagne.

Ich muss sagen, mir gefällt sie gut, und mir fällt dazu immer ein: Das ist so wie beim Fischen: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler gefallen. – Und wenn das der Fall ist, dass wir da vieles in der Welt bewegen können, dann ist das eine gute Sache.

Auf eines müssen wir sehr aufpassen, liebe Freunde aus der grünen Ecke. (Die Bun­desrätinnen Dr. Lichtenecker und Kerschbaum: Freundinnen! – Bundesrätin Bach­ner: Es gibt jetzt nur noch weibliche hier im Saal!) Liebe Freundinnen aus der grünen Ecke! Bei aller Liebe: Wir müssen aufpassen, was auf der Straße und mit dem Verkehr passiert. Wenn wir auf der einen Seite jedes Jahr Millionen und Abermillionen in Wer­bebotschaften investieren – und dies zu Recht –, andererseits dann aber in den Medien fast nichts anderes mehr lesen als „Mega-Staus“, „Transithölle“, „Verkehrs­chaos“, „kein Fortkommen mehr“ und im Grunde sind die Hälfte der Leute schon gestorben und, und, und, dann werden wir ein zusätzliches Problem bekommen. Bei aller Liebe: Wir müssen schauen, dass wir das in den Griff bekommen!


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Es wird jetzt immer nur von den LKWs gesprochen. Man vergisst Gott sei Dank, oder leider, die PKWs – und deren Benützer können natürlich nicht nur wir selbst sein, sondern auch viele unserer Gäste, die in gewissem Maße auch den Wohlstand mit ins Land bringen.

Ich darf zum Schluss kommen: Die Erweiterung um zehn neue Länder mit vielen, vielen neuen Kunden und Gästen vor der Haustür bringt zugegebenermaßen einige Risken mit sich, aber viele neue Chancen. Ich bin der Meinung, wir im Tourismus müssen sehr rasch und frühzeitig auf diese Leute zugehen, wir sollten uns auch sehr schnell mit ihren Sprachen beschäftigen. Die Zeit, in der nur Englisch, Französisch und Italienisch gefragt waren, ist vorbei. Die Sprachen der neu beitretenden Länder werden wichtig sein, denn wir müssen die Menschen von dort ja auch verstehen.

Das höchste Gut im Tourismus ist – neben einer intakten Umwelt, der schönen Land­schaft und den vielen Sehenswürdigkeiten – der gut ausgebildete Mitarbeiter, mög­lichst aus dem eigenen Land, aber auch aus den umliegenden Ländern. Ich bin guter Hoffnung, dass wir die siebenjährige Übergangsfrist doch da und dort ein bisschen abkürzen können, denn es ist ja auch nicht ganz einzusehen, dass Branchen, die im Land keine Mitarbeiter bekommen, sieben Jahre warten müssen, bis das dann so läuft.

Auf all das sollen wir bauen, auf den Tourismus sollen wir bauen, und wir sollen auch vor den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten – ob selbständig oder unselb­ständig –, eine gewisse Achtung haben: Sie tun sehr viel für unser Land! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.15

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundes­rat Lindinger das Wort.

 


15.15

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Als ein Mitglied des Bundesrates, das seit 32 Jahren als Stammgast sogar im eigenen Bundesland – in St. Wolfgang – den Sommerurlaub verbringt, kenne ich die Situation des österreichischen Tourismus sehr genau. Ich bin einer von jenen, die dazu beitragen, dass die Verweildauer an einem Urlaubsort nicht nur 4,3 Tage, sondern 14 Tage beträgt. Das ist, glaube ich, auch sehr wichtig, denn die Verweildauer sinkt ja laut Bericht, sie wird immer kürzer: Die Gäste werden immer flexibler und spontaner, die Buchungen werden zwei Tage vor Urlaubsantritt per Internet beim jeweiligen Hotel, bei der Pension, in der Tourismus-Region getätigt, genauso wie ich es vor 14 Tagen bei meinem Kurzurlaub am Arlberg gemacht habe.

Dir, lieber Herr Kollege Ager, kann ich bestätigen: Die Tiroler sind sehr freundlich, und am Arlberg sind auch die Vorarlberger sehr freundlich, die Mitarbeiter der dortigen Betriebe sind den Gästen gegenüber sehr zuvorkommend.

Aber trotz dieser positiven Berichte, die uns heute vorliegen – die Berichte über die La­ge der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich für die Jahre 2001 und 2002 –, gibt es einige Punkte, die verbessert gehören.

So ist zum Beispiel die Situation der Beschäftigten keineswegs zufrieden stellend. Im­mer mehr Betriebe gliedern Bereiche aus – hier geht es meistens um die großen Hotelketten – und vergeben Teilbereiche an Fremdfirmen oder bedienen sich Perso­nals von Leasing-Firmen. Darunter leidet natürlich auch die Qualität in den Betrieben. Extern vergeben werden zum Beispiel die Reinigung, die Wäscherei, sogar die Hotelbar – sie hat nichts mit dem Hotel zu tun. Nur noch in der Rezeption sitzen Per­sonen, die zum eigenen Haus gehören. Und das ist, glaube ich, keine gute Situation im


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Tourismus, wenn nicht alle zusammenhalten, sich alle Mitarbeiter gleich bemühen um den Gast, der hier ist, und alle davon profitieren, wenn sich der Gast wohl fühlt.

Es wird auch die Situation auf uns zukommen, dass wir sehr wenige Betriebe haben, die Lehrlinge ausbilden. Immer weniger Betriebe sind bereit, Lehrlinge auszubilden, speziell für den Tourismus, und es wird nicht daran gearbeitet, das Image der Berufe in der Tourismuswirtschaft zu heben. Es will niemand die gerechte Entlohnung nur durch das Trinkgeld erreichen, das ein wesentlicher Bestandteil der Entlohnung ist. Ich weiß das, ich rede nicht von irgendetwas, wo ich nicht mitreden kann, ich komme auch aus der Gastronomie! Ich bin dort aufgewachsen, mein Sohn ist gelernter Koch und ist jetzt in der Gastronomie tätig. Ich weiß, wovon ich rede!

Es ist vor zwei Jahren eine Expertengruppe eingerichtet worden, die die Aufgabe hatte, die Probleme auf dem touristischen Arbeitsmarkt ausfindig zu machen, und diese Arbeitsgruppe hat aufgezeigt, dass das geringe Sozialprestige, lange, unregelmäßige und ungünstige Arbeitszeiten, die Saisonarbeitslosigkeit, Jobs für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte, die Abhängigkeit von Umsatzbeteiligungen und von Trinkgeld und die hohe physische Arbeitsbelastung – und dazu gehören ungesunde Arbeitsbedingungen, die es leider in sehr vielen Betrieben gibt – die Hauptprobleme sind

Auch wenn diese Arbeitsgruppe Maßnahmen vorschlägt, die zur Verbesserung der Arbeitsplatzsituation führen sollten, so muss ich sagen: Vorschläge allein sind zu wenig! Herr Minister, Taten müssen gesetzt werden, um jenen jungen Menschen, die eigentlich gerne in der Tourismuswirtschaft arbeiten würden, gerechte, menschen­wür­dige und familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu garantieren. Dann hätten wir viel­leicht nicht das Problem, dass wir so viele Saisonniers aus dem Ausland anstellen müssen, dann wären vielleicht mehr junge Menschen in Österreich motiviert, eine Lehre in der Tourismuswirtschaft zu machen beziehungsweise sich im Bereich des Tourismus ausbilden zu lassen.

Was noch immer ein Problem ist, ist Folgendes: Gerade in der Tourismuswirtschaft gibt es bei der Lehrlingsausbildung seitens der Betriebe die meisten „schwarzen Schafe“. Es gibt noch immer Betriebe, die Lehrlinge ausnützen, die das Berufsausbil­dungs­gesetz und das Jugendschutzgesetz nicht einhalten. In den Branchen der Tourismus­wirtschaft gibt es die meisten „schwarzen Schafe“. Wenn es nicht gelingt, die Berufe in der Tourismuswirtschaft attraktiver zu machen, dann wird es auch mittelfristig keine Zu­wächse mehr geben, weil die Qualität beim Personal sinkt.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich ist ein schönes Land, und es sollte auch Freude machen, für dieses Land im Bereich des Tourismus zu arbeiten. Wenn wir gemeinsam daran arbeiten, dass die Arbeit im Bereich des Tourismus wieder den ihr entsprechenden Stellenwert bekommt, dann wird es auch möglich sein, viele junge Menschen zu motivieren, im Tourismusbereich zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Zellot. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.22

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich komme zwar nicht aus der Tourismusbranche, aber ich fühle mich dem Tourismus sehr verbunden, weil es schön ist, in einem Land zu leben, in dem der Tourismus so richtig gedeiht. Man sieht es den Menschen, die bei uns Urlaub machen, an, dass sie sich durch den Aufenthaltsort, die Menschen, die dort leben, durch das Brauchtum und die Kultur, die wir pflegen, so richtig erholen und dass sie bei uns dadurch auch sehr glücklich sind.


Bundesrat
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Die Steigerung der Nächtigungszahlen ist nicht das einzige Verdienst der Touris­muswirtschaft. Natürlich ist jeder Tourismusreferent sehr stolz, wenn er von seiner Region berichten kann, dass die Nächtigungszahlen gestiegen sind, und er glaubt auch tatsächlich, dass er der gute Mitarbeiter ist, der das bewirkt hat. Ich glaube jedoch, dass eine positive Tourismuswirtschaft auf bestimmte Grundvoraussetzungen zurück­zuführen ist, und zwar auf die richtigen Infrastrukturmaßnahmen und auf die Anwen­dung von sehr viel Vernunft in den einzelnen Regionen, wo man sich fragt: Was kann die Region bieten? Wen kann die Region anlocken?

Es hat sich jetzt gezeigt, dass die Stärke der Tourismuswirtschaft nicht nur der Som­mertourismus und der Wintertourismus sind, sondern dass es auch der Städtetou­rismus ist. Der Städtetourismus ist in Österreich auch deshalb so positiv, weil im Städtetourismus ein wichtiger Punkt dazugehört, den man vielleicht allzu oft vergisst, und das ist die Sicherheit, die den Touristen, die sich in unserem Land erholen wollen, geboten wird. Ich glaube, auch das ist ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung die richtigen Maßnahmen gesetzt hat, um auch im Freizeit- und Erholungsbereich unseren Gästen die nötige Sicherheit zu bieten.

Aus dem Tourismusbericht ist ersichtlich, dass eine gewisse Umstellung stattgefunden hat, was das Förderungssystem betrifft, zum Beispiel in Richtung mehr Motivation für einen Gesundheitstourismus, für den Wellnessbereich.

Ich glaube, dass das auch ein wesentliches Verdienst der Frau Staatssekretärin Ross­mann war, die im Berichtszeitraum des Jahres 2001 mit ihrer Erfahrung dazu beige­tragen hat, zusätzliche Motivation für die Betriebe zu schaffen, wie zum Beispiel in Form der Verleihung von Auszeichnungen für verschiedene Leistungen.

Ich glaube, dass nicht nur der Gesundheitstourismus, sondern auch der Erlebnis-, der Sport- und Eventtourismus große Zukunft haben. Viele Sportler kommen in unser Land, um an den verschiedenen Events und Veranstaltungen teilzunehmen – Kärnten zeigt das vor –, und sie werden von sehr vielen Menschen begleitet, die auch von unserem Land begeistert sind.

Heute ist auch schon sehr viel von Kinderbetreuung gesprochen worden, und da ist zu sagen: Auch im Tourismusbereich ist Kinderbetreuung ein wichtiger Punkt. Da zeigt Österreich, vor allem auch Kärnten, mit seinen führenden Kinderhotels vor, wie man auch mit Kleinkindern den Urlaub erlebnisreich verbringen kann.

Ich glaube, dass, wie mein Vorredner auch schon gesagt hat, in Zukunft das Bündnis von Landwirtschaft und Tourismus noch mehr gefördert werden sollte. Es ist eine Tatsache, dass die österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe die meist kontrollier­ten Betriebe in der Europäischen Union sind. Die österreichische Landwirtschaft wird im Jahr 95 000 Mal von der Kontrollstelle Agrarmarkt Austria kontrolliert. Das gibt es in keinem anderen EU-Mitgliedstaat.

Es ist positiv, dass Gesundheit durch Lebensmittelsicherheit und die Förderung der Erzeugung von Bio-Produkten in Österreich an erster Stelle liegt, denn dann ist der Gast auch davon überzeugt, dass auf dem schön gedeckten Tisch auch beste Qualität ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.) So kann das Bündnis von Landwirtschaft und länd­lichem Raum zur Erholung sehr viel beitragen.

Ich wage zu behaupten, dass die schönen Bilder, die man heute in den Broschüren der Werbebranche des Tourismusbereichs sieht, nicht Ausfluss der Leistung der Manager und der Fotografen sind. Das ist die Frucht der Arbeit jener Menschen, die unsere Umwelt hegen und pflegen! – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.28

 



Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 119

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Ager zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.28

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Lieber Kollege Lindinger – jetzt ist er leider nicht mehr im Saal. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ich richte es ihm aus!) Sie richten es ihm aus; er ruht sich wahrscheinlich draußen aus.

Ich möchte drei Berichtigungen vornehmen, und zwar in aller Freundschaft und in ruhiger Art und Weise.

Was mich immer sehr stört, ist die Bezeichnung „schwarze Schafe“.

Erstens: Die Beschäftigten im Tourismus sind keine Schafe, denn Schafe sind blöken­des Vieh, das wir dann eventuell essen. Deswegen lehnen wir diese Bezeichnung ab!

Außerdem: Es gibt alles auf der Welt: Es gibt Lehrer, die in betrunkenem Zustand Auto fahren. Es gibt Künstler, die stehlen. Es gibt alles Mögliche. Ich würde auch niemanden irgendeiner Sache bezichtigen. – Das ist das eine.

Das Zweite ist: Was mich auch stört, ist, dass immer gesagt wird: Der Urgroßvater hat auch schon ein Gasthaus geführt, und der Sohn ist was weiß ich was, und so weiter.

Ich würde mir nie anmaßen, nach einem vierzehntägigen Kurs auf einer Universität zu sagen: Ich kenne mich jetzt in der Universität aus, und da macht mir niemand mehr etwas vor!, denn es ist einfach zu wenig Erfahrung, die man da gemacht hat.

Ich habe es ohnehin schon mindestens zehnmal gesagt: Es ist immer nur eine Facette, und zwar die aus der Sicht des Gastes. – Liebe Freunde! Das ist die leichtere Art und Weise, den Tourismus zu beleuchten, denn man setzt sich einfach irgendwo hin, kann alles kritisieren, und dann geht man wieder heim. Aber wenn man Jahr für Jahr begeistert sein und lächeln muss, dann ist das eine ganz andere Sache, dann ist das eine schwierige Aufgabe.

Die letzte Berichtigung, die ich anbringen möchte, ist eine ganz tolle Geschichte für den Tourismus: Es stimmt überhaupt nicht, dass wir keine Lehrlinge mehr haben! Ganz im Gegenteil: Wir haben noch nie so viele Lehrlinge gehabt wie jetzt! Das ist eine Tatsache!

Dass es da und dort einen gibt, der sagt: Ich habe draufgezahlt, ich nehme keinen Lehrling mehr auf!, das mag schon stimmen, aber Tatsache ist: Wir haben noch nie so viele Lehrlinge in Ausbildung gehabt wie jetzt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.30

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.30

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuallererst gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese beiden Berichte erstellt haben. (Bra­vorufe und demonstrativer Beifall bei der ÖVP sowie demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir werden den Anträgen auf Kenntnisnahme der beiden Berichte auch zustimmen, wenngleich wir an einigen Maßnahmen ein wenig Kritik üben wollen, aber generell sind auch für uns Grüne, Herr Ager, der Tourismus und die Tourismus­wirt­schaft sehr wichtige Bereiche.


Bundesrat
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Der Tourismus ist ökonomisch gesehen ein wichtiger Bereich zur Bruttowertschöpfung in unserem Land, er leistet, wie wir wissen, einen wesentlichen Beitrag zur Zah­lungsbilanz. Er ist ein wichtiger Arbeitgeber, und zwar auch auf dem Lehrstellensektor. Das gilt es hier zu betonen, und dem Tourismus ist auch dementsprechendes Gewicht zukommen zu lassen.

Zuallererst gilt das für den Bereich der Förderungen. Wenn man sich die Förderland­schaft in der österreichischen Wirtschaft anschaut, dann kann man sehen, dass die Hauptschwerpunktbereiche auf anderen Gebieten liegen, und zwar bei der Industrie, beim Handel und Gewerbe und so weiter, aber weniger beim Bereich des Tourismus. Darauf sollte man, denke ich, mehr Wert legen, insbesondere auch auf Grund der Tatsache, dass viele Regionen sehr potente Konkurrenz durch die EU-Erweiterung bekommen und damit konfrontiert werden.

Ich komme aus Oberösterreich, und zwar aus dem Mühlviertel, und ich weiß daher, dass es für diese Region ein großes Problem darstellt, wenn potente holländische Unternehmungen in einem Ziel-1-Gebiet jenseits der Grenze große Betriebe hinstellen. Mein Wunsch als Vertreterin des Landes Oberösterreich an den Bund ist es daher, sich im Zusammenwirken mit den verschiedenen Fördergebern in diesem Bereich ein Instrumentarium zu überlegen, wie man diese Region stärken kann. Das betrifft nicht nur Oberösterreich, sondern auch das Burgenland und die Steiermark und so weiter. –Das zu dem.

Herr Bundesrat Ager! Nun zum Thema „Ökologie“. Ich glaube, dass gerade im Bereich des Tourismus die Ökologie ein sehr zentraler Punkt ist. Ich ziehe da nur einen Bereich als Beispiel heran, und zwar: In den siebziger Jahren ist im Seengebiet in Oberöster­reich de facto der Tourismus auf Grund dessen, dass keine Kanalisation bestanden hat, sondern die Abwässer in die Seen eingeleitet wurden, darniedergelegen. Das heißt, das Ganze ist gekippt, und man hatte als weiteres Problem, dass auch die Tou­rismuswirtschaft darunter gelitten hat.

Die entsprechenden Investitionen in diesem Bereich haben dazu beigetragen, den Seen wieder zur Trinkwasserqualität zu verhelfen und den Tourismus anzukurbeln.

Das gilt für viele Bereiche, und Sie selbst, die das aus den Bundesländern genauer kennen, sind sicherlich auch dieser Überzeugung.

Generell muss Tourismus so gestaltet sein, dass er ökologisch, wirtschaftlich, regional, sozusagen vor Ort kooperativ ist, aber genauso sozial und kulturell verträglich. Dann, gibt es, denke ich, auch ein nachhaltiges Wachstumspotential in einer Region.

Zu den Berichten: Was ich mir wünschen beziehungsweise was ich für vorteilhaft hal­ten würde, wäre, wenn die Zahlen bezüglich der verschiedenen Förderungen über Zeit­verläufe dargestellt würden, und zwar nicht nur über Zeiträume von ein oder zwei Jahren, sondern zum Beispiel über eine Zeitspanne von zehn Jahren, um eine Ent­wicklung richtig abschätzen zu können beziehungsweise um beurteilen zu können, ob eine Maßnahme effizient ist, ganz einfach, um besseres Datenmaterial zu erhalten.

Im Tourismusbericht 2002 heißt es unter Punkt 6.5: „Europäisches Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003“, dass ein „Weiterbildungscurriculum für Mitarbeiter“ unter­stützt wurde. Dabei geht es auch darum, wie man mit Menschen mit Behinderungen umgeht oder sie dabei unterstützen kann, auch einmal einen feinen Urlaub machen zu können

Dazu möchte ich Folgendes sagen: Im oberösterreichischen Landtagsklub ist unser Klubobmann Herr Gunther Trübswasser. Er hat – er ist auch ein Freund von mir – in seiner Kindheit eine Krankheit gehabt, die ihn seither an den Rollstuhl fesselt, und


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wenn ich mit Gunther Trübswasser über Urlaubmachen in Österreich sprechen will, dann ist das unglaublich schwierig.

Es macht mich seit Jahren betroffen, was er erzählt, wenn er zum Beispiel plant, in eine Therme zu fahren – eigentlich egal wohin, wo er sich frei und unabhängig be­wegen kann. Das ist nicht so einfach! Natürlich sind die Leute sehr hilfsbereit und sagen: Okay, ich helfe dir die drei Stufen hinauf in den Speisesaal oder bei der Therme irgendwo hinein! Es geht darum, dass diese Menschen unabhängig von jemandem anderen Urlaub machen können. Aber das ist äußerst schwierig, und das macht mich jedes Mal betroffen, wenn er zu Weihnachten oder im Mai zum Beispiel einen Ort sucht, wo er in Begleitung seiner Frau hinfahren kann.

Ich denke, dass es wichtig ist, im Tourismus Maßnahmen zu setzen, wo man klar sagt: Die Förderungen werden dann gewährt, wenn diese oder jene Anlagen behinderten­gerecht ausgeführt sind! Sonst werden sie nicht gewährt!

Sie brauchen sich nur die Zahlen in Ihrem eigenen Bundesland anzuschauen, zumin­dest die Zahlen in jenen Bundesländern, die einen ausgeprägten Tourismus haben, dann können Sie sehen, dass seitens der Länder doch einiges an Fördermitteln dorthin fließt, vor allem in Thermenregionen, speziell in Themenschwerpunkthotels. Da ist es, denke ich, wichtig zu sagen: Ja, wir gewähren die Förderung, wenn es eine behin­dertengerechte Ausstattung gibt!

Vergessen Sie nicht, dass unsere Gesellschaft altert. Zunehmend kommt noch dazu, dass diese Leute genauso unter Behinderungen, unter Einschränkungen zu leiden ha­ben. – Das ist das eine.

Das Nächste ist – das war heute auch schon ein Thema hier – die Qualität der Aus­bildung und der Arbeitsrahmenbedingungen. Da ist tatsächlich ein Verbesserungsbe­darf gegeben. Der Ausbildungssektor ist schon sehr gut, aber er bedarf einer Verbes­serung in manchen neuen Bereichen, speziell im Gesundheitsbereich. Da gibt es neue Felder, wo man neue Berufsbilder schaffen kann.

Generell in der Tourismusbranche die Arbeitsbedingungen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, ist ein zentraler Punkt, damit wir weiterhin gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, die in diesem Bereich auch verbleiben wollen. Das gilt es, zu sichern. In diesem Kontext sollte man aber auch darangehen, die Lohnnebenkosten zu senken – nicht auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern über einen Ausgleich, etwa im Rahmen einer ökologischen Steuerreform. Das ist in diesem Be­reich durchaus denkbar.

Eine weitere wichtige Geschichte ist – und da möchte ich noch einmal auf die Ökologie zu sprechen kommen, da auch Ihr Ministerium, Herr Minister, an der Emissions­zertifi­katlösung beziehungsweise an dem Allokationsplan sehr maßgeblich beteiligt war –, dass der Klimawandel, wie die ersten Studien belegen, massive Auswirkungen auf den Tourismus hat.

Ich weiß schon, letzte Woche waren die ersten Zahlen da, die belegen, dass die Win­tersaison verlängert wurde und so weiter, aber es gibt auch Zahlen, die handfest be­weisen, dass insbesondere Regionen, wie zum Beispiel in Oberösterreich, wo der Wintertourismus in niedrigen Höhen angesiedelt ist, inzwischen schon ein Problem durch die Klimaerwärmung haben: weniger Schnee, kürzere Schneelagen, Einsatz mit Schneekanonen. Auch das gilt es zu berücksichtigen. Das muss auch im globalen, im systemischen Kontext gesehen werden.

Abschließend möchte ich sagen: Ich finde die Pinguine auch nett, sie haben schon etwas Witziges, wie auch immer, aber, Herr Minister, es müsste doch möglich sein, dass sich mehrere Ministerien sozusagen absprechen beziehungsweise Sie bei der


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Frau Ministerin Gehrer Fürsprache halten dahin gehend, dass endlich in unserem Land eine Ferienordnung eingeführt wird, die eine Ausdehnung der Saisonzeiten für die Tourismusbetriebe möglich macht. Das muss doch ein Ding der Möglichkeit sein!

Eine weitere Bitte in diesem Zusammenhang an Sie ist die, mit den EU-Beitrittsländern, die potentiell eine sehr gute Kundschaft in Österreich sein werden, ebenfalls dies­bezügliche Vereinbarungen zu treffen. Damit hätten wir eine längere Auslastung der Betriebe und generell eine vorteilhaftere Situation. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der ÖVP.)

15.40

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bun­desrätin Fröhlich. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.40

Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich kann da auch ein bisschen mitreden, denn ich habe 20 Jahre lang im Gastgewerbe als Bedienung gearbeitet und kann mit Stolz sagen: Ich habe keinen psychischen Schaden, keine krummen Beine, ich bin stolz darauf, dass ich das gemacht habe, und wenn ich heute 20 Jahre alt wäre, täte ich es wieder! Ich vertrete das auch.

Ich muss jetzt im Gegensatz zu meiner Vorrednerin Folgendes ausführen: „Tirol ist gut gebucht“, lautet eine Schlagzeile im Wirtschaftsteil der Tiroler Tageszeitung vom 1. April. (Abg. Dr. Lichtenecker: Ihr habt auch höhere Berge!) – Daher kann ich das da jetzt auch gut bringen! – In dem erwähnten Artikel heißt es weiters: „Die Tiroler Tou­rismusorte sind in der Karwoche und über Ostern hinaus gut gebucht, ... Die Win­tersaison steuert weiter auf einen neuen Rekord zu.“

Dieses überaus erfreuliche Ergebnis muss vor allem als Verdienst der Touristiker, ihrer Mitarbeiter sowie unserer Tiroler Landesregierung angesehen werden, welche die notwendigen Rahmenbedingungen für diesen Erfolg schafften. Dem Tourismus ist es infolge der positiven Nächtigungszahlen und Umsatzzuwächse in den vergangenen Jahren österreichweit gelungen, seinen hohen Stellenwert in der heimischen Wirtschaft wieder zurückzuerobern. Somit darf darauf hingewiesen werden, dass dieser Wirt­schaftszweig wieder ein absoluter Garant für Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Ein­kommen ist.

Dieses Faktum schlägt sich auch in der ständig steigenden Nachfrage nach Lehrlings­ausbildungen in den Tourismusberufen nieder. Während fast alle Wirtschaftssparten in den vergangenen drei Jahren Rückgänge hinnehmen mussten, haben sich seit 2001 mehr als 9 Prozent der jungen Menschen für eine Lehrlingsausbildung im Fremden­verkehr entschieden. Grund für diesen erfreulichen Trend sind neben der laufenden Aktualisierung bewährter Lehrberufe wie Koch, Restaurantfachmann/Res­taurant­fach­frau, Reisebüroassistent oder Hotel- und Gastgewerbeassistent die Schaffung neuer attraktiver Lehrberufe wie zuletzt Gastronomiefachmann und Fitnessbetreuer. Diese seit dem Jahre 1998 angebotenen Berufsausbildungen werden von jungen Leuten wie auch von den Betrieben stark nachgefragt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es gerade in der Bundessparte Tourismus unerlässlich ist, auch weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass die erstklassige Ausbildung in den Berufsschulen beibehalten und unverändert weitergeführt wird. Dennoch – und das möchte ich darüber hinaus auch noch stark betonen – halte ich die Beschäftigung von Saisonniers für unverzichtbar. Eine Änderung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose wäre


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meiner Meinung nach ein weiterer Schritt, um inländische Arbeitskräfte in Fremden­verkehrsbetriebe zu vermitteln.

Vor allem in den neuen EU-Mitgliedstaaten orte ich neue Hoffnungsmärkte für den österreichischen Fremdenverkehr. In Bezug auf das bisherige, überaus positive Näch­tigungsplus von 3,3 Prozent in der diesjährigen Wintersaison des Bundeslandes Tirol möchte ich darauf hinweisen, dass die heimische Hotellerie allein bei Touristen aus Tschechien einen Nächtigungszuwachs von 9,8 Prozent verbuchen konnte. Bei den tschechischen Touristen wurden im November 2003 bis Februar 2004 143 000 Nächti­gungen gezählt, das sind um 12 000 mehr als im Vorjahr. Bei den deutschen Touristen ist bei insgesamt 9 680 000 Nächtigungen ein Plus von 261 000 zu verzeichnen.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Abschließend möchte ich mich nochmals bei allen Touristikern für ihre hervorragende, zukunftsweisende Arbeit bedanken, die es unter anderem ermöglicht, dass unsere einmal gewonnene Wohlstandskultur weiterhin aufrechterhalten, ja ausgeweitet werden kann, und die unsere Heimat Österreich zu einem Tourismusmekka der Sonderklasse macht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Hagen.)

15.45

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Schimböck das Wort.

 


15.45

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich vorhin deshalb nicht zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet, weil ich das jetzt kurz nachholen kann: Ich wurde nämlich vom Herrn Bundesminister offen­sichtlich nicht ganz richtig verstanden, denn wenn ich hier davon gesprochen habe, dass sich diese Regierung auf Neudeutsch für ein „makroökonomisches Design“ aus­spricht, dann habe ich damit Ihren Regierungschef, Herrn Dr. Schüssel, zitiert, und ich glaube nicht, dass Dr. Schüssel mit Makroökonomie die Voest gemeint hat, sondern er hat damit sechs zentrale Punkte Ihres Regierungsprogramms zusammengefasst. Ich möchte hier nur zwei dieser Punkte mit dem entsprechenden Befund zitieren.

Wenn ich mir da – und ich gebe Ihnen dann gerne die Zahlen, um hier keine weitere Irritation hervorzurufen – den Finanzierungssaldo des Staates anschaue – Dr. Schüs­sel wollte ja einen ausgeglichenen Staatshaushalt; das hat er mit „makroökonomischen Design“, wie er das mit so schönen Worten ausgedrückt hat, gemeint –, so kann ich Folgendes ausführen: Folgende Zahlen stammen aus der Konjunkturprognose des Wifo vom April 2004, Herr Bundesminister: 2000: minus 1,5, 2001: plus 0,2, 2002: minus 0,2, 2003: minus 1,1, 2004: minus 1, und 2005 sind minus 1,5 zu erwarten. – Soweit der Finanzierungssaldo des Staates nach den Maastrichtkriterien. Ich darf Ihnen diese Unterlagen nachher auch persönlich geben.

Ein zweiter Punkt waren Bildung und Forschung in unserem Land, und ich möchte auch da betonen, dass ich das für eine ganz wichtige Sache halte, auch für die mittel­ständische Wirtschaft, denn wir brauchen Produktinnovationen, um uns in einer inter­nationalisierten Wirtschaft behaupten zu können. Dazu möchte ich Gerhard Kratky, den Generalsekretär des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zitieren, denn ich meine, dass die Grundlagenforschung ein ganz wesentliches Element für unsere Wirtschaft ist, und für diese ist, wie Sie alle genau wissen, niemand eher dazu berufen als unsere meiner Meinung nach international sehr anerkannten Universitäten.

In der letzten Sitzung des FWF konnten – ich zitiere aus dem „Kurier“ vom 10. März 2004 – auf Grund der bescheidenen Ausstattung dieses Fonds gerade einmal 25 Pro-


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zent der Projekte bewilligt werden. Geschäftsführer Kratky dazu im „Kurier“ – ich zitie­re –: „Das hat es noch nie gegeben, das ist dramatisch. Alles unter 25 Prozent entmutigt die Forscher, die Abwanderung ins Ausland wird zum Thema.“ – Das nur, Herr Bundesminister, zum „makroökonomischen Design“, wie sich Ihr Regierungschef gerne ausdrückt.

Nun möchte ich bei dem Thema fortfahren, von dem meine Vorvorrednerin gesprochen hat. Auch ich finde es sehr gut, was da alles von Ihrem Ressort – in diesem Fall waren ja, so glaube ich, mehrere Damen und ein leitender Herr in unserem Ausschuss – sehr übersichtlich aufbereitet wurde. Man wird allerdings, glaube ich, den so genannten Bericht über die Klein- und Mittelbetriebe in Hinkunft mit dem Tourismus-Bericht ein wenig verzahnen müssen, denn im Bericht über die Klein- und Mittelbetriebe ist die Statistik für Beherbergung und Gastronomie enthalten, und da ist folgender sehr inter­essanter Effekt zu bemerken: Die Zahl jener Betriebe – und da hat Kollege Ager völlig Recht, wenn er meint, dass wir das wirklich einmal aus dem Blickwinkel der Mitarbeiter, der Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber sehen müssen –, von denen wir vorhin gesprochen haben, also nach der EU-Definition KMUs mit bis zu 249 Beschäftigten, hat sich von 1995 bis 2001 – so steht es in Ihrem eigenen Bericht, Herr Bundes­minister – interessanterweise etwas reduziert, nämlich von 35 152 auf 33 799. Der interessante Effekt dabei ist: In diesen Kleinstbetrieben, also jenen mit bis zu 9 Be­schäftigten, sind 3 639 neue Arbeitsplätze entstanden.

Nun mache ich den Sprung in die große Wirtschaft – nicht in die Makroökonomie, son­dern zu jenen Betrieben, die 250 und mehr Mitarbeiter beschäftige –, und dort schaut es so aus: Diese Größtbetriebe sind – und daher, Kollege Ager, bin ich da ganz Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, die Stütze des Ganzen seien die Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer, unbeschadet der Frage, ob der jeweilige Betrieb als GesmbH, Personengesellschaft oder klassisches Einzelunternehmen geführt wird – österreich­weit von 18 auf 20 angestiegen. Diese haben ursprünglich 9 251 Mitarbeiter beschäf­tigt, jetzt aber, obwohl es praktisch um 10 Prozent mehr solcher Betriebe gibt, beschäf­tigen sie nur mehr – und Sie werden es nicht glauben, Herr Bundesminister, es sei denn, Sie haben diese Zahlen im Kopf –, 8 821 Mitarbeiter; das ist also ein Minus von 430.

An diesen bescheidenen Zahlen möchte ich jetzt das Erfordernis festmachen, dass wir uns wirklich dieser Klein- und Kleinstunternehmen verstärkt annehmen müssen. Ich habe mich wirklich gefreut, als vorhin Kollege Kneifel – ich weiß, damit steht man zurzeit wahrscheinlich alleine da im ÖVP-Wirtschaftsbund – eine Lanze gebrochen hat für die Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungsfonds.

Gottfried, ich muss wirklich sagen: Hut ab! Du hast gefragt, wie denn eigentlich eine Unternehmerin oder ein Unternehmer dasteht – ich denke da an ein familiengeführtes Hotel mit vier, fünf Mitarbeitern –, wenn infolge einer Grippewelle auf einmal drei Mit­arbeiterInnen nicht mehr da sind. Ich gebrauche da immer gerne einen bestimmten Vergleich. Der Herr Minister hat vorhin gesagt, dass ich aus Oberösterreich komme, und dort haben wir die Voest, in der es, glaube ich, am Stahlstandort Linz zwischen 5 000 und 5 500 Mitarbeiter im Arbeiterdienstverhältnis gibt. Wenn dort auf einen Schlag die Hälfte der Mitarbeiter wegen einer Epidemie nicht da wäre, dann würde – das versichere ich Ihnen – das Bundesheer dort einrücken, dann würde man die Hoch­öfen besetzen und so weiter, denn Sie wären, Herr Minister, der Erste, der das als nationalen, industriellen Notstand bezeichnen würde.

Wenn aber jetzt ein kleiner Betrieb mit fünf Mitarbeitern – wie beim Kollegen Ager im Ort – auf einmal mit nur mehr zwei Mitarbeitern dasteht, weil drei krank sind, dann gibt es keine Hilfe, dann wird nichts gemacht. Ich glaube, Gottfried, wenn wir das, was du


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vorhin als Beispiel erwähnt hast, in die politische Tat umsetzen können – nämlich die Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungsfonds –, dann wäre wirklich viel erreicht.

Jetzt komme ich zu dem, was Frau Kollegin Zwazl angesprochen hat. Es ist auch wieder der Kleinbetrieb, der im Tourismus wirklich Flagge zeigt und dort viel bewegt. Wie schaut es denn da mit Betriebshilfe aus? Ich bin vor Kurzem mit so einem Fall, bei dem es um Betriebshilfe ging, konfrontiert worden, und zwar bei einer Unternehmerin mit einem Kleinbetrieb. Da muss man wirklich schon ein sehr findiger Mann im GSVG sein, um das hinterfragen zu können.

