Stenographisches Protokoll

715. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 25. November 2004

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

715. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 25. November 2004

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. November 2004: 9.03 – 21.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz, BGBl. I Nr. 46/2004, geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2004)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-Novelle 2004)

6. Punkt: Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffent­lichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Bundes­gesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, das Waffengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Bundesforstegesetz 1996, das Pensionsgesetz 1965, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbei­terkammergesetz 1992, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Bundespflege­geldgesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Glücks­spielgesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz und das Umweltförderungsgesetz geändert sowie Regelungen über die Veräußerung von Bundesanteilen an der Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH Villach und an der Entwicklungsgesellschaft Aichfeld-Murboden Gesellschaft m.b.H. getroffen werden (Budgetbegleitgesetz 2005)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 2

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Schüssel betreffend Nominierung eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz                    32

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 8

Fragestunde (107.)

Verkehr, Innovation und Technologie ........................................................................ 8

Franz Wolfinger (1375/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum, Manfred Gruber

Karl Boden (1379/M-BR/04); Ferdinand Tiefnig, Mag. John Gudenus, Stefan Schennach

Engelbert Weilharter (1383/M-BR/04); Eva Konrad, Helmut Wiesenegg, Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger

Martina Diesner-Wais (1376/M-BR/04); Ing. Siegfried Kampl, Stefan Schennach, Albrecht Konecny

Ewald Lindinger (1380/M-BR/04); Mag. Bernhard Baier, Roland Zellot, Dr. Ru­perta Lichtenecker

Elisabeth Kerschbaum (1384/M-BR/04); Martina Diesner-Wais

Mag. Bernhard Baier (1377/M-BR/04); Dr. Peter Böhm, Dr. Ruperta Lichtenecker, Karl Boden

Helmut Wiesenegg (1381/M-BR/04); Franz Wolfinger, Mag. John Gudenus, Stefan Schennach

Gottfried Kneifel (1378/M-BR/04); Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichtenecker, Albrecht Konecny

Ing. Reinhold Einwallner (1382/M-BR/04); Edgar Mayer, Eva Konrad

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 34

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  32, 193

Dringliche Anfragen


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 3

der Bundesräte Eva Konrad, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend schwarz­blaue Umfärbung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (2273/J-BR/2004) ................................................................. 113

Begründung: Eva Konrad ............................................................................................ 114

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 120

Debatte:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 124

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 127

Stefan Schennach ...................................................................................................... 130

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 132

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 137

Angela Lueger ............................................................................................................ 137

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 140

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 142

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 143

Johanna Auer ............................................................................................................. 144

Eva Konrad ................................................................................................................. 146

der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließungswelle von Postämtern – „Herr Vizekanzler, handeln Sie!“ (2274/J-BR/2004) ......................................................................................................... 149

Begründung: Wolfgang Schimböck ........................................................................... 149

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 152

Debatte:

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................... 154

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 156

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 157

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 158

Theodor Binna ..................................................................................................  160, 182

Karl Bader ................................................................................................................... 162

Wolfgang Schimböck (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 166

Elisabeth Kerschbaum .....................................................................................  167, 177

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 169

Johanna Auer ............................................................................................................. 171

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 173

Ana Blatnik .................................................................................................................. 175

Günther Molzbichler .................................................................................................. 176

Ernst Winter ................................................................................................................ 177

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 178

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 180

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der flächende­ckenden Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Post-Dienstleistungen – Ablehnung .....  158, 183

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter, Karl Bader, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächendeckende Versorgung mit Post­dienstleistungen – Annahme (E 190-BR/04)            170, 183

Verhandlungen


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 4

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes ..................................................................................................... 35

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 35

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 38

Redner/Rednerinnen:

Ludwig Bieringer .......................................................................................................... 38

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 40

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 44

Stefan Schennach ........................................................................................................ 46

Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik ...................................................................... 49

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 52

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 54

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 57

Eva Konrad ................................................................................................................... 59

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 61

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 63

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 64

Manfred Gruber ............................................................................................................ 65

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 67

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 68

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensions­gesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (619 d.B. und 656 d.B. sowie 7146/BR d.B.)                  75

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 75

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden .................................................................................................................... 76

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 76

Eva Konrad ................................................................................................................... 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 77

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emissionszertifikategesetz, BGBl. I Nr. 46/2004, geändert wird (624 d.B. und 658 d.B. sowie 7147/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 77

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................... 78

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ............................................................................................................. 78

Sissy Roth-Halvax ........................................................................................................ 79

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 80

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 81

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 85

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eich­gesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2004) (620 d.B. und 659 d.B. sowie 7148/BR d.B.) ....................... 85


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 5

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................... 85

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 85

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 88

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-Novelle 2004) (641 d.B. und 660 d.B. sowie 7149/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 88

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 88

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffent­lichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung (654 d.B. und 662 d.B. sowie 7150/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 88

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 88

Redner/Rednerinnen:

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 88

Ana Blatnik .................................................................................................................... 89

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 90

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 91

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 93

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ................. 94

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung  1975, das Strafvollzugsgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivil­luftfahrzeugen, das Waffengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundes­museen-Gesetz 2002, das Bundesforstegesetz 1996, das Pensionsgesetz 1965, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeiterkammergesetz 1992, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Bundespflegegeldgesetz, das Bun­dessozialamtsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Glücksspielgesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz und das Umwelt­förderungsgesetz geändert sowie Regelungen über die Veräußerung von Bun­desanteilen an der Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH Villach und an der Entwicklungsgesellschaft Aichfeld-Murboden Gesellschaft m.b.H. getroffen wer­den (Budgetbegleitgesetz 2005) (649 d.B. und 657 d.B. sowie 7145/BR d.B. und 7151/BR d.B.)                       94


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 6

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger .................................................... 94

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml ............................................................................................................... 95

Edgar Mayer .................................................................................................................. 98

Stefan Schennach ...................................................................................................... 100

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 102

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 104

Bundesminister Mag. Herbert Haupt ..............................................................  107, 110

Helmut Wiesenegg (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 110

Bundesminister Mag. Karl-Heinz Grasser .............................................................. 110

Herta Wimmler ........................................................................................................... 183

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 184

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 186

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 187

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird (652 d.B. und 667 d.B. sowie 7152/BR d.B.) ..... 187

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 187

Redner/Rednerinnen:

Reinhard Todt ............................................................................................................. 188

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 188

Stefan Schennach ...................................................................................................... 190

Bundesminister Günther Platter .............................................................................. 191

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 193

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Erläuterungen zur Leistungsbeurteilung (2269/J-BR/04)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Kasernenschließungen in Tirol (2270/J-BR/04)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließung von Postämtern (2271/J-BR/04)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Benachteiligung von österreichischen Firmen im Grenzverkehr mit Slowenien (2272/J-BR/04)

Eva Konrad, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend schwarzblaue Umfärbung der Öster­reichischen HochschülerInnenschaft (2273/J-BR/04)

Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließungswelle von Postämtern – „Herr Vize­kanzler, handeln Sie!“ (2274/J-BR/04)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 7

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Maßnahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2275/J-BR/04)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen der Sozialen Berufsorientierung und des freiwilli­gen sozialen Jahres (2276/J-BR/04)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über Dienst­leistungen im Binnenmarkt (2277/J-BR/04)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Wolf­gang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freizeitunfälle (2059/AB-BR/04 zu 2243/J-BR/04)

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 715. Sitzung des Bundes­rates.

Entgegen der üblichen Praxis, wonach ich mitteile, dass das Amtliche Protokoll unbe­anstandet geblieben ist, werde ich etwas vorziehen, nämlich zwei Mitgliedern des Bundesrates ganz, ganz herzlich zum Geburtstag zu gratulieren, und zwar zunächst dem Fraktionsvorsitzenden der Österreichischen Volkspartei.

Lieber Ludwig! Alles, alles Gute zu deinem heutigen Geburtstag! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Bieringer erhebt sich von seinem Sitzplatz und dankt mit einer Verbeu­gung.)

Damit das gute Klima im Haus gewahrt bleibt, gibt es natürlich auch auf der sozial­demokratischen Seite ein Geburtstagskind.

Lieber Kollege Kraml! Auch dir alles, alles Gute zum Geburtstag! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Kraml erhebt sich von seinem Sitzplatz und dankt gleichfalls mit einer Verbeugung. – Zwischenruf des Abg. Schennach.)

Wir haben noch ein Geburtstagskind, höre ich gerade! (Zwischenruf des Abg. Schenn­ach.) Gestern hatte Bundesrätin Konrad Geburtstag. Ich glaube nicht, dass sie seither schon Sauerkraut gegessen hat. Angeblich verhindert das darauf folgende Geburts­tagswünsche. – Frau Bundesrätin, alles, alles Gute auch Ihnen!

Die Kollegin war ja gestern auch bei der Bundesrats-Enquete. Wenn wir das gewusst hätten! Der Geburtstag ist sicherlich anders zu feiern, als in einer Enquete zu sitzen, aber dafür herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit in der Enquete! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Konrad erhebt sich von ihrem Sitzplatz und dankt ebenfalls mit einer Verbeugung.)

*****

Jetzt gehen wir zum ganz offiziellen Teil über.

Das Amtliche Protokoll der 714. Sitzung des Bundesrates vom 5. November 2004 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzler­amt über Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass am 2. und 3. Dezember 2004 der Bundesminister für Finanzen Mag. Grasser durch den Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Finz vertreten wird.

Fragestunde

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun – um 9.07 Uhr – zur Fra­gestunde.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 9

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich teile Ihnen mit, dass die Frage des Herrn Bundesrates Himmer, der im Moment nicht anwesend sein kann, von Herrn Bundesrat Wolfinger gestellt wird. Ich darf daher Herrn Bundesrat Wolfinger bitten, die 1. Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Die Frage lautet:

1375/M-BR/2004

„Welche Maßnahmen werden Sie in den nächsten Monaten setzen, um das Ziel der Europäischen Union, die Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr bis 2010 um die Hälfte zu verringern, zu erreichen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das BMVIT hat die Erreichung des im Weißbuch der Europäischen Union festgeschriebenen Ziels der Reduktion der Zahl der Verkehrstoten um 50 Prozent und der Reduktion der Zahl der Verletzten um 20 Prozent bis 2010 zum Anlass genommen, ein „Österreichisches Verkehrssicherheitsprogramm 2002 – 2010“ zu erarbeiten. Dieses Programm enthält eine Fülle von konkreten Einzelmaßnahmen aus vier verschiedenen Handlungsfeldern: aus dem Handlungsfeld „Mensch“, aus dem Handlungsfeld „Infrastruktur“, aus dem Handlungsfeld „Fahrzeug“ und aus dem Handlungsfeld „verkehrspolitische und recht­liche Rahmenbedingungen“. Innerhalb dieser Handlungsfelder werden insgesamt 28 Schwerpunkte mit über 100 konkreten Maßnahmen unterschieden.

In einem Startpaket wurden bis April 2004 einige zentrale Punkte zu den Themenberei­chen „Gurt und Kindersitz“, „Drogen im Straßenverkehr“, „Abstand“, „Geschwindigkeit“, „motorisierte Zweiradfahrer“, „Fußgängersicherheit“, „Unfallhäufigkeit“, „Tunnelsicher­heit“ und „Autobahnstellen“ bereits kurzfristig umgesetzt.

Zur Evaluierung dieser Maßnahmen ist auch eine Verkehrssicherheits-Task-Force, bestehend aus Verkehrssicherheitsverantwortlichen des Bundes, der Länder und der Gemeinden, entsprechend vorgesehen.

In den nächsten Monaten werden weitere Schwerpunkte gesetzt, zum Beispiel zum Thema „Bewusstseinsbildung“. In Vorbereitung ist eine breit angelegte Verkehrssicher­heitskampagne, die den Lenkern von Kraftfahrzeugen die Wichtigkeit der ordnungs­gemäßen Verwendung der Sicherheitsgurte und der Rückhaltsysteme für Kinder ins Bewusstsein rücken soll, denn Österreich gehört – bedauerlicherweise! – im EU-Vergleich zu den Gurtenmuffeln. Die Gurtenanlegequote liegt in Österreich auf Auto­bahnen bei 76 Prozent, während sie im EU-Schnitt bei 95 Prozent liegt. Das heißt: Wir haben in Österreich in diesem Bereich wirklich großen Nachholbedarf, und deshalb soll diese Kampagne neben TV-, Kino- und Radiospots, Plakaten und Ähnlichem auch konkrete Aktionen in Unternehmen, aber auch Veranstaltungen in der Öffentlichkeit umfassen, um die Anschnallmoral in Österreich entsprechend zu erhöhen.

Ein weiterer Punkt, der angekündigt wurde, ist die Verbesserung der Führerschein- und Fahrausbildung. Durch die Einführung des Vormerksystems schließt Österreich auch bei der Schaffung von einer Art Punkteführerschein auf europäischem Niveau an. Damit soll ein effizientes und unbürokratisches System zur Verfolgung von Hochrisiko­lenkern geschaffen werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 10

Wichtig ist uns auch noch das Thema „Drogen am Steuer“. In meinem Ressort wird derzeit intensiv an der Schaffung der technischen Voraussetzungen für die Ermögli­chung einer raschen und effektiven Verdachtsfeststellung von Drogenbeeinträchtigung gearbeitet. In diesem Zusammenhang sollen Drogentestgeräte sowohl eingeführt als auch für die Praxis evaluiert werden, sodass der Exekutive in Zukunft ein geeignetes Instrumentarium für Drogenschnelltests, damit großflächigere Screenings möglich sind, zur Verfügung stehen wird.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Speziell das Vormerksystem scheint eine ganz zentrale Maßnahme für die Umfallprävention im Straßenverkehr zu sein. Wie beurteilen Sie, Herr Staatssekretär, die Wirkung dieses Vormerksystems?

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 11

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Ich gehe davon aus – und das ist ja der Grund, warum wir das einführen wollen –, dass die Einführung dieses Vormerksystems zu einer merkbaren Reduktion der Zahl der Unfallopfer führen und deshalb sehr positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben wird.

Diese Maßnahme wäre somit ein ganz wesentlicher Schritt zur Erreichung des Zieles des Verkehrssicherheitsprogramms, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 tatsächlich um die Hälfte zu reduzieren.

Wie Sie wissen, geht es bei diesem Vormerksystem nicht in erster Linie um die Ver­schärfung der Strafen, sondern vor allem um verhaltenspädagogische und bewusst­seinsbildende Maßnahmen. Wer dann gleichsam trotz Vormerkung, trotz der roten Karte, die er von der Behörde für sein Fehlverhalten erhalten hat, nicht lernfähig ist und trotzdem wieder Verkehrsdelikte begeht, dem kann beziehungsweise wird dann der Führerschein für drei Monate entzogen werden.

Die Begutachtungsfrist des diesbezüglichen Gesetzentwurfes hat letzte Woche ge­endet. Es werden nun die Stellungnahmen ausgearbeitet, und eine parlamentarische Behandlung ist Anfang des nächsten Jahres grundsätzlich vorstellbar.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Ing. Kampl gestellt. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Staatssekretär! Wie sieht die Zwischenbilanz bei den Verkehrstoten zum derzeitigen Zeitpunkt aus?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Die Zwischenbilanz sieht relativ positiv aus: Vom 1. Jänner bis 21. November dieses Jahres gab es auf dem österreichischen Straßennetz vorläufig 775 Verkehrstote. Das sind selbstverständlich nach wie vor zu viele, aber im Ver­gleichszeitraum des Vorjahres verunglückten nach endgültigen Zahlen 830 Menschen tödlich, sodass doch ein deutlicher Rückgang von 55 Verkehrstoten in diesem Ver­gleichszeitraum erkennbar ist, und das ist eine grundsätzlich positive Entwicklung.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Das Schnellfahren ist eine der häufigsten Unfallursachen. Warum wird das Schnellfah­ren nicht in den Punkteführerschein beziehungsweise in das Vormerksystem aufge­nommen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es ist nicht richtig, dass das Schnellfahren in das Vormerk­system nicht aufgenommen wird, sondern das Vormerksystem, wie es geplant ist, setzt auf die bisherigen Entzugsdelikte auf. Das heißt: All jene Delikte, die bisher schon mit dem Führerscheinentzug bestraft wurden, bleiben selbstverständlich aufrecht und wer­den auch in Zukunft mit dem Führerscheinentzug bestraft. Dieses Vormerksystem setzt sozusagen eine Stufe weiter darunter an und nimmt weitere gefährliche Delikte, die bisher nicht mit dem Führerscheinentzug bestraft wurden, sondern mit Verwaltungs­strafen, ebenso auf, sodass insgesamt dadurch eine entsprechende Verschärfung eintritt.

Also Alkoholdelikte, Schnellfahrdelikte haben, wie bisher, den Führerscheinentzug zur Folge, und weitere 13 Delikte, die bisher nicht mit dem Führerscheinentzug bedroht wurden, führen in einem Dreistufensystem ebenfalls zu einem Führerscheinentzug. Insofern ist dieses System durchaus sehr gut aufeinander abgestimmt und ergänzt sich sogar sehr gut und sehr erfolgreich. Wir sind überzeugt davon, dass sich auch in der Begutachtung erweisen wird, dass dieses System im Wesentlichen von allen betrof­fenen Autofahrerverbänden, aber auch vom Kuratorium akzeptiert werden wird. Im Übrigen läuft gerade jetzt, wie gesagt, das Begutachtungsverfahren, und wir werden dort auch alle Anregungen, die sinnvoll sind und zur Verkehrssicherheit beitragen, selbstverständlich in die Endfassung dieses Systems aufnehmen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Bundesrat Gruber. – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Staatssekretär! Ich weiß nicht, aber ich nehme an, Sie kennen das Modell Graz. Glauben Sie, dass dieses Modell, umgelegt auf ganz Österreich, dazu beitragen könnte, die Ziele der EU zu erreichen?

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Ich weiß nicht ganz genau, was Sie mit dem Modell Graz meinen. (Bundesrat Gruber: Darf ich Sie aufklären, Herr Staatssekretär?) Ich gehe da­von aus, dass Sie damit die entsprechenden Tempobeschränkungen in der Innenstadt meinen.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Nein! Es ist so, dass es eine Zusam­menarbeit des Magistrats der Stadt Graz, der Exekutive und von Dritten, also privaten Tempomessern, gibt, und in dieser Form will man gefährliche Stellen überwachen. Die Exekutive übernimmt von Dritten, von externen Messern die Unterlagen, und man führt eine Überwachung ein. Das ist das Modell Graz, wie es jetzt in den Tageszeitungen präsentiert wurde, und ich möchte Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, dieses Modell auf ganz Österreich umzulegen. Glauben Sie, dass dieses Modell, österreich­weit umgesetzt, dazu beitragen könnte, die Ziele, die sich die EU gesetzt hat, zu erreichen?

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Dieses Modell muss sicherlich evaluiert werden. Ob es tatsächlich den Erfolg bringt, der davon erwartet wird, das kann, glaube ich, noch nicht endgültig beurteilt werden.

Wir sind in unserer Verkehrssicherheitspolitik und bei der Überwachung bisher immer davon ausgegangen, dass der ruhende Verkehr durchaus von privaten Sicherheits­unternehmen, im Auftrag etwa der Gemeinde oder der Polizei, überwacht werden kann und soll, dass es aber Aufgabe der Exekutive ist, den fließenden Verkehr selbst zu


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kontrollieren und auch die entsprechenden behördlichen Maßnahmen zu ergreifen oder Strafen zu verhängen. Von diesem Grundsatz lassen wir uns auch in Zukunft leiten.

Aber wenn sich in Städten in Zusammenarbeit mit der Exekutive auch andere Modelle bewähren sollten, die ja jetzt nur in einem Erprobungsstatus sein können, sind wir allenfalls auch bereit, das zu übernehmen und dafür auch die gesetzlichen Voraus­setzungen zu schaffen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen sind meiner Meinung nach nicht ausreichend dafür geschaffen, können aber jetzt einmal für so einen Modellversuch akzeptiert werden. Aber grundsätzlich sollten wir bei der bewährten Trennung bleiben: Überwachung des ruhenden Verkehrs auch durch beliehene Sicherheitsunternehmen, aber Kontrolle des rollenden Verkehrs und Setzung entsprechender Maßnahmen bei Übertretungen allein durch die Exekutive, und zwar auch in Zukunft.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 2. Anfrage, die Herr Bun­desrat Boden stellt. Ich bitte um deren Verlesung.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staatssekre­tär! Meine Frage lautet:

1379/M-BR/2004

„Was werden Sie unternehmen, zur Entlastung der Straße den Güterverkehr auf die Schiene zu bringen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die österreichische Verkehrs­politik sieht vor allem im kombinierten Verkehr einen zentralen Ansatz zur Lösung jener Probleme, die es eben vor allem durch die topographische Lage Österreichs gibt – insbesondere im Straßengüterverkehr.

Angesichts der wachsenden Verkehrsströme in und durch Österreich, insbesondere auf der Straße – und natürlich ist durch die EU-Erweiterung auch längerfristig eine gewisse Verschärfung dieser Situation eingetreten –, hat Österreich schon frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um umweltfreundlichere Verkehrsarten wie etwa den kombinier­ten Verkehr zu fördern. Diese Maßnahmen umfassen auf nationaler Ebene finanzielle Förderungen, steuerliche Maßnahmen, ordnungspolitische Rahmenbedingungen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und entsprechende Infrastrukturmaßnahmen.

Neben den Förderungsmaßnahmen auf nationaler Ebene werden aber auch ver­schiedene Maßnahmen auf internationaler Ebene gesetzt. So wurde etwa vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme im alpenquerenden Güterverkehr von den vier Verkehrsministern aus Deutschland, Italien, Griechenland und Österreich im Jahr 2002 ein Aktionsplan beschlossen. Dieser Aktionsplan enthält die notwendigen Maßnahmen wie eben zum Beispiel den Ausbau des Leistungsangebotes auf der Schiene, Anpas­sung der Qualitätsmerkmale, durchgängig achsenbezogene Traktionskonzepte zur Gestaltung und Sicherung des kurz- bis mittelfristigen Ausbaus des Angebots im kombinierten Verkehr. Das Ziel dieses Aktionsplanes ist es, bis zum Jahr 2005 das Aufkommen auf der Brennerachse um rund 50 Prozent gegenüber 2001 zu steigern.

Ebenso ist der Aktionsplan Tauern-Bahn zu erwähnen, der nunmehr in einem von der EU geförderten Programm namens AlpFRail eingebracht worden ist, um auf der Tauernachse konkrete Umsetzungsprojekte zu ermöglichen.


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Darüber hinaus wurde im Jahr 2003 die EU-Verordnung über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güter­verkehrssystems, das so genannte Programm „Marco Polo“, mit einem Gesamtbudget in Höhe von 75 Millionen € für den Zeitraum 2003 bis 2006 beschlossen. Das Ziel dieses Programms sind – auch Österreich beteiligt sich selbstverständlich daran – die Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Verkehrssystems und die Verringerung von Staus im Straßenverkehr.

Sie sehen also, dass wir hier eine Reihe von Maßnahmen gesetzt haben, um – soweit es die Möglichkeiten einer Regierung zulassen – mehr Güterverkehr auf die Schiene zu bringen und die Straße entsprechend zu entlasten.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Wie ist Ihre Darstellung bezüglich Kostenwahrheit zwischen Straße und Schiene?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Tatsache ist natürlich, dass die Kosten, die der Schienen­verkehr für die Volkswirtschaft und für das Budget verursacht, durch die Einnahmen, die dabei erzielt werden, nicht gedeckt sind. Das heißt also, dass der Schienenverkehr insgesamt natürlich mehr Kosten verursacht, als er auf der anderen Seite einspart – das, glaube ich, muss ganz klar und eindeutig gesagt werden. (Bundesrat Wiesenegg: Das ist ja unglaublich!)

Es gibt dazu eine ganze Reihe von Studien, die das nachweisen. Wie wir wissen, wer­den jährlich rund 2 Milliarden € aus dem Budget für die Bahn zur Verfügung gestellt, und zwar für gemeinwirtschaftliche Leistungen und für den Betrieb der Bahn; da rede ich überhaupt nicht von den Pensionen. Dazu kommt noch rund 1 Milliarde, die der Staat für den Ausbau der Schieneninfrastruktur an Haftung übernimmt. – Also, dieses Geld wird jährlich aus dem Budget, von der öffentlichen Hand, zur Verfügung gestellt.

Dazu kommt noch eine Reihe von Zahlungen, die die Länder – so genannte gemein­wirtschaftliche Leistungen – für Verkehrsbestellungen im Personenverkehr ebenfalls an die ÖBB vornehmen.

Der Straßenverkehr hat, was die Kostenwahrheit betrifft, in der letzten Zeit durch die LKW-Maut deutlich aufgeholt. Wir alle wissen, dass über die unterschiedlichen Steuern – ich nenne da nur die Mineralölsteuer als Haupt-Einnahmequelle –, aber auch durch die Vignette beim PKW und jetzt durch die LKW-Maut vom einzelnen PKW-Be­sitzer und von der Frächterwirtschaft sehr hohe Beiträge geleistet werden. Insgesamt werden allein durch die Maut 1,2 Milliarden € jährlich eingenommen. Und diese Sum­me hat sich im heurigen Jahr verdoppelt: von früher rund 600 Millionen auf jetzt rund 1,2 Milliarden, weil die neue LKW-Maut von im Durchschnitt 22 Cent pro Kilometer eben rund 600 Millionen € erbringt.

Und während, wie ich gerade gesagt habe, rund 3 Milliarden € jährlich mittelbar und unmittelbar aus dem Staatshaushalt für die Bahn bezahlt werden, wird für den Bau der Autobahnen und der Schnellstraßen überhaupt kein öffentliches Geld mehr aufgewen­det. Diese Infrastrukturen müssen sich vielmehr selbst erhalten, zum Beispiel eben durch die entsprechenden Mauten und Vignetten.

Jetzt stellt sich natürlich auch die Frage der externen Kosten, die es im Straßenverkehr ebenfalls gibt – Staukosten, aber auch Umweltkosten, Emissionskosten, Lärmkosten –: Die Zuordnung dieser Kosten ist eine sehr diffizile Angelegenheit! Aber wir können


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jedenfalls davon ausgehen, dass die umfassenden Verkehrskosten-Berechnungen, die es gibt, erklären, dass bei der Schiene im Wesentlichen nur sehr geringe externe Kosten und auch eine Reihe von Vorteilen anfallen – weil eben die Emissionen deutlich geringer sind, bis auf die Lärmemissionen –, beim Straßenverkehr hingegen insbeson­dere die Abgas- und Lärmemissionen relativ hoch sind.

Und wenn man diese Emissionen dazurechnet, dann schaut die Kostenbelastung durch den Straßenverkehr insgesamt schon wesentlich schlechter aus, und dann kön­nen wir wahrscheinlich davon ausgehen, dass zwar der PKW-Verkehr seine Kosten – auch seine volkswirtschaftlichen! – insgesamt tatsächlich trägt, der Güterverkehr aber seine Gesamtkosten noch nicht.

Deshalb wird die Diskussion über die gerechte Zulastung der Verkehrskosten sicher auch in den nächsten Jahren weitergehen – das ist ein Thema, das aber nicht nur Österreich beschäftigt, sondern mit dem wir uns österreich- und weltweit beschäftigen müssen.

 



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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Tiefnig gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Staatssekre­tär! Frau Präsidentin! Da Herr Staatssekretär Kukacka so ausführlich berichtet hat, ziehe ich meine Frage zurück. – Danke schön.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Da noch mindestens acht Hauptfragen vorhanden sind, stelle ich jetzt nur eine ganz kurze Zusatzfrage: Wie weit ist der Wettbewerb auf der Schiene gediehen, Herr Staatssekretär?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Also ich habe das jetzt so verstanden, dass ich meine Antworten etwas kürzer fassen sollte – ich werde mich bemühen! (Heiterkeit.)

Der Wettbewerb auf der Schiene beginnt. – Das sehe ich positiv, weil ich glaube, dass auch auf der Schiene Wettbewerb ein ganz wesentlicher, essentieller und die Wirt­schaft belebender Faktor ist, der die Effizienz steigern, die Kosten reduzieren und auch die technische Kompatibilität der Systeme insgesamt verbessern wird.

Wir haben die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen für den Güterverkehr geschaffen. Der Güterverkehr ist im Wesentlichen liberalisiert, das heißt, es können auch ausländische Bahnen in Österreich Frachtverkehr anbieten. Es gibt bereits eine Reihe von Unternehmen, die das tun, inländische und ausländische – ich weiß jetzt die genaue Zahl nicht, aber es gibt ungefähr sechs beziehungsweise sieben Unternehmen, die eine Konzession dafür haben, in Österreich Schienengüterverkehr zu betreiben. Einige tun dies in relativ großem Umfang, wie etwa die Bahn der voestalpine, die insbesondere ihren Werkverkehr zwischen Eisenerz und der Voest selbst bewältigt und dadurch der ÖBB in diesem Bereich, aber in manchen anderen auch, Probleme und Konkurrenz macht.

 


Aber wir gehen davon aus, dass die internationale Liberalisierung zu mehr Wettbewerb und zu einer höheren Leistungsfähigkeit der Bahn führen wird, was wiederum dazu führen wird, dass attraktivere Güterverkehrsangebote auf der Schiene entwickelt wer­den und dadurch in weiterer Folge in Zukunft mehr Güterverkehr auf die Schiene kom­men wird.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie lässt es sich mit Ihrer Ankündigung einer Verkehrsverlagerung auf die Schiene verein­baren, wenn in den nächsten Jahren in Richtung Beitrittsstaaten acht Mal mehr Geld für hochrangige Straßenverkehrssysteme ausgegeben wird als für die Schiene?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Ich kann nur für Österreich sprechen. In welcher Form ausländische oder EU-Erweiterungsstaaten ihre Infrastruktur verbessern und ob sie dabei in erster Linie auf die Straße oder auf die Schiene setzen, liegt nicht in meiner, in unserer Hand.

Tatsache ist – das wissen wir alle –, dass die Erweiterungsländer natürlich in beiden Richtungen große Ausbaunotwendigkeiten haben, sowohl was ihre Straßeninfra­struktur betrifft als auch was ihre Schieneninfrastruktur betrifft. Tatsache ist weiters, dass die Europäische Union durch die Transeuropäischen Netze sowohl im Schienen- als auch im Straßenbereich – aber vor allem im Schienenbereich! – alles tut, damit der Schienenbereich in den EU-Erweiterungsstaaten ausgebaut wird. Es gibt so genannte prioritäre Projekte, vor allem grenzüberschreitende Projekte, die dazu dienen sollen, diesen internationalen Verkehr zu beschleunigen.

Was Österreich betrifft, sind wir dabei, gemeinsam mit unseren Nachbarstaaten diese prioritären grenzüberschreitenden Projekte und Korridore zu definieren. So etwas ist derzeit gerade mit der Slowakei, mit Bratislava geschehen: wir haben neue Schienen­verbindungen sowie den Ausbau der Autobahn festgelegt und auch einen weiteren Korridor im Marchfeld definiert, der in einen zusätzlichen Grenzübertritt münden wird.

Wir haben solche Projekte – und sind dabei, sie zu entwickeln – auch mit Tschechien, und zwar was die Nord Autobahn, was die Nordbahn und was die Summerauer Bahn und die S 10 in Oberösterreich betrifft. Wir sind im Gespräch mit Slowenien, was den Ausbau der Strecke Graz-Spielfeld-Marburg betrifft. Und wir sind, wie Sie wissen, auch in intensiven Verhandlungen mit Italien, um die Brennerachse entsprechend auszu­bauen.

Was also an Österreich liegt, wenn es darum geht, die grenzüberschreitende Infra­struktur auch auf der Schiene intensiv auszubauen und sie zu verbessern, so ist, glaube ich, noch nie so viel geschehen wie in den letzten drei, vier Jahren.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 3. Anfrage, die Herr Bun­desrat Weilharter stellt. Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1383/M-BR/2004

„Wie beurteilen Sie die in der Vergangenheit wiederholt erhobenen Vorwürfe in Bezug auf die Fehlerquote des österreichischen Maut-Systems?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Zur Ermittlung einer Aussage über die tat­sächliche technische Güte eines bereits in Betrieb befindlichen Mautsystems ist die


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Erfassungsquote heranzuziehen. Diese gibt im Wesentlichen das Verhältnis der Anzahl von mautpflichtigen Fahrzeugen mit funktionierender GO-Box, bei der eine korrekte Mauttransaktion durchgeführt wurde, zur Gesamtzahl der mautpflichtigen Fahrzeuge mit funktionierendem Fahrzeuggerät wieder.

Sie wird von der ASFINAG monatlich ermittelt, beträgt derzeit rund 99,6 Prozent und übertrifft damit bereits deutlich die im Betreibervertrag mit EuropPass festgelegte Quote für das gesamte erste Betriebsjahr in der Höhe von 93 Prozent, gerechnet über jeweils drei aufeinander folgende Kalendermonate. Bei der Fehlerquote handelt es sich hingegen ausschließlich um eine Leistungskennzahl für ein Mautsystem, das unter Laborbedingungen einem Dauertest unterzogen wird. Es ist somit für eine Beurteilung eines in Betrieb befindlichen Mautsystems irrelevant.

Sie sehen also aus meiner Antwort, dass die Fehlerquote von 0,4 Prozent deutlich unter der im Betreibervertrag mit Europpass festgelegten Quote liegt, sie gibt also keinerlei Anlass zur Besorgnis. Und es handelt sich hier um die völlig korrekte Erfüllung eines Vertrages.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sind Ihnen Überprüfungen des Rechnungshofes in dieser Angelegen­heit bekannt? Wenn ja, zu welchem Ergebnis kommen diese?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Diese Prüfungen des Rechnungshofes sind uns bekannt. Sie sind aber derzeit im Gange. Es liegt mir persönlich noch keine abschließende Stellung­nahme vor. Gemäß den ersten Informationen, die ich habe, hat der Rechnungshof keinen Anlass gesehen, die Vereinbarungen, die es zwischen EUROPPASS und ASFINAG gibt, in irgendeiner Weise anzuzweifeln.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Eine Zusatzfrage wünscht Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wann werden Sie bei der LKW-Maut eine jährliche Anhebung um mehrere Prozente, so wie auch bei der Schienenmaut, festlegen, damit der Konkurrenznachteil der Schiene nicht noch größer wird?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es gibt diesbezüglich keinen Konkurrenznachteil der Schiene, weil die österreichische Schienenmaut auch im internationalen Vergleich relativ niedrig ist, während die österreichische LKW-Maut im europäischen Vergleich sehr hoch ist.

Wir haben eine sehr hohe LKW-Maut im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, wir reizen die EU-Wegekostenrichtlinie diesbezüglich sehr weit aus. Und Sie wissen ja auch, dass es diesbezüglich ständig Beanstandungen, zum Teil auch Klagen der Euro­päischen Union gibt, wonach unsere Mauten insgesamt zu hoch wären. Es besteht also keinerlei Anlass, diese Relation in irgendeiner Weise zu verschieben oder auch als diskriminierend anzusehen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

 


Eine Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.


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Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie Sie wissen, hat Tirol einen hohen Anteil an bemauteten Strecken. Die Fehlerquote haben Sie bereits bekannt gegeben. Wie ist die Fehlerquote bei Auto­bussen, die sich daraus ergibt?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es tut mir Leid, das kann ich Ihnen nicht beantworten, diese Zahl habe ich nicht präsent. Aber ich bin gerne bereit, sie Ihnen schriftlich nachzu­reichen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger, bitte.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Herr Staatssekretär! Welche Initiativen unternimmt die Bundesregierung, um das im Vergleich zu Deutsch­land gut funktionierende Mautsystem zu exportieren?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die österreichische Regierung hat mit einer Novelle zum ASFINAG-Gesetz, die am 9. November den Ministerrat pas­siert hat, die Grundlage für den Export des erfolgreichen Mautsystems geschaffen. Die Möglichkeit der Erweiterung des unternehmerischen Wirkungsbereiches der ASFINAG auf das Ausland im Hinblick auf Steigerung der Unternehmensproduktivität – also Er­richtung von Zweigniederlassungen im Ausland, Gründung von Tochtergesellschaften und Beteiligung an anderen Unternehmen im Ausland – ist durch diese Novelle gegeben.

Das Gesetz soll mit 1. Jänner 2005 in Kraft treten. Es muss ja auch den Bundesrat passieren, und daher werden Sie sich vom Inhalt dieses Gesetzes, von den Mög­lichkeiten, die es geben wird, auch für den Export des österreichischen Mautsystems, noch persönlich überzeugen können.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur 4. Anfrage, die Frau Bundesrätin Diesner-Wais stellt. Ich bitte um Verlesung.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1376/M-BR/2004

„Welche Maßnahmen für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur Richtung Slowakei können Sie sich nach Gesprächen mit Ihrem slowakischen Amtskollegen vorstellen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Beim trilateralen Verkehrsmi­nistertreffen zwischen Österreich, Slowakei und Tschechien am 2. Oktober 2003 wurde zur raschen Umsetzung grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte ein so genanntes multimodales grenzüberschreitendes Korridor-Management entwickelt.

Als Ergebnis eines einjährigen Prozesses mit zahlreichen Gesprächen auf politischer und Expertenebene wurde nun am 18. November dieses Jahres für Österreich von mir


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und für die Slowakei von Herrn Staatssekretär Ing. Kotula ein letter of intent unterzeich­net, der die Grundzüge betreffend die Planungen für eine leistungsfähige hochrangige Verkehrsinfrastruktur zwischen Österreich und der Slowakei zum Inhalt hat. Größte Beachtung wird hier vor allem der bilateral koordinierten raschen Umsetzung der europäischen prioritären Projekte gemäß Revision der Leitlinie 1692/96 geschenkt.

In Bezug auf Österreich und die Slowakei sind das die grenzüberschreitenden Projekte der Schienenverbindung Wien–Bratislava und das flussbauliche Gesamtprojekt zwi­schen Wien und Bratislava, bei denen eine gemeinsame und abgestimmte Realisie­rung vorgesehen ist. Insgesamt wurde vereinbart, die gute bestehende Zusammen­arbeit auf dem Gebiet des Verkehrsinfrastrukturausbaus und der Verkehrspolitik auch in Zukunft zu vertiefen.

Im Detail sind folgende Maßnahmen geplant. Die Straße betreffend: Bau der A 6 Nordost Autobahn, Parndorf–Kittsee–Jarovce. Am Freitag dieser Woche findet der Spatenstich für dieses lang ersehnte und lang geplante Projekt statt.

Weiters wird betreffend Straße ein so genannter Marchfeld-Korridor derzeit auf Exper­tenebene diskutiert, der auch in einen Grenzübergang bei Marchegg münden soll.

Die Schiene betreffend wird die Strecke Gänserndorf–Marchegg–Devínska Nová Ves–Bratislava elektrifiziert. Es kommt weiters zum Ausbau und zur Elektrifizierung der Strecke Wien-Stadlau–Marchegg–Bratislava, und es kommt zur so genannten Flug­hafenschleife Fischamend–Götzendorf, also zur Verbindung der Flughäfen Wien und Bratislava über die Ostbahn.

Die Wasserstraße betreffend wird das flussbauliche Gesamtprojekt Wien–Bratislava eingeleitet und durchgeführt. Es wird eine gemeinsame Vorgangsweise mit der Slowa­kei festgelegt, und es werden auch die notwendigen Ansuchen bei der Europäischen Union um bestmögliche Förderung von beiden Staaten gemeinsam eingereicht wer­den.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Ich verzichte auf die Zusatzfrage. Sie hätte die Schiene betroffen und wurde schon beantwortet.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Zusatzfrage: Herr Ing. Kampl. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Herr Staatssekretär! Erfreu­lich diese Schwerpunkte für die Verbindung in die Tschechoslowakei! Meine Frage: Wie sieht der diesbezügliche Zeitplan aus, und warum wird der Ausbau Richtung Slowakei erst jetzt angegangen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Der Zeitplan ist im Wesentlichen vereinbart worden. Wie gesagt erfolgt für den Ausbau der Straße der Spatenstich diese Woche. Die A 6 soll im Jahr 2006 fertig gestellt sein. Wir werden mit Nachdruck und Hochdruck bauen.

Der Wiener Außenring mit der Nord Autobahn in Richtung Tschechien soll in Teilab­schnitten ausgebaut werden und bis zum Jahr 2012 fertig gestellt sein.

 


Die Elektrifizierung der Strecke Gänserndorf–Slowakei wird bis zum Jahr 2008 erfolgt sein und jene der Spange Götzendorf, also der Verbindung zu den Flughäfen, bis zum Jahr 2012.


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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Zusatzfrage: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie weit sind die Vorbereitungsarbeiten für einen grenzüberschreitenden Verkehrsverbund mit der restlichen Slowakei gediehen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Auch in dieser Hinsicht hat es Gespräche gegeben mit der Slowakei, allerdings noch nicht so konkret wie bei den Infrastrukturprojekten. Wir haben uns jetzt einmal auf die Infrastrukturprojekte konzentriert, weil sozusagen das Funktionieren und der Betrieb dieser Infrastruktur die Voraussetzung dafür sind, auch betrieblich einen entsprechenden Nahverkehr entwickeln zu können.

Die Arbeitsgruppe, die dafür eingesetzt wurde, wird sich in einer der nächsten Sitzun­gen mit diesem Thema beschäftigen. Ich bin Ihrer Meinung, dass auch der Ausbau des Nahverkehrs, insbesondere des schienengebundenen Nahverkehrs, unbedingt not­wendig ist.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Herr Bundesrat Konecny stellt die nächste Zusatzfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): In diesem Zusammenhang: In welcher Form sorgt das Ministerium dafür, dass die betroffenen Länder Wien und Niederöster­reich und auf der slowakischen Seite natürlich auch die Region Bratislava, aber auch halbprivate Verkehrsträger wie CAT-Verbindungen in diese Gespräche und Planungen eingebunden sind?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Die Region Bratislava sowie die Länder Niederösterreich und Wien sind voll eingebunden. Sie sind auf Expertenebene mit hochrangigen Vertretern in diesen Arbeitsgruppen dabei und über den Stand der Diskussion voll informiert. Auch von mir und ebenso vom Herrn Verkehrsminister werden die Landeshauptleute der beiden Bundesländer ständig über den Stand der Diskussion informiert.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur 5. Anfrage, die Herr Bundesrat Lindinger stellt. – Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1380/M-BR/2004

„Für wann ist die Fertigstellung des zweiröhrigen Ausbaus der Tunnelkette Klaus und Laimberg beziehungsweise des Bosrucktunnels, in Anbetracht der Übergabe des letzten Teilstücks der Pyhrn Autobahn an den Verkehr, vorgesehen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Für den Tunnel Laimberg gibt es konkrete Planungen. Der Baubeginn ist für Mitte 2005 vorgesehen, die Fertigstel-


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lung wird voraussichtlich Ende 2007 erfolgen. Die Adaptierung der bestehenden alten Röhre erfolgt im Jahr 2008, und dann wird die zweiröhrige Befahrbarkeit gegeben sein.

Für die Tunnelkette Klaus ist im Anschluss an das Bauvorhaben Laimberg-Tunnel der Vollausbau vorgesehen: Beginn etwa 2009, Fertigstellung etwa 2012.

Der Vollausbau des Bosrucktunnels kann frühestens nach Fertigstellung der Tunnel­kette Klaus in Angriff genommen werden. Das wird im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 der Fall sein.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? (Bundes­rat Lindinger: Nein!) – Danke.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage: Herr Mag. Baier. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Wann wird der Lückenschluss auf der Pyhrn Autobahn vollzogen? Und um in die Zukunft zu blicken und es weniger der Vergangenheit gleichzutun: Wer war in der Vergangenheit möglicherweise für Verzögerungen verantwortlich?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Das waren zwar zwei Fragen, aber bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Am 8. Dezember 2004 wird der letzte Teil für den Lücken­schluss auf der Pyhrn Autobahn dem Verkehr übergeben. Dieses letzte Teilstück zwi­schen Inzersdorf und Schön mit einer Länge von 9,41 Kilometern hat 57,3 Millionen € gekostet. Bereits am 19. September 2003 wurde der Abschnitt Schön–Laimberg Nord mit rund 14 Kilometern Länge dem Verkehr übergeben. Die damaligen Gesamtkosten für diesen Abschluss der A 9 betrugen insgesamt 231 Millionen €.

Den Grund für die Verzögerungen kann und möchte ich Ihnen hier von der Regierungs­bank im Detail nicht präsentieren. Als oberösterreichischer Mandatar wissen Sie so gut wie ich, dass es eine heftige Diskussion um die Realisierung der Pyhrn Autobahn ge­geben hat, an der sowohl die Sozialdemokraten – die damalige Naturschutzreferentin hat ja bekanntermaßen gesagt, dass diese Pyhrn Autobahn nur über ihre Leiche eröffnet werden kann – als auch die Grünen – sie haben damals eine Reihe von rechtswidrigen Baustellenbesetzungen durchgeführt – intensiv beteiligt waren. Aber ich würde sagen: Ende gut, alles gut!

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundes­rat Zellot. – Bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Herr Staatssekretär! Welche verkehrstechnischen Ziele werden mit diesem Projekt verfolgt?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Welche Ziele werden mit der Autobahn verknüpft? Es geht darum, dass in Österreich ein umfassender Lückenschluss mit der Pyhrn Autobahn stattfindet. Die Pyhrn Autobahn gehört zu den wesentlichsten Alpen querenden Auto­bahnen und Nord-Süd-Verbindungen. Sie verbindet den deutschen Raum mit dem südösterreichischen und mit dem italienisch-slowenischen Raum. Diese Autobahn­verbindung gehört somit sicherlich zu den wichtigsten, ist ein wichtiger Bereich der Transeuropäischen Netze und schafft damit auch die Voraussetzung dafür, dass der Wirtschaftsstandort Österreich optimal an die europäische Infrastruktur angeschlossen ist, wodurch wir auch von den wirtschaftlichen Voraussetzungen her eine sehr gute Ausgangssituation haben.

 



Bundesrat
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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Wie sieht der Ausbau der Pyhrnbahn aus und welche Summen sind dafür vorgesehen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Der Ausbau der Pyhrnbahn schaut insbesondere deshalb gut aus, weil diese Regierung sich entschlossen hat, diese wichtige Nord-Süd-Schienen­verbindung entsprechend effektiv auszubauen, und zwar in einem so genannten PPP-Modell, einem Private-Public-Partnership-Modell. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr den Startschuss für dieses Projekt geben wird.

Das heißt, es kommt zu einem selektiven zweigleisigen Ausbau der gesamten Strecke von Summerau, Linz, Pyhrn, Schober, Graz bis Spielfeld und Marburg. Wir haben eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung zur Verfügung, die insbesondere für den Güter­verkehr ausgebaut werden soll, damit auch eine entsprechende Alternative zur Nord-Süd-Verbindung auf der Straße zur Verfügung steht.

Ich meine, dass das ein ganz wichtiges verkehrspolitisches Projekt ist, das zeigt, dass es der Regierung sehr wohl ein großes Anliegen ist, so viel Güterverkehr wie nur mög­lich auf die Schiene zu schaffen, und dass sie auch tatsächlich die entsprechenden technischen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schafft.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur 6. Anfrage, die Frau Bundesrat Kerschbaum stellt. – Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1384/M-BR/2004

„Mit welchem Datum wurde die nach dem Bundesbahngesetz auf Basis des ,Mehr­jährigen Bestellrahmens‘ und des ,Vertrages über die Bestellung und Einbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen‘ zwischen Bund und ÖBB zu schließende jährliche Vereinbarung für 2003 und 2004 jeweils unterschrieben?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! In Hinblick auf die rechtlichen Möglichkeiten, Bestellungen auch mündlich zu vereinbaren, und darauf, dass die Ver­einbarungen Übergangsfristen von bis zu neun Monaten vorsehen, hat das Datum des tatsächlichen schriftlichen Abschlusses der Vereinbarungen keine große Relevanz und wird daher die Vereinbarung zwischen ÖBB und dem Verkehrsressort regelmäßig auch ohne Datum gefertigt.

Ergänzend möchte ich feststellen, dass der Vertrag über die gemeinwirtschaftlichen Leistungen des Jahres 2005 bereits ausverhandelt ist und dieser auch in den nächsten Tagen unterschrieben wird.

 


Ich möchte noch darauf hinweisen, dass am 17. April 1999 ein mehrjähriger Bestell­rahmen festgelegt wurde. Dieser Bestellrahmen wurde bis inklusive 2004 entsprechend verwendet, und, wie gesagt, für das Jahr 2005 steht ein neuer Vertrag vor dem Ab­schluss.


Bundesrat
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Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe – nur für mich zusammenfassend –: Der Vertrag wurde ohne Datum unterschrieben.

Aber meine Zusatzfrage ist eine andere: Welche Aufteilung nach Bundesländern hat die zwischen ÖBB und Verkehrsministerium vereinbarte regionale und streckenbe­zogene Zuschneidung der Zahlungen des Bundes für gemeinwirtschaftliche Leistungen der ÖBB?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich kann Ihnen jetzt im Detail nicht sagen, wie sich diese gemeinwirtschaftlichen Leistungen auf die einzelnen Bun­desländer aufteilen, aber ich lasse Ihnen diese Aufstellung gerne schriftlich zukommen. (Bundesrätin Kerschbaum: Danke!)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Zusatzfrage: Wie gestaltet sich der Bestellrahmen für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen ab 1995 bis einschließlich 2004?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Dieser Bestellrahmen gilt sowohl für die ÖBB als auch für alle Privatbahnen, die in Österreich Verkehrsleistungen erbringen. Er legt fest, auf Grund welcher Modalitäten, welcher Rahmenbedingungen, Leistungskriterien und sonstiger Verpflichtungen bis Ende 2004 durch den Bund gemeinwirtschaftliche Leistungen bei den ÖBB und den übrigen Eisenbahnunternehmen bestellt werden können.

Der Bestellrahmen für den Zeitraum 1995 bis inklusive 1998 betrug 35 Milliarden Schil­ling. Der Bestellrahmen für den Zeitraum 1999 bis inklusive 2003 beträgt 45 Milliarden Schilling. Der Bestellrahmen für das Jahr 2004 beträgt 624 Millionen €.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Weilharter. (Bundesrat Weilharter: Ich verzichte auf die Zusatzfrage!) – Danke.

Wir kommen zur 7. Anfrage, die Herr Bundesrat Mag. Baier stellt. – Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1377/M-BR/2004

„Wie sehen Sie die strategische Positionierung Österreichs im Luftfahrtbereich?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Österreich verfolgt strategisch seit Jahren er­folgreich eine konsequente liberale Luftverkehrspolitik, basierend auf den Grundsätzen Wertschöpfung und Standortsicherung. Österreich als kleiner EU-Mitgliedstaat hat kein


Bundesrat
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Interesse daran, dass im Rahmen eines konsolidierten Luftverkehrsmarktes langfristig nur ein paar wenige wirtschaftliche Verteilungszentren in Europa übrig bleiben.

Europas Stärke ist seine Vielfältigkeit. Und aus österreichischer Sicht muss es Ziel sein, dass in einem pluralistischen Europa Standorte nicht reduziert, sondern gesichert und ausgebaut werden können.

Der geänderte Rechtsrahmen besteht allerdings darin, dass auf europäischer Ebene die Vergemeinschaftung von Rechtsnormen insbesondere in den letzten Jahren ver­mehrt auch den Luftfahrtbereich umfasst hat. War es bis zirka Mitte der neunziger Jahre primäre Aufgabe der nationalen Luftverkehrspolitik, ausschließlich die Interessen österreichisch konzessionierter Unternehmen mit Drittstaaten ohne wesentliche Be­rücksichtigung von Entwicklungen auf EU-Ebene zu verhandeln, so haben wir heute die Interessen aller europäischen Luftfahrtunternehmen gleich zu behandeln. Wir spre­chen hier von der so genannten Inländergleichbehandlung von europäischen Flugge­sellschaften.

Das hat natürlich auch Vorteile für unsere österreichischen Luftfahrtgesellschaften, die sich ebenfalls unter gleichen Bedingungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union niederlassen und von dort aus ihre Flüge anbieten können.

Damit Österreich als Standort weiterhin seine Interessen gegenüber bilateralen Ver­handlungspartnern umsetzen kann, bemüht sich Österreich vermehrt um die Abhaltung bilateraler Verkehrsrechtsverhandlungen. Seit Mai dieses Jahres gibt es eine EU-Verordnung, die die auf Grund des EU-Rechts geänderten Rechte und Pflichten festlegt, die bei diesen Verhandlungen zu berücksichtigen sind.

Die Kommission hat auch das Recht bekommen, mit Drittstaaten bilateral zu verhan­deln, allerdings nicht über den Bereich der Verkehrsrechte, sondern über spezifische EU-rechtliche Belange. Kommission und Mitgliedstaaten koordinieren sich rechtzeitig im Rahmen eines durch EU-Recht eingerichteten Sonderausschusses. In diesem sind die bilateralen Luftfahrtexperten der Zivilluftfahrtbehörde vertreten, um die spezifisch österreichischen Interessen gegenüber den 24 Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission entsprechend zu vertreten und durchzusetzen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Danke, das ist nicht der Fall. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Das verstehe ich vollkommen!)

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Professor Böhm. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie ist der Stand der Luftverkehrsverhandlungen zwischen der Europäischen Kommis­sion und den USA, womit auch das bilaterale Luftverkehrsabkommen zwischen Öster­reich und den USA repariert werden soll?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Bundesrat! In den 17 Monaten seit der Entscheidung des Verkehrsministerrates vom Juni 2003 wurden zahlreiche Erfahrun­gen gesammelt und auch Fortschritte erzielt. Dort wurde ja bekanntlich die Euro­päische Kommission von den Verkehrsministern ermächtigt, ein umfangreiches Ab­kommen mit den USA zu verhandeln, das anschließend die bilateralen Abkommen der einzelnen Mitgliedstaaten mit den USA ersetzen sollte. Auf Grund der Wahlen in den USA ist allerdings die Verhandlungsrunde ins Stocken geraten; die nächsten Termine sind für Beginn des nächsten Jahres geplant.


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Der konkrete Verhandlungsstand sieht derzeit so aus – ich weiß, dass die Materie rela­tiv kompliziert ist für Personen, die sich nicht damit beschäftigen können –: Es wurden bisher keine regulatorischen Lösungen in den Bereichen Security und Wettbewerb erzielt. Security wurde wiederholt von den USA als prioritär betrachtet, es erfolgte aber keine Einigung über die US-Forderung, ohne vorhergehende Konsultation jede Maß­nahme in diesem Bereich setzen zu dürfen, insbesondere nicht nur die in den USA operierenden Fluggesellschaften einer Überprüfung zu unterziehen, sondern eben auch die EU-Luftfahrtbehörden auf diese Weise zu übertrumpfen.

Zum Marktzugang bemerkte die Europäische Kommission, dass die USA bereit seien, die Gesetzgebung zu ändern und bis zu 49 Prozent ausländische Investitionen zuzu­lassen und im Bereich Niederlassungsfreiheit, Cabotage, Leasing and Code Sharing weitgehende Zugeständnisse zu machen.

Die USA schlugen als Alternative zum Niederlassungsrecht und zu Cabotage-Opera­tionen innerhalb der USA ein Konzept eines „indirect carrier“ vor. Dadurch soll EU-Fluggesellschaften das Bewerben ihrer Flüge in Kooperation mit einem US-Carrier ermöglicht werden. Dieses Konzept steht allerdings nach Meinung der EU rechtlich auf relativ schwachen Beinen.

Sie sehen also, dass der Großteil der Fragen noch offen ist und dass es noch inten­siver Verhandlungen bedürfen wird, um hier zu einem sinnvollen Ergebnis, das auch für Österreich vertretbar ist, zu gelangen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Nächste Zusatzfrage? – Frau Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Wie weit ist der Plan gediehen, die Westbahn an Hörsching heranzuführen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Hier gibt es Konzepte und Planungen der HL-AG in Form von drei Varianten: eine viergleisige Anbindung, eine zweigleisige Anbindung an den Flug­hafen Hörsching oder die Beibehaltung der jetzigen Situation mit einer entsprechenden Verlagerung des Bahnhofs oder einer Verbindung des Schienenbahnhofs mit dem Flughafenterminal. Diese Planungen werden weiter vorangetrieben. Die oberösterrei­chische Landesregierung und auch die Gemeinden sind in diese Planungen entspre­chend eingebunden. Im kommenden Frühjahr soll über den Stand der Planungen mit den Gemeinden und mit dem Land diskutiert werden, dann gibt es ein öffentliches Begutachtungsverfahren in diesem Zusammenhang, und dann soll entschieden wer­den, welche dieser Varianten weiter verfolgt wird.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär. – Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Boden.

 


Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Wie wird man in Zukunft strategisch auch die kleineren Flughäfen in den Bundesländern in den Luft­fahrtverkehr einbinden?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Die kleineren Flughäfen sind in den Luftverkehr eingebunden, aber klar ist, dass Österreich von seiner Situation, von seinem Luftverkehrspotential her nur ein großes Flugverkehrsdrehkreuz benötigt, und dieses wird Wien-Schwechat sein. Dabei wird es auch in Zukunft bleiben.


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Der Flughafen Schwechat entwickelt sich ja ganz hervorragend, die Passagierzu­wachsraten liegen ja über dem europäischen Durchschnitt. Die Kooperation mit den Regionalflughäfen funktioniert sehr gut. Diese entwickeln aber darüber hinaus insbe­sondere für den Tourismus eigene Konzepte, fördern zum Teil auch den touristischen Luftverkehr. Ich glaube, dass es hier ein sehr gutes, zwischen dem Zentralflughafen Schwechat und den Regionalflughäfen abgestimmtes Konzept gibt. Der Flugverkehr hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt, und darüber hinaus sind auch die Perspektiven für die nächsten Jahre durchaus zufrieden stellend.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur 8. Anfrage, die Herr Bundesrat Wiesenegg stellt. Ich bitte um die Verlesung.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! „Streichkonzert bei den Nebenbahnen“ heißt es in den „Salzburger Nachrichten“. Meine Frage daher:

1381/M-BR/2004

„Welche Strecken sind generell in Österreich von einer Stilllegung durch die ÖBB bis 2008 betroffen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Von Seiten des Verkehrsministeriums wird grundsätzlich festgestellt, dass das Unternehmen ÖBB hinsichtlich des Personen- und Güterverkehrs in die wirtschaftliche Unabhängigkeit entlassen worden ist. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen obliegen daher die Tarifgestaltung im Personen- und Güterverkehr sowie die Führung oder Nichtführung von Zügen der ausschließlichen Entscheidung des Managements der ÖBB. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Einflussnahmen durch den Verkehrsminister sind nicht möglich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das erstmals weit gefasste Weisungsrecht des Bundesministers ist gemäß § 12 Bun­desbahngesetz auf allgemeine verkehrspolitische Grundsatzweisungen und auf Anwei­sungen im Katastrophenfall eingeschränkt worden.

Herr Kollege! Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses so genannte Weisungs­recht des Verkehrsministers beziehungsweise Nicht-Weisungsrecht und die Verantwor­tung für die wirtschaftliche Führung des Unternehmens bereits im Bundesbahnge­setz 1992 so geregelt wurden, wie es jetzt auch wieder drinsteht. Es hat sich also durch die so genannte Bundesbahnreform hat diesbezüglich nichts geändert, was das Weisungsrecht des Herrn Ministers betrifft.

Ebenso unterliegt die Wahl von Geschäftsfeldern oder Marktstrategien der freien Ent­scheidung des Managements und wird nur durch die Grenzen der Geschäftsordnung des Vorstandes eingeschränkt, die bestimmte Tätigkeiten und Maßnahmen von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig machen kann.

Ausnahmen sind nur in den sehr eingeschränkten Fällen des § 12 Bundesbahngesetz, also verkehrspolitische Weisungen und Weisungen im Fall von Naturkatastrophen, möglich. Solche Weisungen sind jedoch auch durch den Weisungsgeber, das heißt durch den Bund und durch den Minister, in jedem Einzelfall anzuordnen und auch gesondert an die ÖBB zu bezahlen. Das heißt, die Kosten, die aus solchen Weisungen entstehen, sind dann vom Ministerium zu bezahlen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 26

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Es geht hier um die Sache, und zwar: In welchem Zeitraum werden diese Strecken geschlossen und auf Busse umgestellt?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es gibt kein Konzept (Bundesrat Kraml: Das glaube ich! – Heiterkeit bei der SPÖ), das Stilllegungen von Nebenbahnen betreffen würde; mir ist keines bekannt. Es wurde von den Vorständen der ÖBB weder dem Herrn Minister noch mir jemals ein solches Konzept vorgestellt. – Die Konzepte, die ich kenne, stam­men alle aus der Zeit der sozialistischen Verkehrsminister und des Herrn General­direktors Dr. Draxler. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja schon fünf Jahre her! – Bundesrat Kraml: Sie schlafen schon fünf Jahre! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind die, die ich kenne.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur nächsten Zusatzfrage, die Herr Bundesrat Wolfinger stellt. – Bitte.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Welche Maßnahmen haben Sie für eine Qualitätssteigerung und damit auch Nachfragesteige­rung für den öffentlichen Nahverkehr geplant?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Wir haben im Juni dieses Jahres eine Arbeits­gruppe im Ministerium einberufen, in der die Beamten des Hauses und andere Exper­ten an Maßnahmen für eine Qualitätssteigerung im öffentlichen Nahverkehr arbeiten.

Wie Sie wissen, hat diese Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm festgelegt, dass es zu einer Qualitätsoffensive im öffentlichen Nahverkehr kommen soll und dass die Effizienz des Nahverkehrs gesteigert werden soll.

Bekanntlich haben wir hier das Problem, dass die öffentliche Hand, der Bund, die Län­der und die Gemeinden, immer mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr aufwenden, auf der anderen Seite aber immer weniger Kunden mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren. Es gibt hier also eine Effizienzlücke, und diese Effizienzlücke wollen wir schließen.

Zielsetzung der Reform ist es, den Anteil des öffentlichen Verkehrs beim Modal Split wieder entsprechend zu erhöhen. Der Ansatz dieser Reform wird an drei Stellen erfol­gen: einerseits durch eine Neustrukturierung in der Finanzierung; zweitens durch die Schaffung von Voraussetzungen für mehr kontrollierten Wettbewerb; drittens durch entsprechende Maßnahmen zur Qualitätssteigerung.

Wir orientieren uns hier auch an der Kritik des Rechnungshofes, der wiederholt in ver­schiedenen Prüfberichten festgehalten hat, dass umfassende Reformen im öffentlichen Nahverkehr durchgeführt werden sollen.

Ebenso tragen wir den Bestrebungen auf europäischer Ebene Rechnung, die mehr in Richtung eines kontrollierten Wettbewerbes auch im öffentlichen Verkehr gehen.

Sicher ist auch, dass sich die Reform in Richtung einer stärkeren Verländerung des öffentlichen Verkehrs bewegen wird, das heißt, dass man die Ausgabenverantwortung im öffentlichen Verkehr an die Aufgabenträger und an die Besteller, also an die Länder, übergeben wird.

Diese Konzepte werden derzeit diskutiert, mit den Experten weiterentwickelt, dann wer­den entsprechende Gespräche und Verhandlungen mit den Ländern, den Gemeinden


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 27

und Verkehrsverbünden stattfinden, dann weitere Gespräche mit den großen Verkehrs­unternehmen wie ÖBB, wie Postbus, wie andere private große Busbetreiber.

Ich gehe davon aus, dass Mitte des nächsten Jahres ein entsprechender Gesetzent­wurf vorgelegt werden kann, der über den Sommer in Begutachtung geht und dann im Herbst im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen werden soll.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur nächsten Zusatzfrage, die Herr Bundesrat Gudenus stellt. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Kurz und bündig: Was war das Ergebnis der Interessensuche für die im Jahre 1999 von den ÖBB stillgelegten Strecken?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Ich habe das jetzt im Detail nicht im Kopf, aber soweit ich das sehe, haben sich keine zusätzlichen Betreiber gefunden, die in der Lage und bereit gewesen wären, von den ÖBB stillgelegte Strecken auf eigene Kosten, aber natürlich mit den Zuschüssen, die auch den ÖBB gebührt hätten, weiter zu betreiben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wie beurteilen Sie eigentlich die Tatsache, dass in schienentechnisch und regulierungs­technisch schwierigen Zeiten die Ausschreibung für die Schienenkontroll-Geschäfts­führung von den Qualifikationen her jetzt wesentlich geringer ist als vorher?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Nein, das würde ich umgehend bestreiten. Die Ausschreibung für den Geschäftsführer der Schienenkontroll-GmbH entspricht den internationalen Normen. Diese Funktion ist österreich- und europaweit ausgeschrieben, und es hat jeder, der über entsprechendes Know-how auf diesem Gebiet verfügt, die Möglichkeit, sich für diese Funktion zu bewerben.

Es ist eine entsprechende Fachkommission eingesetzt, die eine Bewertung der Kandi­daten vornehmen wird, und dann wird eine Entscheidung getroffen, so wie das Gesetz das vorsieht.

Also ich kann hier keinen Unterschied erkennen zu den Ausschreibungen, die früher zu diesem Thema stattgefunden haben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir kommen zur 9. Anfrage, die Herr Bundesrat Kneifel stellt. Ich bitte um die Verle­sung.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Meine Frage:

1378/M-BR/2004

„Welche Schritte haben Sie unternommen, um die Wasserstraße Donau zu einer attraktiven Alternative zu den Verkehrsträgern Straße und Schiene zu machen?“

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 28

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wie Sie wissen, war es mir seit Anbeginn ein besonderes Anliegen, die Wasserstraße Donau zu attraktivieren, dafür zu sorgen, dass sie einen größeren Beitrag insbesondere im Rahmen des Gütertransports in Ost-West-Richtung übernimmt.

Ich habe deshalb auch alles getan, um insbesondere durch das so genannte flussbau­liche Gesamtprojekt östlich von Wien dafür zu sorgen, dass dieses „bottleneck“ für die Schifffahrt beseitigt werden kann.

Es geht aber hier nicht nur darum, die ganzjährige Schiffbarkeit der Donau zu verbes­sern, sondern es geht hier auch um ein entsprechendes umweltpolitisches Konzept. Gemeinsam mit dem Nationalpark Hainburg tun wir alles, um durch eine Sohle­stabilisierung der Donau zu erreichen, dass es zu keiner weiteren Eintiefung der Donau kommt, weil das auch dazu führen würde, dass der Grundwasserspiegel in der Hain­burger Au sinken und es somit zu einer Austrocknung der Au mit all den negativen ökologischen Folgen kommen würde.

Deshalb haben wir gemeinsam mit den namhaftesten Ökologen dieses Landes ein Projekt entwickelt, das sowohl der besseren ganzjährigen Schiffbarkeit der Donau dienen als auch dafür sorgen wird, dass diese negativen Effekte für die Hainburger Au nicht eintreten werden. Das ist also ein ganz wichtiges Projekt, von dem wir glauben, dass es auch europaweit einen gewissen Vorzeigecharakter haben kann.

Darüber hinaus hat die via donau, eine wettbewerbsneutrale und förderungsorientierte Bundesgesellschaft, ein Testzentrum für River Information Services in Betrieb genom­men und damit auch die Grundlage für die Implementierung geschaffen, die auf der ganzen österreichischen Donau umgesetzt werden soll. Selbstverständlich soll und wird das auch gesamteuropäischen Standards entsprechen. Es wurde bereits einer Rahmenrichtlinie über die Binnenschifffahrtsinformationsdienste durch den europäi­schen Verkehrsministerrat entsprochen. Österreich hat maßgeblich daran mitgewirkt.

Als Benutzeroberfläche für dieses River Information Service wird auch eine elektroni­sche Schiffskarte nach dem europäischen Inlandsstandard verwendet. Auf der von der via donau betriebenen Portalseite der Schifffahrt wird dieses Donau River Information Service auch kostenlos zur Verfügung gestellt.

Ein Projekt zur Vervollständigung der Karteninformation und zur Einbindung der öst­lichen Nachbarstaaten wird ebenfalls von der via donau koordiniert. Um all diese Aufgaben in Zukunft noch effizienter erfüllen zu können, wurde im Ministerrat am 26. Oktober auch das Bundesgesetz über Aufgaben und Organisation der Bundes-Wasserstraßenverwaltung – Wasserstraßengesetz beschlossen. Es liegt derzeit im Verkehrsausschuss. Durch eine Neuordnung der bisher aufgesplitterten Organisations­strukturen im Bereich der Wasserstraßen des Bundes sollen diese Agenden künftig effizienter wahrgenommen werden können, und es sollen eben auch optimale Rah­menbedingungen für einen besseren operativen Betrieb der Wasserstraße Donau geschaffen werden.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine zweite Frage? – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Der Ausbau der Donau muss als internationale Anstrengung aller Donaustaaten gesehen werden. Welche Koordinationsaktivitäten wurden seitens der österreichischen Bundesregierung bisher gesetzt, um dieses Ziel zu erreichen?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 29

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Die österreichische Bundesregierung hat eine Reihe von Koordinationsmaßnahmen getroffen. Ich selbst habe an einer Reihe von internationa­len Donaukonferenzen teilgenommen, um auch von Österreich aus entsprechende Impulse im Hinblick auf entsprechende einheitliche Ausbaustandards an der Donau zu setzen. Es geht hier um die Beseitigung dieser wesentlichen „bottlenecks“, die wir nicht nur in Österreich haben, sondern die es auch in der Bundesrepublik Deutschland und in Ungarn und Serbien in erster Linie gibt. Gerade durch die europäische Einigung kommt der Wasserstraße eine ganz entscheidende Rolle im Hinblick auf den osteuro­päischen Raum zu.

Meine Aufgabe sehe ich auch darin, in einer eigenen Arbeitsgruppe Obere Donau mit Repräsentanten der Donauländer Österreich, Deutschland, Slowakei und Ungarn ent­sprechende Voraussetzungen zu schaffen, um in technischen und organisatorischen Fragen eine gemeinsame und koordinierte Vorgangsweise auch gegenüber der Euro­päischen Kommission sicherzustellen.

Wir werden auch im Zuge der Präsidentschaft im Jahr 2006 versuchen, das Thema Donau als Wasserstraße zu einem wichtigen politischen Thema unserer österreichi­schen Präsidentschaft zu machen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Zusatzfrage kommt von Herrn Mag. Gudenus. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Sie haben schon den Ausbau der Donau im Bereich der Hainburger Au erwähnt. Bis wann kann man damit rechnen, dass dieser Ausbau östlich von Wien erledigt oder abgeschlossen sein wird?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 30

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Es handelt sich hierbei um ein sehr komple­xes Problem, bei dem wir auch sehr sorgfältig vorgehen wollen, weil es, wie gesagt, nicht nur um eine rein bautechnische Frage geht, sondern weil es eben auch darum geht, dass diese Maßnahmen in einem naturschutzrechtlich heiklen Bereich, nämlich im Bereich des Nationalparks Hainburg, durchgeführt werden.

Deshalb sind hier auch umfassende Versuche gemeinsam mit Ökologen geplant. Es geht um die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf Grund der bereits fest­gelegten Planungsgrundsätze. Es geht um die Erarbeitung eines Monitoring-Program­mes mit dem Nationalpark Donauauen. Dieses Projekt wird ungefähr bis Ende 2005 dauern. Dann kommt die Umweltverträglichkeitsprüfung; diese wird ungefähr bis Ende 2006 dauern. Dann wird es eine Reihe von Modell- und Naturversuchen geben, die ebenfalls in den Jahren 2005 und 2006 durchgeführt werden. Die Hauptarbeiten werden dann vom Jahr 2006 bis zum Jahr 2010 durchgeführt, sodass ich davon ausgehe, dass im Jahr 2010 diese Arbeiten an der Verbesserung der Schiffbarkeit und an der Verbesserung der Schifffahrtsrinne in diesem Bereich inklusive aber auch der entsprechenden Maßnahmen für die Hainburger Au tatsächlich abgeschlossen sein werden.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Staatssekretär. – Die nächste Zusatzfrage kommt von Frau Dr. Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Im Zuge der Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen sollen angeblich Niederwas­serstrecken beseitigt werden. Was tun Sie, um wertvolle ökologische Bereiche zu erhalten?

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Es werden keine Niederwasserstrecken beseitigt, sondern ich wiederhole – ich habe es bereits erwähnt –, dass die bedeutendsten österreichischen Ökologen an diesem Projekt mitgearbeitet haben, etwa das Vorstandsmitglied des WWF Professor Schiemer. Dr. Harmer als ehemaliger Präsident des WWF war auch daran beteiligt, ebenso viele andere. Diese Ökologen haben sich gemeinsam mit unseren Technikern auf gemeinsame Ausbaustandards geeinigt, also auf bestimmte Abladetiefen und bestimmte Wassertiefen in bestimmten Regionen der Donau.

Das wird jetzt entsprechend umgesetzt, wobei ich noch einmal sage: Es ist auch deshalb eine so große Bereitschaft der österreichischen Ökologen und des National­parks gewesen, dabei mitzuwirken, weil wir es hier mit einem natürlichen Phänomen zu tun haben, nämlich mit der Tatsache, dass es durch die relativ lange freie Fließstrecke der Donau zu einer Eintiefung der Donausohle kommt. Und diese Eintiefung der Donausohle, die im Jahr ungefähr zwei Zentimeter beträgt, führt dazu, dass der Grund­wasserspiegel entlang der Donau sinkt. Dieser Grundwasserspiegel, dieses Sinken beeinträchtigt natürlich auch die Hainburger Au, wo eine bereits nachgewiesene Tendenz zur Austrocknung besteht. Und dieses Projekt hat eben auch die Aufgabe, neben der Verbesserung der Schifffahrt dafür zu sorgen, dass es zu keinem weiteren Sinken des Grundwasserspiegels kommt, sondern im Gegenteil, dass die Wasserpegel eher angehoben werden, dass wieder mehr Wasser in die Donau rinnt und es zu einer stärkeren Vernetzung auch der verschiedenen Donauarme kommt.

An diesem Gesamtprojekt wird derzeit gearbeitet. Darüber herrscht eigentlich ein Grundsatzkonsens. Uns geht es jetzt darum, dass es auch relativ rasch umgesetzt wird. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte nur noch festhalten, dass 50 Prozent der Gesamtkosten dieses Projektes alleine sozusagen in die Revitalisierung auch der Hainburger Au in diesem Zusammen­hang fließen werden.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Profes­sor Konecny.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Welche Maßnahmen zur Sohlestabilisie­rung werden im Rahmen dieses Projektes getroffen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Das führt uns schon relativ weit sozusagen in die Bautechnik. Dabei handelt es sich um eine so genannte granulometrische Methode. Das ist eine Schotter-Kies-Zugabe in einer bestimmten Größe und mit einem bestimmten Kornum­fang, die dazu führen wird, dass es eben an bestimmten sensiblen Stellen der Donau nicht mehr zu einer Eintiefung kommen wird, sondern dass dort die Sohle stabilisiert wird.

 


Das ist ein relativ neuartiges Verfahren. Es werden dazu auch entsprechende Natur­versuche durchgeführt, um zu testen, ob das, was in der Theorie eben eine bestimmte Wirkung erzielen sollte, sich tatsächlich auch in der Praxis so umsetzen lässt. Aber man ist da relativ optimistisch. Es sind sich Ökologen und Flussbauer einig, dass diese Methode angewandt werden soll und dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie auch diese positiven Wirkungen hervorruft, von denen wir glauben, dass sie notwendig sind.


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 10. Anfrage, 1382/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Einwallner, um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1382/M-BR/2004

„Wann wird die Einführung einer Tagesvignette, die Sie der Bevölkerung im Raum Bregenz im September dieses Jahres zugesagt haben, umgesetzt?“

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Bei der Einführung einer Tagesvignette im Raum Bregenz handelt es sich um eine wiederholt vorgebrachte Forderung aus Vorarl­berg. Seitens des bmvit bestehen Überlegungen, in einem Pilotversuch für die A 14 zwischen der Staatsgrenze Hörbranz und der Anschlussstelle Hohenems für Motor­räder und Pkw eine Eintagesvignette vorerst befristet auf ein Jahr auszugeben.

Das Ziel eines derartigen Pilotversuchs wäre die Rückverlagerung des Verkehrs von der Achse L 190 zur L 202 auf die A 14, um die überdurchschnittliche Schadstoffent­wicklung in Bregenz und den Ortsdurchfahrten der benachbarten Gemeinden entspre­chend zu senken und die derzeit mit dem Ausweichverkehr verbundene Einbuße der Lebensqualität der Bewohner entlang der Ausweichroute entsprechend zu verringern. Das ist die Intention.

Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Land Vorarlberg über eine Kostenübernahme des möglichen Einnahmenentfalls, weshalb auch entsprechende Aussagen über den Start des Pilotprojekts zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden können. Diese Verhandlungen mit der Landesregierung sind nicht abgeschlossen. Solange es eben nicht auch entsprechende Zugeständnisse gibt beziehungsweise das Land nicht erklärt, dass es für die Einnahmenausfälle auch die entsprechende Haftung übernimmt, so lange kann dieser Probeversuch nicht durchgeführt werden.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Danke.

Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Mayer.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Staatssekretär! Genau um diese Kosten geht es natürlich, um diese Ausfallhaftung, die das Land Vorarlberg überneh­men sollte. Deshalb schließt sich hier meine Frage an: In welcher Höhe würde sich schätzungsweise der voraussichtliche Mautentgang für die ASFINAG bewegen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Bundesrat! Der voraussichtliche Mautentgang ist generell schwer zu schätzen. Es ist jedoch zu erwarten, dass ein Einnahmenausfall von bis zu rund 5 Millionen € entstehen könnte. Nicht eingerechnet wurde dabei der sicherlich hohe bürokratische Aufwand, der durch eine solche Sonderregelung natürlich für die Produktion, Lagerung und Verteilung der entsprechenden Vignetten entstehen wird.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Weilharter. (Bundesrat Weilharter: Ich verzichte!) – Danke.

 


Letzte Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Konrad.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 32

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Herr Staatssekretär! Müsste eine perma­nente oder versuchsweise Umsetzung aus verfassungs- oder gesellschaftsrechtlichen Gründen bundesweit erfolgen?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Ja, es müsste eine gesetzliche Regelung kommen. Also wenn über den Probebetrieb hinaus dieses System zum Regelsystem werden beziehungs­weise das dann dort auch gesetzlich festgeschrieben würde, hätte das natürlich erstens einmal zur Folge, dass an manchen anderen Autobahnabschnitten und in manchen anderen Regionen ebenfalls solche Forderungen erhoben werden. Zweitens müsste natürlich dann ganz genau auch gesetzlich festgelegt werden, wo, in welchen Bereichen und in welchem Umfang eine solche Tagesvignette tatsächlich kommen könnte.

Also eine gesetzliche Festlegung ist notwendig, nicht aber für einen möglichen Probe­betrieb, der derzeit angedacht ist.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Fragestunde ist beendet.

*****

Ich gebe bekannt, dass der Herr Bundeskanzler gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsord­nung seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes abzugeben. Diese Erklärung wird den Punkt 1 der Tagesord­nung bilden.

Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, entsprechend vervielfäl­tigten und verteilten Anfragebeantwortung 2059/AB und des Nominierungsschreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG sowie jenes eingelangten Ver­handlungsgegenstandes, der nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortung:

2059/AB-BR/2004 Maria Rauch-Kallat, BMGF, zu 2243/J-BR/2004 (siehe S. 7);

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 17. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2005 (Bundesfinanzge­setz 2005 – BFG 2005) samt Anlagen (650 und 670/NR der Beilagen).

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

Anlage 1

Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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An die

Präsidentin des Bundesrates

Frau Anna Elisabeth HASELBACH

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Wien, am 15. November 2004

GZ 405.013/0015-IV/5/2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Landtagspräsident Manfred DÖRLER wurde über Vorschlag des Landes Vorarlberg durch Beschluss der Bundesregierung vom 27. November 2001 als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen für die Amtszeit von 2002 bis 2006 bestellt.

Auf Grund des Ablebens des Vorarlberger Landtagspräsidenten Manfred DÖRLER am 15. Juli 2004 war für die verbleibende Amtsperiode bis 2006 ein Nachfolger als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen zu ernennen.

Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG kann ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 9. November 2004 beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG erfolgten Vorschlags des Amtes der Vorarlberger Landes­regierung, den neu gewählten Landtagspräsidenten Gebhard HALDER als neues stellvertretendes Mitglied zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Schüssel

Beilage

Amt der Vorarlberger Landesregierung

Zahl: PrsE-10100.00

Bregenz, am 12.10.2004

Bundeskanzleramt

Ballhausplatz 2

1014 Wien

SMTP: iv5@bka.gv.at

Auskunft:

Dr. Martina Büchel-Germann

Tel: +43(0)5574/511-20310

Betreff: Nominierung des stellvertretenden Mitglieds Vorarlbergs im Ausschuss der Regionen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Landtagspräsident Manfred Dörler wurde von Vorarlberg als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen für die AdR-Amtszeit 2002 bis 2005 nominiert. Landtags­präsident Manfred Dörler ist am 15. Juli 2004 verstorben.

Die Vorarlberger Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 12. Oktober 2004 beschlos­sen, den neu gewählten Landtagspräsidenten Gebhard Halder als stellvertretendes


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 34

Mitglied Vorarlbergs im Ausschuss der Regionen für die restliche AdR-Amtsperiode 2002 bis 2005 zu nominieren.

Es wird gebeten, die Bestellung durch den Rat zu veranlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Vorarlberger Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

Dr. Johannes Müller

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der eingelangte Außenpolitische Bericht 2003 der Bundesregierung wurde dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zugewiesen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Die Frau Präsidentin hat diese Verhandlungsgegenstände sowie die Erklärung des Bundeskanzlers betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Auf Grund eines weiteren mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 62 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Eva Konrad, Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend schwarzblaue Umfärbung der Österreichischen HochschülerInnenschaft vorliegt.

Ich verlege die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters gebe ich bekannt, dass mir ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der Anfrage der Bundesräte Schim­böck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließungswelle von Postämtern – „Herr Vizekanzler, handeln Sie!“ vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich auch diese Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus und nach Verhandlung der erstgenannten Dringlichen Anfrage.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


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1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR betreffend Ernennung eines neuen Regierungsmitgliedes

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung. Ich begrüße dazu recht herzlich den Herrn Bundeskanzler und bitte ihn, zur Abgabe der Erklärung das Wort zu nehmen. (Allgemeiner Beifall.)

 


10.40

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Ich darf das Wort ergreifen und Sie davon in Kenntnis setzen, dass ziemlich genau vor einem Monat als Nach­folgerin für die frühere Außenministerin Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner Dr. Ursula Plassnik der Öffentlichkeit und dem Nationalrat vorgestellt wurde. Heute mache ich das gerne vor dem Bundesrat.

Es ist irgendwo auch ein interessantes Zusammentreffen, dass vor wenigen Tagen die neue Kommission ihre Arbeit aufgenommen hat. Benita Ferrero-Waldner hat am vorigen Freitag ihr Amt angetreten, hat gleich am Montag den ersten Allgemeinen Rat, Außenministerrat gehabt, ist dann sofort zur großen Konferenz über den Irak nach Sharm El-Sheikh geflogen, und heute findet das Treffen EU – Russland in Den Haag statt. Man sieht, dass jetzt diese wichtige europäische Funktion mit vollen Akkorden von unserer früheren Außenministerin wahrgenommen wird.

Ich wünsche ihr von dieser Stelle aus alles Gute für diese verantwortungsvolle Arbeit. Ich bin sicher, dass sie eine bella figura, würden die Italiener sagen, machen wird, aber nicht nur im physischen, sondern vor allem auch im inhaltlichen Sinn machen wird. Ich glaube, gerade jetzt braucht Europa – Stichwort Ukraine, Nachbarschaftspolitik, die ja zu den wichtigen Inhalten ihrer Politik gehört – eine handlungsfähige, klare Position, und ich bin sicher, dass Benita Ferrero-Waldner das gut machen wird. Daher alles Gute auf diesem Weg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundes­räten der Grünen.)

Vor einem Monat hat sich Frau Dr. Ursula Plassnik der Öffentlichkeit als designierte Außenministerin vorgestellt. Ich denke, sie hat das in einer sehr professionellen und guten Art und Weise gemacht und damit eigentlich schon vom Start weg den Beweis geliefert, dass sie dieses Amt von der Persönlichkeit, vom Fachwissen und von den politischen Fähigkeiten her optimal ausfüllen wird.

Ich bin sehr dankbar und froh, dass sie die Bereitschaft für dieses Amt bekundet und die Verantwortung auf sich genommen hat, in diesen Jahren Österreich in der Welt zu repräsentieren. Sie wird das in einer ihr eigenen, unverwechselbaren Art tun, und ich glaube, dass das auch wirklich gut funktionieren wird. Sie verdient einen Vertrauens­vorschuss. Sie ist offen, wie sie gesagt hat, für eine breite, konsensorientierte Außen­politik, die an den Interessen Österreichs und Europas orientiert ist.

Zur Person: Ursula Plassnik hat in Wien Jus studiert, ist Kärntnerin – soll auch nicht verschwiegen werden (Heiterkeit) –, hat 1978 promoviert, dann in Brügge das Collége d’Europe absolviert, ist dann 1981 nach der Arbeit in einer Bank ins Außenamt einge­treten und hat im Völkerrechtsbüro gearbeitet – übrigens eine der wichtigsten Einrich­tungen der österreichischen Verwaltung.

Da heute der Tag der öffentlichen Verwaltung ist, möchte ich auch die Arbeit des öster­reichischen Völkerrechtsbüros hervorheben. Hans Winkler ist jetzt der Chef. Dort läuft sehr, sehr viel zusammen, was für die rechtliche Situation, die rechtliche Beurteilung von allergrößtem Interesse ist. Hier hat Ursula Plassnik ursprünglich gearbeitet und ist dann in der entscheidenden Phase in den KSZE-Prozess eingestiegen. Und ich bin


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immer noch davon überzeugt: Der eigentliche Auslöser für den Zusammenbruch des Kommunismus war dieser KSZE-Prozess. Von Helsinki angefangen bis zu den verschiedenen Körben der Bürgerfreiheiten, der Meinungsfreiheit war dieser KSZE-Prozess entscheidend dafür, dass sich heute Europa ganz anders darstellt.

Sie war bei der österreichischen Vertretung im Europarat tätig. Sie hat aber auch im EFTA-Sekretariat in Genf gearbeitet. Dort habe ich sie kennen gelernt, noch in meiner Zeit als Wirtschaftsminister. Sie ist mir dort aufgefallen, was natürlich angesichts der Größe der Frau Minister keine besondere Aussagekraft besitzt, denn sie hat – und viele Parlamentarier kennen sie ja auch aus dieser Zeit, vom Europarat und von der EFTA her – erstklassige Vorbereitungsarbeiten geliefert und hat wirklich in einer Art und Weise zugearbeitet, wie man sich das nur wünschen konnte.

Sie war dann an der Hochschule St. Gallen, ist dann zurück ins Außenministerium, war für die EU-Koordination und für den Rat Allgemeine Angelegenheiten zuständig. Schließlich war sie jahrelang Kabinettschefin im Bundeskanzleramt und zuletzt Bot­schafterin Österreichs in Bern.

Die Vita, der Lebenslauf spricht für sich. Ich denke, sie hat wirklich hervorragende Voraussetzungen für dieses Amt.

Aber auch in den ersten fünf Wochen ihrer Arbeit, meine Damen und Herren, hat sich enorm viel getan. Wir haben jetzt Halbzeit in der Legislaturperiode, und wir können zugleich auch eine erste Bilanz ziehen und in die zweite Hälfte dieser Periode blicken. Wir haben das am Montag bei einer Regierungsklausur getan. Wir haben von den 150 Programmpunkten, die in der Regierungserklärung enthalten sind, etwa 120 schon beschlossen oder in Umsetzung, zum Teil ja auch schon im Nationalrat und im Bun­desrat in Verabschiedung. Wir haben praktisch alle Budgets für die ganze Legislatur­periode fix und fertig. Das Budget 2005 ist bereits beschlossen, das Budget 2006 politisch abgehakt.

Wir haben mit den Bundesländern einen Finanzausgleich für die nächsten vier Jahre vereinbart, einen Stabilitätspakt außer Streit gestellt, die Gesundheitsorganisations­reform mit den Stimmen aller politisch relevanten Kräfte fixiert. Wir haben die Spitals­finanzierung mit den Bundesländern außer Streit gestellt und vorige Woche sogar das Jahrhundertprojekt einer Pensionsharmonisierung unter Dach und Fach gebracht. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Das halte ich wirklich für einen Quantensprung. Wenn Sie das hören wollen, dann sage ich das ohne Scheu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich darf da schon einen zitieren, mit dem ich viele harte Sträuße – bei persönlicher Wertschätzung, sage ich offen dazu – ausgefochten habe: das war Alfred Dallinger. Der hat vor 20 Jahren – vor 20 Jahren! – die Notwendigkeit genau dieser Pensions­harmonisierung betont, die wir jetzt beschlossen haben. (Bundesrat Gruber: Auch der Maschinensteuer!) – Was fällt Sozialdemokraten als Erstes ein? Eine neue Steuer! So ist es. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Auf jedes Problem gibt es eine Antwort: eine neue Steuer! (Bundesrat Gruber: Herr Bundeskanzler! Ihr Finanzminister ist da nicht zu übertreffen!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Gerechtigkeit und Fairness bei der Harmoni­sierung der Pensionen erfordern, dass wir für die Zukunft, ab 1. Jänner, gleiche An­sprüche, gleiche Anwartschaften vorsehen. Und das haben wir gemacht mit besseren Aufwertungszeiten, mit einer hervorragenden Bewertung der Kindererziehung und vielen anderen Dingen. Endlich gibt es Gleichberechtigung: Ein Präsenzdiener wird nicht besser bewertet als eine Mutter, die Kinder erzieht. Ich glaube, da sind viele notwendige und höchst wichtige Schritte enthalten, die in Wahrheit auch nicht strittig gewesen sind.


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Strittig mit dem ÖGB war – das sage ich hier auch offen – das Übergangsrecht, vor allem deshalb, weil halt manche Dinge dann der Bevölkerung auch ehrlich gesagt werden müssen: Bei längerer Lebenserwartung müssen wir länger arbeiten. Ich glaube, die Formel „mit 65 in Pension gehen, 45 Beitragsjahre, dann 80 Prozent der Lebenseinkommenssumme“, das ist die Formel, die in Wahrheit in jedem politischen Programm drinnen ist und die auch sinnvoll ist. Wir stehen dazu, wir reden nicht nur, und wir haben es umgesetzt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und was mich schon auch sehr freut, und das zeigt auch das Verantwortungsbewusst­sein der Gewerkschaft: Wir haben bei den Gehaltsverhandlungen für die Beamten und der Pensionsharmonisierung für die Beamten nicht nur die Zustimmung der Christ­demokraten, sondern auch die Zustimmung aller Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, in­klusive der freiheitlichen Gewerkschafter, inklusive der Sozialdemokraten Korecky und Holzer, zustande gebracht. Und ich muss sagen, das hat sich wohltuend unterschieden von der Fundamentalopposition manch anderer!

Österreich hat sich also bewegt, Österreich hat sich reformiert und neu positioniert. Der Aufschwung ist auch da – nutzen wir ihn also! (Beifall bei der ÖVP.)

Und jetzt konzentrieren wir uns voll auf die zweite Halbzeit. Da gibt es natürlich viele Dinge zu tun, wie die Regierungsklausur am Montag gezeigt hat: 90 weitere konkrete Reformvorhaben, Schritte zur Umsetzung, die Zusammenlegung von Polizei, Gendar­merie, Zollwache – übrigens eine langjährige Forderung vom ehemaligen Innenminister Schlögl, nur: Man hat ihn daran gehindert, es zu tun, aber niemand hindert Ernst Strasser daran. Wir werden es umsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Frage der Asylpolitik – ein wichtiges Thema, denn ein offenes Land wie Österreich kann auch von den Flüchtlingen verlangen, dass sie sich in Österreich einfügen, dass sie die Sprache lernen, dass sie Interesse für die Kultur haben und dass sie sich natürlich auch an die Gesetze halten. Und es ist völlig klar, dass in diesem Bereich noch manches getan werden muss.

Weitere Punkte: die Umsetzung der Europäischen Verfassung, die Umsetzung der Bundesheerreform inklusive Wehrdienstzeitverkürzung und Zivildienstzeitverkürzung, die Beteiligung an den europäischen Einsatzeinheiten. Am Montag im Allgemeinen Rat, im Außen- und Verteidigungsministerrat beschlossen: Österreich nimmt daran teil wie alle anderen nicht alliierten Länder, wie Schweden, wie Finnland. Das ist die Um­setzung der von uns gemeinsam außer Streit gestellten Petersberg-Aufgaben, ein ganz wichtiges Thema. Und ein weiterer wichtiger Punkt ist auch der Österreich-Konvent, der jetzt in die entscheidende Phase kommt.

Wir werden natürlich im nächsten Jahr in angemessener Form daran denken, dass am 1. Jänner, sprich in fünf Wochen, Österreich zehn Jahre der Europäischen Union angehört, dass wir am 15. Mai 2005 das Jubiläum 50 Jahre Staatsvertrag haben und dass wir Ende April den 60. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik haben.

Natürlich wollen wir zurückschauen, aber vor allem wollen wir die Zeit für eine Be­standsaufnahme in Bezug auf die Gegenwart und die Zukunft nützen, den Blick nach vorne richten, damit wir auch daran denken, wie wir die nächsten 10 Jahre, 50 Jahre, 60 Jahre bewältigen können. Und vor allem wollen wir alle Bevölkerungsgruppen mit­einbeziehen, auch die eine Million Menschen, die in Österreich heute leben, aber nicht hier geboren sind. Das ist eine ganz wichtige Veränderung, die hier Platz gegriffen hat. Daher ist hier nicht die Deutungshoheit von historischen Ereignissen gefragt, sondern vor allem eine gemeinsame Sicht der Dinge. Daher werden auch alle politischen Parteien in dieses Gedenkjahr 2005 miteinbezogen werden.


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Natürlich arbeiten wir jetzt schon mit Hochdruck – und das schließt den Bogen zur Außenministerin wieder – an der Vorbereitung des Präsidentschaftsjahres 2006, eine sehr schwierige, sehr verantwortungsvolle, aber auch schöne Aufgabe. Die Frau Außenministerin wird dann noch im Detail darauf eingehen. Wir werden einige ganz wichtige Entscheidungen in dieser Zeit zu treffen haben, und ich bin sicher, dass die Verantwortung dafür, die ja primär beim Außenministerium als dem Europaministerium liegt, hervorragend wahrgenommen wird. Ursula Plassnik hat längst mit den Vorarbei­ten und Vorbereitungen begonnen.

Ich bitte Sie daher: Vertrauen Sie Frau Dr. Ursula Plassnik in ihrem Amt! Helfen Sie aber auch mit, bringen Sie sich ein! Denn ich sage sehr offen, es wäre ganz falsch, würden wir Außen-, Europa- und damit Österreich-Politik in einem Dissens machen. Diese Themen sind zu wichtig, und sie müssen auch kontinuierlich weitergeführt wer­den. Sie sollten eigentlich aus dem Parteienstreit herausgehoben werden. Ich bitte Sie um dieses Vertrauen. – Frau Dr. Ursula Plassnik, alles Gute auf Ihrem weiteren Weg als Außenministerin! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.52

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Frau Außenministerin nimmt heute das erste Mal an einer Sitzung des Bundesrates teil. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Es liegt ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung vor, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler abgegebene Erklärung eine De­batte durchzuführen.

Dieses Verlangen ist ausreichend unterstützt, daher werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Bieringer das Wort.

 


10.53

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoch geschätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich vorab anlässlich des Tages des öffentlichen Dienstes allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Parlamentsgebäude sehr herzlich danke. Ohne die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Hohen Hause wären wir Mandatare wahrscheinlich nicht fähig, das Arbeitspensum zu bewältigen. Und wenn ich sage, Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dann meine ich nicht nur jene, die unmittelbar mit uns in Berührung kommen. Ich meine auch die Damen und Herren des Reinigungspersonals, der Hausdruckerei, jene, die für die Heizung und Lüftung zuständig sind, die Portiere, die Sicherheitsbeamten, die Chauffeure, kurzum alle Damen und Herren, die als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hohen Haus beschäftigt sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel hat heute eine Erklärung abgegeben, in der er auf das hingewiesen hat, was diese Regierung in den vergangenen zwei Jahren geleistet hat und was sich auch sehen lassen kann. Dafür, Herr Bundeskanzler, kann man Ihnen nur sehr herzlich danken. Wir danken Ihnen sehr herzlich für die Arbeit, die diese Regierung geleistet hat, und wir wissen, dass die Bevölkerung Österreichs das auch zu würdigen und zu schätzen weiß. Herzlichen Dank, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Namens der ÖVP-Bundesratsfraktion darf ich der Frau Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik sehr herzlich zu ihrer Bestellung zur Bundesministerin gratulieren. Wir sind davon überzeugt, dass der Herr Bundeskanzler, so wie immer, eine äußerst kluge und


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richtige Entscheidung getroffen hat (ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), und wir gratulieren dir, Frau Bundesministerin, sehr herzlich, wünschen dir alles Gute, und ich darf dir versichern, was die ÖVP-Fraktion des Bundesrates an Unterstützung beitragen kann, werden wir sehr, sehr gerne tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern, exakt vor zwei Jahren, hat die Bevölkerung Österreichs Dr. Wolfgang Schüssel und der Österreichischen Volkspartei einen Auftrag erteilt. Noch nie in der Geschichte der Zweiten Republik wurde ein Parteiobmann mit einem so satten Vertrauenszuwachs ausgestattet wie Wolfgang Schüssel, der über 15 Prozent zulegen konnte und eindrucksvoll in seiner Funktion als Bundeskanzler bestätigt worden ist. Und er hat dieses Vertrauen zu Recht erhalten! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ich kenne ja dieses Spiel schon. Vor vier Jahren haben Sie uns erklärt, die Bevölkerung wird diese Regierung abwählen, vor drei Jahren haben Sie es erklärt, vor zwei Jahren ist dann die große Ernüchterung bei Ihnen eingetreten, als Sie ge­sehen haben, wie eindrucksvoll die Bevölkerung Dr. Wolfgang Schüssel bestätigt hat. Das müssen Sie halt zur Kenntnis nehmen, ob Ihnen das passt oder nicht. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: In drei Jahren schafft ihr die Wahlen ab! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Wir reden vom Bundeskanzler der Republik Österreich, Herr Kollege Schennach, und nicht von irgendjemand anderem.

Meine Damen und Herren! In einer weltpolitisch gesehen nicht gerade einfachen Zeit hat diese österreichische Bundesregierung gezeigt, wie man Probleme anpackt und wie man Probleme bewältigt. Die Bundesregierung unter Dr. Wolfgang Schüssel hat eine Steuerreform mit einem Volumen von 3 Milliarden € beschlossen (Bundesrat Gruber: Auf Kosten der Länder und Gemeinden!) – die volle Entlastung kommt im Jahr 2005 –, eine Steuerreform, von der manch andere Länder nur träumen können.

Es gibt mit 1. Jänner 2005 eine Steuerentlastung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer, für Bauern und für Selbständige, wie es sie in dieser Republik noch nie gegeben hat.

Wir geben mehr Geld für die Forschung aus als jemals zuvor. (Bundesrat Gruber: 2,3 Prozent Neuverschuldung im Jahr 2005!) – Herr Kollege, Sie können sich ja ohne weiteres dann zu Wort melden, das ist ja kein Problem. (Bundesrat Gruber: Ich komme eh noch! Da brauchst du keine Angst zu haben!) – Diese Regierung gibt für den Bereich der Forschung mehr aus, als es je eine Regierung vorher getan hat. Lag der Anteil für die Forschung im Jahr 2000 bei 1,95 Prozent, so liegt er nunmehr bei 2,27 Prozent. Wir investieren mit 1,6 Milliarden € für die Forschung so viel wie noch nie, und ich bin davon überzeugt, dass diese Regierung ihrem Ziel, die Ausgaben für die Forschungsquote bis 2006 auf 2,5 Prozent zu steigern, sicherlich näher kommen wird.

Der Standort Österreich ist attraktiver denn je. Der Standort Österreich ist stabil und konkurrenzfähig. Gestatten Sie mir, dass ich als Bürgermeister einer Gemeinde, die direkt an der deutschen Grenze liegt, eine Anmerkung mache: Hätte ich in meiner Ge­meinde 300 Hektar Gewerbegebiet, würde ich sie so spielend verkaufen können, wie das noch nie der Fall war, denn es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Vertreter der deutschen Industrie zu mir kommt und mir sagt, er bräuchte 10 oder 40 Hektar Ge­werbegebiet, um seinen Betrieb von Deutschland nach Österreich verlegen zu können.

Ich glaube, dass das Vertrauen der ausländischen Unternehmen in die österreichische Bundesregierung weitaus größer ist – weitaus größer ist! –, als viele Miesmacher in diesem Land uns immer wieder einreden wollen. Wir sind stolz darauf, was diese


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Regierung speziell für die Wirtschaft getan hat! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

Die Exportquote, meine Damen und Herren, ist gestiegen: Im Jahr 2002 betrug sie 33,7 Prozent, heuer werden es 36 Prozent sein! Wohin auch immer Sie schauen: Sie werden sehen, dass diese Regierung sehr viel dazu beigetragen hat, dass es in diesem Land aufwärts geht, und die Bevölkerung – davon bin ich überzeugt – weiß das auch. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang sind auch die Förderungen für mehr Beschäftigte zu erwähnen. Wir haben einen Beschäftigungsrekord, wir haben eine niedrige Arbeits­losenrate. Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass unserem Bundeskanzler jeder Arbeitslose ein Arbeitsloser zu viel ist, aber der Herr Bundeskanzler hat mit seiner Regierung Rahmenbedingungen geschaffen, die es der Wirtschaft ermöglichen, in diesem Land zu investieren. Denn: Nur eine gesunde Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, sonst niemand!

Das Jahrhundertwerk, die Pensionsharmonisierung, meine Damen und Herren, wur­de am 18. November 2004 im Nationalrat beschlossen und wird am 2. Dezember 2004 hier im Bundesrat beschlossen werden. Die Pensionsharmonisierung bringt endlich das, was es bisher in keinem Land in Europa gibt, nämlich gleiche Pensionen für alle Bevölkerungsschichten. Und wenn dies kein Meilenstein ist, meine Damen und Herren, dann weiß ich nicht, was ein Meilenstein sein soll.

Oder: Soziales wird in dieser Regierung großgeschrieben. Denken Sie nur daran, dass der familienpolitische Meilenstein Kinderbetreuungsgeld das nicht mehr zeitgemäße Karenzgeld abgelöst hat, oder daran, dass erstmals seit 1995 mit 1. Jänner 2005 das Pflegegeld erhöht wird! – Das sind Leistungen, die sich sehen lassen können!

Wir sind davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass diese österreichische Bundesregierung dazu beiträgt, dass Österreich ein guter Platz zum Investieren ist, dass Österreich ein guter Platz zum Arbeiten und ein guter Platz zum Leben ist. Dafür arbeitet diese Bundesregierung. Und, Herr Bundeskanzler, ich darf dir versichern: Wir von der Bundesratsfraktion werden alles daran setzen, dich dabei zu unterstützen, weil wir glauben, dass es notwendig ist.

Und den Krakeelern – „Krakeelern“ nehme ich sofort zurück –, denen von der SPÖ, die immer nur kritisieren, sei ins Stammbuch geschrieben: Ich freue mich schon auf den Wahltag 2006. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ: Wir auch!)

Und ich sage Ihnen: Wir sind glücklich darüber, dass wir einen ausgezeichneten Wirt­schaftsminister haben, denn er wird Sorge dafür tragen, dass es genügend Energie gibt, damit wir die tief eingefrorenen Gesichter der linken Reichshälfte am kommenden Wahlabend wieder auftauen können. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

In diesem Sinne: Ein herzliches Glückauf, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gruber: Salzburg ist näher, als du denkst!)

11.04

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.04

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Außenministerin! Ich wäre ja mit den Prophezeiungen, lieber Kollege Bieringer, vorsichtig, und ich würde das, was er jetzt gesagt hat, Herr Bundeskanzler, als gefähr­liche Warnung verstehen. Seinerzeit hat er nämlich gesagt: Ich freue mich auf die Salz-


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burger Landtagswahl! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Bieringer: Habe ich nicht gesagt!)

Ich möchte ja im Gegensatz zu dir hier nicht in Über-Optimismus machen, und der Bürger ist allemal frei in seiner Entscheidung, und er wird sich von dir und von mir mit Zukunftsankündigungen – vielleicht mit Argumenten – nicht in eine bestimmte Richtung drängen lassen. Als Prophet hast du dich hier nicht wirklich etabliert – aber wenn das genauso ausgeht wie in Salzburg, soll es mir absolut Recht sein. Aber Sie wissen, Herr Bundeskanzler, er (in Richtung des Bundesrates Bieringer) hat es „verknofelt“ im Ernst­fall. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Wir werden Sie auch erin­nern ...!)

Selbstverständlich! Ich habe ja nicht gesagt, dass wir mit 99 Prozent Sicherheit diese Wahlen gewinnen! Ich werde mich redlich darum bemühen, mit allem, was ich ein­setzen kann – und meine Parteifreunde genauso. Aber der Souverän Wähler hat die Entscheidung zu treffen zwischen verschiedenen Argumenten, und wenn das nicht in der Richtung ausfällt, wie ich es mir wünsche, dann darf ich enttäuscht sein, aber der Wähler hat trotzdem im demokratischen System schlichtweg Recht. Das wollen wir nur klarstellen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Der Herr Bundeskanzler hat uns eine Kurzfassung dessen gegeben, was sich diese Bundesregierung in den letzten zwei Jahren geleistet hat. Und, meine Damen und Herren, irgendwie reden wir zugegebenermaßen – Sie werfen uns das immer vor – offensichtlich von verschiedenen Gesetzgebungsvorhaben.

Sie haben uns also hier erklärt – und das sind genau jene Themen, die in der öffent­lichen Diskussion zu Recht eine zentrale Rolle spielen –, Sie hätten die Pensionen langfristig gesichert. – Wir sagen, Sie haben denen, die diesem System unterliegen, zunächst einmal durch die ASVG-Reform, die ja auch in diese Halbzeit fällt, wie auch jetzt im Zuge der Harmonisierung entscheidende Grundlagen ihrer Altersversorgung weggenommen.

Und Sie haben erlebt – wenn auch nicht als unmittelbarer Sitzungsteilnehmer –, dass zu den Skurrilitäten dieser Debatte ja gehört, dass in ein und derselben Sitzung Sozial­demokraten und Grünen, die mit Argumenten oder mit Analysen der Arbeiterkammer operieren, aus denen sich eine bis zu 20-prozentige Pensionseinbuße ergibt, vorge­worfen wird, mit falschen Unterlagen, mit Gräuelpropaganda zu operieren – bis sich dann herausstellt, dass in den Papieren, die die Regierungsvertreter mithaben, natür­lich dasselbe drinsteht.

Und wenn dann die Nachfolge-Debatte die übliche war, der Sozialminister erklärt hat: Nein, da muss man nachjustieren, das geht ja nun wirklich nicht!, aber natürlich nicht nachjustiert wurde und damit den Frauen selbstverständlich Pensionsverluste drohen – und auch den Männern in diesem Beispielsfall –, frage ich mich, ob wir vom selben Gesetz reden, wenn Sie es hochleben lassen und ich bescheiden darauf hinweisen muss, dass das tatsächlich tief in die Lebensplanung, in die Zukunftsaussichten von Österreicherinnen und Österreichern eingreift.

Wenn Sie hier davon sprechen – Bilanz lässt sich ja noch keine ziehen, aber wir arbeiten ja noch –, dass Sie auf einen positiven Abschluss des Konvents hoffen, dann darf ich Sie nur diskret daran erinnern: Wenn wir im Zuge einer Reform unserer Verfas­sung – und etwas anderes kann es ja wohl nicht sein – das demokratische Element in dieser Republik ausweiten wollen, und wir gleichzeitig mit einem Gesetzentwurf Ihrer Unterrichtsministerin konfrontiert sind, der für die Studenten einen wesentlichen Teil der Demokratie beseitigt, dann frage ich mich, worüber ... (Bundeskanzler Dr. Schüs­sel: Es gibt keinen Entwurf der Bundesministerin!)


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Ach so! Die ÖH-Wahl, die Beseitigung der Wahl für den Zentralausschuss hat mit der Demokratie nichts zu tun, oder? (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ja, das ist einer jener Initiativanträge, die – vom plötzlichen Kuss der Einsicht berührt – Abgeordnete stellen, von denen das Ministerium „keine“ Ahnung hat und deren einziger Zweck darin besteht, sich die Zores zu ersparen, die man normalerweise mit einem Begutachtungs­verfahren hat. Herr Bundeskanzler, das wissen Sie so gut wie ich! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aber wenn ich das als Angebot verstehen darf, dann würde ich darauf gerne eingehen: Wenn Sie also meinen, dass dieser Initiativantrag tatsächlich eine Einschränkung der Demokratie bedeutet, dass er etwas Negatives ist, dann können wir gerne gemeinsam daran arbeiten, die Antragsteller in die Schranken zu weisen und das Wahlrecht für die Studenten – auch für den Zentralausschuss der ÖH – aufrechtzuerhalten. Dieses Angebot von meiner Seite gibt es selbstverständlich! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe nicht die Absicht, jetzt herunterzudeklinieren, wo wir in Ihrer Bilanz zu ande­ren Einsichten kommen. Es ist auch nicht mein primäres Anliegen, Prophezeiungen darüber abzugeben, wie die Österreicherinnen und Österreicher darauf reagieren wollen, sondern ich möchte nur zu zwei Dingen etwas sagen.

Ich weiß schon, das ist die neue Masche der ÖVP-Werbung – Kollege Bieringer hat das in noch viel mustergültigerer Weise vertreten –: Wer an den Maßnahmen der Bun­desregierung Kritik übt, der ist jemand, der mies macht, der dieses Land in Misskredit bringt oder Ähnliches mehr. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das tun Sie ständig!) Nein, Frau Kollegin, das tun wir nicht! (Bundesrat Bieringer: Bei Champagner-Empfängen!) Wir treten für dieses Land ein. Die Verwechslung der Bundesregierung mit der Repub­lik ist weder verfassungsrechtlich noch moralisch, noch politisch gedeckt. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Es gibt Firmen, die seit 100 Jahren bestehen und die viele schlechte Geschäftsführer überlebt haben. Diese Republik, die 1918 geschaffen wurde, hat bessere und schlech­tere Regierungen überlebt. Das Bekenntnis zu diesem Land, zu seinen Menschen, zu den Leistungen dieser Menschen – die Mitarbeiter des Parlaments mit eingeschlossen, Kollege Bieringer – bedeutet nicht, dass man die augenblickliche Geschäftsführung gleich mit hochleben lassen muss.

Wir haben in Österreich ein Reihe von in vielen Jahrzehnten – im Übrigen: gemein­sam – erarbeiteten positiven Grundlagen. Der Herr Bundeskanzler hat in einem Neben­satz, entschuldigen Sie, Kollege Bieringer hat in einem Hauptsatz – und der Nebensatz hat sich auf den Herrn Bundeskanzler bezogen, um das grammatikalisch richtig aus­zudrücken, unter dem Eindruck der PISA-Studie – auf die Arbeitslosigkeit hingewiesen. Wir hatten früher natürlich eine sehr viel niedrigere Arbeitslosigkeit, und es ist keine Frage, dass auch diese Bundesregierung auf einem positiven Sockel an Beschäftigung aufbauen kann. – Wobei die Entwicklung nicht nur der letzten zwei, sondern der letzten vier Jahre so glanzvoll nicht ist. Wenn man nämlich – notabene – im öffentlichen Dienst ein Sparprogramm in der Art durchzieht, wie es geschehen ist, dann bedeutet das natürlich, dass man unter anderem Arbeitsplatzprobleme schafft, weil es insbesondere eine Reihe junger Menschen gibt, die unter normalen Bedingungen im öffentlichen Dienst, zum Beispiel als Lehrer, Verwendung gefunden hätten, und heute entweder nicht oder nur temporär irgendwo beschäftigt sind. Und dass die Wirtschaftspolitik nicht gerade arbeitsplatzrelevant im positiven Sinn war, das ist ja nun unter allen ernst zu nehmenden Wirtschaftsforschern unumstritten. (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist ja völlig unwahr!) Ja, „völlig unwahr“! Herr Kollege, dann lesen Sie ein bisschen in den ... (Bundesrat Mag. Himmer: Welchen Wirtschaftsforschern?) Natürlich! Der Beschäfti­gungseffekt der Maßnahmen der Wirtschaftspolitik ist ... (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist absurd!) Nein, das ist nicht absurd! Sagen Sie das den Leuten, die auf Grund


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dieser Wirtschaftspolitik keine Beschäftigung finden! Sagen Sie ihnen, dass ihre Existenz absurd sei, Kollege Himmer! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Ich möchte aber, um ehrlich ... (Bundesrat Mag. Himmer: ..., welche Wirtschaftsfor­scher!) – Nicht schreien – melden, Herr Kollege! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Zwischenrufe gerne, aber keine Zwischenreden.

Ich möchte an diesem Punkt trotzdem, damit nicht nur ... (Bundesrat Mag. Himmer: Weil Sie selber ...!) – Kollege Himmer, ausgenüchtert sollten Sie schon sein, bitte. Herr Kollege, wir können uns gerne über alles unterhalten, aber bitte, wenn es geht, nach­einander. Zu einem Zwischenruf, Frau Kollegin, sind Sie immer herzlich eingeladen, das würzt die parlamentarische Debatte.

Dritter Versuch, den Satz zu sagen: Ich lasse es ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das wäre eine lustige Übung.

Sie haben mich jetzt noch ein bisschen am Thema festgehalten. – Herr Bundeskanzler, Halbzeiten sind Halbzeiten. Das, was Sie uns heute hier berichtet haben – Kurzfas­sung, Stenogramm; verstehe ich –, ist das, was man als Trainer üblicherweise als aufmunternde Worte in der Kabine spricht, wenn man 0 : 5 hinten liegt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich will Ihnen die ... (Bundesrat Bieringer: Ich glaube Ihnen ja, dass Sie es nicht zu­geben können, aber so etwas ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich brauche nichts zuzugeben! Der Herr Bundeskanzler hat hier eine Realität schöngeredet, die zweifellos – vielleicht nicht wahlentscheidend, sage ich auch ganz ehrlich – von den Menschen genau gegenteilig empfunden wird. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.) Von einer großen Mehrheit der Leute!

Ich sage jetzt noch einmal: Ob Sie daraus eine politische Konsequenz ziehen, weil Sie es als Gesamtschau betrachten, das weiß ich nicht. Aber sprechen Sie mit Ihrer eige­nen Klientel über die Pensionsreform, sprechen Sie über die jetzigen Harmonisierungs­schritte, sprechen Sie mit den Studenten über die erwähnte Wahlrechtsentziehung, und dann sagen Sie mir, wo Sie die überwältigenden ... (Bundesrat Bieringer: Ja, reden wir darüber! Da können wir bei der Arbeiterkammer gleich anfangen! Reden wir darüber!) Entschuldigen Sie, Kollege Bieringer: Ist das jetzt die Ankündigung eines Initiativantrages zur Beseitigung des Wahlrechts für die Arbeitnehmer? (Bundesrat Bieringer: Nein, nein, Herr Kollege!) Worüber sollen wir bei der Arbeiterkammer reden im Zusammenhang mit dem ÖH-Beispiel? (Bundesrat Bieringer: Wer wählt denn die Bundesarbeiterkammer?) Die Bundesarbeitskammer können wir gerne wählen. Das ist ein interessanter Vorschlag. Wenn der ÖAAB auf ein paar Mandate verzichten kann, dann machen wir das! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist ein interessanter Vorschlag! Wir könnten uns nachher über die Textierung eines Antrages unterhalten, nach Ende dieser Debatte. (Bundesrat Bieringer: Sofort!)

Ich muss mich nun ein bisschen entschuldigen, denn ich wollte naturgemäß auch ein paar Worte zur Frau Außenministerin sagen, möchte aber meine Redezeit nicht allzu sehr überziehen.

Die Sozialdemokraten haben in der Debatte im Nationalrat klar zum Ausdruck ge­bracht, dass wir diese personelle Entscheidung begrüßen, dass es vorab ein hohes Maß an Vertrauen in Sie, Frau Minister, gibt und dass wir in jeder Form bereit sind, an einer gemeinsamen Außenpolitik zwischen der Regierung und der Opposition mitzuwir­ken. Bei aller realistischen Einschätzung der Größenordnungen ist dies aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte nur zu unterstreichen.


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Ich möchte gleich an dieser Stelle sagen, dass ich es begrüße, dass Sie sich mit klaren Worten in der im Augenblick dominierenden Frage, die natürlich Europa und Österreich bewegt, in der Frage der ukrainischen Krise, gemeldet haben. Ich begrüße und unter­streiche auch das, und ich würde Sie einladen, dann in Ihrem Statement ein bisschen auf das, was Sie wissen, auf das, was Sie meinen, was von unserer Seite geschehen kann, einzugehen.

Außenpolitik ist naturgemäß etwas, wo im besonderen Maße der Versuch unternom­men werden muss, gemeinsame Standpunkte zu entwickeln. In der Sicht des Auslan­des, in der Sicht Europas und der internationalen Gemeinschaft sollte es zumindest nur ein Österreich und nicht zwei geben. Das sollte aber, ehrlich dazugesagt, nicht auf der Basis erreicht werden, dass wir zu nichts mehr eine Meinung haben, weil wir irgend­einen Kompromiss schließen müssen, sondern es muss möglich sein, in den zentralen Fragen der Europäischen Verfassung, der Erweiterung der EU, in den Fragen des Umgehens mit undemokratischen Entwicklungen in Ländern des „Wider Europe“ zu gründlich analysierten und ehrlich erarbeiteten gemeinsamen Standpunkten zu kom­men, die kein verwaschener Kompromiss sind.

In diesem Sinne bieten wir namens der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte Ihnen auch hier eine ehrliche und offene Zusammenarbeit an. Wir hoffen, dass wir ab und zu – wir wissen, es ist alles nicht so leicht – auch die Gelegenheit haben werden, mit Ihnen im Plenum oder im außenpolitischen Ausschuss oder im EU-Ausschuss zusammenzutreffen, und wir bitten Sie, die Informationen, die Sie haben, nach Möglichkeit auch an uns weiterzugeben.

In diesem Sinne, mit Ihnen insbesondere, auf gute Zusammenarbeit! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Frei­heitlichen.)

11.20

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Professor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Vorweg geziemt es sich, auch in der zweiten Kammer der früheren Außenministerin, Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner, für ihr höchst engagiertes Wirken im Dienste der Republik aufrichtig zu danken und ihr für ihre so anspruchsvolle wie verantwortungsreiche Neuaufgabe als Kommissarin für die Nachbarschaftspolitik und entsprechenden Außenbeziehungen der Europäischen Union viel Glück und vollen Erfolg für sie persönlich, und im Ergebnis auch für Österreich, zu wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn wir heute als ihre Nachfolgerin die neue Außenministerin, Frau Dr. Ursula Plass­nik, im Hohen Haus erstmals begrüßen dürfen, so bewegt mich das aus Gründen mei­ner eigenen beruflichen Biographie persönlich ganz besonders, hatte ich doch, selbst damals noch junger Assistent an der Universität Wien, die Freude, Ursula Plassnik als hoch begabte Studentin der Rechtswissenschaften kennen zu lernen – das nicht etwa nur in meinem engeren Fachgebiet, sondern auch im Rahmen anspruchsvoller rechts­philosophischer Seminare, damals veranstaltet von den leider schon verstorbenen Pro­fessoren Erich Heintel und Felix Ermacora. Bereits zu dieser Zeit war ich davon über­zeugt, dass ihr eine höchst erfolgreiche Berufslaufbahn bevorstünde. Diese beobach­tete ich – sie war damals im diplomatischen Dienst – in weiterer Folge mit großem Interesse und innerer Anteilnahme. Dann verlor ich sie vorübergehend aus dem Auge.


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Erst nach meinem eigenen späteren Einstieg in die Politik begegnete ich Frau Dr. Plassnik in ihrer neuen Eigenschaft als Kabinettchefin von Bundeskanzler Dr. Schüssel wieder. Angesichts ihrer Rolle als dessen graue Eminenz wäre ich aller­dings nicht einmal auf den Gedanken verfallen, die alte Bekanntschaft zu erneuern.

Freilich, kurz, nachdem Frau Dr. Plassnik wieder in ihren angestammten Zivilberuf als Diplomatin zurückgekehrt war und ihren Wunschposten als Botschafterin in der Schweiz angetreten hatte, ergab sich diese Gelegenheit dann doch. Als Mitglied einer vom damaligen Präsidenten Jürgen Weiss geleiteten Delegation des Bundesrates konnte ich an einem Besuch des Schweizer Parlaments teilnehmen. Die erst jung im Amt befindliche Botschafterin empfing uns bereits am Flughafen Zürich und betreute uns in weiterer Folge in vorbildlicher Weise. Nicht zuletzt den von ihr gegebenen Emp­fang in ihrer Berner Residenz und den mit höchst anregenden Gesprächen verbrachten langen Abend werde ich stets in Erinnerung behalten.

Als in jüngster Zeit dann deutlich wurde, dass sie neue Außenministerin werden sollte, aber ebenso klar war, dass sie von der Schweizer Mission nur ungern Abschied neh­men würde, überlegte ich ganz kurz, ob ich sie in der Annahme der so ehrenvollen wie auch belastenden neuen Aufgabe bestärken solle. Sehr bald war mir jedoch bewusst, dass mir das weder politisch noch in der Sache oder gar persönlich zustünde. Daher begrüße ich es umso mehr, dass sich Frau Dr. Plassnik dazu aus Eigenem entschlie­ßen konnte.

Nach diesen persönlichen Reminiszenzen, die mir sowohl das Hohe Haus als auch die Frau Bundesministerin altersbedingt nachsehen mögen, komme ich noch kurz auf durchaus ernste Probleme unserer aktuellen Außenpolitik zurück.

Nicht zufällig habe ich von belastenden neuen Aufgaben gesprochen. Unter diesen hebe ich nur einige aus unserer Sicht wesentliche Probleme beispielhaft hervor, zum einen die Frage, welche außen- und europapolitische Position die österreichische Bun­desregierung und, soweit es eingebunden ist, das österreichische Parlament in Bezug auf den von der Türkei beantragten Vollbeitritt zur Europäischen Union einnehmen sol­len. Der ablehnende Standpunkt meiner Fraktion dazu ist in diesem Hause hinlänglich bekannt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unserer neuen Außenministerin danke ich dafür, dass sie hiezu eine zwar durchaus diplomatische, das heißt die Türkei nicht vor den Kopf stoßende, aber eben auch vorsichtig reservierte Haltung eingenommen hat, die zumindest die mögliche Lösung offen hält, der Türkei als eventuelle Alternative zu einem letztlich sachpolitisch dann doch nicht vertretbaren Vollbeitritt eine strategische Partnerschaft besonderer Art anzu­bieten. Insofern vermag die Frau Bundesministerin dazu beizutragen, dass es auch dem Herrn Bundeskanzler gelingen möge, im Rahmen seines informellen Auftrages, insbesondere seitens der Europäischen Volkspartei, eine gemeinsame Position des Europäischen Rates in dieser Frage zu erarbeiten.

Anzuerkennen ist auch der Hinweis der neuen Außenministerin darauf, dass sie die Besorgnis der angestammten Bevölkerung vor einem Vollbeitritt der Türkei, insbeson­dere auch vor einem weiteren intensiven Zuzug, verstehe. Ebenso begrüße ich, wie mein Vorredner Kollege Konecny, ihre äußerst klaren Worte zur demokratiepolitischen Problematik bei den Wahlen in der Ukraine.

Die weitere sensible Frage, inwiefern wir den – von uns an sich bejahten – militäri­schen Beitrag zur Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe der Europäischen Union mit dem dadurch angeblich unberührten Neutralitätsstatus in Einklang bringen können, lasse ich jetzt bewusst offen.


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Weit mehr beschäftigt uns, ob und wie beziehungsweise in welchem Ausmaß Öster­reich die in seiner Außenpolitik, die insoweit ja bereits EU-Innenpolitik geworden ist, schon von der Vorgängerin Ferrero-Waldner angedachte Strategische Partnerschaft mit unseren mittel-, ost- und südosteuropäischen Nachbarstaaten entwickeln und ausbauen kann. Der Vorschlag meiner Fraktion und auch mein persönlicher ginge hier vor allem in die Richtung, diese Partnerschaft durchaus nicht rein politisch-ökonomisch oder gar bloß militärisch anzulegen. Dass unsere erfolgreichen Unternehmen, und zwar nicht etwa nur Banken und Versicherungen, sondern durchaus auch produzie­rende Betriebe, ohnehin bereits in diesen Staaten voll verankert sind, ist ein offenes Geheimnis. Über diese sehr wichtige, aber, bliebe sie allein, sinnverkürzende Perspek­tive hinaus ist indes zu prüfen, ob Österreich, anknüpfend an seine überkommene Brückenfunktion, gerade in diesem Raum nicht auch noch vermehrt kulturpolitische Analysen vornehmen und daraus resultierende Maßnahmen setzen sollte – also, wenn ich es so nennen darf, eine auf Kultur basierende Regional- und Außenpolitik.

Das geht meines Erachtens weit über die Errichtung von Kulturinstituten, so wichtig diese sein mögen, hinaus. Eine auf kulturhistorisch wie auch politisch begründeten Ini­tiativen beruhende Regional- und Wirtschaftspolitik könnte ein zukunftsfähiges Modell darstellen. Die kürzlich veranstaltete Klubreise meiner Fraktion nach Norditalien, in den Friaul und insbesondere nach Triest, dort mit konstruktiven Gesprächen mit dem Präsi­denten der Region Friaul-Julisch Venetien Riccardo Illy, hat das überzeugend belegt.

Unter all diesen Gesichtspunkten eröffnen sich der österreichischen Außen- und Euro­papolitik immer noch neue wesentliche Möglichkeiten. Es gilt daher auch künftig, gerade diese zu wahren und voll auszuschöpfen. Dafür wünschen wir, meine Fraktion und ich, Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, viel Glück und Erfolg für Sie und unser Land! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.28

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


11.29

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Herr Bundeskanzler, erlauben Sie, dass ich einmal den Scheinwerfer von Ihnen zu Ihrer neuen Bundes­ministerin schwenke und mich jetzt nicht zuerst mit Ihrer Regierungserklärung befasse, sondern zunächst einmal gratuliere zu einer guten Wahl, zu einer kompetenten Wahl. Ich glaube, dass mit Frau Dr. Plassnik eine Frau mit Durchsetzungsvermögen, mit Fachkenntnis und Know-how in diese Funktion gekommen ist. Wir werden sehen, wie Frau Dr. Plassnik dieses Amt ausübt. Die Legislaturperiode ist ja nicht mehr so lange, aber es ist eine sehr wichtige Zeit, eine Zeit, die jetzt Herr Böhm bereits mit der Türkei-Debatte angesprochen hat.

Ich muss sagen, Kollege Böhm, ich bin ein bisschen überrascht von Ihrer Position, wobei ich durchaus konzediere und auch für mich selbst feststelle, dass es in meinem eigenen diesbezüglichen Meinungsbildungsprozess unterschiedliche Etappen gegeben hat, dass ich heute aber tief davon überzeugt bin, dass wir diesen Annäherungspro­zess, diesen Beitrittsprozess mit der Türkei vollziehen müssen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das habe ich nicht bestritten!)

Es leben zum Beispiel mehr türkische Bürger und Bürgerinnen in Europa als Öster­reicher, als Belgier oder als Holländer. Das heißt, wir kommen gar nicht darum herum, eine Sonderbeziehung zur Türkei und zur Türkeifrage zu finden. Auch wenn ich per­sönlich tief davon überzeugt bin, dass der Lückenschluss zum Balkan, von Österreich, von Slowenien bis nach Griechenland, die Integration aller Balkanstaaten vorrangig ist,


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auch im Sinne der Friedenssicherung, so ist die Türkei dennoch die große Herausfor­derung. Daher bin ich froh, dass die Frau Außenministerin dazu hier gleich zu Beginn – und das ist eine sehr schwierige Frage! – Position bezogen hat.

Ich denke, man kann einem Staat wie der Türkei, einem laizistischen Staat wie der Türkei nicht seit den sechziger Jahren das Versprechen der Mitgliedschaft machen und sich letztlich immer und immer wieder um diese Frage drücken. Dieser Prozess ist jetzt auf Schienen. Ich glaube, er ist ein wichtiger Prozess. Die Türkei ist nicht irgendein Staat, die Türkei ist ein enormer Ordnungsfaktor in der Region, und die Türkei ist ein Wirtschaftsmotor, der tief in die Staaten der früheren Sowjetunion, in die asiatischen Staaten hineinwirkt.

Das heißt, wir müssen, Europa muss mit der Türkei ein Verhältnis finden. Und einen Beitrittsprozess einzuleiten bedeutet auch, die Konsequenz zu sehen, dass es irgend­wann auch einmal ein Ja geben muss. Und dann bin ich anderer Meinung als viele, die sagen, dann soll es eine Volksabstimmung geben. Es hat keine Volksabstimmung über den österreichischen Beitritt gegeben, es hat keine Volksabstimmung über den tsche­chischen, den slowenischen Beitritt gegeben. Man kann nicht darüber abstimmen, und man kann es nicht dem Populismus überlassen, wie eine Debatte über einen Beitritt den Bevölkerungen präsentiert wird.

Und es ist unhaltbar gegenüber ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Es gibt keine Frage, wo das Volk nicht mitreden kann!) – Ja, man hätte natürlich auch in einer Volksabstim­mung fragen können, ob die Franzosen den Beitritt der Österreicher wollen und so weiter. Ich weiß, Sie wollten zu Tschechien auch eine Volksabstimmung. – Nein, wir brauchen keine Lex Türkei, Kollege Gudenus, sondern wir brauchen ordentliche Verhandlungen, und dann gibt es ein Ergebnis! Das müssen die Kommission und das Europäische Parlament vertreten. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gude­nus.) Aber es kann keine Diskussion geben, wo sich dann die Frage stellt, welche Hunde den Mond anheulen, wie sich das derzeit zwischen der Wiener und der Kärntner FPÖ darstellt. Oder wenn heute schon Ihr Parteiführer von Wien ankündigt, einen Anti-Moslem-Wahlkampf machen zu wollen: Bitte, das nicht! Genau das aber wollen Sie mit der Türkei-Debatte. Deshalb brauchen wir hier ein anderes Szenario, ein staatsbürgerlich verantwortliches Szenario, und nicht eines, bei dem es darum geht, dumpfeste Gefühle herauszulocken.

Frau Außenministerin! Vielleicht ist die Außenpolitik in der Vergangenheit ein wenig zu symbolhaft gewesen, vielleicht auch zu wenig konturenhaft. Ich erwarte mir und ich wünsche mir von Ihnen schon eine klare Außenpolitik – auch mit Symbolen, aber auch mit starken Konturen. Hier gehört sicherlich die Frage der Türkei dazu. Es gehören sicherlich die Frage Palästina, der Irak, die Ukraine dazu, auch das Verhältnis zu Russ­land, das sich ja jetzt gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um die Ukraine einmal mehr als schwierig und auch als problematisch darstellt.

Ich freue mich, dass Sie ein Einstandsgeschenk mitgebracht haben – nicht hier an den Bundesrat, sondern mit Ihrem Amtsantritt –: dass die finanziellen Mittel der Entwick­lungszusammenarbeit erhöht werden. Das ist ein wichtiger Schritt. Diese Zusammen­arbeit ist auf jeden Fall zu intensivieren. Ich hoffe, dass Sie die Tradition Ihrer Vorgän­gerin und der Jahre davor, Afrika als einen besonderen Schwerpunkt österreichischer Entwicklungszusammenarbeit zu sehen, auch in dieser Form weiterführen werden.

Bezüglich der Diskussion um die Battle Groups bin ich der Meinung, dass die Außen­ministerin, aber auch der Bundeskanzler wesentlich wirksamere Politik machen können als wir es durch die 200 Soldaten tun, die wir irgendwo zur Verfügung stellen. Ich glau­be, dass eine aktive Neutralitätspolitik, eine aktive Krisenpolitik, eine aktive Außenpoli­tik wesentlich sinnvoller ist als die – zwar durch die Petersberger Aufgaben gedeckte,


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sage ich nur, aber ob neutralitätspolitisch wünschenswerte? – Zurverfügungstellung von Truppen auch in kämpferischen Situationen. Das ist, glaube ich, nicht unsere Rolle.

Die EU selbst hat anlässlich des Beitritts Österreichs gemeint, dass die österreichische Neutralität der eigenständige und unverwechselbare Beitrag Österreichs zu Frieden und Sicherheit in Europa ist. Ich glaube, hier ist die Außenpolitik, die Konfliktvermittlung Österreichs gefragt. Darin sollte der Schwerpunkt liegen – und nicht darin, sich jetzt auf Biegen oder Brechen mit kämpfenden oder kampffähigen Truppen einklinken zu wollen.

Nun zu Ihnen, Herr Bundeskanzler! Sie haben mehrmals die Zahl 90 erwähnt. – Es geht nicht immer um die Quantität. Die Qualität der Dinge ist wichtig! Und da scheint in den letzten Wochen und Monaten doch einiges ein bisschen aus dem Ruder gelaufen zu sein: Die Ansätze der Bundesheerreform waren gut, aber die Umsetzung kommt ins Stottern. Die Asyldebatte scheint völlig aus dem Lot geraten zu sein. Was die Versuche von Bundesminister Strasser in den vergangenen Monaten anlangt, so scheint sein Verhältnis zu den Landeshauptleuten im Gefühlsspektrum jenem immer näher zu kom­men, das in einem Gefrierhaus herrscht. Das Nächste ist die Polizeireform: Noch nie war die Polizei so verunsichert über diese Reform! (Bundesrätin Roth-Halvax: Es hat bis jetzt noch keine gegeben!) – Es hat natürlich Reformen gegeben! Die Zusammen­legung hat es noch nicht gegeben, aber – entschuldigen Sie – die Polizei ist in der Vergangenheit immer wieder reformiert worden, und auch die Gendarmerie ist refor­miert worden. Aber die Zusammenlegung ist etwas Neues – gegen das wir uns nicht prinzipiell aussprechen, Frau Kollegin, das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Ich rede ja nur von der tiefen Verunsicherung innerhalb der Gendarmerie und der Polizei, die ja jetzt zusammen zu einer Polizei werden.

Was die Pensionsharmonisierung betrifft, so kann ich nur sagen: Das, was Sie immer kritisiert haben, ist dann von der Regierung amtlich bestätigt worden. Ich würde sagen, da ist viel soziale Kälte im Spiel! Ich denke nur etwa daran, dass – vorhin war gerade der Herr Staatssekretär hier – die Politikerpensionen à la Kukacka relativ gesichert sind und auch all die Pensionssysteme hier nicht angekratzt wurden, dass aber im Bereich der Pensionsharmonisierung enorme Abschläge in Kauf genommen wurden.

Auch was die Steuerreform anlangt – wir stehen knapp vor der Wirtschaftskammer­wahl –, ist doch eines festzuhalten: Überall klagen die Einzelunternehmer und die Selbständigen, dass von dieser Steuerreform außer den großen AGs, den GesmbHs und den Konzernen niemand im kleinen Bereich profitiert. – Also so kann es ja nicht gewesen sein! (Bundesrat Kneifel: ...! Da haben Sie nicht gescheit gelesen!)

Das Nächste ist, was in der Rede des Kollegen Bieringer herausgekommen ist, das Pflegegeld: Das Pflegegeld wird um 2 Prozent erhöht – aber der Kaufkraftverlust des Pflegegeldes von 1996 bis heute betrug 18 Prozent! (Ruf bei der ÖVP: 15!) Es sind jetzt minus 18 Prozent. Wenn Sie es nachrechnen, dann werden Sie herausfinden: Es sind minus 18 Prozent. – Da sind 2 Prozent ein kleines Zeichen der Wiedergutma­chung.

Dann – ich finde das ja nach wie vor abenteuerlichst! – der Versuch der Justizminis­terin, Militär in Justizanstalten einzubauen! Ich halte das ... (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Kühnel.) – Ja, Herr Kühnel, ich weiß! Marschieren Sie ... (Bundesrat Dr. Kühnel: ... genau, wie sie das meint!) – Es ist ja nicht viel besser geworden, als sie es erklärt hat. Es ist nach wie vor abenteuerlich.

Und nun kommen wir dazu, dass – wir werden ja heute noch eine ausführliche Debatte dazu haben – nach dem ORF, nach dem Hauptverband, nach den Sozialversiche­rungsträgern, nach der ÖIAG jetzt auch noch die ÖH drankommt.


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Passt es etwa nicht, wie die Studenten wählen? Muss man in das Wahlrecht eingreifen und sich das Wahlergebnis auf Grund einer geänderten Gesetzeslage zurechtbie­gen? – Das, Herr Bundeskanzler, steht bei Ihren vielen Neunzigern nicht drinnen. Das ist nämlich eine Frage der Qualität, das ist eine Frage des demokratischen Umgangs im Land. Das haben Sie nicht genannt.

Frau Bundesministerin, in einem Punkt werden Sie jederzeit auf uns zählen können. Die Außenpolitik ist kein Feld des innenpolitischen Streites, die Außenpolitik soll eine gemeinsame, soll eine konsensorientierte sein. Es kann durchaus hin und wieder eine unterschiedliche Darstellung geben, aber es ist wichtig, dass man auch weiß, was wir gemeinsam vertreten.