Ich weiß, Herr Bundesminister, die meisten Industriellen kommen aus der Welt des ASVG, da sie als geschäftsführende Gesellschafter, Generaldirektoren oder wie auch immer im Betrieb tätig sind. Im GSVG schaut das so aus, dass es dann, wenn ein ge­sundheitliches Leiden, eine Beeinträchtigung vorliegt und es keinen ärztlichen Nach­weis dafür gibt, dass eine weitere Behandlung diese gesundheitliche Beeinträchtigung wieder beseitigen kann, auch keine Betriebshilfe gibt. So schaut das tatsächlich aus! Dann muss die selbständig Erwerbstätige oder der selbständig Erwerbstätige weiterhin in seinem Betrieb stehen – trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung!

Die Wirtschaft werde ich jetzt ganz sicher nicht krankreden. Ich glaube nur, man muss jene Dinge, die im Argen liegen, aufzeigen. Wenn zum Beispiel ein Schiff durch einen Sturm fährt, dann wird man nicht einfach das Steuerruder ohne Steuermann lassen, sondern man wird sich überlegen, welchen Kurs man einschlagen soll.

Herr Bundesminister! Wenn von den 50 000 GSVG-Versicherten in Oberösterreich bei fast jedem Zehnten der Beitrag nur noch auf dem Exekutionsweg eingebracht werden kann, dann frage ich mich langsam: In welcher ökonomischen Lage ist eigentlich dieser Wirtschaftsbereich der Klein- und Kleinstunternehmer, der selbständig Erwerbstätigen?

Kurz zurück jetzt dazu – Herr Kollege Ager hat das vorhin erwähnt –, dass wir alle in einem Boot sitzen, nämlich die Unternehmer in der Tourismuswirtschaft, aber auch die Beschäftigten. Ja ich ginge sogar so weit, Kollege Ager, zu sagen: In diesen kleinen Betrieben rudern sogar alle gemeinsam, und da ist auch ein sehr familiäres Verhältnis vorhanden. Ich könnte Ihnen Betriebe nennen, die nicht geschlossen werden, weil der Unternehmer sagt: Ich habe da zwei Mitarbeiter, der eine geht in zwei, der andere in drei Jahren in Pension, ich mute denen nicht zu, sich jetzt noch einen neuen Job zu suchen! – Das sind wirklich sehr ordentliche, familiäre Verhältnisse. Ich würde aber Kollegen Lindinger, der sich als Bürgermeister gerade in seiner Stadt sehr für den Tou­rismus engagiert, schon attestieren, dass er das nicht oberflächlich betrachtet hat.

Nur: Wo es mir fehlt, Herr Bundesminister, das ist ganz einfach an der Unterstützung dieser Betriebe. Ich will jetzt gar nicht auf diese leidige Geschichte der Austria Wirt­schaftsservice eingehen. Die Tourismusförderung ist jetzt in der TourismusBank geparkt. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nicht nur!) Dort gibt es sehr ruhige Geschäfts­führer. In der Austria Wirtschaftsservice GesmbH kann ich eigentlich nicht mehr nach­vollziehen, ob sie dort irgendetwas betreiben, was man noch als Personalpolitik be­zeichnen darf. Aufsichtsrat und Geschäftsführung sind zu einer Art personellem Durch­haus geworden. Ich glaube, ihnen – oder den Eigentümervertretern dort – steht eine arbeitsrechtliche Klage bevor, die sich – ich kann es jetzt auswendig nicht genau sagen – zwischen 630 000 € und 670 000 € bewegt, und zwar verursacht von einem früheren Geschäftsführer mit einem etwas sperrigen Namen, der mir jetzt nicht geläufig ist. Wenn ich mir vorstelle, wie viele kleine Betriebe man mit 630 000 € hätte fördern können, dann muss ich sagen: Da hätte sich einiges getan!

Im Tourismus schaut es da ja weniger erfreulich aus, denn mit der Herausnahme der Förderung aus der Bürges-Konstruktion in die Österreichische Hotel- und Touris­musbank sind dort ungefähr 40 Prozent der Mittel abhanden gekommen. Wenn man


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dort heute mit den Betroffenen redet, die das handlen, dann wird man bemerken, dass sie eigentlich bestürzt sind, denn es fehlen ihnen ungefähr 7 bis 8 Millionen € jährlich. Das klingt vielleicht aus Sicht der Industrie nicht so großartig, ist aber für die vielen Klein- und Kleinstbetriebe, die den Tourismus in diesem Land aufrechterhalten, eine gewaltige Summe, die ihnen fehlt.

Man hat jetzt dort neue Schritte gesetzt und sagt: Wir beschäftigen uns nicht mehr mit kleinen Förderungen! Das heißt, wer eine Umsatzmarge von 150 000 € nicht über­schreitet, der hat keinen Förderanspruch mehr durch diese TourismusBank. Wenn man nach dem Hintergrund fragt, wird einem erklärt: Es haben ja Gemeinden und Länder auch noch Fördermöglichkeiten!

Ich habe mir dazu noch eine zweite Zahl herausgesucht: Die Umlagebeträge bei den Gemeinden sind von 90 Millionen € auf 700 Millionen € angestiegen. Also dort – von den leeren Kassen quasi – eine Förderung für den Tourismus zu verlangen, das halte ich schon für etwas frivol.

Ja, wie gesagt, diese Fördermöglichkeiten fehlen. Ich glaube, Herr Bundesminister, dass hier ein ganz rasches Umdenken notwendig ist, wenn es Sinn machen soll, und wenn man – da bin ich auch ... (Bundesrat Kneifel: Aber die Sommer- und die Win­tersaison im Tourismus waren ausgezeichnet, das muss man auch sagen!) – Ja, Gottfried, da würde ich dir empfehlen, dich zu informieren – du findest es in den Unter­lagen der Nationalbank, aber auch in den Unterlagen des Kreditschutzverbandes – über eben jene kleinen Betriebe, derer wir uns heute besonders annehmen. Die ande­ren, diese 18 oder jetzt 20, von denen ich vorhin gesprochen habe, haben eh eine Lobby. (Bundesrätin Zwazl: Die Kleinen haben aber auch eine Lobby!) Die kleinen Betriebe aber haben zum Teil eine Unterkapitalisierung von 30 Prozent, und nur Groß- und Größtbetriebe – das kann Frau Präsidentin Zwazl in den Unterlagen des Kredit­schutzverbandes nachlesen – haben in der Tourismusbranche überhaupt positives Eigenkapital.

Also diesem misslichen wirtschaftlichen Zustand im Tourismusbereich muss man ge­zielt entgegenwirken!

Sonst, glaube ich – und da bin ich völlig der Meinung des Kollegen Ager –, sollten wir uns sicher einmal vor allen verneigen, die im Tourismus tätig sind, auch vor den Mit­arbeitern. Es wird auch wichtig sein, dort entsprechende Maßnahmen zu setzen, um dieses Berufsbild nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Kinder von selb­ständig Erwerbstätigen attraktiv zu erhalten, und zwar sowohl von den wirtschaftlichen Bedingungen her als auch von dem ganzen Arbeitsumfeld und den Rahmenbedingun­gen her. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

15.58

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich als Nächste Frau Bundesrätin Gansterer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.59

Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen des Bundesrates! Wenn man selbst, so wie ich, aus dem Tourismus kommt, dann ist es für einen wirklich eine doppelte Freude, wenn man einen Bericht wie den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002 vorliegen hat. Herr Kollege Ager hat es schon erwähnt, dass jemand die Zahlen bringen möchte – und das bin ich, weil sie mich wirklich beeindruckt haben und weil ich mich damit identifizieren kann.


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Österreich ist ein Top-Tourismusland. Wir haben in Österreich mit 116 Millionen Näch­tigungen einen Zuwachs von 1,4 Prozent zu verzeichnen. In Umsätzen ausgedrückt waren das 17 Milliarden € – ein Wachstum von 4,3 Prozent, das weit über dem Durch­schnitt der Gesamtwirtschaft liegt. Ich meine: Das ist beachtlich!

Wir gelten auch als Weltmeister bei den Pro-Kopf-Einnahmen aus dem internationalen Reiseverkehr mit 1 476 € pro Einwohner.

Der Tourismus löst unter Einberechnung der direkten und indirekten Effekte eine Wert­schöpfung von 39,1 Milliarden € beziehungsweise einen Bruttoinlandsprodukt-Anteil von 18,1 Prozent aus. Davon entfallen mehr als die Hälfte auf touristische Wertschöp­fungseffekte und der verbleibende Teil auf den nichttouristischen Freizeitkonsum der Österreicher.

Wir haben auch bei den Gesamtankünften von 27 Millionen einen Rekord erreicht. Die Aufenthaltsdauer beträgt – 2002 vielleicht sogar schon weniger, als vorhin erwähnt wurde – drei Tage. Auch diesbezüglich kann sich Österreich dem internationalen Trend nicht entziehen. Natürlich versuchen wir im Tourismus, die Gäste mit sehr attraktiven Packages länger vor Ort in den Betrieben zu halten, dennoch sehe ich diesen Trend nicht unbedingt als negativ. Ich glaube, auch hier könnte das Motto gelten: Weniger ist mehr, und Qualität geht vor Quantität! Das Konsumverhalten der Gäste hat sich, wie wir auch schon gehört haben, verändert. Der Gast bleibt nicht mehr so lange, er kon­sumiert seinen Urlaub nicht in einem Stück, sondern eben auf das Jahr verteilt, er ist aber auch bereit, in dieser Zeit mehr Geld auszugeben. Das registriere ich auch zu Hause, und daher sehe ich das nicht unbedingt als negativ.

Es freut mich natürlich besonders, dass wir in Niederösterreich einen großen Beitrag zu diesen Zuwächsen geleistet haben. Wir liegen sogar über dem Bundestrend, und das macht mich natürlich ganz persönlich stolz! Ich führe das auf die EU-Erweiterung zurück, ganz konkret auf unsere neuen Nachbarn in der EU im Osten, die drei Länder Slowakei, Tschechien und Ungarn. Ich sehe da wirklich einen potentiellen Markt gera­de in Bezug auf Tourismus, der vielleicht jetzt noch ein wenig schlummert und erst sachte, aber mit Bestimmtheit geweckt wird. Daher sehe ich heute schon dem Bericht 2003 ganz zuversichtlich entgegen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.02

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


16.03

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Vorsitzen­der! Ich möchte einige kurze Sätze zum Tourismusbericht sagen. Gestatten Sie mir aber, nicht nur auf die Situation 2001/2002 einzugehen, sondern auch zur gegen­wär­tigen Situation der Tourismuswirtschaft etwas zu sagen, die besonders erfreulich ist.

Frau Bundesrätin Gansterer und Herr Bundesrat Ager haben bereits darauf Bezug genommen: Die Ostöffnung und die Erweiterung der Union haben dem Tourismus zusätzliche Impulse verliehen; der Tourismusexperte des Wifo Smeral hat erst in die­sen Tagen mehrmals auf die auf uns zukommenden Chancen verwiesen. Heute sind es noch relativ bescheidene Prozentsätze, die Zahl der Nächtigungen bewegt sich heu­te noch im Bereich von einigen hunderttausend, aber die Zahlen werden sehr schnell in die Millionen gehen, offensichtlich mit der Priorität Wintertourismus. – Seien wir froh, dass es die Ostöffnung und die EU‑Erweiterung gibt, speziell auch im Hinblick auf unsere Tourismuswirtschaft!


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Apropos Tourismuswirtschaft: Als Tourismusminister möchte ich an dieser Stelle ein ganz kurzes, aber doch notwendiges Bekenntnis vor dem Hohen Bundesrat zu dieser so wichtigen Branche Österreichs anbringen. – Es ist dies eine typisch österreichische Branche, sonst wären wir nicht Tourismusweltmeister. Es ist dies eine Branche, die dem Land auf den Leib geschnitten ist. Durch die Summe aus landschaftlicher Schön­heit, Gastfreundlichkeit, exzellentem Essen und Trinken und der Möglichkeit, nicht nur im ganzen Land, sondern auch in vielen Städten Tourismus betreiben zu können, sind wir dazu prädestiniert. Nützen wir also die Chancen, die hier geboten werden!

Pinguine sind in Österreich nicht wirklich autochthon. (Bundesrat Kritzinger: Sie sind hier nicht heimisch!) Sie sind hier nicht heimisch. Wenn sie aber, meine Damen und Herren, schon den weiten Weg vom Südpol und von der Antarktis nach Österreich gefunden haben – und wie ich höre, gibt es Touristen, die nach Österreich kommen, um die beiden Pinguine zu suchen, bis jetzt war es allerdings noch nicht möglich, sie zu finden –, dann könnte doch die Österreich Werbung vielleicht noch einen Preis aus­setzen für den Ersten oder die Erste, die Joe und Sally tatsächlich irgendwo foto­grafieren kann! In der Werbung sieht man sie ja zum Beispiel Boot fahrend – natür­lich Elektroboot fahrend! – auf schönen Salzkammergutseen.

Es ist dies Werbung, die auffällt, Werbung, über die man spricht, aber jedenfalls keine Werbung, die in irgendeiner Form kritikfähig ist; ich denke jetzt etwa an Benetton und anderes. Es ist Werbung, die mir schmeckt! Die Geschichte ist sicherlich nicht mono­kausal, der Erfolg kommt sicherlich nicht nur von dort. Aber wenn wir mit dem Jahr 2003 den besten Sommer seit langem hinter uns haben und jetzt gerade die beste Wintersaison, die wir jemals hatten, mit einem Plus von rund 4 Prozent in Sachen Nächtigungen und Umsatz abschließen und wenn auch die Perspektiven für die nächste Sommersaison gut sind – es ist nämlich wiederum ein Umsatzwachstum von plus 4 bis 4,5 Prozent zu erwarten – und Joe und Sally auch noch kleine Beiträge dazu leisten, dann kann man sagen, dass die Österreich Werbung wirklich Gutes leistet.

Im Hinblick darauf danke ich hier nicht nur der Beamtenschaft meines Hauses für die Berichterstellung, sondern meine, dass man bei dieser Gelegenheit auch der Öster­reich Werbung für die exzellente Arbeit danken soll, die dort professionell und in Ruhe im Interesse unserer Touristik geleistet wird. Ich bedanke mich bei allen, die zur Finanzierung der Österreich Werbung beitragen. Das sind ja nicht nur die Steuerzahler, sondern das sind auch die Interessenvertretung der Wirtschaft, die Tourismusbranche, die Wirtschaftskammer, und ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft diese Zuwendungen seitens der Interessenvertretung in gleich bleibender anteiliger Höhe kommen werden.

Frau Dr. Lichtenecker! Es war mir gerade im letzten Jahr auch ein persönliches Anliegen, ein paar Ansätze zu sehen, behinderten Menschen das Tourismusland Österreich schmackhafter zu machen. – Sie haben schon Recht: Wenn es da Barrieren gibt, dann ist das nicht gut! Wir vergeben in der Förderung sehr wohl gewissermaßen Gutpunkte für barrierefreies Bauen, aber es wird noch zu prüfen sein, ob man da nicht weitere Schritte setzen kann, um jedenfalls bei dem, was in Zukunft gebaut wird, Barrieren zu beseitigen und Menschen mit Behinderung, und zwar auch jenen im Rollstuhl, das Urlaubmachen in Österreich zu erleichtern.

Klimawandel und Tourismus sind ein weiteres Thema. Das wohl deutlichste Beispiel für den schon um sich greifenden Klimawandel ist das Abschmelzen der Gletscher. Daran sieht man es, und das schmerzt. Es ist wichtig, dass auch Österreich etwas dagegen tut. Aber noch wichtiger ist es, dass die ganze Welt etwas dagegen tut. Es hilft nichts: Abgasreinigung bei Autos und vieles andere hat zwar lokale und regionale Aus­wirkungen, aber das Klima wirklich schützen können wir nur, wenn wir das Klima global schützen. Man kann allein Vorbild sein und im Bereich der Emissionszertifikate


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mit dem Handel zu trainieren beginnen. Aber lesen Sie den Bericht in der gestrigen „Financial Times“! Laut diesem sagt ein enger Mitarbeiter von Präsident Putin, dass das überhaupt nicht in Frage kommt und dass das Kyoto-Protokoll vom Übelsten und vom Schlechtesten ist. Aus meiner Sicht ist eine Ratifizierung des Protokolls durch Russland seit gestern noch weniger wahrscheinlich als vorher, und die Amerikaner denken sowieso nicht im Traum daran. Das heißt: Kyoto tritt nicht in Kraft.

Wir Europäer wollen uns an Kyoto halten, aber doch in einer Art und Weise, die wettbewerbsneutral ist und gewisse Fakten berücksichtigt. Das ist auch meine Vor­gangsweise gemeinsam mit unserem Umweltminister Pröll in Sachen Klimaschutz und Emissionszertifikate: Der Standort wird so behandelt, dass nicht Arbeitsplätze verloren gehen; und Betriebe, und zwar nicht nur die Voest, sondern auch andere, werden ausreichend mit Zertifikaten ausgestattet. Dieses Thema hat auf jeden Fall Priorität, ich halte es für eines der wichtigsten Themen auf dieser Welt, es ist dies eine der ganz großen Herausforderungen! Es muss etwas geschehen, aber, wie gesagt, im globalen Kontext.

Herr Bundesrat Schimböck! Sie haben manches angesprochen, das nicht unwider­sprochen stehen gelassen werden kann, beispielsweise betreffend Forschung und Ent­wicklung. Wenn gestern ÖSTAT, Statistik Austria, publiziert, dass Österreich eine his­torisch hohe F&E-Quote erreicht hat, nämlich im heurigen Jahr eine von wahrscheinlich 2,27 Prozent und im letzten Jahr eine von 2,19 Prozent, und wir damit einen Quanten­sprung gemacht haben, so hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie das zumindest anführen! Sie haben aber nur Kritikpunkte eines Generalsekretärs erwähnt, der gestern beim Reformdialog Forschung und Entwicklung anwesend war und der dort sehr wohl hören konnte, dass dieser Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Zukunft gegenüber bisher rund 70 Millionen € an echten Mitteln – nicht Vorgriffsmit­teln! – etwa 90 bis 95 Millionen € zur Verfügung haben wird.

Ähnlich gut wird es im Bereich des FFF und der Förderungs- und Forschungs­mecha­nismen für die Wirtschaft gehen. Dort wird es auf Basis 2003 bis zum Jahr 2006 ein Plus von 50 Prozent in Sachen Mittelausstattung geben. Keine Regierung der letzten Jahre oder Jahrzehnte hat so viel für Forschung und Entwicklung getan wie die unse­res Bundeskanzlers Schüssel und unseres Vizekanzlers und Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie Hubert Gorbach! Lassen Sie mich an dieser Stel­le auch Grasser, Gehrer und vielleicht ganz am Schluss auch ganz, ganz wenig mich erwähnen, und zwar mit der Nationalstiftung, mit der Höherdotierung, mit 1,2 Milliar­den € zusätzlich in den Jahren 2004 bis 2006. Wir werden bereits von der Euro­päischen Kommission gelobt, und wenn denen einmal etwas positiv auffällt, dann muss es doch wirklich stimmen.

Zu einem ausgeglichenen Budget bekenne ich mich nach wie vor. Dazu bekannte sich im Übrigen sogar Ihr Parteivorsitzender! Über den Konjunkturzyklus hinaus einen aus­geglichenen Staatshaushalt zu erreichen ist absolut zweckmäßig und richtig.

Frau Dr. Lichtenecker! Sie haben die Ferienordnung angesprochen, aber die falschen Adressaten genannt! Zuständig sind diesfalls nicht das Tourismusministerium und nicht das Bildungsministerium, sondern zuständig und erster Ansprechpartner sind die betroffenen Länder, die zu einer bestimmten Zeit die Ferien festlegen. Das sind in diesem Fall die Länder Wien und Niederösterreich: Alle Signale, die aus den Ländern Wien und Niederösterreich und von der hohen Politik dort selbst gekommen sind, waren negativ. Sie wollen keine Verschiebung, abgesehen von allen Termin­ände­rungen, und wenn sie keine wollen, dann gibt es auch keine Anträge an das Bildungs­ressort. Dementsprechend wäre das Aufgabe der Tourismusverantwortlichen in diesem Land die Kollegen in Wien und in Niederösterreich davon zu überzeugen, und zwar, bitte schön, wenn es geht, rechtzeitig, dass es auch für Wiener und niederöster-


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reichische Familien ganz günstig ist, wenn man dann auf Urlaub fährt, wenn die Quartiere frei und die Preise einigermaßen niedrig sind! So, wie es jetzt aussieht, wird sich nämlich nicht nur verkehrsmäßig, sondern auch preismäßig einiges massieren in dieser berühmten Ferienwoche des Jahres 2005!

Lieber Hans Ager! In Sachen Saisonniers bin ich ohnehin sehr diszipliniert und mache weitgehend das, was die Sozialpartner mir erlauben, auch die Tiroler Sozialpartner, manchmal gibt es auch dort einen Konsens. Wenn die Tourismuswirtschaft mit mir einer Meinung ist, dass wir da Maß halten sollten, dann ist das ausgezeichnet! Ich werde mir erlauben, dich gelegentlich auch an die Aussage von heute zu erinnern! (Zwischenruf des Bundesrates Ager.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Andere Branchen könnten theoretisch von mir mit Kontingenten per Verordnung bedient werden. Ich habe das deswegen nicht gemacht, weil mir das im Rahmen des Arbeitsmarktes – darüber haben wir heute schon diskutiert – als nicht statthaft erscheint. Es bleibt bis auf weiteres dabei: Saison­niers für den Tourismus und für die Landwirtschaft, aber das ist dann auch schon. Mehr wird es nicht geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Bundesrat Schimböck dann auch noch missliche Zustände in der Tourismuswirtschaft beklagt hat, dann muss ich sagen, dass das angesichts der Zahlen, die auf dem Tisch liegen, nicht wirklich nachvoll­ziehbar ist! Ihr Fraktionskollege Lindinger hat beklagt, dass die Tourismuswirtschaft im­mer weniger bereit sei, Lehrlinge auszubilden. – Bundesrat Ager hat dazu schon etwas gesagt. Ich sage Ihnen auf Grund des Zahlenmaterials, dass das einfach nicht stimmt! Vielmehr gibt es einzig und allein in der Tourismusbranche ein größeres Lehrstellen­angebot, als es Lehrstellensuchende gibt.

Wenn Sie jetzt sagen, dass daraus abzuleiten wäre, dass man über die Qualität dieser Arbeitsplätze nachdenken muss und so weiter, dann bin ich wieder bei Ihnen! Dafür gibt es eine Expertengruppe, und die Sozialpartner leisten dort wichtige Arbeit. Aber dass die Tourismusbetriebe nicht bereit wären, Lehrlinge auszubilden, das kann nicht richtig sein, wenn sie mehr Lehrstellen offerieren, als es Lehrstellensuchende gibt.

Insgesamt möchte ich sagen, dass ein ausgesprochenes Loblied auf den Tourismus zu singen ist. Ich denke, dass wir in diesen Tagen eine exzellent zu Ende gehende Win­tersaison feiern und uns auf eine wahrscheinlich sehr gute Sommersaison freuen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.14

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2001.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2002.


Bundesrat
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Jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständ­lichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ersuche ich um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern (EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG) geändert wird und ein EU‑Quellensteuergesetz (EU-QuStG) erlassen wird (350 d.B. und 429 d.B. sowie 7016/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle-Gesetz – PfBrStG erlassen wird sowie das Sparkas­sengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen ge­ändert werden (392 d.B. und 430 d.B. sowie 7017/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Grenz­kontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsgesetz 2000 geändert werden (5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novelle) (405 d.B. und 431 d.B. sowie 7018/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird (432 d.B. sowie 7019/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 14 und 15 ist Herr Bundesrat Helmut Wiesenegg. – Ich bitte um die Berichte.

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Direktor! Herr Staatssekretär! Wir sind übereingekommen, die Punkte 14 bis 17 unter einem abzuhandeln.

Ich komme zunächst zum Bericht des Finanzausschusses, Punkt 14, über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Durchführung der Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften über die gegenseitige Amtshilfe im Bereich der direkten und indirekten Steuern – kurz genannt: EG-Amtshilfegesetz – geändert wird und ein EU-Quellensteuergesetz erlas­sen wird.

Zum EG-Amtshilfegesetz: Mit der Richtlinie 2003/93/EG des Rates vom 7. Oktober 2003 zur Änderung der Richtlinie 77/799/EWG über die gegenseitige Amtshilfe zwi­schen den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten im Bereich der direkten und


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indirekten Steuern wurde diese Richtlinie hinsichtlich des sachlichen Anwendungs­bereiches geändert. Damit ergab sich ein zwingender Änderungsbedarf in Bezug auf das in Umsetzung dieser Richtlinie ergangene EG-Amtshilfegesetz.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird diese Änderungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt.

Zum EU-Quellensteuergesetz: In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden Zinseinkünfte nicht gebietsansässiger Einkünfteempfänger derzeit im jeweiligen Quel­lenstaat der Einkünfte nicht besteuert.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluss ermöglicht, dass Erträge, die in einem Mit­gliedsstaat im Wege von Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die natürliche Personen mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat sind, erzielt werden, im Wohnsitzstaat effektiv besteuert werden.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses zu Punkt 15 über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Pfandbriefstelle‑Gesetz erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Ge­setz betreffend fundierte Bankschuldverschreibungen geändert werden.

Die Europäische Kommission beurteilt die zeitlich und betraglich unbegrenzte Ausfalls­haftung der Länder und der Gemeinden für die Verbindlichkeiten der Landes-Hypothe­kenbanken und der Gemeindesparkassen als eine bestehende staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 88 Abs. 1 EG, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates beinhaltet

die Abschaffung der solidarischen Haftung der Länder für die Verbindlichkeiten der Pfandbriefstelle der österreichischen Landes‑Hypothekenbanken und der pauschalen Ausfallshaftung der Gemeinden für die Verbindlichkeiten der Gemeindesparkassen;

die Neuregelung der Rechtsgrundlage der Pfandbriefstelle der österreichischen Lan­des‑Hypothekenbanken sowie

die Anpassung des Gesetzes vom 27. März 1905 betreffend fundierte Bankschuld­verschreibungen an die heutigen Wirtschaftsverhältnisse

und führt dazu, dass eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtslage hergestellt wird.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Berichterstatter zu Punkt 16 ist Herr Bundesrat Johann Höfinger. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundes­ge­setz, mit dem das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Grenz­kontrollgesetz, das Prokuraturgesetz und das Punzierungsgesetz 2000 geändert werden.

Neue und veränderte Erscheinungsformen der gewerblich-organisierten Kriminalität im Zoll- und Verbrauchssteuerbereich erfordern die Schaffung zeitgemäßer Rechtsgrund-


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lagen auch auf nationaler Ebene, um das der Zollverwaltung auch in ihrer Eigenschaft als Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Verhinde­rung, Ermittlung und Aufklärung von Straftaten im Bereich der organisierten Zoll- und Verbrauchssteuerkriminalität zu verbessern und neu zu gestalten. Auf das Ausmaß des internationalen Betruges im Zoll- und Verbrauchssteuerbereich wird auch in den Jahresberichten „Schutz der finanziellen Interessen – Betrugsbekämpfung“ der Euro­päischen Kommission hingewiesen.

Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates werden Bestimmungen geschaffen betreffend die Observation einschließlich der Verwendung technischer Hilfsmittel, das Einholen von Auskünften ohne Hinweis auf einen amtlichen Charakter, die kontrollierte Lieferung und die Ermittlung von Daten mit Bildaufzeichnungsgeräten. Diese beson­deren Maßnahmen sind jeweils an bestimmte Tatbestandsqualifikationen in rechtlicher Hinsicht geknüpft wie das Vorliegen einer schwerwiegenden Straftat oder bei der Ermittlung von Daten mit Bildaufzeichnungsgeräten teilweise auf bestimmte örtliche Anwendungsbereiche beschränkt.

Im Zuge der Neuregelung der Bestimmungen über die Amtshilfe, ausgenommen die Vollstreckungshilfe, werden auch die besonderen Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit des Neapel II-Übereinkommens in das Zollrechts-Durchführungs­ge­setz eingeführt und Rechtsgrundlagen für die kontrollierte Lieferung, die grenzüber­schreitende Observation, das grenzüberschreitende Einholen von Auskünften ohne Hinweis auf einen amtlichen Charakter und die Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams geschaffen. Dieser Abschnitt enthält nunmehr auch eine Regelung über Verbindungs­beamte sowie eine Rechtsschutzbestimmung.

Weiters werden alle die ausschließlich die Zollwache betreffenden Bestimmungen ent­weder aufgehoben oder im Hinblick auf den Umstand, dass die Kompetenzen und Befugnisse hinkünftig ausschließlich von zivilen Zollorganen wahrgenommen werden, angepasst.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Berichterstatter zu Punkt 17 ist wieder Herr Bundesrat Helmut Wiesenegg. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Die Berichte liegen Ihnen ja vor, so auch der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird.

Der Finanzausschuss stellt nach eingehender Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke sehr für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.


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Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 134

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das EG-Amtshilfegesetz – EG-AHG – geändert wird und ein EU-Quellensteuergesetz – EU-QuStG – erlassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Pfandbriefstelle-Gesetz erlassen wird sowie das Sparkassengesetz und das Gesetz betreffend fundierte Bankschuld­ver­schreibungen geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend die 5. Zollrechts-Durchführungsgesetz-Novelle – 5. ZollR-DG-Novelle.

Jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ersuche ich um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflicht­ver­sicherungsgesetz 1994 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IAKW Finanzierungsgesetz geändert wird (5. IAKW-Finanzie­rungs­gesetz-Novelle) (413 d.B. und 433 d.B. sowie 7020/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu Punkt 18 der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wolfinger. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Franz Wolfinger: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das IAKW Finanzierungsgesetz geändert wird.

Der Inhalt des Gesetzes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. – Bitte, Frau Kollegin.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 135

16.26

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine Damen und Herren! Entgegen der Einstimmigkeit, die diese Vorlage im Nationalrat gefunden hat, werden wir – sprich die sozialdemokratische Fraktion – dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, nicht zustimmen, denn wie so oft stecken die abzulehnenden Regelungen im Detail.

Zuerst möchte ich eines betonen: Es ist überhaupt keine Frage, die Sozialdemokraten stehen unverbrüchlich zu den Einrichtungen, die Wien als so genannte UNO-Stadt möglich gemacht haben! Wir begrüßen daher bauliche Maßnahmen, die den heutigen Anforderungen großer internationaler Organisationen entsprechen. Immer war uns vor allem der friedenserhaltende und friedensschaffende Aspekt der Unterorganisationen der Vereinten Nationen bewusst, und daher war es für uns auch immer selbst­verständlich, für die Ansiedlung beziehungsweise den Verbleib dieser Dienststellen einzutreten und alle notwendigen Aufwendungen zu tätigen beziehungsweise zu unter­stützen.

Die Errichtung des Internationalen Amtssitz- und Konferenzzentrums hat es ermöglicht, dass die Atombehörde aus ihrer damaligen Unterkunft im ehemaligen Grand Hotel am Ring und die UNIDO aus ihrer Unterkunft im Amtsgebäude Felderstraße in die ent­sprechenden Räumlichkeiten ziehen konnten. Diese den UNO-Standards entsprechen­den Tagungs- und Arbeitsfazilitäten wurden nach dem damals höchsten Stand der Technik eingerichtet. Für Großkonferenzen der UNO, die in den siebziger Jahren Usus wurden, konnte das Austria Center herangezogen werden, und das wird es ja noch immer.

Aber ich möchte Sie auch an eines erinnern, weil das hier einfach dazugehört: Heribert Steinbauer, vielen sicherlich ein Begriff, war der Organisator der Bewegung gegen das Konferenzzentrum. Er beziehungsweise alle diejenigen, die ihn in diesem Bemühen unterstützt haben, wollten das Geld lieber für regionale Projekte – da wären sicherlich auch Zuchtvieh-Messehallen oder Blasmusikheime und ähnlich Weltoffenes und Welt­gewandtes dabei gewesen – verwendet wissen. Die damalige Regierungsmehrheit hat sich für die für Österreich so wichtige internationale Anerkennung entschieden, und heute – gestatten Sie mir auch diesen Hinweis – sind, glaube ich, auch Steinbauers Parteifreunde durchaus froh, dass die Größe des Austria Centers auch ihnen die Möglichkeit bietet, bei entsprechenden Veranstaltungen in der ersten Reihe Platz zu nehmen.

Meine Damen und Herren! Was ist aber der Grund unserer Ablehnung dieser Vorla­ge? – Es geht um die Kosten, die man der Stadt Wien zusätzlich aufbürden will. Es würde nämlich bei tatsächlicher Umsetzung des Gesetzesbeschlusses des National­rates dem Land Wien ein finanzieller Mehraufwand von rund 53 Millionen € entstehen!

Die rechtliche Grundlage, die für die Asbest-Sanierung vorgesehen ist, ist aber nicht zutreffend. Daher hat für Wien der Herr Landeshauptmann Bürgermeister Dr. Michael Häupl an den Bund zu Handen des Herrn Bundeskanzlers das Verlangen gerichtet, Verhandlungen im Konsultationsgremium aufzunehmen.

Zur Erläuterung: Der vorliegende Gesetzesbeschluss des Nationalrates beruft sich auf das Schmitz-Slavik-Abkommen vom 28. Jänner 1967, welches durch einen Syndi­kats­vertrag zwischen dem Bund und der Stadt Wien sowie das Internationale Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien Finanzierungsgesetz vom 6. Juli 1972 und durch eine Verein­barung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz präzisiert wurde. Gemäß § 3 lit. c des IAKW-Finanzierungsgesetzes aus 1972 beteiligt sich die Stadt Wien an Pla­nungs-, Errichtungs- und Finanzierungskosten des Internationalen Amtssitz- und Kon­ferenzzentrums Wien. Gemäß § 2 Abs. 1 dieses zitierten Gesetzes hat der Bund die


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Kosten der Planung, Errichtung und – jetzt kommt es! – Erhaltung und Verwaltung, das heißt einschließlich Personal- und Sachaufwand, und Finanzierung des IAKW zu tragen. Wien übernimmt also anteilig Kosten für die Planung sowie Errichtungs- und Finanzierungskosten, während der Bund zusätzlich auch die Kosten für Erhaltung und Verwaltung zu tragen hat. Diese Regel findet sich auch in allen Novellen immer wieder, ihr wurde daher vom Bund nicht widersprochen, sie wurde somit auch akzeptiert.

Bei der Asbest-Entsorgung – kein Mensch bestreitet, dass so etwas notwendig ist – handelt es sich aber nicht um eine Errichtungsmaßnahme. Demnach kann, wenn man sich auf das Schmitz-Slavik-Abkommen beruft und auf dessen Nachfolgeregelungen bezieht, der Stadt Wien keine Verpflichtung, sich an den Entsorgungskosten zu betei­ligen, auferlegt werden! Sollte die Stadt Wien zu der Auffassung gelangen, sich an eventuellen Erhaltungskosten zu beteiligen, so kann das nur auf Basis von Be­schlüssen des Wiener Landtages und Gemeinderates erfolgen, aber nicht auf Grund einer bundesgesetzlichen Verpflichtung.

Der vorliegende Gesetzesbeschluss des Nationalrates nimmt aber auf die klare Praxis des bisherigen Finanzierungsmodus nicht Bedacht. Das ist der Grund, warum wir dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, nicht zustimmen können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.33

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


16.33

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Das ist jetzt eine etwas kuriose Debatte, zu der sich drei Wiener Bundesräte – beziehungsweise eine Bundesrätin – zu Wort gemeldet haben und im Grunde jede Pro-Stimme fehlt. (Bundesrat Konecny – in Richtung Staats­sekretär Dr. Finz –: Vielleicht hat der Wiener Landesparteiobmann der ÖVP noch etwas dazu zu sagen!)

Meine Damen und Herren! Herr Professor Konecny! Die Grünen begrüßen jegliche Ansiedlung einer internationalen Organisation wo immer, ob es die Alpenschutz­konvention in Innsbruck war oder ob es auch diese Organisation in Wien ist. Das ist wichtig, Wien und Österreich soll da eine Drehscheibe sein. Nur bin ich ein diszi­plinierter Mensch, wenn da mein Landeshauptmann – in dem Fall muss ich „mein Lan­deshauptmann“ sagen – ein 15a-Verfahren auslöst. Jetzt möchte ich gar nicht näher auf das eingehen, was die Frau Vizepräsidentin gesagt hat (Rufe bei der ÖVP: Kon­sultation!) – es ist richtig, die Asbest-Sanierung ist da nicht enthalten. Wir sehen, was diese Umweltsünden – egal, wo wir sie heute sanieren müssen – kosten. (Vize­präsi­dentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Übrigens entziehen sich dem Arbeitsinspektorat leider die Vorgänge innerhalb der UNO-City, aber das wäre schon einmal eine Betrachtung dahin gehend wert, wie dort derzeit die Asbest-Entsorgung geschieht. Alle Beschäftigten sind äußerst beunruhigt, weil das Gebäude weder traktweise noch stockweise geräumt wurde, sondern es wurde dort gearbeitet und gleichzeitig Asbest-saniert. Das ist meiner Meinung nach eine lebensgefährliche Aktion, was seit einiger Zeit im Rahmen der UNO-City passiert. Es gibt nicht wenige hohe und höchste Beamte sowie auch Initiativen innerhalb der UNO-City, die mehrmals schon darauf hingewiesen haben, dass das eine kriminelle Form der Asbest-Sanierung ist.

Nun steht auch das zur Asbest-Sanierung an – bitte, in Zahlen: Es sind 100 Mil­lionen €, und die Stadt Wien kann das in diesem Beteiligungsschlüssel nicht allein tra-


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gen. Die Begehrlichkeiten zeigen sich da, und im Vorfeld zum Finanzausgleich hört man ja schon, dass da die Stadt Wien noch mehr zur Kasse gebeten wird.

Deshalb halten wir diese Vorgangsweise der Landesregierung für richtig. Ich appelliere von hier aus an alle Wiener Bundesräte, an Herrn Bundesrat Himmer, an Herrn Bundesrat Gudenus und an Herrn Bundesrat Böhm, aber ich appelliere auch an meine Kolleginnen in meiner Fraktion um ein Zeichen der Solidarität – trotz unserer prin­zipiellen Zustimmung, die die Grünen auch im Nationalrat gegeben haben, aber die ich auch als Wiener Grüner und als Mandatsträger der Stadt Wien zum Ausdruck bringe –, hier diesem Gesetz keine Zustimmung zu geben. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.37

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.37

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich möchte mich nicht in Wiederholungen ergehen und werde nicht auch noch ein Bekenntnis zu den UNO-Institutionen in Wien ablegen, sondern ich möchte mich mit der hier zutage tretenden Methodik dieser Bundesregierung auseinander setzen. Ich sage das sehr bewusst in Richtung der Bundesräte aus den anderen Bundesländern: Hier geht es um ein Wiener Problem, selbstverständlich, es geht um die Kasse des Landes Wien, selbstverständlich – aber die Vorgangsweise ist etwas, was Ihnen mor­gen in Ihrem Bundesland genauso passieren kann! Deshalb meine ich, dass es nicht nur darum geht, als Wiener demonstrativ dagegenzustimmen – was ich tun werde –, sondern deshalb ist es wichtig, dieser Methode entgegenzutreten, und das werden die sozialdemokratischen Bundesräte in ihrer Gesamtheit bei der Abstimmung auch tun.

Stellen Sie sich einmal Folgendes vor: Es gibt eine alte – eine uralte, kann man schon sagen – vertragliche Vereinbarung zwischen einem Land und dem Bund. Daran wird dann in einer 15a-Vereinbarung im Jahr 1979 noch einmal ein großes Programm an­gestückelt, und dort wird in einer Anlage zwischen den beiden Vertragspartnern ein­deutig festgehalten, dass damit das Land Wien alle aus dem seinerzeitigen Schmitz-Slavik-Abkommen stammenden finanziellen Verpflichtungen geleistet hat. Irgendwie nennt man so etwas ein Vertragsende.

Nun haben beide Seiten durchaus gemeint, dass das Verhältnis 65 : 35 ein vernünf­tiges ist, oder es hat weitere Maßnahmen gegeben, die auf dieser Basis im Einver­nehmen finanziert wurden. Die Tatsache, dass zwischen dem Land Wien und der Bun­desregierung, also dem Finanzministerium, natürlich auch über die Asbest-Entsorgung und die Herstellung einer zunächst Ersatz- und dann Erweiterungshalle gesprochen wurde, gehört ebenfalls zu dem Klima, das wir gewohnt sind. Zu diesem Klima gehört auch – das ist ehrlicherweise dazuzusagen ... (Bundesrat Bieringer: Herr Klima ist in Argentinien!)

Ja, aber das Klima war zu der Zeit, als er Bundeskanzler war, im Umgang zwischen Bundesregierung und Landesregierung ein respektvolleres und stärker an Zusam­menarbeit orientiertes. Insofern ist es außerordentlich schade, dass er dort ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also es hat über diese Maßnahmen Gespräche gegeben, und im Zuge dieser Ge­spräche hat sich die Stadt Wien zwar nicht in der Lage gesehen, neuerliche Errich­tungskosten zu tragen, aber durchaus angeboten, sich auf freiwilliger Basis sogar in diesem Ausmaß an der Asbestentsorgung zu beteiligen. An diesem Punkt ist der Bund vom Tisch aufgestanden und hat offensichtlich beschlossen, diese Sache im Gesetz zu


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regeln, die Wiener, das Land Wien gewissermaßen zu verpflichten, nicht nur das eine – Asbestentsorgung –, sondern auch das andere – die Neuerrichtung einer zweiten Halle – mitzuzahlen. Das ist nämlich der Gegenstand dieser Novelle.

Jetzt stellen Sie sich das einmal für Ihr Bundesland vor! Hier legt der Bund, die Bun­desregierung ein Gesetz vor und sagt: Ihr habt das zu zahlen! Der Gedanke ist ausbaufähig. Wir werden also vielleicht Novellen oder Gesetze beschließen, in denen drinnen steht, die Autobahn von da nach dort ist von der Firma Porr um folgenden Preis zu errichten. Der Normunterworfene muss das dann leisten. Wir können derge­stalt auch – aber der Normunterworfene hält sich nicht daran – das Wetter regeln. Hier wird über denjenigen bestimmt, mit dem ein Vertrag zu erzielen wäre, Herr Staats­sekretär, und das ist unerträglich, das ist schlichtweg unerträglich.

Genauso unerträglich ist es, dass mit Datum 1. März – da gab es von diesem Gesetz gerade den Entwurf einer Ministerratsvorlage – der Bürgermeister und Landeshaupt­mann von Wien, den Konsultationsmechanismus auslöst. Doch was ist seither passiert im Rahmen des so gepriesenen Konsultationsmechanismus? – Nichts! Natürlich nichts. Der Herr Bundeskanzler hat vermutlich zwei Löcher in diesen Brief gemacht – nicht selber, wie ich annehmen darf –, und es hat keinerlei Schritte gegeben, den viel gepriesenen Konsultationsmechanismus tatsächlich anzuwenden. Ja wozu haben wir ihn denn vereinbart? Dass er nicht angewendet wird?! Die bisherigen Anrufungen des Konsultationsmechanismus sind allesamt – nicht nur diese – ein Trauerspiel. Das ist bestenfalls eine Alibiveranstaltung. Zu jenen Lösungen, die wir erwartet haben, ist es noch nie gekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung hat also die Anrufung des Konsultationsmechanismus durch das Land Wien entgegengenommen. Sie hat sich weder veranlasst gesehen, die Be­schlussfassung im Ministerrat dessentwegen zu verzögern, noch hat sie sich ver­anlasst gesehen, die Beratungen im Nationalrat vielleicht zu verschieben, bis man eine Einigung erzielt hat, und natürlich erst recht nicht die Behandlung im Bundesrat. Ich halte das für eine arrogante Vorgangsweise gegenüber einem Land, mit dem man eigentlich partnerschaftlich zusammenarbeiten sollte.

Ich habe das vorhin schon in einem Zwischenruf ausgedrückt. Also gut, Sie vertreten hier zugegebenermaßen als Staatssekretär den Herrn Minister, der dieses Gesetzes­vorhaben zu vertreten hat, aber Sie sind auch Landesparteiobmann der Wiener ÖVP, Sie müssen doch eine Meinung dazu haben, dass hier dem Land Wien durch Bun­desgesetz ins Börsel gegriffen wird. (Staatssekretär Dr. Finz: Ich habe eine Meinung dazu!) Gut, das freut mich. Welche jetzt? Oder ist das eh dieselbe? (Neuerliche Zwi­schenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Gut.

Also ich bin da sehr gespannt und möchte jetzt dieser Spannung sofort nachgeben, Herr Staatssekretär. Ich bitte um diese Meinung, behalte mir aber vor, mich allenfalls noch einmal zu Wort zu melden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.44

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hat sich der Herr Staatssekretär natürlich zu Wort gemeldet. Allerdings hat er gemeint, dass er gerne dem Kollegen Bie­ringer den Vortritt lassen würde und sich dann zu Wort meldet.

Daher also, mit Genehmigung des Herrn Staatssekretärs, bitte, Herr Bundesrat Bierin­ger. Sie haben das Wort, und dann der Herr Staatssekretär.

 


16.45

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Geschätzter Herr Kollege Konecny, ganz so, wie du das gesagt hast, ist es nicht. Lassen wir, bitte, die


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Kirche im Dorf. Es ist richtig, dass der Landeshauptmann von Wien am 1. März den Konsultationsmechanismus angerufen hat oder ausgerufen hat, um es richtig zu sagen. (Bundesrat Schennach: Ausgelöst!) Es ist aber an und für sich üblich, dass der jeweilige Landeshauptmann, der den Konsultationsmechanismus auslöst, auch das Präsidium des Bundesrates verständigt. Es ist üblich bei allen anderen acht Bundes­ländern, dass die Vorsitzenden der jeweiligen Fraktion diese Auslösung des Konsul­tationsmechanismus bekannt gegeben bekommen. Es ist weiters üblich, dass die Präsidiale darüber berät. Wissen Sie, wer die Präsidiale verständigt hat? – Das Bun­des­kanzleramt, also jene, von denen Sie gesagt haben, dass ihnen das Wurscht ist. Wenn dem Bundeskanzler das Wurscht wäre, dann hätte er auch die Präsidiale des Bundesrates nicht davon in Kenntnis setzen müssen.

Am 1. März hat also Dr. Häupl den Konsultationsmechanismus ausgelöst, und ich frage Sie, Herr Kollege Konecny: Warum haben die Nationalräte der SPÖ von Wien dem am 25. März im Plenum des Nationalrates zugestimmt, wenn das wirklich so ist, wie Sie uns das weismachen wollen? Da ist doch eine Diskrepanz! Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Nationalrat des Bundeslandes Salzburg dem zustimmt, wenn der Landeshauptmann den Konsultationsmechanismus ausruft.

Ich sage Ihnen noch etwas: Ich kann mich genau daran erinnern, dass Sie, Herr Kollege Konecny, als wir gemeinsam in einer Koalition waren, bei einer Präsidiale gesagt haben: Der Konsultationsmechanismus behindert doch das Gesetzge­bungs­verfahren nicht! Daher behindert der Konsultationsmechanismus von Wien auch dieses Gesetzgebungsverfahren nicht, denn der Konsultationsmechanismus ist bekanntlich dazu geschaffen worden, dass sich die Regierungen über einen Beitrag – oder was immer es sein mag – einigen. Es ist daher nicht ganz so, wie Sie es gesagt haben. (Bundesrat Konecny: Wenn der Bund die 65 Prozent zahlt, ist eh alles in Ordnung!)

Ich sage Ihnen: Wir haben uns angewöhnt, dass die Präsidiale des Bundesrates oder die Bundesratsdirektion alle Landtage von den Gesetzesbeschlüssen des National­rates in Kenntnis setzt. Wenn das Land Wien nicht einmal dann, wenn der Beschluss des Nationalrates vorliegt, reagiert, sondern erst an dem Tag, an dem das im Bun­desrat beschlossen werden soll, dann brauchen meine Bundesräte aus Wien sich keine Gedanken zu machen, dass sie hier diesem Gesetzesbeschluss des National­rates die Zustimmung erteilen, denn so kann es ja nicht sein, dass man zwei- oder dreimal darauf aufmerksam gemacht wird, was hier ausverhandelt worden ist oder nicht ausverhandelt worden ist – das kann ich nicht sagen, weil ich nicht dabei war, aber der Herr Staatssekretär Finz war dabei, und der wird uns sagen, was dort ausver­handelt worden ist –, und dass wir dann quasi auf Zuruf praktisch einen einstimmigen Beschluss des Nationalrates negieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

16.49

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

 


16.49

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich habe in Vertretung des Finanzministers mit Herrn Vizebürgermeister Rieder die Sache selbst verhandelt, und wir waren uns damals völlig einig darüber – dafür gibt es Zeugen, es gibt ein Protokoll darüber und Beamte, die darüber Bescheid wissen –, dass die Stadt Wien 35 Prozent zu dem ge­samten Vorhaben leistet – es gibt Zeugen dafür; Sie waren ja nicht dabei, aber ich war dabei, es waren Beamte dabei, es gibt ein Protokoll (Bundesrat Konecny: Der Rieder war auch dabei!) –, und zwar zu allem, denn zuerst muss ein neues Konferenzzentrum


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als Ersatz errichtet werden, dann erst kann die Asbestentsorgung erfolgen. Der Bund kann nichts dafür, dass seinerzeit mit Hilfe der Gemeinde Wien ein asbestverseuchter Bau errichtet wurde, woran sich auch die Gemeinde Wien kostenmäßig beteiligt hat. Wenn nun diese Asbestentsorgung zu erfolgen hat, ist es nur natürlich, dass sich auch wieder beide daran beteiligen.

Das war damals auch dem Stadtrat Rieder klar, und wir waren uns informell einig. Wir haben eigentlich dieses Verfahren schon abgeschlossen gehabt. Dann hat er vorge­schlagen: Wie wäre es, wenn wir gleich mehrere Wiener Vorhaben in einem großen Pakt regeln? Da habe ich gesagt: Gut! Da ziehen wir aber den Finanzminister bei!

Es ist konkret um die Fortführung des U-Bahn-Baues gegangen, wo sich jetzt der Bund – im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern – zu 50 Prozent an den Kosten beteiligt, damit das wieder fortgeführt wird. Es ging weiters um den Zentralbahnhof, wo vorgeschlagen wurde, dass sich auch das Land und der Bund beteiligen. Es ging auch darum, dass man sich, weil wir eine Europameisterschaft haben werden, auch an dem Stadionbau beteiligt. Ich habe zu allem ja gesagt, weil ich als Wiener Landes­partei­obmann interessiert bin, dass große Wiener Projekte durchgezogen werden.

Wir sind dann zu der Sitzung gekommen. Es ist alles phantastisch gelaufen, doch dann auf einmal ist ein Punkt nach dem anderen dazugeschlagen worden. Auf einmal sollten wir auch zu den Wiener Landeslehrern, bei denen Wien die Quoten nicht einhält, weit überzieht und daher einbehalten werden muss, einen Beitrag zahlen. Da war es aus für uns. Da haben wir gesagt: Gut, dann stoppen wir alle Projekte! Wir bleiben bei der seinerzeitigen Vereinbarung und bringen das Gesetz ein!

In Wirklichkeit war von Haus aus klar, dass die Asbestentsorgung mitbezahlt wird. Da gibt es Zeugen, die das mitgeschrieben haben. Nur aus Mutwilligkeit, nur deshalb, weil der Bund nicht bereit war, bei den Landeslehrern ebenfalls eine entsprechende Kos­tenbeteiligung zu übernehmen – was nicht dem Paktum zum Finanzausgleich ent­sprochen hätte –, ist dann dieses Argument, dass die Gemeinde Wien von der Asbest­entsorgung nicht betroffen ist, erst nachträglich erfunden worden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.52

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.52

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Ich bin jetzt ein bisschen im Zwiespalt: Einerseits kann man das, was Sie hier gesagt haben, eigentlich so stehen lassen, weil es in seiner Zwiespältigkeit für sich selbst spricht, andererseits möchte ich aber trotzdem einen kurzen Kommentar dazu abgeben.

Herr Staatssekretär! Sie wissen ganz genau, dass das, was Sie jetzt erzählt haben, bestenfalls ein Viertel des Vorganges ist, aber Sie haben, wie Sie richtig sagten, Zeu­gen. Das finde ich irgendwie lustig. Sie verhandeln mit Mitgliedern einer Landesre­gierung und berufen sich danach auf Zeugenaussagen. Das macht man normaler­weise bei Verkehrsunfällen. Es war ja offenbar von Ihrer Seite auch ein solcher. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, schauen Sie, der Versuch, Wien zu überrumpeln, ist einfach schief gegangen! Genau das ist schief gegangen! Das bezeichne ich als einen Verkehrsunfall. Das ist nicht böse gemeint und nicht diskriminierend. Es gibt hervor­ragende Minister, die einen „Verkehrsunfall“ nach dem anderen haben. Das sagt nichts über ihre Qualifikation als Minister aus. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Neuerliche Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Also ich mache keine Unfälle.


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Tatsache ist, dass hier eine Vereinbarung nicht erzielt wurde. Das, was ich ausgeführt habe, bedeutet, dass – nicht ganz unabhängig von Wien – es eine unzulässige Vor­gangsweise ist, zu sagen: Na gut, wenn wir uns nicht einigen können, dann be­schließen wir das als Gesetz! – Das ist genau jene Drüberfahrermentalität, die bei vielen, vielen Gelegenheiten nicht nur von Sprechern der Opposition kritisiert wurde.

Es ist, selbst wenn Sie es beschließen, kein Drama, weil es natürlich auszujudizieren ist. Auf Grund dieses Gesetzes wird Wien mit Sicherheit keinen Cent bezahlen. Sie werden auf den Rechtsweg verwiesen werden, weil die Grundlage dieses Gesetzes schlichtweg falsch ist. Ob auch der Verfassungsgerichtshof damit etwas zu tun bekommt, würde ich eher bezweifeln, aber wir werden zumindest auf dem Rechtsweg dann die Wahrheit über Ihre Zeugen erfahren.

Ich schlage Ihnen nur vor, Herr Staatssekretär: Sie haben sich jetzt als Wiener Ob­mann der ÖVP dazu bekannt, alle Großvorhaben, an denen der Bund mitzuwirken hat, zu stoppen. Wenn das ein politischer Kurs gegenüber der Bundeshauptstadt ist, dann muss ich sagen: Es mag ja Menschen geben, die diesen Kurs teilen, für einen Wiener Funktionär, wie Sie einer sind, kann ich mir das eigentlich nicht vorstellen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.55

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu den „Lichtspielen“, die da stattfinden, muss ich kurz etwas erläutern: Diese Anzeigetafel hat anscheinend einen fehlerhaften Kontakt. Jetzt ist hier endlich alles aus, es wird kein Licht mehr leuchten. Ich möchte nur darauf hinweisen und ersuchen – wir haben ja die freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten –, dass wir trotzdem versuchen, uns daran zu halten, auch wenn das Lichterl hier jetzt nicht mehr funktioniert. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Man kommt da womöglich an irgendwelchen Tasten an, die man besser nicht anrühren sollte. Ich weiß schon.

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend die 5. IAKW-Finanzierungsgesetz-Novelle.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (Bundesrat Konecny: Schau! Schau!)

Da ich jetzt einiges Gemurre gehört habe, möchte ich feststellen: Soweit ich das über­blicken konnte, ist es die Stimmenmehrheit. Aber sollten Bedenken bestehen, bin ich auch bereit, dass wir die Stimmen auszählen. (Bundesrat Bieringer: Nein, es ging nur um das Stimmverhalten einiger Bundesräte!) Ach so! Okay. Also habe ich keinen Feh­ler gemacht. – Gut.

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend das Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmoni­sierung der Zollverfahren (geschehen zu Brüssel am 26. Juni 1999) samt Anhän­gen (339 d.B. und 434 d.B. sowie 7021/BR d.B.)


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20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (352 d.B. und 435 d.B. sowie 7022/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 und 20 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zu Punkt 19 hat Herr Bundesrat Kraml übernommen. Ich darf um den Bericht bitten. Ich sehe aber, dass auch zum Punkt 20 von Herrn Bundesrat Kraml der Bericht erstattet wird. Darf ich bitten, beide Berichte unter einem zu bringen.

 


Berichterstatter Johann Kraml: Ich bringe zuerst dem Bericht des Finanzausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend das Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmoni­sierung der Zollverfahren samt Anhängen.

Der Berichtstext liegt Ihnen allen vor, ich komme daher sogleich zum Beschluss des Ausschusses.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­men­einhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zum zweiten Bericht, und zwar zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen allen ebenfalls schriftlich vor, ich komme daher sogleich zum Beschluss des Ausschusses.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die beiden Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Der Berichterstatter hat, nehme ich an, wohl auch nicht den Wunsch, noch einmal das Wort zu ergreifen.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die beiden Beschlüsse des National­rates getrennt erfolgt. – Ich darf darum bitten, dass alle Bundesrätinnen und Bundes­räte, die an der Abstimmung teilnehmen wollen, auch ihre Plätze einnehmen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend das Protokoll zur Änderung des Internationalen Überein­kom­mens zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren samt Anhängen.


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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Jetzt lasse ich über den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, abstim­men und bitte wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ebenfalls angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, und ich bitte jene Bundes­rätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen wollen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen, und bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls wieder die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (310/A und 436 d.B. sowie 7023/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu Punkt 21 der Ta­gesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Haller übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Ing. Hermann Haller: Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmen­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für diesen Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 



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707. Sitzung / Seite 144

17.03

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vize­präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich hier offensichtlich um eine etwas sperrige legistische Materie, um nicht zu sagen, um eine Notoperation, denn nach meinen Informationen, Herr Staatssekretär, wurde dieser Gesetzesantrag im Finanzausschuss sogar schon einmal zurück­gezo­gen, wurde revidiert. Er wurde dann im Nationalrat auch nicht zur Abstimmung ge­bracht, sondern überarbeitet, wieder vorgelegt.

Grundlage ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, nämlich die so genannte Rechtssache Seeling, die für viele nicht überraschend war. Es geht dabei um die Umsetzung der 6. EG-Richtlinie, um die Beurteilung des Eigenverbrauchs einer ge­mischt genutzten Grundstücksfläche, die dem Unternehmer die Möglichkeit ein­räumt, einen einerseits zu Vorsteuerabzugsrechten führenden Bereich einer Immobilie eben auch im Eigenverbrauch zu nutzen. Probleme treten freilich dann auf, wenn sich hier etwas verändert, zum Beispiel diese Liegenschaft, diese Immobilie veräußert wird.

Um das zu lösen, hätte es nach Ansicht unserer Fraktion verschiedene Möglichkeiten gegeben. Man hätte entweder dem Urteil konform eine Lösung treffen können, oder man hätte das anders darstellen können, nämlich dass das Gebäude dann nach zehn Jahren unter Nicht-Rückführung des Vorteiles wieder anderen Zwecken zugeführt wird.

Was jetzt vorliegt, ist eher eine Art Behelfsmaßnahme. Es wird eine Art Auffang­tatbestand eingeführt, indem man nach einem 20-jährigen Beobachtungszeitraum eine Vorsteuerberichtigung durchführen kann. Wir glauben, dass diese Lösung nicht un­bedingt EU-konform ist und es auch nicht sinnvoll ist, hier nur eine Art Reparatur durchzuführen.

Unsere Fraktion, Herr Staatssekretär, wäre eher dafür, dass man eine Lösung findet, die tatsächlich den Richtlinien der EU entspricht. Anderenfalls stehen wir da, als ob wir uns nicht in der Lage sehen würden, legistisch das nachzuvollziehen, was vom Euro­päischen Gerichtshof eingefordert wurde.

Ich bitte daher um Verständnis für unsere Position: Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


17.06

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die nun vorliegende Novelle zum Umsatzsteuergesetz ist genau das, was wir uns erwarten: eine gleichheitskonforme Umsetzung des EuGH-Urteils im Fall Seeling.

Grundsätzlich hat ja der EuGH im Fall Seeling ausgesprochen, dass die privat genutzten Teile eines Betriebsgebäudes einen steuerpflichtigen Eigenverbrauch dar­stellen. Die Konsequenz wäre gewesen, dass der Unternehmer für den privat genutz­ten Gebäudeanteil von vornherein zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre.

Zur Illustration darf ich ein Beispiel anführen: Der eine baut ein neues Einfamilienhaus und nutzt es 100-prozentig privat, ein anderer errichtet ebenfalls ein Einfamilienhaus, vermietet aber 5 Prozent seines Kellers und den Rest nutzt er ebenfalls privat. Der Erste darf sich von den Errichtungskosten überhaupt keine Vorsteuer abziehen, der andere darf sich die gesamte 20-prozentige Vorsteuer abziehen, obwohl er ebenfalls das gesamte Haus privat nutzt. Den Zweiten kommt somit die Errichtung um 20 Pro­zent billiger.


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Als Unternehmerin und Wirtschaftsvertreterin bin ich gegen solch eine krasse Un­gleichbehandlung – Ungleichbehandlung nämlich gegenüber jenen, die keine Möglich­keit haben, ihr Grundstück teilweise betrieblich zu nützen. Diese Fairness ist mir ein Anliegen, da auch ich mich immer um Fairness gegenüber den Unternehmern bemühe und sie auch einfordere.

Wir haben daher in dieser Novelle zum Umsatzsteuergesetz die Ausnahmeregelung des Artikel 6 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Anspruch genommen. Auf Grund dieser Ausnahmeregelung ist es nun so, dass die private Nutzung nicht steuerbar ist und daher auch kein Vorsteuerabzug möglich ist. Nur dadurch können wir eine Un­gleichbehandlung verhindern. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die sehr beliebten Mietkaufmodelle beim Erwerb von Eigentumswohnungen den Bürgern weiterhin an­geboten werden können.

Die Entwicklung dieser Novelle zeigt uns aber auch, wie kompliziert das Steuerrecht geworden ist, gerade dann, wenn EU-Recht in nationales Recht eingearbeitet werden muss. Wir haben daher für die Formulierung dieser Novelle zahlreiche Experten mit einbezogen, und wir sind zum Schluss gekommen, dass es umsatzsteuerrechtlich beim bisherigen Stand bleiben soll. Daher stimmen wir diesem Gesetz zu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.09

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


17.10

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Zwazl hat soeben die Komplexität der Materie angesprochen. Es ist tatsächlich anzu­streben, diese Bereiche generell zu vereinheitlichen – das ist das eine –, aber auch ein Stück zu vereinfachen. Es ist zu hoffen, dass der Österreich-Konvent in Bezug auf die Gesetzeslage in manchen Bereichen eine mögliche Verbesserung mit sich bringen wird.

Zurückkommend auf diese Materie: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht ge­macht; wir anerkennen auch die Bemühungen, die da stattgefunden haben, und die engagierte Arbeit vieler Nationalrätinnen und Nationalräte im Vorfeld sowie vieler Ex­per­tinnen und Experten, dennoch haben wir das Problem, dass wir der Meinung sind, dass die derzeitige Lösung wiederum nicht gleiches Recht und nicht gleiche Behand­lung impliziert.

Ich ersuche Sie daher um Verständnis dafür, dass wir diesen Gesetzesantrag ab­lehnen werden. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

17.11

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

 


17.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte vor allem die finanziellen Auswir­kungen dann, wenn man diesem Gesetz nicht zustimmen würde, darstellen.

Wie war die Rechtslage vor dem berühmten Seeling-Urteil, einem Urteil des Euro­päischen Gerichtshofes? – Bei Mietkaufwohnungen: voller Vorsteuerabzug möglich bei einem Vorsteuerberichtigungszeitraum von zehn Jahren; Kommunalleasing: voller Vor­steuerabzug möglich bei einem Vorsteuerberichtigungszeitraum von zehn Jahren; Ei-


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gen­heimerrichtung – und jetzt kommt es –: bei anteiliger unternehmerischer Nutzung nur anteiliger Vorsteuerabzug möglich – das ist auch sinnvoll –, Eigenverbrauch un­echt befreit, nach zehn Jahren Beendigung der unternehmerischen Nutzung ohne Vorsteuerberichtigung möglich.

Die Rechtslage auf Grund des Seeling-Urteils ist folgende: Mietkaufwohnungen: unver­ändert, Rechtslage wie bisher; Kommunalleasing ebenso. Aber bei der Eigenheim­errichtung gilt auch bei geringfügiger unternehmerischer Nutzung voller Vorsteuer­abzug, die Rückführung der Vorsteuer erfolgt über die Umsatzsteuer, 20 Prozent auf den Eigenverbrauch, und das ergibt nach zehn Jahren Beendigung der unterneh­me­rischen Nutzung ohne Vorsteuerberichtigung nach unserer Schätzung – es gibt bereits Werbemodelle, die Steuerberater sind schon draufgekommen, gezielte Wer­bungsak­tionen – für eine Minderheit eine budgetäre Auswirkung von 500 bis 800 Millionen €. – Da können wir nicht tatenlos zusehen, da müssen wir etwas machen!

Jetzt gibt es in meinem Haus, dem Finanzministerium, die Auffassung, dass Artikel 6 Abs. 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie möglicherweise in dem Sinn doch anwendbar ist, dass die vor dem Seeling-Urteil bestandene Rechtslage beibehalten werden kann, so­dass nur ein anteiliger Vorsteuerabzug möglich ist. Dann hätten wir keinen Ausfall, aber wir wissen nicht, sollte der Europäische Gerichtshof erneut angerufen werden, welches Urteil dann erfolgen wird.

Daher haben wir quasi eine Art Notgesetz geschaffen, und zwar in der Form, dass wir sagen: Bei nicht ausschließlich unternehmerischer Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes wird jetzt der Zeitraum für die Vorsteuerberichtigung von zehn auf 20 Jahre verlängert. Damit wird der Schaden nicht zur Gänze ausgeschlos­sen, es wird nur unattraktiver. Wenn wir entsprechend dieser Notmaßnahme handeln müssen, dann wird der Schaden in etwa 200 bis 400 Millionen € betragen, das heißt, wir können ihn halbieren.

Sinn und Zweck dieser Maßnahme ist es, einem allfälligen Erkenntnis des Euro­päischen Gerichtshofes vorzubeugen beziehungsweise durch die Erstreckung des Zeit­raumes von zehn auf 20 Jahre das Modell unattraktiver zu machen. Vor allem wollten wir Kommunalleasing und Mietwohnungskauf weiterhin unter den gleichen Bedin­gun­gen ermöglichen.

Ich bitte Sie, diese Gesichtspunkte zu berücksichtigen und es sich noch einmal zu überlegen. Eine Zustimmung aller Fraktionen zu diesem Gesetz wäre meiner Meinung nach schon gut. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.15

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Frage an die Berichterstattung: Wird ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


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22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagenturgesetz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundeshaushalts­gesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 (BFG 2004) geändert werden (381 d.B. und 428 d.B. sowie 7024/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 22. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Roth-Halvax übernommen. Ich darf um den Bericht bitten.

 


Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Ich berichte über den Beschluss des Na­tionalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Errichtung der Buchhaltungsagentur des Bundes (Buchhaltungsagentur­ge­setz – BHAG-G) erlassen sowie das Bundeshaushaltsgesetz und das Bundesfinanz­ge­setz 2004 (BFG 2004) geändert werden.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates beinhaltet die Errichtung einer Buch­haltungsagentur des Bundes in Form einer Anstalt öffentlichen Rechts und die dafür nötigen Anpassungen des Bundeshaushaltsgesetzes sowie des Bundesfinanz­ge­setzes 2004.

Artikel 3 des vorliegenden Gesetzesbeschlusses unterliegt gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Einspruchsrecht des Bundesrates.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

 


17.17

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wieder einmal eine Agentur, die von der Bundesregierung gegründet wird. Schön langsam werden wir zum Land der Agenturen. – Ich schlage vor, dass wir das vielleicht auch in die Bundes­hymne einarbeiten. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Im Ausschuss haben wir gehört, dass mit wesentlich weniger Beschäftigten ausgekommen werden soll. Im Ausschuss ist uns auch mitge­teilt worden, dass es gewaltige Synergieeffekte geben wird und keine Beschäftigten gekündigt werden. – Das war die Aussage im Ausschuss. Und dann haben Sie wieder einmal die Quadratur des Kreises erfunden, Herr Staatssekretär, zumindest in der Ar­gumentation, denn wenn ich mir so anschaue, was bisher alles an Agenturen ge­gründet worden ist und wie erfolgreich diese arbeiten, so spricht das alles eine andere Sprache.

Herr Staatssekretär! Sie haben sich heute schon lobend über die Nachfolge­gesell­schaft der Bürges geäußert. Ich habe eher den Eindruck, dass diese Gesellschaft zur Abfindungszahlung für gegangene Geschäftsführer da ist. Was ich den Medien so entnehme, wurde bisher mehr Geld für Abfindungen ausgegeben, als Förderungen an


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die Betriebe ausbezahlt wurden. – Das, so meine ich, kann aber auch nicht Sinn und Zweck einer Gesellschaft sein.

Meine Damen und Herren! Sie sprechen immer von der Dezentralisierung, von der Flexibilisierung. Geschaffen werden dann große Zentralbehörden, die – und das kann ich Ihnen jetzt schon sagen – sicher nicht flexibler sind, sondern eher unflexibler.

Interessieren, Herr Staatssekretär, würde mich auch noch, was dieser Aufbau der Agentur eigentlich kostet. Ich habe mir die Regierungsvorlage ein bisschen angesehen, und da steht eine Menge an Zahlen drin, mich aber interessiert eine Gesamtzahl, was das so kostet.

Sie merken in der Regierungsvorlage an, dass bereits in den letzten beiden Jahren in der Buchhaltung die Beschäftigtenzahl von 1 100 auf 800 zurückgegangen ist, und Sie führen weiters aus, dass diese Zahl noch weiter reduziert wird, und zwar auf unter 650 Beschäftigte zum Ausgliederungsstichtag.

Das heißt dann meiner Meinung nach aber auch, dass die künftigen Einsparungen wesentlich geringer ausfallen werden, weil ja ein Großteil des abzubauenden Per­sonals bereits jetzt abgebaut wurde. Ich frage mich auch, wo dieses Personal hin­gekommen ist und wer jetzt dessen Löhne und Gehälter zahlt. Gibt es Sozialpläne, oder wird das mit dem berühmten „golden handshake“ erledigt?

Herr Staatssekretär! Abschließend möchte ich auch noch fragen, wie die Gesamt­kalkulation ausschaut. Mit wie vielen Buchungen im Jahr rechnet man? Und vor allem: Wie und zu welchem Preis werden diese Buchungen weiterverrechnet? – Das würde mich auch noch interessieren.

Meine Damen und Herren! Alles in allem sind wir vom Konzept dieser zentralen Agentur nicht überzeugt und werden daher dieser Gesetzesvorlage auch nicht zu­stimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.21

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


17.21

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Es ist ja sehr erfreulich, dass dieser Mechanismus noch funktioniert. (Der Redner stellt die Höhe des Rednerpultes ein. – Vizepräsidentin Haselbach: Es funktionieren auch die Lampen wieder!)

Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion wird dieses Buchhaltungs­agentur­ge­setz selbstverständlich unterstützen. Sie werden sich natürlich fragen, warum wir das tun. Der Schwarzweißmalerei, die seitens des Kollegen Kraml dargestellt wurde, kann ich mich überhaupt nicht anschließen. (Bundesrat Kraml: Das hab ich auch nicht erwartet!)

Wie sieht der Ist-Zustand in der Bundesverwaltung aus? – Ich habe im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung gearbeitet, und dort gab es selbstver­ständlich im Rahmen des Ministeriums eine Buchhaltung. Es gab aber nicht nur dort eine Buchhaltung, sondern auch in St. Pölten, wenn ich mich richtig erinnere, in Salz­burg, in Graz und, ich glaube, in Langenlebarn auch. Das ist dann zwar etwas reduziert worden, aber es gab trotzdem mehrere Buchhaltungen. Insgesamt gibt es deren im Bereich des Bundes derzeit 32 Stück.

Es gibt aber auch eine Maxime, nämlich dass die gesamte staatliche Verwaltung nach den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit geführt werden soll. Daher war es, wie auch im Regierungsprogramm 2003 vorgesehen ist, zwingend, dass das


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Bundesministerium für Finanzen entsprechende Vorschläge unterbreitet, um die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu verwirklichen.

Gerade die Buchhaltungsaufgaben sind besonders dazu geeignet, gebündelt zu wer­den, weil es relativ leicht ist, sie EDV-gestützt abzuwickeln. Wenn Kollege Kraml gegen das Wort „Agentur“ etwas hat, dann darf ich nur in Erinnerung bringen, dass eine andere Agentur bereits vorhanden und ein Erfolgsmodell ist, nämlich die Beschaffungs­agentur. (Bundesrat Schimböck: Abfangjäger! – Bundesrat Kraml: Darüber kann man geteilter Meinung sein!) Früher haben die Ministerien jedes für sich selbst irgendetwas besorgt. Heute wird bundesweit entsprechend beschafft, und dadurch können auch günstigere Preise, Rabatte und so weiter realisiert werden.