Deshalb mein Appell an Sie, vermehrt zu einer konturenhaften Außenpolitik zurückzu­kehren. Dann werden wir sicher ein Stück des Weges gemeinsam gehen. Ich gratuliere Ihnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Schennach schüttelt Bundesministerin Dr. Plassnik die Hand.)

11.41

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun der Frau Bundesministerin das Wort.

 


11.41

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ursula Plassnik: Herr Prä­sident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich danke zunächst für den freundlichen Empfang. Ich danke auch für den Vertrauensvorschuss und werde mich sehr bemühen, diesem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden.

Ich möchte ganz bewusst den Begriff der Kontinuität an den Beginn meiner Bemer­kungen stellen, denn die österreichische Außen- und Europapolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte und ihre Rechtsgrundlagen haben sich bewährt; sie sind erfolgreich gewesen, sie sind immer noch erfolgreich.

Die Grundparameter unserer Außenpolitik sind der Staatsvertrag, das Neutralitätsge­setz, nächstes Jahr 50 Jahre Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen und 10 Jahre Mitglied der Europäischen Union. Auf diesen Grundkoordinaten hat sich unsere Außen­politik entwickelt, auf diesen Grundkoordinaten gilt es sie fortzusetzen und weiterzuent­wickeln.

Meine Damen und Herren! Mein bereits im Nationalrat abgegebenes Versprechen, wo immer möglich eine gemeinsame Außen- und Europapolitik zu gestalten, schließt selbstverständlich auch die Länder ein, denn Außenpolitik ist für mich unsere gemein­same Aufgabe im Interesse unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger.

Schon die Geographie macht es klar: Außenpolitik ist für die österreichischen Bundes­länder ein unmittelbares Anliegen. Alle außer Wien haben Außengrenzen, Wien selbst nimmt natürlich als UNO-Sitz eine international hervorragende Stellung ein. Ich werde mich daher für eine Außenpolitik einsetzen, die die Interessen der Länder ent­sprechend ernst nimmt, denn – und das möchte ich an diesem Tag auch sagen – es ist vor allem an den Grenzen und in den Grenzregionen, wo die positiven Veränderungen für den Einzelnen im neuen Europa konkret spürbar und erlebbar werden – als Wirtschaftstreibender, als Tourist, als Nachbar, als Verwandter.

Die letzte Erweiterungsrunde war für Österreich besonders bedeutsam. Aus vier unserer Nachbarländer sind wichtige Partnerländer innerhalb derselben politischen und wirtschaftlichen Union geworden. Es war für mich persönlich schön, aus der Ferne mit­zuerleben, wie gerade in den Bundesländern die Erweiterung am 1. Mai 2004 entlang der Grenze mit Volksfesten gefeiert wurde.


Bundesrat
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Dass Europa weit mehr ist als eine Wirtschaftsgemeinschaft, war gerade bei den Erweiterungsfeierlichkeiten unübersehbar. Ich danke Ihnen, Herr Präsident Weiss, aber auch den Herren Bundesräten Boden, Schennach und Dr. Böhm, die Sie mir persön­lich bei Ihrem Besuch in der Schweiz berichtet haben, wie Sie diesen Tag und die damit verbundenen Feierlichkeiten empfunden haben.

Jetzt geht es darum, die Chancen des Beitritts unserer Nachbarländer zu nützen und auch auf die neuen Aufgaben einzugehen. Ich habe auch aus diesem Grund die Regio­nale Partnerschaft zu einem meiner Arbeitsschwerpunkte gemacht. Es ist mir wichtig, diese Partnerschaft noch mehr mit Leben zu erfüllen, und zwar in einer Reihe von Bereichen, die für unsere Bürger ein besonderes Anliegen sind. Dabei können wir auf einer guten Basis aufbauen, denn das Verhältnis zu unseren Nachbarn war politisch und menschlich noch nie so gut wie heute.

Die Bestätigung dafür habe ich in den letzten Wochen schon bei meinen ersten Besu­chen erfahren. Ich war in der Schweiz, ich war in der Slowakei. Die nächsten Besuche stehen unmittelbar bevor. Ich werde von hier aus zum Flughafen fahren – ich bitte um Entschuldigung, dass ich früher weggehen muss –, um heute nach Prag zu reisen. Mein ungarischer Amtskollege wird in einigen Wochen nach Wien kommen. Eine Reihe von Kontakten hat sich auch im Rahmen der Veranstaltungen der Europäischen Union ergeben.

Meine Damen und Herren! Nachbarschaftspolitik im neuen Europa geht selbstver­ständlich über die unmittelbar angrenzenden Staaten hinaus. Ich möchte jetzt kurz auf die Situation in einem der wichtigen Nachbarländer eingehen – Herr Bundesrat Konecny, Sie haben es angesprochen –, auf die Entwicklung in der Ukraine, die wir mit großer Sorge beobachten.

Die Europäische Union hat gestern Abend eine Erklärung veröffentlicht und darin die Veröffentlichung des Wahlergebnisses durch die Wahlkommission bedauert, weil das veröffentlichte Ergebnis nicht dem Willen des ukrainischen Volkes entspricht. Die Euro­päische Union hat die Ukraine aufgefordert, die beanstandeten Unregelmäßigkeiten zu überprüfen und mit der Internationalen Wahlbeobachtermission zusammenzuarbeiten.

Ergänzend möchte ich Ihnen auch mitteilen, dass wir den ukrainischen Geschäftsträger in Österreich gestern ins Außenministerium gebeten und ihm ebenfalls klar gemacht haben, dass auch Österreich erwartet, dass die ukrainischen Behörden den gesamten Wahlprozess und die Wahlergebnisse gemeinsam mit der OSZE überprüfen. Selbst­verständlich ist aus unserer Sicht alles zu unterlassen, was zu Gewalt oder zu einem dauerhaften Bruch in der ukrainischen Gesellschaft führen könnte. Österreich wird, wo immer wir das können, im Rahmen der Europäischen Union, der OSZE und des Europarates dazu einen Beitrag leisten. (Allgemeiner Beifall.)

Zur aktuellen Situation vor Ort. Wir sind im laufenden Kontakt mit unserer Botschaft in Kiew, auch im laufenden Kontakt mit Christian Strohal, dem Leiter des ODIHR, das innerhalb der OSZE für Wahlbeobachtungen zuständig ist. Die Informationen, die ich heute Morgen – Informationsstand 9 Uhr – bekommen habe, lauten folgendermaßen:

Stark ausgerüstete Sicherheitskräfte haben das Regierungsviertel unter Kontrolle, sodass die Demonstranten nicht mehr zum Regierungspalast vordringen können. Auf Grund der eisigen Temperaturen ist die Zahl der Demonstranten auch geringer gewor­den und die weitere Entwicklung muss abgewartet werden. Die Sicherheitskräfte halten sich zurück, sodass es bisher zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen gekom­men ist. Der von der Opposition ausgerufene Generalstreik wird zum Teil befolgt, Verkehrslinien funktionieren, viele Lebensmittelgeschäfte sind offen.


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Heute Vormittag treffen sich in der deutschen Botschaft in Kiew die EU-Botschafter mit dem Sondergesandten der Präsidentschaft, Botschafter Niek Biegman, sowie einem namentlich noch nicht bekannten Vertreter des Hohen Repräsentanten Solana und dem Ukraine Desk Officer der Kommission. – So weit meine rezenten Informationen.

Zurück zur europäischen Nachbarschaftspolitik. Von besonderem Interesse für uns ist natürlich auch die Stabilisierung der Länder in Südosteuropa. Ich habe deshalb am Montag im Anschluss an das Außenministertreffen am Westbalkanforum teilgenom­men, um das Engagement Österreichs und unser besonderes Interesse an einer fried­lichen Entwicklung in dieser Region zu unterstreichen.

Meine Damen und Herren! Als Beispiel eines erfolgreich gelösten Minderheitenkonflikts gilt heute Südtirol mit seiner Autonomie. Ich werde alles tun, um weiter sicherzustellen, dass die Südtiroler auch weiterhin eine Brücke zwischen Österreich und Italien sind und dass die Autonomie entsprechend gehütet wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Außenpolitik besteht heute zu einem großen Teil aus Europapolitik. Die Herausforde­rungen, die in den nächsten Jahren vor uns liegen, sind bekannt. Ich möchte nur einige stichwortartig ansprechen. Da ist zunächst die Ratifikation des Verfassungsvertrages, dann die Finanzvorschau, die den Haushaltsrahmen der Europäischen Union für die Jahre 2007 bis 2013 festlegen wird, der weitere Aufbau einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und die Entwicklung im Verhältnis zu den Nachbarländern der Europäischen Union, der so genannten Europäischen Nachbarschaftspolitik.

In drei Wochen werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union – das ist mehrfach angesprochen worden – eine Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei treffen. Mir ist es wichtig, hier drei Dinge klar zu sagen:

Der Beginn von Verhandlungen bedeutet erstens noch nicht, dass die Türkei sofort der EU beitreten kann. Zweitens: Der Beginn von Verhandlungen bedeutet auch nicht, dass es nur ein einziges von vornherein festgelegtes Ergebnis gibt; auch das Ziel der Verhandlungen muss offen bleiben. Drittens: Das österreichische Parlament als Vertre­tung des Volkes wird jedenfalls das letzte Wort haben.

Meine Damen und Herren! Als Außenministerin möchte ich den Beitrag, den Österreich zum Frieden in der Welt leistet, stärker betonen und sichtbar machen. Wir helfen mit unseren Friedenseinheiten, in Krisenregionen Stabilität und Sicherheit zu schaffen.

Auch die Bekämpfung der Armut durch Entwicklungszusammenarbeit bleibt ein politi­scher Schwerpunkt. Ich bekenne mich daher ausdrücklich zu der im Regierungspro­gramm festgelegten Erhöhung der österreichischen Beiträge für die Entwicklungs­zusammenarbeit.

Nun, wenn Sie erlauben, noch ein Wort zum Außenministerium, das heute, mehr denn je, ein Dienstleistungsunternehmen ist, das den Österreicherinnen und Österreichern im Ausland zur Verfügung steht. Ich habe gestern das Bürgerservice im Außenminis­terium besucht, das sozusagen die Schaltzentrale ist, von der aus die diversen Anfragen weltweit bearbeitet werden. Ein großer Teil davon findet mittlerweile über das Internet statt, aber auch die Telefon-Hotline ist dauerhaft in Betrieb.

Ob es um Konsularfälle geht, um einen verlorenen Pass oder um schwierige Notfälle, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen jedem Österreicher rund um die Uhr zur Verfügung. Es ist mir ein Anliegen, dass diese wichtige Servicefunktion auch in Zukunft erhalten bleibt und flexibel ausgebaut wird.

Meine Damen und Herren! Wenn die österreichische Außenpolitik erfolgreich sein soll, dann muss sie sich auf eine breite Basis stützen können. Wir haben – und ich habe es


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im Nationalrat auch so gesagt – nur eine Stimme, aber diese Stimme wird umso deutlicher gehört werden, je geeinter sie ist.

Ich möchte daher alle an der Außenpolitik Mitwirkenden, Nationalrat und Bundesrat, die politischen Parteien, die Bundesländer, aber auch die Sozialpartner und die NGOs, noch einmal dazu einladen, die gemeinsamen Ziele auch gemeinsam umzusetzen.

Was die Zusammenarbeit mit den Ländern betrifft, ist mir der Kontakt zu den Landes­hauptleuten sehr wichtig. Ich habe daher schon beim Vorsitzenden der Landeshaupt­leutekonferenz Bürgermeister Michael Häupl in Wien und beim niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll in St. Pölten einen Besuch durchgeführt. In beiden Gesprächen war die Regionale Partnerschaft, die Nachbarschaftspolitik, ein wichtiger Punkt.

Ich habe selbstverständlich vor, mit allen Landeshauptleuten solche Gespräche zu führen. Ich werde daher morgen nach Kärnten fahren, wo ich Landeshauptmann Haider treffen werde.

Hohes Haus! Ich möchte mich noch einmal für die guten Wünsche und den Vertrau­ensvorschuss bedanken. Ich möchte auch an dieser Stelle meiner Amtsvorgängerin Benita Ferrero-Waldner dafür danken, dass sie mich, wie Sie gesagt haben, Herr Bundesrat Schennach, mit einer Art Einstandsgeschenk durch die klugen Budgetver­handlungen ausgestattet hat.

Ich hatte das Vergnügen, sie am vergangenen Montag zum ersten Mal in ihrer neuen Funktion zu erleben. Ich war begeistert und auch persönlich sehr stolz, sie in dem neuen Ambiente so effizient, engagiert und durchsetzungskräftig zu erleben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte mit einem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außenministe­rium und ihre Angehörigen schließen und mit einem Wort der Ermutigung, die erfolg­reiche Arbeit engagiert fortzusetzen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

11.54

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Kneifel das Wort.

 


11.55

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Die letzten Minuten haben, so glaube ich, klar gezeigt, wie profiliert, wie ambitioniert und wie engagiert Sie, Frau Ministerin, an dieses neue Amt herangehen. Aus der Warte der Länderkammer darf ich Ihnen ein herzliches Dankeschön dafür sagen, dass Sie in erster Linie speziell auch auf die Interessen der Länder in Ihrem Verantwortungsbereich eingegangen sind.

In zweiter Linie ein herzliches Dankeschön für Ihre klare, frische und engagierte Stel­lungnahme zu den aktuellen Ereignissen in der Ukraine. Ich glaube, das ist der praktische Beweis dafür, dass Außenpolitik kein abstraktes Gebilde ist, sondern dass Außenpolitik sehr viel mit Sicherheit in dieser europäischen Zone zu tun hat und dass wir alle die Entwicklung in der Ukraine miterleben und uns auch darum sorgen können. Ein herzliches Dankeschön für diesen aktuellen Ausblick und diese Perspektive. Wir alle hoffen, dass sie zu einem guten Ende geführt wird.

Ich denke, dass das, Herr Kollege Schennach, eine klare Antwort auf die Forderung ist, die Sie erhoben haben, nämlich nach einer konturierten und engagierten Außenpolitik. Die Frau Außenministerin hat sie heute schon in den ersten Konturen dargestellt.


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Außenpolitik braucht Vertrauen, haben Sie gesagt, Frau Ministerin. Außenpolitik braucht Kontinuität, und Außenpolitik braucht Partnerschaft. Allein ist man auf verlore­nem Posten, wenn man sich auf diesem Kontinent um Sicherheit bemüht, um Stabilität bemüht.

Ich meine, es geht darum, in Zukunft auch die Bereitschaft anzunehmen, neue Fragen und Herausforderungen auch entsprechend zu beantworten. Österreich ist gerade in den letzten Jahren zu einem starken Partner in Europa und in der Welt geworden. Mit diesem Bekenntnis, das Sie, Frau Ministerin, heute abgelegt haben, haben Sie einen tollen Start auch in der Länderkammer hingelegt. Das alles ist ja kein Zufall, wenn man Ihre Biographie kennt, die heute schon ausführlich von den Vorrednern erwähnt wurde.

Ich möchte einige Aspekte aufgreifen, die Sie in Ihrem Einleitungsstatement genannt haben. Zuerst die Regionale Partnerschaft. Gerade in diesem Haus und in der Länder­kammer spielt diese Regionale Partnerschaft eine ganz große Rolle. Ich möchte das an einem konkreten Beispiel zum Ausdruck bringen. Ich komme aus Oberösterreich. Frau Ministerin! Sie werden heute, wenn Sie nach Prag fahren, wahrscheinlich auch mit dem Problem Temelín beschäftigt sein. Ich glaube, dass wir hier auf einem guten Weg sind: Einhaltung des Melker Protokolls, Probleme auf europäischer Ebene lösen.

Ich als oberösterreichischer Mandatar sage Ihnen, ich halte nichts von Blockaden. Blockaden bringen uns nicht weiter, Blockaden blockieren, wie das Wort schon sagt. Blockaden sind keine Lösungen. Die Lösung liegt im Dialog, im Gespräch und im permanenten Kontakt. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie heute auch dieses Thema in Prag aufgreifen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundes­rates Schennach.)

Aber auch ein zweites Thema liegt mir am Herzen, und zwar Österreich und die Außenbeziehungen der Europäischen Union, die europäische Nachbarschaft. Es geht um die Frage: Wie definieren Österreich und die Europäische Union die Beziehungen zu den Nicht-Kandidatenländern? – Die Ukraine ist heute schon angesprochen worden.

Es geht um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Es geht darum, dass auch die Friedensdividende, von der wir immer reden und die meiner Meinung nach das stärkste Argument für die europäische Einigung ist, am Balkan zum Tragen kommt. Dort ist noch eine Zone der Instabilität. Wir alle sind sehr stark beteiligt, unsere Bundesregierung unter Bundeskanzler Schüssel ist auch sehr engagiert, sowohl vom Außenministerium als auch vom Verteidigungsministerium her. Wir tragen zur Frie­denswiedergewinnung sehr viel bei.

Ein dritter Punkt ist mir noch ein Anliegen, etwas, was, wie ich meine, für Österreich sehr wichtig ist, nämlich die Kooperation im Donauraum. Der Donauraum wird eine Schlüsselzone in der europäischen Entwicklung darstellen. Heute haben wir ja schon mit Herrn Staatssekretär Mag. Kukacka über jene Initiativen gesprochen, die von der österreichischen Bundesregierung ausgehen werden, wenn Österreich die EU-Rats­präsidentschaft innehaben wird. Ein Schlüsselthema unserer Ratspräsidentschaft wird sein, Stabilität, Sicherheit, Entwicklung und Dynamik in den Donauraum zu bringen. Das sind also jene 13 Staaten im Donauraum, die sich zu einer Kooperation zusam­mengeschlossen haben und ein Forum für die Durchsetzung gemeinsamer Anliegen bilden, Ziele definieren, Programme entwickeln.

Die Donau ist uns sozusagen von der Schöpfung gegeben worden, auch von der Geographie her, und ich vertrete die Überzeugung, wir sollten dieses Band, dieses Verkehrsband nicht nur für den Transport und für die Logistik nutzen, sondern sollten sozusagen auch die menschliche Nähe in diesem Raum ausbauen. Und wenn das geschieht, dann haben wir einen Ansatz zu mehr Stabilität in dieser Eurozone des Donauraumes geleistet; es geht also um wirtschaftliche Zusammenarbeit und um poli-


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tische Stabilität in diesem Raum. Unsere besten Wünsche und Hoffnungen begleiten Sie, Frau Außenministerin, dass wir diesem Ziel rasch näher kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Außenministerin Dr. Plassnik! Wir leben in einer sehr bewegten Welt und in einer dynamischen Zeit. Wir haben in einem Jahr erlebt, wohin eine positive Außenpolitik führen kann, als wir – Sie haben das erwähnt in Ihrem Statement, Frau Bundesministerin – die Freude dieses 1. Mai mit der EU-Erweiterung erleben durften, und wir haben im selben Jahr erlebt, wohin die Nichtaus­schöpfung aller Möglichkeiten der Diplomatie führt, wenn wir beispielsweise nur an den Irak-Krieg denken.

Unsere besten Wünsche und Hoffnungen begleiten Sie in Ihrem Bestreben, Frau Bun­desministerin Dr. Plassnik, Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit überall in Europa zum Durchbruch zu verhelfen; diesbezüglich haben Sie ja schon einige Perspektiven aufgezeigt.

Zum Erfolg der Außenpolitik, wobei man sich stets die Frage stellen sollte, wie man Er­folge in unserer Arbeit messen kann. Wie messen wir den Erfolg der österreichischen Außenpolitik? – Ich glaube, der Erfolg unserer Außenpolitik wird daran gemessen, wie viel an Sicherheit, wie viel an Stabilität wir unseren Bürgern geben können. Das ist, wie ich meine, der Maßstab für unsere Außenpolitik: wie viel an Sicherheit wir den Men­schen in unserem Land und in Europa geben können.

Sicherheit ist heute – und auch zukünftig – nur mehr im Verbund, in einem Miteinander möglich. Frau Außenministerin, wir unterstützen Sie dabei, wir wollen Ihnen helfen, wir wollen Sie dabei aktiv begleiten und wünschen Ihnen dazu viel Glück und Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.04

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich freue mich, dass wir jetzt unsere frühere Präsiden­tin, Frau Barbara Pühringer, dazu beglückwünschen können, dass sie aus der Hand des Herrn Bundespräsidenten soeben das Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich erhalten hat. (Allgemeiner Beifall.)

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.04

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Werte Bundesministerin! – Vorweg, liebe Kollegin Pühringer: Als oberös­terreichischer Bundesrat gratuliere ich dir sehr, sehr herzlich zu dieser Auszeichnung!

Herr Bundeskanzler, Sie haben mit einem Sager einen kleinen Lacher bei Ihrer Frak­tion geerntet; das sei Ihnen vergönnt. – Mir fällt jedoch zum Wort „Reformen“, wenn Sie das gebrauchen, immer Folgendes ein: ein neuer Schwarzer auf einem alten Posten; Reformen auf Kosten der Kleinen; sie bringen nur etwas den Großen; spare bei den Kleinen und fördere die Wohlhabenden. So haben die Österreicherinnen und Österreicher mittlerweile das Wort „Reformen“ zu definieren gelernt. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das ist Ihre Interpretation! – Bundesrat Gruber – in Richtung ÖVP –: Es wird ja wohl noch möglich sein, das zu sagen! Oder darf man darüber nicht reden? Ihr wollt schon das Wort verbieten ..., sodass einer nicht reden darf, weil es Ihnen nicht passt! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kollege Bieringer hat in seiner euphorischen Geburtstagsrede hier gemeint, wir Sozialdemokraten seien Fundamental-Kritiker. Ich leite bei dieser Gelegenheit über zu inhaltlichen Fragestellungen der Außenpolitik und zitiere – Sie dürfen nachher raten, von wem dieses Zitat stammt – aus einer Ausgabe der „Zeit“ von vergangener Woche, in der es heißt:


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„Wo bleibt Euer Aufschrei?“ Und weiters: „In der globalen Wirtschaft herrscht die pure Anarchie. Die Gier zerfrisst den Herrschern ihre Gehirne.

Wo bleibt der Aufschrei ... der Kirchen“, der Parteien, „gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleine Firmen wie Kadus im Südschwarzwald mit Inven­tar und Menschen aufkaufen, als wären sie Sklavenschiffe aus dem 18. Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrenditen und des Börsenwertes dichtmachen und damit wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten?“

Von wem, glauben Sie, stammt dieses Zitat? – Von Heiner Geißler, der zwölf Jahre lang CDU-Generalsekretär war.

Genau um die hier angesprochenen Fragestellungen geht es auch in der Außenpolitik, auch um eine inhaltliche Wertorientierung in der Außenpolitik, die wir jedoch bisher bei Ihnen von der ÖVP nicht bemerkt haben.

Herr Bundeskanzler! Allein die Tatsache, dass Sie heute persönlich vor dem Bundesrat eine Erklärung anlässlich Ihrer Regierungsumbildung abgegeben und uns Ihre neue Außenministerin vorgestellt haben, zeigt ganz offensichtlich, wie wichtig für Sie in Ihrer zweiten Amtsperiode Außenpolitik ist, wie viel diese an Gewicht bekommen soll, jeden­falls eine Bedeutung, die für uns Sozialdemokraten Außenpolitik schon immer hatte. Und ich nenne da beispielsweise nur die Namen Schärf, Kreisky und Kirchschläger.

Herr Bundeskanzler, es geht nicht ums Dabeisein bei Kommissionen, es geht nicht um das Mitwirken in Gremien, sondern es geht in erster Linie um inhaltliche Orientierun­gen, und es wäre daher zu wünschen, dass die österreichische Außenpolitik in Zukunft wieder andere Schlagzeilen produziert als die bei Auslandsreisen verursachten Kosten für Photographen und Hüte. (Rufe bei der ÖVP: Geh, bitte!)

Eine Regierungsumbildung und eine neue Personenverantwortung gäben Anlass zur Hoffnung, dass nun die Chance besteht, neue inhaltliche Orientierung zu geben – und nicht noch einmal dasselbe zu zelebrieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben über das Halbzeit-Programm für den Rest dieser Legislaturperiode referiert und dabei auch von „sozialer Wärme“ und einer „leistungsfähigen Wirtschaft“ gesprochen. – Dazu kann ich nur sagen: Wenn ich an die vielen, vielen Belastungen, die in der ersten Etappe Ihrer Regierungszeit den Österreicherinnen und Österreichern verordnet wurden, denke, läuft es mir kalt über den Rücken, wenn Sie, Herr Bundeskanzler, jetzt von „sozialer Wärme“ sprechen.

Diese Wortwahl trägt insofern einer Stimmungslage Rechnung, als sie von einer gegenteiligen Politik abzulenken versucht. Was Heiner Geißler so schonungslos und offen als einen Wutanfall in der Beurteilung der europäischen Politik bezeichnet und gefragt hat: „Wo bleibt Euer Aufschrei?“, sollte sozusagen ein Warnschuss sein, ein Hinweis in Richtung Neuorientierung der europäischen Politik. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Ihre politische Gesinnung, Herr Bundeskanzler, ist, was den christlichen Humanismus anlangt, sicherlich vom selben Ursprung geprägt wie der eines Heiner Geißler. Daher: Wenn Sie von „sozialer Wärme“ sprechen, kann man nur hoffen, dass damit auch gemeint ist – was Sie ja öfters zu tun vorgeben –, den europäischen Wohlfahrts- und Sozialstaat zu verteidigen. Aber: Das Verteidigen des europäischen Sozialmodells bedarf konkreter Handlungen und Neuorientierungen, denn eine Demontage erfolgt auch durch ganz andere dynamische Entwicklungen.

Meine Damen und Herren! Europa ist weltweit die einzige Region in der Welt – ver­glichen mit den USA, China, Südamerika, Australien, Asien –, die einen hohen sozialen Standard, auch wenn er step by step zu reduzieren versucht wird, zu verteidigen hat.


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Die Frage ist aber, wie lange kann ein sozialer Abbau hintangehalten werden ange­sichts geradezu einer „Anarchie in der Weltwirtschaft“ und einer politischen Elite, wie Heiner Geißler sagt, die „davor kapituliert“.

Es gilt, diese offensichtlich unausweichliche Globalisierung human zu gestalten. Eine erste Maßnahme wäre, den Steuersenkungswettlauf europaweit zu stoppen, denn dieser ist wirklich ruinös. Weiters müsste europäische Wirtschaftspolitik konzipiert wer­den; die so genannte Lissaboner Erklärung müsste endlich mit Inhalt erfüllt werden; es geht dabei aber auch um Länder wie Venezuela. – Ich bedanke mich übrigens bei Frau Außenministerin Plassnik für die Erklärung und für die Information über die derzeitige Situation in der Ukraine.

Es gilt aber auch, in ferneren Ländern eine eigene aktive Rolle zu übernehmen, wenn offensichtlich Konzerne die Geschicke einzelner Länder geradezu zu diktieren ver­suchen.

Die Weltbank, so wird uns berichtet, versucht, nachdem dies in den Oststaaten gelun­gen ist, nunmehr auch am Balkan mit „sanftem Druck“ und „mit Überzeugungskraft“, wie sie sagt, das amerikanische Modell durchzudrücken und diese Länder in Bezug auf eine Finanzierung ihrer Pensionssysteme wegzubringen von einem Umlageverfahren – hin zu einem Kapitaldeckungsverfahren. Bei der „Anarchie der Finanzmärkte“ ist das eine sehr gefährliche Entwicklung, vor allem wenn man bedenkt, was in der EU-Kom­mission noch Weiteres angedacht ist in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie, wozu ja Österreich eine sehr passive Rolle einnimmt. Passivität in diesem Zusammenhang heißt jedoch nichts anderes als das Unterstützen dieser neoliberalen Politik!

Die Balkanländer sollten gewonnen werden zu einem Beitritt zur Europäischen Sozial-Charta, und zwar als langfristige Absicherung des europäischen Wohlfahrtsstaates. Es wäre wesentlich wichtiger – anstatt der Weltbank das Feld zu überlassen –, dort mit den Zivilgesellschaften, mit den Verbänden, mit den Sozialpartnern, mit den Gewerk­schaften Kontakt aufzunehmen und diese in ihren Bestrebungen zu unterstützen.

Zur Friedenssicherung beziehungsweise Friedensstiftung in Palästina wäre es auch erforderlich, jene gesellschaftlichen Strukturen zu stärken, die letztendlich das Funda­ment für Frieden und Wohlstand bilden. Kümmern wir uns weniger um Deregulierung und um das Aufbereiten des Bodens für die Multis, sondern stützen wir beispielsweise auch die Zivilgesellschaft in China! Und dazu gehören eben Gewerkschaften und Verbände der Opposition! Übernehmen wir eine aktive Rolle in der EU, und versuchen wir, Partner und Verbündete in Europa zu suchen, um diese Dienstleistungsrichtlinie ... (Bundesrat Bieringer spricht mit jemandem.) – Kollege Bieringer, ich würde empfeh­len, sich damit einmal zu beschäftigen, denn es werden sehr viele von dieser Richtlinie betroffen sein!

Was die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses dazu anlangt, frage ich die neue Außenministerin – sie kann es jetzt leider nicht mehr persönlich hören –, welche Position Österreich zum transatlantischen Dialog einnimmt. Eine außenpolitisch zentrale Entwicklung geht doch von dort aus. Mittlerweile wissen wir, dass im Business-Dialog den 15 größten Konzernen das Feld überlassen wurde und sie alleine die Satzung für diesen transatlantischen Dialog schreiben konnten – und der Labour-Dialog mittlerweile noch nicht einmal begonnen hat.

Das, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sind Arbeitsfelder, sind inhaltliche Positionen, die bisher unter Ihrer Regierungszeit und seitens Ihrer Außenpolitik nicht ins Blickfeld gerückt wurden! Sie, Herr Bundeskanzler, haben um Vertrauen geworben für die neue Außenministerin, die Frau Außenministerin hat das auch für sich getan, daher dazu: Es gibt ein Vorschussvertrauen. Vertrauen gilt es zu erwerben. Erworben


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kann es werden, wenn auch die Werteposition der jeweils anderen nicht nur Gehör, sondern auch Berücksichtigung findet.

In diesem Sinne sind wir bereit, vertrauensbildende Maßnahmen zu empfangen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

12.19

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Mag. Gu­denus. – Bitte.

 


12.20

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Herr Staatssekretär! Kollegen und Kolleginnen! Der Herr Bundeskanzler betonte zu Beginn seiner Ausführungen die beiden Wörter „... braucht Europa“.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Mein Wort ist, und ich hoffe, viele stimmen mit mir darin überein: ... braucht Österreich. Österreich zuerst, Herr Bundeskanzler, nicht Europa zuerst!

Und jetzt zitiere ich ein bisschen: Wir arbeiten für österreichische Interessen, für unsere Arbeitnehmer in unserem Land. „Made in Austria“ muss wieder zu unserem Markenzeichen werden. Würdigen wir österreichische Arbeitnehmer, würdigen wir österreichische Arbeitgeber als Patrioten! Mir und uns muss das österreichische Hemd näher sein als der europäische Rock. Die multikulturelle Gesellschaft ist grandios gescheitert, Herr Bundeskanzler! Bei aller Toleranz und allem Respekt: Österreich ist ein Land mit christlich-abendländischen Wurzeln.

Herr Bundeskanzler! All das, was ich soeben gesagt habe, waren Zitate von Ihrer Kollegin Merkl aus Deutschland, in denen ich „Deutschland“ gegen „Österreich“ ausge­tauscht habe. Ich denke, sie hat die Zeichen der Zeit verstanden. Diese Zitate sind in den letzten Tagen in deutschen Medien wiedergegeben worden.

Auch der stellvertretende Ministerpräsident von Brandenburg, der mir insofern etwas näher steht, als er in seinem Zivilberuf General war, nämlich Schönbohm, sagt, Deutschland dürfe nicht zulassen, dass diese Basis der Gemeinsamkeit von Auslän­dern zerstört wird. Eine europäische Identität vermag Schönbohm nicht zu erkennen. Auch ich erkenne keine europäische Identität. Das sind Schönworte für den Samstag­abend beim Heurigen, aber nicht für ein Parlament!

Aufgabe der österreichischen Außenpolitik ist auf jeden Fall, österreichische Interessen zu vertreten und als Weiteres vielleicht Länder und Ländergruppen in ihren jeweiligen staatlichen und patriotischen Anliegen zu unterstützen. So fehlt mir, dass Österreich den Staat Israel wegen seiner völkerrechtswidrigen und UNO-Resolutions-widrigen Arroganz der Macht öffentlich tadelt, und das nicht nur im kleinen Kreis. Ich bin überzeugt, das erfolgt im kleinen Kreis, aber es muss auch laut und deutlich ausgeführt werden.

Jetzt zur Türkei, die ein wesentlicher Punkt der österreichischen Außenpolitik und leider Gottes auch der EU-Außenpolitik ist. Im Jahr 2002 wurden seitens türkischer Staatsbürger 3 561 Anträge auf Asyl in Österreich eingereicht. 2003 waren es 2 854 Anträge, von denen 15 Prozent anerkannt worden sind. Ist ein Land, welches Leute auf Grund ihrer politischen, religiösen, rassischen oder sonst welcher Zugehörig­keiten veranlasst, ihr Land zu verlassen, überhaupt EU-würdig? Sollten wir nicht erst darauf warten, bis alle Kopenhagener Kriterien von diesem Land erfüllt werden, bevor wir überhaupt in Verhandlungen gehen?

Gestern gab es hier im Parlament ein hochinteressantes Gespräch – und Sie sind mit demselben Gesprächspartner später auch zusammengetroffen – mit dem slowaki-


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schen Parlamentspräsidenten, der Ihrer Partei in großer Verbundenheit nahe steht, Pavol Hrusovsky, der sich hier eindeutig gegen eine Aufnahme der Türkei ausgespro­chen hat. Er hat dazu gesagt, dass es dazu auch in der Slowakei in den Parteien verschiedene Meinungen gäbe. Er war so fair, das zu sagen. Er hat aber auch gesagt, dass es unfair wäre, mit einem Land Verhandlungen mit mehr oder minder offenem Ende zu beginnen, bei denen dann zum Schluss vielleicht herauskäme, dass es nicht aufgenommen würde.

Der Umkehrschluss kann folglich nur sein, man beginnt die Verhandlungen, weil aufge­nommen werden will und werden muss. Wer sagt, dass es muss?

Er hat auch den derzeitigen türkischen Regierungschef Erdogan zitiert, der irgendwo – der Herr Bundeskanzler weiß es vielleicht besser und einige von uns hier im Raum auch – sagte: 1,2 Milliarden Moslems erwarten eine Antwort auf das Ersuchen um Aufnahme der Gespräche.

Liebe Kollegen! Ist das eine Drohung, oder soll uns das hoffnungsfroh stimmen, dass ein Vertreter eines zukünftigen Mitglieds in der Öffentlichkeit sagt: 1,2 Milliarden Mos­lems warten darauf!? Ich habe wenig Lust, darauf zu warten. Ich möchte mich dagegen wehren und wehre mich hier, so gut ich eben parlamentarisch darf und kann.

Ein weiterer Punkt, den ich hier aufgreifen möchte, ist die EU-Verfassung. Herr Bun­deskanzler, es wurde vorhin von einem der Redner hier gesagt, dass die Dinge nicht der Bevölkerung zur Entscheidung vorgelegt werden. Ich halte das für ungeheuerlich arrogant. Es gibt kein Thema in dieser aufgeklärten Republik, welches nicht von der Bevölkerung mit beurteilt werden darf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vielleicht bin ich da noch ein bisschen kleinstaatlicher als die Republik. Ich bin lange Jahre in der Schweiz in die Schule gegangen, und mir schwebt eigentlich das Beispiel vieler Volksabstimmungen viermal im Jahr vor. Wenn auch nur wenige Leute hingehen, die Interessierten gehen hin und geben ihre Stimme ab. Ich finde, das sollten wir auch machen. Geben wir der Bevölkerung die Möglichkeit, an der Politik mitzuwirken, und kapitulieren wir nicht vor der Arroganz der Macht der Oberschicht, das zu verwirk­lichen, was sie sich eingebildet hat!

Es ist Ausfluss der Arroganz der Macht, wenn uns immer eingeredet wird, die Türkei müsse nach Europa. Es ist ebenso der türkischen Bevölkerung gegenüber eine Arroganz der Macht ihrer Machthaber. Die wollen wahrscheinlich gar nicht hinein, die türkische Bevölkerung hat nicht einmal die Absicht, die Kriterien von Kopenhagen zu übernehmen. Da nützt es nichts, wenn in den Villenvierteln der Reichen und der Mittel­reichen in Istanbul und Ankara eine Zustimmung zu Europa existiert! Die Bevölkerung hat überhaupt keine Absicht in diese Richtung. Wenn man sie fragt, werden sie vielleicht sagen, dass das schön und gut ist, aber dass sie all das übernehmen wollen, was in den Kopenhagener Kriterien steht, ist absolut unglaubwürdig.

Zurück zur Verfassung. Glauben Sie, Herr Bundeskanzler, dass eine Verfassung von 800 Seiten mit 448 Artikeln praktikabel und durchführbar ist? Ich glaube das nicht, und wer hier sagt, er glaube es, dem möchte ich diese Schönrede nicht abschneiden, er kann es ja sagen, aber im Innersten seines Herzens kann das niemand glauben. Und über diese Verfassung sollen wir nicht abstimmen dürfen?!

In der Slowakei wird sich herausstellen – ich glaube, im Mai nächsten Jahres –, ob eine Abstimmung dazu stattfindet. Von den 25 europäischen Staaten sind 10 Staaten für eine Volksabstimmung über die Verfassung, 13 Staaten sind kraft Arroganz der Machthaber der jeweiligen Staaten dagegen, und zwei Staaten sind noch im „Wigl­wagl“. Ich halte das für ein besonders wichtiges Thema, welches wir zu behandeln haben.


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Zur Neutralität. Ich bin zwar nicht immer der gleichen Meinung wie mein Kollege Schennach, ich bin ihm auch ein bisschen in die Parade gefahren bei seinen Ausfüh­rungen, aber in einem Punkt habe ich sehr viel Verständnis für die Haltung des Kolle­gen Schennach. Bewahren wir uns die Reste der Neutralität, die wir sowieso schon so stark ausgehöhlt haben, dass nur noch das „Wursthäutl“ da ist! Aber dass das „Wurst­häutl“ auch noch verschwinden soll, das ist mir zu viel. Diesen Rest wollen wir doch bewahren, gewissermaßen als Reliquie einer einmal sehr erfolgreich gewesenen Poli­tik dieser Republik, Herr Bundeskanzler. (Bundesrat Schennach: Bravo! – Bundesrätin Bachner: Das ist ein Kompliment an uns! Bravo!)

Ich erwarte mir daher, dass österreichische Politiker mehr als in der Vergangenheit Patriotismus leben, ausdrücken und in der Welt verbreiten und nicht verfassungskon­formen Antipatriotismus. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.29

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.29

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf die Ausführungen meines Vorredners möchte ich nur ganz kurz eingehen, denn das würde sonst eventuell den Rahmen sprengen. Ich möchte Ihnen eigentlich nur mit einem Zitat von EU-Kommissar Verheugen antworten, das in einem „profil“-Interview letzte oder vorletzte Woche abgedruckt wurde. Er hat dort sehr klar gesagt: Die EU ist kein christlicher Verein, der Islam hat immer seinen Platz in Europa gehabt und wird ihn auch immer haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist seine Meinung!)

Ja, das ist eine Meinung, die ich für sehr interessant halte und die mir besser gefällt als die Ihre. Das wollte ich anschließend an Ihren Beitrag nur festhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich finde es schade, dass die Frau Außenministerin jetzt nicht mehr da ist, habe aber natürlich Verständnis, wenn sie Termine wahrzunehmen hat. Ich bin sehr froh, dass sich die Diskussion, zumindest während ihrer Anwesenheit, weg von einer Regierungs­erklärung doch noch zu ihr als neuer Außenministerin hin bewegt hat, denn das, was wir in der ersten Viertel- oder halben Stunde dieser Diskussion gehört haben, war zwar durchaus interessant und auch amüsant, aber nicht unbedingt zum Thema gehörig.

Ich habe mir in Vorbereitung auf die heutige Sitzung auch die erste außenpolitische Erklärung vor dem Nationalrat durchgelesen, die die Frau Bundesministerin abgegeben hat, und habe darin ein paar Zitate gefunden, die ich recht interessant fand und zu denen ich jetzt das eine oder andere bemerken möchte.

Sie hat gesagt: „Außenpolitik braucht aber auch den mutigen Umgang mit neuen Aufgabenstellungen, Chancen und Verantwortungen.“ Das klingt sehr schön, gefällt mir sehr gut. In diesem Zusammenhang möchte ich, wie sie selber es dann später auch getan und worauf auch Kollege Schennach schon hingewiesen hat, noch einmal auf die Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen kommen. Österreich hat sich zu 0,33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Finanzierung entschlossen und will das jetzt endgültig anstreben. Bedenken sollte man, dass Dänemark, Luxemburg, die Nie­derlande, Norwegen und Schweden bereits bei 0,7 Prozent sind, wie es eigentlich auch das europaweit erklärte Ziel wäre, und auch Irland auf dem besten Wege dorthin ist – ich glaube, im Jahr 2007 wird Irland dieses Ziel erreichen. Auch andere Länder sind sehr gut auf dem Weg und haben detaillierte Pläne, wie man dieses wichtige Ziel erreichen kann, und so denke ich, dass Österreich hier noch etwas mutiger sein und


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das Ziel, diese 0,7 Prozent zu erreichen, dezidiert angehen müsste. Das ist nicht sehr viel, das ist aber sehr gut und sehr wirksam investiertes Geld. Ich würde mir wünschen, dass man hier mutiger wäre, dass auch wirklich ein detaillierter Plan vorgelegt würde, wie, wann und in welchem Zeitraum dieses Ziel zu erreichen ist.

Ein weiteres Zitat, das mir ins Auge stach, war der Satz: „... Nachbarschaft lebt von der Neugier, einander kennen zu lernen ...“ Wenn ich mir im Zusammenhang mit der Euro­päischen Integration und der EU-Fähigkeit Österreichs etwas wünschen dürfte, dann würde ich mir wünschen, dass es noch mehr und immer mehr Austauschprogramme für Schülerinnen, Schüler und Studierende gäbe. Ich weiß, es gibt schon welche, ich meine auch, sie könnten in weitaus größerem Ausmaß angenommen werden, als das bisher geschieht. Der Austausch im Lehrlingsbereich müsste auf jeden Fall verstärkt werden. Ich glaube, das ist die beste Art, ein EU-Bewusstsein – und ich meine schon, dass es eine europäische Identität gibt, die man auch fördern kann – zu entwickeln, und das kann auch etwas sehr Positives sein, Herr Gudenus. Solche Austauschpro­gramme könnten diese also fördern und würden vor allem für junge Menschen einen ganz positiven und interessanten Aspekt darstellen. Das würde ich in Zukunft gerne mehr forciert sehen.

Dasselbe trifft auch zu für Sprachkurse. In Österreich sprechen inzwischen alle Schul­kinder doch recht gut Englisch und meist auch eine zweite Fremdsprache. Ich würde es für sehr wichtig halten, auch Sprachen aus unseren östlichen Nachbarländern ver­stärkt aufzunehmen. Das ist jetzt zwar ein Bildungsthema, aber im Zuge der Außen­politik, auch im Zuge der EU-Erweiterung halte ich das für wichtig. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Bildungspolitik!) Es ist Bildungspolitik, die allerdings mit der EU zu tun hat, und ich würde es als sehr, sehr wichtig erachten, dass auf den Sprachunterricht fokussiert wird. Vielleicht gibt es da eine Kooperation zwischen dem Außenministerium und dem Bildungsministerium, wer weiß?

Da die EU-Präsidentschaft Österreichs sozusagen vor der Tür steht, würde ich mir eines sehr wünschen: Im Prinzip wäre es sehr an der Zeit, dass man endlich von dieser EU der Eliten wegkommt, hin zu einer EU der Bürgerinnen und Bürger. Um das zu erreichen, müsste allerdings auch die Regierung von diesem an und für sich sehr praktischen Weg abgehen, dass alles, was gut ist, hier gemacht und hier erreicht wird, und alles, was schlecht und verpfuscht ist und sich nicht so gut verkaufen lässt, in Brüssel passiert. Man war da ja auch meistens dabei, aber das sei dahingestellt. Es wäre sehr nötig, dass es in diesem Punkt ein bisschen mehr Ehrlichkeit, auch ein biss­chen mehr direkte Information der Bürgerinnen und Bürger darüber gibt, was die EU ist, was sie kann und welche Möglichkeiten sie bietet. Das könnte man im Zuge der Präsidentschaft sehr gut angehen.

Zum Abschluss noch ein Zitat aus den Ausführungen der Außenministerin im National­rat: „Wir können es uns in einer Welt des internationalen Wettbewerbs der Interessen und Ideen einfach nicht leisten, auf Sachbeiträge und Fachwissen zu verzichten.“ Ich betrachte das als einen sehr positiven Aspekt, weil die Ministerin in diesem Zusam­menhang auch von NGOs geredet hat. Die Regierung ist ja momentan nicht gerade sehr vorbildlich, wenn es darum geht, die Expertise von NGOs mit einzubeziehen. Ich hoffe, dass das im Bereich der Außenpolitik, in dem es ganz besonders viele und gut funktionierende NGOs gibt, die sich hier engagieren, besser funktioniert als bisher. Ich hoffe auch, dass die Regierung diese Anregung, welche die Außenministerin gegeben hat, vielleicht auch auf andere Bereiche überträgt und generell NGOs in Zukunft wieder stärker einbindet. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

 


12.35


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 61

Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lindin­ger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.36

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Frau Ute Barbara Pühringer! Herzliche Gratulation zur hohen Auszeichnung! Als Oberösterreicher freut es mich, wenn die ehemalige Präsidentin dieses Hauses eine Auszeichnung bekommt. Ich gratuliere dazu. (Allgemeiner Beifall.)

Einleitend zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Bieringer. Sie haben das Regierungs­programm als so toll dargestellt und betont, wie positiv es für Österreich sei. Na ja, ich weiß nicht; anlässlich des 5 : 0, das Kollege Konecny konstatiert hat, scheint mir doch, dass die Bürger das wohl anders beurteilen. Das zeigt sich auch, wenn man die Zu­sammensetzung dieses Hauses in den letzten eineinhalb Jahren betrachtet. (Bundes­rat Bieringer: Warten Sie auf die Nationalratswahl, Herr Kollege!) März 2003: Regie­rungskoalition: 39 Bundesräte, Opposition: 23, ein Unterschied von 16 Mandaten. Im März 2004 betrug der Unterschied nur mehr sechs und im Oktober 2004 nur mehr zwei Mandate. An wem wird das wohl liegen? Wohl nicht daran, dass sich das österreichi­sche Volk, die Bevölkerung verwählt hätte und falsche Mehrheiten in ihre Vertretungen gewählt hätte! (Bundesrätin Roth-Halvax: Ihr reklamiert doch sonst immer die Freiheit der Meinungsäußerung! ...!) Ich denke, Sie sehen, in welche Richtung es hier geht: Die Opposition ist auf dem richtigen Weg, die Regierung ist auf einer schiefen Ebene, wenn man das so betrachtet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Dr. Böhm: Wir haben euren Schutt wegräumen müssen!)

Herr Bundeskanzler! Jetzt zu Ihrer Erklärung zur Regierungsumbildung. Nicht jede Regierungsumbildung, die Sie in den letzten Monaten vornehmen mussten, fand ja unter positiven Vorzeichen statt. Diesmal gab es ein positives Vorzeichen, nämlich die Nominierung von Frau Außenminister Benita Ferrero-Waldner als Mitglied in der Euro­päischen Kommission. Meistens wurden Ministerinnen und Minister wegen Amtsmüdig­keit abberufen oder haben freiwillig das Handtuch geworfen, weil es ihnen zu heiß wurde. Ich darf an die Rufnummern-Verordnung erinnern. Im Infrastrukturministerium gab es eine ganze Reihe von Kurzzeitministern und -ministerinnen. Beim Koalitions­partner, den Sie sich ausgesucht haben, war die Geschwindigkeit der Ablösen so rasant, dass man sich die Namen der jeweiligen Minister kaum noch merken konnte. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist eine Frage der Intelligenz!) Während der Äußerungen des Kollegen Gudenus habe ich mir die Gesichter der ÖVP-Bundesräte angesehen, die eher eingefroren sind, und ich hatte überhaupt den Eindruck, hier steht einer von der Opposition am Rednerpult und nicht vom Koalitionspartner. (Bundesrat Dr. Küh­nel: Da sieht man, was er in seinen eigenen Reihen gewohnt ist!) Da sieht man schon, dass hier noch eine große Abstimmung notwendig ist.

Aber jeder sucht sich den Koalitionspartner, den er verdient, geschätzte Damen und Herren! Sie haben sich die FPÖ als Koalitionspartner ausgesucht, die immer kleiner wird. Man sieht es ja an der Sitzordnungsveränderung: Jedes Mal ist es schwierig, hier die Sitzordnung so zu gestalten, dass alle damit leben können und zufrieden sind. (Bundesrat Höfinger: Haben Sie damit Probleme?) Das ist eine der schwierigsten Aufgaben hier in diesem Haus. (Bundesrat Dr. Kühnel: Diese Rede hat nichts ...!)

Aber jetzt zur Nominierung der Außenministerin. Gerade im Außenministerium ist Kon­tinuität gefordert, meine Damen und Herren. Mit der Ernennung von Frau Dr. Ursula Plassnik zur neuen Außenministerin besteht also die Chance auf einen Neustart in der österreichischen Außenpolitik.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 62

Aber wie sieht die neue Außenministerin die Neutralität? Wie steht sie zur Neutra­lität? – Ein klares Bekenntnis zur Neutralität fehlte mir in der Erklärung von Frau Bundesministerin Plassnik. (Bundesrat Dr. Böhm: Kam ausdrücklich vor, wörtlich vor!) In der Erklärung im Nationalrat (Bundesrätin Roth-Halvax: Wir sind hier im Bundesrat!) noch keine Stellungnahme zur Neutralität! Aber es gibt wahrscheinlich in der Zwischen­zeit neuerliche Erklärungen.

Doch im Lichte der aktuellen Diskussion über die österreichische Beteiligung an euro­päischen Kampfeinsätzen ist eine klare Position erforderlich, und zwar gerade deshalb, weil eine Entscheidung über die Beteiligung an Kampfeinsätzen gemäß der österreichi­schen Bundesverfassung von Außenministerin und Bundeskanzler autonom getroffen werden kann, wie ich aus der APA vorige Woche vernehmen konnte.

Veränderung in der Außenpolitik ist durch die wachsende Europäische Union ständig notwendig. In den Fragen der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist eine klare Posi­tion gefordert, und die gibt es hier auch seitens der Außenministerin. Auch wenn es der Opposition und Herrn Gudenus noch so wenig gefällt, trotzdem sind klare Positionen notwendig, geschätzte Damen und Herren! Das lobe ich auch hier an dieser neuen Außenministerin, dass sie gleich in verschiedenen Positionen eine klare Sprache gesprochen hat.

Aber unsere Nachbarn gehören ja alle, ausgenommen Liechtenstein, zur Europäischen Union, und hier ist es nicht mehr so ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Und die Schweiz! – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Und Schweiz!) Liechtenstein und die Schweiz! – Hier ist eine große und positive Veränderung eingetreten. Aber denken wir zurück, wie es vor einigen Jahren war, als es noch Kampfhandlungen an der Grenze zu unserem südlichen Nachbarn gab: Es war sehr gefährlich, und es waren der österreichische Staat und die Diplomatie gerade hier gefordert.

Gleich nach dem Vertrag von Dayton besuchte ich persönlich unsere SFOR-Soldaten in Sarajewo und konnte mich von der großen Bedeutung unserer Beteiligung an friedenserhaltenden Maßnahmen im Ausland überzeugen. (Bundesrat Zellot: Gut aus­gebildet!) Ich bin heute noch überzeugt davon, dass es ganz wichtig ist, dass österrei­chische Soldaten – obwohl sie von Zypern abgezogen wurden – einen großen Beitrag zur Friedenserhaltung in Europa und darüber hinaus leisten.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich soll weiterhin eine bedeutende Rolle als Vermittler spielen, eine Rolle, wie sie Österreich in den siebziger und achtziger Jahren zu einer Drehscheibe der internationalen Beziehungen und vieler anderweitiger Frie­densgespräche gemacht hat. Für Österreich ist viel zu tun, und für unsere neue Bundesministerin gibt es große Aufgaben bei der Vermittlung von Friedensgesprächen.

Es gibt noch viele Unruheherde in Europa, wie Zypern, Kosovo, Serbien, Mazedonien, und es geht um die Entwicklung der Demokratien insbesondere im östlichen Europa und in angrenzenden Staaten. Ich denke an die Stichwahlen in der Ukraine, zu denen hier von der Außenministerin schon eindeutig Stellung bezogen wurde. Wenn man von österreichischen Wahlbeobachtern hört, dass dort am vergangenen Wochenende ein großer Wahlbetrug abgelaufen ist, ist auch Österreich gefordert, hier Stellung zu bezie­hen, wie es die österreichische Außenministerin in einem Gespräch mit dem Ständigen Vertreter gleich getan hat.

Es kommt hier nicht nur auf die Mitarbeit in der Europäischen Union an, sondern auch auf die im Europarat. Unsere Frau Ministerin war im Rahmen ihrer beruflichen Lauf­bahn auch im Europarat tätig, und ich hoffe, dass sie die Zeit in Straßburg nicht vergisst und ein Bekenntnis zum Europarat und seiner Erneuerung im nächsten Jahr manifestiert.


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 63

Ich gratuliere unserer Frau Ministerin trotz Abwesenheit zu ihrer Nominierung. Als Mit­glied der österreichischen Delegation im Europarat freue ich mich auf eine positive Weiterentwicklung und auf eine gemeinsame Außenpolitik, in die auch die Opposition eingebunden wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.46

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.46

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich ganz kurz eine Replik bezüglich Herrn Bundesrat Lindinger machen.

Lieber Kollege! In der Zweiten Republik ist uns von den SPÖ-Bundesregierungen nur ein Name bekannt, der in Erinnerung bleiben wird: Bundeskanzler Bruno Kreisky. Ich wollte Ihnen nur das dazu sagen. Das ist leider Gottes so, die anderen sind in der Versenkung verschwunden, sodass die Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ in diesem Bereich viele, viele Reformen durchführen muss! (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Schennach: Schwäche beim Kurzzeitgedächtnis!)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich danke Ihnen für die verantwortungsvollen Ent­scheidungen für Österreich und für die Österreicher in den letzten vier Jahren. Diese Reformen, die für uns, für die Österreicher, gemacht wurden – wie die Steuerreform, wie die Pensionsreform, wie das Kindergeld und so weiter –, waren schon längst nötig, und ich muss Ihnen, geschätzter Herr Bundeskanzler, auch sagen: Wir sind relativ spät dran. Wir müssen die Entscheidung treffen, wenn wir wollen, dass in Zukunft unsere Kinder und Kindeskinder ein soziales, wirtschaftliches und zukunftsorientiertes Öster­reich ihre Heimat nennen.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich habe aber trotzdem drei Fragen und möchte es kurz machen. Erstens: Wie hoch ist das Einsparungspotenzial in der zukünftigen poli­tischen Verantwortung im Verwaltungsbereich? Die zweite Frage: Wie ist die Stellung der ländlichen Regionen zu Ballungszentren? – Derzeit sind viele Regionen von sehr großen Abwanderungen bedroht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die dritte Frage, geschätzter Herr Bundeskanzler, betrifft den abgestuften Bevölkerungsschlüssel zwi­schen Bürgern kleiner Gemeinden und Bürgern von Städten. Meiner Meinung nach – und ich glaube, das muss das Rechtsempfinden eines jeden Österreichers sein – muss jeder Bürger in Österreich gleich viel wert sein, ganz gleich, wo er wohnt.

Ich hätte gerne unserer Frau Außenminister ein paar Fragen gestellt. Welche Möglich­keiten sieht sie für die Durchsetzung österreichischer Interessen in der europäischen Familie? – Ich bin der Meinung, dass Sie, geschätzter Herr Bundeskanzler, dies auch beantworten können. Es gibt 8 Millionen Österreicher gegenüber 450 Millionen Europä­ern in der Gemeinschaft. Es gibt in Österreich 2 300 Gemeinden, in Europa 112 000. 110 österreichische Mitarbeiter machen im Europäischen Parlament in Brüssel oder Straßburg Dienst; denen stehen 33 000 gegenüber. Seit 1. Mai sind 12 000 Akten, Gesetze und Verlautbarungen zu behandeln. Wie das zu bewältigen sein kann, möchte ich Sie bitten, uns heute zu beantworten.

Die nächste Frage, geschätzter Herr Bundeskanzler, hätte ich gerne an unsere dyna­mische Außenministerin gerichtet. Sie ist eine Kärntnerin; bekannt ist ja ihre dyna­mische Art, ihre Art, wie sie mit Menschen umgeht, wie sie Menschen überzeugen kann. Da gibt es den Bereich der Beneš- und AVNOJ-Beschlüsse. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir können diese offenen Wunden des Zweiten Weltkrieges nicht


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 64

immer vor uns herschieben. Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich bitte Sie, in der gemeinsamen Regierung von ÖVP und FPÖ dieses Unrecht zu beseitigen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.50

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kritzin­ger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.51

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Außenpolitik ist nicht nur Bildungspolitik, sondern in einem hohen Ausmaß auch Wirtschaftspolitik. Wo überall und immer die Frau Außen­minister auftritt, da schreiben die Medien über dieses Thema. Das bedeutet für unser Land eine Steigerung des Bekanntheitsgrades, aber auch einen Gewinn an Ansehen. Damit will ich sagen, dass auch die Wirtschaftspolitik damit gefördert wird.

Wir haben eine bedeutende Funktion der Frau Außenministerin, und ich glaube, da macht sie auch eine „bella figura“, wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat, in Bezug auf Südtirol. Gestatten Sie mir, dass ich zwei Worte darüber sage. Wir waren vor etlichen Monaten mit dem Unterausschuss unter der Leitung von Präsident Andreas Khol in Bozen und haben damals erlebt, dass die Südtiroler betont haben, wie notwen­dig sie die Schutzmacht Österreich brauchen. Da dürfen wir sie nicht enttäuschen.

Ich habe zu Tirol zwei Worte zu sagen, die ganz bedeutend sind. Zur EU – und dazu hat die kluge Politik des Bundeskanzlers wesentlich beigetragen, dass das damals über die Bühne gegangen ist – hat Tirol ein ganz besonderes, ich möchte sagen, Ver­hältnis, nämlich: Tirol hat sich „vergrößert“! Wenn man heute nach Brixen oder nach Sterzing fährt, ohne Zollschranken, ohne gefürchtete Zollschranken, so hat man wirklich das Gefühl, in Tirol zu sein. Eine Ausnahme bildet Bozen, wo ja, wie Sie alle wissen, in den dreißiger Jahren von Mussolini auf einen Schlag 50 000 Italiener ange­siedelt worden sind, außerdem Kasernen in jedem kleinen Ort und so weiter. Aber in allen übrigen Orten, ob Klausen, Kastelruth oder sonst einem – und Sie können viele dieser Orte hernehmen –, haben Sie das Gefühl, in Tirol zu sein.

Ich hatte ein Erlebnis mit einem Südtiroler Abgeordneten, den auch der Herr Bundes­kanzler kennt; er spielt heute eine bedeutende Rolle bei der Brenner Autobahn und war im römischen Parlament. Dieser hat gesagt: In Rom habe ich von italienischen Parla­mentariern immer wieder die Meinung ausgesprochen gehört, ihr seid Österreicher, und sie nehmen es als selbstverständlich hin, dass sich die Südtiroler mit Österreich identifizieren.

Natürlich gibt es auch einige offene Punkte. Bei der Ortsnamengebung zum Beispiel wurden Tausende von Namen einfach aus dem luftleeren Raum herangezogen. Sie wurden nicht übersetzt, sondern neu gegeben, es waren neue Formulierungen, oder es wurde ein „o“ oder „a“ hinzugefügt.

Und natürlich gibt es da noch etwas anderes: Ein Dutzend Süd- und Nordtiroler kön­nen, wenn sie nach Italien fahren, mit einer lebenslänglichen Haftstrafe rechnen. Ich glaube, es geziemt sich für einen so großen und bedeutenden Staat wie Italien, endlich zu diesem Thema einen Schlussstrich zu ziehen. Ich würde sehr eindringlich bitten, Herr Bundeskanzler – über die Frau Außenminister, oder Sie selbst nehmen das in die Hand –, darauf zu dringen, dass man für diese Leute eine Amnestie gewährt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.55

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 65

12.55

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Man sollte eine Einladung, wenn sie vom Fraktionsobmann der ÖVP ausgesprochen wird, sich zu Wort zu melden, nicht ausschlagen. Darum haben ich mir erlaubt, mich noch zu melden. (Bun­desrätin Roth-Halvax: Das war sicher nicht so gemeint!) Ursprünglich habe ich es nicht vorgehabt (Bundesrätin Roth-Halvax: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so gemeint war!), aber du hast mich so höflich aufgefordert, lieber Ludwig, dass ich mir natürlich die Chance nicht entgehen lasse, in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers ein paar Sachen aus meiner Sicht zu sagen.

Herr Bundeskanzler! Grundsätzlich zur Regierungsumbildung: eine neue Qualität! Wir sind im doppelten Sinne sehr froh, dass es Frau Kollegin Ferrero-Waldner als ehemali­ger Außenministerin sehr gut geht in Brüssel, und wir hoffen, dass es ihr dort auch weiterhin sehr gut gehen wird. Wir haben gehört, dass Frau Außenministerin Plassnik eine Frau ist, die klare Worte findet und nicht verschlüsselt zu uns spricht. Wir werden diese klaren Worte akzeptieren, werden sie sehr unterstützen und werden sie auch sehr gerne entgegennehmen.

Warum eine Regierungsumbildung der besonderen Qualität? – Weil ich hier in den letzten vier Jahren ganz andere Regierungsumbildungen miterlebt habe. Ich denke jetzt nur an einige Namen, weil Kollege Kampl soeben gesagt hat, er kann sich noch an Kreisky erinnern – keine Frage! (Bundesrat Ing. Kampl: Der Einzige, habe ich gesagt!) Eben, sehen Sie, Herr Kollege! Und ich werde Ihnen jetzt ein paar Namen nennen, an die Sie sich wahrscheinlich selbst schon nicht mehr erinnern können. (Bun­desrat Dr. Böhm: O ja: Klima! Ist in Argentinien!) Sickl – können Sie sich noch an eine Frau Sickl erinnern? Oder an einen Herrn Schmid? Oder an eine Frau Forstinger? Oder an einen Herrn Reichhold? Oder an einen Herrn Krüger? Können Sie sich an diese Leute erinnern? (Bundesrat Dr. Böhm: Waren nicht Bundeskanzler!)

Ich war hier, Herr Kollege, als man diese Leute, drei Tage bevor sie zurückgetreten sind, noch hoch gelobt hat! Und die Nachfolger haben schon gewusst, dass sie dran­kommen. Das ist schön für Sie, Herr Kollege Kampl, dass Sie sich an Kreisky erinnern können. Darum habe ich Ihnen jetzt die Ministernamen Ihrer Kollegen genannt, damit Sie auch wissen, dass die alle einmal hier waren. Das ist noch gar nicht so lange her, bei manchen erst zwei Jahre, bei manchen drei Jahre, also eine relativ kurze Zeit. Aber wenn man es sich nicht aufschreibt, kann man sich an diese Leute fast nicht mehr erinnern. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum ist für uns diese Regierungsumbildung mit einer dementsprechenden Qualität ausgestattet. Wir sehen sie positiv, und wir werden auch alles tun, um die neue Frau Außenministerin in aller Form zu unterstützen.

Herr Bundeskanzler! Sie waren, glaube ich, in Retz – wenn ich das in den Medien rich­tig verfolgt habe –, um zu ernten, eine Ernte einzufahren. Es muss erlaubt sein, Frau Kollegin Roth-Halvax, wir sind ja da immer sehr ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Na!) Na ja, wir kommen uns nicht in die Haare; das geht nicht, Sie haben die Haare etwas zu streng am Kopf. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber es muss erlaubt sein, die Sache aus seiner Sicht zu sehen. Da möchte ich gerade sagen: Ernte einfahren, Weinetiket­tierung – ich glaube, dass gerade im Bereich der Pensionssicherungsreform 2003 doch eine etwas falsche Etikettierung verwendet worden ist, denn in Wirklichkeit ist es eine Pensionskürzungsreform geworden und keine -sicherungsreform. Ich bin auch der Meinung, dass bei der Pensionsharmonisierung die Etikette nicht stimmt. Wenn man sich das nämlich durchrechnet – und wir haben das durchgerechnet –, ist klar, es kommt zu einer weiteren Pensionskürzung für die Menschen im ASVG.


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715. Sitzung / Seite 66

Ich habe gemerkt, Sie haben sich am Abend, in der „ZiB 2“, glaube ich, um 22 Uhr, bei einem Interview auf die Frage des Um- oder Einfärbens sehr bemüht, noch ein paar Namen zu finden. Ich glaube, Wais von der Post und Telekom und jemand von Voest und OMV haben Sie erwähnt. Das wären noch Leute, die quasi dem roten Lager zuzu­ordnen wären. Die Moderatorin hat angemerkt, Sie würden in den letzten Jahre sehr intensiv in die andere Richtung arbeiten. Der Hauptverband ist Ihnen vorgeworfen wor­den, der ORF – Weis war nicht so schwarz, darum heißt er nicht mehr Weis, sondern Lindinger. Und was jetzt bei den ÖBB passiert ist ... (Rufe bei der ÖVP: Lindner! Lindner!) – Ah, die Frau Lindner! Ja, das kann einmal passieren. Aber es ist ja gleich: Wenn Weis nicht schwarz genug ist, dann kann es auch eine Lindner sein, und keine Lindingerin. (Beifall des Bundesrates Konecny. – Bundesrätin Roth-Halvax: Das zahlt sich nicht aus, Herr Professor!)

Meine Damen und Herren! Auch in Zusammenhang mit den ÖBB ein paar Bemer­kungen. Die einzige Leistung, die mir von der Frau Ministerin Forstinger in Erinnerung geblieben ist, ist die, dass sie einen sehr erfolgreichen Generaldirektor aus Linz, den Herrn Draxler, in gewisser Weise hinausgeschmissen hat. Das ist die einzige Leistung, an die ich mich bei der Frau Ministerin Forstinger noch erinnern kann. An sonst etwas kann ich mich bei der Frau Ministerin Forstinger nicht erinnern. Jetzt soll sie – und das ist fast eine Bedrohung – wieder in die ÖBB hereinkommen, und zwar durch eine Hintertür, so hört man. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, das hat sie als Ministerin bewiesen, daher ist sie nicht mehr im Amt.

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben eine Steuerreform ange­kündigt – Gott sei Dank, denn es ist höchste Zeit gewesen. Es wurden in den letzten vier Jahren kräftige Erhöhungen vorgenommen. Sie haben in einem Zwischenruf so quasi den Vorwurf erhoben: Wenn ein Sozialdemokrat oder ein Roter den Mund auf­macht, dann will er nur Steuern erhöhen! – Das stimmt nicht!

Ich habe mit Dallinger kurz vor seinem tödlichen Unfall noch gesprochen, und er war der Meinung, man werde, ob man es will oder nicht, über kurz oder lang über eine Besteuerung maschineller Leistungen nicht hinwegkommen. Ob das eine neue Steuer sein soll oder ein sozial gerechter Ausgleich und eine Entlastung der Arbeit, das ist ein anderes Thema, darüber können wir uns sicherlich gerne einmal unterhalten, aber ich glaube, dass man über solche Sachen reden dürfen muss.

Wenn man schon von der Steuerreform redet, dann sollte man, bitte, auch nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dass die Länder 23,6 Prozent und die Gemeinden 13,3 Prozent zur dieser Steuerreform beitragen. Das heißt, 40 Prozent dieser Steuer­reform, wo den Menschen das Geld zurückgegeben wird, das man ihnen vorher abge­nommen hat und das man ihnen ab 1. Jänner 2005 wieder abnehmen wird – ich denke an die erhöhten Rezeptgebühren, an die Verteuerungen im Bereich des Gesundheits­wesen, da werden die Leute wieder zur Kassa gebeten ... (Bundesrat Mag. Himmer: Schaffen Sie die Gebühren in Wien ab!) Herr Kollege Himmer, du kannst auch hier herauskommen und sprechen. Ich lade dich auch ein und stehe dir dann sehr gerne zur Verfügung. Ich habe das Angebot von eurem Klubobmann auch angenommen.