Was ist das Ziel der Buchhaltungsagentur? – Die flächendeckende Bereitstellung von Buchhaltungsleistungen unter minimaler Ressourcenbelastung und bei gleich bleiben­dem Service-Level, einen hohen Qualitätsstandard der angebotenen Leistungen, Über­prüfbarkeit der Qualität anhand festgelegter Leistungsvereinbarungen sowie das An­gebot von zusätzlichen Servicefunktionen außerhalb der definierten Kernleistungen zu bieten.

Was wird organisatorisch gemacht, um diese Ziele umzusetzen? – Es wird eben diese Buchhaltungsagentur geschaffen. Dazu gibt es drei Außenstellen, die sich – rein zufällig – in den Oberlandesgerichtssprengeln, nämlich in Graz, Linz und Innsbruck, befinden.

Es kommt zu einer Reduktion des Personals. Ich gebe zu, es gibt dazu verschiedene Unterlagen, aber der Herr Staatssekretär wird dann sicher auf die genauen Zahlen ein­gehen. Tatsache ist jedenfalls, dass gemäß der Zielvorstellung im Jahr 2007 nur mehr 500 Personen im Bereich der Buchhaltungsagentur tätig sein werden.

Bei den Abläufen verschwindet das Papier, es wird der elektronische Akt im engsten Sinne eingeführt. Die Belege werden eingelesen und dort, wo sie anfallen, abgelegt werden. Man nennt das offiziell ein „Fernbuchungsverfahren“. Diese Maßnahmen or­ganisatorischer und personeller Natur und in der Prozessabwicklung führen bis zum Jahre 2006 zu einer Einsparung eines zweistelligen Millionenbetrages in Euro. Die Schätzungen sind bei ungefähr 30 Millionen € anzusiedeln. – Das ist die eine Seite.

Die zweite Seite ist aber auch sehr wichtig: dass der Bund in Hinkunft pünktlich zahlt, was nicht immer bei allen Ressorts so war. Die pünktliche Zahlung hat zwei Vorteile: einerseits, dass Zinsverluste nicht zum Tragen kommen, andererseits aber, dass auch Skonti wahrgenommen werden können.

Auf Grund der Vorteile, die ich Ihnen jetzt dargelegt habe, stimmt meine Fraktion dem Gesetzentwurf zu. Ein Schlagwort sei noch erlaubt: Im Buchhaltungsbereich zieht das papierlose Büro ein. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.26

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Na, was sagen Sie? Nicht nur papierlos, auch mit Licht sind wir wieder ausgestattet.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


17.26

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Küh­nel! Was würden Sie sagen, wenn wir das Heer sozusagen in Wien konzentrieren und alle anderen Bundesländer keine Kasernen mehr hätten? – Ich glaube nicht, dass das bei Ihnen Freude hervorrufen würde. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie haben mir nicht zugehört, Frau Kollegin, denn ich habe gesagt, Graz, Innsbruck und so weiter haben


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auch eine Außenstelle!) – Ja, ja, ich weiß schon. Herr Dr. Kühnel! Ich weiß, wie die Planung der Agentur aussieht, aber selbst wenn ich das hernehme, hätten Sie und alle hier anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Bundesländer keine Freude. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Diese Ausgliederungsmaßnahme ist eine von vielen. Die erste Frage, die sich stellt, ist: Gibt es denn Evaluierungen der anderen Ausgliederungen beziehungsweise wie erfolg­reich sind diese tatsächlich verlaufen? Dass man jetzt wieder in einer gewissen Form outsourct, dass man eine Dienstleistung herausnimmt und sozusagen außen ansiedelt, das kann man für gut oder für weniger gut befinden. In der Privatwirtschaft ist es ein Faktum, dass die Unternehmungen und die Branchen teilweise schon wieder beginnen inzusourcen, also all diese Leistungen wieder hineinzunehmen.

Es stellt sich die Frage, ob Outsourcing tatsächlich der effiziente Weg ist. Ich habe schon ziemlich häufig den Eindruck, dass diese Dinge sehr schnell abgewickelt wer­den, ohne die Vor- und Nachteile wirklich zu überlegen. Es ist auch in vielen Bereichen Tatsache, dass dezentrale Einheiten flexibler und effizienter sind.

Wenn wir die Buchhaltung dezentral und flexibler belassen und nicht nur auf drei Standorte konzentrieren, dann müssen natürlich die Verwaltungsabläufe effizienter ge­staltet werden, und auch die Personalstruktur müsste bezüglich der Hierarchien durch­aus den realen Gegebenheiten angepasst werden.

SAP ist ja ein Standardprogramm, das viele Firmen seit Jahren verwenden. Es ist ohnehin höchste Zeit und, so denke ich, auch gescheit, dass das bei uns jetzt auf Bundesebene eingeführt wird. Der elektronische Akt ist so auch möglich. Die Frage ist einfach wirklich, ob das in dieser Form notwendig ist.

Schaut man sich die Planungen und den Gesetzentwurf an, stellt sich einem auch die Frage, warum zum Beispiel das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Aufsichtsrat nicht vertreten ist. Ich weiß nicht: Ist Frau Gehrer beim Bun­des­kanzler in Ungnade gefallen, dass weder sie noch ein Vertreter ihres Ministeriums im Aufsichtsrat sitzt? – Alle anderen Ministerien sind nämlich vertreten.

Letztendlich stellt sich auch die Frage, wo die Kernaufgaben und auch die Leistungs­kriterien dieser Agentur wirklich definiert sind. Für uns sind sehr viele Fragen offen, und aus diesem Grund werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.30

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, Sie sind am Wort. – Bitte.

 


17.30

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider bin ich nicht früher gefragt worden, sonst hätte ich sehr gerne im Detail erklärt, was wirklich der Vorteil dieser Organisation ist.

Ich selbst habe meine Tätigkeit im öffentlichen Dienst in einer Buchhaltung – und zwar in der des Bundeskanzleramtes – begonnen. Ich kenne also die ganze Buchhaltungs­entwicklung vom Anfang bis zum Ende – von der händischen Durchschreibe­buchhal­tung bis zur SAP-Buchhaltung.

Ich möchte vorausschicken: Wir können in diesem Fall nicht einseitig eine neue Orga­nisation einführen, sondern nach § 6 Rechnungshofgesetz muss die Organisationsän­derung im Einvernehmen mit dem Rechnungshof erfolgen. Der Rechnungshof hat dieser Organisationsänderung zugestimmt, und zwar nach zwei Gesichtspunkten: weil einerseits die Gebarungssicherheit auch nach dieser Organisationsform gegeben ist –


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das ist für den Rechnungshof das Wichtigste – und weil es zweitens eine wesentlich zweckmäßigere und wirtschaftlichere Form des öffentlichen Rechnungswesens ist als die bisherige.

Wieso? – In der Bundesverwaltung gibt es im Gegensatz zur Landesverwaltung und auch zu den Kommunalverwaltungen das so genannte Ressortprinzip. Es stammt aus dem 19. Jahrhundert von Freiherr vom Stein. Dieses Ressortprinzip beinhaltet ein Problem: dass so genannte Querschnittsaufgaben wie Personalverwaltung, Biblio­theksverwaltung, Fuhrparkverwaltung oder Buchhaltungsverwaltung immer in den Ressorts, jeweils aufgeteilt auf viele Stellen, erledigt werden.

Auf Grund der Gebarungsvorschriften, dass ein Bediensteter nur bestimmte Hand­lungen im Budgetvollzug durchführen darf, der so genannten Unvereinbarkeitsbestim­mungen, kommt es zu folgendem Problem: Wenn Arbeit nur für drei Bedienstete vorhanden ist, müssen trotzdem sieben Bedienstete zur Verfügung stehen, weil das der Mindeststandard ist, um die Unvereinbarkeitsbestimmungen einzuhalten.

Auf diese Weise entsteht ein vergrößerter Personalstand, und zwar nicht, weil wenige Bedienstete das nicht zweckmäßig erledigen könnten, sondern weil es auf Grund der Unvereinbarkeitsbestimmungen eben erforderlich ist. Es kommt noch dazu, dass diese Bediensteten nicht voll ausgelastet sind.

Unsere Idee war es jetzt natürlich, die Vorteile einer konzentrierten Dienststelle zu nützen, wie es zum Beispiel bei den Ämtern der Landesregierung der Fall ist. Dort ist es überhaupt kein Problem, eine Buchhaltung und eine Personalverwaltung zu haben, obwohl es unterschiedliche Ressorts innerhalb der Einrichtung gibt.

Wir wollten diese Vorteile, die bei der anderen Organisationsform von Haus aus ge­geben sind, auch hier nützen können, und wir werden sie nützen, denn wir regeln nicht allein und übernehmen nicht allein die Buchhaltungsaufgaben so, wie sie sind, sondern wir verändern auch das Verfahren. Das ist jetzt auch der Vorteil.

Bisher gab es in den Buchhaltungen eine Kernaufgabe – das war die Durchführung des eigentlichen Buchhaltungsgeschäftes, also Belege zu buchen und Zahlungen ein­zuleiten; das ist die Kernfunktion jeder Buchhaltung.

Als Zusatzfunktion kommt die Belegkontrolle, die so genannte Anweisungskontrolle dazu, die über jeden Beleg durch den Buchhaltungsvorstand vorzunehmen ist.

Die dritte Funktion ist ein so genannter administrativer Hilfsdienst für die anweisende Stelle. Wenn irgendetwas zu berechnen ist, zum Beispiel wie viele Aufträge in eine bestimmte Region gegangen sind, oder Ausschreibungsunterlagen kalkulatorisch zu vergleichen sind, konnte man das der Buchhaltung in ihrer Funktion als Hilfsdienst zuordnen, weil man dort mit den Zahlen umgehen kann.

Das war bisher die unbestimmte Größe, denn es sind natürlich, weil es nichts gekostet hat und bisher das Unentgeltlichkeitsprinzip gegolten hat, sehr viele Aufgaben der Buchhaltung übertragen worden und auch dort haften geblieben. Daher haben wir beschlossen, vom Unentgeltlichkeitsprinzip zum Entgeltlichkeitsprinzip überzugehen, denn nur wenn Leistungen etwas kosten, werden sie auch geschätzt und wird scharf kalkuliert, ob man die Sache noch braucht oder nicht.

Im Gegensatz zu Ihren Ausführungen muss ich Ihnen dazu noch weiter darlegen, dass wir keine zentrale Stelle in Wien errichten (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja, drei, wissen wir!), sondern eine Zentrale und drei Außenstellen. Wir haben also auf die Regionen nicht vergessen. Es gibt Außenstellen in Linz, Innsbruck und Graz. Wir haben bewusst nicht gesagt, in jeder Landeshauptstadt, aber es wird auch nicht alles aus den Regionen weggenommen.


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Wieso kommen wir jetzt in Zukunft mit so wenig Personal aus? – Wir haben das Verfahren geändert und führen nur mehr stichprobenweise Kontrollen mit Hilfe des elektronischen Aktes durch, den man über das Internet anfordern kann. Man kann Einsicht nehmen, aber nur mehr, wo man es auf Grund der Gebarungshöhe oder der Art der Gebarung für notwendig erachtet. Zusätzlich gibt es noch die so genannte Nachprüfung. Außerdem besteht die Möglichkeit, vor Ort zu überprüfen, aber das wird im Regelfall nicht notwendig sein.

Das SAP-Produkt setzen wir schon seit Jahren ein. Das war keine Bedingung für die Buchhaltungsagentur, sondern wir übernehmen das SAP-Produkt schon so, wie es ist.

Wir haben im Hinblick auf die Errichtung einer neuen Buchhaltungsagentur und auf die Tatsache, dass wir ja dann einen geringeren Personalbedarf haben, schrittweise nicht mehr nachbesetzt und dies zu Lasten des Hilfsdienstes für die administrativen Arbeiten getan, also dort eine Verdünnung bewirkt, nicht jedoch bei den Kernaufgaben. Es wer­den derzeit die Kernaufgaben voll wahrgenommen, aber der Unterstützungsdienst für die anweisende Stelle, der eigentlich buchhaltungsfremd ist, wurde nicht mehr durch­geführt.

Wir sind gerade bei der Errichtung, gehen jetzt mit einem Personalstand von rund 800 Bediensteten hinein und werden diesen Wert durch schrittweisen Abbau auf 500 Bedienstete reduzieren. Das ist ein gewaltiger Kostenvorteil. Wenn Sie mich fragen, was die Errichtung gekostet hat: 2,3 Millionen €, vorwiegend für die Einrichtung von Amtsgebäuden und EDV-Ausstattung.

Wie viele Belege verarbeiten wir? – 1,1 Millionen pro Jahr. Hat es schon eine Evalu­ierung von ausgegliederten Bereichen gegeben? – Ich habe selbst eine veranlasst, und zwar im Jahr 2002. Wir haben zwölf ausgegliederte Gesellschaften durch ein auswärti­ges Unternehmen evaluieren lassen, um uns nicht dem Vorwurf der Schönfärberei aus­zusetzen. Das Ergebnis war phantastisch.

Wenn Sie mich schon früher gefragt hätten, hätte ich Ihnen gerne all diese Unterlagen gezeigt. Sie können sie bei mir jederzeit einsehen. Ich habe damals auch eine Presse­konferenz zu diesem Thema abgehalten. Ich kann also beweisen, dass Ausgliederun­gen, wenn sie gut vorbereitet sind, zu einem Erfolg führen. Das haben die Evaluierun­gen dieser Ausgliederung gezeigt. Ich bin auch überzeugt, dass diese Ausgliederung in Form einer Agentur vernünftig ist und funktionieren wird.

Warum die Bezeichnung „Agentur“? – Weil es sich um eine spezielle Aufgabe von Ministerien handelt und weil wir nicht auf dem Markt auftreten. Um das schon im Na­men deutlich zum Ausdruck zu bringen, haben wir den Begriff „Agentur“ verwendet. Wir haben bewusst eine GesmbH vermieden, denn sonst hätte jemand glauben können, wir treten mit der privaten Seite in Konkurrenz und übernehmen dort Aufgaben.

Wie wurde jetzt der Aufsichtsrat zusammengesetzt? – Selbstverständlich sitzt dort der­jenige, der die Eigentümerfunktion vertritt: Das ist das Finanzministerium. Weiters sind selbstverständlich das Bundeskanzleramt im Aufsichtsrat vertreten, weil es sich um eine Koordinierungsstelle handelt, außerdem das Vizekanzleramt und solche Stellen, die von bestimmten sensiblen Buchhaltungsanwendungen betroffen sind, wie zum Bei­spiel das Innenministerium oder das Bundesministerium für Landesverteidigung, denn da geht es um sensible Daten, und wir müssen natürlich berücksichtigen, dass diese Daten wirklich vertraulich behandelt werden. Das ist der Grund dafür, dass der Auf­sichtsrat aus bestimmten Ministerien beschickt wurde. Zusätzlich sind in einem Nutzer­beirat alle Ressorts, alle User vertreten.


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Ich hoffe, dass ich Sie etwas überzeugen konnte, und stehe, wie gesagt, jederzeit ger­ne auch außerhalb dieses Gremiums für weitere Auskünfte zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.40

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Buchhaltungsagenturgesetz erlassen sowie das Bundeshaushaltsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2004 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheits­wesen“ geändert werden (384 d.B. und 440 d.B. sowie 7025/BR d.B.)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekerkammergesetz 2001 geändert wird (441 d.B. sowie 7026/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 23 und 24.

Die Debatte über diese beiden Punkte wird unter einem geführt.

Die Berichterstattung zu beiden Punkten übernimmt Frau Bundesrätin Gansterer. Ich bitte darum, uns beide Berichte zu erstatten.

 


Berichterstatterin Michaela Gansterer: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arzneimittelgesetz, das Bundesgesetz über Kranken­anstalten und Kuranstalten, das Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesge­setz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheits­wesen“ geändert werden.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


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Weiters bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothe­kerkammergesetz 2001 geändert wird.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte. Wortmel­dungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arznei­mittelgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Arznei­wareneinfuhrgesetz 2002 und das Bundesgesetz über die Errichtung eines Fonds „Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen“ geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apotheker­kammerge­setz 2001 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation eingerichtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004) (369 d.B. und 445 d.B. sowie 7027/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zu Punkt 25 der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Saller übernommen. Ich darf um den Bericht bitten.

 


Berichterstatter Josef Saller: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem ein Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation einge­richtet wird, geändert wird (IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich werde daher auf die Verlesung verzichten.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte.

 



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17.46

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass mit dieser Gesetzesnovelle etwas sehr Wichtiges vorliegt – ich möchte aber einleitend auch sagen: etwas, das man auch sehr behutsam ansprechen muss. Es ist uns, so glaube ich, allen klar, dass ungewollte Kinderlosigkeit für die Betroffenen, für Frauen und Männer, ein schwerwiegendes Problem ist. Es gibt in Österreich zirka 30 000 Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

Ich denke, da liegt es auf der Hand, dass es solch einen Fonds geben muss. Wenn wir uns anschauen, wie sehr dieser in den letzten Jahren seit dem Jahr 2000 genutzt wor­den ist, dann können wir auch sehen, dass die Nutzung wirklich einiges zeigt, nämlich dass es 13 000 Fälle gibt. Heute gibt es durch diesen Fonds letztlich 4 000 Kinder mehr in Österreich.

Diese Novelle – was bringt sie noch? – Auf der einen Seite weitere Indikationen als Anspruchsvoraussetzung für die Unterstützung durch diesen Fonds; auf der anderen Seite zahlen mehr ein und es können mehr etwas herausbekommen. Das heißt, das ist tatsächlich eine Hilfestellung in solchen Situationen. Deshalb gilt es – und darüber bin ich sehr froh –, hier dieser Novelle zuzustimmen.

Doch warum habe ich eingangs „behutsam“ gesagt? – Ich möchte das hier nur in aller Kürze ausführen, auch wenn ich weiß, dass dieser Fonds und diese Novelle nur ein kleines Eckerl von einer Gesamtmaterie sind, nämlich von einer hoch sensiblen Materie der Fortpflanzungsmedizin. Wir sprechen hier von einer Gesetzesnovelle, die in einem Gebiet eingebettet ist, das hoch sensibel ist und zu dem ich manchmal den einen oder anderen Debattenbeitrag vermisse.

Warum sage ich das so? – Ich sage es jetzt weniger in Richtung dieses Hauses, sondern stärker in Richtung jener Abgeordneten, die dazu Debattenbeiträge im Nationalrat gebracht haben, die ich nachgelesen habe. Da habe ich mich schon gefragt, ob es nur um das Thema geht, dass Österreich mehr Kinder braucht. Weiters habe ich mich gefragt, ob es wirklich in erster Linie darum geht, wer wie wann und wo Krankenversicherungen bezahlt und welche Krankenversicherung gerade knapp vor dem Ruin steht.

Ich würde sagen – und dazu gab es auch einen Zwischenruf, von wem auch immer –: eigentlich Themaverfehlung.

So frage ich mich eines: Wenn wir uns zum Großteil als Laien – ich ebenfalls, so wie viele hier in diesem Haus – schon mit diesen Themen befassen, die im Grunde auch ethische und bioethische Grundsatzfragen betreffen, warum stellen wir uns nicht auch grundsätzlichen Diskussionen? Wenn man sich die Redebeiträge der Mandatare ansieht, dann kommen da oder dort gewichtige Fragen durch, die wir uns zu stellen haben. Es geht um Fragen nach Lebensgemeinschaften oder Fragen nach der unter­schiedlichen Wertung verschiedener Indikationen als Anspruchsvoraussetzung. Wei­ters geht es um heikle Fragen wie die pränatale Diagnostik.

Letztlich geht es auch um Selektion, denn ich denke, Folgendes muss uns auch klar sein: Es handelt sich nicht um eine befruchtete Eizelle, sondern um mehrere. Viele davon werden für einige Zeit eingefroren, wie ich mich erkundigt habe. Das heißt, es geht hier auch um Aspekte der Forschung. Ich sage hier noch einmal, ich bin wirklich ein Verfechter dieses Angebotes, aber ich glaube, wir sollten es uns in unseren Hohen Häusern in der Debatte nicht so einfach machen. Vielmehr sollten wir viele Argumen­tationen, die, so denke ich, auch heute in dieser Debatte noch angesprochen werden, ein bisschen tiefer gehen lassen.


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Die Brisanz des Themas wurde bereits bei den Kontroversen um die Bioethik-Kon­vention des Europarates deutlich. Da ging es um die Worte: „Die Erzeugung mensch­licher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten.“ – Manche haben die dann als Hintertür für die Verwendung von IVF-Embryonen ausgelegt.

Wir müssen bei solchen Gesetzestexten sehr auf die Wortwahl achten. Die Kleinig­keiten der so genannten Formulierungen machen es aus. Ich glaube – das darf ich hier auch als Theologe sagen –, die Kirchen sind zum Glück auch schon so weit, dass sie an diese Themen differenzierter und nicht nur aus einem vorgefassten Verständnis, das eben immer so war, herangehen.

Ich habe in meiner Vorbereitung für diesen kurzen Debattenbeitrag mit einigen Moral­theologen gesprochen. Diese haben in dem Zusammenhang gesagt: Wichtig ist heute, dass wir die Autonomie und die Selbstverantwortung des Menschen in den Vorder­grund stellen. Wenn wir das tun, dann müssen wir aber auch dafür sorgen, dass die Beratung sichergestellt ist und dass nicht der Eindruck entsteht, es sei ohnedies alles machbar und alles glückt, was wir technisch und vor allem medizintechnisch machen können.

Daher glaube ich, dass wir auch eine hohe Verantwortung haben, wenn es um die Rahmenbedingungen geht, wenn sich Paare zu solch einem Schritt entscheiden. Da reicht es noch lange nicht zu sagen, wir stellen Finanzen zur Verfügung. Dies ist ein erster richtiger und wichtiger Schritt.

Auf der anderen Seite müssen wir als Politikerinnen und Politiker auch unsere Ver­antwortung diesbezüglich wahrnehmen, was es heißt, diese Betroffenen zu beraten und das auch gesetzlich festzulegen. Weiters ist es wichtig, dass wir erkennen, dass selbst solche Materien, die sich auf eine Novelle beziehen, ein viel größeres Spektrum betreffen. Wir müssen sehr wohl ernsthaft und behutsam darüber sprechen, gerade auch im Hinblick auf das Vorhaben weiterer Novellen.

Ich denke – darauf freue ich mich persönlich –, dass viele der Perspektiven, die ich hier anzusprechen versucht habe, bei einer Debatte über das Fortpflanzungsmedizingesetz aufgegriffen werden. Ich möchte aber hier schon darauf hinweisen, dass wir die Breite eines Bereiches nicht aus den Augen verlieren dürfen, wenn wir nur über ein kleines Stück debattieren und ein kleines Stück auch gemeinsam beschließen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

17.56

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

 


17.56

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, dass ich etwas ratlos, aber hoffentlich nicht sprachlos hier stehe. Ich habe bei den Worten des Kollegen Dr. Schnider sehr aufmerksam zugehört. Ich kenne mich insofern nicht ganz aus, als ich denke, wir behandeln hier ein Bundesgesetz, in dessen Mittelpunkt jene Paare stehen, die ungewollt kinderlos sind und denen der Wunsch nach einem Kind auf Grund mehrerer Ursachen nicht erfüllt werden konnte.

Ich denke, dass im Jahre 1999 eine jahrzehntelange und unselige Diskussion endlich ihr Ende fand und damals eine ungewollte Kinderlosigkeit in den Bereich einer Krank­heit eingestuft wurde. Wir sollten bedenken, welchen enormen psychischen Belas­tun­gen viele dieser kinderlosen Paare ausgesetzt sind und welche zum Teil schweren Krankheiten, die wir aus dem Bereich der Psychosomatik kennen, damit verbunden sind. Wir sollten, so glaube ich, gerade dieses Gesetz unter jenem Aspekt betrachten,


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dass hier etwas geschaffen wurde, und zwar bereits im Jahre 1999, das für diese betroffenen Paare eine wirkliche Hilfe ist.

Weiters ist dieses Gesetz entscheidend im Hinblick darauf, dass damit der Wunsch nach einem Kind unabhängig vom Einkommen des Paares zu betrachten ist. Wenn man weiß, wie teuer diese Versuche sind und dass mit diesem IVF-Fonds-Gesetz 70 Prozent der Kosten finanziert werden können, dann kann man davon ableiten, wie vielen Paaren es dadurch möglich ist, sich einer so teuren Behandlung zu unterziehen. Ich möchte nur die Zahlen aus dem Burgenland nennen: Ungefähr 80 Prozent der Paare, die die Kinderwunsch-Ambulanz im Krankenhaus Oberpullendorf aufsuchen, sind auf die Unterstützung aus diesem Fonds angewiesen.

Wir sollten diese Diskussion nicht mit einer Diskussion über ethische Fragen ver­mischen, der ich mich nicht verschließen möchte. Aber ich glaube, hier sollte man schon – wenn der Kollege sagt: als Theologe, so sage ich auch – die Kirche im Dorf lassen und wirklich jene Paare in den Mittelpunkt stellen, denen mit diesem Gesetz oder mit dieser Novelle geholfen werden soll und auch geholfen werden wird – davon bin ich sehr überzeugt.

Ich begrüße daher, dass es nach einer entsprechenden Evaluierung zu einer Auswei­tung sowohl der Anspruchsberechtigten als auch der in den Fonds einzahlenden Stel­len gekommen ist. Ich begrüße es auch, dass zu den Fällen, auf die die Anspruchs­berechtigung ausgeweitet wurde, auch die Krankheit Endometriose gehört, da ich selbst viele Jahre lang unter dieser Krankheit gelitten habe. Als es nicht mehr anders ging und kein Arzt diagnostizieren konnte, woran ich leide, habe ich mich im Jah­re 1993 eingehend mit dieser Krankheit beschäftigt.

In Österreich war es damals nicht möglich, Unterlagen darüber zu bekommen. Aus dem Freundeskreis wurde mir aus Amerika Literatur zur Verfügung gestellt, denn dort haben sich damals Ärzte eben mit dieser Krankheit befasst. In Österreich war sie dann als die unbekannte Frauenkrankheit ein kleiner Begriff.

Wenn man weiß, welche Schmerzen mit dieser Krankheit verbunden sind und wozu sie auch führen kann, dann versteht man vielleicht, dass sie jetzt auch in die begünstigten Krankheiten sozusagen aufgenommen wurde.

Ich begrüße diese Novelle und möchte nicht unerwähnt lassen, dass – genauso, wie unerfüllter Kinderwunsch häufig mit großen psychischen Belastungen einhergeht – auch die Versuche der künstlichen Befruchtung psychisch enorm belastend sind.

Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, mich von dieser Stelle aus bei all jenen Ärzten, Psychologen und dem Pflegepersonal zu bedanken, die mit großem Verant­wortungsgefühl und hohem Einfühlungsvermögen die Paare in dieser schwierigen Zeit begleiten. Ich weiß aus vielen Erzählungen kinderloser Paare, welche Erlebnisse mit künstlicher Befruchtung verbunden sind, weiß, wie entwürdigend speziell die Männer manche Vorgänge erleben. Ich glaube, dass es daher wirklich an der Zeit ist, den Fortschritt, der in diesem Bereich in den letzten Jahren gemacht wurde, hier von dieser Stelle aus zu würdigen. Ich möchte das, wie gesagt, heute nicht unerwähnt lassen.

Zusammenfassend noch einmal: Selbstverständlich werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 



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18.02

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit der IVF-Fonds-Gesetz-Novelle 2004 wird eine legisla­tive Nachbesserung angestrebt, die sich aus den Erfahrungen der ersten drei Jahre mit dem Vollzug dieses Gesetzes aufdrängt.

Erstmals werden klare Begriffsbestimmungen getroffen. Danach sind als „Paar im Sinne dieses Bundesgesetzes“ „zwei in Ehe oder in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebende Personen zu verstehen“.

Als eine „erfolgreich herbeigeführte Schwangerschaft“ gilt, „wenn eine“ – wohl mittels Ultraschall – „bildlich dokumentierte Schwangerschaft frühestens ab der fünften Woche nach Embryotransfer nachgewiesen wird“.

Dieser Erfolg ebenso wie aber auch das Ende einer Schwangerschaft vor diesem Zeitpunkt, eine dokumentierte Eileiterschwangerschaft oder eine nicht eingetretene Schwangerschaft markieren das Ende eines durch den Fonds mitfinanzierten Versuches.

Eindeutig werden auch die Voraussetzungen des Anspruchs auf Kostentragung gere­gelt. Ein solcher Anspruch besteht bei Sterilität der Frau, sei es – entschuldigen Sie jetzt die medizinischen Ausdrücke; ich als Laie kann sie nicht beurteilen – tubaren Ursprungs – wie bisher allein –, sei es durch Endometriose bedingten oder durch polyzystisches Ovar-Syndrom bedingten Ursprung, oder auch bei Sterilität des Mannes, was bisher nicht berücksichtigt war.

Der Anspruch bezieht sich auf höchstens vier Versuche pro Paar.

Die Frau darf zu Beginn des Versuchs einer IVF das 40. und der Mann das 50. Le­bensjahr noch nicht vollendet haben. Ob diese Altersgrenze bei der angestrebten Mutterschaft zu niedrig angesetzt ist, vermag ich nicht ausreichend zu beurteilen, könnte es mir aber vorstellen, wenn auch bekannt ist, dass natürlich mit steigendem Alter, auch solange der Erfolg möglich ist, die Erfolgsquote, wenn ich dieses unschöne Wort hier verwenden darf, deutlich sinkt.

Das zu führende Register hat die Anzahl der Versuche, für die eine Kostentragung erfolgte, und die dabei erreichten Schwangerschaften auszuweisen. Diese Aufzeich­nungen bieten zugleich die Grundlage für die dem Bundesminister für Gesundheit und Frauen obliegende Qualitätssicherung und -kontrolle dieser Maßnahmen.

Umfassend wird auch die Verschwiegenheitspflicht aller an einer IVF-Behandlung beteiligten Organisationen und Personen geregelt. Sie erstreckt sich auf die unmittel­bar personenbezogenen und sensiblen Daten, insbesondere auf alle den Gesund­heitszustand und die Fortpflanzungsfähigkeit betreffenden Umstände sowie auf die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse des Paares, die ihnen in Ausübung ihres Berufes bekannt geworden sind.

Das betroffene Paar kann allerdings die zur Auskunft verhaltene Person von der Ge­heimhaltungspflicht entbinden.

Die Verschwiegenheitspflicht tritt auch dann zurück, wenn die Offenbarung der Infor­mation nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Ge­sundheit oder der Rechtspflege, ich denke, insbesondere des Kindeswohls, unbedingt erforderlich ist.

Zu begrüßen ist, dass mit der vorliegenden Novelle auch die privaten Kranken­versicherungen in den Kreis der fondsfinanzierten Stellen aufgenommen und die Vor­aussetzungen für eine Anspruchsberechtigung durch die Nennung der Leistungszu-


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ständigkeit einer durch einen Gruppenvertrag abgeschlossenen privaten Kranken­versicherung erweitert werden.

Wohl von selbst versteht sich, dass ein Anspruch auf Mitfinanzierung von IVF-Ver­suchen bei solchen Paaren auszuschließen war, deren Sterilität die Folge eines vom Mann oder der Frau beabsichtigten Eingriffes ist.

In den ersten drei Jahren leistete der Fonds eine Kostenbeteiligung von 70 Prozent für 13 332 Versuche; im Jahr 2000 für 3 926, 2001 für 4 726 und 2002 für 4 680 Versuche.

Die Durchschnittskosten eines IVF-Versuches beliefen sich für den IVF-Fonds auf etwa 1 800 € bis zirka 2 000 € inklusive der dazu erforderlichen Medikation.

Auf Grund der Erweiterung wird die künstliche Befruchtung von zirka 10 Prozent mehr Paaren in Anspruch genommen werden, so die Einschätzung.

Immerhin bleiben 30 000 Paare in Österreich ungewollt kinderlos, und die Erfolgsquote der IVF beträgt zirka 27 Prozent. Aus den über 13 000 Versuchen gingen annähernd 4 000 Kinder hervor. Wie viel menschliches Leid konnten wir dadurch vermeiden helfen! (Präsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)

Insofern sehe ich im IVF-Fonds-Gesetz durchaus einen Meilenstein in der Gesund­heits- und Familienpolitik.

Alles in allem hat sich das Gesetz in seiner gesundheits- und familienpolitischen Inten­tion durchaus bewährt. Die mit der heute zu beschließenden Novelle getroffenen Klarstellungen und legistischen Verbesserungen werden zum weiteren Erfolg des Gesetzes beitragen. Meine Fraktion wird der Neuregelung daher gerne ihre Zustim­mung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.08

 


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Konrad das Wort. – Bitte.

 


18.09

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Böhm hat den Inhalt dieser Gesetzesnovelle recht umfas­send zusammengefasst. Auch die Grünen werden diesem Antrag zustimmen. Es handelt sich ja in weitester Linie um eine Anpassung dieses Gesetzes an die Erfahrun­gen der Praxis, aus denen eben die Resultate gezogen werden.

Die Änderungen, die hier vorgeschlagen sind, halten wir für begrüßenswert, ich möchte aber trotzdem ein paar kleine Anregungen anbringen.

Einerseits ist nicht wirklich verständlich, wieso in diesem Fall Krankheiten unterschied­lich bewertet werden. Es werden zwar die Indikationen im Gegensatz zu früher aus­geweitet, aber nach wie vor bleibt es auf gewisse Krankheiten beschränkt. Das ist, so denke ich, nicht unbedingt logisch erklärbar: Wieso ist die eine Krankheit quasi mehr wert als die andere, und wieso führt die eine Krankheit zum Anspruch auf eine Unter­stützung, eine andere aber nicht, wenn die Folge doch dieselbe ist?

Weiters gibt es eine Forderung der Österreichischen Aids-Hilfe, der auch wir Grüne uns anschließen wollen. Die Österreichische Aids-Hilfe schlägt vor, den Kreis der An­spruchsberechtigten zu erweitern, nämlich um das Kriterium Vorliegen eines positiven HIV-Status bei Mann oder Frau.

Auf Grund der modernen Medizin ist es auch für HIV-infizierte Menschen sehr wohl möglich, eine lange Lebensplanung zu haben und noch viele Jahre glücklich und ausgefüllt zu leben. Es haben auch viele HIV-positive Menschen den Wunsch, eine


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Familie zu gründen und Kinder zu haben. Nun ist die In-vitro-Fertilisation eigentlich die einzige Möglichkeit einer Schwangerschaft, ohne das Risiko einer Ansteckung einzu­gehen. Diese Indikation ist jedoch nicht aufgenommen. Das wäre, glaube ich, eine durchaus sinnvolle Idee.

Zur Frage des Höchstalters: Es hat schon mein Vorredner gesagt, dass man jetzt lang diskutieren kann, ob 40 sinnvoll ist oder nicht. Tatsächlich ist es so, dass für Frauen ab dem 43. Lebensjahr die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, auch auf natür­lichem Wege einen rapiden Einbruch erleidet. Das heißt, beim 43. Lebensjahr könnte auch in diesem Falle die Grenze gezogen werden.

In England gibt es eine Regelung für künstliche Befruchtungen, die im Grunde sehr sinnvoll ist. Dort gibt es nämlich eine Beschränkung der Zahl der transferierten Embryonen auf zwei. Das Problem bei künstlichen Befruchtungen ist sehr oft eine Mehrlingsschwangerschaft, die nicht nur die ungeborenen Kinder, sondern auch die Mutter gesundheitlich stark beeinträchtigt. Das könnte dadurch verhindert werden.

Es hat auch Herr Schnider schon ein paar sehr interessante Punkte angesprochen, nämlich die Formen des Zusammenlebens. Dass jetzt in diesem Gesetz nicht nur die Ehe, sondern auch eheähnliche Lebensgemeinschaften erwähnt werden, ist zwar gut, aber es gibt auch sehr viele gleichgeschlechtliche Paare, die sich Kinder wünschen, und die sind nach diesem Gesetz nach wie vor ausgeschlossen.

Mir ist schon klar, dass Österreich sicher noch nicht so weit ist, eine Gleichstellung von homosexuellen Lebensgemeinschaften auch gesetzlich festzulegen, ich möchte aber trotzdem bei diesem Punkt anmerken, dass auch hier wieder ein Fall vorliegt, bei dem diese Menschen nicht gleich behandelt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.12

 


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend die In-vitro-Fertilisation-Fonds-Gesetz-Novelle 2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürf­tige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus recht­lichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG) (412 d.B. und 448 d.B. sowie 7028/BR d.B.)