Was ich für traurig halte – und damit bin ich bei meiner Kritik am Finanzminister, der uns leider hier sehr selten oder gar nicht die Ehre gibt –, das ist der Umstand, dass all seine Schlagworte wie „Nulldefizit“, „keine Neuverschuldung“ et cetera praktisch keinen Wert mehr haben. Ja, sie sind durch ihn entwertet worden. Darüber spricht kein Mensch mehr. Es gibt für 2005 eine Neuverschuldung von 1,9 Prozent. Ursprünglich hätten es 2,3 Prozent sein sollen, aber die Bundesländer erweisen sich da als edle Spender, somit sind es jetzt nur 1,9 Prozent oder 5 Milliarden €, wobei 3 Milliarden € durch die Steuerreform zurückkommen.


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715. Sitzung / Seite 67

Der Finanzminister hat erst vor kurzem (Zwischenrufe bei der ÖVP) – es kann meine Aussage jemand berichtigen – zwei Mitarbeiterinnen im Finanzamt VIII in Wien ver­setzt, die mit seiner Steuersache im Zusammenhang mit der Homepage beschäftigt waren, und zwar ohne Kommentar und ohne Begründung – man kann es nachlesen, es steht im Internet, man sollte sich informieren –, und das ist eine Vorgangsweise, die meiner Meinung nach sicher nicht ganz astrein ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte noch mehr zu sagen, ob das die Frau Ministerin Gehrer oder den Herrn Innenminister Strasser betrifft, der – Sie erin­nern sich sicher noch daran, das ist noch nicht allzu lange her – hochrangige Exekutiv­beamte in Pension geschickt hat. Gleichzeitig wird das Pensionsantrittsalter erhöht, wird ein Pensionskorridor von 62 bis 68 geschaffen. Die Leute draußen verstehen das nicht mehr. Es ist für sie unverständlich, wenn Lehrer mit 55 in Pension gehen, wenn Mitarbeiter aus Ministerien und ÖBB-Bedienstete mit 50 in Pension gehen, während sie bis 65 arbeiten müssen. Das versteht kein Mensch mehr, und das kann man den Leuten auch fast nicht mehr erklären.

Für mich ist das keine Reform! Sie ist weder fair noch gerecht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich muss ganz ehrlich sagen – und es tut mir Leid, Herr Staatssekretär, dass ich das sagen muss –: In Österreich ist es kälter geworden, und Sie sind auch einer, der dazu beigetragen hat! (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Morak.) Ich will das nur so sagen, wie es ist. Es kann nämlich nicht sein, dass ein Staatssekretär, der für den Kunstbereich verantwortlich ist, in Bezug auf die Salzburger Festspiele einfach sagt: Na ja, das, was man zu viel an Leuten hat, schupft man vom Untersberg herun­ter! So geht es halt nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ja! Ludwig Bieringer, ich weiß es nicht, aber vielleicht bist du nicht informiert. Ich lasse dir die Unterlagen sehr gerne zukommen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber der Herr Staatssekretär ist ohnehin da, er kann ja diesbezüglich Stellung nehmen. So kann man doch, bitte, mit den Leuten nicht umgehen! Da darf man sich nicht wundern, wenn es dann heißt: In diesem Land ist es kälter geworden! So etwas erzeugt eine negative Stimmung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn das Einzige, was man dann tut, wenn es Kritik gibt – und Kritik muss, glaube ich, erlaubt sein (Bundesrat Dr. Kühnel: Es gibt nur Kritik!) –, die Reaktion ist, dass man sagt: Na ja, dann werden wir uns überlegen, ob wir bei der Arbeiterkammer nicht die Handschrauben anziehen, und dann werden wir uns überlegen, ob wir nicht den Studenten das Wahlrecht nehmen!, also wenn das die Alternativen sind, dann muss ich sagen: Österreich und die österreichische Demokratie haben es leider sehr weit ge­bracht, sehr weit, und das leider nach unten! (Zustimmende Geste bei der SPÖ.) Ja, du hast es richtig gezeigt! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.06

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.06

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte einerseits diese Gelegenheit hier noch einmal nutzen, der Frau Ute Pührin­ger recht herzlich zu gratulieren – ich war vorhin bei der Antrittsrede der Frau Ministerin bedauerlicherweise nicht anwesend, und zwar auf Grund dessen, dass ich in Ver­tretung der grünen Fraktion und natürlich auch als Oberösterreicherin dem Festakt beigewohnt habe, was mich sehr gefreut hat –, und andererseits ein paar Worte zum Verhältnis Österreich – China – Indien sagen, die ich bitte, der Frau Plassnik zu über­mitteln, da sie leider nicht mehr anwesend ist.


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715. Sitzung / Seite 68

Ich halte es für äußerst wichtig, diesen Bereich in der Außenpolitik wieder verstärkt zu berücksichtigen. Es sind enorm wichtige, dynamische Wirtschaftsräume, die wir Öster­reicher als Potential erkennen sollten, und zwar in der Hinsicht, dass wir als Handels­partner dort tätig sind und auch Betriebe dort ansiedeln.

Ganz zentrale Bedeutung in diesem Verhältnis hat das Thema Menschenrechte, insbe­sondere in Bezug auf China. Da ist es wichtig, den Dialog zu führen, die Auseinander­setzung zu führen. In diesem Zusammenhang die Bitte an den Herrn Kanzler, zum Thema Menschenrechte in China entsprechende Akzente zu setzen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll betritt den Saal.)

Ich habe gerade gesehen, dass Minister Pröll eingetreten ist – die folgenden Ausfüh­rungen betreffen auch ihn. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll schaut kurz in den Saal und kehrt dann um. – Heiterkeit.) Ich habe mir immer gedacht, dass er ein bisschen mehr Mut hat, als er jetzt beweist. (Beifall bei den Grünen.)

Es geht um das Thema „Umwelttechnik, Industrie, Umweltwirtschaft, Energietechnik“, und es ist völlig klar, wie zentral dieses Thema ist, wenn man sich die Umweltver­schmutzung in China anschaut. Die Chancen, da etwas zu bewirken, sind, so bestä­tigen alle Analysen, sehr gut.

Ich denke, es wäre Zeit für die Regierung, die AWS in den Griff zu bekommen. Man sollte, anstatt einen nächsten Referenten einzuführen, der dasselbe Gehalt hat wie die beiden Geschäftsführer, die auch ständig gewechselt werden, dafür sorgen, dass man wirklich eine Exportoffensive, eine Konzentration in diesem Bereich erreicht, um den kleinen und mittelständischen Unternehmungen aus Österreich die Chance zu geben, in Indien und in China Fuß zu fassen. Das möchte ich heute der Frau Außenministerin und dem Herrn Kanzler mit auf den Weg geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.09

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich der Herr Bundeskanz­ler. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


13.09

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hoher Bundesrat! Zunächst danke ich für Ihr Verständnis dafür, dass die Frau Außenministerin vorzeitig diese Debatte verlassen musste, weil sie zum bilateralen Treffen nach Prag reist. Ich werde zunächst einige allgemeine Bemerkungen machen und dann, soweit ich das kann, einige spezifische außenpolitische Fragen, die ich mit ihr besprochen habe, hier beantworten.

Ich beginne mit dem Punkt Südtirol. – Ich glaube, es ist völlig klar, dass wir uns immer als Schutzmacht Südtirols verstanden haben. Bundespräsident Klestil, Bundespräsi­dent Fischer, ich als Bundeskanzler, Außenministerin Ferrero-Waldner und jetzt auch Außenministerin Plassnik haben immer die Frage der Amnestie angesprochen. Es liegt ausschließlich am italienischen Staatspräsidenten, der eigentlich schon einige Male Entgegenkommen hat erkennen lassen – ein Teil ist ja ausgesprochen worden, aber eben noch nicht alle –, und wir werden da drauf bleiben.

Zweiter Punkt: die Frage der Europäischen Verfassung.

Darf ich da, Kollege Gudenus, meine Position zu verdeutlichen versuchen? Ich bin überhaupt nicht gegen eine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung, aber ich darf nur ins Treffen führen, was ich für klug halte. Ich bin ganz dagegen, dass man jetzt 25 individuelle Wege geht – und das womöglich noch verteilt auf zwei Jahre. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Na eben! Das halte ich für falsch. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Gudenus.) Ich habe drei Mal vorgeschlagen – ich bin damit leider nicht durchgedrungen, und die


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715. Sitzung / Seite 69

anderen kann ich auch nicht zwingen –: Machen wir an einem Tag oder während einer Woche in ganz Europa eine Volksabstimmung!

Wir werden nicht so oft eine Europäische Verfassung beschließen. Das ist tatsächlich ein historischer Augenblick. Allein schon das Wort „Constitutional Treaty“ ist etwas Besonderes. Das hätte ich persönlich allen europäischen Bürgern und Bürgerinnen zur Abstimmung vorgelegt. Ich bin überzeugt, dass wir auch ein Ja dafür bekommen hät­ten. Es hätten aber auch manche gesagt: Nein, wir sind dagegen!

Aber falsch ist aus meiner Sicht und wirklich nicht unproblematisch, dass jetzt verschie­dene Staaten – nicht alle –, und zwar oft aus innenpolitischen Gründen, sagen: Jetzt machen wir zu einem bestimmten Zeitpunkt, nach unserer nationalen Wahl, möglichst gegen Ende, also 2006, eine nationale Volksabstimmung! – Mit Verlaub, das halte ich für gefährlich!

Wir haben jetzt praktisch zwei Jahre ein Fragezeichen über dem Europäischen Projekt. Ich glaube nicht, dass das der Sache Europas guttut. Das alles ist jetzt ein bisschen im Wiglwagl, niemand weiß, ob am Ende die Abstimmungen der Tschechen, der Polen, der Briten – da sind die kritischsten Abstimmungen – gut ausgehen werden. Niemand kann sich eigentlich darauf vorbereiten. Niemand weiß die Antwort auf die Fragen: Kommt jetzt der Auswärtige Dienst Europas? Kommt jetzt der Europäische Außen­minister und Vizepräsident der Kommission oder nicht!

Das ist, finde ich, eigentlich eine ganz schlechte Lösung, die da jetzt läuft. Daher ein Ja zu einer europäischen Volksabstimmung, die alle EU-Mitgliedstaaten in einem verdich­teten Zeitraum machen. Es muss nicht am gleichen Tag sein, aber vielleicht während einer Woche oder eines Monats.

Ich habe auch die Anregung gemacht: Versuchen wir doch wenigstens die Debatte darüber zu führen, ob man nicht die nationalen Referenden verkürzen kann, nämlich in ihrer Gesamtdauer! Kann man das, statt auf 20 Monate auszudehnen, auf ein Viertel­jahr oder ein halbes Jahr zusammendrängen? Bisher gab es darauf keine Reaktion.

Wie gesagt, das halte ich für schlecht. Ich habe es drei Mal angesprochen. Das ist meine Position, und ich denke, dass sie auch wirklich gut begründet werden kann.

Die dritte Frage bezog sich auf die Kampfeinsätze. – Da darf ich auch jetzt wieder sagen: Bleiben wir doch bei dem, was wir außer Streit gestellt haben! Wir haben vor vielen Jahren – das war noch in der großen Koalition – mit dem Vertrag von Amster­dam die Möglichkeit geschaffen, so genannte Petersberg-Aufgaben, nämlich humani­täre Einsätze, Krisenmanagement, friedenssichernde und friedenschaffende Einsätze, durchzuführen. Diese vier Punkte waren völlig außer Streit – bei den Sozialdemokra­ten, bei den Freiheitlichen, bei den Grünen, bei uns.

Jetzt wird plötzlich – und Sie haben es auch gemacht – von Kampfeinsätzen gespro­chen und gesagt, das sei ein Neutralitätsthema. Darf ich sehr offen sagen: Das sehe ich wirklich anders! Wenn die Europäische Union als Leuchtturm des Friedens und der Menschenrechte in der Welt eine Rolle spielen soll, dann müssen wir handlungsfähig sein. Das ist ja nichts anderes als die Umsetzung der Petersberg-Aufgaben. Da ist nicht ein Millimeter mehr dazugekommen.

Es ist für mich völlig selbstverständlich, dass die Europäische Union immer auf der Basis des Völkerrechts und der UNO-Charta entscheiden kann und muss. Nur: Eines sage ich auch dazu – nehmen wir das Beispiel Balkan, Unruhen im Kosovo –: Ich kann doch nicht die Entscheidung, ob Europa überhaupt etwas tun soll, davon abhängig machen, ob Russland oder China im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Dau­men hinauf oder hinunter hebt.


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Mit Verlaub – in diesem Kreis darf ich das ja sagen –, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist ja keine Menschenrechtsinstanz! Das ist ein Interessensgremium, in dem ausschließlich oder in vielen Fällen nationale Interessen mit Vetodrohung von fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern vertreten werden. Es ist daher überhaupt kein Problem, dass wir als Basis das Völkerrecht, die OSZE-Charta, die UNO-Charta und natürlich das Handeln und die Beschlussfassung der Europäischen Union dem zugrunde legen. Aber es muss uns klar sein, dass wir jetzt überhaupt nichts anderes machen, als die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, ob wir über­haupt in einem spezifischen Fall, der noch zu definieren sein wird und wo wir dann national zu entscheiden haben werden, ob wir das überhaupt machen, ob wir an dieser Geschichte teilnehmen, mitmachen. – Das ist der Punkt!

Ich sehe das ja schon kommen: Jetzt fangen alle oder manche an, über Kampfeinsätze zu philosophieren, Afrikadiskussionen zu führen. Vor einigen Wochen hat es noch ge­heißen: Wir brauchen einen europäischen Verteidigungsminister und eine europäische Armee! – Sehr unrealistische Perspektiven, würde ich zunächst einmal annehmen. Ich schließe es nicht aus, aber dass das morgen kommt, glaubt wirklich niemand.

Aber das, was jetzt notwendig ist, der nächste Schritt, den stellen wir jetzt schon wieder mit Argumenten in Frage, was ich persönlich für falsch halte. Wenn wir wollen, dass Europa im Interesse des Friedens und der Menschenrechte handelt, dann müs­sen wir jetzt den nächsten Schritt machen und dürfen nicht diskutieren, was in 10 oder in 20 Jahren sein wird. So würde ich meine Position hier beschreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage des Austausches: Das halte ich für einen ganz wichtigen Gedanken, denn da ist auch sehr viel in Bewegung gekommen. Seit wir bei der Europäischen Union da­bei sind – in fünf Wochen jährt sich zum zehnten Mal der Beitritt – haben 50 000 Schü­ler und Studenten Österreichs an diesen Programmen teilgenommen. Meine Tochter auch. Sie war vor vielen Jahren Psychologiestudentin und war ein Jahr in Barcelona. Das ist faszinierend! Das muss man auch weiterführen, das muss man ausdehnen. Wir sind jetzt zum Beispiel dabei, auch zu überlegen, ob man nicht auch noch Stipendien­programme eigenständig, national entwickeln soll.

Unlängst hat die Anglo American, die ja in Österreich ein großer Eigentümer der Papierindustrie ist – neben Frantschacher und Neusiedler AG – als Einstandsgeschenk dafür, dass sie das globale Headquarter nach Österreich legt, und zwar mit 5 Milliar­den € Jahresumsatz, zusätzlich noch ein Stipendium, eine Stiftung von 2,5 Millionen € eingebracht, damit Studenten aus Afrika und aus Asien in Österreich studieren können. Ich glaube, da sind viele Dinge in Bewegung gekommen, die absolut sinnvoll sind.

Ich sage jetzt auch meine Meinung zu den Punkten Europa, Identität, nationale Identi­tät und Österreich. – Ich darf ganz offen sagen: Warum soll man jetzt mit Gewalt die europäische Karte gegen die nationalen, in diesem Fall österreichischen, Interessen gegeneinander ausspielen? Ich persönlich sehe das so – und das ist meine wirkliche Überzeugung, dafür werbe ich auch –: Es ist in unserem Interesse, wenn Europa funktioniert!

Das ist meine Erfahrung, ich habe die Zeiten erlebt, in denen wir draußen gestanden sind. In Wahrheit ist erst mit Josef Klaus 1968 und mit Kreisky 1972, mit der Unter­schrift unter den EWG-Vertrag, überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen worden, dass wir wirtschaftlich an einem – damals noch unvollendeten – Binnenmarkt teil­nehmen. Wir sind doch, bitte sehr, in Wahrheit 20 Jahre lang draußen vor der Tür gestanden. Es kann doch nicht unser nationales Interesse sein, da künstlich einen Gegensatz: hie Europa und hie Österreich! aufzubauen.


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Alles, was dort geschieht – nehmt alles nur in allem –, ist in unserem Interesse: die Erweiterung der Union, dass wir vom Rand ins Zentrum rücken, die wirtschaftlichen Dinge. Einer der Redner hier hat die Exporte angesprochen. Wir haben seit dem EU-Beitritt unsere Exporte um 50 Prozent gesteigert. Wissen Sie, was das heißt, und zwar auch für die Arbeitsplätze hier? – Dass wir alleine durch diese Dinge in Wahrheit sehr viel für uns bewegt haben.

Ich stelle die These auf – ich kann es jetzt nicht ökonomisch-wissenschaftlich unter­mauern, aber ich werde eine Studie in Auftrag geben –, also ich sage hier im Bun­desrat: Ohne die Erweiterung der Europäischen Union und die Wohlstandsvorteile für Österreich hätten wir in Wahrheit in den letzten drei Jahren kein Wirtschaftswachstum gehabt. Das ist meine tiefe Überzeugung!

Daher bitte ich wirklich, nicht künstlich Gegensätze aufzubauen. Natürlich gibt es Interessensgegensätze, das ist ohnedies klar, beim Transit zum Beispiel, logisch, oder bei der Atomenergie, zu wenig Sicherheitsstandards, okay, da muss man eben weiter­bohren, weiterarbeiten und Bündnispartner suchen, aber insgesamt ist, glaube ich, die Entwicklung des europäischen Projekts absolut in unserem Interesse. Daher bitte ich, keine künstlichen Gegensätze hier aufzubauen.

Jetzt zu den innenpolitischen Fragen. – Entschuldigung! Ich möchte noch die Türkei ansprechen.

Ich bekenne mich dazu, dass die Türkei, wie das ja auch einige Redner gesagt haben, an Europa herangeführt werden muss. Das ist, glaube ich, unbestritten. Die Türkei hat eine bemerkenswerte demokratische – demokratischere – Entwicklung in den letzten Jahren gehabt. Die jetzige Regierung hat mehr für die Europäisierung der Türkei getan als die fünf Regierungen zuvor. Das muss anerkannt werden! Die Menschenrechte, die Sprachenvielfalt, Kurdisch zum Beispiel, Sprach-, Verlagsprogramme – das ist an und für sich auf dem richtigen Weg.

Es ist aber genauso richtig, dass es noch ein langer Weg ist, bis die Türkei jene Maß­stäbe und Standards erfüllt, die für uns selbstverständlich sind. Ich sage das hier auch offen – Sie haben ja zu Recht das Thema „Asylwerber“ angesprochen –: Ganz klar! Wir können doch nicht davon ausgehen, dass ein europäisches Land Asylwerber produ­ziert. Das ist ja denkunmöglich!

Es ist völlig klar, dass wir – die wir uns oft mühsam dafür einsetzen, dass die Kinder­rechte gewahrt werden, kein Missbrauch von Kindern geschieht, die Frauenrechte gewahrt werden, dass Frauen nicht geschlagen oder gegen ihren Willen verheiratet werden – dafür sind, dass dieses Thema in einem Monitoring gesehen werden muss. Wenn heute im Strafgesetz der Türkei immer noch steht, dass zum Beispiel das Zeug­nis eines Mannes gleich viel zählt wie jenes zweier Frauen – also ich bitte um Ent­schuldigung, aber das kann nicht akzeptiert werden! Oder: Es ist zu fordern, dass zum Beispiel ein Jungfräulichkeitstest – das heißt anders im Strafrecht, aber es ist genau das damit gemeint – unmöglich wird. Eine parteiübergreifende Forderung, wie ich meine. Es kann doch niemanden in diesem Hohen Haus geben, der nicht sagt, dass diese Frage ehrlich angesprochen, aufgearbeitet werden muss.

Jetzt kommen wir zu der entscheidenden Frage: Kann man am 17. Dezember Nein zu einem Verhandlungsbeginn sagen? Das ist der entscheidende Punkt! – Da sage ich: Das wäre unfair, denn in Wirklichkeit haben wir alle seit 40 Jahren – aber noch einmal 1999, noch einmal 2002, alles mit Zustimmung eines SPÖ-Kanzlers, mit Zustimmung des Koalitionspartners FPÖ sowie mit Zustimmung des ÖVP-Außenministers und ÖVP-Kanzlers – zugesagt, dass wir zu einem Verhandlungsbeginn bereit sind.


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Worum es meiner Meinung nach geht, ist – und da kann ich jetzt noch keine Lösung anbieten, aber ich werde natürlich gerne beide Kammern darüber informieren –: Ich möchte die Offenheit dieses Prozesses fixiert haben. Es muss gesichert sein, dass das nicht eine Einbahnstraße ist, beziehungsweise , wie Frau Außenministerin Plassnik sagt, es darf nicht ein Förderband ohne Stopptaste sein. Es muss wirklich eine Offen­heit der Optionen ausgesprochen werden.

Da sind wir – ich sage das auch sehr offen und bitte, das nicht zu senden, wenn ich mir das wünschen darf – zum Teil ziemlich allein, denn die meisten verstecken sich hinter dem Busch. Die meisten Länder verstecken sich in Wirklichkeit hinter uns, weil sie wissen, die Österreicher melden sich wenigstens. In der Ratsarbeitsgruppe sind es ausschließlich die österreichischen Beamten, die sich dazu zu Wort melden und ganz genau Punkt für Punkt, Frage für Frage durchgehen. Letzten Montag war unsere Außenministerin zuerst allein, dann erst hat sie der slowakische Außenminister unter­stützt. Das ist also nicht einfach, glauben Sie mir das!

Wir werden natürlich diesen Weg eines klugen Dialogs, aber auch der Behandlung kritischer Fragen weitergehen. Ich hoffe, dass wir uns in diesem Bereich bewähren können. Aber es ist nicht einfach, ich will das hier gar nicht verschweigen, denn sonst entsteht der Eindruck, dass man als Österreicher nur auf den Tisch zu hauen braucht und alle anderen sagen: Na bumm, dass wir nicht auf die gleiche Idee gekommen sind, ist eigentlich verblüffend! – Daher: Es ist schwierig, und es bedarf wirklich klugen Einsatzes, hier etwas weiterzubringen.

Nun zu einigen wenigen innenpolitischen Fragen. Ich will da nicht polemisch sein. Ich bitte, mir nachzusehen, dass ich manchmal diesen Eindruck erwecke, aber das ist so, weil ich ganz gerne diskutiere. Es ist nicht böse gemeint.

Wissen Sie, was mich in der Pensionsdebatte schmerzt? Ich sage das deshalb, weil ich, obwohl nicht ressortzuständig, unerhört viel Energie und Zeitaufwand darin inves­tiert habe, da ich dieses Projekt für wahnsinnig wichtig halte. Ich bin 23 Runden – auch Samstage, Sonntage, Nächte – mit den Sozialpartnern zusammengesessen. Das hätte ich nicht gemacht, wenn ich dann nachher als Eismonster hätte dargestellt werden wol­len oder wenn mir das eh Wurst gewesen wäre und ich nur hätte „drüberfahren“ wollen. Nein! Ich habe mich wirklich bemüht, alle Sozialpartner an Bord zu bekommen.

Glauben Sie mir noch etwas: Ich würde auch lieber als ein Bundeskanzler dastehen, der überhaupt nichts kürzen muss, der die wohlerworbenen Rechte für die nächsten hundert Jahre garantiert. Nur: Es geht nicht! Ich sage das wirklich sehr offen: Es geht nicht!

Auch frühere, sozialdemokratische Bundeskanzler haben einiges in dieser Richtung versucht. Viktor Klima, der heute von der SPÖ bisweilen gar nicht gerne erwähnt wird, hat einiges auf diesem Gebiet versucht, er ist aber 1997 von den eigenen sozialdemo­kratischen Gewerkschaftern ziemlich brutal eingebremst worden. Ich sage Ihnen: Das war ein Pyrrhussieg!

Es wäre richtiger gewesen, im Jahre 1997 eine für den damaligen Zeitpunkt noch maßvollere Reform beziehungsweise eine Reform mit längeren Übergangsfristen zu konzipieren als einfach zu sagen: Nein, das verhindern wir!, was gelungen ist, denn es ist dann de facto nichts passiert. Im Gegenteil: Es ist damals sogar noch eine Aufwer­tung der Jahre von 1,78 auf 2 Prozent erfolgt! Völlig unnötig, bitte! Ein schwerer Fehler! Deswegen rege ich mich auf. Ich lasse mir nämlich nicht vorwerfen, dass das, weil wir nach drei Jahren wieder auf den jährlichen Faktor 1,78 Prozent zurückgehen, eine Kür­zung gegenüber 2 Prozent mal 45, also 90 Prozent, wie man es mir vorgerechnet hat, wäre. Das ist bitte intellektuell nicht redlich! Das müssen Sie mir attestieren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich möchte da noch einen zweiten Punkt ansprechen – und ich will das einfach mit Ihnen ausdiskutieren, denn Parlament kommt ja von parlare/reden, hier soll der Austra­gungsort der besten Argumente sein, und die Bevölkerung macht sich dann ihr Bild davon.

Warum ich mich über diese Kürzungsbeispiele so aufrege, hat folgenden Grund: Ich war – das können alle Teilnehmer dieser Verhandlungen bestätigen – immer skeptisch bezüglich des Korridors. Ich habe immer gesagt: Bitte, warum wollt ihr Sozialpartner diesen Korridor? Jetzt haben wir mühsam das Auslaufen der Frühpension vereinbart, in Wirklichkeit müssen wir ja das Frauenpensionsalter auch noch anheben! – Es waren vor allem die Gewerkschafter und die Arbeiterkammer, aber auch Christoph Leitl von der Wirtschaftskammer, der gemeint hat, die Schweden hätten auch versicherungs­mathematische Abschläge; Christoph Leitl war für 6 Prozent, Gewerkschaft und Arbei­terkammer für 4 Prozent, die Einigung lautete auf 4,2 Prozent. Das war der Vorschlag der Sozialpartner!

Da sage ich jetzt dazu: Dann lasse ich mir aber nicht eine Kürzung, vorgenommen durch mich oder durch die Bundesregierung, vorwerfen, denn man hat – und das muss ich auch dazusagen –, wenn man mit 65 Jahren in Pension geht, als durchschnittlicher männlicher Angestellter eine durchschnittliche Pension von rund 300 000 €, und dieser Angestellte entscheidet jetzt freiwillig in der Frage: Gehe ich in den Korridor oder nicht?

Wenn er in den Korridor geht, dann hat er genau so viel, nämlich 300 00 € Pension, wie wenn er mit 65 Jahren ginge, nur werden diese 300 000 € dann nicht auf 18 Jahre, sondern auf 21 Jahre verteilt, also auf drei Jahre mehr. Das heißt, er verteilt mit seiner freiwilligen Entscheidung die Pension auf einen um drei Jahre längeren Zeitraum. Die Pension wird nicht gekürzt, meine Damen und Herren! Die Pension bleibt gleich, sie ist in Wahrheit – aber das ist ein Detail – sogar um 1,5 Prozent höher, weil ja das 13. und 14. Monatsgehalt drei Mal öfter dazukommt. Sie ist also sogar leicht höher. Aber las­sen wir diese Details beiseite!

In Wahrheit ist das keine Pensionskürzung! Alle Beispiele, die öffentlich publiziert wor­den sind, sind Korridorbeispiele. Daher muss ich sagen: Diese zwei Dinge, nämlich die Wiedereinführung der 1,78 Prozent und dieser Korridor, sind genau die Punkte, um die es geht. Deswegen sage ich: In Wahrheit waren wir ja ... (Bundesrat Reisenberger: Herr Bundeskanzler, mit Verlaub: Das stimmt nicht! Eine 32-jährige Frau hat mit dem Korridor nichts zu tun! Das ist eines der Beispiele, die wir gebracht haben!) – Nein, aber eine 32-jährige Frau ... (Bundesrat Reisenberger: Das haben Sie gerade ge­sagt!) – Okay, ja! (Zwischenrufe bei der ÖVP in Richtung SPÖ.)

Aber, Herr Bundesrat, auch in Ihrem Konzept – und glauben Sie mir, ich habe das ge­nau so sorgfältig gelesen wie Sie und alle anderen hier – steht: Das Frauenpensions­alter ist für eine 32-jährige Frau am Ende 65 Jahre. Sie wissen genau so gut wie ich, dass wir die lebenslange Durchrechnung enthalten haben und das natürlich einen Un­terschied gegenüber den heute 15 oder 16 Jahren Berechnungsgrundlage ausmacht.

Da besteht also kein Unterschied, in Ihrem Konzept steht diesbezüglich genau das Gleiche wie bei uns. Die Einigung auf die Aufwertung der Kindererziehungszeiten war konsensual mit den Sozialpartnern, da gab es nicht einmal ein Blattl Löschpapier zwi­schen uns. In Wirklichkeit ... (Bundesrat Reisenberger: ... die Rechnungen sind kor­rekt! Das sind nicht nur Korridorgeschichten! Für 2003 muss man berücksichtigen ...!) – Ja, und 2003 erfolgte nichts anderes als zurück zu 1,78 Prozent statt 2 Prozent sowie das langsame Auslaufen der Frühpension.

Man kann natürlich noch immer unterschiedlicher Meinung darüber sein – das ist ja unbestritten –, aber es ist nicht fair, es ist intellektuell nicht fair und nicht redlich, den Menschen dann die Taferln hinzuhalten und zu sagen: Ihr verliert 20 Prozent (Bundes-


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rat Reisenberger: Das ist die Realität!), und das hängt meistens alles mit dem Korridor zusammen!

Deswegen frage ich persönlich auch wiederum: Worin besteht diese Reform? – Hätten wir im Jahre 2003 und jetzt, im Jahre 2004, nichts getan, dann stiegen die Kosten für die Pensionen von heute 12 Prozent auf 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an.

Dann möchte ich gerne wissen: Wenn wir nichts getan hätten, wo dachten Sie diese 3 Prozent des BIP abzuzwicken? – Das ist viel Geld, bitte! Unsere Reform 2003/04 bedeutet in Wirklichkeit auch keine Kürzung, sondern sie bedeutet, dass der Pensions­aufwand von 12 Prozent langsam auf 12,5 Prozent steigen wird. Das ist alles! (Präsi­dentin Haselbach übernimmt wieder den Vorsitz.)

Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist soziale Kälte, das ist Willkür. – Okay, das kann man ausdiskutieren, ich halte das schon aus. Aber ich glaube, wer A sagt, muss auch B sagen. Sie können nicht hier am Rednerpult sagen, es sei eigentlich unsozial, dass wir in der Verwaltung sparen, weil damit weniger junge Leute Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung bekämen – das ist natürlich richtig –, und gleichzeitig sagen, dass wir zu wenig Geld für Forschung und Bildung, für dieses und jenes, etwa für die Infrastruktur, ausgeben würden – und dann auch noch darauf beharren, dass man 3 Prozent über die Jahre hinweg mehr für die Pensionen ausgibt, während von Ihnen gleichzeitig auch beklagt wird, dass wir kein Nulldefizit haben. Freunde, das geht sich nicht aus!

Da ist ganz egal, wer regiert. (Bundesrat Reisenberger: Das Nulldefizit kommt aber eh nicht von uns!) – Nein. Aber das ist der Kern der Auseinandersetzung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Letzter Punkt, weil einige Male der Begriff „neoliberal“ gekommen ist. In einem Leit­artikel in der „Presse“, glaube ich, war dieser Tage zu lesen: Wie neoliberal ist diese Bundesregierung?

Ehrlich gesagt, mit den Dingen, die wir gemacht haben, vom Kindergeld angefangen, über das Pflegegeld und die Familienhospizkarenz bis hin zur Aufwertung von Kinder­erziehungszeiten und all diesen Sachen – bitte, das als neoliberal zu bezeichnen, ist grotesk! Friedrich August von Hayek würde wie ein Propeller im Grab rotieren, würde man ihm diese Politik als „neoliberal“ unterjubeln.

Wir machen eine ganz typische Mischpolitik, eine soziale, ökosoziale Marktwirtschaft, und damit sind wir eigentlich nie schlecht gefahren. Dabei sollte es nach meiner Über­zeugung bleiben. So will ich es auch handhaben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass wir dabei jetzt auch noch die Abgabenquote in Österreich deutlich senken kön­nen, muss man auch immer wieder in die so genannten Belastungen mit einrechnen. Wir liegen heuer schon deutlich unter dem Niveau der Abgabenquote des Jahres 1999, und dieser Wert wird in den Jahren 2005 und 2006 praktisch auf 40 Prozent, 41 Pro­zent sinken. Also, das sind wirklich gute Werte, die die Bürger natürlich auch spüren.

Allerletzter Punkt, und zwar an die Adresse des Bundesrates Gumplmaier. Wissen Sie, was mir weh getan hat? – Es war Ihr Satz über die Auslandsreisen der Außenminis­terin, den ich nicht für fair halte.

Natürlich kann ich mit allen Dingen negative Propaganda machen. Aber darf ich ehrlich fragen: Wie stellen Sie sich vor, dass wir Außenpolitik machen sollen? Glauben Sie, dass das mit Telefonkonferenzen vom Ballhausplatz genügt? Ich muss doch hinaus­fahren, ich muss präsent sein, ich muss vor Ort da sein.


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Warum werfen Sie Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner vor, dass sie international präsent gewesen ist? Es ist doch eine Schmach für eine Partei, die selber Außenminister, Bundeskanzler gestellt hat, dass man auf diese Niveau heruntergeht.

Seien wir doch froh, dass wir international präsent sind! Seien wir stolz darauf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Seien wir stolz darauf, dass sich Benita übrigens an praktisch allen Konfliktpunkten der Welt gezeigt hat! Dann darf man ihr aber andererseits nicht vorwerfen, dass sie Zeit und Energie und Kraft einsetzt – und das auch etwas kostet. Bitte, ein Vergnügen – darf ich das offen sagen? –, ein besonderes Vergnügen ist es nicht, von der Ukraine bis Inguschetien, vom Kaukasus bis Nepal, von Südamerika bis Kanada oder in Bos­nien rund um die Uhr unterwegs zu sein!

Wir sollten uns selber und unsere Arbeit ernst nehmen! Wenn der Bundesrat eine Delegation schickt, finde ich das absolut gut und notwendig. Da könnten auch ein paar auf die Idee kommen, zu fragen, was das kostet und ob das eigentlich gerechtfertigt ist. Ich sage, wir sollten mehr in diese internationalen Kontakte investieren.

So schlecht ist die österreichische Außenpolitik meiner Ansicht nach nie gewesen, dass man sich dafür genieren müsste. Das hat nicht erst mit Bruno Kreisky begonnen, das war schon vorher so. Aber auch Bruno Kreisky hat da Erstklassiges geleistet, Benita genauso, und Ursula Plassnik wird es ebenso machen.

Wir sollten uns in dieser Frage gegenseitig mehr achten – das wäre eine letzte Bitte –, dann tun wir uns, glaube ich, auch leichter! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

13.35

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (619 d.B. und 656 d.B. sowie 7146/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Novem­ber 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965, das Bun­desbahn-Pensionsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


13.37

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Bei dieser Novelle geht es um die Art der Berechnung der Witwen- und Witwerpensionen im öffentlichen Dienst. Betroffen von dieser Adaptierung sind – das haben wir schon gehört – das Pensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bezügegesetz und das Bundestheaterpensionsgesetz.

Drei Punkte, warum wir dieser Novelle nicht zustimmen können:

Erstens wird beim Vergleich der beiden Einkommen nur das Erwerbseinkommen herangezogen, nicht das Gesamteinkommen. Das heißt, wenn jemand Einnahmen aus Verpachtung, Vermietung oder Zinsen hat, so wird das nicht berücksichtigt. Hingegen wird, wenn man das Erwerbseinkommen der beiden Partner vergleicht und der, der früher verstirbt, weniger verdient hat, anderes nicht berücksichtigt.

Zweitens: Für die Berechnung ist nur ein zweijähriger Zeitraum vor dem Tod aus­schlaggebend. Unser Vorschlag wäre, eine längere Bemessung des Zeitraumes, in etwa die besten zwölf Jahre, für den Vergleich heranzuziehen.

Dritter Punkt: Ein weiterer Grund ist, dass sowohl die Arbeitslosensversicherung, die Krankenversicherung und auch die Unfallversicherung netto in die Vergleichsberech­nung einbezogen werden, aber leider nicht mit der Bemessungsgrundlage, sodass die unterschiedlichen Regelungen eine Verschlechterung für den sozial schlechter gestell­ten Partner bedeutet.

Dieser Novelle, die genauso wenig fair und gerecht ist wie Ihre so oft schon zitierte Pensionsharmonisierung, können wir leider nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.39

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.39

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Diese Neuregelung in dieser Gesetzesnovelle hat eine große Arbeits­gruppe aus dem Sozialbereich vorgenommen. Reformen sind immer – Sie wissen es selbst – mit Schwierigkeiten verbunden und bringen gewöhnlich auch für denjenigen, der Reformen macht, keine großen Vorteile. Es braucht also dazu Mut, und es braucht viel Einfallsreichtum.

Die Lösungsvorschläge waren notwendig, um die Erkenntnisse des Verfassungsge­richtshofes zu verwirklichen, um den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes zu entsprechen.

Bei der Novellierung handelt es sich um verhältnismäßig wenig Nachbesserungen oder zumindest nicht so gravierende Nachbesserungen. Sie bringt den Betreffenden kaum Nachteile. Das ist immer wieder betont worden, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt.


Bundesrat
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Für mich ist noch etwas ein ganz wesentlicher Punkt, weshalb man zu dieser Geset­zesnovelle mit gutem Gewissen ja sagen kann. Fritz Neugebauer – und das ist wirklich einer der hellsten Köpfe im Nationalrat und ein guter Vertreter der Arbeitnehmer – hat zu diesem Gesetz auch ja gesagt. (Bundesrat Binna: Einer der besten Umfaller im Nationalrat!) Ich meine, man kann daher mit Fug und Recht die Bitte aussprechen, dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung zu geben.

13.40

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.41

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich werde mich zu diesem Verhandlungspunkt kurz fassen, denn eigentlich haben wir genau diese Regelung, allerdings damals bei der Änderung im ASVG, schon einmal diskutiert.

Wir, die Grünen, haben damals nicht zugestimmt und werden das auch diesmal nicht tun, vor allem deshalb nicht, weil die Änderung, die jetzt vorgenommen worden ist, nämlich dass der Vergleich des tatsächlichen Einkommens der letzten zwei Jahre als Grundlage für diese Berechnung herangezogen wird, unserer Meinung nach – wie auch schon bei der Änderung im ASVG – nicht wirklich der Kritik des Verfassungsge­richtshofes entspricht. Der hat nämlich kritisiert, dass die Berechnungsgrundlage die tatsächliche Versorgungslage der Betroffenen in vielen Fällen nicht widerspiegelt. Das ist auch durch die jetzt vorgenommene Änderung unserer Meinung nach nicht der Fall, und aus diesem Grund werden wir, wie schon letztes Mal, auch dieses Mal nicht zustimmen. – Vielen Dank.

13.42

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung. (Einige Bundesräte auf ÖVP-Seite stehen neben den Bankreihen.) – Ich bitte, die Plätze einzunehmen! Sie wissen, das Abstimmen geht nur vom eigenen Platz aus.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. (Einige ÖVP-Bundesräte haben noch immer nicht ihre Plätze eingenom­men.) – Bitte, im Stehen geht das nicht; bei allem, was recht ist.

Die Mehrheit scheint mir trotzdem gegeben zu sein, aber ich würde in diesem Fall vorschlagen, dass die Stimmen ausgezählt werden. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Herr Kollege, Sie sind ja nicht gesessen, also bitte, es wird so abgestimmt wie immer. (Bun­desrat Mag. Gudenus betritt mit erhobenem rechtem Arm den Sitzungssaal. – Allge­meine Heiterkeit.) – Herr Kollege Gudenus! Das trägt zwar zur Heiterkeit bei, aber ich würde Sie bitten, die Geschäftsordnung zu beachten.

28 : 24 – das ist die Mehrheit und damit angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Emissionszertifikategesetz, BGBl. I Nr. 46/2004, geändert wird (624 d.B. und 658 d.B. sowie 7147/BR d.B.)

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 78

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Bogensperger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Emis­sionszertifikategesetz, BGBl I Nr. 46/2004, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


13.45

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das Emissionszer­tifikategesetz wurde im Nationalrat vor knapp sieben Monaten von den Regierungspar­teien beschlossen. Jetzt wird es auf Grund einer Entscheidung der Europäischen Kom­mission novelliert. Ich persönlich bin schon sehr neugierig, wie die „Haltbarkeit“ dieser Novelle aussehen wird beziehungsweise wann die nächste Reparatur erforderlich sein wird.

Mein Kritikpunkt gilt vor allem der Tatsache, dass diese Novelle weder etwas am Geist des Gesetzes ändern noch etwas mit der Verbesserung der Klimasituation zu tun haben wird.

Wie den Verpflichtungen bis zum Jahr 2010 nachgekommen werden wird, habe ich von der Regierung bisher noch nicht gehört. Wir sind weiter denn je von der Erfüllung des Kyoto-Zieles entfernt. Ein unglaublich wertvoller Beitrag zum Klimaschutz wäre laut Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstitutes zum Beispiel die Althaussanierung. Wir könnten damit zwei Fliegen auf einen Schlag treffen, es wären nämlich auch 2 500 Jahresarbeitsplätze damit verbunden.

Ich halte diese Novelle nicht – von der Regierung als solche bezeichnet – für eine Korrektur. Mit Sicherheit nicht! Vieles hätte in diese Novelle verpackt werden können, wenn man gewollt hätte. Das wurde jedoch verabsäumt.

Ich erinnere an die siebziger Jahre, damals war Österreich in Belangen des Umwelt­schutzes absoluter Vorreiter in Europa. Jetzt sind wir ins Mittelfeld abgerutscht, aus der Vorreiterrolle wurde nun eine mittlere Position. – Das ist aus meiner Sicht die falsche Umweltpolitik.

Bei den CO2-Emissionen haben wir die prinzipiellen Fehler nicht behoben. Die Industrie wird sich nicht anschicken, wesentliche Verringerungen bei den Emissionen zu unter­nehmen. Diese Novelle trägt wirklich nicht dazu bei, die Unternehmer zu langfristigen umweltfreundlichen Investitionen zu animieren. Schon im Emissionszertifikategesetz fehlen entsprechende Anreize dazu.


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Den Emissionshandel, der immer als positiv dargestellt wird, kann man auch als Frei­kauf verstehen. Das bedeutet, dass man durch diesen Freikauf in Wahrheit Emissions­handel betreibt, weshalb durch diese Novelle tatsächlich nichts bewirkt wird. Die CO2-Emissionen der Industrie werden mehr statt weniger.

Ein mit den Ländern akkordierter und ausfinanzierter neuer Klimaschutzplan fehlt. Wenn wir diese Politik weiterverfolgen, dann verfehlen wir das Reduktionsziel um 80 Prozent. Das bedeutet weiters, dass die Österreicherinnen und Österreicher von den zirka 200 Millionen €, die wir dafür ausgeben und die von ihnen aufgebracht wer­den müssen, nichts haben. Für mich ist die beste Umweltschutzinvestition jene, die im eigenen Land stattfindet.

Wir sollten viel mehr unser Augenmerk auf den Straßenverkehr richten, denn schließ­lich war der Straßenverkehr im Jahr 2002 für 23,6 Prozent der Emissionen verantwort­lich und ist damit der größte Einzelverursacher an Treibhausgasen.

Dieses Gesetz verdient mitsamt dieser Novellierung nicht mehr als ein Nichtgenügend, daher wird ihm meine Fraktion auch nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.49

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Bitte.

 


13.49

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Mit der Änderung des Emissionszertifikategeset­zes, das in zwei kleinen Teilbereichen novelliert wird, wird meiner Meinung nach ein wesentlicher Schritt in der Klimastrategie vollendet.

Im Kyoto-Vertrag hat sich Österreich im Rahmen der EU-internen Lastenaufteilung ver­pflichtet, im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber dem Basisjahr 1990 den CO2-Ausstoß um 13 Prozent zu reduzieren. Der Emissionshandel stellt eine der in der österreichi­schen Klimastrategie vorgesehenen Maßnahmen zur Erreichung des Kyoto-Zieles dar.

Es wurde bereits eine Vielzahl von Maßnahmen gesetzt. So wurde jüngst im Minister­rat beschlossen, dass die Beimischung von nachwachsenden Rohstoffen zu fossilen Energieträgern gefördert werden soll, wodurch die Verkehrsemissionen – wo zweifels­ohne Handlungsbedarf besteht – um 1 Million Tonnen CO2 reduziert werden können.

Auch dem Budget, das Ihnen allen vorliegt und bekannt ist, entnehme ich, dass die Gesamtsumme für Klimastrategiemaßnahmen von 2004 auf 2005 verdoppelt wurde.

Was das Jammern im Zusammenhang mit der Althaussanierung betrifft, verstehe ich nicht ganz. Meines Wissens ist es Ländersache, wie man die Wohnbauförderung vergibt. Also verstehe ich nicht, warum Sie das beim Bund, bei einem Bundesgesetz reklamieren, Herr Kollege Giefing!

Ich habe nur die niederösterreichische Entwicklung des Wohnbauförderungsgesetzes im Kopf, leider nicht die der anderen Länder, und ich kann sagen, dass in Nieder­österreich mit 1. Jänner 2004 der so genannte Energieausweis eingeführt wurde. Das heißt, je mehr bei der Sanierung des Hauses in energiesparende Maßnahmen investiert wird, umso höher ist die Förderung. Das Verhältnis Neubau zu Sanierung liegt bei 40 : 60, und daraus können Sie entnehmen, dass die Althaussanierung mit energiesparenden Maßnahmen durch die erhöhte Förderung sehr wohl greift. Daher ist für mich dieses Ihr Argument, Herr Kollege Giefing, nicht nachvollziehbar.

Wir haben heute zu Beginn der Sitzung auch über den Ausbau von Schiene und Straße gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen: Auch in Niederösterreich sind die Bud-


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getmittel für den Ausbau der Schiene höher als für den Ausbau der Straße. – Bitte nachlesen!

Da sich die Luftverschmutzung nicht von Grenzen aufhalten lässt, ist es zwar sehr er­freulich, dass man sich in Russland endlich dazu aufraffen konnte, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, aber im selben Maße ist es bedauerlich, dass sich die USA, China und Australien zu diesem wichtigen Schritt leider immer noch nicht bewegen ließen.

Als Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Zieles hat die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten das Europäische Klimaschutzprogramm er­stellt, das gemeinschaftliche Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in allen Bereichen vorsieht. Im Rahmen dieses Programms wurde die Richtlinie über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen. Durch das gemeinschaftliche System soll es den am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen ermöglicht werden, auf kosteneffiziente Weise zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beizu­tragen. Es wird auch möglich sein, Zertifikate von Projekten im Ausland für die Abgeltung von Emissionen im Emissionshandelsystem zu verwenden.

Die Europäische Kommission hat bei der Prüfung des österreichischen Zuteilungs­planes festgestellt, dass die Regelung, die den Transfer von Emissionszertifikaten von stillgelegten Anlagen auf bestehende Anlagen desselben Inhabers erlaubt, mit der Richtlinie unvereinbar ist. Es wurde dem Zuteilungsplan mit der Auflage zugestimmt, dass diese Regelung beseitigt wird.

Im Vollzug des Emissionszertifikategesetzes haben sich vor allem hinsichtlich des Genehmigungsverfahrens einige Bestimmungen in der Praxis als überarbeitungsnot­wendig herausgestellt. Das betrifft vor allem Klarstellungen im Genehmigungsverfahren und bei den Kosten für die Zulassung als unabhängige Prüfeinrichtungen.

Durch das EZG wird ein Anreiz geschaffen, in abgasarme Produktionsmethoden zu investieren. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, weshalb mein Vorredner dies in Zweifel ziehen konnte. Ich finde schon, dass es ein Anreiz ist.

Ziel ist, damit einerseits dem Klimawandel Einhalt zu gebieten und andererseits das Wirtschaftswachstum nicht zu behindern. Ich bitte Sie daher auch um Ihre Zustimmung zur Abänderung, zur Novellierung des Emissionszertifikategesetzes. (Beifall bei der ÖVP.)

13.54

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


13.54

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Emissionszertifikate­gesetz hat bei uns Grünen die Hoffnung geweckt, dass man tatsächlich eine ökono­misch und ökologisch effiziente Form der Umweltpolitik findet und diese auch verfolgt. Leider ist das in dieser Form nicht eingetreten.

Es gibt einige wesentliche Gründe dafür, dass wir diesem Gesetz nicht haben zustim­men können und in weiterer Folge auch dieser Novellierung nicht zustimmen können, die heute hier zur Beschlussfassung ansteht.

Ein wichtiges Argument für uns ist, dass Reduktionsziele nicht gesetzlich verankert wurden. Außerdem macht für uns der von Ihnen, Frau Roth-Halvax, so gelobte interna­tionale Emissionshandel nur sehr beschränkt Sinn. Wir hätten uns auch diesbezüglich


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eine Einschränkung, eine klare Regelung gewünscht, um tatsächlich ein effizientes Instrumentarium in Europa zu haben.

Ein wesentlicher Kritikpunkt ist weiters, dass man bei den Zuteilungskriterien Wachs­tumsklauseln eingeführt hat, was in der Gesamtklimastrategie nicht wirklich hilfreich ist.

Herr Minister! Wir werden alle, im Besonderen wahrscheinlich Sie, sehr überrascht sein, wenn Österreich das Kyoto-Ziel tatsächlich erreicht. Wir erwarten – und ich nehme an auch Sie, zumindest angesichts der Handlungen, die Sie setzen, dürfen Sie damit rechnen –, dass Sie es nicht einhalten können. Des Weiteren meinen wir auch, dass die Versteigerung der Zertifikate in dieser Form zwischen 2005 und 2007, also in der ersten Phase, nicht möglich sein wird.

All diese Punkte haben dazu geführt, dass man ein sehr verwässertes und wenig effizi­entes und effektives Instrumentarium in die österreichische Umweltpolitik, in die öster­reichische Klimaschutzpolitik implementiert hat.

Für mich als Ökonomin und als Oberösterreicherin kommt in diesem Zusammenhang auch immer das Thema „Ökostrom“, Herr Bundesminister, hinzu. Wir haben das Thema „Ökostrom“ schon mehrmals hier im Bundesrat diskutiert, und ich gehe davon aus, dass Sie alle die diesbezüglichen Mängel kennen, und daher kommt heute von mir folgende Aufforderung an die sozialdemokratische Fraktion – die Verhandlungen zwischen Schwarz und Rot sind, so scheint es, so weit gediehen, dass ein Abschluss vor der Tür steht, dass der Beschluss tatsächlich mit der erforderlichen Zweidrittel­mehrheit gefasst werden kann –: Lassen Sie sich nicht auf diesen Handel ein!

Es ist dem gesamten Wirtschaftsbereich, der auf dem Ökostromsektor angesiedelt ist, nicht zuträglich, es ist auch dem Klimaschutz nicht zuträglich, daher die Bitte einerseits an die Bundesregierung, Herr Bundesminister, andererseits auch an die Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, dieses Gesetz nicht in dieser Form zu beschließen, sondern an dem alten Ökostromgesetz festzuhalten beziehungsweise dieses mit den entsprechenden Effizienzsteigerungskriterien auszustatten, über die man, so denke ich, durchaus reden kann und natürlich auch reden sollte! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.59

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.59

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es ist mir vorhin aufgefallen: Als Sie, Herr Bundesminister, den Raum betreten haben, hat gerade Frau Lichtenecker gesprochen, und als sie gesagt hat, Minister Pröll wäre auch gleich angesprochen, haben Sie fluchtartig den Raum verlassen, als Sie dann hereingekommen sind, haben komischerweise die Bundesräte von der ÖVP den Raum verlassen, wahrscheinlich zum Mittagessen. – Das würde mir zu denken geben. (Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll: Hauptsache Sie sind da!) Ja, das ist wichtig, ich weiß. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Dann sollten Sie vielleicht nicht Mittagessen gehen.

Ich habe schon im Jahr 1994 auf Grund des bevorstehenden Beitritts Österreichs zur Europäischen Union Bedenken gehabt, dass unsere Umweltstandards durch diesen Beitritt schwerst in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Inzwischen hat mich die Regierung überzeugt: Offensichtlich ist die Europäische Union überhaupt die einzige Möglichkeit, dass es bei uns noch Umweltstandards gibt, denn in den letzten Jahren geschieht ja in der österreichischen Umweltpolitik nicht viel mehr, als dass wir EU-Richtlinien umsetzen. Vorreiterrolle ist schon länger keine mehr sichtbar.


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Auch bei der Umsetzung der EU-Richtlinien machen wir prinzipiell eher einen Strich weniger als einen Strich zu viel. Beim Emissionszertifikategesetz war zwar das von der EU kritisierte Stricherl nicht das Wichtigste, aber immerhin geht es doch um den Ex-post-Transfer, also darum, dass man die Zertifikate von stillgelegten Anlagen nur mehr auf neue Anlagen übertragen kann und nicht auf bereits bestehende Anlagen.

Trotz dieser Änderung ist für uns von einem vorbildlichen Gesetz keine Rede. Die gröbsten Mängel – Kollegin Lichtenecker hat sie zum Teil schon aufgezählt –: Die Reduktionsziele sind nicht gesetzlich verankert. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmun­gen, die den internationalen Handel einschränken, und der vereinbarte Zuteilungsplan ist zu großzügig.

Ich frage mich: Warum sind die Reduktionsziele nicht verankert? Haben wir keine Re­duktionsziele? Ist es in Wirklichkeit gar nicht so, dass wir unsere eigenen Emissionen senken wollen? Auch die fehlende Einschränkung des internationalen Handels – das heißt, dass wir offensichtlich darauf bauen, dass wir unsere Kyoto-Ziele nur dadurch erreichen, dass wir heiße Luft mit teurem Geld erkaufen.

Im „Standard“ vom 19. November steht auch schon groß: „Heimische Kooperations­projekte mit Russland im Zuge der Kyoto-Ratifizierung“. Kurz zusammengefasst: Herr Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik der Wirt­schaftskammer Österreich, freut sich sehr darüber, dass Russland jetzt das Kyoto-Protokoll unterschreiben will, weil wir dadurch rund „ein Drittel der sieben Millionen Tonnen CO2, die Österreich aus der Nutzung der flexiblen Kyoto-Mechanismen zur Reduzierung der Treibhausemissionen brauchen werde, ... über den Ankauf russischer Projekte“ erzielen könnten.

Das heißt, der Wirtschaftsminister und die Wirtschaftskammer dürften sich einig sein: Ziel ist nicht die Reduktion der Emissionen, sondern Ziel ist, dass wir unser Kyoto-Ziel vielleicht dadurch erreichen, dass wir Emissionen handeln, dass wir Abschlagszahlun­gen für unsere Emissionen zahlen.

Sie, Herr Umwelt- und Lebensminister – Lebensminister, das habe ich mir extra aufge­schrieben, damit ich es nicht vergesse, denn das hat mir in der letzten Sitzung so gut gefallen –, unterstützen offensichtlich dieses Ziel, dass Abschlagszahlungen in Kauf genommen werden, statt Umweltinvestitionen im eigenen Land zu tätigen.

Sie haben mit dem Wirtschaftsminister einen Zuteilungsplan ausgearbeitet, der es den 205 größten Emittenten erlaubt, mehr CO2 zu emittieren. Sie, Herr Minister, haben sich bei diesem Zuteilungsplan über den Tisch ziehen lassen, das ist jetzt auch durch zwei internationale Studien belegt. (Beifall der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.) Die ersten internationalen Analysen der Zuteilungspläne stellen den Österreichern eher ein schlechtes Zeugnis aus.

Man hat alle Zuteilungspläne im Hinblick auf ihre Tauglichkeit zur Verwirklichung des Kyoto-Protokolls und der EU-Emissionshandelsrichtlinie überprüft. Die Ergebnisse sind: Wir sind europäischer Spitzenreiter – allerdings nur im großzügigen Zuteilen von Emissionszertifikaten. Letztendlich hat nur Portugal den Teilnehmern des Emissions­handels noch mehr Zertifikate zugebilligt.

Dafür ist Österreich im Kyoto-Prozess innerhalb der EU an die letzte Stelle gerutscht. Wir haben laut diesen Studien 18 Prozent Reduktionsbedarf bei den Treibhausgasen. Es steht auch dezidiert drinnen, dass Österreich nicht auf Kyoto-Kurs ist und dass die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans aus realistischer Sicht nicht reichen, um das Kyoto-Ziel zu erreichen.


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Russland wird das Kyoto-Protokoll jetzt unterschreiben, dann fehlen nur noch die USA, aber da werden wir wahrscheinlich warten müssen, bis es dort einen demokratischen Präsidenten gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dass wir in Österreich selbst die Emissionen reduzieren, daran glaubt wohl keiner mehr – wo sollten sie auch reduziert werden? In der Industrie sind durch dieses Gesetz, das haben wir gerade gehört, Zuwächse erlaubt. Im Verkehr garantieren Herr Bundesminister Gorbach, Herr Staatssekretär Kukacka und sein „toller“ Generalver­kehrsplan enorme Zuwächse. Aber selbst durch die Beimischung nachwachsender Rohstoffe, an sich eine tolle Sache, werden wir die Zuwächse im Verkehr insgesamt nicht einmal annähernd ausgleichen können. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Wenn Sie, Frau Roth-Halvax, sagen, auch in Niederösterreich werde mehr in die Schiene als in die Straße investiert, so mag das vielleicht in der Planung so sein, aber finanziert ist dieser Schienenausbau leider noch nicht – im Gegensatz zur Straße.

All das geschieht mit dem Argument, dass wir das für die Wirtschaft tun. Die ÖVP rühmt sich immer, eine Wirtschaftspartei zu sein, nur: Das dient in Wirklichkeit nicht dem Großteil der Wirtschaft, sondern genau diesen 205 größten Emittenten. Dieses Emissionszertifikategesetz dient nicht den viel gerühmten KMUs, nicht der österreichi­schen Tourismuswirtschaft, die sicher mehr Freude hätte, könnte sie Österreich weiter­hin als Umweltmusterland verkaufen. Es dient auch nicht den Betrieben im Bereich der erneuerbaren Energien – die denken jetzt auf Grund Ihres neuen Ökostromgesetzes, auf das Frau Kollegin Lichtenecker schon eingegangen ist, schon sehr häufig an Abwanderung.

Damit bin ich jetzt wieder beim Beginn meiner Ausführungen. Österreich hat sich weit davon entfernt, in Umweltfragen in der EU richtungweisend zu sein – Sie werden mich nicht vom Gegenteil überzeugen können, Herr Minister, fürchte ich. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll.) Und wir werden ohne den Kauf von Emissionszertifikaten wohl kaum das Kyoto-Ziel erreichen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.05

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


14.06

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich habe jetzt nach dieser Bilanz über das Emissionszertifikategesetz den Eindruck, dass oftmals das, was in der Klimaschutzstrategie vorgesehen ist, nämlich ein Mix von Maßnahmen, beliebig vertauscht und verwechselt wird. Verzeihen Sie mir, dass ich das so offen sage.

Das Emissionszertifikategesetz regelt in Österreich die Vorgangsweise eines ökonomi­schen Instruments zur ökologischen Zielerreichung auf Anlagenebene. Das heißt, wie viele Betriebe – es sind in Österreich knapp über 200 Betriebe – bekommen welche Mengen an CO2-Ausstoß zugewiesen. Und innerhalb dieser maximalen Grenzen ist zu wirtschaften.

Wir haben eine lange Diskussion geführt. Natürlich geht es darum, eine Grenze einzu­ziehen, wir haben das getan. Man kann immer darüber streiten, wo die Grenze liegt. Die Europäische Union, die Generaldirektion Umwelt, hat uns als einem der ersten Länder auf Punkt und Beistrich bestätigt, dass wir mit dem Gesetz, mit den Mengen und mit der Vorgangsweise richtig liegen.


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Gestatten Sie mir, weil heute auch Beamte meines Hauses hier sind, einen expliziten Dank an sie zu richten. Das ist ein völlig neues Instrument, die Einführung eines ökolo­gischen Zielinstruments, das es bis jetzt nicht gegeben hat.

Das, was Sie mit dem Einkauf in Russland und anderen Ländern hier vorbringen, hat mit dem Emissionszertifikategesetz überhaupt nichts zu tun – überhaupt nichts! Es geht dabei darum, mit wie viel Geld wir CO2-Mengen im Ausland erwerben, JI/CDM-Programme, und das hat mit dem Emissionszertifikategesetz, mit dem, was wir auf Anlagenbasis tun, überhaupt nichts zu tun. Da geht es nicht um das Einkaufen von heißer Luft oder Sonstigem, sondern das sind zwei völlig unterschiedliche Sachen. Ich sage das nur deswegen, damit wir hier nicht in eine Diskussion kommen von Dingen, die miteinander nichts zu tun haben.

Was die Klimastrategie insgesamt betrifft, haben wir natürlich im Verkehrsbereich, bei der Raumwärme noch viel zu erledigen. Ich bin dabei, mit den Bundesländern eine Artikel-15a-Vereinbarung zu Ende zu verhandeln, im Wohnbaubereich, obwohl das nicht meine Kompetenz ist, in den Ländern ökologische Mindeststandards einzuflech­ten, und wir haben im Verkehrsbereich wichtige Akzente gesetzt. Die Beimischung ist ein solch zentrales Thema, wo wir federführend – wenn Sie schon von Spitzenreiter reden – in Europa sind, von der Vorgangsweise, von der Erreichung her – 5,75 Pro­zent, und das schon 2008!

Da Sie den Ökostrom angesprochen haben: Gestern hat jemand gesagt, das neue Ökostromgesetz würde Atomstrom fördern. Etwas so Wirres habe ich in meiner ganzen politischen Laufbahn noch nicht gehört. Wir gehen beim neuen Ökostromgesetz – 2008 4 Prozent, altes Ökostromgesetz – innerhalb von zwei Jahren, also bis 2010, von 4 Prozent auf 7 Prozent. Wir stellen in den nächsten Jahren zusätzlich 17 Millionen € pro Jahr für Ökostromentwicklung zur Verfügung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber es stellt eine Verschlechterung zum alten Gesetz dar, das wissen Sie, Herr Minister!) Eine ganz klare Zielsetzung. Sie wissen, woher der Druck zur Reform des Ökostromgesetzes gekommen ist, nicht von mir (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Sie haben nachgegeben!), vielleicht auch nicht von Ihnen, aber von drei Vierteln der Sozialpartner, oder ich sage: von noch Größeren.

Im Prinzip war nur die Landwirtschaft bis zum Schluss kritisch gegenüber einer Re­form. Alle anderen, Arbeitnehmervertreter, Industrie und Wirtschaft, unisono (Bundes­rätin Dr. Lichtenecker: Da haben Sie eh Recht! Aber dann erzählen Sie nicht wieder, dass das eine Verbesserung ist!): Massiver Stopp des Ökostromausbaus. Das war die Ausgangsposition. Mir ist es gelungen, dass es eine vernünftige, sinnvolle Entwicklung im Ökostrombereich gibt. Ich denke, dass wir damit auch die richtige Antwort gegeben haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein sinnvolles Projekt – ich verstehe nicht, warum Sie heute bei den zwei kleinen Änderungen des Emissionszertifikategesetzes, die wir auf Grund von Vorgaben der Europäischen Union vornehmen müssen, nicht anders vorgehen. Die Frau Bundesrätin hat vorhin gesagt, dass sie eine Gegnerin der Europäischen Union war und jetzt glück­lich darüber ist – Sie sehen, dass man irren und dann seine Meinung ändern kann.

Denken Sie darüber nach, ob wir nicht mit diesem Emissionszertifikategesetz einen wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung setzen. Wirtschaftliche, ökonomische Zielsetzung auf Börsemärkten mit ökologischen Zielen zu vereinen, das hat es bis jetzt nicht gegeben, und so gesehen ist dieses Gesetz, was die Frage Kyoto-Strategie betrifft, absolut richtungsweisend. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.10

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


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715. Sitzung / Seite 85

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geän­dert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungsgesetz 2004) (620 d.B. und 659 d.B. sowie 7148/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Binna übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Theodor Binna: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strahlenschutzgesetz sowie das Maß- und Eichgesetz geändert werden (Strahlenschutz-EU-Anpassungs­gesetz 2004).

Der Ausschussbericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung:

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Es liegt eine Wortmeldung dazu vor. Ich darf Kollegin Kerschbaum zum Rednerpult bitten.

 


14.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Das, was Sie, Herr Minister, gerade zum Ökostromgesetz gesagt haben, „beißt“ mich jetzt schon. Es ist keine Verbesserung. Es ist eine Verbes­serung des Vorschlags von Minister Bartenstein, aber es ist keine Verbesserung des jetzigen Ökostromgesetzes (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll), das stellen Sie jedoch immer wieder in den Raum, das ist es aber ganz sicher nicht.

Zum Strahlenschutzgesetz. Es ist gut und wichtig, dass wir unser Strahlenschutzgesetz an die EU-Richtlinien anpassen. Mit diesem Gesetz werden auch einige Bestimmun­gen der Richtlinie 96/29/EURATOM umgesetzt – ein Versäumnis, das die EU-Kommis­sion im März dieses Jahres beanstandet hat.

Die in den österreichischen Rahmenempfehlungen festgelegten Maßnahmen zur Be­wältigung von nuklearen Zwischenfällen konnten nicht als ordnungsgemäße Umset­zung der EU-Richtlinie angesehen werden. Das wird ja jetzt verbessert, und das ist sehr gut.

EURATOM ist in erster Linie eine Förderungsmaschinerie für Atomkraft. In diesen Topf fließen Mittel in der Höhe von 40 Millionen € jährlich. Das sind Mittel in einer Höhe, von der die Lobby der erneuerbaren Energien nur träumen kann.


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715. Sitzung / Seite 86

Auch Österreich zahlt nach wie vor Millionen Euro in diesen Topf, aus dem Atomkraft­werke finanziert werden. Eine Reform dieses unzeitgemäßen EURATOM-Vertrags wäre dringend notwendig.

Im Rahmen der Schaffung einer EU-Verfassung ist es ja leider nicht gelungen, diesen Vertrag aufzulösen. Ich würde mir aber doch erwarten, dass wir im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 eine Initiative setzen, um den EURATOM-Vertrag zumindest zu ändern. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das wird „sehr“ leicht sein!) Eine Initiative zu setzen, das wird hoffentlich doch möglich sein. Den EURATOM-Vertrag von Österreich aus zu ändern, das wird nicht leicht sein, aber eine Initiative zu setzen, das wäre schon einmal etwas.

Österreich wäre prädestiniert dafür, eine Änderung des EURATOM-Vertrags zu einem zentralen Schwerpunkt seiner EU-Präsidentschaft zu machen.

Wir haben zwar 1978 der Produktion von Atomstrom eine Absage erteilt, nichtsdesto­trotz gibt es auch bei uns Atommüll, man hört und sieht nur nicht sehr viel davon. Wir haben ein Atommüllzwischenlager in Seibersdorf.

Der aktuellste Artikel, den ich dazu im Internet finden konnte, war ein Beitrag aus der Ö1-Reihe „Dimensionen“ mit dem Titel „Das ungelöste Problem Atomendlager“, vom 7. Jänner 2002. In diesem Artikel heißt es:

„Endlager in Österreich

Im österreichischen Seibersdorf gibt es ein Lager für schwachradioaktiven Atommüll. Dort entsorgen Industrie und in erster Linie alle Spitäler, die nuklearmedizinische Behandlungen anbieten, ihre Abfälle. Dazu kommt der Atommüll aus der Forschung. In einem oberirdischen Lager wird der Abfall in 200-Liter-Fässern mit Beton oder Bitumen eingegossen.

Diese Halle war schon Anfang der 1990er Jahre voll. Eine Arbeitsgruppe wurde damals mit der Feststellung eines geologischen Endlagerstandortes für mittel- und schwach­radioaktiven Müll beauftragt. Ergebnis: Eine zweite Halle wurde in Seibersdorf gebaut. Mitte 2005 wird wieder eine Entscheidung fallen müssen, weil auch die zweite Halle voll sein wird.“ – Zitatende.

Ich habe im Nationalrat vernommen, dass dieses Problem jetzt nicht 2005 aktuell ist, sondern später. Aber mich würde interessieren, ob Sie sich für dieses Problem auch schon eine Lösung überlegt haben.

Ich komme noch einmal zurück zu einer Initiative und zur Änderung des EURATOM-Vertrages und zu einem möglichen zentralen Schwerpunkt der EU-Präsidentschaft im Jahr 2006.

Die Schaffung eines neuen unbürokratischen Förderinstrumentes, um in den Beitritts­kandidatenländern sowie den Drittstaaten Armenien, Russland und Ukraine Energie­sparmaßnahmen und erneuerbare Energien zu fördern, könnte hier einen wichtigen Impuls in die richtige Richtung setzen.