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27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbetreuungsgesetz geändert wird (449 d.B. sowie 7000/BR d.B. und 7029/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 26 und 27, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte sie um die Berichte.

 


Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Ich berichte zu Punkt 26, nämlich über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend eine Vereinbarung zwi­schen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maß­nah­men zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde – darunter verstehen wir Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus recht­lichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen – in Österreich.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 27: Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbetreuungsgesetz geändert wird. Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor.

Da die in Artikel I enthaltenen Verfassungsbestimmungen die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung nicht einschränken, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 44 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erstem erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


18.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion über die Unterbringung der Asylsuchenden beherrscht die innenpolitische Debatte im Grunde seit Beginn dieses Jahres.

Soziale Hilfsorganisationen haben wiederholt aufgeschrien, wie die Caritas, die Evangelische Diakonie. Minister Strasser hat zugesagt: Ab 1. Mai muss kein Asyl­suchender mehr auf der Straße sein. – Die Zahlen, die in diesem Bereich derzeit vorliegen, sind erschreckend. Es geht hier um 16 000 Menschen.

Österreich ist insgesamt ein wohlhabendes Land – im Schnitt, es gibt immer Armut und Reichtum in einem Land, das im Prinzip ein wohlhabendes Land ist; das ist natürlich auch in Österreich unterschiedlich verteilt.

Auf Grund der dramatischen Situation kam es zu der Vereinbarung 60 : 40. Man kann natürlich sagen: Der Bund hat 40 Prozent seiner Verpflichtung – Asylangelegenheiten sind Bundesverpflichtung – an die Länder delegiert. Ich sage: Ich halte das gar nicht für


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schlecht, denn wir sind ein solidarischer Staat, in dem sich die Länder, Städte und Gemeinden genauso dieser sozialen Frage stellen müssen wie die Bundesregierung.

Wir Grüne stimmen heute nicht zu – wir können hier auch kein Zeichen der Zu­stimmung setzen, da ein differenziertes Abstimmungsverfahren wie im Nationalrat hier nicht möglich ist –, aber einige der Vereinbarungen haben sehr wohl unsere innere Zustimmung und auch die De-facto-Zustimmung gefunden. Nur – und das ist der springende Punkt –, es geht um den individuellen Rechtsanspruch. Asylsuchende haben, egal, ob sie in Bundesbetreuung oder künftig in Landesbetreuung sind, keinen individuellen Rechtsanspruch. Das ist der große Mangel dieser Vereinbarung.

Zum Zweiten – und wir sind hier in der Länderkammer – finde ich es nahezu be­schämend, meine Damen und Herren, wenn uns folgende Zahlen und Quoten der Bundesländer vorliegen: Je westlicher die Bundesländer gelagert sind – und in diesem Fall: je reicher sie sind –, desto schlechter werden die Aufgaben gelöst.

Ich nehme das heute hier im Bundesrat Vorsitz führende Bundesland her: minus 68 Prozent – das ist einfach ein Skandal!

Wenn ein ÖVP-Kollege im Innenausschuss nonchalant gemeint hat: Die halten die Plätze frei, nach dem Fürstenwechsel in Liechtenstein wird man in Vorarlberg ein paar Wirtschaftsflüchtlinge aus Liechtenstein unterbringen müssen!, so mag das humo­ristisch gewesen sein – ich verstehe das auch, ich habe auch gelacht dazu –, aber nichtsdestotrotz muss ich fragen: Was denkt sich eigentlich der zuständige Landesrat in Vorarlberg bei solch einer Minusleistung, bei minus 68 Prozent?

Aber Salzburg mit minus 38 Prozent und Tirol mit minus 35 Prozent sind nicht viel besser. Tirol ist bei Gott kein armes Land. – Es ist einfach nicht einzusehen, dass sich hier einige Bundesländer einen Scheißdreck um soziale Versorgung und Sicherheit scheren.

Und wenn wir dann noch Kärnten mit minus 30 Prozent hernehmen, dann ist das Quartett jener, die hier mit Minuszahlen glänzen, perfekt.

Warum, meine Damen und Herren, muss Niederösterreich mit plus 60 Prozent eine solche Belastung tragen? – Es ist eine Belastung. Wien, das immer wieder kritisiert wird, hat auch ein Plus, mit 4 Prozent zwar ein knappes Plus, aber auch ein Plus.

Das heißt, zwei Bundesländer in Österreich kommen ihren Verpflichtungen nach, der Rest nicht. Ich hoffe und nehme an, dass Oberösterreich – Frau Lichtenecker wird mir hoffentlich ein Ja herausrufen – diesen Verpflichtungen in der Landesregierung nach­kommen wird. Es sind dort nur 12 Prozent. Aber auch diese 12 Prozent sind ein Minus, und ich hoffe, das die oberösterreichische Landesregierung, in der ja auch die Grünen vertreten sind, diese 12 Prozent relativ rasch saniert. Aber das ändert nichts daran, dass wir minus 30, minus 35, minus 38 und minus 68 Prozent in den westlichen Bun­desländern haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben gestern – nach dem Ausschuss! – ein Schreiben des Amtes der Vorarlberger Landesregierung bekommen. Ich hätte ein solches Schrei­ben von Niederösterreich wirklich sofort akzeptiert, aber ich finde es erstaunlich, dass es ausgerechnet das Land Vorarlberg ist, das sich – und wenn ich jetzt vom Präsi­denten einen Ordnungsruf bekomme, dann nehme ich ihn gerne an – in schäbigster Weise im Bereich der Asylsuchenden verhält und nun dieses Land Vorarlberg eine juristische Feinspitzargumentation führt. Die kann man nämlich sehen, wie man will. Wenn es nämlich Landessache ist, dann brauche ich sie nicht vom UVS zu nehmen, ich kann ja auch sagen, es ist Sozialhilfe, und dann ist es wieder auf Landesebene. Aber was sich das Land Vorarlberg mit diesem Schreiben leistet, heißt natürlich nichts anderes, als dass erstens Herr Minister Strasser sein Wort nicht halten kann, denn das


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schaffen wir nicht, dass bis 1. Mai alle Bundesländer ihre Zustimmung dazu gegeben haben werden, und zwar vor Kundmachung des Gesetzes.

Da wird eine juristische Feinspitzargumentation auf Kosten jener, die derzeit auf der Straße stehen, die nicht wissen, wo sie schlafen sollen, geführt, und das kann es nicht sein. Und wenn das ausgerechnet von jenem Bundesland kommt, das mit minus 68 Prozent wirklich am meisten aus dieser Quotennichterfüllung herausglänzt, dann halte ich das im wahrsten Sinne des Wortes für eine schäbige Aktion, meine Damen und Herren!

Man kann dem juristisch nahe treten, natürlich, beim UVS besteht Zustimmungspflicht der Länder, keine Frage, aber dann muss ich natürlich auch eine Frage an den Innenminister richten. Sagen wir doch, wie es war: Dieses Gesetz ist ein Überfall ge­wesen und kein normaler gesetzlicher Vorgang. Das, was wir heute hier beschließen – die SPÖ stimmt zu –, ist keinem Begutachtungsverfahren unterlegen, dieses Gesetz ist einfach im Ausschuss da gewesen. Ich hoffe, wer immer von der SPÖ – ich kenne jetzt nicht die Rednerliste – dazu Stellung nehmen wird, wird mir sagen, warum Sie eigent­lich zustimmen; mir ist es nicht ganz klar, wobei vor allem im Innenausschuss des Bun­desrates die Argumentation des Kollegen Gruber eher eine noch, würde ich jetzt meinen – nein, ich will sie jetzt nicht bewerten. Mich hat sie ein bisschen verwundert, und mir ist gar nicht vorgekommen ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Haller.) – Sie auch, aber mich hat die Wortwahl verwundert. Ich verstehe nicht ganz die Zustimmung dazu.

Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Gesetz heute unsere Zustimmung verweigern. Wir begrüßen an sich die Absicht, eine Solidarverteilung durchzuführen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das Allerwichtigste ist, dass wir keine großen Flüchtlingszentren und keine großen Flüchtlingsheime à la Traiskirchen schaffen und dass wir Gemeinden nicht in einem Übermaß beanspruchen. Aber wenn wir 16 000 durch die Zahl österreichischer Gemeinden und Städte dividieren, dann können Sie daraus ableiten, wie viele Menschen das pro Gemeinde sind, nämlich drei, vier oder fünf.

Es handelt sich um drei, vier oder fünf Menschen, die in Österreich Asyl suchen, die in Not sind, die die zweite Stufe des Verfahrens geschafft haben, was bedeutet, dass man sie anerkennt, dass man sagt, das wollen wir seriös prüfen. Man hat jetzt auch diese langen Wartezeiten, die bestanden, verkürzt, indem man in der ersten Stufe ganz schnell sagt, wer überhaupt eine Prüfungschance hat und wer nicht. Das ist auch richtig, man soll Menschen nicht über Monate warten lassen. Wenn wir diese Men­schen, die die zweite Stufe erreicht haben, so solidarisch auf Städte und Gemeinden aufteilen, dann können diese Städte und Gemeinden stolz sein und sagen, ja, das sind unsere vier, für die wir sorgen, die wir auch integrieren können, zum Beispiel in den Arbeitsprozess oder in soziale Beziehungen.

Aber es wäre falsch, große Flüchtlingsheime mit 100, 150 Menschen zu schaffen, wo wir doch überall, wie etwa in der medizinischen Versorgung, weggehen von den großen Burgen, von den großen zentralistischen Versorgungen. Wir haben bereits den Wert zum Beispiel von kleinen Schulstandorten erkannt und sehen, dass wesentlich mehr menschliches Feingefühl da ist, je kleiner die Einheiten sind. Ich hoffe, dass das jetzt mit dieser 15a-Vereinbarung, die der Herr Innenminister mit den Ländern ge­schlossen hat, weiterlebt, dass das wirklich ein Modell wird, dass man sagt: Länder und Gemeinden, Gemeinden und Städte, wenn wir das verteilen, dann haben wir diese Chance der Integration.

Bitte, so viele Menschen sind 16 000 nicht, es geht um nur 16 000 Menschen, und diese 16 000 Menschen (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus), Herr Gude-


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nus, vor denen Sie sich vielleicht fürchten, sind integrierbar, wenn wir die Städte und Gemeinden nicht überfordern. Wenn wir nach Bad Aussee 150 Leute schicken, dann kippt die Gemeinde auf Grund der Problemlage, aber wenn wir nach Bad Aussee fünf oder sechs oder einen Familienverband schicken, dann ist die Sache zu bewältigen. Und so können auch Ängste, die dabei entstehen, abgebaut werden.

Da müssen sich die Länder Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg allerdings mehr als an der Nase nehmen, um diesen Verpflichtungen nachzukommen. Ich bin neugierig. Des Ministers Wort steht, der Herr Minister hat öffentlich erklärt, ab 1. Mai, also in 14 Tagen, wird niemand mehr auf der Straße stehen. Ich bin neugierig darauf, was uns die Caritas und die Evangelische Diakonie am 2. und 3. Mai zu sagen haben.

Aber die Aktion, die Vorarlberg hier gestartet hat, meine Damen und Herren, auch wenn Sie heute in großer Mehrheit zustimmen, bezeichne ich nochmals als schäbige Aktion. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.28

 


Präsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat Schennach, ich muss Ihrer Erwartung tatsächlich entsprechen und Ihnen für die dreimalige Verwendung des Vorwurfes schä­bigsten Verhaltens einen Ordnungsruf erteilen.

Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Dr. Schnider.

 


18.28

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich bin Bundesrat Schennach wirk­lich dankbar, denn er hat mir einen Elfmeter aufgelegt. Dafür muss ich mich wirklich bedanken, denn er hat die Steiermark ausgelassen, und die Zahlen der Steiermark sind hochinteressant. Denn die Zahl der Steiermark – ich habe es jetzt nicht in Pro­zenten – ist, dass wir (Bundesrat Schennach: 12 Prozent minus!) – nein, das ist ein Irrtum – plus 705 zusätzlich an Unterbringungsplätzen aufbringen. Plus 705! Wir sind nach Niederösterreich die Zweiten. (Bundesrat Schennach – auf die Unterlagen ver­weisend –: Bundesministerium für Inneres! Im Innenausschuss verteilt! Minus 13 Pro­zent!) Ich habe auch die gleichen Unterlagen. Wir werden die Zahlen vergleichen. Die Steiermark war jedenfalls ausgelassen, und ich habe hier sehr positive Zahlen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Mit welchem Stichtag?) Wir werden die Zahlen miteinander vergleichen.

Noch ein Punkt, in dem ich Bundesrat Schennach zustimmen möchte. Ich halte es auch für äußerst wichtig, dass es zwischen Bund und Ländern wirklich zu einem Zu­sammenspiel kommt. Es kann nicht so sein, dass die Gesamtverantwortung beim Bund liegt und letztlich bei einem Ministerium. Deshalb glaube ich auch, dass diese Verein­barung wirklich zu begrüßen ist.

Es ist vorhin auch angesprochen worden, was die Caritas und die Diakonie sagen wer­den. Ich möchte mich hier beim Herrn Minister herzlich bedanken, weil er in seiner Dialogfähigkeit auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit einbezogen hat. – Ja, es haben manche darüber gejammert, weil es natürlich dadurch etwas schwieriger ist, wenn man alle Ebenen mit einbezieht. Aber ich habe von Seiten der Caritas einen sehr interessanten Entwurf, nämlich was Rahmenbedingungen betrifft, damit in einer Gemeinde jemand untergebracht wird. Und diese sechs Punkte – oder es sind hier sieben Punkte – halte ich für hochinteressant, nämlich genau diese Punkte, die vorhin angesprochen worden sind.

Wichtig ist Folgendes:

Erstens: Eine Betreuungsstruktur für die untergebrachten Asylwerber wird sicher­ge­stellt.


Bundesrat
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Zweitens: Strukturen für Informations-, Krisen- und Konfliktmanagement zwischen Be­treu­ungsorganisation und Gemeinde werden eingerichtet.

Drittens: Bei neu eingerichteten Quartieren übersteigt die Zahl der untergebrachten Asylwerberinnen und -werber im Regelfall 10 Prozent der Bevölkerung nicht.

Viertens: Es werden Regelungen gesucht, dass für Gemeinden keine übermäßigen Kosten für die Betreuung von Kindern und alten Menschen entstehen.

Fünftens: Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylwerber sollen zur Verfügung gestellt werden von Gemeinde, Betreuungsorganisationen und, und, und.

Sechstens: Hinsichtlich der An- und Abmeldung von Asylwerbern werden bei größeren Quartieren einfache Lösungen gesucht.

Der siebente Punkt ist, dass es wichtig ist, dass die Gemeinden ... – und da gibt es zwei unterschiedliche Versionen, nämlich die Version des Gemeindebundes und die Version der Caritas – zwischen diesen beiden wurde nämlich dieser Entwurf ausge­arbeitet –, dass natürlich der eine da mehr mitsprechen will und dort der andere.

Das, was ich im Prinzip hier wirklich positivst herausheben möchte, ist, dass der Herr Innenminister es sich nicht so einfach gemacht und gesagt hat: Okay, mit den Lan­deshauptleuten schließe ich eine Vereinbarung!, sondern er ist mit jenen ins Gespräch gekommen, die das wirklich vor Ort zu machen haben. Und hier muss man auch dazusagen: Ich glaube, dass bei diesen (Bundesrat Ing. Kampl: Der Bund zahlt, das Land zahlt, die Gemeinde! Wer wird zahlen?) – weil Sie das fragen – Standards auch drinnen steht, dass man darauf schaut, diese Kosten niedrig zu halten. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) Ich möchte hier nur ganz kurz auf die unterschiedlichen Ebenen hinweisen und das positiv herausstreichen.

Ich glaube, das könnte der Herr Minister wahrscheinlich auf Prozente genau sagen, ich kann es Ihnen jetzt auf den Punkt genau nicht sagen. Nur das, was ich mir herausgearbeitet und gehört habe, wird es zumindest ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Ja, aber man muss da auch etwas sagen: Ich glaube schon, dass es bei einer Solidargemeinschaft auch darauf ankommt, dass man miteinander für etwas aufkommt. Ich denke schon, dass das hier wesentlich dazugehört. Man kann nicht nur das Nette nehmen und das, was dann eben gewisse Kosten verursacht, nicht mehr akzeptieren.

Der letzte Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist: Ich glaube, es ist aber noch wichtiger, dass das Innenministerium eine sehr starke Koordinierungsaufgabe wahr­nimmt, das heißt, das, was man unter Management versteht. Und da, denke ich, ist es auch ganz wichtig, dass man auch die NGOs noch ein Stück mehr mit hereinnimmt, weil das wichtig ist, gerade was die Betreuung dieser Menschen betrifft.

Allerletzter Punkt: So gut wir das hier in Österreich machen, so gut werden es auch die anderen in Europa machen, vor allem diejenigen, die am 1. Mai dazukommen. Und wir können nur etwas fordern, wenn wir es auch selbst sehr gut leisten und machen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.34

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Strasser das Wort.

 


18.34

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Zuerst möchte ich mich in aller Form für das Verständnis bedanken und dafür, dass es mir ausnahmsweise gestattet ist, nicht die gesamte Debatte zu verfolgen, da ich zehn Minister als Gäste habe. Ich möchte das ausdrücklich dankbar anmerken.


Bundesrat
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Ich möchte Herrn Professor Konecny etwas freundschaftlich sagen: Ich bin ja sehr froh, dass hie und da Frau Bundesrat Roth auch zu den Mitgliedern des Bundesrates etwas strenger ist, wie ich das zuerst hören konnte, denn ich war lange Zeit Klubobmann im Landtagsklub Niederösterreich, wo die damalige Frau Landtagsabgeordnete Roth gesessen ist, und ich darf Ihnen versichern: Sie war zu mir wesentlich strenger, als sie heute zu Ihnen war, Herr Professor. Das ist schon die gemilderte Form.

Ein zweites Dankeschön, das ich wirklich auch ehrlichen Herzens hier anbringen möchte, gilt der großen Oppositionspartei. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die große Oppositionspartei im Plenum des Nationalrates – und wie ich gehört habe, ist es auch hier im Plenum des Bundesrates vorgesehen – die Zustimmung zu einer Regierungsvorlage gibt. Ich möchte auch sagen – und ich möchte das auch hier, so wie ich das im Nationalrat gesagt habe, dankbar anmerken –, dass einige sehr interessante und gute Vorschläge von den Mitgliedern der sozialdemokratischen Fraktion im Innenausschuss gekommen sind, die wir nach Diskussion aufgenommen haben. Ich bedanke mich in aller Form dafür, dass hier ein gemeinsames Vorgehen möglich ist.

Umso mehr bedauere ich, dass die Kollegen von den Grünen ihre Zustimmung nicht geben können – noch dazu mit dieser Begründung! –, denn, Herr Bundesrat Schen­nach, der individuelle Rechtsanspruch besteht! Er besteht, und zwar dort, wo er nach der EU-Richtlinie, die der österreichische Innenminister mitbeschlossen hat, die das österreichische Parlament auch abgesegnet hat, ab 6.2.2005 hingehört. Es ist unmög­lich, dass man in einem Vertrag zwischen zwei – zwei Gebietskörperschaften in die­sem Fall, nämlich Bund und Länder – irgendeinen Rechtsanspruch für Dritte begrün­den kann. Das ist nicht möglich, das liegt auch nicht in der Natur des Gesetzes. Daher tut es mir Leid, dass aus diesem Grund, der noch dazu fachlich nicht okay ist, die Zustimmung nicht gegeben werden kann.

Es geht ein drittes Dankeschön – und ich möchte das ausdrücklich sagen – an die Gemeinden Österreichs, denn die Gemeinden Österreichs haben es zustande ge­bracht, dass die Zahl der Betreuungsplätze von 2 300 im Februar 2000, als ich das Innenministerium übernommen habe, auf heute 10 900 Betreuungsplätze gestiegen ist. Ja wer hat denn diese Betreuungsplätze geschaffen? Wer hat denn das gemacht? – Es waren vor allem die Gemeinden, es waren vor allem die Bürgermeister, es waren vor allem die Gemeinderäte Österreichs – und ich sage das durchgehend, egal, ob Schwarze, Blaue, Rote oder auch Grüne.

Da hat es viele Bemühungen gegeben, und es ist auf Grund der Initiative der öster­reichischen Bürgermeister möglich geworden, dass wir innerhalb von drei bis vier Jahren die Zahl der Betreuungsplätze verfünffacht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! Und ich halte es für mehr als entbehrlich – für mehr als entbehrlich! –, dass in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Bürgermeister hingehackt wird. Sie haben unser Dankeschön verdient, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht ein Hinhacken – egal, von welcher Fraktion sie kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und ich sage das auch sehr klar und sehr offen: Jawohl, mein Wort gilt – und nicht erst ab 1. Mai, Herr Bundesrat Schennach, seit dem 19. Dezember 2003 gilt es! Für jedes Quartier, das zur Verfügung steht, wird die finanzielle Unterstützung gegeben, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. (Bundesrat Schennach: Lügt Herr Landau?) – Bei Kirchenmännern traue ich mir nicht zu sagen, ob jemand die Wahrheit sagt, das muss er mit seinem lieben Gott ausmachen, der liebe Michael. Ich darf das auch in aller Deutlichkeit festhalten. (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
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Solche Gewissensfragen, lieber Herr Bundesrat Schennach, sollten wir hier nicht diskutieren.

Also: Mein Wort gilt seit 19. Dezember und nicht erst seit 1. Mai! Jedes Quartier, das zur Verfügung steht, wird finanziert, wenn es die Voraussetzungen erfüllt.

Zweitens: Es ist dankbar anzumerken, dass zwei Bundesländer die Last tragen: Wien und Niederösterreich. Es ist schon okay, dass die Steirer ihre Landesbetreuung mit einrechnen, aber nach der Bundesbetreuung gilt das nicht, lieber Herr Bundesrat. Das muss ich auch in aller Deutlichkeit sagen. Wien und Niederösterreich tragen hier die Hauptlast.

Aber: Jede Diskussion, wie sie gerade auch wieder in den Tagen vor Ostern geführt worden ist, wird dazu führen, dass die Situation schwieriger wird. Man muss das sehr klar sagen, und ich stehe auch überhaupt nicht an, das klar zu sagen: Wenn es keine Quartiere gibt, dann können wir auch keine Asylwerber unterbringen. Das ist so logisch wie das Amen im Gebet. Es ist nicht möglich, die österreichische Gesellschaft zu überfordern! (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) Es ist nicht möglich, hier her­zugehen und irgendwo in Hohen Häusern oder sonstwo von feinen Schreibtischen aus und aus der gesicherten feinen Wohnung heraus zu sagen: Ihr Landbürgermeister oder auch der Stadtbürgermeister, jetzt stellt doch gefälligst die Quartiere zur Verfügung!

Da geht es doch darum, dass ein vernünftiges Zusammenleben ermöglicht wird. Und da geht es darum – und das ist mein eindringlicher Appell; nicht in diesem Kreis, weil ich da sehr, sehr viel Verständnis durch alle Fraktionen habe, aber bei manchen, die sich da zu Wort melden –, dass wir mit Hausverstand und mit Einfühlungsvermögen und Bedacht darauf nehmend, dass wir die Sorgen der Bevölkerung nicht über­strapazieren, auch vernünftig in der Öffentlichkeit kommunizieren.

Sie werden den Innenminister immer auf der Seite derer finden, die dafür sorgen, dass hier mit Hausverstand und mit Geradlinigkeit vorgegangen wird. Die Verfünffachung der Betreuungsstellen steht für sich allein, und es sei allen sehr herzlich gedankt, die hier mitgeholfen haben.

18.41

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Professor Konecny. – Bitte sehr.

 


18.42

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist eine schwierige Entscheidung gewesen für unsere Freunde im Nationalrat und für uns im Bundesrat, hier ja zu sagen. Kollege Schennach hat – ein bisschen polemisch, aber warum denn nicht? – eine Antwort darauf eingemahnt.

Es ist nicht so, dass die beiden Vorlagen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, sozialdemokratische Handschrift tragen würden. Nein, das ist es nicht. Aber es ist so, dass wir es hier mit zwei Vorlagen zu tun haben, die gegenüber einer schikanösen – das kann man im Fall des Bundesbetreuungsgesetzes durchaus sagen – Situation einen deutlichen Fortschritt bringen. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat haben im Ausschuss die Initiative ergriffen und haben dafür auch die Zustimmung ge­funden; gar keine Frage, sonst hätte es keinen Beschluss gegeben. Und in Abwägung dessen, dass es Verbesserungen gibt – der Entfall der wirklich schikanösen Bestim­mungen über den Ausschluss aus der Bundesbetreuung, die neuen Möglichkeiten, nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz beschäftigt zu werden, ja auch und insbe­sondere den Rechtsanspruch –, haben wir uns entschieden, ja zu sagen und damit auch eine Bereitschaft zu bekunden, nämlich die Bereitschaft, die Bewältigung dieser Aufgabe als jene nationale Aufgabe zu verstehen, die es einfach ist.


Bundesrat
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Es kommt ja nicht oft vor, Herr Bundesminister, dass ich mich Ihren Worten an­schließe. (Heiterkeit.) Aber wenn es so ist, dann soll man nicht deshalb, weil es so ungewohnt ist, davor zurückschrecken.

Gar keine Frage: Wir sind es – und das „wir“ gilt jetzt natürlich für den Bundesminister; er ist letztlich auch die Symbolfigur in diesem Bereich; nicht nur positiv, aber auch; es gilt aber genauso für politische Parteien, für öffentliche Mandatare –, wir sind es, die um das Verständnis für die Erfüllung dieser Aufgabe werben müssen. Das ist eine teuflische Aufgabe, denn wenn man in einen Ort geht und dort mit Mandataren und Menschen darüber spricht, dass es doch möglich sein muss – Kollege Schennach hat da Zahlen ausgerechnet –, die vier oder fünf Flüchtlinge, das heißt in Wirklichkeit eine Familie mit irgendeinem Cousin dazu, unterzubringen, kriegt man aus der bisherigen Erfahrung heraus eine gar nicht so falsche skeptische Antwort. Die sagen: Ja, aber wir sind eine von den wenigen Gemeinden, wo die fünf sind, und fünf reichen nur dann, wenn jede Gemeinde fünf nimmt. Und wenn wir jetzt sagen: fünf, dann haben wir 50.

Das ist technisch so nicht richtig, aber es ist ein völlig verständliches Argument. Und die Klagelieder des Bürgermeisters von Traiskirchen in rhythmischen Abständen, weil der Überbelag wieder einmal über das, woran sich ohnehin schon jeder gewöhnt hat, steigt, oder wenn sich die aus der Bundesbetreuung Entlassenen halt irgendwo im Ort aufhalten, weil sie irgendwo physisch sein müssen – das sind Zustände, die jeden, der vielleicht guten Willen zeigt, wirklich abschrecken.

Unsere Zustimmung ist auch zu verstehen als ein Beitrag, etwas nicht – und da könnte man vieles sagen – kontrovers zu diskutieren, sondern auf das Element zu setzen, dass wir nicht zu viel kontrovers diskutieren sollten, weil wir damit auch die Zielgruppe, nämlich jene, die wir um ihre Mithilfe als Gemeindemandatare bitten, kopfscheu ma­chen. Ich sage das jetzt nur im Stenographen-Tempo. (In Richtung der Steno­gra­phin:) Nein, Sie schaffen viel mehr als das, was ich jetzt sage, vom Tempo; schon klar.

Aber: 60 : 40 ist eine Vereinbarung, logisch nachvollziehbar ist es für mich nicht wirk­lich. Gut verhandelt, Herr Minister, aber logisch nachvollziehbar ist es nicht. Und ich sage auch ganz ehrlich, das ist offensichtlich auch von Seiten der Länder die Bereit­schaft, einen Beitrag zu leisten im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Aufgabe zu be­wältigen.

Es gibt andere Bestimmungen, sowohl in der Vereinbarung als auch im Gesetz. (Bun­desminister Dr. Strasser ist im Begriff, die Regierungsbank zu verlassen.) – Herr Minister, ich weiß! Lassen Sie Ihre Gäste schön grüßen!

Es gibt vieles, worüber man debattieren könnte. Im formalen Bereich ist der Einwand des Landes Vorarlberg nicht absurd. Es ist halt nur so, dass, wie Kollege Schennach so richtig ausgeführt hat, wenn man selbst der größte Sünder in diesem Bereich ist, die formale Argumentation viel an Glaubwürdigkeit verliert, wenn man sie einsetzt.

Aber wie gesagt: Diese Debatte ist zu führen, aber vorrangig – und das erklärt unsere Zustimmung – ist das Herangehen mit ein bisschen besseren, neuen Instrumenten, wenn auch nicht idealen Instrumenten, an die Bewältigung der Aufgabe. Und ich sage sehr ehrlich – es ist sich halt nicht ausgegangen, solange der Herr Minister da war; man wird es ihm ausrichten –, dass mich die Auseinandersetzung in Wien nicht nur, auch wenn das ein ganz gewichtiges Argument ist, der Asylwerber wegen, die sich da anhand von Stadtplänen von der einen zur anderen Dienststelle durchhanteln, er­schreckt, sondern auch deshalb, weil es hier in Wirklichkeit eine Warnung gibt, die der Herr Bundesminister zu verantworten hat: Kümmere dich nicht um Asylanten, du kannst nur einfahren!


Bundesrat
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Die Caritas und die anderen Einrichtungen haben keine verfassungsrechtliche Ver­pflichtung, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Sie sind mit Engagement in diese Auf­gabe eingestiegen. Aber jetzt vom Herrn Minister zu Schurken erklärt zu werden, die unmenschlich mit den Asylanten umgehen, weil sie keine Quartiere mehr aufstellen können, das ist eigentlich eine Warnung an alle Gutwilligen: Lass’ dich nicht darauf ein, du zahlst in jeder Hinsicht nur drauf! – Und das ist kein gutes Signal.

Wir haben es mit einem Problem zu tun, das uns noch lange beschäftigen wird. Das ist damit weder auf der legistischen Ebene noch auf der Durchführungsebene abgeschlos­sen. Die meisten von uns treten dafür ein, dass wir hier zu europäischen Regelungen kommen, weil die Bundesländerquoten innerhalb Österreichs – mit Recht wurde ihre Erfüllung vom Kollegen Schennach eingemahnt – natürlich auch nur ein Teilstück der Problemstellung sind. Die Staaten, die eine leicht zugängliche Küste haben, oder die Staaten, die geographisch näher an den Zentren der gut verständlichen Fluchtbewe­gungen liegen, kommen halt mehr dran.

Eine Frage der Solidarität in Europa ist es auch, dass Irland mit seiner eher unwirt­lichen Küste und weit weg von Tschetschenien oder was auch immer vielleicht auch einen entsprechenden Anteil von Flüchtlingen übernehmen muss.

Wir müssen gemeinsame Kriterien entwickeln, wir müssen gemeinsame Standards entwickeln, erstens der Fairness wegen, aber auch, um zu vermeiden, dass ein Menü entsteht, aus dem man sich das Schmackhafteste aussuchen kann. Das ist natur­gemäß nicht Gegenstand der nationalen Gesetzgebung, aber es ist etwas, was wir von unserem gemeinsamen Dach, der Europäischen Union, erwarten können.

Ich appelliere nicht an den Kollegen Schennach und die Grünen, es uns gleichzutun und zuzustimmen. Man kann es sozusagen genauso gut ablehnen mit sachlichen Begründungen. Aber was wir gemeinsam setzen sollten, alle vier Parteien in diesem Haus, ist ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass hier gemeinsames, zielgerich­te­tes, menschliches Handeln notwendig ist, und insbesondere solidarisches Handeln, das die Probleme, die die Aufnahme dieser Menschen bringt, nicht auf einige wenige Gemeinden und einige wenige Bundesländer konzentriert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.52

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


18.52

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Die Vertretung des Herrn Ministers! Kollegen und Kolleginnen! Die Österreicherinnen und Österreicher sind bereit, Leistungen für wirklich Verfolgte zu erbringen. Das haben wir in den letzten 50 Jahren wirklich sehr oft bewiesen. Besonders möchte ich an die Ungarn-Flüchtlinge erinnern und an das Polenlager in Götzendorf, wo jeweils Tausende aus politischen Gründen geflohene Personen Aufnahme fanden, zum Teil hier blieben, weiterwan­der­ten oder, als sich die Situation wieder beruhigt hatte, in ihr Heimatland zurückgekehrt sind.

Wir müssen davon ausgehen, dass sich rund 16 000 Personen in Bundesbetreuung befinden. Das sind etwa siebenmal so viele, wie das im Jahr 2000 der Fall war.

Mit dieser Asylgesetznovelle und mit dieser Bundesbetreuungsvereinbarung ist drei Parteien ein wichtiger Schritt gelungen, und zwar:

erstens für die Hilfe für die Familienangehörigen und die Familienzusammenführung.


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Weiters wird diese heutige Grundversorgungsvereinbarung in Österreich künftig einheitlich normiert sein. Ich glaube, das ist sehr wichtig, dass es einheitlich ist, damit gewisse Grundsätze und Standards der Betreuung dargestellt werden können.

Drittens ist eine gezielte Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe in diesem Gesetz mit inkludiert. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass eine Rückkehrberatung und eine Rückkehrhilfe angeboten wird. Es geht nicht an, dass Österreich einerseits Entwicklungshilfe zahlt und andererseits unter Umständen auf Dauer Nutzen aus der Intelligenz und aus den Fähigkeiten der hierher als Asylanten Gekommenen zieht. Es muss diesen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, wieder nach Hause zu gehen, zu Hause ihre Fähigkeiten einzusetzen, ihr Können einzusetzen für ihr Volk, für ihren Staat.

Wichtig ist auch, dass Asylwerber innerhalb von 72 Stunden erfahren müssen, ob ihr Verfahren zulässig ist oder nicht.

Ein weiterer Vorteil des Gesetzes, das am 1. Mai in Kraft tritt, ist natürlich, dass un­zulässige Asylanträge wegen Drittstaatensicherheit sofort geregelt werden können. Das heißt, dass diese Personen, nachdem das geprüft wird, sofort wieder in sichere Dritt­staaten rund um Österreich abgeschoben werden.

Ich weiß schon, Österreich ist nicht nur für Urlauber schön. Es hat sich herum­gesprochen, dass es für viele noch immer lukrativer ist, in Österreich mit seinen hohen Standards an Asylbetreuung – gegenüber anderen Staaten; auch wenn wir es heute mancherorts beklagen, dass diese Standards nicht so hoch sind – betreut zu werden, als in anderen Staaten. Aber wir müssen auf diese Regelung achten.

Kollege Schennach! Wir werden uns da vielleicht nicht einigen, aber lassen wir doch einige Differenzen in unseren politischen Ansichten durchblicken, wenn wir uns auch sonst persönlich sehr gut verstehen. (Bundesrat Schennach: Na hoffentlich gibt es Differenzen in diesen Fragen!)

Durch diese rasche Überprüfung und sofortige Rückweisungsmöglichkeiten ist na­türlich eine merkbare Entlastung einerseits der Kosten hierzulande, aber auch – und das sei schon klar gesagt – hinsichtlich gewisser Kriminaldelikte in Österreich gege­ben. Es ist ja nicht so, dass jene, die hierher kommen, sich alle mit einem Heiligen­schein in Österreich aufhalten wollen. Der eine oder andere, und sei es nur die große Versuchung der Mariahilfer Straße oder einer anderen Hauptstraße in österreichischen Betreuungsstädten, verfällt dann eben einer – nennen wir es einmal so – beginnenden Kleinkriminalität.

Dem einen oder anderen müsste man den Heiligenschein total abmontieren; er ist vielleicht ein Großkrimineller. Wenn ich daran denke, was sich derzeit in Österreich an Kriminalität tut, an Bankraub, an verschiedensten Einbruchsdiebstählen auch mit Kör­perverletzung: Ich behaupte nicht, dass es immer Asylwerber sind, aber es ist nicht auszuschließen, dass diese es sind.

Daher ist es wichtig, dass die Zahl derer, die hier in Österreich sind, gering ist; damit ist auch die Zahl jener, die straffällig werden, geringer.

Ich möchte nur noch eine Zahl in Erinnerung bringen. In österreichischen Gefäng­nissen sitzen rund 8 000 Personen ein; davon sind 3 000 Ausländer. Ich weiß, es sind das nicht alles Asylwerber, aber die Zahl ist doch markant, denn wir gehen davon aus, dass nicht schon 40 Prozent Ausländer in Österreich sind. Die sind zum Glück in einer geringeren Zahl.

Ein weiterer Vorteil dieses Gesetzes liegt in einer seriösen Fremdenpolitik, und diese beinhaltet die Vereinbarung bezüglich einer verbindlichen Finanzierung der Versorgung


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von Asylanten. Bislang war das eher einer Möglichkeit überlassen und nicht einem Muss. Jetzt werden wir es haben, und jetzt lässt es sich kalkulieren. Und weil immer nur von wenigen Euro die Rede ist, Kollegen und Kolleginnen: Rund 8 000 € pro Person werden aufgewendet werden müssen. Die größte Gruppe sind natürlich die 9 000 Asylwerber. Bei 4 000 weiteren ist es unmöglich, sie abzuschieben.

Was heißt „unmöglich, sie abzuschieben“? – Das sind oftmals jene, die keine Papiere haben, die ihre Papiere bewusst nicht mehr haben, die vielleicht bewusst nicht mehr wissen wollen, wie sie wirklich heißen. Es gibt vielleicht einige wenige, die wirklich aus Umständen kommen, in die eine Abschiebung nicht tunlich erscheint. Aber wenn ich hier etwas drastischer formuliere, tue ich dies auch deshalb, weil wir hier nicht nur stehen als der geborene Albert Schweitzer oder Pestalozzi – beides bekannte Schwei­zer –, sondern weil wir auch den österreichischen Steuerzahler zu vertreten haben, der all dies zu bezahlen hat.

Wir gehen von der Grundannahme aus, dass 16 000 durchgehend Betreute hier im Land bleiben werden. Die jährlichen Grundversorgungskosten werden mit 125 Mil­lionen € angegeben. Dazu wird der Bund mit seinen 60 Prozent über 75 Millionen € zahlen – das ist immerhin mehr als 1 Milliarde Schilling, das wollen wir uns doch in Erinnerung rufen! –, und die Länder, für die wir hier auch stehen, werden 50 Millionen € zahlen.

Ein vielleicht etwas drastisches Wort eines vor vielen, vielen Jahren eingebürgerten Türken, der mir das am Naschmarkt in einem sehr guten Wienerisch gesagt hat, lautet: Wir – er sprach von „wir“ als Österreicher – müssen unsere Volkswirtschaft gesund halten. Das gelingt uns aber nur dann, wenn die Sozialbeiträge und Steuern nicht zur Versorgung von Scheinasylanten und immigrierenden Abzockern jeglicher Genese verschwendet werden. Wenn ich schon die österreichische Staatsbürgerschaft habe, möchte ich auch gerne – und jetzt werde ich sehr parteipolitisch – die FPÖ wählen. Es sind schon zu viele Ausländer in Österreich! – Das hat mir dieser in meinen Augen sehr vernünftige Türke gesagt. (Zwischenruf bei den Grünen.) Vielleicht ist er in Ihrem Sinne deshalb nicht vernünftig, weil er vielleicht eine andere Partei hätte nennen sollen. Nein, ich bleibe dabei, er hat das mir gegenüber gesagt, und ich bin überzeugt davon, dass er keinen Grund hatte, mich anzulügen. Ich gehe sehr selten auf den Naschmarkt, ich bin dort kein Stammkunde.

Natürlich ist Menschlichkeit besonders wichtig, und da haben wir einen Punkt, der heute noch gar nicht zur Sprache gekommen ist. Es stellt sich nämlich die Frage: Wo bringt man diese Asylanten unter? Die katholische Kirche oder überhaupt die Kirchen Österreichs haben viel dazu beigetragen. Aber die Kirche sind nicht die Klöster. Die Klöster sind eigene Wirtschaftskörper. Mir hat bis jetzt noch niemand gesagt, dass die großen Klöster Österreichs an Überfüllung durch Novizen und Novizinnen leiden – eher das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht kann man die oft sehr gut eingerichteten histo­rischen Gemäuer in diesem Sinne zum neuen Leben erwecken, nicht nur deshalb, weil dort Flüchtlinge betreut werden können, sondern auch deswegen, weil sie vielleicht in meinem Sinne, aber vielleicht auch in unserem Sinne die Idee des christlichen Abend­landes eher „inhalieren“ und sich damit leichter integrieren lassen.

Die Gemeinden, haben wir gehört, sind die Träger der Betreuungsplätze. Wir haben schon festgestellt, dass die eine oder andere Bürgermeisterwahl – jetzt gerade im Salz­burgischen – auf Grund der praktizierten Asylbetreuung zum Nachteil eines Bür­germeisters mit weich gewordenem Herzen ausgegangen ist und er jetzt nur noch Vizebürgermeister ist. Ich denke da an meinen Freund aus Bad Gastein, der heute nicht mehr bei uns weilt. Ja, so geht es einem, wenn man ein großes Herz hat: Man wird vielleicht nicht mehr gewählt! Ich verstehe es, dass man auch aus diesen Gründen die eine oder andere restriktive Ader hat.


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Schlussendlich hören wir, dass auch Kasernen wiederum ins Gespräch kommen – jawohl, Kasernen, bevor sie abgerissen werden, bevor sie einer anderen Nutzung unterzogen werden. Sie sind Einrichtungen, die zur Unterbringung von Menschen geeignet sind. Sie haben die notwendige Infrastruktur, sie haben die entsprechenden Kücheneinrichtungen, es ist sehr viel vorhanden, was für die derartige Nutzung einer Kaserne, die nicht mehr militärisch genützt werden soll – aus welchen Gründen immer, das steht heute nicht zur Debatte –, spricht.

Nicht zuletzt wollen wir an den österreichischen Steuerzahler denken und diesem auch danken, denn der österreichische Steuerzahler hat ja sehr viel auf sich zu nehmen. Er hat nicht nur 350 000 Arbeitslose mit seinem Steuergeld zu versorgen, sondern er hat, wie wir heute mit diesem Gesetz gemeinsam festlegen wollen, auch Asylanten zu versorgen.

Dem Innenminister – ich beklage es, dass er nicht mehr da ist – ist mit Hilfe des Koalitionspartners und der Sozialdemokraten ein brauchbares Gesetz gelungen. Über die Kosten, die dadurch auf uns zukommen werden, brauchen wir uns nicht zu freuen, aber das ist bei Kosten halt immer der Fall. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.05

 


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Konrad das Wort.

 


19.05

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Vereinbarung ist sicher ein erster Schritt hin zu einer Humanisierung in der österreichischen Asylpolitik. Es gibt eine ganze Reihe von positiven Merkmalen, zum Beispiel eine Vereinheitlichung der Gewährleistung der Grundversorgung in ganz Österreich oder auch die regionale Ausgewogenheit. Es gibt auch mehr Rechtssicherheit als vorher für betroffene hilfs- und unterstützungs­bedürf­ti­ge Menschen, auch wenn der Rechtsanspruch nach wie vor nicht festgeschrieben ist.

Diese positiven Punkte der Vereinbarung können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das bisher bestehende Bundesbetreuungsgesetz schon von vornherein in weiten Teilen einer humanen Flüchtlingspolitik widerspricht. Wie gesagt, diese Vereinbarung ist ein erster, aber eben nur ein erster Schritt. Es gibt viele weitere Verbesserungs­notwendigkeiten, was auch die Stellungnahmen der Diakonie, der Caritas, der Asyl­koordination und des UNHCR zeigen. Die vorliegenden Verbesserungen gehen leider nicht weit genug.

Konkret gibt es folgende Kritikpunkte: Auch mit dieser Vereinbarung besteht nach wie vor kein Rechtsanspruch. Nun ist die Vereinbarung natürlich nicht der Ort, wo man juristisch diesen Rechtsanspruch festschreibt, er besteht aber nicht, und es wäre nötig, diesen endlich irgendwo festzuschreiben – etwas, was auch der OGH schon ange­merkt hat. Weil die Unterstützung von anderen Personen und Einrichtungen in diesem Bereich sehr wichtig ist und oft große Lücken abgedeckt hat, heißt das nicht, dass sich der Staat mit dem Hinweis darauf, dass andere das erledigen, der Verpflichtung ent­ziehen darf, wie es bisher oft passiert ist. Diese Organisationen schreiten ja genau deshalb ein, weil durch das Nicht-Handeln des Staates eine Notwendigkeit in diese Richtung entstanden ist. Dieser Zirkelschluss ist auf jeden Fall unzulässig.

Eine positive Änderung ist die Einführung von Sonderbestimmungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Da gäbe es eine sehr wichtige Anregung: Diese Flüchtlinge müssten auf jeden Fall sofort nach ihrer Ankunft von qualifizierten Fachkräften betreut werden. Ebenfalls wäre eine psychologische Betreuung nötig für traumatisierte Per­sonen, für Opfer von Folterung oder Vergewaltigung und allgemeiner Gewalt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Bei der Unterbringung müssen auch die besonderen Ansprüche von besonders schutz­bedürftigen Menschen, wie zum Beispiel schwangeren Frauen oder älteren Personen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Behinderungen ohne direkten Pflege­be­darf auch beachtet werden.

Was mir nicht ganz verständlich ist, ist, wieso mittels Sonderbestimmung bei Mas­senfluchtbewegungen die Grundversorgung eingeschränkt wird. An und für sich wäre sie wohl in diesem Fall eher auszuweiten, denn in diesem Fall hat ein Großteil der Betroffenen Flüchtlingseigenschaften nach der Genfer Konvention.

Der angegebene Betreuungsschlüssel von 1 zu 170 ist auf jeden Fall unvertretbar niedrig, und auch die Kostensätze, die für private Unterbringung genannt werden, sind zu niedrig. Ich glaube, für dieses Geld kann man sich, zumindest meines Wissens, in Österreich fast nirgends eine private Unterkunft leisten. Dabei könnte aber gerade eine Unterbringung in Privatunterkünften in kleineren Gruppen die Integration beschleuni­gen. Die Frage ist, ob das gewollt ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der bisherigen Missstände und der Tatsache, dass das vorliegende Papier diese nicht vollständig beseitigt, werden wir nicht zustimmen. Es ist schade, dass der Herr Minister schon weg ist, denn eines wollte ich ihm schon noch gerne sagen: Wenn er meint, man müsse die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen, dann erwarte ich mir von den Regierungsparteien, dass sie endlich aufhören, Ängste zu schüren. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Wenn der Herr Gudenus jetzt zum ich weiß nicht wie vielten Male wieder Flüchtlinge, Ausländer, Migranten und Kriminalität in selbem Atemzug nennt und dann wieder sagt, natürlich seien nicht alle kriminell, dann frage ich mich: Warum erwähnen Sie es jedes Mal? Das ist unverantwortlich, das heißt, Ängste zu schüren, und dann kann man sich nicht darauf ausreden, dass man diese und jene Maßnahme nicht treffen kann, weil ja noch so viele Ängste in der Bevölkerung bestünden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Zusammenfassend muss ich sagen: Ein offenes und solidarisches Klima in Österreich wäre nicht nur in der Integrationspolitik hilfreich. Ich würde mir wünschen, dass einige Äußerungen, die in diese Richtung gehen, einmal ein bisschen überdacht würden, auch im Hinblick darauf, dass das Menschen sind, die Hilfe brauchen, und nicht unbedingt Menschen, die eine Gefahr darstellen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.09

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Herta Wimmler. Ich erteile ihr das Wort.

 


19.09

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitar­beiter des Innenministeriums! Nach intensiven Verhandlungen ist es unserer Bundes­regierung nun gelungen, diese Vereinbarung zwischen Bund und Land zustande kommen zu lassen. Sie tritt zwar erst mit 1. Mai 2004 in Kraft, aber dort, wo dringender Handlungsbedarf bestand, wurde sie schon jetzt angewendet. Sie umfasst das Recht auf Grundversorgung und stellt somit eine deutliche Verbesserung für alle Asyl­werberinnen, Asylwerber und Asylberechtigte dar.

Endlich hat der Kompetenzstreit zwischen Bund und Land ein Ende, und der Auftei­lungsschlüssel ist, denke ich, gerecht. Die Grundversorgung umfasst neben Unterbrin­gung, Verpflegung, Gesundheitsvorsorge, Bekleidung, sämtlichen Mitteln die Schule betreffend auch das Taschengeld. Ich denke, manch österreichische Familie wäre froh, wenn sie diese Grundversorgung immer und täglich hätte.


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Wie aus der Statistik zu ersehen ist, verdoppelte sich die Zahl der Einbürgerungen, wobei unter den Herkunftsländern die Türkei den größten Anteil stellt. Fast 45 000 Menschen haben im Jahre 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten; das sind mehr als 6 Prozent der in Österreich lebenden ausländischen Bevölkerung. Unter dem Titel „Erstreckung und Verleihung“ wurden fast 22 000 Ehegattinnen, Ehegatten und Kinder eingebürgert.

Ich möchte ein Beispiel aus meiner Heimatstadt bringen, einer Industriestadt mit 23 000 Einwohnern. Wir haben in dieser Stadt eine Siedlung von Sudetendeutschen noch aus der Nachkriegszeit, 1956 hatten wir ein großes Barackenlager für Flüchtlinge aus Ungarn, und derzeit haben wir ein Integrationshaus mit hundert Familien. Es ist so, dass es natürlich auch Schwierigkeiten in der Schule gibt. Ich stelle das bei uns be­sonders fest: Jeden Monat treten Kinder, die überhaupt kein Deutsch können, in die Schule ein, und die Lehrer haben mit jenen Kindern zu tun, die schon etwas Deutsch können. Das geht eben zurück auf die Erstreckung und Verleihung und den Zuzug von Familienangehörigen.

Diese familien- und menschenfreundliche Maßnahme, die natürlich absolut wichtig ist, bringt natürlich auch arge Probleme in den Gemeinden mit sich. Wir haben zum Beispiel in dem Integrationshaus derzeit 40 Schüler und Schülerinnen; im nächsten Jahr wird es sieben Schulanfänger geben. Das ist ein großes Problem. Sie sind zwar verteilt auf alle Schulen, aber das bedeutet ganz sicher auch für die Gemeinde große Belastungen.

Trotzdem stehen wir zu diesen Maßnahmen, und Gott sei Dank gibt es viele Bürger­meisterinnen und Bürgermeister, die trotz Schwierigkeiten mithelfen, die Probleme der Asylwerber und Asylberechtigten zu bewältigen. Das geht aber nur im Zusam­menwirken mit der Bevölkerung, wobei viele behutsame Gespräche und Aufklärungen notwendig sind. Dauernde Pressemeldungen, was alles noch zu tun ist, verunsichern die Menschen in unserem Lande sehr, schüren unqualifizierten Hass und den Wider­stand gegen die Aufnahme in einer Gemeinde.

Auf der anderen Seite bereiten mir aber jene Pflegeheimbetreiber Sorgen, die die gesetzlichen Aufgaben derzeit nicht erfüllen oder nicht erfüllen wollen und glauben, dass durch die Umfunktionierung eines Pflegeheimes in ein Asylantenheim ihre Prob­leme gelöst sind. In einer Zeit, in der Pflegeheime mehr denn je gebraucht werden, können wir es uns nicht leisten, dass dies zur Regel wird. Außerdem haben Asylwerber und -berechtigte genauso das Recht auf menschenwürdige Unterbringung. Seitens der Gemeinden und der Behörden ist darauf zu achten, dass hier wirklich alles rechtens vonstatten geht.

So ist auch dafür zu sorgen, dass jene Menschen, die keiner Arbeit nachgehen dürfen, durch sinnvolle Freizeitgestaltung ins Gemeinwesen eingegliedert werden, denn nichts schürt so sehr den Hass als Asylwerber, die tagsüber an jeder Ecke herumstehen müssen. Weiters muss genügend Betreuungspersonal mit Sprachkenntnissen vorhan­den sein, das die Asylwerber beim Besuch von Ärzten, Zahnärzten und Behörden be­glei­ten kann. Ich habe vor kurzem erst erlebt, dass eine Tschetschenin, die kein Wort Deutsch sprechen konnte, zu einem Zahnarzt gehen musste und dieser sich natürlich sehr schwer getan hat, festzustellen, was ihr wirklich fehlt.

Um diese Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einhalten zu können, ist es unbedingt notwendig, die Quoten in den einzelnen Bundesländern zu erfüllen. Es ist nicht einzusehen, dass es Bundesländer gibt, die ihre Quote übererfüllen, und dass andere Bundesländer wieder mit ihrem Beitrag weit unter der vorgeschriebenen Quote liegen. Das Ost-West-Gefälle muss ausgeglichen werden.


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Jene Vereine, die, wie Kollege Schennach gesagt hat, immer wieder aufschreien und Forderungen stellen, möchte ich bitten, Sorge zu tragen, dass mehr Asylwerber aufgenommen werden, wenn es anders nicht mehr möglich ist.

Ich persönlich werde aber die blau-rote Regierung in Kärnten genau beobachten, ins­besondere Sie von der großen Oppositionspartei, und schauen, inwieweit Sie die Quote in Kärnten erfüllen können.

Ich persönlich bin froh, dass diese Vereinbarung zustande gekommen ist. Dass gerade die Grünen bei diesem Gesetz nicht mitgehen, tut mir Leid, weil auch sie daran interessiert sind, dass kein Mensch auf der Straße zu sein braucht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.16

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Hagen. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.16

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Es sind zwar sehr viele gute Dinge in diesem Gesetz enthalten, aber ich kann diesem Gesetz trotzdem nicht zustimmen beziehungsweise werde diesem Gesetz die Zustimmung verweigern – aber aus anderen Gründen als Herr Kollege Schennach oder Frau Konrad. Lassen Sie mich das ganz kurz erklären.

Sie wissen, dass Vorarlberg bei der Erfüllung der Quote säumig ist, aber Fakt ist, dass keine Unterkünfte zur Verfügung stehen oder zu finden sind. Ich frage Sie: Wo sollen wir diese Leute unterbringen? Es sind 350 Leute, die jetzt zusätzlich kommen sollen, aber wir haben keine Möglichkeit, diese unterzubringen. Der Sicherheitslandesrat Schwärzler von der ÖVP hat gewarnt und hat gesagt: Es tut uns Leid, wir leisten Zahlungen für diese Leute, aber wir haben keinen Platz für sie!

Wo soll man sie hintun? – Sie, Herr Schennach, sagen, wir sollen sie nicht in die Kasernen stecken, weil es dort eine Ghettoisierung gibt. Da gebe ich Ihnen vollkom­men Recht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in die Rhomberg-Kaserne in Lochau, die direkt am Bodensee, am Badeufer, in einer der schönsten Gegenden in Vorarlberg liegt, 350 Asylwerber kommen. Wie es dann zugeht, das kann ich mir vorstellen. Dann haben wir Traiskirchen II, und das brauche ich nicht! Das sind Fakten!

Ich sage Ihnen noch einen Grund, warum ich Bauchweh bei dem Gedanken daran habe. Fakt ist erstens, dass wir diese Leute nicht unterbringen können. Die Kosten­frage ist ein anderes Thema, darüber kann man diskutieren. Diese Solidarität ist okay.

Aber jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Es ist doch so, dass, wenn man 30 000 Asylwerber hernimmt, bei 1 000 Asylwerbern die Asylanträge berechtigt sind. Das heißt, dass 29 000 davon Wirtschaftsflüchtlinge sind. Ich weiß nicht, ob wir das unter­stützen sollen, indem wir immer mehr Kapazitäten schaffen, um diese Leute unterzu­bringen.

Die Galle kommt mir hoch, wenn ich in einen Zeitungsartikel vom 13. April Folgendes lese: Ein Anwalt aus Österreich fährt nach Tschechien, um Illegalen Asylantrags­vor­drucke zu geben. – Ja, bitte, wo sind wir denn!? Das ist übelste Art der Ausbeutung der österreichischen Steuerzahler – nichts anderes! Das ist Betrug, das ist Missbrauch! Er verdient sich damit eine goldene Nase, indem er dieses System in Österreich ausnützt! (Bundesrat Schennach: Dann gehört er bestraft!) Gott sei Dank ändert sich dieses Gesetz mit 1. Mai, darüber bin ich wirklich froh. (Bundesrat Schennach: Ich komme gerne eine Woche nach Vorarlberg und fahre von Gemeinde zu Gemeinde!) – Wir kommen nachher noch auf das Thema Vorarlberg zu sprechen.


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Ich bin sehr froh, dass wir diese Gesetze hier herinnen beschlossen haben, dass das Asylrecht verschärft worden ist, dass diese Missbräuche in der Form, wie sie bis jetzt möglich waren, nicht mehr möglich sind. Da ist diese schwarz-blaue Regierung einen riesigen Schritt weitergekommen, und darüber bin ich froh. Das muss ich Ihnen ganz klar sagen.

Es wurde hier vom „Heiligenschein“ gesprochen und davon, dass es keine Kriminalität dieser Asylwerber geben soll. Ich habe dieses Thema schon einmal angesprochen und gesagt, dass diese Leute sehr wohl kriminell sind – ja sogar hochkriminell sind. Der Caritas-Direktor aus Vorarlberg hat dann gesagt: Ja wegen dieser paar Ladendieb­stäh­le, die diese Asylwerber in Vorarlberg begangen haben! – Ich sage Ihnen etwas: Ich habe heute eine schriftliche Anfrage an den Herrn Innenminister gerichtet, in welcher diese Zahlen geklärt werden, und ich habe Insiderinformationen und auch Informa­tionen aus Zeitungen, die das gedruckt haben – es gibt Gott sei Dank noch Zeitungen, die nicht zensuriert sind (Ruf bei der SPÖ: Was?) –, wo drinnen steht, ... (Bundesrat Schennach: Welche sind zensuriert?)

Fakt ist: Wenn heute ein Ausländer, ein Asylwerber eine große Straftat begeht, dann steht in der Zeitung: der „Lochauer“, der „Hörbranzer“ oder der „Dornbirner“. Fakt ist auch, dass – das sage ich Ihnen – all die schweren Delikte, ob es Raubüberfälle oder Einbruchsdiebstahlsserien waren, in Vorarlberg von Asylwerbern begangen worden sind. (Bundesrat Schennach: Vorarlberger tun nichts, oder?)

Nun, das wird belegt, Sie werden sehen! Ich weiß es, und ich kann Ihnen auch Zeitungsberichte zeigen, wo es drinnen steht. (Bundesrätin Konrad: Die kriminellsten Ausländer in Tirol sind deutsche Touristen, statistisch gesehen!) Sie brauchen nur einmal die Zeitungen aufzuschlagen und genau zu lesen. Darin lesen Sie tagtäglich, wie es zugeht. – Jetzt erzähle ich Ihnen noch eine schöne Geschichte, Herr Kollege.

Fakt ist aber auch, dass diese Asylwerber von gewissen Richtungen her geradezu als Heilige dargestellt werden. Ich kann mich erinnern: Als die ersten paar Asylwerber nach Vorarlberg kamen, hat der ORF einen wunderschönen Bericht darüber gemacht. (Bundesrat Schennach: „Herbergssuche“, ja!) Darin hat es geheißen, wie nett und lieb diese Leute sind, man hat sie alle gefilmt und hat sie befragt, und es hieß, es sei schön und toll in Vorarlberg. – Doch Sie werden es nicht glauben: Es war nicht eine Woche vergangen, schon sind diese Herrschaften in der ganzen Gegend herumgereist und haben sämtliche Schmuckgeschäfte ausgeräumt. Nicht eine Woche, fünf Tage waren vergangen! – Das sind die „netten“, „armen“ Asylwerber!

Ich komme noch einmal auf die Zahl zurück: 30 000 Asylanträge, 10 000 davon ... – nein: 1 000 davon berechtigt. (Bundesrat Schennach: 11 000! Genau, um die geht es!) 1 000 berechtigt, nicht 11 000! Die anderen werden geprüft. Aber wie viele kommen durch? Das müssen wir uns auch einmal anschauen! – Das sind für mich Fakten. Wenn wir mittels Gesetz rigoroser durchgreifen, dann ist es nicht notwendig, so viele Unterkünfte zu suchen.

Ich bin einfach gegen dieses Gesetz, weil mein Bundesland Vorarlberg – Herr Schen­nach hat es bereits angesprochen – in Bezug auf dieses Gesetz große Bedenken hat, dieses Gesetz nicht fair findet und weil wir die Möglichkeit und die Kapazität, diese Leute unterzubringen, nicht haben. Deshalb kann ich hier nicht mit gutem Gewissen zustimmen und werde dieses Gesetz ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.22

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 



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707. Sitzung / Seite 177

19.22

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde als vorletzter Redner meiner Fraktion nur ganz kurz zu diesem Thema sprechen. Viele haben ge­dacht, dass eine Regelung, wie sie uns jetzt vorliegt, eine 15a-Vereinbarung nicht zustande kommen wird – doch es ist dem Herrn Bundesminister gelungen, das zu erreichen. Das ist ein ganz besonderes Verdienst, und dafür soll man sich bedanken, denn es ist in guter österreichischer Tradition – beginnend nach dem Zweiten Welt­krieg, nach dem Jahr 1956 –, dass Österreich sich immer bemüht hat, ein offenes Herz zu haben.

Es ist erfreulich, dass es, wie wir aus den Unterlagen, die wir aus dem Bundes­ministerium für Inneres bekommen haben, ersehen können, auch in Bundesländern, die da mit einem gewissen Minus verzeichnet sind, doch Bürgermeister gibt, Bezirke gibt, die sich bemühen, einigermaßen gerecht eine Verteilung zu erreichen.

Wenn Kollege Schennach und Frau Kollegin Konrad und vielleicht die ganze grüne Fraktion diese Vereinbarung ablehnen, dann verstehe ich das nicht ganz, denn Kollege Schennach ist für eine gerechte Verteilung – und das wird ja mit dieser Regelung erreicht. Aber eines müssen wir eben auch sagen: Es ist noch sehr viel Informations- und Aufklärungsarbeit, auch bei unserer Bevölkerung, dahin gehend zu leisten, dass die armen Menschen, die in Österreich Asyl bekommen haben beziehungsweise aus bestimmten Gründen nicht mehr abgewiesen werden können, ordnungsgemäß unter­gebracht werden, und diese menschenwürdige Unterbringung ist damit gegeben.

Abschließend möchte ich noch einmal den Appell aussprechen, dass wir darauf hinwirken, dass sich mehr Gemeinden zur Verfügung stellen, damit diese gute und gerechte Aufteilung stattfinden kann und es zu keiner Ghettobildung, mit allen Nach­teilen, die es dabei gibt, kommt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

19.24

 


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker.

 


19.25

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, es ist ein Menschenrecht, um Asyl anzusuchen und menschenwürdig untergebracht zu werden, und es ist die Verpflichtung jedes Rechtsstaates, dem auch gerecht zu werden.

Ich möchte ganz kurz auf das eingehen, was Frau Wimmler vorhin gesagt hat. Worin ich ihr vollkommen Recht gebe, ist die Feststellung, dass Medien in diesem Zusam­menhang eine bestimmte Rolle spielen. Wir haben das in Oberösterreich sehr leidvoll an einem bestimmten Ort erfahren, wo man mit der Unterbringung von Asylwerbern betraut war und wo es tatsächlich massive Probleme gegeben hat. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich halte es für ein Drama, wenn sich, so wie Herr Mag. Gudenus vorhin ausgeführt hat, Bürgermeister fürchten müssen, dass sie, wenn sie Asylwerbern und Asyl­wer­berinnen sozusagen ein Stück Heimat geben (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist nicht Heimat, bitte, für die Asylwerber, das ist Asyl!) und Menschlichkeit zeigen, dafür mit der Konsequenz rechnen müssen, nicht wiedergewählt zu werden. Ich denke, es ist unser aller Aufgabe, sich auch engagiert dafür einzusetzen, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die dafür eintreten, nicht mit negativen Konsequenzen zu rechnen haben. Das ist ja eine Frage der Stimmung in diesem Land, und für diese sind alle verantwortlich, nicht nur die Medien, sondern sehr wohl jeder einzelne Mensch in diesem Land.


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Wir haben in Oberösterreich ein Beispiel, das mit großer Spannung verfolgt wird. Nachdem ein Ort sehr stark die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte und in den Zeitungen allerhand Dinge darüber zu lesen waren, gab es dann doch auch eine positive Headline. Es handelt sich dabei um einen kleinen Ort in der Nähe von Linz namens Ottensheim – neuerdings unter der Leitung einer Bürgermeisterin einer grün-nahen Bürgerliste, die es geschafft hat, gegen den amtierenden Bürgermeister zu ge­winnen –, wo man sich entschlossen hat, tatsächlich entsprechende Plätze zur Ver­fügung zu stellen. Nur: Was hat man dort gleichzeitig gemacht? – Man hat dafür gesorgt, dass es Sprachkurse gibt, dass es eine Kinderbetreuung gibt, dass die Menschen auch eine Form von Beschäftigung finden, dass es engagierte Menschen in der Gemeinde gibt, die diese Menschen in dieser sehr schwierigen Phase ihres Lebens betreuen. – Es ist positiv angenommen worden. Die Bevölkerung lebt damit und lebt damit gut. Wir sehen also, es ist eine Frage des Umgangs.

Da ich vorhin von meinem eigenen Fraktionskollegen diesbezüglich angesprochen wurde, möchte ich sagen, dass ich zum Beispiel die Idee, fünf Leute in einem Ort unterzubringen, nicht für wirklich zielführend halte. Man braucht gewisse Strukturen, auch gewisse Verwaltungsmechanismen, und es gibt gewisse Mindestgrößen. Fakt ist aber, dass es in Gemeinden mit einer bestimmten Anzahl ganz sicher gut funktioniert; da gibt es Erfahrungswerte, und das soll man auch in Anspruch nehmen.

Da ich als oberösterreichische Bundesrätin angesprochen worden bin und auch in der Regierungskonstellation Schwarz-Grün stehe, möchte ich sagen, dass in Ober­österreich 150 Plätze gefehlt haben und heute beziehungsweise gestern bereits eine Lösung gefunden wurde. Es werden von Seiten des Landes Oberösterreich die ent­sprechenden Plätze vorübergehend zur Verfügung gestellt, bis diese Sache einer glücklicheren Lösung zugeführt wird und entsprechend menschenwürdige Wohnstätten zur Verfügung gestellt werden können. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.28

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Präsi­dent Weiss.

 


19.29

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hagen hat vorhin dargelegt, dem Bundesbetreuungs­gesetz und der Artikel-15a-Vereinbarung nicht zustimmen zu können. Es ist im parla­mentarischen Leben oft so, dass manche Abstimmungsvorgänge für Außenstehende einen gewissen kuriosen Eindruck erwecken. Das haben wir ja hier auch schon erlebt. Heute ist das eine Bereicherung um eine ganz neue Facette.

Eine Artikel-15a-Vereinbarung kann von vornherein nur dann abgeschlossen werden, wenn ihr alle Länder zugestimmt haben, und sie tun das, wenn sie auch ihren Inter­essen entspricht – das ist das Wesen einer Vereinbarung –, und daher kann man sagen, dass das Zustandekommen dieser Vereinbarung im Interesse aller Bundes­länder liegt. Es hat auch beispielsweise das Bundesland Kärnten diese Vereinbarung unterzeichnet.

Dass wir über diese Vereinbarung heute zu beraten haben, ist das Ergebnis einer Re­gierungsvorlage, mitbeschlossen vom freiheitlichen Landesparteiobmann Gorbach. Dass sich der Vorarlberger Landtag mit der Artikel-15a-Vereinbarung zustimmend be­fas­sen wird, ist das Ergebnis einer Vorlage der Vorarlberger Landesregierung, mitbe­schlossen vom geschäftsführenden freiheitlichen Landesparteiobmann Egger. Ich befinde mich zusammen mit Bundesrätin Giesinger also in guter Gesellschaft, wenn ich sage: Der Standpunkt des Landes Vorarlberg – auch jener der genannten Herren der


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Freiheitlichen Partei – ist jener, beiden Vorlagen ausdrücklich zuzustimmen. (Bundes­rat Weilharter: ... Landesrat Schwärzler?)

Er hat kritische Aussagen dazu gemacht, die ich nicht teile. Das ist im Lande auch kein Geheimnis. (Bundesrat Weilharter: Ich teile sie!) Aber wir werden ja sehen, wie er damit umgeht – nicht nur der freiheitliche Landesparteiobmann Egger, sondern auch der zuständige Landesrat Schwärzler –, in der Landesregierung daran mitgewirkt zu haben, dass die Artikel-15a-Vereinbarung dem Landtag vorgelegt wird. – Das dazu. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Nun zum Kollegen Schennach. – Ich stimme mit ihm in einem ganz wesentlichen Punkt überein, nämlich: Das Land Vorarlberg – nicht allein, aber ganz wesentlich – muss natürlich vermehrte Anstrengungen unternehmen, um nicht nur die vereinbarten Aus­gleichszahlungen zu leisten, sondern auch tatsächlich Asylanten unterzubringen. Das ist gar keine Frage. Da stimme ich mit ihm ausdrücklich überein.

Es ist allerdings vom Herrn Kollegen Hagen schon das Problem dargestellt worden, dass das in der Praxis auf Grund verschiedener Gegebenheiten gar nicht so einfach ist. Ich weiß auch von vielen Bürgermeistern, die grüne Gemeinderäte in ihrer Ge­meinde haben, dass denen bisher auch nicht wesentlich mehr eingefallen ist – und da laden wir alle zum Nachdenken herzlich ein.

Nun zu dem angesprochenen Rechtsproblem, bei dem ich Sie bitten möchte, unauf­geregt einen Blick auf die Fakten zu werfen, weil diese Rechtsfrage nichts mit der Artikel-15a-Vereinbarung zu tun hat, auch nicht mit dem Datum des In-Kraft-Tretens 1. Mai 2004. Die Frage war lediglich jene, dass im Bundesbetreuungsgesetz in zweiter Lesung im Nationalrat – also nicht einmal im Ausschuss, sondern im Nationalrat selbst, natürlich ohne Begutachtungsverfahren – eine Bestimmung aufgenommen wurde, wonach die Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder bestimmte Verfahren abzuwickeln haben.

Dass das möglich ist – und wir bekennen uns dazu, das zu tun –, setzt voraus, dass vor der Kundmachung des Gesetzes, nach der Beschlussfassung hier, die Zustimmung der Länder eingeholt wird. Das ist in Artikel 129a B-VG so geregelt und wird in vielen anderen Fällen auch so gehandhabt. Das Land Vorarlberg hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass offenbar – das war die Schlussfolgerung aus den Darlegungen, die bekannt waren – nicht bedacht wurde, dass dieser Zustimmungsvorgang notwendig sein wird, um eine spätere Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes zu vermeiden.

Solche Gesetze im Asylbereich sind nun einmal sehr anfechtungsträchtig, das wissen wir. Es ging nicht darum – das ist ja letztlich eigentlich auch nicht unser Problem, sage ich jetzt einmal etwas überspitzt formuliert –, ob das Gesetz vor dem Verfas­sungs­gerichtshof hält oder nicht, das ist das Problem des Bundes, wir haben darauf nur aufmerksam gemacht, weil uns an einem geordneten In-Kraft-Treten gelegen ist. Das hat lediglich mit dem Bundesbetreuungsgesetz etwas zu tun, das in seinen we­sentlichen Teilen auch nicht am 1. Mai 2004, sondern in seinem ganzen hier rele­vanten Artikel 2 erst am 1. Jänner 2005 in Kraft treten wird.

Das heißt, selbst wenn man jetzt sagen könnte, der Bund hätte sich ein bisschen früher Gedanken machen sollen, die Länder hier einzubinden und diesen Zustimmungs­vorgang, der notwendig ist, zu verkürzen, kann er auch ohne Not für die Sache durchgeführt werden. In diesem Sinne verstehe ich die Kritik an diesem rechts­freundlichen Hinweis nicht, weil er tatsächlich – offenbar ist dieser Eindruck entstan­den – nichts mit dem In-Kraft-Treten dieser ganzen Vereinbarung am 1. Mai 2004 zu tun hat.


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Das dem Land Vorarlberg vorzuhalten, ist auch dann ein bisschen schwierig, wenn man selbst überhaupt dagegen ist, dass die Vereinbarung und das Gesetz in Kraft treten. Ich weiß schon, es ist eine schwierige Gratwanderung, wenn man eigentlich mit dem kleinen Fortschritt durchaus einverstanden ist, aber noch lieber einen größeren hätte. Diese Situation haben wir auch schon alle gehabt. Es ist dann natürlich auch nicht ganz einfach zu sagen: Ich verweigere dem kleinen Fortschritt die Zustimmung, weil ich lieber den größeren hätte! – Aber nach der Maxime des kategorischen Imperativs muss man sich auch fragen: Könnte man es verantworten, wenn die Artikel-15a-Vereinbarung und das Bundesbetreuungsgesetz, wenn alle Abgeordneten Ihren Maßstab anlegen würden, nicht in Kraft treten könnten?