„,Die Atomenergie ist eine nicht nachhaltige Risikotechnologie, die auch nach einem halben Jahrhundert ihr gravierendes Abfallproblem nicht lösen konnte. Erneuerbare Energie macht unabhängig von Rohstoffimporten, ist umweltgerecht, klimaschonend, schafft Arbeitsplätze und muss nicht teuer sein. Die geplanten 1 bis 2 Milliarden Euro für die EURATOM-Krediterhöhung wären auf diesem Sektor viel besser investiert‘, sind sich die Atombeauftragten einig.“


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 87

Das ist keine Presseaussendung der Grünen, sondern aus einem Brief der Atombeauf­tragten der Bundesländer Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarl­berg an Bundesminister Grasser.

Man sieht, etwas mehr aktive Anti-Atompolitik würde der Regierung nicht schaden. Das wünschen sich nicht nur die Grünen, sondern auch viele Menschen aus den Reihen der ÖVP und der SPÖ. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Auch von uns!)

14.17

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt keine weitere Wortmeldung vor.

Herr Bundesminister, wünschen Sie das Wort? – Bitte.

 


14.17

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Nur ganz kurz zur Anti-Atompolitik, denn das kann ich nicht so im Raum stehen lassen.

Niemand anderer in Europa, keine andere Regierung in Europa, macht eine derart kon­sequente Anti-Atompolitik in allen Bereichen, die in der Europäischen Union anzuspre­chen sind. Beispiel: EURATOM-Vertrag. Wir haben die Initiative ergriffen, wir haben auch im Regierungsübereinkommen ganz klar festgelegt – Karl-Heinz Grasser muss das im Ecofin federführend verhandeln –, dass wir keine Aufstockung der Geldmittel im EURATOM-Vertrag haben wollen.

Wir haben eine Revisionskonferenz angesprochen, um den EURATOM-Vertrag in Europa gemeinsam neu zu verhandeln, um zu fragen, wo er seine Rechtsanknüpfung finden kann. All diese Fragen werden von uns Punkt für Punkt und bei jedem Minister­rat, wo eine Frage nur im Entferntesten mit Nuklearnutzung zu tun hat, releviert. Es ist überhaupt keine Frage, dass Österreich keinen einzigen Millimeter von diesem Anti-Atomkurs abgeht!

Sie müssen beim EURATOM-Vertrag aber auch ganz klar eines wissen: Die Aufsto­ckung – und davon redet ja keiner – von 2 Milliarden auf 4 Milliarden € ist mehrstimmig, nicht einstimmig zu beschließen. Wir können das mit unserem Veto nicht verhindern, während die Ziele, wofür das Geld verwendet wird, einstimmig zu beschließen sind. Wir können uns also gegen die neue Zieldefinition wehren, dann bleibt alles beim Alten – und aufgestockt wird es mit Mehrheit. Deswegen müssen wir Lobby-Arbeit, viel Überzeugungsarbeit betreiben. Wir sind jedoch in den meisten Bereichen allein, in vielen Fragen auch dann allein, wenn es um deutsche Partner geht, merkwürdiger­weise (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das stimmt nicht!), weil es dort natürlich auch eine Problematik gibt, die ich ja sehe, im Ausstieg aus der Kernkraft und mit sonstigen Themen, mit Finanzmitteln und Finanzströmen.

So gesehen muss man mit diesem Thema auch ganz fair umgehen. Wir haben unsere klare Position, wir haben unsere Vorstellungen, und davon gehen wir auch keinen Milli­meter ab. Ich und wir in der Regierung halten die atomare Nutzung zur Energiegewin­nung für eine nicht nachhaltige Energieform. Und es gibt keinen Anlass, es gab keinen Anlass und wird keinen Anlass geben, davon abzugehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.19

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 88

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-Novelle 2004) (641 d.B. und 660 d.B. sowie 7149/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Übereinkom­men von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteili­gung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltange­legenheiten samt Erklärung (654 d.B. und 662 d.B. sowie 7150/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. und 6. Punkt der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 5 und 6 hat Herr Bundesrat Stadler übernom­men. Ich darf ihn um beide Berichte bitten.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Herr Minister! Bericht des Umwelt­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird (UIG-No­velle 2004).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher gleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Als Erste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


14.22

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine lieben Damen und Herren im Bundesrat, die noch da sind! Wir sind gerade im Begriff, den Wandel von der Industriegesellschaft zur Informa-


Bundesrat
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tionsgesellschaft zu vollziehen. Das Internet ermöglicht es uns, dass die Informationen aus der ganzen Welt in Sekundenschnelle bei uns zu Haus in unseren vier Wänden sind. Es sind aber auch sehr viele Bürger an wichtigen Informationen, die ihr direktes Lebensumfeld betreffen, interessiert. Sie wollen einfach davon erfahren und sich somit auch aktiv einbringen.

Daher ist der erweiterte Zugang zu den Umweltinformationen sehr zu begrüßen, denn gerade in der Umweltpolitik sind Transparenz und Zugang zu den Informationen sehr wichtig, denn in der Umweltpolitik wird sehr oft die emotionale Ebene angesprochen und es werden unbegründete Ängste und Vorurteile geschürt. Gleiche Information trägt sicherlich dazu bei, dass ein Thema auf sachlicher Ebene geklärt wird.

Unter der Aarhus-Konvention verstehen wir ein europäisches Übereinkommen, das darauf abzielt, der Öffentlichkeit bei umweltbezogenen Entscheidungen ein besseres Mitspracherecht zu gewähren. Die Aarhus-Konvention besteht aus drei Säulen: dem erleichterten Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen in Bezug auf Umwelt, der bes­seren Beteiligung der Öffentlichkeit und dem Zugang zu Gerichten in Umweltangele­genheiten.

In Anlehnung an dieses Übereinkommen findet der Begriff „Umweltinformation“ eine Präzisierung und auch eine Ausweitung, denn es betrifft nicht nur das Wasser, die Luft und den Boden, sondern auch die Energien, Emissionen, Lebensmittel und auch die Gesundheit.

In unserer letzten Sitzung haben wir sehr viel über die Gentechnik und das Gentech­nikgesetz diskutiert, und es gab auch sehr viele Bedenken dazu. Die Erweiterung des Begriffes „Umweltinformation“ betrifft nun auch gentechnisch veränderte Organismen.

Deutlich wird uns gezeigt, dass die Transparenz und die Beteiligung der Öffentlichkeit in Bezug auf Umweltangelegenheiten unserem Herrn Minister ein großes Anliegen ist, denn selbst das Wort „Behörde“, das für manche eine Schranke darstellt, wird ersetzt durch „informationspflichtige Stellen“.

Anzuführen wäre, glaube ich, auch noch, dass es sich oft um Firmendaten handelt. Dabei können auch Dritte betroffen sein, und da sollen klare Grenzen gezogen werden.

Ich selbst komme aus einer Gemeinde, die dem Klimabündnis beigetreten ist, und merke das Engagement der Bürger und Bürgerinnen in Bezug auf unsere Umwelt. Daher ist es wichtig, ihnen die Information und die Mitarbeit zu ermöglichen. Somit freut es mich besonders, dass Sie alle diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.26

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


14.26

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gospa president! Gospod minister! Drage kolegici in drage kolegi! Die Umwelt war uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schon immer ein sehr wichtiges Anliegen. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst und werden alles daransetzen, unsere Umwelt zu schützen.

Es ist für uns auch sehr wesentlich, dass die Öffentlichkeit über die umweltbezogenen Maßnahmen informiert wird – egal, ob das jetzt in schriftlicher, visueller, akustischer oder elektronischer Form erfolgt. Dadurch kann man Vorurteile und Ängste im Bereich des Umweltschutzes, die zwischen den Bürgern und Bürgerinnen und der Verwaltung,


Bundesrat
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die in Kontakt miteinander stehen, herrschen, abbauen beziehungsweise das Ver­trauen der Bürger in den Umweltschutz stärken.

Deswegen wird unsere Fraktion sowohl der Änderung des Umweltinformationsge­setzes als auch dem Übereinkommen von Aarhus – es hat ja meine Vorrednerin schon genau erklärt, um welche Punkte es sich da handelt, die ich nicht mehr wiederholen werde – zustimmen.

Wenn wir jetzt über Umweltinformationen und Umweltinformationsgesetze sprechen, sind das Informationen über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft, Wasser, Boden, Land, über Faktoren, wie Stoffe, Energie, Lärm, Strahlungen oder Abfall – ein­schließlich radioaktivem Abfall –, über Gesetze, Pläne, Umweltvereinbarungen sowie Informationen über Kosten-Nutzen-Analyse und über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit.

Für uns ist sehr bedeutend, dass die Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht darauf haben, über Maßnahmen auch im Umweltbereich informiert werden. Wir fordern die jetzige Bundesregierung und speziell Sie, Herr Minister, auf, dass es bei der Umset­zung zu mehr Transparenz in der Verwaltung, zu mehr Transparenz in den Verfahren, zu umfassenden Informationen an alle Beteiligten bis hin zum transparenten Umwelt- und Krisenmanagement kommt. Wie meine Vorrednerin auch schon betont hat, ist das dadurch ersichtlich, dass so viele Zugriffe auf die Homepage erfolgen.

Mit dieser Novelle wird das Umweltinformationsgesetz an die Erfordernisse der EU-Richtlinie 2003 und des Übereinkommens von Aarhus angepasst. Es ist mir aufge­fallen, dass diese Novelle erst auf Grund einer Rüge der EU-Kommission, das heißt erst nach Druck von außen, erfolgt, was so typisch für die jetzige Bundesregierung ist.

Im Rahmen der Budgetverhandlungen wurden für die Erstellung eines Umweltdaten­kataloges, welcher für das Umweltinformationsgesetz erforderlich ist, zirka 3 bis 4 Mil­lionen zugesichert. Eine Frage: Was ist mit dem Geld passiert?, denn die erforderliche Metadatenbank, welche in anderen EU-Mitgliedsländern, wie zum Beispiel Deutsch­land, und in der Schweiz existiert, soll in Österreich durch ein anderes System ersetzt werden. Wie schaut dieses System aus? – Das weiß ich leider nicht.

Weiters müssen Sie, Herr Minister, gemäß den Richtlinien, die wir umsetzen, alle vier Jahre einen Bericht an die Europäische Kommission abgeben. Dieser Bericht wäre 2009 fällig, und es wäre sehr schön, wenn auch wir diesen Bericht bekämen. (Die Red­nerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.31

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


14.31

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Mit 1. Jänner 1995 ist Österreich Vollmit­glied der EU geworden. Österreich hat mit seinem Beitritt bekundet, am gesamten Prozess der Integration teilnehmen zu wollen. Der heutige EG-Wirtschaftsraum mit über 50 Prozent des Welthandels ist der größte Markt der Welt, und dementsprechend haben wir auch Verantwortung zu übernehmen.

Der EWR ist mit 1.1.1994 in Kraft getreten. Ziel des EWR ist die Verwirklichung des freien Verkehrs für Waren, Personen, Dienstleistung auf dem Land, in der Luft und auf dem Wasser und eine Kooperation in den Bereichen, die notwendig sind für Umwelt, Bildung, Forschung und Entwicklung.


Bundesrat
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Die Zielsetzung muss eine schnelle Information im gesamten Umweltbereich sein. Beginnen muss man im Kindergarten, in den Volksschulen und in allen Jugendzentren, wenn wir die Zukunft in der gesamten Umweltfrage gewinnen wollen. Für die Umwelt­definition gibt es klare Begriffe, die wir ernst nehmen sollten.

Wichtig, sehr geehrter Herr Bundesminister, sind die Broschüren, die Sie herausgeben. In diesem Bereich sollte man auch in Zukunft eine Schwerpunktinformation sehen.

Gemeinsam können wir heute einen Beitrag dazu leisten, ob wir die Zukunft bewältigen oder nicht bewältigen werden. Ich bin davon überzeugt, wenn wir es wollen, dann ist Österreich wie schon immer ein Vorzeigeland, das bereit ist, auch entsprechende nichtwirtschaftliche Überlegungen, sondern Überlegungen für die Überlebensformen der Zukunft ernst zu nehmen.

Wichtig, sehr geehrter Herr Minister, sind vor allem die rasche Information und auch die Beteiligungsrechte, die mit diesem Gesetz verankert werden. Das gilt für alle Umweltverfahren mit Rechtsdurchsetzung und Beteiligung der Öffentlichkeit. Diese soll verstärkt eingebunden werden, um damit die Verfahren wesentlich zu verkürzen.

Bestimmungen für Änderungen der Ländergesetze: Es ist ebenso wichtig, dass sie ein­gebunden sind. Einheitliche Umweltrechtsnormen sind wohl die Voraussetzung dafür.

Österreich hat die Vereinbarung von Aarhus vom 25. Juni 1998 nicht unterschrieben. Ich möchte nicht sagen, dass es ein Versäumnis ist, nur, sehr geehrter Herr Bundes­minister, wir haben Handlungsbedarf. Daher ist es wichtig, dass wir eben bis Februar kommenden Jahres alles unter Dach und Fach haben.

Eine große Herausforderung für uns Europäer mit 25 Staaten wird es wohl sein, 20 Sprachen unter ein Dach zu bringen, 450 Millionen Menschen, 3,7 Millionen Qua­dratkilometer Fläche, 89 Regionen und 112 000 Gemeinden. Auf Grund der Größe der EU ist Europa schwerfällig geworden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten einen Krieg, wir haben 60 Jahre Frieden, 60 Jahre keinen Krieg, und ich glaube, wir sollten uns alle dazu bekennen, dass wir in Zukunft in Österreich eine Heimat haben im Herzen Europas, wo wir auch im Umweltbereich unsere Zielsetzung anpassen, um damit für die Zukunft gerüstet zu sein. Unsere Jugend wird es danken. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.36

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Habe ich das jetzt richtig verstanden: Die Aarhus-Konven­tion wird schon ratifiziert, oder? (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) – Ja. Das ist jetzt ein bisschen missverständlich rübergekommen. Die Konvention von Aarhus gibt es seit 1998. Wenn wir sie jetzt unterschreiben, sind wir nicht unbedingt die Schnells­ten. Bisher haben bereits 16 EU-Mitgliedstaaten diesen Vertrag ratifiziert, und es gibt sehr viele Menschen, gerade bei den Bürgerinitiativen, die schon lange auf die Ratifi­zierung dieses Vertrages warten.

Die Aarhus-Konvention ist ein wichtiges Instrument, um vielleicht wirklich irgendwann einmal zu einer fairen Beteiligung der Bevölkerung an umweltrelevanten Genehmi­gungsverfahren zu kommen. Deshalb haben auch die Grünen die Unterzeichnung schon lange gefordert.


Bundesrat
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Von den drei Säulen, die diese Konvention vorsieht, um ihr Ziel zu erreichen, ist erst eine jetzt in Umsetzung. Das Umweltinformationsgesetz erfolgt als Umsetzung einer EU-Richtlinie. Fleißaufgaben wurden dabei keine gemacht. Aber immerhin wird eine Hürde jetzt genommen, an der so manche Bürgerinitiativen bisher gescheitert sind, nämlich an der Amtsverschwiegenheit. Künftig ist es doch nicht mehr so leicht, den Zugang zu Daten zu verhindern. Denn es ist wichtig, dass wir Bürger die Daten, die unsere Lebensqualität beeinflussen, auch einsehen können. Ein Wermutstropfen dabei ist, dass das Gesetz nicht ausschließt, dass für die Daten Gebühren verlangt werden können, auch wenn im Ausschuss bestätigt wurde, es handle sich nur um Grenz­kosten. Aber ich weiß, das ist alles Auslegungssache. Zum Beispiel liegen in meiner Gemeinde die Grenzkosten für eine Kopie bei 40 Cent. Und es wäre schön, wenn diese Kosten noch verhinderbar gewesen wären, damit die Menschen wirklich gratis zu ihren Informationen kommen können.

Die zweite Säule der Aarhus-Konvention ist mehr Öffentlichkeitsbeteiligung bei umwelt­relevanten Genehmigungsverfahren. Eine Änderung des UVP-Gesetzes wird hoffent­lich in absehbarer Zeit erfolgen. Wir haben schon einmal darüber geredet, da haben Sie gesagt, in etwa einem halben Jahr wird es soweit sein. Ich würde mich schon sehr freuen, wenn Sie die Änderung des UVP-Gesetzes endlich einmal in Angriff nehmen würden.

Der dritte Punkt ist ein erleichterter Zugang zu Gerichten. Davon sind wir, wie ich meine, noch ziemlich weit entfernt. Das wird noch ein etwas größerer Brocken.

Aber jetzt noch zum Umweltinformationsgesetz: Der Weg von der österreichischen Amtsverschwiegenheit hin zum Weg der EU, den BürgerInnen den Zugang zum Wis­sen der Verwaltung zu öffnen. Die wesentlichen positiven Neuerungen des Umweltin­formationsgesetzes sind schon zum Teil angeführt worden: Ausweitung des Umweltda­tenbegriffes um den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, einschließ­lich der Kontamination der Lebensmittelkette, GVOs, Kulturstätten, Bauwerke sowie wirtschaftliche einschlägige Analysen und die Ausweitung der auskunftspflichtigen Stellen. Entscheidend ist in Zukunft, ob eine öffentliche Aufgabe unter der Kontrolle der öffentlichen Hand durchgeführt wird. Erfasst sind also auch Betriebe wie Austro Control, ÖBB, private Trinkwasserversorger. Auskunft verweigernde Bescheide erlässt die kontrollierende Behörde für diese Stelle.

Ein weiterer positiver Punkt ist die aktive Informationspflicht im Falle einer Katastrophe.

Ein paar Kritikpunkte gibt es zu diesem Gesetz auch – wir werden trotzdem zustim­men –, nämlich dass der Umweltdatenbegriff „Waren“ oder „Lebensmittel“ als solcher nicht aufgenommen wurde, sondern dass etwa auf die „Kontamination der Lebens­mittelkette“ abgestellt wurde.

Der Katalog der Ablehnungsgründe wurde wesentlich erweitert. Es handelt sich um relative Ablehnungsgründe, zum Beispiel: nur wenn eine Gefahr für die Landesverteidi­gung durch Datenweitergabe entsteht. Und, wie gesagt, eine Kostenfreiheit der Daten wurde nicht garantiert. Das ist auch noch ein Kritikpunkt.

Alles in allem sind wir aber froh, dass wir die Aarhus-Konvention doch jetzt endlich rati­fizieren, und wir sind auch froh, dass dieses Umweltinformationsgesetz entstanden ist, und wir werden natürlich zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.41

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, Sie haben das Wort. – Bitte.

 



Bundesrat
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14.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar kurze Anmerkungen zu einem, wie ich glaube, wichtigen Gesetz, das Adaptionen auf Grund einer Richtlinie zur Information der Bürger im Umweltbereich enthält. Warum? – Weil Umweltpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn Transparenz und Offenheit vor allem für die Bürgerinnen und Bürger geboten werden können.

Zur Frage Aarhus-Konvention. Wir haben sie schon lange unterschrieben. Die Ratifizie­rung ist jetzt das, was entsprechend vorzunehmen ist. Dass also nicht der Eindruck entsteht, wir hätten uns von der Konvention verabschiedet, sondern sie ist unterschrie­ben und wird jetzt ratifiziert.

Was die Umsetzung der Richtlinie betrifft, haben wir bis Mitte Februar 2005 Zeit. Auch da sind wir fristgerecht unterwegs mit dieser Novelle, die wir heute hier im Bundesrat diskutieren.

Was sind die wesentlichen Änderungen? – Das sind zum Ersten die Präzisierung und Ausweitung des Begriffs der Umweltinformation um neue Bereiche, die auch für die Zukunft enorm wichtig sind, nämlich neben Luft, Wasser, Boden jetzt auch genetisch veränderte Organismen, Stoffe, Energie, Emissionen sowie Zustand der menschlichen Gesundheit. Auch das ist eine wirkliche qualitative Neuerung und wichtig für zukünftige Diskussionen, wenn man an die Kontaminationen entlang der Lebensmittelkette denkt und wenn wir das, was wir mit der Agentur für Ernährungssicherheit begonnen haben, auch zukünftig weiter fortsetzen wollen.

Zweitens: Wir dehnen dabei die Informationsverpflichtung auf informationspflichtige Stellen aus. Sie umfasst nicht nur wie bisher Behörden, sondern auch Unternehmen, die im Rahmen der Daseinsvorsorge – auch das ist ein wichtiger Prozess –, zum Bei­spiel in den Bereichen Gas, Wasser, Elektrizität und Ähnlichem, tätig werden, und Stel­len, die im Einflussbereich von Gebietskörperschaften tätig werden. Also wir erweitern tatsächlich auch den Anwendungsbereich weg von der Behörde hin zu Unternehmen, die im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind, und zu Stellen, die im Einflussbereich von Gebietskörperschaften tätig sind.

Wir verkürzen die Frist für das Zugänglichmachen von Umweltinformationen von bisher acht Wochen auf jetzt einen Monat im Normalfall – auch ein wichtiger und richtiger Schritt in die richtige Richtung.

So gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir dabei, mit der Umset­zung dieser Richtlinie und mit der UIG-Novelle 2004 einen wichtigen Schritt zur Trans­parenz in der Umweltpolitik zu setzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit ein Mehr an Lebensqualität und eine Absicherung des Umweltstandortes Österreich in der Zukunft erreichen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.43

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird auch kein Schlusswort gewünscht.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Novem­ber 2004 betreffend die Umweltinformationsgesetz-Novelle 2004.


Bundesrat
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Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 9. No­vember 2004 betreffend ein Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informa­tionen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvoll­zugsgesetz, das Geschworenen- und Schöffengesetz 1990, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, das Waffengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Bundesforstegesetz 1996, das Pensionsgesetz 1965, das Arbeitsmarktpoli­tik-Finanzierungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz, das Ausländerbe­schäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Arbeiterkammergesetz 1992, das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967, das Bundespflegegeldgesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Glücksspielgesetz, das Bundes-Sportförde­rungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz und das Umweltförderungsgesetz geändert sowie Regelungen über die Veräußerung von Bundesanteilen an der Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft mbH Villach und an der Entwicklungs­gesellschaft Aichfeld-Murboden Gesellschaft m.b.H. getroffen werden (Budget­begleitgesetz 2005) (649 d.B. und 657 d.B. sowie 7145/BR d.B. und 7151/BR d.B.)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tages­ordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Bogensperger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger: Frau Präsidentin! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. Novem­ber 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozess­ordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Geschworenen- und Schöffenge­setz 1990, das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, das Waffengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das Bundes-


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 95

museen-Gesetz 2002, das Bundesforstegesetz 1996, das Pensionsgesetz 1965, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Sonderunterstützungsgesetz, das Aus­länderbeschäftigungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Arbeiterkammergesetz 1992, das Familienlastenausgleichs­gesetz 1967, das Bundespflegegeldgesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Bundes­behindertengesetz, das Glücksspielgesetz, das Bundes-Sportförderungsgesetz, das Altlastensanierungsgesetz und das Umweltförderungsgesetz geändert sowie Regelun­gen über die Veräußerung von Bundesanteilen an der Gemeinnützige Wohnbaugesell­schaft mbH Villach und an der Entwicklungsgesellschaft Aichfeld-Murboden Gesell­schaft m.b.H. getroffen werden (Budgetbegleitgesetz 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher beschränke ich mich auf die Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. November 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Ich bitte, das Wort zu ergreifen.

 


14.48

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die Regierungsbank ist leider leer. Es geht ja auch „nur“ um das Budgetbegleitgesetz. Das ist anscheinend nicht wichtig – zumindest schaut es so aus, wenn kein Vertreter da ist. Es gibt im Ministerium einen Staatssekretär, es gibt den Finanzminister, aber es findet keiner der Mühe wert, hier im Bundesrat zu erscheinen. (Ruf bei der SPÖ: Keiner zuständig!)

Meine Damen und Herren! Das Budgetbegleitgesetz befasst sich mit 25 Gesetzen, und man soll, wenn es positive Dinge gibt, diese auch nicht verschweigen. Daher beginne ich, obwohl ich Contraredner bin, einmal positiv: Das vorliegende Budgetbegleitgesetz bringt eine bessere Sportförderung und eine Erhöhung des Pflegegeldes um 2 Prozent. Damit hat es sich auch schon wieder, denn der Rest sind Belastungen.

Nun zu alldem, was Sie uns da als Erfolge verkaufen wollen, nämlich Einsparungen und Belastungen, und was das betrifft, sind Sie ungekrönte Könige. (Bundesminister Mag. Haupt betritt den Saal. – Heiterkeit.) Ich darf den Herrn Bundesminister sehr herzlich begrüßen. Ich habe jetzt zumindest einen Ansprechpartner.

Momentan feiert sich ja die Bundesregierung selbst wegen ihrer vermeintlich guten Leistungen. Das sind aber alles Leistungen, die sich auf die Geldbörse der Österrei­cherinnen und Österreicher negativ auswirken. Und genau das ist die Politik, die für die schwindende Kaufkraft in Österreich verantwortlich ist. Wenn die Bürgerinnen und Bür­ger vor lauter Reformen nicht mehr wissen, was sie sich künftig überhaupt noch leisten können, dann brauchen wir alle uns nicht zu wundern, dass weniger konsumiert wird.

Die Wirtschaftsfachleute nennen das Angstsparen, und das ist das Schlechteste, was einer Wirtschaft passieren kann. (Bundesrat Höfinger: Polemik und Verunsicherung!) Es ist nicht alles, was wir von der Opposition hier heraußen sagen, Verunsicherung und Polemik! (Bundesrat Höfinger: Das ist eine Verunsicherungspolitik!) Hören Sie mir zu, Herr Kollege, ich gehe jetzt ein paar Beispiele durch und fange beim Wirtschafts­wachstum an!


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 96

Meine Damen und Herren! Es hat Zeiten gegeben, da war Österreich auf der wirt­schaftlichen Überholspur. Ich weiß nicht, ob Sie sich daran noch erinnern können. Jetzt liegen wir beim Wirtschaftswachstum und bei der Inlandsnachfrage unter dem EU-Schnitt. Können Sie das feiern? (Bundesrat Hösele: Liegt Deutschland hinter uns oder vor uns?) Ich würde das nicht feiern. (Ruf bei der SPÖ: Wir sind in Österreich!) Herr Kollege, wir leben in Österreich und befassen uns mit diesen Themen hier.

Meine Damen und Herren! Wie ist das mit der „Zukunft ohne neue Schulden“? Ich sage Ihnen, auch da sind Sie kolossal gescheitert. Das einmal erzielte Nulldefizit war ein Marketing-Schmäh. (Bundesrat Hösele: Wann haben wir das größte Budgetdefizit gehabt? – 1999!) Mit Schröpfaktionen der Bürgerinnen und Bürger wurde dieses Null­defizit finanziert. Darin haben Sie ja Übung.

Sie haben jetzt die meisten Schulden erreicht, die es in Österreich überhaupt je gege­ben hat. Sie haben seit 2002 5,2 Milliarden an neuen Schulden gemacht. Feiern Sie das? Ich würde das nicht feiern. (Bundesrat Hösele: Können Sie uns noch den EU-Vergleich sagen?)

Meine Damen und Herren! Wie schaut es mit der Arbeitslosigkeit aus? Vielleicht haben Sie da einen Grund zu feiern. Nein, auch bei der Arbeitslosigkeit haben Sie nichts zu feiern. Faktum ist, dass Sie die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik zu verantworten haben. An die 250 000 Menschen haben keine Perspektive auf einen Arbeitsplatz. (Bundesrat Hösele: Wie ist denn da der EU-Vergleich, Herr Kollege? – Bundesrat Schennach: Herr Kollege Hösele, was ist denn los heute?) Ich spreche hier von Österreich. Herr Kollege, ich bin leider kein europäischer Abgeordneter. Ich bin Mitglied des Bundesrates, und mich interessiert hier in erster Linie Österreich. (Weite­rer Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) Und wir haben 250 000 Arbeitslose in Österreich, die keine Perspektiven haben, lieber Kollege.

Oder wie ist das bei der Jugendarbeitslosigkeit? – Das ist eine Tragödie, sage ich Ihnen. Zigtausende Jugendliche haben das Gefühl, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Vor allem in Wien!) Nicht nur in Wien, Herr Kollege, auch in Ihrem eigenen Bundesland! (Bundesrätin Bachner: Das ist ja lächerlich, so etwas zu behaupten!) Wenn der Herr Bundeskanzler am 22. November am Abend in der „ZiB 2“ gesagt hat: 2005 werden wir uns der Lehrlinge annehmen!, dann frage ich Sie: Warum haben Sie sich der Lehrlinge nicht schon lange angenom­men? Dieses Problem gibt es doch schon seit einigen Jahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Dann heißt es immer, wir investieren so viel in Forschung und Bildung. Ja, auf dem Papier, aber nicht in Wirklichkeit! Wir haben jetzt zwar ein eigenes Staatssekretariat, das dafür zuständig ist, und wir haben einen Staatssekretär, der sich jetzt ungefähr seit einem halben Jahr in dieses Ressort einarbeitet, aber mehr habe ich bis jetzt nicht gehört. Heute habe ich gelesen, dass er auch für die Post zuständig ist. Da wünsche ich der Post viel Glück – für den Bürger wird es weniger Glück bedeuten.

Meine Damen und Herren! Das Infrastrukturministerium ist ja für die Post zuständig, und das werden wir heute auch noch zum Thema machen. Seit 2002 haben wir bereits vier Verkehrsminister gehabt. Genauso desaströs schaut die Politik aus. Ich erinnere mich noch daran, als wir im Jahr 2002 die Universaldienstverordnung der Post hier herinnen diskutiert haben und die Kurzzeitministerin Forstinger uns erklärt hat, dass man die Postfilialen nicht in diese Universaldienstverordnung hineinnehmen muss. Jetzt sehen wir, was das alles bedeutet.

Meine Damen und Herren! Zur Gesundheitsvorsorge: Auch da werden Sie Ihrem Ruf gerecht: Erhöhungen und Streichungen stehen an vorderster Stelle. Die wirtschaftliche Situation der Bürgerin, des Bürgers interessiert Sie nicht. Die Streichung des Kosten-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 97

zuschusses bei Brillen zum Beispiel war die größte Kürzung im Gesundheitswesen der Zweiten Republik. Dann hat die Frau Bundesministerin Rauch-Kallat, als sie gesehen hat, dass das doch ein bisschen viel ist, gesagt: Wir könnten schon darüber nachden­ken, bei über fünf Dioptrien könnte man vielleicht wieder einen Zuschuss bezahlen. Das ist eine „grandiose“ Idee und zeigt auch, dass die Frau Ministerin mitten im Leben steht, denn mit fünf Dioptrien – ich bin selbst fehlsichtig – sind Sie ohne Brille oder Linsen fast blind. Und da hat der Optiker, der das gesagt hat, schon Recht gehabt: Da brauchen Sie einen Blindenhund, um sich weiter fortzubewegen.

Bei der 5 000-€-Designerbrille lag Frau Staatssekretärin Haubner sowieso völlig da­neben. Ich frage Sie, wer hier in diesem Raum eine 5 000-€-Designerbrille hat. Ich glaube, sehr viele Menschen in Österreich sind das nicht, die sich eine 5 000-€-Desig­nerbrille leisten.

Oder wie schaut es im Bereich der Pensionen aus? Gibt es da etwas zu feiern? Der Herr Bundeskanzler hat heute schon gesagt, dass er tief betroffen ist, dass es Kritik an der Pensionsreform gibt. Das ist halt einmal im Leben so, dass man sich kritisieren las­sen muss, wenn man etwas macht. Auch bei der Pensionsreform gehören Sie nicht zu den Gewinnern. Der Großteil der Menschen in Österreich bekommt in Zukunft weniger Pension. Vor allem sind es die Frauen, die bei dieser Reform wirklich unter die Räder kommen, sie wird die Frauen in die Altersarbeitslosigkeit und in die Altersarmut führen.

Wir haben in den letzten drei Jahren gestiegene Heizkosten zu verzeichnen, das Wasser ist teurer geworden, das Wohnen ist teurer geworden – im Jahresvergleich um zirka 6 Prozent –, und dann gibt es Pensionsanpassungen um 1,5 Prozent für Pensio­nen bis 686 € oder um 10,30 € für Pensionen darüber. Das ist wirklich sehr dürftig.

Meine Damen und Herren! Da frage ich Sie, was Sie jetzt wirklich feiern wollen. Feiern Sie das steigende Budgetdefizit? Feiern Sie die steigende Arbeitslosigkeit? Feiern Sie das stagnierende Realeinkommen? Feiern Sie die Pensionskürzungen? Feiern Sie die fehlenden Steuereinnahmen? 1 Milliarde bis 1,5 Milliarden sucht der Herr Finanzminis­ter und findet sie nicht. Feiern Sie die steigende Kriminalität in Österreich? Die Delikte sind von unter 500 000 im Jahr 1999 auf jetzt über 700 000 angestiegen. Oder feiern Sie die sinkende Aufklärungsquote? Sie ist von über 50 Prozent auf jetzt 37 Prozent gesunken.

Feiern Sie die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Gesetze? Seit 2002 sind es elf Gesetze, die aufgehoben wurden: im Dezember 2002 die Unfallrentenbesteuerung, im April 2003 die Ambulanzgebühr II, im Juni 2003 die Pensionsreform 2000, Okto­ber 2003 Hauptverband, November 2003 Asylgesetz I, Jänner 2004 Universitätsreform, Februar 2004 Militärbefugnisgesetz, März 2004 Sozialversicherungsausgleichsfonds, Juli 2004 Zwangsfrühpensionen, Oktober 2004 Asylgesetz II und Oktober 2004 Zivil­dienstgesetz II.

Meine Damen und Herren! Das zeigt schon, wie intensiv Sie arbeiten.

Oder feiern Sie den stümperhaften Abverkauf von österreichischen Industriebetrieben? Oder feiern Sie die 44 Belastungen, die es seit 2000 für die Bürgerinnen und Bürger gegeben hat?

Meine Damen und Herren! Ich glaube, insgesamt gesehen, haben Sie wenig zu feiern. Die heute vorliegenden Budgetbegleitgesetze tragen auch nicht zur Entlastung der Österreicherinnen und Österreicher bei. Ganz im Gegenteil: Sie bringen neuerliche Belastungen, und bei diesen Belastungen machen wir nicht mit! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

 


15.01


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
715. Sitzung / Seite 98

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


15.01

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein alter Spruch sagt, dass man sich das Leben nicht schwerer machen soll, als es ohnehin schon ist. Das wollte ich gleich zu meinem Einstieg sagen. (Bundesrätin Auer: Warum sagen Sie das uns?)

An und für sich ... (Bundesrat Konecny: Dann wechseln Sie die Partei!) Lassen Sie mich diesen Satz zu Ende reden, Herr Kollege Konecny! Herr Professor! Entschul­digung, dass ich Sie nicht richtig tituliert habe! (Bundesrat Boden: Ist das Ihre erste Rede?) Ja! (Bundesrat Konecny: Entschuldigung!) Das macht mir nichts aus. Ich bin als Gewerkschafter gewöhnt, im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen, also das macht mir bei Gott nichts aus!

Lieber Kollege Kraml, ich muss Ihnen gleich zu Beginn widersprechen. Ich habe hier die neuesten Prognosen der EU-Kommission: Demnach liegen wir beim Wachstum über dem EU-Durchschnitt, bei der Arbeitslosenquote jedoch darunter. In Österreich beträgt die Arbeitslosenquote 4,2 Prozent, in der EU-25 sind es 9,1 Prozent. Beim Beschäftigungszuwachs liegen wir hingegen über dem EU-Durchschnitt, in der EU-25 beträgt dieser 0,4 Prozent, bei uns jedoch 0,5 Prozent. – Diese Zahlen müssen wir relativieren, liebe Freunde! (Bundesrat Stadler: Über 250 000!) Trotzdem: Wenn man den EU-Durchschnitt betrachtet und einen Vergleich anstellt, so kann man feststellen, dass Österreich jeweils im Spitzenfeld liegt, und es ist wichtig, dass man das auch sagt!

Das vorliegende Gesetz zeugt von einem umsichtigen Umgang mit Steuergeldern und enthält insbesondere im Sozialbereich einige wesentliche Verbesserungen, welche eine gute Budgetpolitik der Regierung deutlich erkennen lassen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass vor drei Jahren das Nulldefizit in einer gewalti­gen Diskussion gegeißelt und von einem Kaputtsparen der Republik gesprochen wurde. Heute wird hingegen mit Heulen und Zähneknirschen von einem angeblich zu hohen Budgetdefizit bei 1,9 Prozent gesprochen, das allerdings seine hauptsächliche Ursache – das möchte ich betonen – in der auch von den Kollegen von der Sozial­demokratie geforderten Steuerreform hat. Da sind wir uns, glaube ich, einig!

Trotzdem haben wir Österreicher eines der niedrigsten Defizite in Europa, und wir haben – wie bereits erklärt – ein gutes Wirtschaftswachstum in einer der wirtschaftlich schwierigsten Zeiten überhaupt zu verzeichnen. Ohne diese so schwer kritisierte Steuerreform hätte Österreich ein Defizit von sage und schreibe 0,5 Prozent, aber da wären wir dann natürlich dem Vorwurf von fehlenden Investitionen und der Kritik, dass keine Impulse für die Wirtschaft gegeben werden, et cetera ausgesetzt.

Ich bin der Auffassung, dass Österreich es als erstes europäisches Land schaffen wird, zu einem wirklich moderaten Aufschwung und zu einem sehr, sehr guten Wirtschafts­wachstum zu kommen. Es nützt also nichts, wenn wir hier Realitätsverweigerung betreiben, die Fakten liegen auf dem Tisch!

Kollege Kraml! Jetzt muss ich Ihnen gleich noch einmal widersprechen: Wir sind wirt­schaftlich wirklich auf der Überholspur. Das ist ein entscheidendes Faktum: Wir sind auf der Überholspur! (Bundesrat Kraml: Das glauben aber nur Sie!)

Eine besonders wichtige Maßnahme ist die längst geforderte und letztmals 1995 vorge­nommene Erhöhung des Pflegegeldes. Damit wird es vielen Menschen ermöglicht, länger zu Hause in vertrauter Umgebung ihren Lebensabend zu verbringen. Diese Er­höhung ist eine zielgerichtete Maßnahme, die insbesondere in Vorarlberg ihre Wirkung


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 99

nicht verfehlen wird. Ich darf Ihnen hier das Vorarlberger Modell sehr ans Herz legen: „So viel ambulant wie möglich, so viel stationär als nötig“ lautet das vorarlbergweit praktizierte Modell, das ich Ihnen in diesem Zusammenhang erklären möchte.

Vorarlberg hat ein flächendeckendes, nach einem einheitlichen Konzept funktionieren­des Betreuungsmodell von insgesamt 67 Krankenpflegevereinen mit 56 000 Mitglie­dern. Mehr als 200 ausgebildete diplomierte Fachkräfte sind in diesen Vereinen be­schäftigt. Ein hoher Prozentsatz davon sind Teilzeitkräfte, also auch Wiedereinsteige­rInnen, was eine besondere familienpolitische Maßnahme bedeutet. Bei 300 000 Haus­besuchen wurden insgesamt 7 000 pflegebedürftige Personen versorgt.

Der Aufwand dafür beträgt zirka 7,9 Millionen €, wovon 2,9 Millionen €, also 37 Pro­zent, von den Vereinen durch Mitgliedsbeiträge und Spenden aufgebracht werden. Das muss man sich wirklich einmal vor Augen halten! Die Vereinsmitglieder sammeln Spenden, organisieren Veranstaltungen und sind aktiv, damit kranke Menschen zu einem sozial verträglichen, leistbaren Tarif gepflegt werden können. – Dies ist ein über­aus lebendiges und positives Zeichen von Solidarität innerhalb der Gemeinden und stellt österreichweit sicherlich einen Spitzenwert dar.

Sie, lieber Kollege Kraml, haben das als positives Beispiel angeführt. Ich habe aller­dings auch schon anderes gehört, nämlich dass diese 2 Prozent so genannte „pea­nuts“ wären, und auch ähnliche Abwertungen sind schon gefallen. Im Hinblick darauf muss ich sagen, dass das wirklich pure Schwarzmalerei ist, obwohl mir die Farbe Schwarz natürlich sehr gefällt. – Ich möchte jedenfalls klar und deutlich sagen: Es ist dies ein Schritt in die richtige Richtung, und wir werden weiter daran arbeiten.

Etwas darf ich in diesem Zusammenhang noch erwähnen: Von 1995 bis 2000 waren sozialdemokratische Finanzminister, Sozialminister und natürlich auch ein Bundes­kanzler dafür zuständig. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Man muss dann auch noch erwähnen, dass die Abschaffung der Valorisierungsauto­matik 1996 im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungsgesetz erfolgt ist.

Lieber Kollege Schennach! In diesem Punkt muss ich dich berichtigen, obwohl ich höchsten Respekt vor dir habe. Seit dieser Zeit sind es nicht 18 Prozent, sondern tatsächlich 15 Prozent, wie man uns im Ausschuss gesagt hat. Ich habe noch extra nachgefragt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das ist jetzt von uns aufge­hoben worden, und das ist wirklich ein Schritt in die richtige Richtung.

Es ist aber natürlich angebracht, auch über eine Finanzierung von sozialpolitischen Maßnahmen nachzudenken. Im Hinblick auf die budgetäre Situation und darauf, dass Sie unser Budget in der Form kritisieren, dass Sie den unmittelbaren Zusammenbruch unseres Staates prophezeien und wir also keine höheren Schulden machen dürfen, werden Sie mir Recht geben: Es sind gute 2 Prozent!

Immerhin – und auch das zu erwähnen sei mir gestattet – verursacht die Anhebung des Pflegegeldes im Jahr 2005 Kosten von 30 Millionen € und im Jahr 2006 solche von 30,3 Millionen €. – „Erdnüsse“ sind das in gut alemannischer Art bei Gott keine!

Besonders hervorhebenswert sind für mich als Menschen, der in Vorarlberg und im Bereich der Behindertenarbeit aktiv ist, die Änderungen im Bundesbehindertengesetz, das sich als praktikables Instrument der österreichischen Behindertenpolitik bewährt hat. Mit den Änderungen des Bundesbehindertengesetzes wird es nun behinderten Menschen möglich gemacht, einen Rechtsanspruch auf Abgeltung der NoVA zu erhalten.

Für besonders wichtig halte ich auch die Möglichkeit, dass es in Hinkunft auch gemein­nützigen Vereinen nach dem Vereinsgesetz, wie beispielsweise der Lebenshilfe oder


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715. Sitzung / Seite 100

dem Roten Kreuz, möglich sein wird, eine Abgeltung der Normverbrauchsabgabe zu erhalten, wenn das erworbene Kraftfahrzeug überwiegend für die Beförderung von behinderten Menschen verwendet wird. – Damit wird eine langjährige Forderung der Behindertenorganisation und der Interessenvertretungen umgesetzt, und das zeigt wieder einmal deutlich die besondere soziale Einstellung der Regierungsparteien.

Eine Besonderheit im Rahmen dieser Budgetbegleitgesetze ist auch die Änderung des Bundessportförderungsgesetzes. Durch eine Neufassung des § 20 des Glücksspielge­setzes wird sichergestellt, dass der besonderen Sportförderung ungedeckelt 3 Prozent der Umsätze der Österreichischen Lotterie, zumindest aber 40 Millionen € zufließen werden. Das ist eine gewaltige Verbesserung dieser Förderung, da bereits der Min­destbetrag deutlich über den bisherigen Auszahlungen liegt und natürlich durch die ungedeckelte Anbindung der Umsätze der Österreichischen Lotteriegesellschaft mit kontinuierlichen Steigerungen zu rechnen ist.

Es steht somit allen Dach- und Fachverbänden mehr Geld ins Haus. Es ist dies ein Jubeltag für den organisierten Vereinssport, für tausende Sportvereine und hundert­tausende Sportler Österreichs. Den Spruch mit dem Meilenstein habe ich heute schon einmal strapaziert, probieren wir es also damit: Sportlerherz, was willst du mehr!

Wir erwarten übrigens demnächst ein Dankesschreiben vom Präsidenten der BSO. Kollege Dr. Löschnak dürfte ja auch in Ihren Reihen kein Unbekannter sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.09

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Bundesrat Schennach zu Wort. – Bitte.

 


15.09

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Lieber Kollege Mayer! Natürlich kann man gebetsmühlenartig Dinge wiederholen. Das ist eine Art esoterische politische Übung. Man kann sagen: Wir hoffen, wir glauben, es wird schon so sein, das Ganze ist super und so weiter! Die Zahlen allerdings, die der Herr Finanzminister vorlegen musste, sprechen eine ganz andere Sprache, und da ist auch der Grund zu suchen, warum man dieses Budget­begleitgesetz in dieser Weise braucht. Die Zahlen haben eine entzaubernde Wirkung, sie haben mit Glauben – was nichts wissen heißt – und einem Sich-Einreden in einer Art repetierenden Leier einfach nichts zu tun. Darum geht es mir jetzt aber gar nicht.

Soweit ich mich richtig erinnere, hat der Bundesrat vor einem Jahr mit den Stimmen aller vier Fraktionen einen auf Initiative unseres amtierenden Herrn Vizepräsidenten eingebrachten Antrag beschlossen. Der Antrag enthielt die Forderung, dass es keine Sammelgesetze mehr geben soll. (Bundesrat Konecny: Sehr richtig!) Wir haben auf Anregung des Rechnungshofes und, wie ich glaube, auch auf Anregung des Verfas­sungsgerichtshofes hier gegenüber dem Nationalrat unsere tiefe Sorge zum Ausdruck gebracht.

Doch was liegt hier wiederum vor? – Es liegt hier ein absoluter Grenadiermarsch von Gesetzen vor, die unter dem Titel „Budgetbegleitgesetze“ zusammengestopft werden. Es sind 25 plus 2 Gesetze, und das geht vom Waffengesetz über das Strafvollzugs­gesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz, das Bundessozialamtsgesetz bis hin zum Glücksspielgesetz und zum Sportförderungsgesetz und, und, und.

Wieder einmal werden im Rahmen eines Budgetbegleitgesetzes wesentliche Rechts­materien behandelt. So sind in diesem Budgetbegleitgesetz etwa auch weit gehende kriminalpolitische und strafrechtspolitische Änderungen enthalten, die in einem Sam-


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melgesetz nichts zu suchen haben. Der Herr Finanzminister Grasser mag für vieles zuständig sein, aber für die Strafprozessordnung ist er ganz sicher nicht zuständig!

Meine Damen und Herren! Das hat darin nichts zu suchen, unabhängig davon, was hier geregelt wurde, zum Beispiel die Anhebung der Obergrenzen des Tagsatzes bei der Bemessung von Geldstrafen von 327 € auf 500 €. Dagegen kann man nichts einwenden. Diese Superregelung bringt allerdings nur etwas, Herr Gudenus, wenn man davon ausgeht, dass ein Straftäter ein Monatsgehalt von 8 000 € hat. Dann wäre sie budgetwirksam. – Wenn das Strafrecht und die Strafprozessordnung im Hinblick auf die Budgetwirksamkeit geändert werden, dann müsste man ja sagen: Hoffentlich werden viele Delikte begangen, damit die Gerichte viel Geld einnehmen können und viel an den Finanzminister überweisen können. – Das kann doch nicht das Ziel unserer Rechtspolitik sein!

Meine Damen und Herren! Gerade das Strafrecht gehört zu den Kernbereichen eines Staates, und der Kernbereich eines Staates kann doch nicht durch die Brille der Budgetpolitik gesehen werden, und diesbezügliche Änderungen können doch nicht in einem Sammelgesetz, das sich „Budgetbegleitgesetz“ nennt, versteckt sein!

Ich möchte, weil auch Minister Haupt hier ist, zweitens das Arbeitsmarktgesetz erwäh­nen. Auch dieses wird im Budgetbegleitgesetz nebenbei geändert. Es sind einige inter­essante Elemente beziehungsweise Änderungen darin enthalten, die, wie ich glaube, beide Oppositionsparteien – von uns weiß ich es sicher – gefordert haben, etwa die Möglichkeit, flexibler auf Rücklagen zurückgreifen zu können. Das ist etwas durchaus Positives.

Man muss sich dann aber durch den Dschungel dieser Budgetbegleitgesetze durch­arbeiten und sich die Details anschauen: So bringt etwa die in den Erläuterungen angekündigte Senkung des ALVG-Beitrages mit sich, dass diese bei gleich bleibendem Niveau an Arbeitslosen ohne Leistungskürzung in den nächsten zwei Jahren nicht möglich sein wird. – Es wird also konkret zu Leistungskürzungen kommen.

Dementsprechend muss man auch die Deckelung der Ausfallshaftung des Bundes sehen. Wir benötigen nicht gleich bleibende Mittel! Vielmehr brauchen wir in diesem Bereich – und dazu gibt es Studien, Herr Minister, die Sie kennen! – steigende Mittel!

All das sind Materien, die man ausführlich und ordentlich beraten muss und nicht in Sammelgesetzen durchpeitschen darf!

Als weiteres Beispiel nenne ich die „Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes“: Man kann sagen, dass auch das ein Detailproblem ist, doch für diejenigen, die davon betrof­fen sind, ist das alles andere als ein Detailproblem! Auch das wird hier geregelt: Diese „Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes“ – kurz: DLU – soll nun nicht mehr als Ersatzzeit im Pensionsrecht gelten. Wissen Sie, was das bedeutet und wen das trifft? – Das trifft in erster Linie junge Menschen, die keinen Arbeitslosensanspruch haben, aber eine Ausbildung absolvieren! Es wird also bei den Schwächsten eingegriffen, und man behandelt das als ein Detailproblem eines riesigen Budgetbegleitgesetzes. Damit zeigen wir aber gerade den betroffenen jungen Menschen die kalte Schulter.

Nächster Punkt: So nebenbei wird noch die Aichfeld-Murboden-Gesellschaft verkauft. Im Hinblick darauf stellen sich einige Fragen: Ist das auch wieder eine ganz schnelle Geldbeschaffungsaktion für das nächste Jahr? Wie sieht das aus: Ist das ein wichtiger Impulsgeber für die Region? Kann es eine sinnvollere Verwendung geben, oder geht es da, ähnlich wie bei den Bundesforsten, tatsächlich, wie gesagt, um eine ganz schnelle Geldbeschaffungsaktion für das nächste Jahr?

Selbst der Rechnungshof meint, dass es keine nachvollziehbare Herleitung der Be­träge und keine ausreichende Begründung für die von der Österreichischen Bundes-


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715. Sitzung / Seite 102

forste AG zu leistende Einmalzahlung in der Höhe von 100 Millionen € an den Bund gebe. – Da fragt man sich: Was steht eigentlich hinter dieser Kapitalaufstockung? Was bedeutet das? Auf jeden Fall kann sich Finanzminister Grasser über eine ganz schnelle Geldaktion für das nächste Jahr freuen. Tatsache ist, dass ab 1. Jänner 2005 für die nächsten Jahre die Pensionsanwartschaft und die Ansprüche der ehemaligen Bediensteten des Bundes- und Wirtschaftskörpers der ÖBf verschoben werden.

Nun zum Familienlastenausgleichsfonds: Die Verwaltungskosten für die Vollziehung des FLAF sollen aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen werden. Das stimmt mit den Zielen dieses Fonds nicht überein. Es geht dabei nämlich um eine zweckgebundene Verwendung von Mitteln unter dem Titel „Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie“. – Da werden Verwaltungskosten diktiert, und das widerspricht diesen Satzungen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Gerade aus der Sicht der Länder ist es etwas verwunderlich, dass Sie hier zustimmen. Diese Gelder enthalten nämlich Landesmittel, und es geht doch nicht an, dass Landesmittel als Finanzzuschuss für das Finanzminis­terium benutzt werden!

Außerdem ist nicht begründet, wieso ein Pauschalbetrag von 20 Millionen € an Kosten­ersatz nötig ist. Es wird einfach definiert, dass man aus verschiedenen Bereichen das Geld zusammenkratzen muss. Kollege Mayer! Ich gebe Ihnen die 15 Prozent! (Bun­desrat Mayer: Danke!)

Man kann es so oder so rechnen. Ich habe heute in der Früh die großzügigere Variante genommen, Sie nehmen jetzt die etwas einschränkende Variante von 15 Prozent. Aber Sie bestätigen die 15 Prozent, Herr Kollege! Das bedeutet seit 1996 einen Kaufkraft­verlust des Pflegegeldes um 15 Prozent. Jetzt geben wir 2 Prozent und feiern das als eine Großtat. Ich würde sagen: Es ist dies ein kleiner, richtiger Schritt, aber angesichts dessen, was wir den Pflegegeldbezieherinnen und -beziehern bisher an Kaufkraftver­lust zugemutet haben, ist es beschämend!

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne werden wir nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch wegen der Form, dass nämlich Sammelgesetze vorgelegt werden und damit aus Gründen der beziehungsweise mit Blick auf die leeren Kassen in Grund­rechtsmaterien, wie zum Beispiel das Strafrecht, eingegriffen wird, diesem Budget­begleitgesetz keine Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.19

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gude­nus. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.19

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine beiden Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat, glaube ich, durchaus zutreffend Kritik an diesen Sammelgesetzen als solchen geübt. Es ist aber ein knapper Zusammenhang zwischen den Gesetzen erkennbar, und deswegen würde ein solches Gesetz vom Verfassungsgerichtshof auch nicht beeinsprucht werden. (Bundesrat Schennach: Was? Da ist kein Zusammenhang erkennbar!) Das würde vom Verfassungsgerichtshof nicht beeinsprucht werden, Herr Kollege! (Bundesrat Schennach: Das ist interessant!)

Aber ich stimme Ihnen in der Kritik grundsätzlich zu. Ich meine auch, dass es durchaus scherzhaft oder zutreffend ist, von einem „Grenadiermarsch von Gesetzen“ zu spre­chen. Die halten jedoch einen leichten Gleichschritt und schreiten nicht gegeneinander. Folglich lässt sich das vertreten.


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 103

Ich werde mich in meinen Ausführungen nur auf das Pflegegeldgesetz beschränken. Sie haben schon darauf hingewiesen – Sie haben Recht –, dass innerhalb der letzten acht Jahre eine Geldentwertung von rund 15 Prozent eingetreten ist und wir jetzt eine Pflegegelderhöhung von 2 Prozent zu erwarten haben. Das wird gesetzlich vorgese­hen. Das ist zwar kein Anlass zum Jubeln, aber man kann wenigstens sagen: Besser diese 2 Prozent als gar nichts! Acht Jahre lang ist auf diesem Gebiet aus verschie­denen Gründen nichts geschehen. Jetzt kommen diese 2 Prozent; und wir haben auch die Zusage, dass im nächsten Jahr weitere 2 Prozent an Pflegegelderhöhung ausge­zahlt werden.

Welche Personenzahl ist davon betroffen? – In Österreich gibt es rund 300 000 Pflege­geldbezieher, die Zahl variiert, weil zum Glück manche der Pflegegeldbezieher, insbe­sondere wenn es junge Leute sind, nach der Genesung von einem Unfall wiederum voll einsatzfähig werden beziehungsweise unter eine niedrigere Pflegestufe fallen.

In Wien leben 70 000 Pflegegeldbezieher, für sie ist es natürlich bedauerlich, feststel­len zu müssen, dass sie nur mit wenig Geld bedacht werden. Denn: Was heißt 2 Pro­zent Erhöhung? – Die Pflegegeldbezieher in der niedrigsten Stufe bekommen rund 3 € im Monat – das muss man sich vorstellen! –, jene in der höchsten Stufe bekommen rund 30 € im Monat, also 10 Cent beziehungsweise einen Euro am Tag. Das ist natürlich ein Punkt, wo wir sagen müssen: Nehmen wir das Geld, es ist besser als nichts – aber Anlass zur Freude besteht nicht.

Wenn man bedenkt, dass in dieser Republik viel Geld ausgegeben wird, zum Beispiel für Asylwerber jährlich über 150 Millionen €, das Pflegegeld hingegen in der Höhe von 1,4 Milliarden € ist, dann kann man sagen: Es wäre doch schön, statt dass man Asylwerber mit unseren Geldern ausstattet, die Pflegegeldbezieher mit unserem Geld auszustatten.

Oder etwas, was den Herrn Finanzminister vielleicht mehr interessiert: Wenn man hört, dass Österreich jetzt einem der reichsten Länder der Erde – an Bodenschätzen, nicht an Lebensqualität –, nämlich dem Irak, 1,2 Milliarden € Schulden erlässt, dann wird man doch nachdenklich und sich die Frage stellen, warum man sich bei uns in Öster­reich so zurückhalten muss, den Bedürftigen etwas zu geben. Ständig heißt es, man soll den Gürtel enger schnallen, etwa bei den Pensionen, beim Pflegegeld, da und dort, und dann bekommt einer der an Bodenschätzen reichsten Staaten einen Schulden­nachlass von 1,2 Milliarden €. Das ist ein Staat, welcher in einem völkerrechtswidrigen Krieg durch die Amerikaner zusammengeschlagen worden ist; und jetzt sollen die Europäer – Pariser Abkommen – im Grunde genommen die Schulden, die die Iraker haben, auf null stellen.

Es wird also hier in Österreich etwas belastet: die Kontrollbank, die Banken, die Gewinne. Die Schulden verschwinden ja nicht, Herr Kollege! Die Schulden sind ja vor­handen, aber nicht mehr beim Irak, sondern irgendwo in Österreich, auf verschiedene Institutionen aufgeteilt. Ich verstehe manchmal wirklich nicht die Großzügigkeit von österreichischer Seite. Das bezeichne ich nicht als Nächstenliebe, sondern als „Fernstenliebe“, und die Nächstenliebe bleibt auf der Strecke, Herr Finanzminister!

Es wäre mir wirklich angenehm, einmal ... (Bundesrat Hösele: Wäre es Ihnen lieber, wenn der Saddam Hussein noch dort ist?!) – Der Kollege versteht die Situation viel­leicht nicht ganz. Auch die Schulden Madagaskars wurden gestrichen. Ich glaube, da ist der Betrag bedeutend geringer. Einer unserer größten Schuldner ist eben der Irak. Das wird jetzt großzügig gemacht werden. Ich finde das nicht sehr sinnvoll, speziell wenn man daran denkt, dass das Pflegegeld erst im Jahre 1993 eingeführt worden ist.


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715. Sitzung / Seite 104

In Deutschland gibt es eine andere Regelung, eine Pflegegeldversicherung. Ein eige­ner Beitrag muss dort gezahlt werden. Ich rege an, da die Frage des Pflegegeldes ein Problem ist, ebenfalls eine eigene Pflegegeldversicherung einzuführen.

Sicherlich, das betrifft jeden von uns, der dann etwas zahlen muss. Aber wie kommen jene dazu, die nichts gezahlt haben, nichts gemacht haben, dass sie das Pflegegeld von den Steuern aller Österreicher bezahlt bekommen?

Ich freue mich, dass Kollegen von den Sozialdemokraten für diese Anregung einer Einführung einer Versicherung, die aber Geld kostet, sind, also jeder individuell. In Deutschland wird jetzt noch darum gehadert, ob Kinderlose höher mit solch einer Pflegegeldversicherung und Familien mit Kindern mit einem geringeren Beitrag be­dacht werden. Das sind, so finde ich, wichtige Überlegungen.

Wir brauchen eine Pflegegeldversicherung, die den Personen, die sie zu empfangen haben, das gibt, was sie benötigen. Da meine ich, sind 2 Prozent zu wenig. Es soll aber ein Anfang sein. (Bundesminister Mag. Haupt spricht mit Bundesminister Mag. Grasser.) Dem Herrn Sozialminister sei gedankt, dass er mit dem Herrn Finanz­minister jetzt schon Verhandlungen über eine Erhöhung führt. (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

15.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.27

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf der Homepage des ÖVP-Wirtschaftsbundes steht: Unternehmerische Initiative lohnt sich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. – Wenn ich dieses Pasticcio an Bundes­gesetzen sehe – das sei an die beiden Herren Minister gerichtet –, die eigentlich eine nahtlose Fortsetzung einer Wirtschafts-, einer Budget- und einer Sozialpolitik sind, bei der es ganz einfach steil bergab geht mit der Entwicklung dieses Landes, dann muss ich sagen: Wenn das Christoph Leitl auf der Homepage des ÖVP-Wirtschaftsbundes tatsächlich so meint, dann lohnen sich unternehmerische Initiativen in diesem Land nicht mehr.

Vielleicht eine kleine Korrektur, die ich anbringen darf, weil es vorhin bei der Rede des Kollegen Kraml einen Zwischenruf gegeben hat, dass Kärnten mit der Jugendarbeits­losigkeit gar nicht so schlimm dastehe und wir Unkenrufe machen. Ich habe hier die Originalzahlen des AMS, und ich darf sagen – das ist an die Kollegen aus Kärnten gerichtet; es sind ja von dort Bürgermeister hier vertreten –: Ich denke, ihr solltet wirk­lich zutiefst betroffen sein, was diese Bundespolitik auch in eurem Bundesland auslöst. In Kärnten hat es so ausgeschaut, dass mit Stichtag 31. Oktober 2003 925 junge Menschen vergeblich einen Lehrplatz gesucht haben. Das, was ich jetzt sage, ist noch schlimmer: Am 31. Oktober 2004 suchten im Bundesland Kärnten 988 junge Menschen vergeblich nach einem Lehrplatz. – Das ist eigentlich beschämend! Es sind sowohl der Finanzminister als auch der Sozialminister zu befragen, warum dort solche Zustände herrschen.

Machen wir aber einen Sprung! Es war viel die Rede vom Pflegegeld. Ich bin ganz be­eindruckt vom Kollegen Mag. Gudenus, der sich hier der Pflegegeldfälle angenommen hat. Das betrifft in der Regel ältere Menschen. Jetzt muss man sich einmal Folgendes vorstellen, meine Damen und Herren: Diese Bundesregierung hat zu verantworten, dass die Durchschnittspension einer Arbeiterin in diesem Land monatlich 518 € aus­macht. – So schaut es aus!


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 105

Ich komme aus dem Wirtschaftsbereich. Auch eine Gewerbetreibende hat in diesem Land nur eine Durchschnittspension von monatlich 807 €. Das sind ungefähr die Beträge. Ich erspare Ihnen jetzt, dass ich das noch auf Tage umrechne. Herr Bundes­minister Grasser, einen Jaguar kann man sich damit sicher nicht ersparen, auch nicht ein ganzes Pensionistenleben lang.

Jemand in einer öffentlich-rechtlichen Institution hat einmal ausgerechnet, wie seit dem Jahr 2001 die Belastung der Bevölkerung durch diese Bundesregierung gestiegen ist, umgerechnet pro Person, und zwar kam er dabei auf 232 €. Das muss man sich einmal vorstellen! Es ist diese Politik nicht dazu angetan, da etwas zum Positiven zu wenden. Die so genannte Entschuldung, Herr Bundesminister Grasser, hat offensichtlich nicht stattgefunden, wenn seit dem Jahr 2001 die Verschuldung der Bevölkerung, umge­rechnet pro Kopf, jetzt 3 000 € ausmacht. Sie haben wirklich einen Rekord gebrochen. Wir haben jetzt in dieser Republik einen Schuldenstand, wie er seit dem Jahr 1945 noch nie dagewesen ist. Das ist ein Faktum!

Jetzt komme ich zu einem Punkt ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Da hat eure Fraktion fleißig dazu beigetragen!) – Da sind Sie aber in einem großen Irrtum, Kollege Gude­nus. Sie sind ein begnadeter Historiker, auch Zeitgeschichtler, glaube ich. Schauen Sie sich einmal auf einer Zeittafel an, wann diese Schulden wirklich gemacht wurden! Ganz sicher nicht während der sozialdemokratischen Alleinregierung! (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.) – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen sprechen leider eine ganz andere Sprache.

Wenn ich mir anschaue, wie man mit dem Geld, mit dem Budget – es ist jetzt von einem Budgetbegleitgesetz in dieser Republik die Rede – umgeht, dann muss ich sagen: Das ist eigentlich mehr als blamabel. Wenn ich mir vorstelle, wie Anteile an der voestalpine, an Böhler Uddeholm, an der VA-Tech verkauft wurden, so muss ich sagen: Diese Situation ist eine sehr blamable Geschichte. (Bundesrat Mag. Baier: Wer war denn dort?) Alleine diese drei Beteiligungen würden Sie heute um einiges mehr verkaufen können, würden 230 Millionen € mehr bringen, glaube ich, Herr Bundes­minister, wenn Sie damit an der Börse wären.

Jetzt kommt eigentlich der dicke Hund, wenn ich das ganz salopp sagen darf. Nun tritt in dieser wirklich eher chaotisch anmutende Wirtschafts-, Industrieausverkaufspolitik dieser Bundesregierung ein Herr Kovats auf den Plan und macht in eineinhalb Jahren mit diesen von Ihnen, Herr Bundesminister Grasser, ausverkauften Werten einen Ge­winn von 80 Millionen € an der Börse. Wer das von den älteren Semestern hier herin­nen noch nicht so realisiert hat – das ist sage und schreibe 1 Milliarde Schilling! Man hat also Staatseigentum dieser Republik zum Spekulantenpreis abgegeben. Das sind die Fakten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was bedeutet die Vielzahl dieser Gesetze, die in so einem großen Ausmaß Belastun­gen werden, wie Kollege Gudenus gesagt hat, für jene, die es sich in dieser Republik nicht richten können wie Herr Kovats? Was bedeutet das wirklich? Was bedeutet das zum Beispiel im kleingewerblichen Bereich? Im Vorjahr haben in meinem Bundes­land – ich komme aus Oberösterreich – Ihre Gesetzeswerke und deren Folgen für 700 kleine Unternehmerinnen und Unternehmer wirklich das Aus bedeutet.

Erstmals gibt es auch einen Rekord in Oberösterreich, Herr Bundesminister Grasser. Von 700 Insolvenzen der ersten drei Quartale des Jahres 2004 waren erstmals die Hälfte solche, die mangels Masse überhaupt abgewiesen werden mussten. – So schaut das dort aus. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.)

Ich höre jetzt, dass man doch etwas Soziales entdeckt, dass die Wirtschaftskammer sagt: Ja, bringen wir die alten Gesetze wieder zum Leben! Wir sagen doch, dass dieser von Ihnen so viel geschmähte Entgeltfortzahlungsfonds wieder aktiviert werden soll! –


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 106

Ich höre, es gibt inzwischen einen Ministerratsbeschluss betreffend Entgeltfortzah­lungsfonds neu. Damit soll den kleinen Betrieben mit bis 50 Mitarbeitern geholfen wer­den. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen – das betrifft beide Minister, Sie haben ja beide Ihre Aufsichtsbeamten im Hauptverband der Sozialversicherung sitzen –: Das ist eine Mogelpackung!

Betriebe sollen jetzt Krankenstände refundiert bekommen, wenn sie länger als zehn Tage dauern. Schauen wir uns das einmal an! Das Handbuch der Sozialversiche­rung 2004 hat wahrscheinlich der Herr Bundesminister für Soziales zumindest auf dem Nachtkastl, wenn nicht unter dem Kopfpolster. Ich habe geglaubt, ich sehe nicht die richtigen Zahlen. Der durchschnittliche Krankenstand in Österreich dauert bei einer Frau knapp über elf Tage, bei einem männlichen Arbeitnehmer knapp über zwölf Tage. Die Unternehmerin und der Unternehmer mit einem kleinen Betrieb kann jetzt rechnen, dass sie/er vielleicht einen Tag oder zwei Tage durchschnittlich refundiert bekommt. Jetzt hat die Wirtschaftskammer irgendetwas ausgerechnet, das wird 30 Millionen € kosten. Was immer das kosten mag, bringen wird es dem kleinen Unternehmer, der kleinen Unternehmerin nichts!

Meine Damen und Herren! Das sind die Fakten. Es ist jetzt im Rahmen der Budget­begleitgesetze viel die Rede auch von jungen Menschen gewesen. Gestern fand in diesem Haus eine Bildungsenquete statt. Wir müssen es langsam wirklich sehr zu schätzen wissen, wenn sich Mitglieder dieser Bundesregierung überhaupt hier in diesem Hohen Haus mit den Problemen, für die sie eigentlich bestellt sind, ausein­ander setzen. Nicht einmal die zuständige Ressortchefin, Frau Bundesminister Gehrer, war dort zugegen. Ich möchte an dieser Stelle ein Kompliment an den Kollegen von der ÖVP richten (in Richtung des Bundesrates Dr. Schnider), der aus dem Schulwesen kommt, der dort sehr profund alles sehr kritisch in Frage gestellt hat. Es ist eigentlich bedauerlich, wenn man sich vom Ministerium aus dieser Themen nicht annimmt.

Abschließend noch Folgendes, weil immer wieder erklärt wird, es stehe alles zum Bes­ten, es gebe lauter positive Zahlen und wo wir das überhaupt herhätten: Ich muss hier wirklich noch den Bildungsbereich ansprechen, der das Budget natürlich fordert, Herr Bundesminister. Keine Frage! Da möchte ich schon fragen: Wohin sind wir denn mit den Studiengebühren, einer Reduzierung der Uni-Budgets und der Autonomie gekom­men? – Herr Professor Böhm schüttelt irgendwie den Kopf. Ich glaube, Ihr Rektor an Ihrer Universität ist anderer Meinung, wie es dort aussieht.