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie einladen, wenn Sie die geäußerte Kritik auch tatsächlich ernst nehmen, beiden Vorlagen, dem Gesetz und der Artikel-15a-Verein­barung, doch auch Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen keine weiteren Wortmeldun­gen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Schennach.

 


19.36

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Weiss! Ich merke, dass meine Kritik an der Vorarlberger Lan­desregierung Sie wahrscheinlich ein bisschen mehr als persönlich getroffen hat. Sie haben von „aufgeregt“ gesprochen – vielleicht war meine Wortwahl über Strecken auf Grund meiner wirklichen Empörung über diese Vorarlberger Zustände nicht so, wie sie hätte sein sollen. Ich habe ja von Ihnen einen Ordnungsruf in Empfang genommen, den ich auch weiterhin behalten möchte (Heiterkeit) – das schon.

Erlauben Sie mir aber, doch etwas zu sagen: Sie haben uns das jetzt noch einmal erklärt. Sie haben von einem „rechtsfreundlichen Hinweis“ der Vorarlberger Landes­regierung gesprochen. – Ich lasse es so stehen.

Ich könnte es wirklich aufrichtig so stehen lassen, wenn das Land Vorarlberg diesem „rechtsfreundlichen Hinweis“ seine Zustimmung mitgeliefert hätte. Das hat es aber nicht. Wäre die Zustimmung bereits mitgeliefert worden, hätte die Sache angesichts der minus 68 Prozent Quotenerfüllung eine andere Optik. Derzeit haben wir 68 Pro­zent – genau genommen, damit wir uns bei den Zahlen nicht wieder streiten, 67,99, das sind bei mir 68 Prozent – nicht erfüllt.

Nun, lieber Kollege Hagen, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Ich komme wirklich nach Vorarlberg und rede gerne mit jedem Bürgermeister bei euch. 209 Menschen im wunderschönen, großen, reichen Vorarlberg nicht unterbringen zu können – kein Platz in Bregenz, keiner in Bludenz, keiner in Hard, keiner in Lustenau –, das gibt es nicht! Da habe ich noch nicht einmal Feldkirch und Dornbirn – das sind ja schon Städte – erwähnt. Für 209 Menschen gibt es da keine Unterkunft?!

Wie viele Touristen bringen Sie denn so im Laufe eines Jahres unter? Gehen wir in die Zehntausende und mehr? Aber Sie schaffen es nicht, 209 Menschen – das muss man einmal auf der Zunge zergehen lassen – unterzubringen?

Kollege Hagen! Wir sind da nicht beim Emission Trading! Von Menschlichkeit kann man sich nicht freikaufen! Man kann nicht sagen: Liebe Niederösterreicher! Wir schicken euch einen Batzen Euro, aber dafür baut Ihr, bitte, Traiskirchen noch mehr aus! – Das geht nicht! Das ist keine Solidarität. Deshalb: Tut mir Leid, Her Kollege Weiss!


Bundesrat
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Ich bin für die solidarische Verteilung. Ich glaube, dass das in allen unseren Rede­beiträgen zum Ausdruck gekommen ist, und das ist auch richtig. Das ist eine gemein­same Aufgabe, eine Aufgabe des Gesamtstaates. Der Gesamtstaat endet nicht am Arl­berg, sondern dazu gehört auch der „Kanton Vorarlberg“. Wir sind froh, dass er dazugehört, aber auf Grund dessen hat er auch etwas zu erfüllen – vor allem ein „Kan­ton“, der immer auf seinen Föderalismus besonderen Wert gelegt hat. Da hat Vorarlberg etwas zu erfüllen. (Bundesrat Weiss lächelt.)

Sie lachen! Sie wissen, ich bin ja im Grunde auch von der alemannischen Volksgruppe, so wie der Kollege aus Reutte. (Bundesrat Kritzinger: Wir sind Tiroler!) Wir Außerferner – das wissen wir – gehören ja sprachlich zu unseren Freunden aus Vorarl­berg. Als ich über den Pass ins andere Tirol gekommen bin, hat der Deutschlehrer zu uns gesagt: Acht Fehler – für alle Fünf. Außerferner: 16 Fehler – Fünf. (Heiterkeit.) So ist meine Schullaufbahn dann im Internat ganz gut gestaltet gewesen. Das hängt aber davon ab, dass wir eben aus dieser selben Sprachebene kommen.

Er hat deshalb gelächelt – um das aufzuklären, sei dies gesagt –, weil es zwischen jenen Menschen, die in Tirol wohnen, und jenen Menschen, die in Vorarlberg wohnen, gewisse Sprüche gibt. Ich möchte jetzt nicht Gefahr laufen, einen Ordnungsruf erteilt zu bekommen, wo es mich ja schon beinahe erwischt hätte, und werde mich hüten, in diese kleinen Rivalitäten, die uns durch den Arlberg trennen, sozusagen hineinzufallen.

Lieber Herr Weiss! Wir werden diesem Gesetz trotz der Verbesserungen nicht zustim­men, denn es gibt diese eine wichtige Grundsatzfrage, die uns da trennt. Diese konnte auch der Herr Minister Strasser heute nicht ausreichend erklären. Er meinte bloß, dass wir da falsch lägen.

Wir sind der Meinung, dass wir da nicht falsch liegen, denn wir befinden uns durchaus in jenem Bereich, den die EU dafür vorgesehen hat.

Trotzdem: Es als eine gesamtösterreichische Aufgabe zu betrachten, ist richtig.

Noch einmal: Ich komme gerne nach Vorarlberg, und ich werde auch dort die Meinung vertreten, dass diese 209 Leute mit Sicherheit in diesem wunderschönen Bundesland unterzubringen sind. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.41

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die beiden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend die Grundversorgungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a der Bundesverfassung.

Jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ersuche ich um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbetreuungsgesetz geändert wird.


Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 182

Ich ersuche wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies wieder die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahngesetz 2004 – PrivbG) (391 d.B. und 425 d.B. sowie 7030/BR d.B.)

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird (349 d.B. und 426 d.B. sowie 7031/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 28 und 29, über welche die Debatte wiederum unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zum Tagesordnungspunkt 28 hat Herr Bundesrat Lindinger über­nommen. Nach Herrn Bundesrat Lindinger darf ich dann Frau Bundesrätin Wimmler um die Berichterstattung zum Tagesordnungspunkt 29 bitten. – Ich bitte, zuerst den Bericht zum Tagesordnungspunkt 28 zu erstatten.

 


Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über Leistungen für Privatbahnen (Privatbahnge­setz 2004 – PrivbG).

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich darf nun die Kollegin Wimmler bitten, den Bericht zum Tagesordnungspunkt 29 zu erstatten.

 


Berichterstatterin Herta Wimmler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 14. April 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke vielmals für die Bericht­erstat­tung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
707. Sitzung / Seite 183

19.45

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist es endlich so weit: Wir haben jetzt das Privatbahngesetz vorliegen! Ich möchte in Erinnerung rufen, dass ich im Vorjahr dieses hier eingemahnt habe und damals der Herr Staatssekretär gemeint hat – ich habe diese seine Bemerkung noch im Ohr –, das sei eine Märchenstunde.

Herr Staatssekretär! Wir schreiben jetzt den Monat April, und der geht schön langsam seinem Ende zu, und wir haben eigentlich schon seit Ende des Vorjahres in diesem Bereich keine gesetzliche Grundlage. Das bringt viele Betreiber von Privatbahnen – es sind insgesamt 16 an der Zahl; sie sind Betreiber von „Privatbahnen“ nur unter Anführungszeichen, denn es ist ja eigentlich fast in den meisten Fällen nur den Län­dern und den Kommunen möglich, solche Privatbahnen zu betreiben – in eine prekäre Lage.

Jetzt, Herr Staatssekretär, haben wir endlich ein Gesetz, zu dem unsere Fraktion steht, denn wir stehen zum öffentlichen Verkehr. Gerade die Privatbahnen haben oft eine vielfältige Aufgabe zu erfüllen: Das ist einerseits eine touristische, denn die Privatbah­nen sind ein sehr lebendiger Bestandteil des touristischen Angebotes in unseren Bun­desländern und in unseren Regionen, und andererseits die eines Problemlösers in Verkehrsfragen.

Mich hat ein wenig verwundert, dass Ihr Kollege hier heute erklärt hat, die Stadt Wien schütte das Füllhorn aus, man beteilige sich zu 50 Prozent an der U-Bahn.

Herr Staatssekretär! Das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn das Land Wien nimmt da eine Verkehrsversorgungsaufgabe wahr, die ja wohl – und das leuch­tet, glaube ich, einem jeden ein – wirklich eine überregionale Bedeutung hat und die vor allen Dingen den vielen Pendlern und anderen Verkehrsteilnehmern dement­sprechende Verkehrsmöglichkeiten verschafft.

Ich möchte das, was da geschehen ist und welche Nachteile da für die Privatbahn­betreiber zu gewärtigen sind, am Beispiel der Linzer Lokalbahn erklären, die Ihnen als Oberösterreicher und Linzer, Herr Staatssekretär, eigentlich sogar sehr gut bekannt sein müsste.

Mehrheitseigentümer der Liner Lokalbahn AG ist die Stadt Linz, und die neue ge­setzliche Regelung bringt eine klare Trennung einerseits in die Infrastruktur und andererseits in den Betrieb der Bahn mit sich. Das heißt, dass es für Zugsgarnituren, Werkstätten und Remisen in Hinkunft kein Geld mehr gibt. Geld gibt es nur mehr für die Infrastruktur, für den Schienenbau.

Das bringt nicht nur die Stadt Linz als den Mehrheitseigentümer, sondern natürlich auch andere Bahnbetreiber in eine sehr schwierige finanzielle Lage, denn es heißt, die Gemeinden, die Regionen, die Länder oder wer immer, irgend welche Verbünde, können sich den Verkehr bestellen. Wir haben heute hier ausgiebig Zeit gehabt, darauf hinzuweisen.

Herr Staatssekretär, Sie können das alles in den Bundesratsprotokollen nachlesen. Es wurde auch von allen Fraktionen in gewisser Weise bestätigt, dass in den Gemeinden aufgrund der veränderten Situation der Ertragsanteile und so weiter die Kassen immer leerer werden. Es wird also eine sehr schwierige Geschichte. – Diese Trennung ist das eine.

Das Zweite ist Folgendes: Dadurch, dass Sie, Herr Staatssekretär, und Ihr Ressortchef in solch einem Maße säumig waren, haben wir zwar jetzt ein Bundesgesetz, aber keine Richtlinien, wie jetzt diese Kostenaufteilung erfolgen soll.


Bundesrat
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Ich hörte über die zuständige Fachgruppe in der Bundeswirtschaftskammer, es würde diesbezüglich ein Papier kursieren, das gebe man aber nicht heraus, denn das würde die politisch Verantwortlichen in den Ländern und Städten noch mehr verunsichern.

Nun muss diese Richtlinie ausverhandelt werden. Es wurde also da eine Zahlungs­ver­pflichtung prolongiert.

Es hat heute der Herr Dr. Kühnel im Zusammenhang mit dem Thema „Buchhaltung“ gemeint, es werde künftig ein pünktliches Zahlen des Bundes geben. Dazu muss ich sagen: Ich bin eigentlich verblüfft, dass das nicht zum Tagesgeschäft in der Bundes­verwaltung gehört, sondern dass wir erst eine Agentur brauchen, um den Bund zu einem pünktlichen Zahler zu machen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie wollen mich miss­verstehen! Aber was soll man machen?)

Nein, nein, ich will Sie nicht missverstehen, sondern es sieht jetzt so aus, Herr Dr. Küh­nel, dass diese Bundesregierung ... (Abg. Dr. Kühnel: Sie wollen alles miesmachen, dafür sind Sie bekannt!)

Herr Dr. Kühnel, Sie können hier einen positiven Beitrag leisten und jene 53 000 € – Herr Dr. Kühnel, Sie haben sich hier mit der Buchhaltung beschäftigt –, die jetzt die Stadt Linz an Zinsen auslegen muss, um das zu zahlen, was eigentlich das Ressort des Herrn Staatssekretärs pünktlich an die Stadt Linz hätte anweisen müssen, über­nehmen, wenn Sie glauben, dass dort alles in bester Ordnung ist.

Diese 53 000 € werden jetzt, Herr Dr. Kühnel, dem Staatsbürger entzogen, die müssen nämlich aus dem Stadtsäckel, aus der Gemeindekasse gezahlt werden. Sie können das natürlich auch als ein Beihilfenprogramm für den österreichischen Bankensektor betrachten, der jetzt Zinsen im Ausmaß von 53 000 € auf Grund der Säumigkeit des Herrn Staatssekretärs und seines Ressortchefs lukrieren wird. (Hört-hört-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Prutsch: Skandal! – Bundesrat Dr. Kühnel: Dafür wird es schon einen anderen Grund geben! – Gegenrufe bei der SPÖ in Richtung des Bundesrates Dr. Kühnel.) Wir haben zwar jetzt ein Gesetz, und das mit einer Verspätung von vier Monaten, wir haben aber keine Richtlinien dafür, wie da überhaupt angewiesen wird.

Ich glaube – und ich habe es schon erwähnt –, dass sehr, sehr viele Bürgermeister und Gemeindeverantwortliche beziehungsweise dass die Gemeinden mit ihren Budgets etwas Besseres zu tun haben, als aushaftende Beträge, die die Bundesregierung anweisen müsste, vorzustrecken und sich dann, wenn sie diese Mittel nicht haben, auf dem Kreditmarkt zu bedienen. (Bundesrat Kneifel: Das Geld ist im Jänner überwiesen worden! Da hast du nicht den letzten Stand!) Das ist ein großer Irrtum, lieber Gottfried! In diesem Jahr können diese Mittel nicht angewiesen werden, weil die Richtlinien nicht vorhanden sind.

Ich erwarte mir gerade von Mag. Kukacka, der bis zu seiner Funktion als Staats­sekre­tär eine Leitungsfunktion in der Wirtschaft innehatte – du hast ja Seite an Seite mit ihm politisch zusammengearbeitet – eigentlich die Ordnung eines gewöhnlichen Kaufman­nes, nämlich, dass man seinen Verpflichtungen nachkommt. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.)

Vielleicht ist es möglich, Herr Staatssekretär, uns eine Antwort auf die Frage zu geben, wie jetzt diese 53 000 € – ich lege das jetzt ganz bewusst an diesem einen Beispiel dar – aufgebracht werden müssen. Vielleicht kann auch der Rechnungshof überprüfen, ob man auf dem Wege eines Amtshaftungsverfahrens da eventuell einschreiten kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.52

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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707. Sitzung / Seite 185

19.52

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man dem Kollegen Schimböck zuhört, dann denkt man sich – um es historisch zu betrachten –, man befindet sich im Jahre 1000 nach Christus, denn schon damals hat es Untergangsstimmungen gegeben. Das gibt es jetzt, im Jahre 2004, anscheinend auch wieder. Daher würde ich ihn taxfrei zum Mitglied des „Club of Rome“ ernennen, der vor 20 Jahren auch irgendwelche Szenarien entwickelt hat. Wir leben glücklicher­weise immer noch in einer recht guten Luft und in einem sehr mit Wohlstand versehe­nem Lande. (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck.)

Wenn Sie polemisch sind, kann ich auch ein bisschen polemisch sein. Aber jetzt gehe ich zur Sache über.

Außer Streit steht zweifelsohne, dass der öffentliche Verkehr gefördert werden muss und der Individualverkehr zurückgedrängt wird. Daher wird in allen Reden, vor allem in den Sonntagsreden, immer wieder gepredigt, dass die Schiene entsprechend ausge­baut werden muss, und so weiter und so fort.

Statt solcher Absichtserklärungen an Sonntagen versucht diese Regierung das entsprechend in Gesetze zu gießen, denn nur Gesetze allein garantieren das ent­spre­chende staatliche Handeln. Glücklicherweise haben wir den Artikel 18 der Bundes­verfassung – manche sagen: unglücklicherweise –, der besagt, dass die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf.

Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung produzieren auch wir als Bundesrat immer wieder neue Gesetze. Manchmal sind das dann pro Jahr ganz dicke Ordner. Ich hoffe, dass es noch Juristen gibt, die sich da einigermaßen auskennen. Spaß beiseite! Trotzdem sind Grundgesetze notwendig, damit entsprechend agiert werden kann.

Wichtig ist nämlich für die Bahn – egal, ob es sich jetzt um die „normale“ Eisenbahn, in diesem Fall um die ÖBB, handelt oder um Privatbahnen –, dass eine Planungssicher­heit gegeben ist.

Nun zum Privatbahngesetz: In Österreich gibt es 16 Privatbahnen – eigentlich ein ganz guter Anteil. Wenn ich nämlich auch noch berücksichtige, dass diese 16 Privatbahnen zwölf Prozent des Güterverkehrs und acht Prozent des Personenverkehrs abwickeln, dann muss ich sagen: Das ist immerhin eine Größe, die ganz beachtlich ist!

Diese Privatbahnen brauchen natürlich eine Finanzierungssicherheit und eine Pla­nungs­sicherheit, denn auf Grund unserer manchmal etwas komplizierten Verwaltungs­verfahren ist es heute so, dass es dann, wenn eine gute Idee im Bahnverkehr vor­handen ist, doch acht bis zehn Jahre dauert, bis sie tatsächlich auch umgesetzt ist.

Ich darf in diesem Zusammenhang an den Lainzer Tunnel erinnern. Ich hoffe, dass jetzt endlich beim Verwaltungsgerichtshof auch der letzte Bescheid in Rechtskraft erwachsen wird.

Außerdem ist im Privatbahngesetz enthalten – und das ist sehr, sehr wichtig –, dass die Gleichberechtigung gegenüber den ÖBB gegeben ist, damit der Wettbewerb in Österreich auf diesem Sektor Einzug halten kann.

Eine Privatbahn möchte ich als Wiener besonders herausheben, weil sie ein gigan­tisches Ausmaß an Personenverkehr abwickelt, das ist die Badner Bahn von Wien-Oper auf den Josefsplatz in Baden. Diese Bahn hat eine interessante Entwicklung hin­ter sich, denn bereits im Jahre 1999 hat sie 7,2 Millionen Passagiere befördert, und im Jahre 2002 waren es 7,6 Millionen. Da sind durchaus schöne Steigerungsraten drin­nen. Ob diese Bahn noch weiter ausgebaut werden kann, das weiß man nicht, aber sie


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wäre für den Süden Wiens und für die niederösterreichischen Bezirke Mödling und Baden von ganz besonderer Bedeutung.

Heute ist schon mehrmals die U-Bahn in Wien erwähnt worden – und das geht auch nur über das Privatbahngesetz. Da ist der Bund so charmant und zahlt schon Jahr­zehnte hindurch 50 Prozent für den U-Bahnbau.

Andere Landeshauptstädte haben nun auch erkannt, dass es sinnvoll ist, da tätig zu werden. Wie ich gehört habe, denkt man jetzt daran, auch im Raum Innsbruck ähnliche Modelle einzurichten. Das heißt, der Bund darf sich auch dort beteiligen, damit eben mehr an öffentlichen Verkehr abgewickelt wird und es weniger Individualverkehr gibt.

Meine Fraktion hat dagegen keinen Einwand. Das heißt, wir stimmen diesem Gesetz zu, damit das Privatbahngesetz endlich umgesetzt werden kann, denn – und das will ich nicht leugnen – es ist mit 31. Dezember 2003 ausgelaufen und wir haben, wie das so schön juristisch heißt, eine gewisse Legisvakanz.

Zum Eisenbahngesetz: Das Eisenbahngesetz ist im Grunde genommen eine Um­setzung einer EU-Richtlinie, und diese sieht nun einmal vor, dass einerseits die Trennung zwischen der Infrastruktur und dem Verkehr notwendig ist und dass andererseits die EU Genehmigungen an Unternehmen erteilt, damit zum Beispiel die ÖBB im EU-Netz unterwegs sein können. Weiters sind die Zuweisung von ver­schiedenen Trassen wichtig, damit man sich auf diesen bewegen kann, und die dafür zu leistenden Nutzungsentgelte.

Als Letztes – und das interessiert uns vor allem als Passagiere – sind die Hoch­leistungszüge zu erwähnen, von denen wir in Österreich, glaube ich, noch keinen ha­ben, aber vielleicht irgendwann einmal einen bekommen werden. Aber in Deutschland gibt es sie, in Frankreich in besonderem Maße, und die Italiener arbeiten auch massiv daran, dass das umgesetzt wird. Das heißt, dass diese Hochleistungszüge auch die entsprechenden Sicherheitsbescheinigungen bekommen, damit sie sich international im europäischen Raum bewegen können. Weiters ist die EU natürlich an einer Kun­denfreundlichkeit interessiert, dies durch Wettbewerb und so weiter.

Aus diesen Gründen stimmt meine Fraktion auch diesem Gesetz zu. Wir freuen uns schon darauf, dass diese beiden Gesetze umgesetzt werden, denn damit tritt die Bahn in eine neue und bessere Zukunft, die kundenfreundlich und wettbewerbsorientiert ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


19.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Privatbahngesetz hat Herr Bundesrat Schimböck ohnehin schon sehr viel gesagt. Ich kann mich dem zum Großteil nur anschließen.

Ich denke, es ist wirklich an der Zeit, dass man diesen gesetzlosen Zustand beendet. Es ist ein bisschen peinlich, wenn er vier Monate lang vorherrscht. Das Schöne an dem neuen Gesetz ist, dass es jetzt unbefristet ist. Im Grund genommen hat sich aber nicht sehr viel geändert, es ist auch kein großer Wurf.

Dem Eisenbahngesetz hingegen werden wir nicht zustimmen. Grundsätzlich ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie für die Öffnung des Netzes zu begrüßen, aber was nicht zu begrüßen ist, das ist der Umstand, dass auch dieses Gesetz verspätet beschlossen wird, sein Beschluss wäre eigentlich schon im März 2003 fällig gewesen.


Bundesrat
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Wir werden deshalb nicht zustimmen, weil einige Punkte, die wir für wichtig halten, nicht ausreichend geregelt sind.

Einer dieser Punkte ist die Zugangsberechtigung. Im Gesetz steht – ich zitiere –:

Eisenbahninfrastrukturunternehmen können mit Rücksicht auf legitime Erwartungen hinsichtlich ihrer künftigen Erlöse und der Fahrwegnutzung Anforderungen an Zu­gangsberechtigte festlegen, die angemessen, transparent und diskriminierungsfrei sein müssen, ...“

Ich frage mich, wozu der Passus „mit Rücksicht auf legitime Erwartungen hinsichtlich ihrer künftigen Erlöse und der Fahrwegnutzung“ darin enthalten sein muss. Prinzipiell wäre doch die Formulierung „angemessen, transparent und diskriminierungsfrei“ aus­reichend gewesen! Dieser Zusatz bietet höchstens Ansatzpunkte für Diskriminierun­gen.

Der zweite Punkt, der unserer Überzeugung nach nicht ausreichend geregelt ist, ist die Zuweisungsstelle. Die Zuweisungsstelle ist zuständig für Trassenzuweisung und Festsetzung des Infrastrukturentgelts. Nach dem Gesetz kann das das Infrastruktur­unternehmen selbst machen oder an andere Firmen, Unternehmen abgeben. Privat­bahnen werden das voraussichtlich auch tun. Was uns dabei fehlt, sind gesetzliche Grundlagen dafür, welche Anforderungen Unternehmen erfüllen müssen, um auch wirklich derartige Zuweisungen durchführen zu können. Trassenzuweisung und Fest­setzung des Infrastrukturentgelts sind ja keine unwichtigen Tätigkeiten, aber laut Ge­wer­beordnung gibt es dafür keine besonderen Anforderungen. Es wäre ein freies Gewerbe, das heißt, jeder, der eine Zeitung verkaufen kann, kann auch eine Trasse zuweisen – und das ist unserer Überzeugung nach wirklich ungenügend!

Ein weiterer Punkt, der uns mangelhaft erscheint, ist der Strafrahmen für sicher­heitsrelevante Verwaltungsübertretungen. Bei den wettbewerbsrelevanten Verwal­tungsübertre­tungen wurde der Strafrahmen auf bis zu 36 000 € angehoben, bei den sicherheitsrelevanten Verwaltungsübertretungen ist der Rahmen hingegen gleich ge­blieben, das heißt, wenn ein Sicherheitsbeauftragter vergisst, die Bremsen nachzu­stellen, dann kostet das weniger, als wenn ein Eisenbahnverkehrsunternehmen seine allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ins Internet stellt.

Diese Relation erscheint mir nicht richtig! Dazu kommt noch, dass auch sicher­heitsrelevante Verwaltungsübertretungen marktverzerrend wirken können. Ich wäre daher dafür, dass man diesen Strafrahmen dringend anpasst.

Und einer der wichtigsten Punkte für uns, dieses Gesetz abzulehnen, ist die Prior­tätensetzung bei Infrastrukturüberlastung, das heißt, wenn es darum geht, dass das Gleis voll ist, keiner mehr draufpasst. Wer hat dann Vorrang? – Das Gesetz sieht eine starre Prioritätenregelung vor, und zwar zuerst den gemeinwirtschaftlichen Verkehr, dann den grenzüberschreitenden Güterverkehr, dann den sonstigen Güterverkehr und dann den nicht gemeinwirtschaftlichen Personenverkehr, also insbesondere den Fern­verkehr.

Das Einzige, was an dieser Regelung wirklich gut ist, ist, dass sie einfach ist! Sie ist zwar einfach, hat aber auch viele Nachteile und ist nicht effizient. Einer dieser Nach­teile ist, dass sie unserer Meinung nach nicht der EU-Rahmenvorlage entspricht, denn die Priorisierung, so wie sie jetzt ist, war zwar in der Vorgängerrichtlinie vorgesehen, die neue EU-Richtlinie lautet diesbezüglich aber anders: aus dem Grund, weil die alte Regelung zu starr und nicht effektiv genug war.

Die jetzige EU-Regelung lautet – ich zitiere –:


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„Die Vorrangkriterien haben dem gesellschaftlichen Nutzen eines Verkehrsdienstes gegenüber anderen Verkehrsdiensten, die hierdurch von der Fahrwegnutzung ausge­schlossen werden, Rechnung zu tragen.“ 

Ein weiterer Punkt, der mich sehr stört, ist die fehlende Definition der Begriffe „gemein­wirtschaftlicher Nutzen“ und „gesellschaftlicher Nutzen“. Es gibt selbst vom Bundes­ministerium zwei verschiedene Interpretationen dazu.

Die erste Interpretation lautet, dass jeder Personenverkehr gemeinwirtschaftlicher Verkehr ist, weil auch im EuroCity zum Beispiel viele Pendler fahren. – Diese Inter­pretation dürfte aber EU-rechtlich nicht haltbar sein. Selbst wenn sie zuträfe, blieben einige Probleme bestehen.

Die zweite Interpretation wäre: Alles, was Länder bestellt haben und was daher der Verordnung unterliegt, ist gemeinwirtschaftlicher Verkehr. – Das Problem dabei ist, dass wir ja mit diesen Bestellungen noch nicht so weit sind und dass viele Perso­nenzüge bei uns noch nicht bestellt werden.

Dann gibt es noch einige offene Fragen hinsichtlich der Umsetzung dieser Prioritäten­setzung. Wenn ich das richtig verstanden habe – Sie können mich gern korrigieren –, wäre es zum Beispiel so, dass ein EuroCity Nachrang hinter einem gemein­wirt­schaftlichen Bummelzug hätte, das heißt, wenn es auf dem Gleis zu eng wird, darf erst der Bummelzug fahren und dann der EuroCity.

Das heißt auch, dass jeglicher Güterverkehr – egal, wie lange er in Wirklichkeit warten kann, ob das jetzt etwas Dringendes ist oder irgendein Verschubwaggon – immer und überall Vorrang hätte vor einem EuroCity oder einem vertakteten Fernverkehrszug.

Auch bei der Bahn wird es künftig voraussichtlich Zahlungen an die betroffenen Fah­rgäste geben, wenn es zu Verspätungen kommt. Es ist auch nirgends geregelt, wer dann haftet, wenn auf Grund einer derartigen Prioritätensetzung der Personverkehr hintangestellt wird und die Personenverkehrszüge zu spät kommen.

Auf Grund all dieser Punkte werden wir diesem Gesetz dieses Mal nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Zellot. – Bitte.

 


20.06

Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Damen und Herren! Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Bun­desregierung mit dem Privatbahngesetz wieder eine zukunftsorientierte Planung für das Betreiben von Privatbahnen ermöglicht. Es ist wirklich zu betonen, dass eine große Anzahl von Privatbahnen eine positive Verkehrsentwicklung für die Zukunft unseres Landes bedeuten wird. Unsere Fraktion wird diesem Privatbahngesetz natürlich die Zustimmung erteilen.

Was das Eisenbahngesetz betrifft, so muss man sagen: Wer A sagt, muss auch B sagen. Ich meine damit, wenn es eine Pflicht ist, eine gesetzliche Hausaufgabe zu erfüllen, eine EU-Richtlinie umzusetzen, so hat diese Bundesregierung die richtigen Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Bahn gesetzt, und zwar erstens durch die Umsetzung der EU-Richtlinie und zweitens vor allem durch die, wie es von meinem Vorredner schon erwähnt wurde, notwendige Trennung von Infrastruktur und Verkehr.

Es geht auch um den gewerberechtlichen Nachvollzug, es geht auch um die Erteilung der einzelnen EU-Genehmigungen an die Unternehmen. Diese brauchen wir, um diese


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Eisenbahnnetze auch benützen zu können; weiters geht es auch um eine objektive Zu­weisung von Trassen.

Geschätzte Damen und Herren, wir müssen darauf achten, dass auch in einer zu­kunftsfähigen und zukunftsorientierten Verkehrspolitik ein leistungsfähiger öffentli­cher Verkehr notwendig ist. Wir alle wissen aber, dass besonders der Eisenbahnsektor europaweit unter enormem Druck und auch vor einem Strukturwandel steht. Und wenn in den nächsten Tagen die Erweiterung der Europäischen Union bevorsteht, so werden unsere Anforderungen auf dem Eisenbahnsektor nicht kleiner, sondern immer größer werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.09

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Bundesrat Lindin­ger. – Bitte.

 


20.09

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Damen und Herren! Allein durch die Tatsache, dass dieses Bun­desgesetz um ein Jahr zu spät behandelt und beschlossen wird, entsteht wieder einmal ein Nachteil für die ÖBB.

Warum wird die SPÖ heute dagegen stimmen? – In diesem Gesetz sind keine aus­reichenden Sanktionen für Verkehrsunternehmen vorgesehen, die die Sicherheits­vorschriften nicht einhalten; weiters hätten Bestimmungen über die Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten im grenzüberschreitenden Personaleinsatz beschlossen werden können; die psychische und physische Tauglichkeitsprüfung von Eisenbahnpersonal, das mit Sicherheitsaufgaben betraut wird, fehlt ebenso wie klare gesetzliche Rahmenbedin­gungen für die Neuerteilung von Konzessionen auf der Schiene und Bestimmungen über die Bauart und Genehmigung der Fahrbetriebsmittel – also der Waggons und Loks – sowie Wartungs- und Instandhaltungsrichtlinien für Eisenbahnfahrzeuge. All diese Bestimmungen fehlen!

Außerdem sind die Kontroll- und Sanktionsbestimmungen bei Verstößen, wie bereits erwähnt, auch nicht eindeutig geregelt. Und die Europäische Eisenbahn-, Bau-, Be­triebs- und Verkehrsordnung ist nicht so festgelegt, wie es zum Beispiel im Straßen­verkehr üblich ist.

Es gibt also keine Harmonisierung aller Sicherungssysteme im EU-Bereich, und in Zukunft ... (Staatssekretär Mag. Kukacka: Reden Sie jetzt vom Privatbahngesetz oder reden Sie jetzt vom Eisenbahngesetz?) – Vom Eisenbahngesetz!

In Zukunft können Eisenbahnunternehmen mit eigenem Personal Züge von Hamburg nach Budapest fahren, ohne dass genügend Kontrollorgane für die Überwachung vorhanden sind. Für ganz Österreich sind 25 Mitarbeiter dafür vorgesehen – für ganz Österreich! (Bundesrat Boden: Vier, die etwas ausführen!) Vier, die in die Fläche fahren; dann sind 21 für die Überwachung (Bundesrat Boden: So schauts aus!) und Verwaltung verantwortlich; das ist sehr gut organisiert.

Ich hoffe, Herr Staatssekretär, dass wir durch diese Maßnahmen keine britischen Ver­hältnisse in Österreich bekommen und unseren Standard hinunternivellieren statt ver­bessern. Derzeit haben die Österreichischen Bundesbahnen einen sehr guten Standard (Ruf bei der SPÖ: Bravo!), nämlich auch einen hohen Sicherheitsstandard; mit den erwähnten Maßnahmen werden diese Sicherheitsstandards allerdings aufge­lockert. – Jedenfalls hätten vorher einheitliche Sicherheitsstandards festgelegt gehört!

Herr Staatssekretär Kukacka, es ist sicher jedem bekannt, dass diese Bundesre­gierung und Sie als verantwortlicher Staatssekretär jede Gelegenheit nützen, um die ÖBB zu zerschlagen, um die Mitarbeiter der ÖBB zu benachteiligen und in sehr vielen


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Fällen auch zu demotivieren – das verstehe ich: das ist der politische Wille! Aber ich verstehe es nicht mehr, dass jetzt auch noch die Kunden per Gesetz verärgert werden sollen. Warum? – Eine Kollegin von der grünen Fraktion hat ja deutlich dargelegt, dass in Zukunft der Güterverkehr Vorrang vor dem Personenverkehr hat, und dass Fernver­kehrszüge hinter den Güterzügen nachfahren müssen. Vielleicht kommen dann sogar Schüler nicht in die Schule oder Pendler nicht in die Arbeit – ich glaube, es wäre auch ein großer gemeinwirtschaftlicher Schaden, der dadurch entstünde. Also ich verstehe nicht, dass da keine klaren Regelungen für den Personenverkehr im Gesetz verankert wurden!

Diese Bundesregierung behauptet immer, sie arbeite schnell. – Unter dem Grundsatz „speed kills“ verstehen Sie schnelles Arbeiten. Hier aber haben Sie etwas versäumt und die Chance für das Unternehmen nicht genützt. Es ist eine faire Chance für die Eisenbahner versäumt worden, mit einem Gesetz Rahmenbedingungen zu schaffen, um im europäischen Raum bestehen zu können.

Geschätzte Damen und Herren! Hier gilt nicht „speed kills“, sondern „sleep well!“ oder „Gute Nacht!“ für die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

20.14

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

 


20.14

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich über die weitgehende Zustimmung zum vorliegenden Privatbahngesetz, denn dieses Gesetz ist wichtig, ist ein unverzichtbarer Beitrag zu einem effizienteren Verkehrswesen in Österreich – und das will die öster­reichische Bundesregierung schaffen.

Mit dem Privatbahngesetz – es ist ja gesagt worden – wird auch eine Nachfol­gere­gelung geschaffen, die inhaltlich das an sich bestehende und bewährte Finanzie­rungssystem fortsetzt, aber nunmehr unbefristet ist. Das ist deshalb wichtig, weil damit die Planungssicherheit der Privatbahnen erhöht wird. Sie können jetzt unbefristet planen, sie wissen dann genau – weil wir gemeinsam mit ihnen auch mittelfristige In­vestitionsprogramme ausarbeiten –, wie viel Geld sie jeweils in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung haben werden.

In Österreich wurden den Privatbahnen durch den Bund in den letzten fünf Jahren jährlich rund 55 Millionen € zur Verfügung gestellt, davon 38 Millionen für gemeinwirt­schaftliche Leistungen – das sind die Abgeltung von Sozialtarifen und die Aufrecht­erhaltung von gemeinwirtschaftlichem Verkehr –, 12 Millionen € für Infrastrukturinves­titionen und 5 Millionen € für Erhaltungsmaßnahmen.

Genau diese Summen werden wir auch für die nächsten fünf Jahre fortschreiben. Das wissen die Privatbahnen bereits, sie wissen also ganz genau, mit wie viel Geld des Bundes sie rechnen können. Und dieses Geld wird in keiner Weise reduziert, wie das unterstellt wird, sondern steht (Ruf bei der SPÖ: Mit Verspätung!) in genau der gleichen Weise in Zukunft zur Verfügung.