Nach dem OECD-Bericht gibt es bei den Studienanfängern von 100 Personen eines Jahrganges in Australien 77, in Finnland 71, in den USA 64, in Ungarn 62, in den Niederlanden 53, im OECD-Schnitt 51, in Dänemark 60, in Italien 50, in Spanien 50, in Großbritannien 47, in der Slowakei 44, in Japan 41, in Irland 39, in Frankreich 37, in Deutschland 35 und in der Schweiz 35. Österreich liegt noch einen Platz vor der Tschechischen Republik, nämlich mit 31 Studienanfängern, Tschechien hat 30.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man wird dieses Budget noch einmal samt seinen Budgetbegleitgesetzen überdenken müssen. Gestern bei dieser Enquete hat jemand Salvador Dalí zitiert. Der hat gesagt, er würde sich immer am liebsten an die Zukunft erinnern.

Meine Damen und Herren! Mir schaudert vor dieser Zukunft mit dieser Bundesregie­rung! (Beifall bei der SPÖ.)

15.37

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. – Bitte, Herr Minister.

 



Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 107

15.37

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz zu den aufgeworfenen Fragen meinen Bereich betreffend Stellung beziehen. Ich darf hier zur Erhöhung des Pflegegeldes sagen: Selbstverständlich hätten wir uns alle mehr vorstellen können, vor allem die pflegebedürftigen Menschen. Aber im Gegensatz zum Jahre 1996 hat es diesmal eine echte Erhöhung für alle Pflegegeldbezieher gege­ben und nicht eine Kürzung in den Bereichen, wo die Angehörigen zuhause gepflegt werden, zugunsten jener, die in der Pflege der Länder sind.

Weil gerade vom Land Oberösterreich ein Überprüfungsverfahren zum Pflegegeld vor dem Verfassungsgerichtshof eingeleitet worden ist, sage ich, dass der seinerzeitige Konsens von 1993 zwischen Bund und Land, das Pflegegeld in entsprechender Form bereitzustellen und zu finanzieren, durchaus über mehr als ein Jahrzehnt Bestand hatte und dass es auch deswegen so lange gedauert hat, weil manche Bundesländer versucht haben, von den in Heimbetreuung Befindlichen auch noch das Taschengeld zur Bezahlung der eigenen Kosten der Pflegeheime zu bekommen und damit Pflege­geld quasi in die Landesfinanzierung umzuleiten.

Ich bin selbst gespannt, wie das Überprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichts­hof ausgehen wird. Ich bin sehr zufrieden, dass es jetzt diese Möglichkeit der Überprü­fung durch den Verfassungsgerichtshof gibt. Im Vergleich zur Zeit der großen Koalition, als solche Unterfangen durch einfache verfassungsgesetzliche Maßnahmen den Ge­richten entzogen worden sind, ist da jetzt aus meiner Sicht eine deutliche Verbesse­rung der Lage des Rechtsstaates gegeben. Ich darf auch sagen: Solange ich Sozialmi­nister bin, so lange werde ich nichts unternehmen, um das ohnehin karge Taschengeld der Pflegebedürftigen zu kürzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin den Ländern Niederösterreich, Burgenland, Tirol, Vorarlberg und vor allem dem Bundesland Kärnten dankbar dafür, dass sie derzeit diesbezüglich bereits Gesetzesini­tiativen in Vorbereitung haben. Kärnten wird bald als erstes Bundesland die Erhöhung des Pflegegeldes um 2 Prozent durchgesetzt haben. Ich hoffe, dass in Einklang mit den Artikel-15a-Vereinbarungen auch die noch säumigen Bundesländer Oberöster­reich, Wien und Salzburg den Maßnahmen der anderen Bundesländer folgen werden.

Herr Kollege Schennach, ich bin zwar Sozialminister, ich darf Sie aber bitten, den Adressaten für Fragen betreffend das Arbeitsrecht dort zu suchen, wo er gemäß der Verfassung zu finden ist.

Ich werde aber gerne auch zur Situation der Lehrlinge in meinem Heimat-Bundesland Stellung beziehen: Die Zahlen der Lehrplätze sind das eine, und die Ausbildungs­plätze, die wir gemeinsam mit der Arbeiterkammer und den großen Betrieben in Kärnten zur Verfügung gestellt haben, sodass die jungen Menschen nicht auf der Straße stehen, sondern Nachschulungen, Einschulungen und Kurse zur Vorbereitung auf die Lehre bekommen, sind eine sinnvolle Maßnahme, durch die durchaus auch das umgesetzt wird, was von Seiten der Bundesregierung, aber auch von Seiten der Länder den jungen Menschen versprochen worden ist, dass nämlich jene, die in der ersten Phase keinen Lehrplatz bekommen, über die Auffangnetze in der Schulphase kontinuierlich in die Lehre und in die Berufsphase übergeführt werden.

Es ist falsch, dass diese Bundesregierung nichts gemacht hat: Gemeinsam mit Kolle­gem Bartenstein haben wir – auch unter dem Applaus beider Oppositionsparteien – mit dem Lehrlingsbeauftragten Blum, so glaube ich, eine hervorragende Arbeit und eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auf die Beine stellen können, sodass wir für die Lernwilligen in diesem Lande in Zukunft Verbesserungen erzielen können.


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Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass wir mit der Teillehre für den Bereich der behinderten Jugendlichen einen Meilenstein in der Berufsausbildung gelegt haben und dass wir darüber hinaus auch die Möglichkeit geschaffen haben, das Polytechnikum dort, wo es Lerndefizite gibt und wo es schulische Defizite gibt, so zu wiederholen, dass die Kinder und die Jugendlichen dann tatsächlich auch berufsreif von ihrer Qualifi­kation her für die Anforderungen des Berufslebens ausgerüstet sind.

Ich glaube, wenn man sich die Geschichte des Pflegegeldes ansieht, so ist zu sagen, dass man mit der Kritik, wenn man nur das Pflegegeld allein betrachtet, vielleicht Recht haben mag, insgesamt sind aber im Bereich des Pflegegeldes in der Zeit, in der ich als Bundesminister dafür zuständig war, folgende Verbesserungen eingetreten: das Pflegegeld ab der Geburt im Jahr 2001; die Einführung von Maßnahmen zur Qualitäts­sicherung ebenfalls 2001; die Förderungen der Pflegevorsorge; die Pflegestufen 3 und 4 im Rahmen der Pflege in der Familienhospizkarenz; die Ausdehnung der begünstig­ten Weiterversicherung in der Pensionsversicherung auf Personen, die einen nahen Angehörigen pflegen; Pflegestufe 4 ab 1. Jänner 2001, Pflegestufe 3 ab 1. September 2002, um auch die Situation der Familienangehörigen zu verbessern; die Erhöhung des Zuschusses zum Pflegegeld für die Pflegestufen 4, 5, 6 und 7 um 50 Prozent; beitragsfreie Mitversicherung bei Pflege von Angehörigen, die Pflegegeld zumindest der Stufe 4 beziehen; der Unterstützungsfonds für pflegende Angehörige in der Höhe von 10 Millionen €; die Valorisierung des Pflegegeldes jetzt; und innerhalb des Pensi­onssystems auch die Möglichkeit für Angehörige, die ihre behinderten Kinder selbst betreuen, sich vom 30. bis zum 40. Lebensjahr selbst versichern zu lassen, und diese Selbstversicherung in der Pensionsversicherung und der Krankenversicherung wird vom Familienlastenausgleichsfonds übernommen. Auch da ist durch die Bundesgaran­tie beim Familienlastenausgleichsfonds in der jetzigen Finanzsituation diese Leistung übernommen worden.

Ich glaube daher, dass das Gesamtpaket im Bereich der Pflege durchaus ein soziales ist. Die Organisationen aus dem Behindertenbereich haben mir versichert, dass sie meine Arbeit durchaus zu schätzen wissen und sich auch dafür einsetzen werden, dass wir das Paket der Behindertenintegration in all jenen Bereichen, die für die volle Teilhabe der Menschen wichtig sind, noch gemeinsam im Parlament verabschieden.

Noch eine Anmerkung zur Pension: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wenn Sie hier die Durchschnittszahlen anführen, dann sollten Sie nicht vergessen, dass die Neuzu­gänge zur Pension um ungefähr 40 Prozent höher sind als jene, die sich im Pensions­stock befinden. Jene, die sich im Pensionsstock befinden, sind jene Pensionisten, die vor dem Jahr 2000 in Pension gegangen sind. Wenn Sie daher die Durchschnittszah­len der niedrigen Pensionen dieser Bundesregierung alleine anlasten wollen, irren Sie sich: Die geringen Pensionen von Tausenden Frauen und Männern innerhalb des Pen­sionsstocks sind die Auswirkungen der Sozialpolitik der achtziger und neunziger Jahre, und wir bemühen uns (Bundesrätin Bachner: Es noch weiter hinunterzutreiben!), kontinuierlich gerade für die unteren Pensionsbereiche eine Erhöhung durchzuführen. (Bundesrat Konecny: Es hinunterzubringen! – Bundesrätin Bachner: Ja!)

Im Bereich des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende werden wir am Ende des Jahres noch immer um 0,1 Prozent – auf die Legislaturperioden 2000 bis 2004 gerechnet – über der Inflationsrate liegen, und die Familienangehörigen, nämlich der Ehepartner, mit 1 035 € liegen deutlich über der Inflationsrate der Jahre 2000 bis 2004. Gerade in diesem Bereich, der immer als jener der sozial Schwächsten diskutiert wird, hat es in der Vergangenheit keine solchen Erhöhungen gegeben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weil immer wieder die Kritik zu hören ist, dass das neue Pensionsharmonisierungssystem unübersichtlich ist, darf ich Sie darauf hinwei­sen, dass es zwei Teile gibt: Der eine Teil sind die Überleitungs- und Anpassungsge-


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setze, die sehr unterschiedliche Pensionssysteme, die gewachsen sind, schlussendlich in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten in das einheitliche neue Pensions­system zusammenführen müssen, die die verfassungsmäßigen Regeln zu beachten haben, die die Rahmenbedingungen, die der Gesellschaft auch zumutbar sind, zu beachten haben und die ein ausuferndes standespolitisches System schlussendlich in das allgemeine Pensionssystem für alle Österreicherinnen und Österreich zusammen­führen.

Jeder, der sich mit der Materie in der Tiefe beschäftigt und nicht, wie Kollege Schenn­ach so schön gesagt hat, hier am Rednerpult esoterische Wiederholungen betreibt, wird zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Harmonisierung über mehrere Jahre nicht ein einheitliches System sein kann, denn wenn ich von unterschiedlichen Ausgangs­punkten ausgehe, kann in den gleichen Zielpunkt am Ende des Tages nur über verschiedene Wege erreichen und nicht auf einem Weg. Ich glaube, es war nie daran gedacht, manchen Berufsgruppen überproportional, wie etwa den Richtern 35 und 40 Prozent, wegzunehmen und anderen Berufsgruppen gar nichts wegzunehmen, sondern es war daran gedacht, auch bei diesen Harmonisierungen die Grundsätze der Verfassungsmäßigkeit und der Zumutbarkeit einzuhalten.

Ich darf hier auch zu etwas, was in der Öffentlichkeit immer diskutiert worden ist, Stellung nehmen: Wenn ich mein eigenes Pensionssystem ansehe, dann, sehr geehrte Damen und Herren, darf ich Sie darauf hinweisen, dass ich von meinem günstigsten Pensionsantrittszeitpunkt, den ich gehabt habe, inzwischen in der Zeit, in der ich Sozialminister bin, die Leistungen, die ich einmal bekommen werde, um 50 Prozent gekürzt habe. Das ist durchaus im Interesse der Staatsbürger, weil ich glaube, dass es Politikern mit einer Einkommenspyramide, so wie wir es sind, zumutbar ist, entspre­chende Beitragsleistungen zu tätigen. (Beifall bei den Freiheitlichen, bei Bundesräten der ÖVP und bei den Grünen.)

Dass ich nicht in das neue System übertreten konnte, verdanke ich jenen, die 1995 diese Fakultativität verboten haben. All jene, die nunmehr glauben, von ihrem seiner­zeitigen Beschluss im Jahre 1995 ablenken zu können, sollten sich an die damalige Situation erinnern. Ich habe damals als Sozialsprecher meiner Partei gefordert, für alle Bereiche das fakultative Übertrittsrecht zu normieren und nicht das Verharren im alten System, und ich bitte, das auch in der Diskussion in der Öffentlichkeit und im privaten Bereich in die Darstellung mit einzubeziehen, denn ich möchte im Sozialministerium nicht Trittbrettfahrer sein, sondern ich werde peinlichst darauf achten, dass uns nicht wieder ein Fehler passiert wie seinerzeit, wo Scherbaum, Götz und andere vor dem Verfassungsgerichtshof alles das, was ihnen sinnvollerweise an Leistungskürzungen zugemutet worden ist, wieder zu 100 Prozent samt Zinsen zurückbekommen haben. Wir werden darauf achten, dass auch von Seiten unserer Politiker im alten System die Teile des Solidaritätsbeitrages im Interesse aller harmonisch und Stück für Stück verfassungskonform geleistet werden.

Eines darf ich hier aber auch sagen: dass auch die Leistungsgrenze zwischen kleinen und großen Politikern – 8 Prozent bis zur Höchstbemessungsgrundlage des ASVG und 15 Prozent darüber – für alle gilt, sodass sich auch der eine oder andere Altpolitiker, der heute in Pension ist, über die Solidaritätsleistungen beschwert, die ich für ihn auf­rechterhalte.

Die öffentliche Diskussion und die Tatsache, dass auch hier Solidarität verlangt wird, sind offensichtlich zwei unterschiedliche Punkte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


15.49


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 110

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Wiesenegg zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm für maximal 5 Minuten das Wort.

 


15.49

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, ich fühle mich wirklich zu einer Berichtigung genötigt: Ich denke, ich kann Ihnen aus der Sicht von Tirol nur mitgeben, dass niemand in Tirol beabsichtigt hat, das Taschengeld von Pflegegeldbeziehern in irgendeiner Weise zu kürzen oder anderweitig zu verwenden. Ich zähle mich selbst zu einem der größten Heimträger und bin dafür verantwortlich, und ich halte es für wichtig, das hier in diesem Hohen Hause festzuhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

15.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Sozialminister. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.49

Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte nur kurz zur Verdeut­lichung Folgendes sagen: Es liegen die Anträge der Bundesländer aus den Sozial­referententagungen vor. Ich habe nicht das Land Tirol apostrophiert, sondern ich habe gesagt: von Seiten der Bundesländer. Diese Bemerkung ist, weil es sich nicht nur um ein einzelnes Bundesland gehandelt hat, aufrechtzuerhalten.

Ich bin aber sehr zufrieden, Herr Kollege, dass Sie als Heimerhalter genau die gleiche Sicht haben wie ich als Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, dass nämlich das Taschengeld für die Pflegegeldbezieher ein wichtiger Beitrag ist zu dem, was sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit vorgenommen hat, nämlich ein selbst bestimmtes und auch ein selbst gewünschtes Leben – wenigstens in den Bereichen des geringen Taschengeldes – aufrechtzuerhalten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.50

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister für Finanzen.

 


15.50

Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser: Herr Präsident! Herr Kol­lege Haupt! Sehr geehrter Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen von meiner Seite zum Budgetbegleitgesetz:

Herr Bundesrat Schennach hat gesagt, dem Inhalt und der Form nach kann er diesem Budgetbegleitgesetz auch aus Sicht seiner Fraktion nicht zustimmen. – Meine Damen und Herren, einer der wenigen Punkte, die von der Opposition im Nationalrat positiv herausgegriffen worden sind, war, dass man die Kritik der Opposition an den letzten Budgetbegleitgesetzen offensichtlich von Seiten der Bundesregierung ernst genommen hat, weil das jetzige Budgetbegleitgesetz ein schlankes Budgetbegleitgesetz ist, aus nur 25 Artikeln besteht und damit mit der Praxis der Vergangenheit Schluss gemacht wurde. Insofern, Herr Bundesrat, sind Sie nicht ganz in Übereinstimmung mit Ihren Fraktionskollegen (Bundesrat Konecny: Nein, wir sind der Bundesrat!), und ich darf Sie, um den Gegensatz zu vorherigen Jahren aufzuzeigen, erinnern:

1996 hatte das Strukturanpassungsgesetz 98 Artikel, 1997 gab es ein erstes und ein zweites Budgetbegleitgesetz, 1995 hat das Strukturanpassungsgesetz 44 Artikel um­fasst, und es hat vorher auch Strukturanpassungsgesetze und daneben noch sozial­rechtliche Strukturanpassungsgesetze gegeben. – So viel zu Sammelgesetzen in der


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Vergangenheit, und so viel zu einem 25 Artikel umfassenden Budgetbegleitge­setz 2005, das nachweisbar die Kritik der Opposition aufgegriffen hat und schlank und in guter Form ausschließlich das regelt, was mit dem Budget im Zusammenhang steht.

Meine Damen und Herren, ich darf im Folgenden einige Beispiele herausgreifen. Es ist die besondere Bundessportförderung angesprochen worden. Da ist es dem Bundes­kanzler und dem Staatssekretär Schweitzer offensichtlich ein großes Anliegen gewe­sen, zu sagen: Tun wir etwas Außerordentliches für den Sport!, und wir haben aus einem Betrag von 37,8 Millionen €, der bisher zur Verfügung gestanden ist, und einer gedeckelten Relation der Umsatzerlöse der Österreichischen Lotterie zu dem besonde­ren Sportbudget die Deckelung aufgehoben – das ist in Zukunft nicht mehr gedeckelt –, und es gibt Mindestzusagen, was die Ausgaben betrifft, von 40 Millionen € jährlich; wahrscheinlich wird der Betrag deutlich darüber liegen. Das heißt: ein wesentlicher Erfolg für den Sport, durch den Bundeskanzler, durch Karl Schweitzer ausverhandelt. Ich glaube, dass das ein wichtiger Punkt ist, sowohl gesellschaftlich als auch für die Prävention im Gesundheitsbereich, und daher ein guter Teil dieses Budgetbegleit­gesetzes. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Was den Artikel 7, die Änderung des Bundeshaushalts­gesetzes, betrifft, möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses Dank sagen, denn wir haben noch nie in den letzten Jahrzehnten – auch das wurde im Nationalrat anerkannt – so umfassend und so früh informiert, wie das diesmal der Fall war. Wir haben einen Tag vor der Budgetrede im Hohen Haus den Abgeordneten zur Verfügung gestellt: erstens die Budgetrede selbst, zweitens den Bundesvoran­schlag 2005, das Bundesfinanzgesetz, die Erläuterungen zum Bundesfinanzgesetz, den Budgetbericht, die gesamten Teilhefte. Es hat noch nie so früh und so umfassend eine übersichtliche Information gegeben, und zwar eine neue, eine transparente. Wenn Sie sich anschauen, wie die gesamten Budgetmaterialien neu gestaltet worden sind, dann werden Sie erkennen, dass wir hier eine komplett neue Form der Darstellung ge­wählt haben, die wesentlich informativer ist, wesentlich leichter durchschaubar ist. Es ist uns ein Anliegen, den Nationalrat und den Bundesrat bestmöglich zu informieren. Eine Grundlage dafür hat uns auch der Artikel 7 mit der Änderung des Bundeshaus­haltsgesetzes gegeben.

Meine Damen und Herren! Sehen wir uns den Artikel 12 an, weil der Arbeitsmarkt angesprochen wurde – Herbert Haupt hat dazu auch kurz Stellung genommen! Nun kann man kritisieren: Wir setzen im Bereich des Arbeitsmarktes zu wenig Geld ein. – Aber wir setzen im Bereich der aktiven und aktivierenden Arbeitsmarktpolitik 1,5 Milliar­den € ein! Das ist im Vergleich zum Jahr 1999, in dem die alte Bundesregierung Verantwortung getragen hat, praktisch doppelt so viel – doppelt so viel, meine Damen und Herren, für die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik! Nur deswegen sind wir in der Lage, sagen zu können: zweitniedrigste Jugendarbeitslosigkeit unter 25 Ländern in der Europäischen Union, drittniedrigste Arbeitslosigkeit in der gesamten Europäi­schen Union, Rückgänge auch bei wesentlichen Gruppierungen bei der Inländer­arbeitslosigkeit bereits jetzt, auch eine große Zuversicht von uns, dass uns durch mehr Wirtschaftswachstum, durch einen Wirtschaftsaufschwung – auch mitbewirkt durch die Steuerreform – die Wende auf dem Arbeitsmarkt, wo wir bereits jetzt um 100 000 Be­schäftigte mehr haben als im Jahr 1999, gelingen wird und dass es uns – Martin Bartenstein und seiner Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregie­rung – gelingen wird, im nächsten Jahr die Arbeitslosigkeit zu senken. – Daher ein wesentlicher Erfolg im Artikel 12! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der letzte Punkt, meine Damen und Herren, den ich hier anspreche, was das Budget­begleitgesetz betrifft, ist das Bundespflegegeld – Artikel 19 –; es ist bereits angespro­chen worden. Ich kann nur sagen: Es ist ein schöner Erfolg des Bundesministers


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Haupt, der das ja auch zum Ausdruck gebracht hat. Man kann immer sagen: Mehr ist besser! – das sage ich auch als Finanzminister, das ist ja überhaupt keine Frage, meine Damen und Herren –, aber wenn man eine zweiprozentige Erhöhung schafft in einer Situation, in der man weiß, dass seit 1995 nicht angepasst worden ist, und wenn man genau überlegt: Wo setzen wir Schwerpunkte? und wenn wir im Jahr 2005 29,5 Millionen € mehr für die Pflege einsetzen, dann denke ich, dass das ein wichtiger Erfolg ist. Gerade dann, wenn die Sozialdemokraten das kritisieren, möchte ich daran erinnern, dass es kein Geringerer war als Abgeordneter Gusenbauer, der vor wenigen Jahren noch darüber diskutiert hat, dass es ein ökonomischer Fehler war, das Pflege­geld einzuführen, und der dann mit dem Bundesminister Hesoun eine entsprechende Debatte darüber geführt hat, dass das ein völliger Unsinn ist. – Daher: Sie können sicher sein, dass wir beim Pflegegeld entsprechende Schwerpunkte setzen, und daher ist es ein Erfolg, wenn man nicht nur darüber redet, sondern auch den Beweis dafür liefert, dass erstmals seit fast zehn Jahren tatsächlich eine Erhöhung des Pflegegeld­gesetzes von uns umgesetzt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als letzte Punkte einige grundsätzliche Bemerkungen, meine Damen und Herren: Herr Bundesrat Schimböck hat eine faszinierende Rede gehalten über ein Land, das nicht Österreich sein kann. (Zwischenrufe bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.) Meine Damen und Herren, ich sage das deswegen, weil ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit auch für die Opposition vielleicht ein wichtiger Punkt sein könnte. (Ruf bei der SPÖ: Das stellen Sie fest!) Wissen Sie, wenn Abgeordneter Gusenbauer im Nationalrat sagt, das Defizit sei zu hoch, die 1,9 Prozent seien viel zu viel, und gleichzeitig sagt, die Steuerreform, die wir gemacht haben, sei minimini, dann darf ich dazu schon sagen, meine Damen und Herren: Wenn man eine größere Steuerreform gemacht hätte, dann wäre wahrscheinlich auch das Defizit höher gewesen! – Das heißt, beides passt offensichtlich irgendwie nicht zusammen. (Bundesrat Boden: Gibt es nichts mehr zu verkaufen?)

Zum Zweiten muss ich Ihnen sagen: Wenn die Sozialdemokraten gesagt haben – bei den Wirtschaftsprogrammen weiß man ja nicht, welches man gerade zitieren soll –, wir sollen die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent senken, und wir genau das gemacht haben, dann fragt man sich: Warum stimmt die Sozialdemokratie gegen die Entlas­tung? (Bundesrat Konecny: Weil eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht stattgefunden hat!)

Weiters, meine Damen und Herren, hat die Sozialdemokratie 1,5 Milliarden Entlastung für die Arbeitnehmer und für die Pensionisten verlangt. Was haben wir gemacht? – 1,5 Milliarden € an Entlastung für die Arbeitnehmer, für die Pensionisten, für die Bauern, für die Pendler, für die Alleinerzieher in diesem Land. – Die Sozialdemokratie stimmt gegen die Entlastung! (Bundesrat Gruber: Das glaubt er ja selbst nicht! – Bundesrat Mag. Pehm: Dieses Politisieren von der Regierungsbank aus ist nicht okay!)

Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen: Dieses Defizit von 1,9 Prozent ist mir als Finanzminister – das gebe ich offen zu – zu hoch. Wir werden alles tun, damit dieses Defizit wieder herunterkommt. Aber, meine Damen und Herren, wenn man gerecht und fair sein will und dieses Defizit so beurteilt, wie es international beurteilt wird, dann darf man sagen: Wir sind mit 1,9 Prozent gesamtstaatlichem Defizit die Fünftbesten in der Euro-Zone – also von den zwölf Ländern, die die Wirtschafts- und Währungsunion bilden, die Fünftbesten –, von den 25 Mitgliedsländern der Europäischen Union die Neuntbesten. Wir haben dieses Defizit deswegen, weil wir gemäß folgender Über­legung gehandelt haben: Die Entlastung ist gerade jetzt, wo die Wirtschaft gedreht hat, wo der Aufschwung begonnen hat (Bundesrat Gruber: Nur sieht man ihn nirgends!), ein extrem wichtiger Punkt. Es ist die Verpflichtung dieser Bundesregierung, den Aufschwung möglichst rasch und möglichst stark nach Österreich zu bringen.


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715. Sitzung / Seite 113

Daher bin ich stolz auf diese Steuerreform, stolz auf den Quantensprung, den wir für den Wirtschafts- und Arbeitsstandort Österreich schaffen, stolz auf die größte Steige­rung der Kaufkraft seit zehn Jahren! (Bundesrätin Bachner: Ich frage mich, wer eine Kaufkraftsteigerung erlebt hat!) Sie werden merken, dass nach einem exportgetrie­benen Aufschwung, den es heuer gibt, ein konsum- und ein investitionsgetriebener Aufschwung in den nächsten Jahren kommen wird und damit Österreich eine sehr gute Entwicklung im europäischen Vergleich machen wird! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Abschließend zu Bundesrat Schimböck, weil er hier über die Finanzschuldenentwick­lung und über die ÖIAG geredet hat: Ich meine, ich könnte mich mit Ihnen länger be­schäftigen, Herr Bundesrat, aber ich versuche, mich relativ kurz zu fassen. Ich nenne Ihnen nur ein paar Daten: Die Abgabenquote hat im Jahr 1999, als Sie Verantwortung getragen haben, 43,7 Prozent ausgemacht. Die Abgabenquote macht im nächsten Jahr 41,7 Prozent aus (Bundesrat Gruber: Wie viel macht sie heuer aus?), und 2006 wird sie 40,6 Prozent betragen. (Bundesrat Gruber: Herr Kollege, wie viel macht sie heuer aus?) Wie viel sie heuer ausmacht? Heuer macht sie 42,8 Prozent aus, und das, Herr Bundesrat, ist 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weniger, als Sie belastet haben. Wir kommen auf 40,6 Prozent herunter, und Sie werden dann anerkennen müssen, wenn Sie fair und gerecht sind (Bundesrat Gruber: Wann ist diese Märchen­stunde aus?), dass es keine Bundesregierung gegeben hat ... (Bundesrat Gruber: Wann ist diese Märchenstunde aus?) – Ich weiß schon, dass Sie die Wahrheit nicht gerne hören (Bundesrat Gruber: Die Wahrheit schon, aber keine Märchen!), weil der Vergleich einfach uns sicher macht in unserer Politik, Herr Bundesrat!

Faktum ist aber (Bundesrat Gruber: Die Wahrheit hören wir gerne! Aber keine Mär­chenstunde wie im Kindergarten!): Diese Bundesregierung ist jene, die die Steuern und Abgaben in der Zweiten Republik am stärksten gesenkt hat.

Wir glauben, dass das wichtig ist, weil wir sagen, die Freiheit des Einzelnen, die Kauf­kraft bei der Bevölkerung und die Entscheidungsfreiheit für die Bevölkerung sind der richtige Weg – in der Abgabenquote besser. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Herr Bundesminister, ich bitte um Verständnis, wir müssen um 16 Uhr die Dringliche Anfrage aufrufen.

 


Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser (fortsetzend): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident, und sage nur noch: Die Schuldenquote betrug in Ihrer Zeit 66,5 Prozent und in unserer Zeit 63,7 Prozent. Das Defizit betrug bei Ihnen im Durchschnitt 3,1 Prozent, bei uns im Durchschnitt 0,95 Prozent. Höhere Beschäftigung, mehr Kaufkraft – das ist eine Politik, die dafür spricht, dass wir in der Finanz- und Wirtschaftspolitik auf dem richtigen Weg sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Stadler: Mehr Kaufkraft! – Bundesrat Gruber: ... Ar­beitslosigkeit!) 

16.01

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Eva Konrad, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend schwarzblaue Umfärbung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (2273/J-BR/2004)

 



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Eva Konrad, Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verle­sung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Konrad als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. (Beifall bei den Grünen.)

 


16.01

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute Nachmittag hat im Ministe­rium ein Treffen von Ministerin Gehrer, Abgeordneter Brinek und sehr vielen Vertre­terinnen und Vertretern der Österreichischen Hochschülerschaft stattgefunden. Vor etwa eineinhalb Stunden kam dann eine Presseaussendung von Frau Abgeordneter Brinek mit dem Titel: „Heute weitere wichtige Station des Dialogs mit Studierenden-Vertreter/innen.“ – So viel zur Theorie.

Das, was wirklich stattgefunden hat, war nicht unbedingt eine Verhandlungsrunde, wie man sie sich zu einem derart wichtigen Thema wünschen und vorstellen sollte, son­dern Folgendes: Es saßen 40 Leute von diversen Hochschülerschaften zwei Stunden bei der Ministerin und durften erzählen, was sie sich vorstellen. – Ich glaube nicht, dass sehr viele Antworten gekommen sind, sondern ich nehme an, dass wieder auf die berüchtigte E-Mail-Adresse verwiesen wurde, von der ich Ihnen später noch erzählen werde.

Ich glaube auch nicht unbedingt, dass bei diesen so genannten Verhandlungen – wenn man sie so bezeichnen möchte – ein Durchbruch erzielt worden ist. Immerhin hat die Abgeordnete Brinek bereits im Vorfeld in einem Interview im „profil“ erzählt, die Architektur des Gesetzes stehe, die eine oder andere Veränderung sei vielleicht noch möglich, an den wichtigen Zügen werde aber sicher nichts mehr geändert werden.

Gut, es handelt sich um einen Initiativantrag. Es liegt immer noch in der Hand der Ministerin, eine Änderung vorzunehmen, einen Gesetzesantrag vorzulegen. Ich nehme an, sie hat auch einen gewissen Einfluss auf die Abgeordnete Brinek. – Noch ist es nicht zu spät!

Eines muss man allerdings schon sagen: Zu behaupten, die Architektur stehe und die wichtigsten Züge dieses Gesetzes seien so gut wie beschlossen, und dann eine Diskussionsrunde – eine Verhandlungsrunde sozusagen! – abzuhalten, zu der man Menschen aus ganz Österreich lädt, die im Prinzip völlig umsonst kommen, denn die Grundlagen stehen schon fest, das ist symptomatisch. – Das ist keine Diskussion! (Bundesrat Boden – auf Bundesministerin Gehrer zeigend, die mit Bundesminister Mag. Grasser spricht –: Wart ein bisschen, bis sie dir zuhört!) – Frau Ministerin! Soll ich warten? (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gehrer.) – Gut. (Ruf bei der SPÖ: Das interessiert sie nicht!)

Das ist keine Diskussion, das ist Diskussionsverweigerung, und diese ist leider das Markenzeichen der österreichischen Bildungspolitik der letzten Jahre. Das war so im Fall der Studiengebühren – da haben wir gehört, es werde keine Studiengebühren geben, und buchstäblich über Nacht wurden dann Studiengebühren eingeführt und beschlossen –; das war so beim Universitätsgesetz 2002, wo es unzählige Stellung­nahmen, unzählige Proteste von allen Gruppen der Universität gab, die im Prinzip alle keinen Einfluss hatten auf das, was letztendlich beschlossen wurde. – Diese Menschen müssen sich heute noch damit herumschlagen, dieses Gesetz nun umzusetzen und das Beste daraus zu machen, was beileibe nicht leicht für sie ist. – Und jetzt passiert


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dasselbe mit diesem Hochschülerschaftsgesetz, das uns als Initiativantrag vorgelegt worden ist.

Wir haben viele Fragen, die diesen Initiativantrag und dann das spätere Gesetz betref­fen. Vielleicht bekomme ich ja auf diesem Wege der Dringlichen Anfrage die eine oder andere Antwort, die mich sehr interessieren würde.

Was mich besonders interessiert: Wo ist denn in diesem Initiativantrag, der uns nun vorliegt, die viel zitierte Stärkung der Universitätsvertretungen? Wo ist die Stärkung, wenn die Direktwahl einer bundesweiten Vertretung abgeschafft wird, die genau daraus ihre Stärke bezieht, dass sie bundesweit für alle reden kann? Wo ist die Stär­kung einer Studierendenvertretung, wenn Mitbestimmung beschnitten wird, wenn die Österreichische HochschülerInnenschaft als österreichweite, bundesweite Vertretung der Interessen der Studierenden geschwächt wird, wenn die Regierung in bisher gut funktionierende demokratische Strukturen und in die Budgetverteilung eingreift, was im Sinne der Selbstverwaltung besonders bedenklich ist? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wo ist die Stärkung der Studierendenvertretung, wenn die Regierung kritische Interes­senvertretungen auf diese Art angreift?

Vielleicht wissen nicht alle hier im Saal besonders gut Bescheid über das Angebot, das die Österreichische HochschülerInnenschaft bietet. Ich möchte nur ganz kurz zusam­menfassen, was die Aufgaben dieser Vertretung sind.

Seit ihrer Gründung vor fast 60 Jahren sorgt die Österreichische HochschülerInnen­schaft für Unterstützung im Studienalltag – auch bei schwierigeren Problemen, bei nicht alltäglichen Problemen, bei Rechtsproblemen mit Professoren, bei Zeugnisan­rechnungen, bei nicht ankommenden Zeugnissen, bei diesen unzähligen Problemen, die unseren Studierenden im Alltag das Leben schwer machen.

Gleichzeitig kümmert sich die Österreichische HochschülerInnenschaft um eine poli­tische Interessenvertretung und um gesellschaftspolitische Themen.

Ich möchte Ihnen nur ein paar Stichworte dazu bringen, was die HochschülerInnen­schaft im Bereich Service anbietet, weil ihr ja immer vorgehalten wird, sie sei eine links-linke Kampforganisation, die nichts tue, außer Demonstrationen zu organisieren.

Wenn man sich die Homepage dieser Organisation anschaut, wird man dort folgende Stichworte finden: Studienberatung, Sozialberatung, MaturantInnenberatung, miet­rechtliche Beratung. Es gibt Broschüren zum Thema Studieren und Arbeiten, auslän­dische Studierende und Sozialfonds, die die ÖH auf die Beine gestellt hat, um soziale Ungerechtigkeiten in den schlimmsten Fällen abzufedern.

Weiters gibt es Informationen zur Studienbeihilfe, eine Job- und Wohnungsbörse, Infor­mationen zu Beruf und Studium, zum Studieren mit Kind, Rechtsberatungen, auch Unterstützung bei rechtlichen Auseinandersetzungen, Studieren im Ausland – ein sehr wichtiges Thema! –, Studieren mit Behinderungen, Studieren und Wohnen. – Das sind nur ein paar der Broschüren, die die Hochschülerschaft bundesweit erstellt und dann auch an alle universitären Ebenen – also die Universitätsvertretungen – weiterverteilt.

In den letzten Jahren haben sich die Studienbedingungen massiv verschlechtert. Ins­besondere in einer solchen Zeit, in der Sie die Studienbedingungen, aber auch die sozialen Bedingungen für Studierende verschlechtern, wird es immer wichtiger, dass es dieses Service-Angebot gibt, dass es aber auch eine starke politische Interessen­vertretung gibt.

Eine weitere Tätigkeit der ÖH, die sie seit Jahren erfolgreich ausübt, ist eine aktive Mitgestaltung des Studiums auf allen Ebenen. Es gibt momentan vier Ebenen, von


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denen jede eine andere Aufgabe hat: Es gibt die Studienrichtungsvertretung – also die direkte Studierenden-Beratung –, eine Ebene auf den Fakultäten, eine Ebene auf den Universitäten und eine bundesweite Ebene. – Diese Ebenen erfüllen unterschiedliche Aufgaben und spezialisieren sich auf unterschiedliche Themen.

Die Studierenden haben an jede dieser Ebenen eine andere Erwartung: Sie werden nicht von einer bundesweiten Ebene eine detaillierte Auskunft zu einem bestimmten Studienplan haben wollen. Sie werden aber auch nicht unbedingt von der Studien­richtungsvertretung Anglistik aus Innsbruck eine genaue Information über Stipendien erwarten. – Das sind unterschiedliche Aufgaben, die unterschiedlich gelöst werden.

Ein weiteres für die ÖH sehr wichtiges Thema ist Politik – Gesellschaftspolitik und Bildungspolitik. Da mögen sich die verschiedenen Fraktionen zwar uneinig sein (Bun­desrat Dr. Böhm: In der Tat!) über das Ausmaß und die Verteilung, aber dass auch Gesellschaftspolitik gemacht werden muss, das stand nie in Zweifel.

In den achtziger Jahren – und damals noch unter der Leitung der ÖVP-nahen Akti­onsGemeinschaft – hat sich zum Beispiel die Hochschülerschaft ganz maßgeblich an der Besetzung der Hainburger Au beteiligt.

Man könnte fragen: Wo ist hier der direkte Zusammenhang mit Studierendenvertre­tung? (Bundesrat Dr. Böhm: Überhaupt keiner! – Gegenruf des Bundesrates Schenn­ach.) Dass das, was damals passiert ist, eine gute Sache war, würde, glaube ich, jetzt niemand mehr in Frage stellen. Da haben sich Studierende für ihr Umfeld und für die Welt, in der sie leben müssen, eingebracht, und sie haben sie mitgestaltet. – Darum geht es auch bei Interessenvertretungen!

Und vor allem: Eine bundesweite Interessenvertretung wurde in den letzten Jahren immer nötiger, denn solange es Bundesgesetze gibt, braucht es auch Ansprechpartner auf Bundesebene, und solange es Sozialgesetzgebung gibt, die Studierende betrifft und trifft – und immer härter trifft in den letzten Jahren! –, so lange wird es auch eine bundesweite Interessenvertretung der Studierenden brauchen. (Bundesrat Dr. Böhm: Und so weiter!)

Die ÖH hat sich in den letzten Jahren eingemischt. – Sie hat sich laut eingemischt. Sie hat sich bei Fragen von Sozialgesetzgebung, sozialen Verschlechterungen, bei Fragen des Universitätsgesetzes und bei vielen anderen Themen eingemischt – vielleicht ein bisschen zu laut für den Geschmack der Ministerin. Vor zwei Wochen bekam die Hoch­schülerschaft die Rechnung präsentiert.

Ich möchte Ihnen ganz kurz den zeitlichen Ablauf im Vorfeld dieses Initiativantrages erläutern: Das Universitätsgesetz wurde am 11. Juli 2003 beschlossen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist klar, dass es eine Änderung auch im Hochschülerschaftsgesetz braucht, da die Hochschülerschaften ja in der Struktur an die Universitäten angelehnt sind. Das heißt, wenn es keine Fakultäten mehr gibt – wie das jetzt der Fall ist –, dann nützt mir auch eine Fakultätsvertretung sehr wenig. Diese Anpassungen sind nötig, und es ist schon lange bekannt, dass sie nötig sind.

Mit 1. Jänner 2004 trat das Universitätsgesetz in Kraft. Spätestens dann wurde es sehr dringend, aber es kam kein Gesetzentwurf. Die Österreichische Hochschülerschaft musste also in dieser Zeit in manchen Fällen auch ohne gesetzliche Grundlage arbei­ten. Sie musste zum Beispiel die sehr schwierige Frage der Abspaltung der medizini­schen Universitäten auch in ihrer eigenen Struktur nachvollziehen. Das ohne wirkliche gesetzliche Grundlage zu tun, war auch eine sehr schwierige Sache.

Am 16. September dieses Jahres kam dann ein Schreiben vom Ministerium an die Universitätsvertretungen, die Fraktionen und die Bundesvertretung mit der Aufforde­rung, Vorschläge über die Neugestaltung des Hochschülerschaftsgesetzes an das


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Ministerium zu senden. Das führte zu einer gewissen Ratlosigkeit, denn das ist doch unüblich. – Normalerweise gibt es einen Gesetzentwurf und dann eine Begutachtungs­frist, in der man mitteilt, was man von dem Gesetz hält und was man gerne anders beziehungsweise besser hätte.

Das war so nicht der Fall. Es herrschte Ratlosigkeit: Ist das jetzt der Ersatz für eine Begutachtung? Ist es überhaupt sinnvoll, Vorschläge zu bringen? Ist das nicht vielleicht gefährlich und rechtfertigt schon im Vorhinein, wenn es nachher keine Diskussion mehr darüber gibt? Es kam, glaube ich, eine Reihe von Vorschlägen. Ich hoffe, dass ich dann in der Anfragebeantwortung detaillierte Angaben darüber erhalten werde.

Besonders überrascht war man deshalb über diese Vorgangsweise, weil es ja aus Teilen des Ministeriums bereits die Information gab, dass im Prinzip schon ein Ge­setzentwurf in der Schublade liegt. Überhaupt verstärkte sich der Eindruck, dass da irgendetwas blockiert wird. Es kann doch nicht sein, dass es so lange dauert, bis ein wichtiges, notwendiges Gesetz vorgelegt wird. Es gibt ja die Auskunft, dass ein solches Gesetz schon fertig ist. – Woran liegt es also? Wo bleibt es?

Am 10. November war es dann da, aber nicht als Gesetzesvorlage, sondern als ein am Abend mit Presseaussendung angekündigter Initiativantrag, der lapidar auf eine E-Mail-Adresse des ÖVP-Klubs verweist, an die die Studierendenvertreter und alle interessierten Personen ihre Vorschläge, Anregungen und Wünsche zu diesem nun vorliegenden Entwurf schicken sollten. Diese würden dann in die parlamentarische Diskussion einfließen.

Das ist keine Diskussion! Das ist genau das, was ich zuvor schon gesagt habe – das Markenzeichen der österreichischen Bildungspolitik –: Diskussionsverweigerung. Der Skandal ist nicht, dass ein Initiativantrag eingebracht wird, der ja ein legitimes parla­mentarisches Mittel ist (Bundesrat Dr. Böhm: Der ja eigentlich normal wäre!), aber wenn mittels Initiativantrag eine Begutachtung, eine kritische Auseinandersetzung und eine Einbeziehung der betroffenen Gruppe ausgeschaltet und umgangen wird, dann halte ich das schon für einen Skandal! Es gab keine Gespräche mit der ÖH im Vorfeld – und damit meine ich, um gleich irgendwelchen Missverständnissen vorzu­beugen, die gewählten und die für die Außenvertretung befugten und zuständigen VertreterInnen und nicht einzelne Vertreterinnen und Vertreter von Fraktionen.

Diese Vorgangsweise ist nicht üblich und entspricht nicht den Vorstellungen von einem angemessenen Umgang mit einer Interessenvertretung.

Lange geforderte Änderungen sind in diesem Entwurf nicht enthalten, zum Beispiel die Einführung eines passiven Wahlrechts für ausländische Studierende. Es ist, glaube ich – vielleicht abgesehen vom RFS –, über alle Fraktionen hinweg unumstritten, dass das endlich kommen soll.

Auch die ebenfalls sehr lange geforderte offizielle Umbenennung der Hochschüler­schaft in HochschülerInnenschaft ist nicht vorgenommen worden, wobei Gesetze heutzutage generell auch geschlechtergerecht formuliert werden sollten.

Was in diesem Vorschlag enthalten ist, ist ein massiver Eingriff in die Selbstverwaltung im finanziellen Bereich, und das ist besonders unüblich, denn Geld ist einfach das Mittel, mit dem Kampagnen durchgeführt werden können, mit dem auch Service ange­boten werden kann und mit dem auch Broschüren gedruckt werden können. – Das ist das, womit diese Menschen arbeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Das Service der Bundesvertretung ist natürlich sehr teuer. Auf dieser Ebene wird viel getan. Da werden nicht nur die schon erwähnten Informationsbroschüren gedruckt, sondern auch bundesweite Zeitungen, die ebenfalls der Information der Studierenden über aktuelle Angelegenheiten dienen. Es werden Fortbildungen für Vertreterinnen und


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Vertreter der jeweiligen lokalen Hochschülerschaften organisiert, was ja sehr wichtig ist. Man braucht eine zentrale Organisation solcher Dinge, die sonst – wenn sie jeder einzeln macht – viel aufwändiger wären und viel teurer kämen. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... der Universitäten!)

Die Regierung will meiner Meinung nach allerdings mit dieser doch sehr strengen Regelung der Finanzen über gesetzliche Wege einfach dafür sorgen, dass kein Geld für Kampagnen mehr da ist. Diese Eingriffe im finanziellen Bereich setzen sich auch auf der universitären Ebene fort, zum Beispiel bei den Fakultätsvertretungen, die ja nicht mehr gesetzlich vorgesehen sind. Darüber kann man diskutieren, das ist schon verständlich, aber auch eine Alternative ist nicht gesetzlich vorgesehen. Sie kann eingerichtet werden. Wenn sie eingerichtet wird, erhält sie 5 Prozent vom Budget – damit kann man genau nichts tun, aber vielleicht ist das der Sinn der Sache. Dass die Bundesebene aber finanziell derart beschnitten wird, das ist schon eindeutig ein politischer Schritt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann mir schon vorstellen, dass es vielleicht ärgerlich ist, wenn man die Zeitung der Hochschülerschaft aufmacht und darin lesen muss, dass dieses und jenes schon wie­der nicht passt. Ja, vielleicht ist das ärgerlich, aber es ist die Aufgabe einer Interessen­vertretung, die Interessen ihrer Mitglieder – in diesem Falle der Studierenden – auch zu artikulieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Wenn es nur das wäre!) Damit wird man dann leben müssen.

Was den Wahlmodus betrifft, der nun vorgeschlagen wird: Das ist eigentlich der „dicks­te Hund“, wenn man so sagen will. Die Bundesebene wird nicht mehr direkt gewählt. Diese Direktwahl ist die stärkste Legitimation, die es bisher gab, um bundesweit, österreichweit für alle Studierenden sprechen zu können. Ich habe es schon gesagt und sage es wieder: Solange es eine bundesweite Gesetzgebung gibt, braucht es eine bundesweite Interessenvertretung.

Auch die Unabhängigkeit der Universitäten, diese Autonomie, ist im Prinzip eine Scheinautonomie, denn das Geld wird immer noch recht rigide vergeben, und – wie wir schon gehört haben – am Geld hängt es ja letztendlich.

Eine besondere Finesse dieses Wahlmodus ist die „Spezialgesetzgebung“ – die An­lassgesetzgebung – für den Ring Freiheitlicher Studenten. Das scheint mir doch ein Kompromiss zu sein, und zwar aus dem immer kolportierten Grundsatz der FPÖ zum Thema Hochschülerschaft, der da lautet: Wo wir nicht gewinnen, das schaffen wir ab!, und aus dem doch offensichtlichen Motto der ÖVP, das lautet: Wenn du nicht gewin­nen kannst, ändere die Regeln. – Der Kompromiss schaut nun so aus: Wir ändern die Regeln, aber so, dass ihr auch drinnen seid.

Es gibt eine repräsentative SORA-Studie, in der Studierende zum Thema der Direkt­wahl der bundesweiten Interessenvertretung befragt wurden. 57 Prozent der befragten Studierenden halten diese Direktwahl für sehr wichtig, 27 Prozent halten sie für wichtig. – Das ist eine ziemlich klare Mehrheit. Interessanterweise gibt es diese klare Mehrheit auch bei den Wählern der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft, die sich ja eigentlich nicht dafür ausspricht, dass diese Direktwahl beibehalten werden soll.

Eine weitere Finesse in diesem Entwurf ist meiner Meinung nach der vorgeschriebene Leistungsbericht, den die Bundesvertretung – und die ÖH generell – alle zwei Jahre an den Nationalrat abzuliefern hat. Da überlege ich mir, was wohl die Arbeiterkammer oder der ÖGB sagen würden, wenn die Regierung verlangen würde, dass sie alle zwei Jahre ausrechnen müssen und mitteilen müssen, was sie wofür ausgegeben haben, was sie wo gemacht haben und wen sie wo beraten haben.


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Das ist ein symbolischer Schritt, aber diese symbolische Leine macht für mich absolut keinen Sinn, denn die Österreichische HochschülerInnenschaft ist den Studierenden Rechenschaft schuldig – und nicht dem Nationalrat!

Das Ergebnis aus diesen Maßnahmen, die ich jetzt kurz umrissen habe, soll eine Studierendenvertretung sein, die wahrscheinlich nicht mehr – wie sie es bisher getan hat – laut und deutlich und vor allem öffentlich Maßnahmen kritisieren wird, die gegen soziale Gerechtigkeit gehen, die den Universitäten schaden und die demokratische Strukturen abbauen – eine Interessenvertretung nach dem Geschmack dieser Bundes­regierung! (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)

Es scheint mir auch in gewisser Weise ein Probelauf dafür zu sein, was man vielleicht künftig mit anderen Interessenvertretungen noch machen kann. Mit dieser Einschät­zung bin ich wohl nicht allein, denn nicht umsonst gab es Proteste von der Arbeiter­kammer, vom ÖGB, von der GPA und auch von internationalen Studierendenvertre­tungen, die alle genau dasselbe befürchten, nämlich dass es sich hier um einen Probelauf handelt, wie weit man gehen kann und wie sehr man Interessenvertretungen einschränken kann.

Politische Umfärbung hat ja in Österreich inzwischen schon eine gewisse Tradition. – Wir kennen das vom Hauptverband, von den Sozialversicherungsträgern, ÖIAG und ORF. Das wird jetzt weitergeführt: Jetzt versucht man es bei der Hochschülerschaft. Denn so, wie dieser Wahlmodus nun ausschauen würde, würde sich, wenn man das auf die letzten Wahlergebnisse umlegt, die bisherige grün-rote-Mehrheit erledigen, und es wäre – oh Wunder!, welch ein Zufall! – wieder eine Mehrheit, die wahrscheinlich der Regierung doch etwas näher stehen würde, an der Macht. Die könnte dann zwar auf Grund der finanziellen Regelungen nicht mehr sehr viel tun, aber vielleicht gäbe sie sich auch damit zufrieden. (Bundesrat Konecny: Die soll ja eh nichts mehr machen!)

Was mich besonders geärgert hat, war diese ständige, immer wieder wiederholte Be­hauptung, diese Novelle stärke die Universitätsebene, stärke die Studierendenvertreter dort, wo sie am nötigsten gebraucht werden. – Völlig absurd! Zuerst werden in der Universität die Organe abgeschafft, in denen die Studierenden direkt mitbestimmen können, die Gremien, wo Entscheidungen getroffen werden und wo Studierende ver­treten sind und diese Entscheidungen mit beeinflussen können. Und dann werden ihnen, wie in diesem Vorschlag, Anhörungsrechte gegeben. Sie dürfen bei Themen, die sie direkt betreffen, beim Universitätsrat vorsprechen. Sie dürfen den Rektor über die Verwendung von Studienbeiträgen befragen. Sie dürfen! Sehr großzügig! – Das haben sie auch bisher gemacht.

Wo ist da die Stärkung? Zuerst werden wirkliche Rechte abgeschafft, und dann werden Scheinrechte, die keine wirklichen Rechte darstellen, eingeführt. Das ist keine Stär­kung! Gleichzeitig nimmt man die finanzielle Unterstützung und die organisatorische Unterstützung an der Bundesebene weg. Das ist keine Stärkung, das ist eine Schwä­chung der Universitätsebene!

Es ist auch keine nötige Anpassung, wie es geheißen hat, denn anpassen an das neue Universitätsgesetz könnte man das Hochschülerschaftsgesetz durchaus auch, ohne demokratische Strukturen völlig zu zerschlagen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ganz besonders bedauerlich bei diesem Vorschlag ist der Stil, ist die Vorgangsweise. Da gab es den Versuch, die Verantwortung auf einen Vorschlag der Rektorenkonfe­renz zu schieben. – Die Rektorenkonferenz hat wenige Stunden später in einer Presse­aussendung erklärt, sie habe zu keinem Zeitpunkt einen derartigen oder ähnlichen Vorschlag gemacht.


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Dann wird behauptet, das wären direkte Forderungen von den Universitätsvertretun­gen. – Die Vorsitzenden der Universitätsvertretungen protestierten lautstark.

Nach diesen Protesten kam es dann zum heutigen Gespräch; vielleicht werden wir noch davon hören. Dieses Gespräch war wohl im Prinzip nicht sehr sinnvoll, wenn das Ergebnis schon vorher feststand. Da hätte man vielleicht genauso gut Zeit und Fahrt­kosten sparen können und einfach ein E-Mail an diese berüchtigte E-Mail-Adresse schicken können. (Bundesrat Dr. Kühnel: „Diese berüchtigte E-Mail-Adresse“?) Diese berüchtigte E-Mail-Adresse, genau! (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich habe geglaubt, das ist etwas Normales, die E-Mail-Adresse!?)

Halten Sie das für Verhandlungen? Würden Sie mit einer E-Mail-Adresse verhandeln? Ich weiß nicht. Ich nicht! Ich würde mir das anders vorstellen. E-Mails – das ist keine Verhandlung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Das ist keine Verhandlung, das ist Gesprächsverweigerung! Das ist nicht überra­schend, denn das kennen wir in den letzten Jahren in dieser Bildungspolitik. Aber eine Regierung muss kritische Studierende aushalten. Genau darum geht es doch bei der Universität: Studierende zu Kritikfähigkeit zu erziehen. Universitäten sind per se kri­tische Einrichtungen. Und auch die Interessenvertretung dieser Studierenden hat die Aufgabe, kritisch zu sein.

Diskussion und Kritik sind Grundvoraussetzungen der Wissenschaft. Es kann nicht die Antwort auf eine kritische Haltung sein, dass das bundesweite Sprachrohr dieser so wichtigen Gruppe zurechtgestutzt wird, wie es einem gefällt, so, wie auch damals über die Kritiker und Kritikerinnen des Universitätsgesetzes drübergefahren wurde.

So kann es nicht sein! So stelle ich mir Diskussion nicht vor! Ich bin schon sehr gespannt auf die Antworten auf meine Fragen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.24

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich Frau Bundes­ministerin Gehrer das Wort.

 


16.24

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte eingangs einiges klarstellen: Es fand nicht im Ministerium ein Treffen, eine Diskussion, statt, sondern es fand im Parlament im Lokal VIII eine sehr große Anhörungs- und Diskussionsrunde statt. Es waren 40 Vertreter und Vertreterinnen der Universitäten, der verschiedenen Organisationen anwesend, und es wurden sehr konstruktive Gespräche geführt. Es wurden sehr viele konstruktive Vorschläge eingebracht, Vorschläge, zu denen die Vorsitzende, die Abge­ordnete Brinek, gesagt hat: Wir werden uns die einzelnen Vorschläge anschauen, und es sind sicher etliche Sachen dabei, die wir dann später im Wissenschaftsausschuss diskutieren können und eventuell in einem Abänderungsantrag noch einbringen können.

Ich glaube, es ist dabei sehr deutlich geworden, dass sich die jungen Leute kein Blatt vor den Mund nehmen, dass sie selbstverständlich ihre Meinung sagen, dass sie selbstverständlich ihre Meinung einbringen, und das ist gut so.

Ich stelle auch als Bildungsministerin fest, dass mir der Dialog mit den jungen Men­schen ein besonderes Anliegen ist, und ich werde auch noch aufzählen, wann dieser Dialog im Ministerium stattgefunden hat.

Ich möchte nur noch eine Kleinigkeit erwähnen: Am 26. Oktober gab es einen „Tag der offenen Tür“ in allen Ministerien. Der VSStÖ kam auch vorbei, hat eine Aktion gestar-


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tet, sich kurz auf den Boden geworfen, einen Fotografen bestellt, und hat mitnichten den Wunsch gehabt, mit mir zu reden, sondern man hat dann einige Blätter im Stiegen­haus herumgeworfen und ist wieder gegangen. (Bundesrat Konecny: Das bestraft man mit dem Entzug des Wahlrechts?!)

Ich stelle aber fest, dass 120 Bürger und Bürgerinnen gekommen sind und mit mir Ge­spräche geführt haben, Anliegen vorgetragen haben, Schriftstücke übergeben haben, die in meinem Büro waren. Man hätte jederzeit zu mir hereinkommen und mit mir Gespräche führen können, wenn es diesen Wunsch wirklich gegeben hätte. Ich glaube, der Wunsch war nicht da, sondern es sollte halt eine der üblichen Aktionen werden, die eben zur Kenntnis zu nehmen sind. (Bundesrat Konecny: Beim „Tag der offenen Tür“ wollen Sie politische Verhandlungen führen? Das ist ja ungeheuerlich! Da ist ja die Web-Adresse geradezu noch freundlich! Ungeheuerlich!)

Ich möchte auch noch feststellen, dass heute – heute! – eine Anhörung und Diskus­sionsveranstaltung im Parlament erfolgte. Und warum man eine Art Begutachtung über eine E-Mail-Adresse als ominöse E-Mail-Adresse bezeichnet, ist mir unverständlich. Es ist immer so üblich, dass man seine Vorschläge, seine Veränderungsvorschläge, schriftlich schickt. Also ich verstehe gar nicht, was es da wirklich zu kritisieren gibt. Es ist gut, wenn man diese Vorschläge einschickt. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte auch noch Folgendes feststellen: Durch das Universitätsgesetz 2002 ist die Universität ins Zentrum der Verantwortung gerückt. Die Universitäten haben in diesem Jahr mit großem Engagement die Umsetzung in Angriff genommen, und ich sage Ihnen: Das war ein Prozess, der für die Universitätsverantwortlichen sehr viele Heraus­forderungen gebracht hat.

Und wenn man immer wieder sagt, die Mitsprache der Studierenden sei so arg be­schnitten worden: Die Studierenden haben immer 25 Prozent im Senat gehabt, und sie haben auch heute 25 Prozent im Senat. (Bundesrätin Konrad: Aber die Professoren hatten keine absolute Mehrheit damals! Das ist der Unterschied! – Bundesrat Dr. Böhm: ... 25 Prozent in ganz Europa! Schauen Sie sich das doch an!)

Sie haben auch heute 25 Prozent im Senat! Die Studierenden sind in allen studienrele­vanten Fragen eingebunden, und die Studierenden haben den gesetzlichen Auftrag, bei der Verwendung der Studienbeiträge mitzubestimmen. Das ist im Gesetz verankert: bei allen studienrelevanten Fragen mitzureden. Daher sind auch die Universitäts­vertretungen von besonderer Bedeutung. Wenn Sie sehen, dass es gerade an den Universitäten spezielle Herausforderungen gibt, werden Sie erkennen, dass natürlich auch eine neue und wichtige Verantwortung bei den Universitätsvertretungen liegt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es werden auch in Zukunft 21 Universitätsvertretungen direkt-demokratisch gewählt, in direkter Abstimmung. Und wer jetzt schon weiß, wie die Wahlen im Mai ausgehen wer­den, der muss hellseherische Fähigkeiten haben! Es werden jene an den Universitäten gewählt werden, die für die Studierenden arbeiten, und nicht die, die für das Ministe­rium arbeiten, nicht die, die für die Politik arbeiten. Nein, es werden jene gewählt wer­den, die für die Studierenden arbeiten. Und dass die sich kein Blatt vor den Mund neh­men, ist doch wirklich selbstverständlich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Schauen wir uns das einmal ganz genau an: Es gibt verschiedene Möglichkeiten von demokratischen Bestellungen. Es gibt die Möglichkeit der Direktwahl, es gibt die Möglichkeit der Direktwahl in den Ländern, der Delegation zu Bundesvertretungen. Es sind beides direkt-demokratische Vorgänge, und es hat noch nie jemand kritisiert, dass es undemokratisch ist, wie der Präsident der Arbeiterkammer oder der Präsident des Gewerkschaftsbundes zu Stande kommt.


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Ich glaube, das sollten wir wirklich festhalten: Es gibt mehrere demokratische Möglich­keiten. Dass jeder eine andere demokratische Möglichkeit für die bessere hält, das bleibt jedem unbenommen. Aber es sind mehrere demokratische Möglichkeiten, wie man zu einer Bundesvertretung kommt, die sehr wichtig ist, die auch in Zukunft ihre Stimme erheben wird, von der wir überhaupt nicht wissen, wie sie nach den nächsten Wahlen zusammengesetzt sein wird. (Bundesrat Gruber: Das weiß man ziemlich genau!) Es gibt also verschiedene demokratische Möglichkeiten.

Ich möchte auch feststellen, dass der Hochschülerschaft kein Geld weggenommen wird. Der Hochschülerschaft stehen pro Studierenden 14,86 € zur Verfügung. Das waren im Studienjahr 2004/2005 6,26 Millionen €, und das wird ihr auch in Zukunft zur Verfügung stehen.

Was haben nun die verschiedenen Vorschläge ergeben? – Der Wunsch der Studie­rendenvertreter an den Universitäten war es, dass sie etwas mehr Geld bekommen. Das können Sie in der Stellungnahme der Vorsitzenden der Universitätsvertretungen nachlesen. Das steht dort drinnen, das liegt auf und ist nachlesbar. Das wird derzeit diskutiert, und das ist auch heute diskutiert worden.

Ich möchte nun zu den einzelnen Fragen kommen.

Zur Frage 1 – „Warum gibt es erst jetzt einen entsprechenden Vorschlag?“ –: Mit dem Universitätsgesetz 2002 haben die Universitäten die volle Selbständigkeit erhalten. Dazu gehört auch die Ausgestaltung der inneren Organisation. Die ist im heurigen Jahr erfolgt. Vor einer Anpassung des Hochschülerschaftsgesetzes war daher wirklich auch zu beachten, in welcher Weise die Universitäten die Möglichkeiten der einzelnen Orga­nisationsausgestaltungen nutzen.

Zur Frage 2. – Soll ich die Fragen immer vorlesen, Herr Vorsitzender? (Vizepräsident Mag. Pehm verneint.) Ist nicht notwendig. Danke schön.

Zur Frage 2: Es kann keinesfalls die Rede davon sein, dass die gesetzliche Anpas­sung nicht rechtzeitig durchgeführt wird. Die Anpassung an die neue Situation auf Grund des Universitätsgesetzes 2002 erfolgt rechtzeitig vor der nächsten Hochschüler­schaftswahl, die im Mai 2005 stattfindet. Dies wurde auch bei einem Treffen zwischen den Vorsitzenden der Bundesvertretung, Sektionschef Höllinger und mir am 1.10.2003 festgestellt.

Zur Frage 3: Wie Sie wissen, haben gemäß Verfassung und Geschäftsordnung fünf Abgeordnete zum Nationalrat das Recht, Gesetzesanträge einzubringen. Und in die­sem Fall haben die Abgeordneten des Nationalrates davon Gebrauch gemacht. Es wird immer wieder bemängelt, dass die Nationalratsabgeordneten nicht eigenständig Gesetzesvorlagen einbringen. Es ist auch nicht meine Sache und nicht Sache der Vollziehung, dies zu beurteilen.

Nachdem die Vorlage im Parlament liegt, ist eine Regierungsvorlage nicht mehr notwendig. Nachdem es also einen Initiativantrag im Parlament gibt, ist es nicht not­wendig, eine Regierungsvorlage zu machen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.) Der Verhandlungsort ist jetzt der Wissenschaftsausschuss im Parlament.

Mit dem Ziel des Initiativantrages, nämlich der Anpassung an das UG 2002 und der Stärkung der einzelnen Vertretungen vor Ort identifiziere ich mich. Das sage ich auch ganz klar.

Zur Frage 4: Der Dialog mit Studierendenvertretern ist für mich selbstverständlich. Die Studierendenvertreter wurden am 16. September 2004 eingeladen, ihre Vorschläge zur allfälligen Anpassung des Hochschülerschaftsgesetzes zu übermitteln. Insgesamt 20 haben Gebrauch davon gemacht. Von einem informellen Stellungnahmeverfahren zum


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Initiativantrag kann keine Rede sein, da zum Zeitpunkt der Einladung an die Stu­dierendenvertreter, am 16. September, noch nicht klar war, dass ein Initiativantrag eingebracht wird. Dieser wurde von den Abgeordneten am 10. November 2004 einge­bracht. Es ist daher gar nicht möglich, dass Initiativanträge seitens des Ressorts einem informellen Stellungnahmeverfahren unterzogen werden.

Bei Gesetzesvorlagen des Ressorts wird ein Begutachtungsverfahren durchgeführt. Bei Initiativanträgen des Nationalrates ist ein solches Begutachtungsverfahren nicht vorgesehen.

Zur Frage 5: Soweit mir bekannt ist – Sie haben das ja auch mehrfach erwähnt –, ist eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, und alle Studierendenvertreter und -vertre­terinnen sind eingeladen, ihre Stellungnahmen abzugeben. Und sie haben sie abge­geben, und zwar in reichlichem Ausmaß! Diese E-Mail-Adresse wurde in großem Maße auch von Studierenden in Anspruch genommen.

Diese Stellungnahmen liegen daher im Parlament auf. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist nicht Adressat dieser Stellungnahmen.

Im Wissenschaftsausschuss wird das Gesetz am 2. Dezember behandelt, und dort gibt es wie bei jeder Gesetzesänderung die Möglichkeit eines Abänderungsantrages.

Die Fragen 6, 7 und 8 fasse ich zusammen: Ich stelle noch einmal fest, Adressat der Stellungnahmen ist der Wissenschaftsausschuss, und ich gehe davon aus, dass alle Stellungnahmen von den Abgeordneten ernst genommen werden. Darüber hinaus haben sich die Wissenschaftssprecherinnen und -sprecher aller Fraktionen darauf ge­einigt, dass im Rahmen des nächsten Wissenschaftsausschusses ein Hearing mit den Vertretern der Studierenden stattfindet.

Zur Frage 9: Ich stelle noch einmal fest, dass mir der regelmäßige Kontakt mit den Studierenden wichtig ist. Es gibt deshalb einen monatlichen Jour fixe zwischen dem Leiter der Hochschulsektion im Bildungsministerium und dem Vorsitzendenteam, und zwar der offiziellen Vertretung der Hochschülerschaft, den offiziell gewählten Vertre­tern und Vertreterinnen. Die Tagesordnungspunkte werden immer vom Vorsitzteam der Hochschülerschaft vorgegeben.

Derartige Termine im Bundesministerium mit der offiziellen Vertretung, wo die Tagesordnungspunkte von der offiziellen Vertretung vorgegeben wurden, waren: der 15. März 2004 um 13 Uhr, der 19. April 2004 um 13 Uhr, der 4. Mai 2004 um 11 Uhr, der 15. Juni 2004 um 16 Uhr, der 13. Juli 2004 um 10 Uhr (Bundesrat Konecny: Und da haben Sie über die Novellierung des Hochschülerschaftsgesetzes gesprochen?), der 6. September 2004 um 15 Uhr, der 16. September 2004 um 11 Uhr, der 7. Oktober 2004 um 11 Uhr, und am 29. November 2004 um 9 Uhr ist der nächste Jour fixe, wo die Hochschülerschaftsvertreter die Themen bestimmen. Die offizielle Vertretung der Hochschülerschaft nennt im vorhinein die Themen, die man dort besprechen will.

Ich möchte auch noch feststellen, dass ich am 1.10.2003 mit dem damaligen Vorsit­zendenteam Fuchs und Schallmeiner in meinem Büro eine intensive Besprechung hatte, in der auch über das Hochschülerschaftsgesetz gesprochen wurde.

Zur Frage 10: Wie bereits mehrfach gesagt, handelt es sich um einen Initiativantrag von Abgeordneten. Ich stelle allerdings klar, dass das passive Wahlrecht für Ausländer aus dem EU- und EWR-Raum bereits jetzt besteht.

Zur Frage 11: Dieser Vorschlag der Umbenennung in HochschülerInnenschaft wurde heute bei der Diskussion auch eingebracht. Es wird jetzt von den Wissen­schaftssprechern beraten, ob diese Änderung vorgenommen werden soll.


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Zur Frage 12: Der vorliegende Vorschlag spiegelt die neue Struktur der Universitäten wider und greift den Vorschlag der Vorsitzendenkonferenz der Universitätsvertretung, nämlich die Studierendenvertretung vor Ort zu stärken – auch finanziell! –, auf.