Und das ist wichtig und gut und notwendig, denn bundesweit wurden ja von den 16 Privatbahnen 22 Millionen Passagiere und 8 Millionen Tonnen Güter befördert, was immerhin einem Anteil von 12 Prozent am Schienen-Personenverkehr und 8 Prozent des gesamten Schienen-Gütervolumens entspricht. Daran erkennen wir, dass diese


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Privatbahnen sehr wohl eine wichtige Bedeutung haben. Und in dieser Bedeutung für die Zukunft werden sie von der Bundesregierung auch hinkünftig unterstützt werden.

Herr Kollege Schimböck hat hier dargestellt, dass die Linzer Lokalbahn angeblich be­nachteiligt worden wäre, oder überhaupt die Privatbahnen durch eine verspätete Auszahlung benachteiligt worden wären. – Niemand wurde benachteiligt! Das Geld wurde spät, aber rechtzeitig ausgezahlt! (Bundesrat Schimböck: ... Faktum!) Die Pri­vatbahnen haben das gewusst, das ist mit ihnen auch so vereinbart gewesen. (Bundesrat Schimböck: Und die Zinsen bezahlen müssen!) – Dazu komme ich noch, Herr Kollege.

Dem Wunsch mancher Privatbahnen, zum Beispiel der LILO, dass auch die Fahr­betriebsmittel gefördert werden sollen, können wir nicht mehr nachkommen. Das geht eben nicht mehr, erstens, weil wir eine Gleichbehandlung mit den Österreichischen Bundesbahnen sicherstellen müssen – auch die Österreichischen Bundesbahnen bekommen ihre Fahrbetriebsmittel vom Bund oder von sonst wem nicht gefördert, sondern nur eine Förderung beziehungsweise eine Bezahlung ihrer Infrastruk­turin­vestitionen, Herr Kollege Schimböck, und deshalb muss diese Gleichstellung auch bei den Privatbahnen erfolgen –, und zweitens, weil das auch die neuen EU-Richtlinien festlegen, da es sonst etwa durch die Liberalisierung dazu käme, dass wir nicht nur österreichische Unternehmen, die auf unseren Schienen fahren, in ihren Betriebs­mitteln fördern müssten, sondern allenfalls auch private ausländische Bahnen. In Zu­kunft würden diese auf Grund der Liberalisierung in Österreich fahren, und wir müssten sie in derselben Weise – weil sie nicht diskriminiert werden dürfen, da wir einen einheitlichen Wirtschaftsraum haben – fördern. – Also ist das eine sehr sinnvolle und richtige Maßnahme; niemand wird dabei benachteiligt.

Die LILO hat das leider in der Vergangenheit nicht ausreichend ernst genommen, obwohl es diese Regelung schon seit fünf Jahren gibt. Deshalb ist es auch zu Prob­lemen gekommen. Die Zahlungen an die LILO für 2003, Herr Kollege, wurden erst deshalb im Jahr 2004 geleistet – und deshalb sind möglicherweise, ich weiß es nicht, auch Zinszahlungen durch den Eigentümer, nämlich durch die Stadt Linz, angefallen –, weil dieses Übereinkommen über die Finanzierung von Investitionen und Erhaltungs­maßnahmen seitens der LILO erst am 13. Jänner 2004 unterschrieben wurde! Ich habe hier (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) den Vertrag, unterschrieben von Landeshauptmann-Stellvertreter Haider und Stern & Hafferl, aus dem ganz klar hervorgeht, dass die Verzögerung bei der LILO liegt, weil der Bund die Förderung selbstverständlich nicht ausbezahlen kann, bevor der Förderungsnehmer den ent­sprechenden Vertrag überhaupt unterschrieben hat. Wenn da also jemand etwas ver­zögert hat und bei irgend jemandem ein Problem aufgetaucht ist, dann bei der LILO, Herr Kollege! Dort sollten Sie hingehen und sich erkundigen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Als oberösterreichischer Mandatar sollten Sie sich überhaupt ein bisschen mehr um die LILO kümmern, gerade auch weil diese einen sehr hohen Schuldenstand aufweist, der nicht entsprechend nachvollziehbar ist. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Eigentlich müssten sich da auch der Aufsichtsrat und die Stadt Linz längst einschalten, weil die Gesellschaft laut eigenen Aussagen eben diesen Schuldenstand von 10 Millionen € aufweist, was 300 Prozent des jährlichen Zuschusses des Bundes ausmacht, Herr Kollege! Fragen Sie einmal nach, wie die Geschäftsführung dort läuft und was dort alles nicht in Ordnung ist, bevor Sie die Förderung des Bundes kritisieren! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Schimböck.)

Es verwundert jetzt natürlich nicht, dass der Finanzstadtrat von Linz, Herr Johann Maier, nun auf einmal möchte, dass das Land Oberösterreich die Anteile der Stadt Linz an der LILO übernimmt. Natürlich, denn das ist ja ein bekanntes Muster: In großen


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sozialistischen Kommunen verschulden sich städtische Unternehmen, sodass sie kaum mehr finanzierbar sind, und dann kommt diese Stadt zum Land und sagt: Bitte nehmt uns dieses Unternehmen ab! Wir können es uns nicht mehr leisten! Das Land soll es übernehmen! – Das, Herr Kollege, ist nicht die Politik, die wir vertreten! (Bun­desrat Dr. Gumplmaier: Nicht die Tatsachen verdrehen!) Kümmern Sie sich also zuerst einmal darum, dass die Angelegenheiten in Ihrem Bereich stimmen, dann können Sie den Bund kritisieren! Dann haben Sie ein moralisches Recht dazu, aber vorher nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Abschließend, meine Damen und Herren: Mit der Novellierung des Eisenbahngesetzes schaffen wir mehr Wettbewerb, fördern wir höhere Effizienz, vollziehen freien Zugang zum Schienennetz und schaffen überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass die Bahn in Österreich gut ins 21. Jahrhundert kommen kann. Wir setzen damit nicht nur europäisches Recht um, sondern beschließen in Wirklichkeit auch einen verkehrs­politischen Meilenstein (ironische Heiterkeit bei der SPÖ): nämlich mehr Wettbewerb, mehr Effizienz und mehr Kundenorientierung, und ich bedaure, dass die Opposition nicht in der Lage ist, dieser Gesetzesvorlage zuzustimmen!

Meine Damen und Herren! Wozu sagt die Opposition heute nein? – Sie sagt nein zu einem diskriminierungsfreien Zugang im österreichischen Schienennetz. Sie sagt nein zu einer Marktöffnung für einen grenzüberschreitenden Güterverkehr. Sie sagt nein zu einer verbesserten Wettbewerbsaufsicht durch die Schienen-Control GmbH. Sie sagt nein zu klaren Regelungen über den Zugang zu den Trassen und zur Trassenvergabe. Sie sagt nein zu einer EU-konformen Festsetzung des Schienenbenützungsentgeltes. Sie sagt nein zu einer Verbesserung der Interoperabilität des europäischen Schie­nennetzes und damit auch zu einer Beschleunigung des Schienenverkehrs insgesamt! (Bundesrat Reisenberger: Wir sagen nein zu einer Störung der Bahn und zu dieser Regierung!)

Das sollten Sie sich vor Augen führen, gerade wenn Sie immer auch als Verteidiger der Österreichischen Bundesbahnen auftreten! Mit dieser heutigen Entscheidung wählen Sie jedenfalls die falsche Politik und haben Sie einen falschen Zugang auch zum Schienenverkehr!

Die Liberalisierung und der Wettbewerb im Schienenverkehr, meine Damen und Her­ren, gehen weiter. (Bundesrat Reisenberger: Ist das eine gefährliche Drohung?) Diese Bundesregierung wird diesen Trend auch weiter unterstützen und fördern, denn das ist richtig: im Interesse der österreichischen Bahn und im Interesse des österreichischen Verkehrswesens. Diese Liberalisierung ist die Voraussetzung dafür, dass die Bahn in Österreich in diesem Jahrhundert überhaupt eine Zukunft hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.26

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt noch eine Wortmeldung von Kollegem Schimböck vor. – Bitte.

 


20.26

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Ich bin etwas verblüfft, wie bescheiden die Informationen sind, Herr Staatssekretär, die Ihnen dazu offensichtlich vorliegen, denn ich habe zuerst ohnehin alles eingehend erläutert. Sie können keine Infrastrukturzuwendungen leisten, weil Sie auf Grund Ihrer Säumigkeit nicht einmal Richtlinien haben!

Ich habe das eingehend erklärt. Herr Staatssekretär, Sie müssen jetzt praktisch be­ginnen, Richtlinien mit neun Landeshauptleuten, mit neun Landesfinanzreferenten und mit neun Landesverkehrsreferenten auszuarbeiten. Für mich ist das unvorstellbar! Dieses Gesetz könnte bereits mit 1. Jänner wirksam sein! Man hätte es im Vorjahr in


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diesem Haus und vorher im Nationalrat beschließen können! Man hätte agieren kön­nen. Sie hätten das zweite Halbjahr 2003 dazu verwenden können, das alles mit neun Lan­deshauptleuten, mit den Landesfinanzreferenten, die manchmal mit diesen in Per­sonalunion auch identisch sind, und mit den Landesverkehrsreferenten auszu­handeln.

Ich bin mir nicht sicher, aber ich nehme doch an – und ich habe in diesem Zu­sam­menhang zumindest einmal ein ausführliches Gespräch in der Radiosendung „Linzer­torte“ vernommen –, dass Sie, Herr Staatssekretär Kukacka, noch viel Zeit in Ihrer Hei­matstadt verbringen. Sie müssen daher eigentlich wissen, dass die LILO eigentlich nur ungefähr drei Kilometer im Stadtgebiet Ihrer Heimatstadt fährt – und sonst den länd­lichen Verkehrsraum bedient und dass es eine klare Einigung zwischen dem Land Ober­österreich und der Stadt Linz über die Neuaufrüstung mit Garnituren gegeben hat. Ich glaube nämlich, dass man den vielen Fahrgästen – es sind jetzt übrigens, Herr Staatssekretär, über 1 Million, vor etwa zehn Jahren waren es nicht einmal die Hälfte! – doch sagen muss, dass offensichtlich Staatssekretär Kukacka aus Oberösterreich der Meinung ist, dass man mit diesen Waggons, die man aus Köln hatte und die zum Teil zwischen 35 Jahren und einem halben Jahrhundert alt sind, weiterhin von Eferding und Peuerbach herunterrumpeln sollte.

Manche brauchen eben die öffentlichen Verkehrsmittel. Ich weiß nicht, dass Ihnen das nicht einleuchtet! Es hat diese Investition im Einvernehmen mit dem Land gegeben, und jetzt wird diese Firma, die übrigens von einem Parteifreund von Ihnen geführt wird, vom Fachgruppenvorsteher Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer wie ein Schul­denmacher hingestellt wird! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte mir wirklich verbitten, dass man mit einer so bescheidenen Sachkenntnis in dieser ganzen Angelegenheit hier antritt, Herr Staatssekretär! Im Hinblick darauf bitte ich Sie wirklich eindringlichst, etwas schneller zu agieren! Mein Vorvorredner hat das wirklich gut gesagt: Immer wieder wurde das Wort Ihres Klubobmannes „speed kills“ zitiert. Es ist dies ein sehr grausliches Wort, das ich ablehne, und ich frage mich, wie ein so hässliches Wort mit eurer christlich-sozialen Gedankenwelt beim politischen Agieren überhaupt vereinbar ist. Aber drehen Sie das doch einmal um und versuchen Sie wirklich, hier Tempo in einem positiven Sinn zu machen! Versuchen Sie, we­nigstens heuer etwas zuwege zu bringen! Pünktlich ist es gar nicht mehr möglich. Sie können diese Ausschüttung nicht machen, Herr Staatssekretär, denn Sie haben nicht einmal Richtlinien! Diese liegen nicht auf dem Tisch! Irgendwo in der Bundes­wirt­schaftskammer liegt ein Papier, das man nicht aus der Hand gibt, weil man sagt, dass man damit alle 16 Privatbahnbetreiber sehr verunsichern würde.

Herr Staatssekretär Kukacka, ich bitte Sie, da positiv tätig zu werden! Stellen Sie das Ganze hier nicht so dar, als ob diese Bahn verschuldet wäre! Sie werfen im Glashaus mit Steinen! Es ist dies ein Beschaffungsvertrag, der gemeinsam mit dem Land Oberösterreich ausgehandelt wurde und der eine gewisse Qualität für die Verkehrs­infrastruktur der zahlreichen Einpendler gebracht hat. Herr Staatssekretär Kukacka, machen Sie jetzt nicht Ihre Heimatstadt schlecht, nur weil Sie Argumentationsnotstand haben! Das haben nämlich auch Sie nicht notwendig! – Danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gelangt nochmals Herr Staatssekretär Kukacka. – Bitte.

 


20.30

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es gehört nicht zu den Usancen hier, von der Regierungsbank aus zu polemisieren – so, wie Sie das hier getan haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Ich brauche das aber auch gar nicht zu tun, sondern mich nur an die Fakten zu halten, und die Fakten sind ganz klar.

Die Privatbahnen haben im Jahr 2003 ihr Geld bekommen, so, wie das vereinbart wurde. Die LILO hat das Geld im Jahr 2003 nicht erhalten, sondern erst Ende Jänner 2004, weil die LILO nicht in der Lage war, den entsprechenden Vertrag rechtzeitig zu unterschreiben. – Das ist die klare Lage, daran führt nichts vorbei. Das wird Ihnen auch die LILO so bestätigen müssen.

Meine Kritik richtet sich ganz sicherlich nicht an das Land Oberösterreich (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Danke!), weil das Land Oberösterreich jene Gebietskörperschaft ist, die wirklich sehr viel gerade auch für den öffentlichen Verkehr tut. Und dass es diese LILO überhaupt gibt, obwohl sich ihr Eigentümer, nämlich die Stadt Linz, viel zu wenig um sie kümmert und auch viel zu wenig Geld dafür zur Verfügung stellt, liegt ja nur daran, dass sich das Land Oberösterreich so überdurchschnittlich an der Finanzierung dieses Unternehmens beteiligt, meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, und daran führt kein Weg vorbei! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen.)

20.33

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die, wie gesagt, über die beiden Beschlüsse getrennt erfolgt.

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend das Privatbahngesetz 2004.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nom­men.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Eisenbahngesetz 1957 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle) (358/A und 427 d.B. sowie 7032/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Stadler übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 



Bundesrat
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Berichterstatter Werner Stadler: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (23. KFG-Novelle).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 14. April 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Es geht um die Abstimmung der 23. Kraftfahrzeuggesetz-Novelle, und ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) (370 d.B. und 439 d.B. sowie 7002/BR d.B. und 7033/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung,

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Auer übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Johanna Auer: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 14. April 2004 mit Stim­men­mehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


20.36

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Bei der Begrüßung habe ich heute zu Herrn Minister Böhm­dorfer gesagt: Bringen Sie mir bitte einmal ein solches Gesetz, dass ich bei Ihnen nicht immer kontrareden muss! – Ich muss es auch heute. (Bundesrat Weiss: Das muss an Ihnen liegen!) Nein, das muss nicht an mir liegen! Sie erwischen immer hauchdünn die Kurve nicht! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Die Gesetze, die seitens des Justizministers in den letzten Monaten vorgelegt wurden und die wir hier behandelt haben, sind vom Prinzip und auch von der Tendenz und der Zielwirkung her richtig, aber es fehlt immer ein kleines bisschen etwas, und darüber müssen wir reden. Ich werde meine Ablehnung auch begründen und bin neugierig, wie Kollege Böhm es heute machen wird, denn so einfach wird das nicht sein.

Meine Damen und Herren! Es ist vollkommen klar: In einem gemeinsamen Europa muss man im Bereich der Justiz und der Sicherheit zusammenarbeiten. Das bedeutet natürlich, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihr Strafverfolgungsmonopol partiell freigeben. Die Frage ist: Wenn jetzt das bisherige Monopol des Staates zurückweicht, wie wird das kontrolliert? Wir geben das frei, und der europäische Haftbefehl wird wirk­sam.

Das Ganze erfolgte in Form eines Rahmenbeschlusses. Minister Böhmdorfer hat na­mens Österreichs verhandelt, und er hat quasi eine Sonderlösung für Österreich verhandelt. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Diese Sonderlösung erinnert mich fatal an das, was wir alle kritisiert haben, dass nämlich die USA gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof ihren Wunsch durchgesetzt haben, dass Amerikaner nirgendwo verfolgt werden dürfen: außer im eigenen Land. – Und genau eine solche „Lex Austriaci“ haben wir jetzt in diesem Gesetz!

Sie werden sich alle an die Bilder des fürchterlichen Unfalles erinnern, als ein ameri­kanischer Tiefflieger in Italien das Seil durchtrennte, die dafür verantwortlichen Piloten nach italienischem Recht aber nicht angeklagt werden konnten – und dann in Amerika eine läppische Verhandlung bekommen haben. Angesichts der vielen Toten hätte die Frage der Verantwortung anders behandelt werden müssen!

Diese Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls gegen Österreicher ist unzulässig – und das beschließen Sie heute –, wenn diese Tat nach österreichischem Recht ge­richtlich strafbar ist und in den Geltungsbereich österreichischer Strafgesetze fällt. Ein Österreicher/eine Österreicherin darf nur ausgeliefert werden, wenn diese Tat in Österreich nicht strafbar ist. Das ist eine Ausnahmesituation, der man durchaus auch etwas abgewinnen kann, wenn sie nicht unterschiedlich angewendet wird für Men­schen, die in Österreich wohnen. Für jemanden, der von Geburt an seinen Lebensmit­tel­punkt in Österreich hat, aber nicht österreichischer Staatsbürger ist – jedoch hier lebt, arbeitet, Kinder hat und integriert ist –, gilt dieser Schutz nicht; diese betreffende Person kann selbstverständlich ausgeliefert werden.

Unser Vorschlag war eine neue Materie. Wenn wir hier schon einen österreichischen Vorbehalt ausgehandelt haben, warum ist der zu knapp ausgefallen? Warum hätte dieser Vorbehalt nicht ein Stück weiter einen interessanten Rechtsboden betreten können, dass er nämlich auf alle in Österreich dauerhaft wohnhaften Personen ausge­dehnt wird und dass damit diese Personengruppe auch denselben Schutz vor Aus­lieferung wie österreichische StaatsbürgerInnen hat?!

Aber die Sache wird ja jetzt heikler. Wenn eine irische Frau in Österreich einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt: Kann nun, muss nun ausgeliefert werden? In Österreich ist das ja nicht strafbar, in Irland ist es strafbar. (Bundesrat Mag. Gudenus: Es ist straffrei gestellter Mord!) – Herr Gudenus, ich möchte jetzt nicht mit Ihnen über Schwangerschaftsabbruch debattieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das Beispiel haben Sie hereingebracht!) Nein, nicht zu dieser Stunde, Herr Gudenus, wir werden vielleicht eine andere Gelegenheit finden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Bitte lassen Sie mich jetzt dies ausführen, ich möchte es nur ansprechen im Interesse aller Frauen, die in diese Situation kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja hier nicht strafbar!) Herr Gudenus, jede Frau, die sich dazu entschließt, einen Schwanger­schaftsabbruch vorzunehmen, tut das doch nicht aus Jux und Tollerei, dessen können


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Sie sicher sein! (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja hier nicht strafbar!) Aber jede Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt – und das bei einer Gesetzesgrundlage, die sie gerne hätte –, heißt, die Frau zu kriminalisieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, in Österreich ist es straffrei!) Da sagen wir sicher: Nein, das wird niemals mehr in der Republik vorkommen, Herr Gudenus! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bun­desrat Mag. Gudenus: Freiheit ist nicht durch den Tod zu erreichen!) – Aber diese irische Staatsbürgerin ist nun letztlich auch von der Auslieferung bedroht!

Oder nehmen wir einmal ein anderes Beispiel her. Ein österreichischer Unternehmer stellt seine Ersatzteillieferungen für ein maßgebliches französisches Unternehmen ein; das Unternehmen braucht aber diese Bestandteile. Das würde nach französischem Recht Sabotage sein, nach österreichischem Recht jedoch nicht. Wäre dann der Österreicher künftig nach Frankreich auszuliefern? – Sie sehen, dieses Zurück­wei­chen ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben Unrecht!) Herr Gudenus, lassen Sie mich das jetzt sagen! – Das Zurückweichen des eigenen Strafverfolgungsmonopols und die Überprüfung dessen, was hier frei wird und was das bedeutet, ist nicht so einfach. Wir sagen, dass das zu kurz greift.

Worüber Professor Böhm und ich uns bereits im Ausschuss ein bisschen verständigt haben – mehr sage ich dazu jetzt nicht, weil ja Professor Böhm auch selbst sprechen wird –, kann man vielleicht so bezeichnen: Es ist unsere gemeinsame Sorge über die Rechte der Betroffenen.

Wenn es nun einen Europäischen Haftbefehl gibt, wie sieht das Recht und die Rechts­lage für den davon Betroffenen aus? – In der Strafprozessordnung sind die Verfahrens­rechte unter § 49 klar geregelt. Das ist bei diesem Gesetz, bei diesem Rahmenbe­schluss nicht der Fall, die Rechte, die Verfahrensrechte der Betroffenen/des Betroffe­nen sind nicht explizit geregelt.

Was hier für uns weiters von Bedeutung ist, ist zum Beispiel die Frage: Gibt es einen Dolmetscher? Gibt es die Zur-Verfügung-Stellung eines Dolmetschers? Ist das geklärt?

Oder: Es gibt in Österreich bestimmte Straftaten, bei denen das Prinzip der notwen­digen Verteidigung, die Pflichtverteidigung festgelegt ist. Wenn jetzt jemand von einem Europäischen Haftbefehl bedroht ist, sozusagen das Strafmonopol des eigenen Landes verlässt und ausgeliefert wird: Ist das denn nicht ein Fall für eine notwendige Verteidigung? Wäre da nicht vorzusehen, meine Damen und Herren, dass es so etwas wie eine Pflichtverteidigung im eigenen Land gibt, um a) sprachlich und b) auch mit den Gesetzesmaterien des um Auslieferung begehrenden Landes dem Betroffenen zu helfen? – Das ist jedoch nicht vorgesehen!

Das sind die Gründe – und vor allem sind es die letzteren Gründe: die mangelnde Rechtssicherheit für die Betroffenen –, die uns zur Ablehnung dieses Gesetzes veranlassen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.46

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


20.46

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das heute zur Beschlussfassung vorliegende Bundesgesetz über die justizielle Zusam­menarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist aus Sicht freiheitlicher Rechtspolitik gewiss nicht ganz unproblematisch; das räume ich ein. Das einmal deshalb, weil es für uns an sich immer ein unverzichtbarer Rechtsgrundsatz war, dass Inländer nicht an das Ausland auszuliefern sind – und das auf Grund des


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Per­sonalitätsprinzips nicht einmal im Hinblick auf im betreffenden Auslandsstaat begangene Straftaten; zum anderen aber auch aus einer rechtspolitischen Grund­annahme, die freilich, ich bin mir dessen bewusst, aus gemeinschaftsrechtlicher Per­spektive prekär erscheinen mag: Wir sind nicht voll davon überzeugt, dass alle Justizsysteme der Europäischen Union – und das gilt umso mehr in Bezug auf die neuen Mitgliedstaaten, auf Grund der so genannten Osterweiterung – völlig gleich­wertig sind.

Wenn wir Freiheitlichen diesem Bundesgesetz dennoch – das heißt ungeachtet unse­rer sachlich fundierten, ernsthaften Bedenken – zustimmen werden, so bedarf das näherer Begründung. Die formale Rechtfertigung dafür liegt zweifellos allein schon in den verbindlichen Vorgaben der Europäischen Union und dem bereits erwähnten Rah­menbeschluss. Mehr als erfolgreichen Widerstand gegen eine Europäische Staatsan­waltschaft konnte Österreich nicht leisten. Der so genannte Europäische Haftbefehl war vor allem im Hinblick auf die internationale Sicherheitslage nicht zu verhindern. Im­merhin ist dabei aber unserem Justizminister die Wahrung ganz entscheidender rechtsstaatlicher Garantien gelungen. Das gilt vorrangig für die materielle, also die inhaltliche Seite der justiziellen Zusammenarbeit, die ja im Grenzfall auf die Auslie­ferung auch eines österreichischen Staatsbürgers als mutmaßlicher Straftäter hinaus­laufen kann, wenn auch – das wurde schon angesprochen – erst ab 1. Jänner 2009 und nur wegen Taten, die nach dem 7. August 2002 außerhalb unseres Bundes­gebietes begangen wurden.

Ein Katalog von europaweit verankerten Straftatbeständen ist erstellt worden, der auch uns verpflichtet. Seine inhaltliche Ausgestaltung erlaubt aber das rechtspolitische Wert­urteil, dass wir im Ergebnis an dem unsere bisher abgeschlossenen Auslieferungs­verträge prägenden Grundsatz festhalten können, dass eine die Auslieferung rechtfer­tigende Tathandlung nicht nur im ersuchenden, also ausstellenden Staat, sondern auch in Österreich strafbar sein muss. – Insofern ist die Besorgnis von Kollegen Schennach nicht begründet. – Diesen inhaltlichen Grundwertungen darüber, was aus unserer Sicht strafbar ist, wurde im europäischen Katalog weitestgehend entsprochen.

Darüber hinaus trägt das vorliegende Gesetz auch den unverzichtbaren Verfahrensga­rantien durchaus Rechnung. So ist gemäß § 19 Abs. 4 die Vollstreckung des Euro­päischen Haftbefehls dann abzulehnen, wenn die Übergabe der betroffenen Person die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze ver­letzen würde – also insbesondere die Grundsätze der Europäischen Menschen­rechts­konvention – oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Haftbefehl zum Zweck der Verfolgung oder Bestrafung der betroffenen Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugung oder auch sexuellen Ausrichtung erlassen worden ist oder die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt würde.

Gewiss werden einem von einem ausländischen Europäischen Haftbefehl betroffenen Inländer nicht die rechtsstaatlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe eines inländischen Strafverfahrens zuteil. Das ist aber deshalb akzeptabel, weil es in diesem Verfah­rensstadium lediglich um die Auslieferung, noch nicht aber um das Hauptverfahren, das eigentliche Strafverfahren geht. In diesem müssen dann alle Verfahrensgarantien des nationalen, aber auch des internationalen Rechts, also insbesondere der Euro­päischen Menschenrechtskonvention, sehr wohl Geltung haben.

Uneingeschränkt zu begrüßen ist die rechtliche Verankerung von EUROJUST und des Europäischen Justiziellen Netzes sowie die Möglichkeit der Bildung gemeinsamer Er­mittlungsgruppen.


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Aus dieser Interessensabwägung heraus können auch wir Freiheitlichen – trotz aller Bedenken – diesem Gesetz, das EU-Vorgaben rechtsstaatlich bestmöglich umsetzt, durchaus zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.51

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminis­ter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


20.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Herr Bundesrat Schennach, ich danke für den Hinweis, dass Sie nach einem Gesetz suchen, das Sie begrüßen können. Ich nenne Ihnen eines: Die Strafprozessordnung hätten Sie begrüßen können; Sie waren dagegen. Aber unverständlich ist, zuerst dagegen zu stimmen – und dann zu verlangen, dass man dieses Gesetz vorzieht! Insofern haben Sie es jetzt immerhin nachträglich begrüßt, auch wenn Sie vorher durch Ihr Stimmverhalten die Tatsache, dass Sie dieses Gesetz wünschen, nicht unbedingt dokumentiert haben.

Heute haben Sie wieder etwas Ähnliches moniert: Sie vermissen Verfahrensgarantien, die Herr Professor Böhm hier gerade erwähnt hat. Diese Verfahrensgarantien, die Sie vermissen, sind, soweit sie noch nicht österreichischer Rechtsbestand sind, in eben dieser Strafprozessordnungs-Novelle enthalten, der Sie jedoch nicht zugestimmt haben. Daher besteht auch in diesem Zusammenhang ein Widerspruch in Ihrer Argu­mentation. – Das ist das eine.

Das andere ist: Wir alle, auch die Europäer, waren nach dem 11. September 2001 in einer äußerst schwierigen und betroffenen Situation. Es war so, dass schon wenige Tage nach den Terroranschlägen des 11. September die EU den Europäischen Haft­befehl von den Mitgliedstaaten verlangt hat. Alle Staaten hatten konkrete Sorgen und konkrete Bedenken, weil niemand – kein Staat, und Österreich schon gar nicht – leicht­fertig eigene Staatsbürger ausliefern kann. Deshalb haben wir dieses Gesetz beson­ders genau verhandelt, und nur deshalb hat Österreich einen besonderen Verhand­lungserfolg zu erzielen, nämlich den, dass wir gerade die Bestimmung über die Auslie­ferung von Inländern erst fünf Jahre später, im Vergleich zu den anderen Staaten, umsetzen müssen. Dies auch, um Erfahrungen sammeln zu können.

Wir haben darüber hinaus diesen Rahmenbeschluss so umgesetzt, dass wir kein ver­nünftiges Beispiel finden, demzufolge gegen unseren Willen ein Inländer ausgeliefert werden müsste. Ich sage bewusst „kein vernünftiges Beispiel“, denn der Schwan­ger­schaftsabbruch, von dem Sie sprechen, ist nicht auslieferungsbedroht, da von der Auslieferung nur Tötungsdelikte betroffen sind und der Schwangerschaftsabbruch kei­ne Tötung in eben diesem strafrechtlichen Sinne ist. Daher ist das Beispiel, das Sie hier gebracht haben, ebenso wie das andere Beispiel, nämlich das Sabotage-Beispiel aus Frankreich, nicht vernünftig konstruiert, und deshalb braucht niemand, auch keine irische Bürgerin, Sorge zu haben, dass sie von Österreich ausgeliefert werden könnte – ungeachtet aller anderen Problematiken, die sich aus dieser Diskussion ergeben könnten.

Worum geht es nämlich? – Es darf nur wegen solcher Delikte ausgeliefert werden, die in der so genannten Positiv-Liste enthalten sind und die – das wird ja übersehen – außerdem mit mehr als drei Jahren bedroht sind. – Das ist das eine.

Bedenken Sie auch die Form der Umsetzung, Herr Bundesrat Schennach! Wenn we­gen des auszuliefernden Deliktes in Österreich ein Strafverfahren eingeleitet und be­endet wurde – gleichgültig, wie es beendet wurde, nämlich auch durch bloße Ein-


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stellung oder durch Zurücklegung der Anzeige –, kann in der Folge nicht mehr aus­geliefert werden! Es darf nicht mehr ausgeliefert werden!

Deshalb bitte ich zu beachten, dass wir da in der Umsetzung wirklich sehr sorgfältig waren. Ich bedanke mich vor dem Hohen Bundesrat bei Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Stefan Benner, der hier ist und der diese hoch qualifizierte juristische Arbeit für uns geleistet hat, um die uns in ihrer Präzision, in ihrer Tragweite und ihrer Richtigkeit in der Wahrung des österreichischen Standpunktes ganz Europa beneiden kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich darf darüber hinaus abschließend erwähnen, dass wir eine Fülle von anderen Ge­setzen beschlossen haben, denen Sie zugestimmt haben – dies merke ich nur an, weil Sie es erwähnt haben. Die Konsensquote im Justizbereich ist gleich jener in den Jahrzehnten davor! Wir machen also dieselbe Konsenspolitik und sind bemüht darum: wie in vergangenen Jahren. Deswegen hat es mich ein bisschen betroffen gemacht, dass Sie, Herr Bundesrat Schennach, so leichtfertig sagen: Bringen Sie mir endlich ein Gesetz, dem ich zustimmen kann! – Bei näherer Betrachtung werden Sie wohl sehen (Bundesrat Schennach: Ich habe ja von diesem Jahr gesprochen!), dass die große Mehrheit aller Gesetze des Justizressorts zustimmungsfähig ist und vor allem auch dann von der Bevölkerung begrüßt wird, wenn Sie mit Ihrer Fraktion ursprünglich dage­gen waren.

Nochmals vielen Dank für die trotz allem hoch stehende Debatte, vor allem für die Beiträge von Herrn Professor Böhm, die die schwierige Problematik dieses Gesetzes­werkes haben erkennen lassen. Wir haben einen wichtigen Schritt in Richtung Europa getan. Es werden uns ähnliche Schritte dieser Art nicht erspart bleiben, denn die EU versteht sich als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes, und da muss man eben die eine oder andere Konzession machen. Das ist das Ergebnis des Zusam­menwachsens, das müssen wir erlernen, und das müssen wir auch akzeptieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.58

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach. (Bundesrat Bieringer: Geh! ... muss nach Vorarlberg fahren und den Zug erwischen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


20.58

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): In Wien gibt es auch Herbergen für Vorarlberger. Aber umgekehrt haben wir ja die Herbergsuche. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) Nein, ich möchte nur ganz kurz einen Satz zu Herrn Minister Böhmdorfer sagen. Erlauben Sie mir doch, dass ich aus Höflichkeit zu Herrn Minister Böhmdorfer einen Satz sage – bitte, Herr Kollege Bieringer, so viel Zeit muss sein! (Bundesrat Mag. Gudenus: Eine Entschuldigung!)

Lieber Herr Minister Böhmdorfer, Sie wissen ganz genau, dass wir vom Grundprinzip her bei der Strafprozessordnung einer Meinung waren. (Bundesrat Bieringer: Zuerst redet er eine halbe Stunde ...!) Ich habe auch hier gesagt, es war ein taktisches Nein, damit wir bei den Nachbesserungen auf jeden Fall einen Fuß in der Türe haben und zu diesen Nachbesserungen kommen. Sie haben die Strafprozessordnung erwähnt, und ich habe hier vom Rednerpult aus gesagt, dass das genau der richtige Weg ist, der gegangen werden sollte. Ich habe auch hier Ihre Arbeit in dem Zusammenhang ausdrücklich gewürdigt. Insofern war es von Ihrer Seite nicht ganz korrekt. Ich habe


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hier extra gesagt, es ist ein taktisches Nein, das wir ausgesprochen haben, und es war kein inhaltliches Nein.

Das wollte ich nur klarstellen, ohne eine tatsächliche Berichtigung zu machen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Und nun wünsche ich Herrn Präsidenten Weiss eine gute Reise nach Vorarlberg! (Bundesrat Dr. Kühnel: Wo er doch eh schon so lange in Wien war!)

20.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es dazu noch eine Wortmeldung? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Es handelt sich um den Beschluss des Nationalrates vom 25. März 2004 betreffend ein Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

32. Punkt

Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zum 32. Punkt der Tagesordnung. Es ist dies die Wahl eines Vertreters Österreichs in die Parla­men­tarische Versammlung des Europarates.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor. Dieser Wahlvorschlag lautet auf Herrn Bundesrat Hans Ager als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekannt gegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. Herr Bundesrat Hans Ager ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europa­rates gewählt. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf Ihnen herzlich dazu gratulieren und wünsche Ihnen für Ihre Tätigkeit in Straß­burg wirklich alles, alles Gute! Herzliche Gratulation und alles Gute!

33. Punkt

Selbständiger Antrag 137/A-BR/2004 der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Al­brecht Konecny, Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen – auf Grund der ergänz­ten Tagesordnung – zum nunmehrigen Punkt 33 der Tagesordnung betreffend Abhal­tung einer Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Die Überwindung der ‚Digital Divide‘ als regionale Herausforderung“.

Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.


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Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 137/A des Bun­desrates aus 2004.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Auch hier ist Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag auf Abhaltung einer Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangenen Selbständigen Antrag 137/A des Bundesrates aus 2004 verweisen.

Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 25 Anfragen eingebracht wurden.

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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist der 19. Mai 2004, 9 Uhr, in Aussicht genommen. Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Na­tionalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht be­ziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen hiefür sind für Montag, den 17. Mai, ab 14 Uhr, vor­gesehen.

In diesem Zusammenhang, verehrte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch darauf hinweisen, dass es im Hinblick auf die Neuwahl der Ausschüsse durch die Neuve­teilung der Mandate im Bundesrat infolge der Konstituierung des neu gewählten Landtages in Salzburg erforderlich sein wird, die Durchführung einer kurzen Plenar­sitzung in Aussicht zu nehmen. In Aussicht ist genommen Montag, der 17. Mai 2004, im Anschluss an die Präsidialkonferenz. Das wird um 11.45 Uhr sein. Bitte vorzu­merken: Montag, 17. Mai, eine ganz kurze Plenarsitzung für die Neuwahl der Aus­schüsse.

Ich darf Ihnen allen eine gute Heimreise wünschen! Bleiben Sie gesund und kommen Sie auch gesund wieder zur nächsten Sitzung!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.05 Uhr

 

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