Die Bundesvertretung wird künftig von den Universitäts- und Akademievertretungen gewählt und nimmt weiterhin universitätsübergreifende Anliegen der Studierenden wahr. Darüber hinaus werden künftig die Interessen der einzelnen Universitäten in der Bundesvertretung besser berücksichtigt. Die neue Struktur ist seit langem bei anderen gesetzlichen Interessenvertretungen, wie auch bei der Schülervertretung, akzeptiert. Ich meine, dass wir wirklich ernsthaft sehen sollten: Es gibt mehrere demokratische Möglichkeiten, die demokratisch legitimiert sind.

Ich weise es zurück, und zwar wirklich sehr ernsthaft, dass hier von einer Umfärbung gesprochen wird! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Unsere Studierenden sind es ge­wohnt, frei und unabhängig zu wählen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Ich bin froh, dass sich die Studierenden auch von anderen nichts vorschreiben lassen werden. Es gibt freie und unabhängige Wahlen zu 21 Universitätsvertretungen, freie und unabhängige Wahlen für die Vertretungen vor Ort. Es gibt ein Delegationssystem in die Bundesvertretung, wo wir auch einen Minderheitenschutz eingebaut haben. (Bundesrat Gruber: 84 Prozent wollen die direkte Wahl! – 84 Prozent!) Und es gibt die freie und unabhängige Wahl der Vorsitzenden der ÖH, die sich auch in Zukunft kein Blatt vor den Mund nehmen werden und ihre Meinung sagen werden. Und das ist gut so! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.39

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates/einer jeden Bundesrätin mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Professor Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.40

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Ich kann Ihnen meine Bewunderung nicht verhehlen. Es ist bemerkenswert, so ausführlich nicht zum Thema einer Dringlichen Anfrage zu sprechen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben uns darauf hingewiesen, dass es verschiedene Elemente und Formen der Demokratie gibt. Das Wesen jeder Form der Demokratie besteht darin, dass sich der Wille der Wähler einigermaßen spiegelbildlich ausdrückt. Das ist mit dieser beab­sichtigten Novelle nicht mehr gewährleistet. Es kommt darauf an, dass auch dort, wo indirekt entsendet wird – und der Bundesrat hat keinen Grund, an der indirekten Ent­sendung zu zweifeln –, in etwa die Willensbildung der Urwähler zum Ausdruck kommt. Alles andere, Frau Bundesminister, ist ukrainisch. (Beifall bei der SPÖ und den Grü­nen.)

Die Arbeiterkammer sorgt dafür, dass in ihren Bundesgremien auch auf Bundesebene sehr genau diese Willensbildung der Wähler, die sich in Tirol und Vorarlberg in Mehr­heiten, deutlichen Mehrheiten für die einen und in sieben anderen Bundesländern mit genau solcher und noch größerer deutlicher Mehrheit für die anderen entscheiden, spiegelbildlich zum Ausdruck kommt. Es ist dieser Bundesregierung vorbehalten geblieben, das Arbeiterkammerwahlergebnis bei der Zusammensetzung des Hauptver­bandes so zu verfälschen, dass dieser Wille nicht mehr zum Ausdruck kommt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)


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Sehen Sie, und das ist der entscheidende Punkt: Es geht nicht darum, ob in der einen oder anderen Weise Anpassungen vorgenommen werden, über die man diskutieren kann. Es geht auch nicht darum, ob Sie sich regelmäßig zu einem Jour fixe treffen, und es geht schon gar nicht darum – diese Bemerkung habe ich an den Grenzen des Gro­tesken angesiedelt gefunden –, ob die Hochschülerschaft Ihren „Tag der offenen Tür“ zur Gelegenheit genommen hat, mit Ihnen Sachdebatten zu führen. Frau Bundesminis­ter! Das ist unter der Würde Ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Bundesrat! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist leicht zu erkennen, dass mein Engagement im damaligen Hauptausschuss der Uni Wien und im Zentralausschuss, wie das damals hieß, ein kleines Weilchen zurück­liegt, aber eine lange Abfolge von Hochschülerschaftswahlen hat klar und deutlich eines gezeigt: Hier handelt es sich und handelte es sich auch vor Jahrzehnten um Wähler, die sehr gezielt und bewusst und unter politischen oder personellen Gesichts­punkten unterschieden haben zwischen der Wahl in die Fakultätsvertretung, in die Fachschaft, auf der Ebene der Universität und auf der Bundesebene. Vergleichen Sie die Wahlergebnisse! Das ist jene bewusste Wählerschaft, die sich taktisch oder weil sie bestimmte Kandidaten unterstützen will, sehr genau überlegt dafür entscheidet, eine bestimmte Stimme auf einer bestimmten Ebene abzugeben.

Wir setzen den Bundesrat auch nicht nach der Summe der Wahlergebnisse bei Gemeinderatswahlen zusammen, weil wir wissen, dass dort ganz bestimmte Überle­gungen, die zum Beispiel auch Bürgerlisten entstehen lassen, eine Rolle spielen, und wir unterstellen, dass auf der Ebene des Bundeslandes bei der Landtagswahl primär gesellschaftspolitische Gesichtspunkte zum Tragen kommen, die sich auf der nationa­len Ebene wieder abbilden lassen. Es gibt keinen vernünftigen Grund und Sie haben in Ihrer ganzen Anfragebeantwortung kein Argument zuwege gebracht, warum eine Wahl, die stattfindet, die organisiert werden wird, was natürlich auch Geld kostet, nicht auch so wie bisher diesen weiteren zusätzlichen Stimmzettel beinhalten soll. Das ist eine reine politische Willkürmaßnahme, und es gibt kein einziges sachliches Argument dafür! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die nationale, die gesamtstaatliche Vertretung der Studentinnen und Studenten hängt natürlich in ihrem politischen Gewicht davon ab, wie sie zustande kommt. Keine Frage, eine durch Direktwahl legitimierte Vertretung hat eine lautere und kräftigere Stimme und sie kann anders auftreten als eine, die nur durch das Votum von Delegierten­vertretern entsteht.

Ich darf ganz klein zwischen Klammern hinzufügen: Die von vielen immer wieder für notwendig gehaltene Aufwertung des Bundesrates hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass die Mitglieder dieses Hauses kein direktes Mandat der Wählerinnen und Wähler haben, weshalb die Sozialdemokraten immer die Direktwahl der Bundesräte gefordert haben. Auch daran sieht man, was eine unterschiedliche Kreation von Vertre­tern mit sich bringt.

Sie oder Ihre Nachfolger und Nachfolgerinnen, falls Sie gleich gefärbte haben, werden diese Vertretung noch mehr ignorieren als die heutige demokratisch legitimierte. Und wenn die auch noch aufmucken, dann werden sie halt ganz abgeschafft werden. (Bun­desrat Dr. Böhm: Reine Unterstellung!)

Sehen Sie, das ist der zentrale Punkt: Wir sind nicht bereit, eine Politik hinzunehmen, in der diejenigen, die sich rühren, möglichst beschnitten, geköpft oder ihrer Finanzmit­tel beraubt werden. Und Sie können mir eines glauben: Diese Terrordiskussion über die Mittel der Arbeiterkammer, die in den letzten Wochen geführt wurde, werden wir uns gut merken. So laufen demokratische Prozesse nicht ab, dass ich dem, der wider­spricht, zunächst einmal damit drohe, ihm das Geldbörsel wegzunehmen, und ihm


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dann in weiterer Konsequenz das Lebenslicht ausblase. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ihre Haltung zu dieser Vorlage ist eine außerordentlich eigenartige. Auf der einen Seite identifizieren Sie sich offensichtlich vollinhaltlich mit dem Inhalt dieses Entwurfs, wenn ich Sie nicht missverstanden habe. Auf der anderen Seite waschen Sie Ihre Hände in Unschuld und fragen: Was wollen Sie von mir? Reden Sie mit der Wissenschaftsspre­cherin! Bitte, wessen Wissenschaftssprecherin? Die des österreichischen Parlaments zweifelsfrei nicht! Es ist die ÖVP-Wissenschaftssprecherin, mit der Sie offenbar in ir­gendeiner symbiotischen geistigen Verbindung stehen, die genau geahnt haben muss, was Sie in ein Gesetz hineinschreiben würden, das Sie aus irgendwelchen Gründen nicht machen wollten. Das ist doch grotesk! Sie fordern Universitätsvertretungen, Bundesvertretungen und Fraktionen auf, Ihnen zu sagen, was sie meinen, was in ein Gesetz hinein soll. Und dann reichen Sie das an Frau Brinek weiter. Oder was ist mit dem Papier geschehen? Haben Sie es nur abgelegt, denn Sie wollten ja erkennbar kein Gesetz machen, oder haben Sie es Kollegin Brinek über den Tisch geschoben und gesagt: Mach was draus!? (Bundesrat Gruber: Iss was Gscheit’s!) – Nein, mir fällt jetzt leider der Vorname der Kollegin Brinek nicht ein. – (Bundesrat Schennach: Gertrude!) – Gertrude, mach was! – in Abwandlung eines populär gewordenen Werbe­slogans.

Sehen Sie, das ist ein an der Grenze dessen, was man in Anbetracht der Trennung von Legislative und Exekutive noch tolerieren kann, stehender Sachverhalt. Das Minis­terium ist jetzt nicht „entpflichtet“, weil Frau Kollegin Brinek, Kolleginnen und Kollegen einen Entwurf gemacht haben. Wenn das so einfach wäre, Frau Kollegin, machten wir auch einen Entwurf. (Bundesrat Höfinger: Ihr werdet dafür aber keine Mehrheit be­kommen!)

Wenn man also eine Mehrheit hat, braucht man auch keine Regierung mehr. Sehen Sie, das ist der springende Punkt! Und die Frau Minister hat noch rührende Worte darüber verloren, welche Möglichkeit zur Belebung des Parlamentarismus sie dadurch eröffnet hat. – Nein, die Regierung beziehungsweise in diesem Fall das Ressort hat die Verpflichtung, eine Novelle, die sich teilweise allerdings nicht mit diesem Inhalt als lo­gische Konsequenz aus einer vorangegangenen Gesetzesänderung ergibt, rechtzeitig und umfassend mit Begutachtungsverfahren auf den Weg zu schicken. Es gibt kein vernünftiges Argument, zu sagen: Da gibt es ohnehin einen Entwurf, was brauchen wir da noch zu tun?! Nein, Frau Bundesminister, so ist das nicht!

Es gab Fälle in der Vergangenheit, wo man genau deshalb, weil man vor Jahres­schluss wenig Zeit hatte, was man auch offen und ehrlich einbekannt hat, so vorgegan­gen ist: Wir haben einen Entwurf, wir haben aber keine Zeit für ein Begutachtungs­verfahren – ich bekenne mich dazu, dass auch Regierungen, die ich unterstützt habe, gelegentlich eine solche Vorgangsweise gewählt haben –, und Abgeordnete haben das dann eingebracht. Aber bei der merkwürdigen Kindesweglegung, die Sie hier betrei­ben – ich brauche nichts mehr zu tun, weil es das gibt; und das ist auch noch gut für den Parlamentarismus, und für die Studenten ist es sowieso gut –, können wir Ihnen nicht nur nicht folgen, mit Verlaub, Frau Minister, da fühlen wir uns wirklich gepflanzt.

Wahr ist: Hier hat Ihr Ministerium ganz offensichtlich zu spät reagiert. Es hat das ge­macht – ich sage es noch einmal –, was andere Regierungen auch gemacht haben, nämlich Abgeordnete mit einem Initiativantrag vorgeschickt. Das ist so unmoralisch nicht, dass Sie das jetzt leugnen müssten. Das hat es schon gegeben und das wird es auch in Zukunft geben.

Dieses Gesetz hat jedoch einen Inhalt, der ein Skandal ist, im Kern ein demokratiepoli­tischer Skandal ukrainischen Ausmaßes. In einer Demokratie unseres Zuschnitts spielt


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trotz allem das Element des Konsenses noch eine große Rolle, zumindest des Kon­senses über die Spielregeln. Über die Resultate können wir differieren, aber über die Spielregeln, nach denen in dieser Demokratie gespielt wird, sollten wir uns einigerma­ßen einig sein. Dieser Konsens ist hier in gröblichster Art und Weise verletzt worden.

Ja, Herr Kollege, es gibt vermutlich eine Mehrheit im Nationalrat und vermutlich nach­folgend auch eine Mehrheit im Bundesrat für dieses Gesetz. Es gibt unter den Betrof­fenen eine kleine Minderheit für dieses Gesetz, was nicht für das Gesetz spricht, außer man betrachtet es als das, was es ja offensichtlich sein soll, nämlich nicht ein Gesetz für die Hochschülerschaft, sondern ein Gesetz gegen aufmüpfige Studenten. Das Wort jenes Kollegen der FPÖ im Nationalrat, der den Studenten gerne einen Tritt in den Hin­tern verpasst hätte, ist offenbar das neue Motto der Politik auch dieses Ministeriums. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.52

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Dr. Schni­der. – Bitte schön.

 


16.53

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Über etwas bin ich ein bisschen verwundert, aber gut, das passiert mir öfter, und zwar darüber, dass über dieses Thema zumindest von Ihnen, Herr Kollege Ko­necny, durch Ihre ganze Rede hindurch in einem sehr verachtenden, spöttelnden und unterstellenden Ton gesprochen wird. Das möchte ich einfach einmal hier festhalten, egal wie man zu diesem Thema steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Bei dieser Antwort kein Wunder!)

Ich muss auch dazusagen, Herr Kollege, dass ich in vielen Fragen prinzipiell für klare Argumente und auch für klare Überlegungen bin und dafür, dass wir uns hier auch bei Debatten sehr klar miteinander unterhalten. Nur etwas muss ich wirklich zurückweisen, denn das finde ich unser nicht würdig, muss ich sagen, dass man nämlich Menschen von vornherein unterstellt, dass sie umfärbeln, dass sie es eigentlich nur schlecht meinen mit den anderen und dass sie es sich nur richten wollen. Von dem gehe ich nicht aus, aber diesen Eindruck habe ich bei Ihnen. (Bundesrat Gruber: Genau das passiert aber! – Bundesrätin Bachner: Was passiert denn sonst immer wieder?)

Aber nun zu dieser Anfrage. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Vizepräsident Mag. Pehm gibt das Glockenzeichen.) – Wissen Sie was, Herr Kollege, melden Sie sich doch auch, und Sie werden sicher feststellen, dass ich zu denjenigen gehöre, die nicht hineinschreien, und ich denke mir, vielleicht kann ich dieses Recht, wenn ich hier rede, auch für mich verlangen. Ich werde auch künftig nicht hineinschreien, weil das nicht zu meinem Stil gehört.

Aber nun zu Punkt eins: Erstens muss ich sagen, dass ich solch eine Dringliche An­frage sogar für sehr, sehr wichtig halte, weil man sich dann wenigstens hier, wie man das gestern auch bei der Enquete gesehen hat – ich möchte mich hier überhaupt bei allen dafür bedanken, dass sie dabei mitgetan haben –, wirklich über gewisse demo­kratiepolitisch wichtige Dinge unterhalten kann.

Zum Thema möchte ich nur ein paar Anmerkungen machen – die Frau Ministerin hat in ihren Ausführungen eigentlich schon vieles vorweggenommen. Es gibt innerhalb der Demokratie und demokratischer Vorgangsweisen unterschiedliche Modelle. Das ist ohnehin auch von meinem Vorredner angesprochen worden. Es gibt eben auf der einen Seite diese Direktwahl, und es gibt auf der anderen Seite auch dieses indirekte Entsenden in ein Gremium. Und jetzt können wir doch nicht hergehen und so tun, als wären – das habe ich hier ganz eindeutig gehört – nur die kritikfähig und kritisch, die


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direkt gewählt sind. (Bundesrat Konecny: Wer hat das gesagt?) Dann frage ich mich natürlich mit Blick auf unser Gremium, wie denn das bei uns ist. (Beifall bei Bundes­räten der ÖVP.) Ja bitte, es hat doch vorhin geheißen, wer direkt gewählt ist, sei kritischer, und das glaube ich nicht. (Bundesrat Konecny: Stärker ist er zweifellos!) – Vielleicht darf ich einmal meine Argumentation ausführen, dann können wir auch darüber reden, wie Sie darüber denken.

Punkt zwei: Wenn es in diesem Land unterschiedliche Vertretungsmodelle gibt und auch Unterschiede in den Verfahrensweisen, wie es zu diesen Vertreterinnen und Ver­tretern kommt, und ich alle in dieser Spannbreite für legitim halte, dann frage ich mich, warum wir bei den einen Vertretungen sagen, da geht es – sie wurden aufgezählt –, und auf der anderen Seite geht es nicht. Das würde mich interessieren. Warum geben wir nicht auch diesem Modell – das sage ich jetzt in aller Ruhe, und ich kann mir vor­stellen, dass wir darüber reden, und ich hoffe, wir nützen diese Debatte auch dafür – eine Chance? Warum nicht? Ich muss ehrlich sagen, ich bin davon überzeugt, dass es viel wichtiger ist, dass vor Ort diese 21 Standorte mit ihren Studierenden mehr Kraft bekommen und mehr Stärke, denn das ist sichtlich auch das gewesen, was die Vorsit­zendenkonferenz dieser Universitätsvertreterinnen und -vertreter auch wollten. Auf der anderen Seite frage ich mich, was denn undemokratisch daran sein soll, wenn es in Abbildung derer, die dort gewählt haben, auch Vertretungen auf Bundesebene gibt.

Ich sage auch als Bundesrat, auch wenn das Wort „Bund“ in Bundesrat drinnen steckt, dass ich nicht so viel davon halte, dass wir noch mehr in solche Bundesvertretungen investieren. Bei den Universitäten – und ich spreche mich auch bei anderen Bildungs­institutionen dafür aus – ist ganz klar etwas geschehen: Sie verfügen über einen ganz hohen Grad an Autonomie. Das heißt, das Ministerium – Verzeihung, wenn ich das jetzt so sage – ist nicht mehr der große Vorgesetzte und der Überallah über alles an den Universitäten, sondern die haben jetzt eine eigene Rechtsfähigkeit. Da gehört es dann auch dazu, dass man im Rahmen dieser Einrichtung im Zuge dieser Änderungen auch auf der Ebene der Studierenden etwas ändert. Man spricht hier ganz locker von Anpassung, aber ich würde sagen, dass, wenn man eine Autonomie vor Ort errichtet, auch die vor Ort mehr Gewicht bekommen sollten.

Herr Professor Konecny! Ich kann dem schon etwas abgewinnen, wenn Sie das jetzt mit den Gemeinden bei einer Gemeinderatswahl vergleichen. Nur, seien wir doch ehrlich: Die Landtagswahlen spiegeln sich sehr wohl in dem, wer hier sitzt oder wer hier nicht sitzt. Ich sage jetzt für meine Person, dass wir auch hier darüber debattieren können, ob wir uns direkt wählen lassen, und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dar­über sollten wir auch diskutieren, allerdings behaupte ich, dass wir ein Gremium sind, das sehr wohl demokratisch legitimiert hier sitzt und selbstverständlich auch kritisch seine Meinung äußert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde auch, dass es im Rahmen dieser Veränderung gar nicht schlecht ist, auch den kleineren Hochschulen ganz bewusst eine gewisse Stärke – manche werden sagen: eine größere Stärke – zu geben. Ich denke mir, wenn man sagt „kleinere“, dann sollte man auch einmal ein bisschen daran denken – man redet dann oft von Minder­heiten –, ob die dann auch irgendwo zu Wort kommen. Ich halte das für einen wirklich guten Weg.

Ich weise diesen Vorwurf des Färbelns und Umfärbelns wirklich zurück, da möchte ich Sie wirklich darum bitten, das bleiben zu lassen. (Bundesrat Gruber: So ist es aber!) Schauen Sie, da gibt es doch Wahlen.

Glauben Sie, dass sich Studierende heute von uns Parteien vorschreiben lassen, wen sie wählen? Was glauben Sie, warum teilweise weniger ...? (Bundesrat Gruber: Lügen Sie sich doch nicht selbst an! Schauen Sie sich doch in den Spiegel! – Weitere


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Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Herr Kollege! Wenn Sie sich das heute anschauen, dann müssen Sie doch ganz konkret festhalten, dass es hier ein Modell gibt, das sehr wohl das widerspiegelt, was Studierende wollen. Aber es ändert ein Stück die Gewichtung von der Bundesebene auf die – und jetzt sage ich es – Universitäten in den Ländern. (Bundesrat Konecny: Nein! Zwischen den Fraktionen! – Bundesrat Gruber: Parteipoli­tische Gewichte!)

Seien wir doch ehrlich: Die meisten Dinge und die wichtigen Dinge, die Studierende heute verhandeln, passieren doch zum Glück jetzt an den Universitäten. Ich weiß nicht, was da ein Problem sein sollte! (Bundesrat Konecny: Es hat damit keiner ein Pro­blem!) Ich halte damit eigentlich auch die Gewichtung ... (Bundesrat Gruber: Warum ändert man das? Aus welchen Gründen?) – Das ist meine Argumentation in diesem Zusammenhang.

Nun noch Folgendes: Man kann alles immer auch aus einer anderen Perspektive sehen. Man kann zum Beispiel sagen: Er holt zwar Vorschläge ein, er lädt jemanden zu einer Sitzung ein, aber das ist alles nur Alibi! Man kann doch auch einmal darauf warten, wie sich das entwickelt. Wenn die Frau Bundesministerin hier sagt – und das habe ich auch aus dieser Besprechung gehört, aber es hört jeder bei unterschiedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern halt das, was er hören will –, dass diese Vorschläge sehr wohl geprüft und überlegt werden und dass es sehr wohl das eine oder andere geben wird, das man mit hereinnehmen wird, dann habe ich doch wirklich den Eindruck, dass sehr wohl die Ideen und Gedanken der Leute, die dort teilgenommen haben, auch ernst genommen und wahrgenommen werden.

Natürlich kann man dann wieder sagen: Aha, das wird ja nur als Alibi gemacht! Außer­dem: Warum ist es nicht möglich, die Begutachtung auch einmal – auch das ist ange­sprochen worden – in einer anderen Art zu machen? Auf der einen Seite virtuell, auf der anderen Seite real, indem man die Menschen dazu einlädt! Vielleicht gibt es aber auch einmal die Möglichkeit, dass man überhaupt über Umfragen gewisse Dinge einholt.

Seien wir doch ehrlich: Bei all den Umfragen – die Umfrage von SORA kenne ich – sind schon manche Fragen so hingedeichselt, dass die Antwort herauskommt, die man sich erwartet. (Abg. Gruber: Keine Unterstellungen! Dieser Vorgang ist parteipolitisch motiviert!) Aber prinzipiell sollten wir uns überlegen, was uns die größere Gewichtung wert ist: die vor Ort, dass die Universitäten selbständig agieren, arbeiten und es mit ihren Betroffenen ausverhandeln, oder auch in Zukunft immer noch das Modell, dass auf Bundesebene die wichtigsten Dinge entschieden werden? Dann passt aber das eine nicht zum anderen.

Aber ich finde – um das abschließend auch noch zu sagen –, es gibt immer einen Pro­zess in der Demokratie, und vieles kann sich auch Schritt für Schritt verändern, aber für etwas bin ich: dass man einer Sache auch einmal eine Chance gibt und nicht von vornherein sagt: Nein, dieses Modell ist so verachtenswert, das kann man gar nicht nehmen! (Bundesrat Konecny: Es ist verachtenswert!) Warum kann man nicht sagen: Hier ist ein Modell, und irgendwo muss man sich dann auch konkret für dieses Modell entscheiden!?

Aber das, was ich wirklich ganz stark zurückweisen möchte, ist, dass man so tut, als ob nur diejenigen, die jetzt direkt gewählt sind, die große Kritikfähigkeit hätten und die anderen unkritisch wären. (Bundesrat Gruber: Parteipolitische Motivation!)

Wir sollten uns auch überlegen, wie es denn mit der Wahlbeteiligung ist. Vielleicht sollten wir darangehen, schön behutsam vor Ort zu beginnen, auch daran stärker zu arbeiten. (Bundesrat Konecny: Sprechen Sie den Vorarlberger Bundesräten das Stimmrecht ab? Oder was?)


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Noch einmal: Ich zweifle hier nicht an, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann, dass es unterschiedliche Modelle geben kann, aber um etwas würde ich in Zukunft schon bitten: dass man nicht von vornherein dem Gegenüber, auch wenn es der poli­tische Mitbewerber oder der Regierende ist, immer nur Verachtung entgegenbringt und ihm unterstellt, dass er es nicht gut meint mit dem, was er machen will! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das stimmt nicht! Wir diskutieren nur!)

17.04

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.04

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kollege Schnider, Sie wissen, ich schätze Sie, daher haben Sie keine Sorge, dass irgendetwas verachtet wird, aber eines muss ich Ihnen schon sagen, wenn Sie sagen, Sie hassen das Wort „umfärbeln“ oder „einfärbeln“: Können Sie mir einmal einfach eine Erklärung geben? Warum ist, wenn man nicht umfärbelt und nicht – wie haben Sie es gesagt? – verfärbelt, wenn sich diese Regie­rung an bestimmte Institutionen heranwagt, wie etwa an den ORF, die Polizei, die ÖIAG, den Hauptverband, aber immer an den Grundelementen rüttelt, nachher alles schwarz? Was ist das? (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Das ist ein Black­out? Natürlich, wenn man ein Blackout hat – Herr Kollege Kühnel, Sie wissen es –, sieht man schwarz. (Bundesrat Konecny: Möglicherweise ist es das!) Möglicherweise ist es das!

Kollege Schnider! Ich verstehe Sie nicht, und Sie werden vielleicht jetzt mich nicht ver­stehen, aber Sie verstehen George Orwell. Und Ihre Rede hat mich an George Orwell erinnert. Wenn Sie sagen: Was wir wollen, das ist die hohe regionale Autonomie!, was heißt das dann? Schwächung! Dieses ständige ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Kühnel.) Ja, ja, die hohe regionale Autonomie! Wenn man ein direkt gewähltes Gremium hat, dann stellen, wie wir wissen, die kleinen Einzelnen, die ganz kleinen Einzelnen eine Schwächung dar. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Das wissen Sie!

Wenn Sie sagen: Ich will nicht zu viel bunt!, was heißt dann das? – Das heißt, ich will sie ganz klein halten, damit ich sie klein bewirtschaften kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kleine bewirtschaftete Universitäten haben keine starke Vertretung. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Schauen wir uns dann noch an, wie das von der Farbenlehre her aussieht! Man braucht kein Hellseher zu sein, man kann auch das Ergebnis der letzten Wahl herneh­men, legt ein bisschen bei der Opposition dazu, denn so wird es jetzt wahrscheinlich werden, aber man sieht in etwa, wie sich das dann verteilt. Das ist eine mathematische Grundrechnung, Herr Kollege. Da muss man nicht hellsehen, da braucht man gar nichts zu tun. Das weiß man im Ministerium (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Küh­nel), und deshalb ist man diesen Weg gegangen, dass man nämlich jetzt gesagt hat: Diese lästige Partie zerschlagen wir endlich! Da haben wir schon längst die Sache vorbereitet! Da haben wir die Garantie, dass wir auch nachher die Mehrheit haben! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Kollege Schnider! Ich habe im Nationalrat noch nie ein lauteres Gelächter und Ge­wiehere gehört als in dem Augenblick, in dem die Kollegin Brinek dort allen Ernstes gesagt hat, das sei ein Zeichen der Emanzipation, sie habe das erarbeitet. (Ironische Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.) – Ich würde die Wette halten: Wenn die Frau Brinek daran fünf Sätze geschrieben hat, lade ich den gesamten Bundesrat auf ein Abendessen ein! (Beifall und ironische Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ.)


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Frau Bundesministerin! Was ich einfach nicht verstehe, das ist Folgendes: Der Herr Kollege Schnider sagt: Emanzipation für die Schule! Sie sagen: Mir ist die Emanzipa­tion an den Universitäten wichtig! (Bundesrat Dr. Schnider: Autonomie!) Warum geht man ständig mit Bestrafungsaktionen vor? Letztlich ist das doch – seien wir doch ehrlich! – eine Bestrafungsaktion. Die ÖH war im Widerstand gegen die Studien­gebühren, gegen ein wirtschaftshöriges Universitätsgesetz, gegen deutschtümelnde Uniräte, gegen das, was der Herr Kollege Böhm wieder einmal verteidigt hat, nämlich die ungleichen Stimmrechte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Die ÖH war gegen die finanzielle Aushungerung an den Hochschulen und, und, und. Und jetzt zahlt sie die Zeche!

Man kann doch jungen Menschen nicht den Weg in die demokratische Mitbestimmung, ins Leben damit schmackhaft machen, indem man sie bestraft! Das ist eine reine Bestrafungsaktion! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist meiner Meinung nach einer der unglaublichsten Etikettenschwindel, die versucht werden. Es wird hier ein, glaube ich, zehnfacher Etikettenschwindel begangen. Erstens wird es als die Emanzipation von Abgeordneten dargestellt – Gewieher! Zweitens wird es dargestellt als eine noch unmittelbarere, direktere, dem Subsidiaritätsprinzip, der Universitätsnähe verpflichteten Vertretung. Und, und, und.

Ich verstehe das nicht! Warum sagt man nicht einfach: ÖH, ihr passt uns nicht!? Dann kennen sich auch die jungen Leute aus. So müssen Sie ständig Etiketten mit der Zunge ablecken, damit die verschwinden. Das hat doch die Frau Bundesministerin nicht notwendig! Das hat auch die ÖVP nicht notwendig! Stellt euch doch den jungen Leuten und sagt: Wir wollen das so nicht! Wir wollen eure Aufmüpfigkeit nicht! Wir wollen eure Mündigkeit nicht! Wir wollen eure beschissene Mitbestimmung nicht! Wir haben unser Universitätssystem! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Na gut, vielleicht horchen andere zu, Herr Kollege! Manchmal wundert man sich bei den Beiträgen und denkt sich, das bewegt sich schon ein bisschen im Kabarett der Verteidigung. Es gibt aber bessere Kabarettisten, wie zum Beispiel Stermann & Grisse­mann, die meinen – das ist vielleicht für die ÖVP ein interessantes Modell, mehr Mitglieder zu bekommen –:

„Wir haben damals für den freien Unizugang gekämpft, was als utopisch galt. Aber wir haben es geschafft, weil wir daran glaubten. Wenn man Zustände nicht will, muss man dagegen auftreten. Alternative: Eintritt in die ÖVP und die Gremien verändern. Das ist der langweiligere Weg. Einmal im Jahr muss man dann aus den Liederbüchern sin­gen.“ – Das ist das eine.

Die Frau Jelinek, die vor kurzem den Literaturnobelpreis bekommen hat, meinte zu die­sem Vorhaben – ich zitiere –:

„Ich betrachte die Demokratisierung des Hochschulwesens auch als eine wichtige Schule der Demokratisierung der Gesellschaft. Die willkürliche Aushöhlung des bun­desweiten Studierendenparlaments, welche, aufgrund des Wegfalls der Direktwahl der Bundesvertretung, einen gefährlichen Schritt auf dem Weg der Schließung dieser Schule bedeuten würde, wäre für mich ein demokratiepolitischer Rückschritt und daher abzulehnen.“ – Zitatende.

Kollege Böhm ist immer auch daran sehr interessiert, was die Schweizer sagen. Horchen wir uns an, was die Schweizer sagen! Der Verband der Schweizer Studieren­denschaften sagt Folgendes – ich zitiere –:

„Mit dem Versuch, der Bundesvertretung der ÖH einen Großteil ihrer Ressourcen zu entziehen und zudem ihre Legitimität durch Abschaffung der Direktwahl zu unter-


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minieren, ohne sich um die Meinung der Studierenden zu kümmern, hat die Regie­rungskoalition in Österreich einmal mehr ihre merkwürdige Einstellung zu grundlegen­den Prinzipien einer freien Gesellschaft bewiesen. Der Grund ist offensichtlich: Die hervorragende Arbeit, die die ÖH im Interesse der Studierenden geleistet hat, läuft gewissen politischen Interessen entgegen.“ Das meint der Verband der Schweizer Studierendenschaften.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diesem Schweizer Befund ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.12

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich habe den Herrn Bundesratsdirektor ersucht, das Stenographische Protokoll kommen zu lassen, um die Ausdrucksweise des Kolle­gen Schennach nachlesen zu können. Bis das da ist, gebe ich das Wort weiter.

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.13

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Weil wir schon bei Geschäftsordnungsfragen waren, möchte ich nur am Rande sagen: Ich habe mich bewusst nicht dazu zu Wort gemeldet, weil ich da eigentlich keine klein­liche Haltung habe. Aber wenn der Herr Fraktionschef der SPÖ, Herr Kollege Professor Konecny, von „verachtenswert“ oder von „ukrainischen Zuständen“ redet, dann muss ich schon eines sagen: Ich hätte ihm gerne Gelegenheit gegeben, klarzustellen, was er mit Ukraine meint, denn, bitte, dort ist kriminelles Verhalten gesetzt worden. Das waren Verbrechen! Eigentlich war es daher latent der Vorwurf des kriminellen Verhaltens. – Das sei einmal vorangestellt. (Bundesrat Schennach: Politischen Verhaltens, Herr Kollege!)

Kriminellen Verhaltens! (Bundesrat Gruber: Das ist eine Interpretation!) Vorsätzliche Wahlfälschung ist kriminelles Verhalten! (Bundesrat Gruber: Ja! Aber es ist noch nicht bewiesen!) Das werden Sie ja wohl wissen oder hoffentlich auch so sehen! (Bundesrat Stadler: Was ist die Abschaffung einer Institution? Unangenehme Frage?) Das glau­ben Sie doch selbst nicht! (Bundesrat Reisenberger: Beantworten Sie sie doch! Weg vom Fenster! Nur nicht antworten!)

Nun möchte ich den geschätzten Kollegen Schennach ansprechen. Das ist jetzt nicht ganz zum Thema, nur insoweit übe ich ein bisschen Kritik auch an Ihnen, sehr geschätzter Frau Kollegin Konrad, als ich nicht den Sachzusammenhang völlig leugne oder verkenne und sage: An und für sich werden Sie mir schon zugestehen müssen, dass, wenn man es analytisch betrachtet, die Frage, inwieweit ich im Organisations­recht Mitbestimmung vorsehe, die eine Frage ist und die Frage, wie ich die Hoch­schülerschaft mit den im ÖH-Gesetz vorgesehenen Rechten und Pflichten organisiere, eine andere Frage ist.

Dennoch möchte ich auf die Mitbestimmungsfrage schon am Rande eingehen, obwohl ich nicht meine, dass sie hier angesprochen ist. Ich fühle mich da wirklich nicht als richtiger Adressat, Herr Kollege Schennach, weil ich dazu weiter aushole. Es tut mir Leid, dass das jetzt etwas länger dauern wird.

Zum einen: Ich war schon als Assistent an einem Alternativentwurf, damals zum UOG 1975, beteiligt, der zwar in vielen Punkten abweichend war – vielleicht in einigen Punkten weniger weitgehend; ich komme auf den entscheidenden Punkt gleich zurück –, der aber, würde ich sogar behaupten, bezüglich der Mitbestimmung weiter


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gegangen ist, als das jetzt im Universitätsgesetz der Fall ist. Mich können Sie über­haupt nicht als mitbestimmungsfeindlich etikettieren.

Zum anderen: Ich bin nicht als Ordinarius auf die Welt gekommen. Ich bilde mir auch gar nicht ein, nur auf Grund meiner Leistungen – ich hoffe, dass das am Rande auch eine Rolle gespielt hat; Parteipolitik schon überhaupt nicht, denn ich habe damals kei­ner Partei angehört, jedenfalls keiner der damaligen Ressortchefs –, Ordinarius gewor­den zu sein. Als ich als Assistent eingetreten bin – es ist leider eine Altersfrage, dass das schon so lange zurückliegt –, war die Mitbestimmung überhaupt nicht vorhanden. Da habe ich noch wirklich eine Ordinarienuniversität erlebt, die ich so wirklich auch nicht vertreten würde und nicht mehr zurückholen möchte.

Ich habe dann das UOG 1975 erlebt und war viele Jahre Assistentenvertreter und, nebenbei bemerkt, auch sehr lange in der Personalvertretung, im Dienststellenaus­schuss. Ich wäre fast einmal Ehrenmitglied der GAKU geworden, weil ich mich in der Personalvertretung natürlich klarerweise – ich bilde mir nichts darauf ein, aber es war offenbar anderes von mir erwartet – auch unbeschadet der Richtung, die mir egal war, sehr intensiv für Kollegen eingesetzt habe, und zwar in einer Weise, die für mich sogar, sagen wir, karriereverzögernd war, nicht -schädigend, sonst hätte ich es nicht doch noch geschafft. – Das dazu.

Im Rahmen der Mitbestimmung war ich ein durchaus sehr aktiver Assistentenvertreter. Ich habe von den Möglichkeiten der damaligen Mitbestimmung Gebrauch gemacht, trotzdem noch, wie ich hoffe, irgendwo bei der Sache bleibend, aber natürlich im Rahmen der Interessen der in dieser Gruppe von mir zu Vertretenden. Auch das haben mir viele, bis zu meinem eigenen Chef, schwer verübelt. – Das sei auch nur am Rande erwähnt.

Es ist daher nicht so, dass ich dann, als ich später Professor wurde – ich bin nicht die­ser Typ –, plötzlich um 180 Grad umgeschwenkt bin und gesagt habe: Na ja, als Assis­tentenvertreter war klar, da habe ich mich dort profiliert, jetzt bin ich Professor, jetzt schaut die Welt natürlich ganz anders aus! Natürlich ist sie nicht ganz dieselbe situativ, aber ich habe das nicht vergessen. Ich habe auch jetzt im Rahmen meiner bescheide­nen Möglichkeiten der Mitwirkung an diesem Universitätsgesetz nicht gegen Mitbe­stimmung an sich agiert. Ich muss Ihnen aber leider schon eines sagen, und das habe ich nicht erst in der Zeit meiner Professorentätigkeit erlebt: Ich habe schon erlebt, wie auch die Mitbestimmung dort missbraucht wurde, und zwar in einer Weise, die unter Berücksichtigung durchaus sogar fast schon parteipolitischer Erwägungen bei Perso­nalentscheidungen ausgeübt wurde, und ich nehme da wenige Seiten aus, möchte ich dazusagen, damit Sie nicht glauben, dass ich das jetzt einseitig zuordnen will.

Ich habe auch Unsachlichkeit unter dem falschen Titel der Kollegialität erlebt, sodass es dann schon so weit war (Bundesrätin Konrad: Würden Sie behaupten, dass Einzel­personen immer die richtige Entscheidung treffen?), dass man an meiner Fakultät, sachlich betrachtet, teilweise fast schon von einem Selbstbedienungsladen sprechen musste. Manche haben es als „Verein auf Gegenseitigkeit“ bezeichnet. (Bundesrat Reisenberger: Der Lebenslauf des Professor Böhm! Eigentlich eine Themaverfeh­lung!)

Ich möchte schon noch hinzufügen: Bei diesem frühen Alternativentwurf, an dem ich als junger Assistent beteiligt war, waren wir sehr wohl für Mitbestimmung, vor allem in Studienangelegenheiten für eine sehr, sehr weitgehende. Nach unserer damaligen Vorstellung – ich kann es jetzt nur plakativ und schlagwortartig umschreiben, entschul­digen Sie das! – haben wir dafür die folgende Leitformel gefunden: funktionsorientierte, nach Qualifikation abgestufte Mitbestimmung.


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Damit will ich sagen, dass Studierende im Bereich der Studien – ob sie allein bestim­men sollen, was alles Gegenstand des Studienrechtes ist, ist eine andere Frage – selbstverständlich beurteilen können, was für sie sinnvoll ist, wie sie Lehrveranstaltun­gen empfinden, ob da didaktisch auf sie eingegangen wird, das ist völlig klar!

Es schaut natürlich, je nachdem, um welchen Bereich es geht, bei der Frage der Be­urteilung der Habilitationswürdigkeit einer hochwissenschaftlichen Schrift wohl ganz anders aus. (Bundesrätin Konrad: Didaktische Fähigkeiten können Studierende schon beurteilen!) Ich will das jetzt nicht ganz auf einer Ebene sehen mit der Frage der Beru­fung, da sich die Berufung von Professoren zwar auch vorrangig, aber sicherlich nicht allein an wissenschaftlichen Qualifikationen orientiert, da spielen auch andere, etwa didaktische Qualitäten, Führungseigenschaften, wie man mit anderen Menschen – nicht nur Hörern, sondern auch Mitarbeitern – umgeht, eine Rolle, was wiederum die Studierenden, und noch mehr der Mittelbau, sehr gut beurteilen können.

Man müsste wahrscheinlich noch weiter differenzieren. In den Naturwissenschaften etwa, in experimentellen Fächern, wirken die Betreffenden im Dissertationsstudium bereits an wissenschaftlichen Projekten mit. Manchmal geben die Projektleiter vielleicht sogar nur die Versuchsanordnung vor und schreiben dann vielleicht ihren Namen dar­unter. – Ich weiß, dass es auch solche Fälle gibt.

Jedenfalls aber bin ich grundsätzlich der Meinung – und von dieser Forderung würde ich nicht abgehen –, dass jenes Maß an Qualifikation vorausgesetzt werden kann, das zur Beurteilung steht.

Wenn Sie internationale Vergleiche anstellen, dann muss man schon dazusagen: Natürlich fällt es auf – auch in anderen Ländern –, wenn wieder hinter einen Stand, der einmal von einem Gesetz erzielt war, zurückgegangen wird. Aber trotzdem ist das schon sehr doppelbödig, denn man muss sich fragen: Wie schaut es denn in diesen Ländern, auch in der von mir in der Tat geschätzten Schweiz, aus? Das konnte mir kein Studentenvertreter in all diesen Diskussionen widerlegen. Wir haben europa-, ja weltweit kein vergleichbares Maß an Mitbestimmung. (Bundesrätin Konrad: Ist das nicht schön?) Das ist jederzeit belegbar! Diese 25 Prozent, die wir durchgängig haben – zeigen Sie mir ein anderes Land, das so etwas hat! Deutschland jedenfalls hat das ganz gewiss nicht, aber es ist ja auch nur eines von vielen Vergleichsmodellen.

Obwohl ich nicht glaube, dass all das ganz neben der Sache war, weil es ja auch angesprochen wurde, werde ich jetzt versuchen, auf das Thema im engeren Sinn näher einzugehen.

Diese vorliegende Dringliche Anfrage gibt aus meiner Sicht schon Anlass – ich möchte nur auf einiges eingehen, weil ich nicht alles problematisieren will; ich akzeptiere wie Kollege Schnider das Anliegen –, zumindest einige, nach unserer Ansicht unrichtige Behauptungen zu erwidern.

Vor allem möchte ich – und das sehe ich genauso wie Kollege Schnider; wir haben das überhaupt nicht abgesprochen; ich habe gar nicht gewusst, was er in das Zentrum seiner Überlegungen rücken wird, würde es aber auch so nennen und habe es auch so in meinem Konzept – primär der Unterstellung entgegentreten, dass es die kritische Haltung der ÖH sei, die dazu führe, dass diese Institution der Bundesregierung „ein Dorn im Auge“ sei, wie das formuliert wird.

Richtig ist allerdings, dass meine Fraktion der Österreichischen Hochschülerschaft tat­sächlich die Legitimation dafür abspricht – aber nicht erst heute! –, laufend zu jeglichen politischen Themen Stellungnahmen abzugeben, die in keinerlei Zusammenhang mit den Hochschulen und den Interessen der Studierenden stehen. Ein allgemeinpoliti-


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sches Mandat kommt ihr nämlich unseres Erachtens keineswegs zu. (Bundesrätin Konrad: Ihr habt aber auch nie eine Mehrheit gehabt!)

Im Gegensatz dazu ist das vielfach rein ideologische Selbstverständnis der gegenwär­tigen ÖH-Führung bereits so weit fortgeschritten – und offenbar von der Opposition so weit zustimmend verinnerlicht worden –, dass durchgehend und taxfrei, auch in ihren Texten, die ÖH zu den so genannten regierungskritischen Organisationen gezählt wird. Ja ist denn das bitte ihre institutionelle und gesetzliche Aufgabe? Ist sie pragmatisierte, verbandsmäßig institutionalisierte Regierungsopposition? (Ruf: Nein! Ist sie nicht!) – Eben!

Ebenso ist zu fragen, auf welches Mandat sich der Österreichische Gewerkschafts­bund, die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft der Privatangestellten und vergleichbare Arbeitnehmervertretungen berufen, wenn sie sich mit den Protesten der ÖH solidarisch erklären. Ich frage Sie: Was hat das mit ihren legitimen Aufgaben als Interessenvertre­tung der Arbeitnehmer zu tun? – Ich sage: schlechthin nichts!

Soweit die Anfragesteller beklagen, dass die Neuregelung angeblich ohne jegliche Einbeziehung der Betroffenen erfolgen soll, widersprechen sie sich selbst. Das wurde schon angesprochen. Zugleich wird nämlich an anderer Stelle mehrfach Kritik daran geübt, dass das Bundesministerium die Universitätsvertretungen, Fraktionen und die Bundesvertretung aufgefordert hat, Wünsche und Vorstellungen für ein neues Hoch­schülerschaftsgesetz zu formulieren. – Was trifft jetzt zu? Beziehungsweise: Was wollen die Anfragesteller selbst?

Unrichtig ist weiters die Behauptung, dass der Bundesvertretung die demokratische oder überhaupt jegliche Legitimation entzogen werden soll, für alle Studierenden sprechen zu können. Aus der Veränderung des Bestellungsmodus der Mitglieder der Bundesvertretung – ob man sie schätzt oder nicht schätzt – folgt das nämlich in keiner Weise! Weder wird den ÖH-Vertretungen die bundesweite Vernetzung noch ihr gesamtösterreichisches Sprachrohr, wie es formuliert wird, genommen. Das ist in keiner Weise der Fall!

Betreffend die demokratische Legitimation würde ich Kollegen Schnider gleichfalls voll zustimmen. Nicht nur dem Bundesrat selbst steht es schlecht an, unsere Art der Legiti­mation dermaßen in Frage zu stellen, dass wir dann offenbar auch nicht ausreichend demokratisch legitimiert wären.

Wenn Sie dann sagen, wir seien ja realpolitisch nicht so ein Faktor, wie wir es vielleicht sein könnten beziehungsweise sollten, dann muss ich Ihnen schon sagen: Auch die Bundesregierung, der Sie ja geradezu dauernd sozusagen die Ausübung ihrer demo­kratisch geliehenen Macht vorwerfen, ist nur in diesem Sinne, also indirekt demokra­tisch legitimiert, denn sie wird nicht wie in manchen anderen Ländern vom Parlament gewählt! Das ist nicht der Fall!

Oder: Was würden Sie zu Richtern sagen? Sind Richter vielleicht nicht demokratisch legitimiert? Denken Sie an Höchstrichter, die sogar Gesetze oft sehr extensiv ausle­gen, ja Rechtsfortbildung – arte legis, oder besser: lege artis – betreiben! Da hat noch niemand gefragt, woher die ihre demokratische Legitimation nehmen.

Und erst gar nicht zu reden vom Verfassungsgerichtshof, dessen Bestellungsmodus auch sehr indirekt ist, sogar unter sehr politischen Gesichtspunkten. Also das glauben Sie ja selbst nicht!

Es stört Sie dort nicht, wo Sie das Ergebnis nicht stört! Es stört Sie nur dort, wo Sie dann fürchten, das Ergebnis könnte in Ihrem Sinne nicht mehr stimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Weil eine demokratische Wahl umgedreht wird!)


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Außerdem wundere ich mich schon. Die freiheitliche Fraktion hat schon in der Oppo­sitionsrolle sehr stark immer wieder den Ausbau der direkten Demokratie gefordert, beispielsweise dass Volksbegehren, die eine bestimmte Zahl an Unterschriften erreicht haben, vielleicht dann sogar einer obligatorischen Volksabstimmung unterzogen wer­den. Ich habe bis heute Ihre Unterstützung zu diesem Anliegen noch nie gehört. So halten Sie es mit der von Ihnen so hoch gehaltenen direkten Demokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Sie können es ja machen! Sie haben ja eh die Mehrheit!) – Ja, aber Ihre Zustimmung haben wir nie gehabt. (Bundesrat Bieringer – in Richtung des Bundesrates Gruber –: Hast du schon einmal von einem Verfassungsgesetz gehört? – Bundesrat Gruber: Ja! Gott sei Dank gibt es das!)

Da also die Universitätsvertretungen selbstverständlich nach wie vor direkt gewählt werden, gewählt werden sollen – daran rüttelt ja überhaupt niemand, das steht ja über­haupt nicht zur Debatte –, kann auch von einem „demokratiepolitisch inakzeptablen Eingriff in das Wahlsystem“ überhaupt nicht die Rede sein. Das ist ja nur finstere Polemik, sonst nichts!

In der Dringlichen Anfrage wird ferner die Verlagerung des ÖH-Budgets von der Bun­desvertretung zu den Universitätsvertretungen heftigst kritisiert. (Bundesrätin Konrad: In dem Ausmaß und der dezidierten Festgeschriebenheit!) Wenn freilich beklagt wird – auch das steht ja wörtlich im Text der Dringlichen Anfrage –, dass dann jenes Geld gekürzt werde, das für klassische Serviceleistungen, aber auch für Informations­kampagnen im Interesse der Studierenden verwendet worden sei, so trifft gerade das leider nur zum Teil zu. Allzu viele Mittel der Öffentlichkeit und der Studierenden werden durchaus nicht in deren Interesse eingesetzt, sie dienen vielmehr der ideologischen Profilierung bestimmter Funktionäre. (Bundesrätin Konrad: ... erst jetzt ...? Nur weil sie nicht ÖVP-nahe sind?)

Hierzu ist insbesondere auf zahllose, rein politisch-ideologische Kampagnen und Bro­schüren zu verweisen (Bundesrätin Konrad: Zum Beispiel?), die mit Hochschulpolitik, Bildungspolitik und studentischen Interessen aber auch schon gar nichts mehr gemein haben, ja selbst allgemein gesellschaftspolitisch-theoretische Fragen nur sehr am Rande berühren. Bei den Universitätsvertretungen vor Ort, wie es neudeutsch so schön heißt, ist eine solche Zweckentfremdung – und das ist sie in meinen Augen, das sage ich in der Dezidiertheit! – der ÖH-Mittel nicht zu erwarten, denn schon bisher haben Fakultäts- und Universitätsvertretungen niemals so abgehoben agiert wie der Zentralausschuss. Sie haben Bodenhaftung, sind den Studierenden weitaus näher und ihnen daher voll verbunden, verpflichtet und verantwortlich.

So gesehen ist es nur sinnvoll, dass die Mittel verstärkt den Universitäts- oder – soweit sie dann bestünden – Fakultätsvertretungen zugewiesen werden, damit sie tatsächlich ausschließlich den Interessen der Studierenden und keinem anderen entfremdeten Zweck zugute kommen. Die Stärkung gerade dieser Ebene der ÖH ist daher auch in diesem Sinne vorbehaltlos zu begrüßen.

Abschließend möchte ich daher schon mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass Sie mit dieser Dringlichen Anfrage zwar den Eindruck erwecken, die Interessen der Studie­renden zu verteidigen, nach meiner – ich sage es Ihnen ganz offen – Einschätzung aber eher um die Erhaltung der Möglichkeit kämpfen, die ÖH-Führung für Oppositions­zwecke zu instrumentalisieren.

Wenn Sie nämlich, meine Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen, den Re­gierungsparteien unterstellen, sie wollten die Bundesvertretung aushungern – denn Sie behaupten ja, ich zitiere wörtlich: „So ausgestattet, soll die ÖH in Zukunft der Regie­rung nicht mehr lästig werden können.“ –, müssen Sie auch die umgekehrte Deutung


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zulassen: Offenbar wollen Sie eine ÖH-Struktur und -Führung, welche die Regierung nicht kritisch betrachtet, sondern ihr „lästig werden“ kann und soll (Zwischenruf der Bundesrätin Konrad), das heißt eine solche, die nicht Studenten- und Hochschulpolitik, sondern Anti-Regierungspolitik betreibt.

Deshalb lassen Sie mich mein Resümee Ihrer Dringlichen Anfrage in ein Goethe-Zitat fassen: „Man merkt die Absicht, und ist verstimmt.“ – Danke. (Beifall bei den Freiheit­lichen und der ÖVP.)

17.34

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.35

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Die tatsächliche Berichtigung dauert kürzer.

Bundesrat Schennach hat vor kurzem von der „beschissenen Mitbestimmung“ der ÖH gesprochen. – Das ist unrichtig.

Er hat damit vielmehr eine unbequeme, mühsame, lästige, nervige Mitbestimmung der ÖH gemeint. Und ich möchte damit Bundesrat Schennach als Schennach selbst berichtigen, ziehe diesen einen Ausdruck mit Bedauern zurück und ersetze ihn durch diese vier anderen. – Danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie des Bundes­rates Dr. Böhm.)

17.35

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Mir liegt nun auch das vorläufige Stenographische Protokoll der Rede des Herrn Bundesrates Schennach vor. Ich appelliere in diesem Zu­sammenhang an alle Rednerinnen und Redner in diesem Haus, sich einer angemes­senen Ausdrucksweise zu bedienen, die auch der Würde dieses Hauses entspricht. – Danke schön.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


17.36

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt wieder zum eigentlichen Thema zurückkommen, nämlich dass das Universitätsgesetz zum Anlass genommen wurde, das HochschülerInnenschaftsgesetz zu ändern.

Die ÖH hat schon damals das Ministerium darauf aufmerksam gemacht und bereits seit Jänner auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass da etwas zu tun ist. Vor zwei Mo­naten ist seitens des Ministeriums ein Brief an die ÖH zurückgegangen, in dem etwas von leichten Anpassungserfordernissen in einigen Bereichen gestanden ist. Leichte Anpassungserfordernisse in einigen Bereichen? Das so zu umschreiben ist für mich eine spannende, neue Entdeckung.

Im November ist dann – nicht seitens des Ministeriums! – etwas gekommen, nämlich an eben jenem 10.11. wurde der Initiativantrag gestellt. Damit, meine Damen und Her­ren, haben die Regierungsfraktionen tief greifende Änderungen bei der Österreichi­schen Hochschülerschaft eingeleitet. Was mich noch zusätzlich schockiert hat – und das war auch die Aussage der Frau Minister heute –, ist: Wenn es einen Initiativantrag gibt, dann liegt es nicht mehr im Interesse des Ministeriums, eine Aufgabe zu erfüllen. Und das, bin ich der Meinung, ist so nicht der Fall.


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Da es ja kein Gesetzentwurf ist, sondern ein Initiativantrag, geht er auch nicht in die Begutachtung. Und das Begutachtungs- und Mitspracherecht der ÖH ist mit diesem Antrag eindeutig umgangen worden. Der Gesetzentwurf selbst ist für mich ebenfalls höchst umstritten.

Zum Mitspracherecht. Die Umstellung von diesem direkten auf das indirekte Wahl­system – wir haben das ja jetzt schon ausführlichst diskutiert – ist für mich sehr wohl ein demokratiepolitischer Rückschritt, denn der gegenwärtige Modus, Herr Kollege Schnider, hat bis dato gut funktioniert, und diese Umstellung wünscht sich außer den Regierungsparteien niemand. Was ist die Folge des Ganzen? – Das ist mir klar: Es ist nichts anderes als der Versuch, die Bundes-ÖH abzuschaffen.

Nach den ÖBB, dem ORF, den Krankenkassen und dem Hauptverband ist es jetzt der nächste Anlauf dieser schwarz-blauen Regierung, kritische Interessenvertretungen, die immer wieder auf die katastrophalen Zustände an den Universitäten hingewiesen haben, mundtot zu machen. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Thematisierung dieser Missstände nicht immer angenehm war. Und ich nehme es als deutliches Zeichen, wenn es die ÖH zum Anlass genommen hat, beim Tag der offenen Tür bei Ihnen den Unmut so zu demonstrieren.

Dass die Neuordnung dieser Interessenvertretung, die nicht diskutiert wurde, in einer Nacht- und Nebelaktion als Initiativantrag gestellt wurde, ist für mich schlichtweg ein Skandal! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kollege Schennach hat Meinungen von internationalen ÖH-Vertretungen verlesen. Die nationalen Studienverbände Europas haben den Antrag so sehr kritisiert, dass sie sogar erwägen, Österreich aus dem Verband auszuschließen, weil die ÖH dann nicht mehr unabhängig wäre. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann müsste man viele ausschließen! Dann müsste man alle anderen auch ausschließen!)

Wenn Maßnahmen und Veränderungen anstehen, dann ist es auch mein Demokratie­verständnis, dass man im Vorfeld darüber diskutiert und nicht im Nachhinein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine Frage hätte ich dann schon zu den neun genannten Terminen, die es mit der ÖH gegeben hat und wo die ÖH sogar die Möglichkeit hat, die Themen vorzugeben: Wie soll sie darauf reagieren, wenn erst am 10.11. der Antrag gestellt wurde? (Bundesrat Prutsch: Hört, hört!) – Der erste Termin, zu dem sie darauf wird reagieren können, ist der 29.11.! Und eine Diskussion via E-Mail, wo alle ihre Stellungnahmen einschicken können und diese dann aufliegen, die dann nicht eingearbeitet werden, ist für mich so nicht akzeptabel.

Mit diesem Initiativantrag soll die Körperschaft den Änderungen bei den Universitäten im Zusammenhang mit der Vollrechtsfähigkeit angepasst werden. In Zukunft sollen die Studierenden die Bundesvertretung nicht mehr selbst wählen können, sondern die Bundesvertretung wird nach den entsprechenden Gremien der einzelnen Akademien und Universitäten festgelegt. Und da möchte ich noch einmal auf Kollegen Schnider zurückkommen, der gesagt hat, es ist ja eine Erleichterung, dass dann auch die kleinen Universitäten entsenden können: Dem ist nicht so! Denn wenn ich jetzt ein Studentenparlament mit weniger als 1 000 Studenten habe, dann ist es erforderlich, dass sie eine Entsendungsgemeinschaft gründen, damit vielleicht von mehreren Uni­versitäten für zumindest einen die Möglichkeit besteht, dort berücksichtigt zu werden.

Eine solche Änderung des Wahlmodus würde das jetzige Wahlergebnis – und ich betone es: das jetzige Wahlergebnis – komplett auf den Kopf stellen. (Bundesrat Dr. Schnider: Bei der Gewerkschaft ist es auch ...!) Eine solche Reform so kurz vor der nächsten Wahl – und die nächste Wahl ist im Mai 2005 –, was würde sie jetzt be-


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deuten? Und ich betone noch einmal: jetzt. – Jetzt hätte die ÖVP-nahe Studienfraktion die satte Mehrheit, und durch eine Sonderregelung wäre sogar der Ring Freiheitlicher Studenten, der jetzt nur noch ein Mandat erreicht hat, im bundesweiten Gremium vertreten. (Bundesrat Gruber: Na ja, jetzt wissen wir es! Jetzt kennen wir des Herrn Professors Argumente!)

Für mich ergibt sich als Resümee: ein künstlich geschaffenes Ergebnis, das seit vier Jahren bei der Direktwahl des Studierendenparlaments nicht mehr der Fall war! (Bun­desrat Gruber: Jetzt ist alles klar! Liegt ja auf der Hand! – Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Böhm.) Ganz nach dem Motto: Wo Schwarz-Blau keine Wahlen gewinnen können, werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen so verändert, dass man eine Mehrheit erlangt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehrheitsverhältnisse durch Gesetzesände­rungen zu erreichen ist letztklassig und einer Demokratie unwürdig! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Aber der Gedanke ist nicht ausge­sponnen worden von Ihnen, Frau Kollegin!) Lassen Sie mich zuerst in meinen Ausfüh­rungen noch weitergehen, wir werden dann beide diskutieren. (Bundesrat Gruber: Das war ein Angebot!)

Die finanzielle Aushungerung der einzelnen Universitäten: Was nützt es, wenn seitens der Bundesvertretung zu den Universitätsvertretungen hin verschoben wird, was auch eine Verlagerung des Budgets zur Folge hat? – Es bedeutet, dass in Zukunft 21 Uni­versitäten parallel in den eigenen Reihen etwas organisieren müssen, was jetzt die Bundes-ÖH in einem für alle übernommen hat. (Ruf bei der ÖVP: Selbständig und autonom!) Das ist keine Erleichterung, das stellt nur eine finanzielle Belastung der Universitäten dar. Es soll damit eine gut funktionierende Vernetzung gekappt werden und eine österreichweite Vertretung unmöglich gemacht werden. (Bundesrat Mag. Gu­denus: Wo steht das, Frau Kollegin? Wo steht das, dass die Österreichische Hoch­schülerschaft ...?)

Forderungen, die die ÖH an das Ministerium gestellt hat, wurden heute erstmals – und das haben Sie in Ihren Ausführungen erwähnt – besprochen. Erstmals wurde darüber gesprochen, ob es jetzt zu einer Umbenennung auf „Österreichische Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft“ kommen soll. Das ist bei der heutigen Besprechung erstmals besprochen worden, es ist im Vorfeld nie diskutiert worden!

Dass die Universitäten dem Nationalrat zur Rechenschaft verpflichtet sind – so weit zur Autonomie der Universitäten! (Bundesrat Mag. Gudenus: Zahlt sie ja auch!) Was sollen sie auch? (Bundesrat Mag. Gudenus: Zahlen tun wir sie!) Wir zahlen sie auch. – Wo geben Sie dann Ihren Bericht ab? (Bundesrat Mag. Gudenus: Bitte?) Wo geben Sie Ihren Bericht ab? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Wir zahlen ... Parlament!) – Gut.

Kollegin Konrad hat schon erwähnt, wie viele Angebote die ÖH für die Studierenden liefert; ich möchte das hier nicht wiederholen. Aber sie ist ganz einfach eine Anlauf­stelle für große und kleine Hilfestellungen, dort werden Beschwerden gesammelt und im Sinne aller Studierenden aufgezeigt und weitergeleitet.

Macht diese Regierung mit ihrem Plan ernst, so wird es in kurzer Zeit die ÖH nicht mehr geben. Ein einfaches Mittel: aufmüpfige Interessenvertretungen finanziell auszu­hungern und die Basis der Rechtslage zu entziehen! Wir, die SPÖ, werden diesem Angriff auf die Selbstverwaltung, die Demokratie und das Budget der Universitäten sicherlich nicht tatenlos zusehen. Daher werden wir auch auf keinen Fall zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Schade!)

 


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Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Bernhard Baier. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


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Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Vieles ist schon erwähnt und argumentiert worden. Ich möchte im Besonderen noch einmal auf eine Zielsetzung des Vorschlages, des Initiativantrages eingehen, nämlich die Stärkung der lokalen Universitätsvertretung, die Stärkung der Struktur an der Universität selbst als Abbild des Universitätsgeset­zes 2002. Wiewohl ich – und das gebe ich zu – verleitet wäre, auf das eine oder andere, was bereits gesagt wurde, zu replizieren; ich behalte mir das aber an dieser Stelle noch vor.

Ich kann sagen, dass ich als einer der – wahrscheinlich mit Frau Kollegin Konrad – Jüngsten hier aus der Praxis darüber sprechen kann, wie es an einer Fakultät funk­tioniert, wie es an einer Studienrichtung funktioniert. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Bisschen lange her, Herr Kollege Baier!) Nein, Frau Kollegin, ganz so lange ist es noch nicht her. Ich darf Ihnen verraten, ich habe 2001 spondiert und war die Jahre davor sowohl auf Fakultätsebene als auch auf der Uni-Vertretungsebene – damals noch Hauptausschuss – aktiv.

Natürlich ist es so – und das kann man auch nicht abstreiten –, dass gerade die Universitätsvertretungen Stärkungen brauchen. Sie werden das ja als ehemalige Vor­sitzende einer Universitätsvertretung wissen, dass es so etwas wie eine Vorsitzenden­konferenz gibt. Die gibt es: eine Vorsitzendenkonferenz! Jetzt verrate ich dem Hohen Haus, wie man auf Zentralausschussebene oder in der Bundes-ÖH, wie das heute hier genannt worden ist, oft mit diesen Empfehlungen oder Beschlüssen umgegangen ist. Das werden Sie auch wissen: Das wurde meistens wie ein Koffer vor der Tür abge­stellt, wenn ich das ein bisschen abschätzig so bemerken darf. (Bundesrätin Konrad: Das war vielleicht bei Ihnen so, aber das hat nicht ...!) Das ist ein Umstand, der gerade die Vorsitzenden dazu bewegt hat, das in einem Beschluss auch einzufordern. Das muss man auch einmal sagen. (Bundesrätin Konrad: Der Beschluss ist nicht gültig!)

Ja, Sie sagen, er ist nicht gültig. (Bundesrätin Konrad: Entschuldigung! ... in einer Sitzung ist kein Beschluss!) Aber man kann nicht immer nur sagen, ich bin nicht der Meinung, und dann ist alles nicht gültig, nicht rechtmäßig zustande gekommen, und im Übrigen wurde nicht richtig eingeladen und so weiter. (Zwischenruf der Bundesrätin Konrad.) Das alles sind ja nur Schutzbehauptungen, sage ich Ihnen hier von dieser Stelle aus.

Genau das sieht jetzt dieses HSG-neu vor: die Stärkung der Universitätsvertretung! Und jetzt sage ich als einer, dem zwar unterstellt wurde, schon ein bisschen länger von der Uni weg zu sein, der aber mit der Matrikelnummer den Gegenbeweis antreten kann – 9555525, es sind viele Fünfer drinnen, aber ein Zweier auch; ich habe trotzdem abgeschlossen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Datenschutz, Herr Baier!) –, dass der Studierende vor Ort sich nichts sehnlicher wünscht als – das wissen alle, die einmal die Universität nicht nur von außen gesehen haben, meine Damen und Herren – eine gute Studienrichtungsvertretung, die ein gutes Service anbietet und bei der ich genau weiß: da gehe ich hin, klopfe ich an die Tür, da habe ich Sprechstunden, da kann ich mich hinwenden, da werde ich ordentlich beraten, da bekomme ich eine ordentliche Aus­kunft!

Darüber hinaus geht es um eine gute Fakultätsvertretung. Diese wird nicht abgeschafft, sondern es liegt im Ermessen der Universitätsvertretung, eine Fakultätsvertretung ein­zurichten. (Zwischenruf der Bundesrätin Konrad.) Es ist so richtig. Es kommt natürlich darauf an, ob es noch Fakultäten an der Universität gibt. Frau Kollegin, das müssen


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Sie auch zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie in der Dringlichen Anfrage anderes behaupten. Und überdies eine Universitätsvertretung auf Universitätsebene, die direkte Unterstützung leistet: das wünscht sich der Studierende! (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es! Sehr richtig, Herr Kollege!)

Da kann man herumargumentieren, wie man will – ich sage Ihnen das, ich bin lange genug in den Bänken gesessen und habe mich mit den Kolleginnen und Kollegen unterhalten. Ich gebe hier nicht wieder, was man über die Bundes-ÖH – ganz egal, wer die Mehrheit hatte (Bundesrat Dr. Böhm: Ganz gleich!), das darf ich auch dazusagen, ganz gleich – gesprochen hat oder über den Zentralausschuss gesprochen hat. Das muss man zur Kenntnis nehmen, das kann man nicht wegwischen.

Was die freiheitliche Fraktion und die ÖVP-Fraktion im Nationalrat mit diesem Initiativ­antrag bewirken wollten, ist genau das: die UV zu stärken, finanziell, aber auch struk­turell, etwa bei den Studiengebühren, damit der oder die örtliche Vorsitzende ein starker Gegenpart zum Rektor ist und man überprüfen kann, wohin die Studienbeiträge fließen. (Bundesrätin Konrad: Starker Gegenpart zum Rektor ...! Das ist vorbei!) Das muss man auch einmal sagen: Es ist keine Verschlechterung – auch wenn Sie das behaupten wollen –, es ist eine Verbesserung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.) Es ist eine Verbesserung, und die kann man nicht wegdiskutieren. Sie können es noch zehn Mal behaupten, deswegen wird es nicht wahrer; gebetsmühlenartig kön­nen Sie es behaupten (Bundesrätin Konrad: So wie Sie!), aber es wird dadurch nicht wahrer werden.

Natürlich schmeckt es der Bundes-ÖH nicht ganz, dass man hier finanzielle Mittel ver­schiebt. Umso mehr schmeckt es denen, die auf Universitätsebene die gute Arbeit vor Ort leisten! Die brauchen die Unterstützung, und die sind dafür auch dankbar.

Lassen Sie mich auf einige Argumente eingehen.

Demokratiefeindlichkeit. Es ist schon oft genug betont worden, dass es andere Inter­essenvertretungen gibt, die ähnlich organisiert sind. Kollege Schnider hat es richti­gerweise schon ausgeführt: Es ist eine Meinungsverschiedenheit, man kann dazu stehen, wie man will. Wir haben ja zahlreiche Leitende Sekretäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes hier bei uns. (Bundesrätin Bachner: Nein, nur eine! Es gibt nur eine beim ÖGB!) Auch Frau Kollegin Lueger, habe ich gesehen, ist in der Gewerk­schaft organisiert. Ich verstehe nicht ganz, wo da die Demokratiefeindlichkeit sein soll.

Mundtot machen, umfärbeln, all das ist uns von Ihnen vorgeworfen worden. Das ist natürlich die typische Kampfrhetorik, die man sich auf die Fahnen heftet, wenn man losmarschiert. Ich verstehe das nicht ganz, und die Studierendenvertreter verstehen es auch nicht. Ich wundere mich ein bisschen darüber (Bundesrätin Konrad: Welche Studierendenvertreter meinen Sie?): Um 11.30 Uhr, Frau Kollegin Konrad, war hier im Hause eine Aussprache. Die wussten offenbar, meinem Vernehmen nach, dass es hier um 16 Uhr eine Dringliche gibt. Jetzt sind nicht sehr viele da, offenbar ist das Gespräch dort gut verlaufen. Sie haben ... (Bundesrätin Konrad: Offenbar wissen Sie das!)

Ja, das weiß ich. Meinem Vernehmen nach weiß ich, dass das sehr konstruktiv und gut verlaufen ist; Sie offenbar nicht, das finde ich bedauerlich. (Bundesrätin Konrad: Ich weiß, dass es ...!) Aber Sie haben ja noch die Gelegenheit, sich darüber zu informie­ren, möchte ich an dieser Stelle sagen. (Bundesrätin Konrad: Habe ich!) Es ist auch keine Schande, einmal etwas nicht zu wissen; man kann sich ja darüber ein wenig schlau machen.

Auch über diesen Leistungsbericht muss man natürlich diskutieren. Es ist keinesfalls ein Rechenschaftsbericht, Frau Kollegin Lueger, den man abliefern muss, sondern ein Leistungsbericht. Es gäbe den interessanten Aspekt, dass man einmal im Jahr im Ple-


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num des Nationalrates – und das ist schließlich und endlich nicht irgendwer in Öster­reich – über die ÖH-Politik oder über die Hochschülerschaft, über die Studentenpolitik und über die Universitätslandschaft reden und diskutieren könnte. Ich weiß also nicht, wo hier die große Tragik liegt.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen, weil Frau Kollegin Lueger davon gesprochen hat, dass irgendwer aus einem Verband ausgeschlossen werden soll, nur vier Länder in Europa nennen – die werden dann wahrscheinlich auch ausgeschlossen werden, neh­me ich an (Bundesrat Dr. Böhm: Selbstverständlich!) –, die genauso organisiert sind: Finnland, Norwegen, Schweden, Portugal. Natürlich, das alles sind, ich weiß nicht, rückständige Bananenrepubliken, die mit ihren Vertretungen so umgehen (Bundesrat Dr. Böhm: Ukraine!), und die werden dann alle, wahrscheinlich in cumulo mit Öster­reich, ausgeschlossen werden. – Das glaubt Ihnen ja niemand, ich bitte Sie! Das ist nur ein frommer Wunsch ans Christkind, und das ist nur von jenen formuliert, die hier alles schlecht reden wollen.

Faktum ist: Dieser Initiativantrag – wenn auch noch verbesserungsfähig, jetzt auch im Dialog mit den Studierendenvertretern – geht in die richtige Richtung. Er hat die rich­tige Zielsetzung. Er setzt dort an, wo Studierendenpolitik ansetzen muss: an der Uni­versität, an der Fakultät, an der Studienrichtung. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

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Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Bundesrat Dr. Kühnel: Jetzt geht wieder die Rollo runter! – Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.)

 


17.55

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Kollege Kühnel, ein bisschen lauter sprechen, sonst hört man Sie nicht! (Bundesrat Dr. Kühnel: Ich habe gesagt: Es geht jetzt wieder die Rollo runter!) Ihre Rollos? Sind die oben oder unten oder wo? (Bundesrat Dr. Kühnel: Bei Ihnen, Ausdruck, dass es finster wird!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Fakt ist, dass es jetzt im studentischen Bereich wieder einmal ein Novum gibt: eine Änderung der Spielregeln, die in dieser Form nicht goutiert wird. Kollege Baier hat es schon angesprochen, sicherlich ist es verbesserungsfähig und verbesserungswürdig. Ich denke mir, Sie haben einen Brief von allen ÖH-Vertretungen aus Österreich erhalten, worin Sie gebeten werden, diesbe­züglich in den Diskussionsprozess einzusteigen und dazu eine Enquete zu veranstal­ten. Bevor man diesen Initiativantrag am 9. Dezember beschließt, denke ich mir, Frau Ministerin, wäre es an der Zeit, diese Chance tatsächlich zu nutzen und sich mit dieser Thematik intensiver auseinander zu setzen.

Wenn immer davon gesprochen wird, dass denn alle Fraktionen so dafür seien, dann wundert es mich, dass ich gestern bei uns an der Johannes-Kepler-Universität in Linz in der Mensa im „ÖH-Kurier“ – das ist das Medium der ÖH Linz – lese, was die Forde­rungen sind und dass diese von allen Fraktionen unterschrieben sind, betitelt mit: „Als Reaktion auf den von den Regierungsparteien eingebrachten Initiativantrag zur Novel­lierung des Hochschülerschaftsgesetzes haben wir, alle Fraktionen der ÖH Linz, mit folgenden Standpunkten eine gemeinsame Position bezogen.“

Frau Ministerin! Die bitten Sie, Ihre Vorgehensweise zu überdenken, und fordern die Einbindung in den Prozess der Gesetzwerdung und das passive Wahlrecht für alle Stu­dierenden, wobei hier die ausländischen Studierenden gemeint sind. Sie halten fest, dass indirekte Wahlen Demokratieverlust bedeuten, und fordern daher die Beibehal­tung der Direktwahlen. Sie fordern Transparenz, den Schutz und den Erhalt der allge-


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meinen politischen Grundlagenarbeit auf allen Ebenen sowie die Eigenständigkeit der Gremien und Organe. Sie nehmen natürlich auch Stellung für eine aktive demokra­tische HochschülerInnenschaftspolitik. Das ist unterschrieben, so höre man, von allen Fraktionen, das heißt von der ÖSU Linz, von der AktionsGemeinschaft, vom VSStÖ, von der GRAS und von No Ma’am. Der Ring Freiheitlicher Jugendlicher ist in Linz in dieser Form nicht mehr vertreten und daher nicht angeführt.

Da wundert es mich schon sehr, dass insbesondere die Vertreter der ÖVP die Meinung vertreten, dass alle Studierendenvertretungen dafür sind beziehungsweise die der Regierungsparteien. Es scheint in Linz nicht so zu sein! Die ÖSU und die AG, bekann­termaßen ÖVP-nahe, fordern den Diskussionsprozess und die Beibehaltung der Strukturen.

Die Universitäten und die StudentInnenbewegungen waren stets ein wichtiger Bereich in der Gesellschaft, der immer wieder bewegt hat und die Gesellschaft vorangebracht hat. Frau Ministerin, ich denke, es ist jetzt an der Zeit – bei allen Dingen, die in Ihrem Ressort schon passiert sind –, die Chance zu nutzen, tatsächlich in den konstruktiven Dialog zu treten und die Bedenken, die alle Fraktionen in der ÖH haben, wirklich wahr­zunehmen, ernst zu nehmen und in den Dialog zu treten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.59

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


17.59

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt schon bald 35 Jahre her, dass ich selbst im Zentralausschuss der Österreichischen Hochschülerschaft gesessen bin. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Ich weiß daher, welche Probleme es bei Ausschusssitzungen in der Österreichischen Hochschülerschaft gegeben hat.

Ich erinnere mich daran, wie Frau Minister Firnberg, die übrigens eine sehr kommuni­kationsfreudige Dame war, Briefe sofort beantwortet und Besuche gerne empfangen hat, bei solchen Sitzungen der Hochschülerschaft gelitten hat, und zwar nicht unter den Vertretern der ÖSU oder des Rings Freiheitlicher Studenten, der damals mit 25 bis 30 Prozent noch die zweitstärkste Gruppierung war. Es war eine stolze Gruppierung, die wir damals darstellten.

Es ist sehr nett, dass man jetzt schon wieder Angst hat davor, dass der Ring Freiheit­licher Studenten stärker wird. (Zwischenruf bei den Grünen.) Aber möglicherweise sind das kommunizierende Gefäße: Die Partei wird kleiner, die Studenten werden stärken – die Studenten wurden schwächer, die Partei war sehr groß. Damit habe ich kein Pro­blem. So ist eben der Lauf der Geschichte, und wir nehmen das, wie es ist. (Präsiden­tin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte nur eine Anekdote mit Frau Minister Firnberg erwähnen: Ich bin mit meinen, wenn ich so sagen kann, Kollegen aus dem Ring Freiheitlicher Studenten einmal zu einer „Audienz“ zu Frau Firnberg gegangen. Wir sind hingekommen und haben mit „Küss’ die Hand“ und allen anderen Höflichkeiten die Frau Minister sehr erfolgreich besucht – es ging natürlich um das Budget.

Die Frau Minister und wir waren uns in einem Punkt aber einig, wir sagten: Studieren und nicht demonstrieren! Das war unser Schlagwort, und es haben ja auch einige ihr Studium geschafft – einer steht vor Ihnen, junge KollegInnen.

Das Erstaunliche aber war: Danach hatte Frau Minister Firnberg ein Gespräch mit unserem freiheitlichen Wissenschaftssprecher, dem von mir hoch verehrten Primarius


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Dr. Scrinzi aus Kärnten. Er hat uns dann berichtet: Frau Firnberg habe ihm, Scrinzi, bei einem dieser Gespräche gesagt: Herr Kollege, haben Sie ein Glück, so höfliche „Buam“ habt ihr, aber wenn ich an meine VSStÖ-ler denke – nicht zum Aushalten! (Bundesrätin Konrad: Was wollen Sie damit sagen?)

Ich verstehe das, wenn wir die heutige Diskussion verfolgen. Es geht ja um Folgendes, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Ausdruck „lästig werden“ war wahrscheinlich schon damals angebracht, nur war damals der VSStÖ ein kleines Grupperl, ebenso andere linke Gruppierungen. Jetzt ist es im Zusammenhang mit dem Lästigwerden so, dass geschaut werden muss – die Frau Minister hat vollkommen Recht –, dass auf der ÖH wieder eine den Studenten zukommende Arbeit geleistet wird.

Diese Arbeit wird natürlich einerseits aus den Beiträgen der Hochschüler, andererseits aber auch aus Beiträgen des Ministeriums finanziert. Daher hat auch das Ministerium – vollkommen zu Recht! – zu schauen, was gemacht wurde, wie die Leistung des Unter­nehmens ist – sollte sie negativ sein, wäre es eine Fehlinvestition und man müsste ein neues Gesetz machen. (Bundesrätin Konrad: Sagen Sie mir, was das Ministerium da ...!)

Ich halte es für völlig aberwitzig, die Umbenennung der ÖH in dieses schreckliche „HochschülerInnen“ als wesentlich zu bezeichnen. Einführung eines passiven Wahl­rechts für studierende AusländerInnen (Bundesrätin Bachner: „Furchtbar“!) – oh, schrecklich! Nein, das ist nicht gut.

Dass ein Leistungsbericht vorgelegt werden soll, das erschreckt ja all jene, die leis­tungsfeindlich sind. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Nein!) Ich muss sagen, Studenten sollen leistungsfreudig sein und nicht leistungsfeindlich, sie sollen nicht zu Schmarot­zern am Staat erzogen werden, sondern zu leistungsfreudigen Mitbürgern. Das ist mein Anliegen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

Natürlich ist die ÖH weiterhin auch österreichweit Vertretung für die Studenten. Das steht überhaupt nicht zur Debatte, Frau Kollegin Lueger, das wird weiterhin der Fall sein. Es ist doch ein Qualitätszeichen, dass damals, als wir studiert haben – Kollege Böhm, ich und einige andere –, mehr als 50 Prozent zur Wahl gegangen sind. Jetzt jedoch werden die Studenten und Kollegen durch ständiges Agitieren, welches mit dem Studienleben überhaupt nichts zu tun hat, fast aus den Wahlzellen hinausgetrieben.

Es würde mir leichter fallen, heute diese für das Ministerium und für die Ministerin posi­tiven Aussagen zu treffen, hätte die Frau Bundesminister auf meine zwei Briefe, die ich im Laufe dieses Sommers und Herbstes geschrieben habe, geantwortet. Deswegen habe ich nämlich auch erwähnt, dass Frau Minister Firnberg sehr kommunikationsfreu­dig war (Bundesrätin Bachner: Wieso sind Sie nicht zum „Tag der offenen Tür“ gegan­gen?!) – Frau Minister Gehrer dürfte das etwas weniger sein. (Bundesrätin Bachner: Der „Tag der offenen Tür“ wäre eine Empfehlung gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.)

18.05

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bun­desrätin Auer. – Bitte.

 


18.05

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wieder etwas sachlicher. Im Jahr 2005 lässt die Bundesregierung die Korken knallen – und ordentlich noch dazu: In Kooperation mit dem ORF wird ein Jubeljahr inszeniert, in dem 60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag und 10 Jahre EU-Beitritt sowie der 60. Geburtstag des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang


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Schüssel medienwirksam gefeiert werden. (Bundesrat Dr. Böhm: Aber zu allem ande­ren gehören Sie auch! – Bundesrat Ing. Kampl: Du glückliches Österreich, dass wir das feiern dürfen und können!)

Auch die Österreichische Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft, die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, wird in diesem Jahr 60 – aber Grund zum Feiern hat sie wenig, denn im Unterschied zur Republik und zum ORF ist sie nicht schwarz-blau, sondern seit 2001 rot-grün geführt, nicht gefärbt, und allein das ist für die Regie­rung Anlass genug, ihr ein besonderes Geburtstagsgeschenk zu machen: Noch schnell vor Jahresende und vor allem vor den im Mai 2005 anstehenden ÖH-Wahlen soll das ÖH-Wahlrecht so abgeändert werden, dass die linke Mehrheit im Studentenparlament aus dem Amt gepuscht wird. – Sie sehen, meine Kolleginnen und Kollegen, Frau Minis­ter, ich habe nicht das Wort „umgefärbelt“ gebraucht.

Die Österreichische Hochschülerschaft hat sich im Laufe ihres 60-jährigen Bestehens zu einem Gradmesser der Demokratie in Österreich entwickelt. Ein Blick auf ihre Ent­stehungsgeschichte zeigt, dass die ÖH immer als politisches Projekt angelegt war, und zwar gerade deshalb, weil sie die Interessen der Studierenden vertritt, und gerade deshalb, weil sie das bis jetzt immer gut getan hat.

Bisher konnten die Studierenden bei den ÖH-Wahlen in vier Ebenen ihre Vertretung direkt wählen – Frau Kollegin Konrad hat sie aufgezählt, das erspare ich mir daher. Und jetzt kommt auf einmal die neue Festlegung der Größe des Studentenparlaments per Verordnung!

In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Aussage, die mich nachdenklich ge­stimmt hat, besonders hinweisen, auf eine Aussage in der „ZiB 2“ vom 22. No­vember 2004, als der Herr Bundeskanzler auf die Frage, wie bei manchen Reformen vorgegangen wird, geantwortet hat – ich zitiere –:

„Aber bei der Hochschülerschaft geht es darum, dass die Universitäten mehr Geld bekommen sollten. Das ist eigentlich das, was die Parlamentarier derzeit diskutieren. Das ist kein Regierungsplan.“

Und dann fügte der Herr Bundeskanzler noch hinzu, er finde, das sei eine „vernünftige Reform“.

Damit hat sich der Herr Bundeskanzler eigentlich mit wenigen Worten aus der Verant­wortung gezogen. Er hat nicht darauf geantwortet, was mit der ÖH-Reform vor sich gehen soll.

Studenten und Studentinnen aber wollen die Bundesvertretung der Österreichischen Hochschülerschaft – ab heute auch: und Hochschülerschaftinnen (Bundesrat Konec­ny: Hochschülerinnenschaft! – weitere Zwischenrufe); bitte um Entschuldigung: Hoch­schülerinnenschaft – weiter direkt wählen. Das zeigt eine von der ÖH in Auftrag gege­bene Umfrage unter mehr als 600 Studenten – Frau Kollegin Konrad hat auch darauf schon hingewiesen –: 57 Prozent davon – man kann das nicht oft genug sagen! –, 57 Prozent der Studenten und Studentinnen geben an, dass sie die Direktwahl für sehr wichtig halten.

Die grün-rote ÖH-Spitze sieht sich aufgrund dieser Umfrage in der Ablehnung des von ÖVP und FPÖ geplanten Hochschülerschaftsgesetzes bestärkt, das die Abschaffung der Direktwahl vorsieht.

Ich weiß nicht, Frau Minister, wie oft und wie lange Sie in den Universitäten unterwegs sind und ob Sie den Aufenthalt in den Räumlichkeiten der Universitäten bevorzugen, aber wenn Sie das machten, dann würden Sie auch auf die Fülle an Unannehmlich­keiten, die Studentinnen und Studenten dort in Kauf nehmen müssen, aufmerksam.


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Frau Minister! Ich möchte Ihnen heute – nachdem wir ja mailmäßig verkehren – eine der vielen E-Mails, die ich bekommen habe, mitgeben. Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie sie lesen, ich kann das nicht beeinflussen. Ich kann Sie nur bitten – und darum bitte ich Sie wirklich –, sich das zu Herzen zu nehmen, es ist ein Hilfeschrei. (Die Red­nerin übergibt Bundesministerin Gehrer ein Blatt Papier.)

Nun wird durch diese ÖH-Reform auch noch der letzte Rest einer gut funktionierenden StudentInnenvertretung zunichte gemacht. Sie, Frau Minister, und mit Ihnen die Regie­rung hebeln die Demokratie aus und nehmen den Studierenden ihre Stimme. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.11

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


18.12

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abschluss dieser Debatte möchte ich doch noch auf den einen oder anderen Kommentar ein bisschen eingehen.

Zuerst auf die Aussagen des Herrn Gudenus: Herzlichen Dank für den interessanten Ausflug in die Vergangenheit. Seien Sie mir nicht böse, wenn ich jetzt nicht inhaltlich auf die ÖH-Gesetze von vor 35 Jahren eingehe. Sie haben aber sehr eindrucksvoll geschildert, dass für Sie und wahrscheinlich für viele in Ihrer Partei Kritik mit einem Handkuss verbunden sein muss, damit sie auch angenommen wird. – Das lasse ich einmal so im Raum stehen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.)

Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Baier: Herr Kollege Baier, Sie haben davon gesprochen, dass StudierendenvertreterInnen – ich weiß jetzt nicht, wo er sitzt; aha, dort – oder dass alle StudierendenvertreterInnen dafür sind, dass das jetzt so kommt, wie es geplant ist. Aber da muss ich Sie enttäuschen.

Es gibt einen Offenen Brief – er ist vorhin schon erwähnt worden –, der von 21 Vorsit­zenden von Universitätsvertretungen unterschrieben wurde – wenn wir schon die Wich­tigkeit dieser Organisationen betonen, was ich auch gerne unterschreibe. In diesem Offenen Brief wird zum Beispiel eine Enquete gefordert, und ich würde die Ministerin bitten, mir zu sagen, ob sie eine solche Enquete in Betracht zieht. Das wäre zum Abschluss sehr interessant.

Die haben sich in diesem Brief also ziemlich ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Davon rede ich nicht. Ich rede von dem Offenen Brief, der von den Vorsitzenden unterschrie­ben wurde, und dieser Brief ist eigentlich sehr kritisch gegenüber dem Vorschlag.

Wenn Sie behaupten und mit einer gewissen Süffisanz vorhin behauptet haben, dass ich ja nicht immer alles besser weiß und auch zugeben könnte, einmal etwas nicht zu wissen (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier), möchte ich das auch Ihnen nahe legen. Wenn es schriftliche Beweise dafür gibt, dass etwas anders ist, dann hat das nichts mit Recht haben zu tun. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Sie haben vorhin auch einen angeblichen Beschluss der Vorsitzendenkonferenz er­wähnt. Zunächst, nachdem Ihre ÖH-Zeit doch ein bisschen länger zurückliegt als meine: Der Umgang der Vorsitzendenkonferenz mit der Bundesvertretung hat sich in den letzten Jahren ein bisschen verbessert. Das war nämlich früher ganz anders. Da war es wirklich so, dass das wie ein Koffer abgestellt und nicht weiter behandelt wurde. Die Mehrheit hat sich gewandelt, und auch das Diskussionsklima hat sich geändert. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)


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Dieser Beschluss, den Sie zitiert haben, ist nicht wirklich ein Beschluss, weil er nicht geschäftsordnungsgemäß zustande gekommen ist. Wenn wir von demokratischen Spielregeln reden, dann halte ich es, auch als ehemalige ÖH-Vorsitzende in Innsbruck, für ganz wichtig, dass man sich an festgeschriebene Spielregeln hält. Und eine Ge­schäftsordnung ist eine Festschreibung von Spielregeln. Wenn man sich an diese nicht hält und Sie sagen: Das ist nicht so tragisch, wir haben das trotzdem gemeint, das passt schon!, dann ist das in meinen Augen eine sehr problematische Einstellung. Ich lasse auch die einfach so im Raum stehen, ähnlich wie vorhin den Handkuss von Herrn Gudenus. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Schenn­ach: Der lernt gerade den Umgang mit der Geschäftsordnung im Bundesrat!)

Die Bundesministerin hat vorhin erwähnt, dass die Studierenden früher 25 Prozent im Senat hatten und dass das auch in Zukunft so sein wird. Das stimmt schon, aber es macht einen Unterschied, ob es eine Professorenkurie gibt, die eine absolute Mehrheit hat – 50 Prozent plus eine Person –, oder nicht. Es geht schon auch um Bündnis­partner, und es ist schön, wenn zu 25 Prozent Studierende in einem Gremium sitzen. Wenn aber die einzige Möglichkeit, dass diese eine Mehrheit finden, jene ist, dass sie sich mit den Professoren einigen, die ohnehin die Mehrheit haben, dann ist das halt schwierig und auf jeden Fall ein Rückschritt bezüglich Mitbestimmung, wo es wirklich ein freies Spiel gibt, wo man sich seine Mehrheiten sucht. Das ist ein Unterschied, das müssen auch Sie zugeben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Auch bei Habilitationen meinen Sie das?) – Auf Ihre Aussagen wollte ich auch noch eingehen; dann ziehe ich das vor. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Die Würde der Professoren wird nicht angetastet!)

Ich stimme Ihnen zu, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass man weiß, wovon man redet. Ich war lange genug in der ÖH, um behaupten zu können, dass nicht immer alle in jedem Bereich, aber doch ein Großteil, vor allem bei wichtigen Entscheidungen, der Studierendenvertreter und -vertreterinnen sehr wohl weiß, wovon er redet, und sich auch sehr wohl informiert. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Und auch wenn es um Habilitations- oder um Berufungskommissionen zum Beispiel ging: Sie werden keinen Bereich auf der Uni finden, der Studierende nicht betrifft. Wer Professor wird, wer diese oder jene Stelle bekommt, das betrifft natürlich auch Studie­rende. Was im Studienplan und im Lehrplan steht, das betrifft Studierende. Auch eine Raumeinteilung, eine Budgetverteilung, all das betrifft Studierende.

Ich weiß nicht, ob Sie es waren oder Herr Gudenus, irgendjemand von Ihnen hat vorhin gesagt, es sei sehr wichtig, dass einem starken Rektor auch eine starke UV – oder vielleicht war es Herr Baier, das kann auch sein – gegenübersteht. (Bundesrat Schennach: Baier!) Wissen Sie, wann die Studierendenvertreter und -vertreterinnen gegenüber dem Rektor am stärksten waren? – Zu der Zeit, als sie ihn mit gewählt haben. Das ist nämlich ein direkter Einfluss und auch ein Machtfaktor. Durch solche Faktoren entsteht dann auch Einflussmöglichkeit an der Universität, und diese kann man dafür nützen, die Studierendeninteressen dort einzubringen und auch durchzu­setzen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Wenn Sie sagen, dass es so wichtig ist, die lokale Ebene, die Universitätsvertretung zu stärken, muss ich sagen: Ja, stärken wir sie. Die können auch mehr Geld haben, denn die können auch mehr Geld brauchen. Ob es allerdings nötig ist, die Verteilung so festzulegen, bezweifle ich, nämlich einerseits die Selbstverwaltung so zu beschneiden, dass das im Gesetz geregelt ist – das halte ich für sehr unüblich, das halte ich auch für schwierig –, und andererseits die Mittel für die Bundesvertretung derart zu kürzen, dass diese einfach sehr viele wichtige Serviceleistungen, die sie für die Universitäts­ebene leistet, in Zukunft nicht mehr bringen kann. Mit dem Geld, das ihr in Zukunft zur


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Verfügung stehen wird, wird sie auch den Personalstand nicht halten können, wird sie auch juristische Beratungen, die sie jetzt durchführt, nicht mehr durchführen können.

Das sind ja nicht Dinge, die, wie Sie glauben, für Demonstrationen, Fahnen und Flyer „hinausgeschmissen“ werden. Das stimmt nicht. Das Geld wird auch für Service inves­tiert, dieses Geld wurde gut verwendet – Sie können gerne nachfragen, und ich bin mir sicher, Sie werden da auch eine Antwort bekommen. Es sind ja auch die Budgets einsehbar, nicht wahr? (Bundesrat Schennach: Der Sohn!) Das kann dann Ihr Sohn, der sich sicher auch in diesem Bereich engagiert, für Sie machen.

Herr Schnider hat noch ein paar sehr interessante Dinge erwähnt. Herr Kollege, Sie haben auch davon geredet, dass die Universitätsebene gestärkt werden soll. Wie gesagt, ja, stärken wir die Universitätsebene. Das erklärt aber nicht, wieso man eine Bundesebene derart schwächen muss. Das erklärt es nicht! Eine direkte Wahl – darin werden Sie mir doch alle zustimmen –, eine direkte Wahl legitimiert viel mehr als ein Entsendungsmodus. Es hat ja gute Gründe, dass der Nationalrat und nicht der Bun­desrat die erste und maßgebliche Rolle im Gesetzgebungsprozess spielt. (Bundesrat Hösele: Sind die Kammerpräsidenten zu schwach?!)

Sie würden es, glaube ich, auch etwas seltsam finden, wenn plötzlich hier der Bun­desrat allein Gesetze beschließen könnte. Er hat keine ganz direkte demokratische Legitimation. Ich schätze die direkte demokratische Legitimation höher ein als einen Entsendungsmodus, wenn es um demokratische Standards geht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist auch nicht so, Herr Kollege Schnider (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schni­der), dass man prinzipiell und ohne jede Vorerfahrung der Ministerin einfach vorwerfen würde, dass sie dieses und jenes macht.

Wenn ich prinzipiell davon ausgehe, dass Dinge auch gut ausgehen können, dass es auch Einigungen geben kann, dann heißt das, ich habe ein positives Menschenbild. Wenn ich nach einer ersten Erfahrung, die das Gegenteil belegt, immer noch davon ausgehe, dass doch prinzipiell Diskussion möglich ist, eine gemeinsame Einigung möglich ist, dann bin ich vielleicht etwas gutgläubig.

Wenn ich allerdings nach vielen Erfahrungen – wie zum Beispiel mit den Studienge­bühren; da gab es die Aussage: Es werden keine Studiengebühren eingeführt!, und eines Tages standen die Studierenden in der Früh auf und lasen in der Zeitung, sie müssen Studiengebühren zahlen –, wenn ich nach solchen Erfahrungen noch immer daran glauben würde, dass das Beste herauskommt und ich nur sehr höflich und gut­gläubig abwarten muss, was dabei herauskommt, dann wäre ich dumm. – Es ist nicht so!

Es gibt einfach die Erfahrungen, die die ÖH und auch die Opposition mit dieser Regie­rung gemacht haben, dass eben Diskussionen nicht geführt werden, dass Diskus­sionen mit jenen geführt werden, mit denen man sie führen will, aber nicht mit anderen, dass Gesetzesvorschläge, Maßnahmen, von denen man auch selbst betroffen ist, ohne Diskussion und sehr überraschend erfolgen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ja, ja, ich weiß schon, dass jeder jede Sitzung immer etwas anders wahrnimmt. Das ist immer so. Ich würde aber sagen, wir sollten jetzt nicht darüber diskutieren, was bei dieser Sitzung herausgekommen ist, denn wir waren ja nicht dabei, sondern das sollten wir denjenigen überlassen, die dort waren. Ich bin gespannt, was die offizielle Stellung­nahme sein wird und wie viel vor allem letztendlich dann im Gesetzgebungsprozess noch geändert wird an diesem Initiativvorschlag. Darauf bin ich gespannt. Daran wird sich dann auch zeigen, wie diskussionsbereit die Ministerin wirklich ist. (Bundesrat Dr. Schnider: Aber wenn sich etwas ändert, muss man das auch bemerken ...!) Wenn


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man es nicht bemerkt, dann, würde ich sagen, hat sich nichts verändert, oder? Einen Diskussionsprozess, nur damit geredet wird, halte ich nicht für sehr sinnvoll, denn ich meine – und derartige Fälle gibt es auch –, dass ein Diskussionsprozess auch ein Ergebnis zur Folge haben sollte.

Auch die Studierendenvertreter und -vertreterinnen werden irgendwann einmal mit ihrer Zeit Besseres anzufangen wissen als hinzugehen und zu sagen, was sie sich denken. Das wird nicht gehört! Es wird dann zwar behauptet, es wurde geredet und sie wurden auch einbezogen, aber passiert ist genau nichts, das Ergebnis ist gleich null! – Und dann wundern Sie sich, wenn die StudierendenvertreterInnen und die Bundesver­tretung einmal ein bisschen direkter vorgehen?

Vielleicht hat das mit dem Handkuss früher funktioniert, vielleicht konnte man früher so seiner Meinung Gehör verschaffen. Ich glaube aber nicht, dass es die Aufgabe einer Interessenvertretung ist, einer Ministerin zu schmeicheln, sondern ihre Aufgabe ist es, kritisch zu sein, auch harte Forderungen zu stellen und diese dann zu diskutieren. Eventuell auch einmal die eine oder andere anzunehmen und einzubauen ist dann die Aufgabe des Gesetzgebers. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.22

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­minister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Schließungswelle von Postämtern – „Herr Vizekanzler, handeln Sie!“ (2274/J-BR/2004)

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Schimböck und KollegInnen an den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Schimböck als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. (Bundesrat Konecny – in Richtung Bundesministerin Gehrer –: Frau Bundesminister, machen Sie die auch? – Bundesministerin Gehrer: Nein! – Bundesrat Konecny: Dann sollten wir ein bisschen warten, Frau Präsidentin!)

 


18.23

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! (Bundes­rat Konecny: Bitte warten! Der Staatssekretär ist ja da! Ich habe ihn schon gesehen! – Staatssekretär Mag. Kukacka nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Ich nehme einen zweiten Anlauf, nachdem das zuständige Ressortmitglied nunmehr auf der Regierungsbank Platz genommen hat.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist der Hintergrund dieser Dringlichen Anfrage? Herr Dr. Schnider hat heute das Wort „Verachtung“ ausgespro­chen. Ich drehe das jetzt einmal um und spreche von „Achtung“ und von „Respekt“ – von der Achtung und von dem Respekt, den diese Bundesregierung vor den dringen­den Bedürfnissen, vor der großen Sorge der Bevölkerung haben sollte, vor der großen


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Sorge der Menschen aus Oberösterreich – wenn ich im Namen meines Bundeslandes sprechen darf –, wo durch die Schließung von Postämtern fast mutwillig die Struktur einzelner Gemeinden zerschlagen wird.

Ich muss jetzt ein bisschen ausholen. Bereits im Jahr 2000 hat es eine Postuniversal­dienstverordnung als Vorlage gegeben, in der eigentlich sehr deutlich, sehr klar davon die Rede war, dass für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land eine umfassende Postversorgung, ein umfassendes Netz gewährleistet sein soll. In Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern sollte es zumindest für zwei Drittel der Bevölkerung möglich sein, das Postamt fußläufig innerhalb von 15 Minuten beziehungsweise mit einem Verkehrsmittel leicht erreichen zu können.

Es kam dann in meinem Bundesland, in Oberösterreich, nachdem diese Verordnung so, wie sie von der damaligen Ressortchefin vorgelegt wurde, leider nie in Kraft getre­ten ist, zur Schließung von 100 Postdienststellen, von 100 Postämtern.

Wir haben jetzt in den letzten Tagen gehört, dass Wirtschaftskammerpräsident Leitl erklärt hat: 3 000 Nahversorger warten in ganz Österreich darauf, diese Postdienste anzubieten! – Ich weiß nicht, woher Dr. Leitl diese Information gehabt hat (Bundesrätin Zwazl: Das stimmt!), denn in Oberösterreich, Frau Präsidentin Zwazl, haben sich gerade einmal 18 Nahversorger dazu bereit erklärt, das zu machen – und das seit dem Jahr 2002! 18! Wenn ich richtig rechnen kann: 18 Nahversorger, neun Bundesländer, nehmen wir als Faktor 10, das ergibt hochgerechnet österreichweit maximal zirka 200 Nahversorger. Und zwischen 200 und 3 000 – da braucht man, glaube ich, des Subtrahierens nur in sehr vereinfachter Form mächtig sein – ist ein großer Unterschied. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Inzwischen, meine Damen und Herren – und daher auch die berechtigte Sorge, Herr Staatssekretär, werte Vertreter der Wirtschaftskammer, so hochrangig, wie wir Sie hier haben in Form der Frau Präsidentin der Wirtschaftkammer Niederösterreich –, ist es ja so weit, dass die kleinen Nahversorger draußen in den Gemeinden von der Bevölke­rung mit Vorwürfen konfrontiert werden, sie seien die Bösen, sie seien die treibende Kraft – das sagt Wirtschaftskammerpräsident Dr. Leitl –, dass die Postämter geschlos­sen werden. Zwischen Schinkenwurst und ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – So schaut es aus! Ich bringe Ihnen die Zusteller, die so agieren. (Bundesrätin Zwazl: Geh, geh, geh!) Das ist eine Zumutung für jene, die mit viel Mühe im Familienbetrieb die Nahversorgung aufrechterhalten. So schaut es draußen in den Gemeinden aus, Frau Präsidentin! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Auch wenn Sie klat­schen, wird nichts richtiger! – Abg. Konecny: Beim Leitl wird gar nichts richtiger! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Seit wenigen Tagen ist die Katze aus dem Sack. Die Landeshauptleute wurden jetzt informiert, nachdem sich die Postmanager beharrlich geweigert haben, zu sagen, dass wirklich Schließungen erfolgen sollen. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch. In Vorarl­berg sollen 37 Postämter geschlossen werden, in Oberösterreich 79 Postämter – Herr Staatssekretär; in diesem Bundesland sind wir beide zu Hause. 79 Postämter sollen in Oberösterreich geschlossen werden (Bundesrat Schennach: 83!), 23 in Salzburg, 20 im Burgenland. Auf den Landeshauptmann – wir haben ja einige Kärntner hier – in Kärnten wartet das Überraschungspackerl noch. Er hat am 30. November Termin; dann wird man ihm mitteilen, welche seiner Postämter geschlossen werden.

Ich muss sagen, die Situation ist wirklich schlimm. Ich war kürzlich bei einem Treffen – ich glaube, Sie waren auch da, Herr Staatssekretär –, und dort hat ein Industrieller erzählt, dass seine Kinder ihn gefragt haben: Du, Papa, wo sollen denn eigentlich in unserem kleinen Ort die alten Leute dann ihre Packerl aufgeben, wo sollen sie die Post abholen, wie soll denn das überhaupt funktionieren? – Da kann ich nur sagen, vielleicht


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sollte man von den Kindern lernen! (Staatssekretär Mag. Kukacka: Die Post wird zu ihnen kommen!)

Wenn da jetzt vom fliegenden Postillion die Rede ist – wie schaut denn das dann aus für die Menschen, die noch berufstätig sind? Sollen diese dann einen ganzen Vormit­tag lang zu Hause warten, sollen sie sich dienstfrei nehmen – da werden die Arbeit­geber sich freuen! –, um zu warten, bis vielleicht endlich einmal der Postler vorbei­kommt? – So schaut das aus, das ist doch bitte alles eine Zumutung!

Zum Zweiten: Muten Sie wirklich einer Bürgerin oder einem Bürger in diesem Staat zu, dass sie sich ihre RSa-Briefe, weil sie vielleicht einmal irgendwo zu schnell gefahren sind und die Bundespolizeidirektion deshalb eine Strafverfügung schickt, beim Greißler abholen? Die Greißlerin beziehungsweise der Greißler erzählt dann, dass schon zum dritten Mal von der Polizeidirektion oder von der BH ein Brief eingelangt ist. Das ist doch eine Zumutung, da geht es doch um eine Daseinsvorsorge, die wir brauchen! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Lassen wir die Kirche im Dorf, Frau Bürgermeisterin! Schauen wir uns einmal an, worum es eigentlich geht: Diese Bundesregierung – die entsprechende Ansprechper­son wäre jetzt der Herr Finanzminister – hat von der Post in den letzten Jahren immer eine Sonderdividende abgeschöpft. Ich habe es mir aufgeschrieben: 29,1 Millionen € im Jahre 2001, 36,3 Millionen € im Jahre 2002, 36 Millionen € im Jahre 2003.

Jetzt ist die Rede davon, dass 23 Millionen € eingespart werden sollen. Interessant dabei ist, dass sich der Eigentümer langsam davonschleicht, dass er ein bisschen den Mut, die Courage verliert – und dass auf einmal das Postmanagement wie ein „Wat­schenmann“ dasteht. Da haben wir sozusagen zwei „Siebe“: den Aufsichtsrat, den Eigentümervertreter der Post AG, wir haben den Aufsichtsrat der ÖIAG – und irgendwann sind dann noch Bundesminister Gorbach und sein Staatssekretär mit zuständig, der sich aber von denen immer mehr distanziert.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang, Herr Staatssekretär, an die Misere, die im Bereich Postbus entstanden ist. Was war denn dort? Warum gibt es denn da so einen Ingrimm in den Gemeinden? – Ein Drittel der Postbusse hat Gewinne erwirtschaftet, ein Drittel hat ausgeglichen gewirtschaftet – und nur ein Drittel hat Verluste gemacht. Und was diese Verluste anlangt, so hat man das von den Gemeinden her, in denen man dringend einen Postbus, ein öffentliches Verkehrsmittel braucht, ausgeglichen.

Meine Damen und Herren! Liberalisierung hin oder her: Es ist doch das gute Recht des Eigentümers, dass man dort, wo man Verluste macht – aus welchen Gründen auch immer –, das mit einem Gewinn, den man woanders macht, ausgleicht.

Vehemente Kritik muss es natürlich geben, wenn eine Struktur mutwillig zerstört und die Daseinsvorsorge für die Menschen derart eingeschränkt wird! Kleine Betriebe auf dem Lande brauchen natürlich auch einen Postbetrieb. Ich bin ja schon neugierig, ob, wenn es in einem „hinteren“ Tal, wenn es in einer kleinen Gemeinde nur mehr private Paketdienste geben soll, diese solche Regionen überhaupt noch anfahren werden. Kleine Betriebe werden diesen privaten Paketdiensten sozusagen ausgeliefert – und diese werden dann wenig Möglichkeiten haben, sich zu helfen! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

All diese Dinge, sehr geehrte Damen und Herren, wären dringend zu überlegen; da ist wirklich einiges zu hinterfragen! Daher ist diese unsere Dringliche Anfrage mehr als berechtigt.

Wir, Herr Staatssekretär Kukacka, fordern nichts anderes ein als die Achtung und den Respekt vor den berechtigten Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger unseres Lan-


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des! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) – Danke. (Bundesrat Dr. Kühnel: Also das war wenigstens kurz! Bin ich froh, dass der Herr Professor nicht gesprochen hat!)

Ich habe Frau Präsidentin Haselbach einen eigenständigen Entschließungsantrag übergeben. Die Frau Präsidentin hat mich aufgefordert, ihn zu verlesen. Ich habe ihn auch bereits ausreichend begründet.

Dieser eigenständige Entschließungsantrag geht dahin, die Bundesregierung und insbesondere den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie aufzufor­dern, umgehend eine Neufassung der Postuniversaldienstverordnung zu erlassen, um einem Kahlschlag bei den Postämtern vorzubeugen und eine dauerhafte Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Postdienstleistungen – insbesondere im ländlichen Raum – sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.33

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Kukacka zu Wort gemeldet.

 


18.34

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einleitend möchte ich Herrn Vizekanzler Gorbach ent­schuldigen, der sich derzeit nicht in Wien befindet; auch der für das Postgesetz zuständige Herr Staatssekretär Mainoni befindet sich derzeit im Ausland. (Rufe bei der SPÖ: Lebt der noch? Den gibt es noch?)

Ich darf daher im Auftrag des Herrn Vizekanzlers Gorbach die an ihn gestellten Fragen in der Art und Weise beantworten, wie ich vom Herrn Vizekanzler darum ersucht worden bin.

Zunächst möchte ich festhalten, meine Damen und Herren, dass im Postgesetz klar geregelt ist, dass ein Postamt nur dann geschlossen werden darf, wenn eine kosten­deckende Führung eines Postamtes, und zwar auf Grund mangelnder Kundennach­frage, dauerhaft ausgeschlossen ist und die Erbringung des Universaldienstes durch eine Postgeschäftsstelle oder durch Landzusteller gewährleistet ist. (Bundesrat Kraml: Das funktioniert ja nicht, bitte!)

Außerdem müssen nicht nur die betroffenen Gemeinden zeitgerecht informiert werden, sondern es müssen innerhalb von drei Monaten alternative Lösungen entwickelt und Vorschläge zur Erhaltung der Versorgungsqualität vorgelegt werden. (Bundesrat Stad­ler: Da gibt es keine Alternativen!)

Genau dieser Prozess, meine Damen und Herren, findet derzeit statt (Bundesrat Kraml: Das glauben Sie ja selber nicht!): Die Post verhandelt umfassend (Bundesrat Kraml: Mit wem?) mit den Gemeinden, um entsprechende alternative Lösungen zu­stande zu bringen.

Hohes Haus! Diese Bundesregierung wird sorgsam darauf achten, dass die im Gesetz klar definierte Vorgangsweise durch das Unternehmen Post auch in Zukunft eingehal­ten wird. Finanzielle Einsparungen und Filialschließungen zu Lasten des Universal­dienstes sowie des ländlichen Raumes werden nicht akzeptiert! Das möchte ich hier klar und eindeutig festhalten.

Jetzt darf ich zur Beantwortung der einzelnen Fragen kommen.


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Zur Frage 1:

Am 19. November hat die Post AG Staatssekretär Mainoni Informationen zu Maß­nahmen im Filialnetz zukommen lassen. Diese Informationen waren allgemeiner Natur und enthielten jedenfalls keine konkreten Angaben hinsichtlich möglicher Postamts­schließungen. Aus diesem Grund hat die oberste Postbehörde mit Schreiben vom 23. November die Post AG aufgefordert, ausführliche und detaillierte Informationen darüber zu liefern, welche Maßnahmen das Filialnetz betreffend geplant sind. – Für das Einlangen der Stellungnahmen ist der 30. November vorgemerkt.

Zur Frage 2:

Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, liegen derzeit keine detaillierten offi­ziellen Informationen vor.

Zur Frage 3:

Dem Herrn Vizekanzler sind derzeit nur Zahlen und Listen bekannt, welche in den Me­dien kolportiert wurden. Der Herr Vizekanzler möchte daher eine offizielle Information seitens der Post AG abwarten.

Zur Frage 4:

Ich verweise auf die Antwort zu Frage 3.

Zur Frage 5:

Ich verweise auf die Antwort des Herrn Vizekanzlers Gorbach zu Frage 3.

Zur Frage 6:

Der Herr Vizekanzler hat Herrn Staatssekretär Mainoni mit der Einrichtung einer dies­bezüglichen Arbeitsgruppe beauftragt; die konstituierende Sitzung hat bisher aus Termingründen noch nicht stattgefunden. (Bundesrat Konecny: Ja wenn er im Ausland ist! Klar!) Die Terminkoordination läuft derzeit. – In diese Arbeitsgruppe sollen neben den Vertretern des Ressorts und der Post außerdem Vertreter von Gemeindebund, Städtebund, Kammern und Ländern eingebunden sein.

Zur Frage 7:

Nur für den Fall, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe keine flächendeckende Ver­sorgung gewährleisten, lässt der Herr Vizekanzler Vorschläge zur Änderung der Universaldienstverordnung erarbeiten. Ein konkreter Entwurf liegt zurzeit nicht vor. Konkrete Vorschläge sollen aber in den nächsten Wochen erarbeitet werden.

Zur Frage 8:

Eine Novelle der Universaldienstverordnung ist nur für den Fall geplant, dass auf Grund der Ergebnisse der Arbeitsgruppe eine flächendeckende Versorgung mit Post­dienstleistungen nicht gewährleistet werden kann. – Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 7.

Zur Frage 9:

Der damalige Begutachtungsentwurf wurde auf Grund der im Zuge des Begutach­tungsverfahrens vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Vollziehbarkeit und der Prak­tikabilität, welche auch heute noch gelten, entsprechend modifiziert.

Zur Frage 10: Einen konkreten Auftrag zu derartigen Aussagen hat der Herr Vizekanz­ler nicht erteilt. Um wen es sich daher konkret handelt, ist dem Herrn Vizekanzler nicht bekannt.


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Zur Frage 11: Ob und in welcher Weise ein Mitarbeiter befragt wurde und welche Ant­wort dabei gegeben wurde, ist dem Herrn Vizekanzler nicht bekannt.

Zur Frage 12: Zweck der geltenden Universaldienstverordnung ist es bereits jetzt – ich zitiere § 1 Universaldienstverordnung –, „eine den Bedürfnissen der Kunden entspre­chende, qualitativ hochwertige, flächendeckende und allgemein erschwingliche Versor­gung mit ... Postdienstleistungen zu gewährleisten.“ Dies muss jedenfalls auch dann sichergestellt werden, wenn ein Postamt durch alternative Konzepte, zum Beispiel durch Postpartner, Landzusteller und ähnliche Modelle, ersetzt wird. Dadurch können auch die flächendeckende Versorgung für die Zukunft gewährleistet und negative Aus­wirkungen bei der Versorgung mit Postdiensten verhindert werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.41

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


18.42

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Herr Staatssekretär! Sie sind heute in Vertretung des Herrn Vizekanzlers und des zuständigen Staatssekretärs hier. Die Stellungnahmen zu den Entwicklungen in der Post, die wir tageweise wechselnd und konträr empfangen haben, lassen darauf schließen, dass zwischen den handelnden Personen und Verantwortlichen kein heißer Draht besteht und sie fern jeder Funkverbindung sind. Anders wäre das „Kasperlthea­ter“ – unter Anführungszeichen –, das der Bevölkerung vorgeführt wird, nicht zu erklären. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat heute früh in sehr eindringlichen Worten an den Respekt, an den respektvollen Umgang appelliert. Ich appelliere an die Bundesregierung, vor der österreichischen Bevölkerung Respekt zu zeigen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Denn für wie dumm hält man eigentlich die Menschen, wenn man nur annä­hernd davon ausgeht, dass man selbst glaubt, was man hier vorzeigt und welche Posi­tionen hier tagtäglich in konträrer Form der Bevölkerung dargestellt werden!

Zuerst gibt es einen Privatisierungsauftrag per Gesetz, dann werden Gewinn verspre­chende Teile ausgegliedert, wie der Express Paketdienst, dann wird eine Universal­dienstverordnung erlassen, die eigentlich die Post AG dazu veranlasst, sich aus der breiten Fläche zurückzuziehen. – Im Übrigen: Die Universaldienstverordnung ist euro­paweit verglichen die schwächste, was den Schutz des ländlichen Raumes betrifft. – Dann beginnt man zu ahnen, welche Folgewirkung, welche politische Auswirkung das Zusperren von Postämtern hat, und ÖVP-Landeshauptleute stellen sich als Schutz­schild auf: Bei uns wird kein Postamt zugesperrt. – Erste Ansage.

Nachdem wir intern von der Post AG erfahren hatten, dass tatsächlich die Absicht besteht, und für Linz eine Roadshow einberufen worden war, wo man den betroffenen 800 Postamtsleitern vermitteln wollte, dass es um ein Optimierungsprogramm und nicht um ein Zusperrprogramm geht, und man sie motivieren wollte, die Optimierung mitzutragen, haben wir auf Verdacht die Namen der gefährdeten Postämter veröffent­licht. Und dann kam bröselweise, zizerlweis, wie man in Oberösterreich sagt, Herr Staatssekretär, die Wahrheit an den Tag, und mit jedem Tag wird man ehrlicher gegen­über der Bevölkerung.

Es ist jetzt offensichtlich, die Privatisierungsabsichten der Bundesregierung zwingen offenbar die Post AG. Sie haben es heute selbst gesagt, der Gesetzesauftrag heißt


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kostendeckende Führung und nur jene zusperren, die nicht kostendeckend geführt werden können, und zwar auf Dauer! Aber wie steht es mit der Versorgung im länd­lichen Raum? (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Das ist ein polemischer Vergleich. (Bundesrat Bieringer: Das ist kein polemischer Vergleich, das ist die Wahrheit!)

Die Verantwortlichen in der Generaldirektion, die Sie dort hingesetzt haben, werden den Vergleich ... (Weitere Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Aber er wird, denke ich mir, von Ihnen noch geduldet. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Wird der SPÖ zugewiesen!) Ihr Herr Generaldirektor Götz, oder wie er genau heißt, würde sich bedanken, wenn Sie die Entwicklungen mit jener des „Konsum“ verglei­chen. Das kommt in der parteipolitischen Polemik vielleicht gut rüber, man gewinnt ein paar Sekunden, Herr Staatssekretär, aber man gewinnt nicht die Wahrheit und das Vertrauen der Menschen.

Wenn Sie hier sagen, die Bundesregierung drängt in diesem Zusammenhang auf Ein­haltung der Gesetze, dann kann ich darauf nur antworten: No na, also bitte. Aber wie lautet das Gesetz? Wenn Sie nämlich der österreichischen Bevölkerung die Wahrheit erzählen würden, auf Grund welchen Gesetzes die Post AG hier handelt, dann müssten Sie zugeben, dass Sie verantwortlich sind. Aber das ist schwer, da versteckt man die Wahrheit lieber hinter Begriffen wie Optimierungsprogramm. Und man tut so, als würde man als Zuständiger handeln, indem man sagt: Wir schauen darauf, dass die Gesetze eingehalten werden, wir werden darauf achten! Die Menschen werden ver­tröstet, und es wird ihnen wieder einmal Sand in die Augen gestreut. Diese Vorgangs­weise lässt jeden Respekt vor der Klugheit der österreichischen Bevölkerung vermis­sen. Zu dieser Erkenntnis gelangt man, wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, zu welchen Kuriositäten die ganze Entwicklung führt.

Sie haben gesagt, die Post AG hat den Auftrag, nur jene Postämter zu schließen, für die es keine alternative Versorgungsmöglichkeit gibt und die nicht kostendeckend zu führen sind. Was halten Sie von einem Unternehmen, das an die Konkurrenz folgen­den Brief schreibt:

„Mehr Provision – einfacher bestellen

Sehr geehrte Frau ...“ – es handelt sich um eine Filialleiterin eines ADEG-Marktes, das ging gleich lautend an Sparmärkte, Trafiken und so weiter –,

„kennen Sie schon das zentrale Bestell-Service für Verschleißer der Österreichischen Post AG?

Profitieren auch Sie von der einfachen Möglichkeit, Ihren Bedarf an Briefmarken und Telefonwertkarten zu decken. Sie ersparen sich unnötige Besorgungswege und erhal­ten gleichzeitig mehr Provision.

Wie Sie sich für diesen Service anmelden können und was die Post noch Neues für Sie bietet, erfahren Sie aus den beigefügten Unterlagen. Schicken Sie uns einfach das Anmeldeformular ... in dem beigelegten Antwortkuvert und schon profitieren Sie von den besseren Bedingungen ...

Gönnen Sie sich jetzt, wie schon viele Ihrer Kollegen auch, mehr Provision bei weniger Zeitaufwand. Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit ...“

Was heißt das? – Die Generaldirektion untergräbt die Wirtschaftlichkeit der eigenen Postämter auf dem Land! (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!) Eine Filialleiterin des ADEG-Marktes kommt mit diesem Brief zur Postamtsleiterin. Wie erklären Sie das den Men­schen? Hat die Post jetzt vom Gesetzgeber den Auftrag, die Filialen wirtschaftlich zu führen? Die Post AG untergräbt die Wirtschaftlichkeit mit solchen Maßnahmen, indem


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der ADEG-Markt mehr Provision bekommt, wenn er in der Zentrale bestellt, als wenn er zum örtlichen Postamt geht! Ich warte auf eine Antwort, auf eine Erklärung. (Bun­desrat Kraml: Die wird er nicht geben!)

Jeder kluge Unternehmer – offensichtlich haben Sie als Eigentümer kein Interesse dar­an, als kluger Unternehmer bewertet zu werden – sorgt dafür, dass sein eigenes Filial­netz wirtschaftlich geführt werden kann und dass er mit Innovation, mit neuen Artikeln Kunden anlockt, betreibt aber nicht das Gegenteil. Also zeigen Sie Respekt vor der österreichischen Bevölkerung und halten Sie die Bevölkerung nicht für dumm! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.53

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tief­nig. – Bitte.

 


18.53

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Staatssek­retär! Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen im Bundesrat! Es ist sicher eine gute Initiative, den Entschließungsantrag hier einzubringen. Es ist vielleicht noch an der For­mulierung zu arbeiten. (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der SPÖ und den Grünen.) Ich habe auch gesagt, es ist an der Formulierung zu arbeiten. Ich glaube, es wird zurzeit an einer besseren Formulierung des Entschließungsantrages gearbeitet. In diesem Fall könnten wir dann eventuell die Zustimmung geben.

Ich glaube, ihr auf der linken Seite habt noch nicht bemerkt, dass die Post in den letzten Jahren ein Unternehmen geworden ist und die Politik eigentlich wenig Einfluss auf ein Unternehmen nehmen kann. (Bundesrat Stadler: Sagst du das deinen Bürgern auch?) Das glaube ich, denn ich habe das selbst in unserer Gemeinde verspürt. Wir haben seit einigen Jahren kein Postamt mehr. Ich muss sagen, in der Bevölkerung ist ein riesiger Aufruhr entstanden, als das Postamt geschlossen worden ist. Die Versor­gung erfolgt jetzt aus der Nachbargemeinde, und ich muss sagen, seither ist es fast besser geworden. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Der Paketdienst ist in den letzten Jahren infolge von Privatisierungen in den privaten Bereich übergegangen. Daran erkennt man, die Post hat eigentlich die Privatisierung fast übersehen. Also man muss schon sagen, die Post hat die Zeichen des Marktes und der Zeit nicht erkannt, vielleicht auch nicht die SPÖ. (Beifall bei der ÖVP.)

In den Jahren 2006, 2009 wird auch das Briefmonopol aufgehoben. Ich glaube, die Post ist gefordert, in Zukunft ein marktorientiertes Dienstleistungsunternehmen in der Region zu sein, wofür meiner Meinung auch die Politik verantwortlich ist. (Bundesrat Winter: Das gibt es ja nicht! – Bundesrat Stadler: Weißt du, wo du herkommst, Fer­dinand?) – Herr Stadler! Sie schreien hier herum. In Schärding sind Sie gegen die Spitalsreform aufgestanden. Da hat man gesagt: Was ist das für einer, den kennen wir nicht einmal?! Also, Herr Stadler, gehen Sie bitte unters Volk und nicht nur bei De­monstrationen voran! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Stadler! Schärding unterstreicht alles und bestärkt mich in meiner Meinung.

Ihr Parteiobmann Erich Haider hat gemeint, jedes Postamt im ländlichen Raum, das bestehen bleibt, sollte 1 500 € als Unterstützung bekommen. Dann verlange ich, dass auch jeder Biobauer, der einen Hofladen hat, eine Unterstützung in Höhe von 1 500 € bekommt. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das ist ein Verrat an der Region!)

Liebe Freunde! Unsere Bürgermeister sind sicher darauf bedacht, die Postämter in ihren Gemeinden zu halten. Aber wichtig ist, dass die Dienstleistung für den einzelnen Haushalt in der Zukunft gesichert ist, dass man auch in Zukunft seinen Brief aufgeben und sein Packerl abschicken kann und auch sein Packerl bekommt, genau wie es Herr


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Schimböck gesagt hat. Aber wenn die Post nicht wirtschaftsorientiert ist, dann werden wir sie in einigen Jahren nicht mehr haben. Es ist, wie ich meine, in Zukunft wichtig, dass sich die Post am Markt orientiert, aber auch ein dienstleistungsorientiertes Unter­nehmen ist. Wenn das schon vor acht oder zehn Jahren geschehen wäre, wäre es si­cher besser gewesen und wir hätten einige Arbeitsplätze einsparen können. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Im Paketdienst sind sehr viele Menschen beschäftigt, die in der Pension sicher nicht in Österreich leben werden. Da hätte die Post ehestmöglich die Zeichen der Zeit erken­nen müssen. Diese sind aber, wie ich meine, weder von der Post noch von der SPÖ erkannt worden. (Bundesrat Stadler: Skandal!) Somit kann ich dem Entschließungs­antrag der SPÖ leider nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.58

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


18.58

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! An der Emotionalität der Debatte merkt man die Wichtigkeit des Themas. Ich bin schon etwas verwundert, Kol­lege Tiefnig: Wir beiden kommen vom Land, aus ländlichen Regionen, und wenn man ins Land hineinschaut, dann sieht man einfach die Ausdünnung der ganzen Ortszent­ren. Es ist kein Geheimnis, es lässt sich nicht verbergen: Verhängte Schaufenster, ein Geschäft, ein Gasthaus nach dem anderen schließt, Arbeitsplätze gehen in der Region verloren. Die Abwanderung macht sich breit, und das nicht nur in den ländlichen Regionen in Oberösterreich, sondern in allen Bundesländern.

Und jetzt kommt etwas dazu, und in Oberösterreich betrifft das beinahe ein Viertel der Gemeinden, also jede vierte Gemeinde, und das ist eine erschreckende Entwicklung: Bei den Postdiensten geht es um Daseinsvorsorge, um eine wichtige, eine zentrale Funktion, die wahrgenommen wird und meiner Meinung nach nicht vergleichbar ist mit dem Kauf von Lebensmitteln und Sonstigem, so wichtig das ist, so wichtig die Versor­gung auch in diesem Bereich ist.

Herr Staatssekretär! Gott sei Dank gibt es nicht nur E-Mails, sondern noch so etwas wie richtige Hardcopy.

Es ist wunderschön, eine Postkarte oder einen handgeschriebenen Brief zu bekommen und das auch zu genießen. (Staatssekretär Mag. Kukacka: ... fünfziger Jahre, die Sie ...!) Aber, Herr Kukacka, Sie reden von den fünfziger Jahren! Wir sind langsam wieder dabei, der Rückschlag in der Gesellschaft und generell ist ein sehr bemerkens­werter.

Mit der Schließung der Postfilialen werden wieder Arbeitsplätze und zentrale Infrastruk­turobjekte verloren gehen, die natürlich auch das Rückgrat in den Regionen darstellen.

Fakt ist auch, dass es in anderen Ländern sehr wohl so etwas wie eine Quersubventio­nierung gibt. Es ist klar, dass es in kleinen Gemeinden schwierig ist, nicht defizitär zu arbeiten, und das ist jetzt von meiner Seite her überhaupt kein Aufruf für eine defizitäre Post, in keiner Weise. Es gibt eben sehr ertragreiche Gemeinden, weil es die Größe ermöglicht, und es gibt Regionen, die benachteiligt sind.

Ich erinnere Sie an den Finanzausgleich, wo es immer die Diskussion gab, es soll einen Ausgleich zwischen den starken und reichen Gemeinden und den schwächeren und ärmeren Gemeinden geben. Und das soll auch in diesem Fall Gültigkeit haben.


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Kollege Tiefnig, ich kann mich noch erinnern, bei der Debatte über den Finanzaus­gleich warst du einer derjenigen, die das gefordert haben: die schwachen Gemeinden zu stützen. Und ich nehme dasselbe jetzt hier für diesen Bereich in Anspruch, so wie ich das auch von anderen Ländern kenne, wo das so gehandhabt wird.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Schimböck, Dr. Lichtenecker, Konecny, Schennach, Kerschbaum, Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Post-Dienstleistungen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie werden aufgefordert, umgehend eine Neufassung der Post-Universal­dienstverordnung zu erlassen, die einem Kahlschlag bei den Postämtern tatsächlich vorbeugt und die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Postdienstleistungen, insbesondere auch im ländlichen Raum, sicherstellt.

*****

Der Antrag liegt der Frau Präsidentin vor, und ich ersuche die Bundesrätinnen und Bundesräte aller Fraktionen, diesem Antrag zuzustimmen, im Sinne der ländlichen Regionen, zur Stärkung der schwächeren Gemeinden, um auch die Wirtschaftskraft im Lande erhalten zu können. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.03

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der soeben eingebrachte Antrag der Bun­desräte Schimböck, Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicher­stellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Post-Dienstleistungen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


19.04

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzte Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Bezüglich Postamtsschließung: Für alle von uns sollte klar sein, dass wir für jede Gemeinde eine Mindestvorausset­zung haben sollten: Schule, Gemeindeamt, Kirche, Altenversorgung, Kindergarten, Gendarmerie, Postamt, Arzt, Bank, Gasthaus, Ortskern, Spielplätze und so weiter.

Die Errungenschaften, die wir seit Jahrzehnten, ich möchte sagen, Jahrhunderten haben, beruhen auf einer gewachsenen Struktur. Vor allem seit dem Jahr 1848 hat sich da sehr viel getan. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind mit der Technik und der Mechanisierung Entfernungen kleiner geworden. Gut ausgebaute Straßen, gute Mechanisierung, elektronische Datenübermittlung und so weiter haben eine rasante Umstrukturierung, eine moderne Entwicklung auch im ländlichen Bereich gebracht.

Genau zur gleichen Zeit wurden Gemeinden zusammengelegt, Gerichte zusammenge­legt, Schulen zusammengelegt und Gendarmerieposten zusammengelegt. Vor dieser Situation steht heute nicht nur die Bundesregierung von ÖVP und FPÖ, sondern mit


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dieser Situation sahen sich auch die große Koalition und die SPÖ-Regierung konfron­tiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als betroffener Bürgermeister bin ich stets für gewachsene Strukturen eingetreten und habe mich mit allen Mitteln gegen den weite­ren Abbau der Infrastruktur gewehrt, ob unter der SPÖ-Bundesregierung oder auch heute unter der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung. Ich komme später noch darauf zurück. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Dann unterstützen Sie unseren Entschließungsan­trag!)

Ich komme schon darauf! Ich weiß, was ich unterstützen sollte und was wir unter­stützen müssen, aber wenn es heute von Ihrer Seite nur um das Schlechtmachen, nur um das politische Kleingeld geht, dann kann man solche Aktionen nicht unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe im Jahre 1992 als Bürgermeister mit Protest gegen die Schließung des ältesten Gendarmeriepostens in Kärnten, der in meiner Gemeinde war, gekämpft. Ich war damals beim Herrn Bundesminister, ich habe eine 99-prozentige Zustimmung der Bevölkerung, ausgedrückt mittels Unterschriften, gehabt – und der Gendarmerieposten ist trotzdem geschlossen worden. Ich kenne die Problematik! Wer war damals Bundesminister? (Bundesrat Boden: Zustimmen tun wir nicht!)

Wenn man also die Situation genau analysiert, kommt man zu einer anderen Sicht­weise. Wenn man damals ohne Rücksicht einen Gendarmerieposten geschlossen hat, der 140 Jahre lang für die gesamte Region Gurktal erfolgreich die sicherheitspoliti­schen Aufgaben erfüllt hat, dann sollten wir, was die Postamtsschließungen und deren Umfang betrifft, die Kirche im Dorf lassen. (Bundesrat Konecny: Na die löst ja keiner auf! – Bundesrat Boden: Die sperrt eh keiner zu!)

Herr Professor Konecny! Der Kärntner Gemeindebund, dem ich als Vizepräsident an­gehöre, hat schon vor drei Wochen diese Aktion gestartet, die Sie heute der Bundes­regierung beziehungsweise den Kollegen des Bundesrates unterzujubeln versuchen.

Eine Protestaktion der betroffenen Bürgermeister hat auch stattgefunden! Das ist den Medien bekannt. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Prutsch: Na eben! Eben!) Nur gehen wir, sehr geehrte Damen und Herren, in Kärnten einen anderen Weg. Wir gehen einen Weg des Erfolges, und wir gehen einen Weg, der nachvollzieh­bar ist und wo die Menschen auch mitgehen können. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Völlig verschuldetes Bundesland! – Bundesrat Todt: Was ist der Weg?) Das werde ich euch gleich sagen.

Herr Kollege! Wir haben gestern einen Gemeinderatsbeschluss gefasst. Einstimmig wurde folgende Resolution angenommen, die ich gerne verlese:

„1. Die Österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit in jeder Gemeinde zumindest ein Postamt mit Ganztagesbetrieb beste­hen kann.“ (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Boden: Das ist das, was wir auch ver­langen! – Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Wartet! Ihr müsst warten!

„2. Die Österreichische Post AG wird aufgefordert, keine weiteren Schließungen von Postämtern in Kärnten durchzuführen.

3. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen ist wei­ter aufrecht zu erhalten.“ (Demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.) Wartet!

„4. Die Österreichische Post AG wird aufgefordert, Maßnahmen im Bereich der Unter­nehmenspolitik zu setzen, um die Wirtschaftlichkeit von Postämtern vor allem in länd-


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lichen Gemeinden abzusichern.“ (Neuerlicher demonstrativer Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

„5. Die Mitglieder der Kärntner Landesregierung werden aufgefordert, Verhandlungen mit der Österreichischen Post AG aufzunehmen, um eine erneute Schließungswelle von Postämtern zu verhindern. Ein entsprechender Antrag wird vom Kärntner Landtag derzeit beraten.“ (Bravorufe bei der SPÖ.)

„6. Die Österreichische Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass Pläne der Österreichischen Post AG, wonach die Beförderung von Briefen im ländlichen Raum nur mehr aufgrund eines erhöhten Tarifes erfolgen soll, nicht umgesetzt werden.“ (De­monstrativer Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Sehr richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wo sind wir auseinander? (Bundesrat Ko­necny: Nirgends! Bringen Sie das ein, und wir stimmen Ihnen zu!) – Herr Bundesrat Professor Konecny, darf ich Ihnen sagen, es sind nur verschiedene Wege zum Erfolg. Der Kärntner Weg ist der, dass wir nächste Woche am Dienstag mit dem Herrn Vize­kanzler, mit dem Herrn Landeshauptmann, mit den Vertretern des Kärntner Gemeinde­bundes, mit den Vertretern der betroffenen Bürgermeister zusammenkommen, um diese Problematik zu beraten. Es bringt ja nichts, heute in Wien zu polemisieren, wo Sie doch nur politisches Kleingeld machen wollen. (Bundesrat Konecny: Erzählen Sie uns nachher, wie es ausgegangen ist!) Ich werde Ihnen dann schon sagen, wie es ausgegangen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bei allen Entschließungsanträgen immer dasselbe – und das ist für mich wirklich bedenklich –: Herr Kollege Konecny, die meiste Zeit sind Sie nicht da, dann bringen Sie einen Antrag ein, dann gehen Sie wieder hinaus und lassen die Mannschaft allein – wie bei einem Schiff, das untergeht, wo der Kapitän schon lange verschwunden ist. (Heiterkeit. – Beifall des Bundes­rates Dr. Böhm.)

Etwas fällt mir auf, und ich bin noch nicht sehr lange in diesem Haus, aber wenn man immer nur ... (Bundesrat Schennach: In dem Fall ist der Mainoni der Kapitän, der verschwunden ist!) – Ja, bei Ihnen geht es ja fast so ähnlich zu! (Heiterkeit.) Aber, lieber Kollege, wenn man alles in dem Haus schlechtmacht ... (Bundesrat Schennach: Wer?) Fast bei jeder Rede ist die Bundesregierung dran ... (Bundesrat Schennach: Schauen Sie einmal, wie viel wir zugestimmt haben! Schauen Sie sich einmal den Prozentsatz an!)

Lieber Herr Kollege, noch bin ich am Wort! Ich muss sagen, bei entscheidenden Pro­blemen ... (Bundesrat Schennach: Was ist denn entscheidend?) – Wir sind auch in der Lage, entscheidende und erfolgreiche Probleme durchzuführen, was die SPÖ Jahr­zehnte versäumt hat. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme schon zum Schluss, ich werde euch nicht länger aufhalten. Nur eines ist ganz klar: Wir werden euch mit dem Kärntner Weg zeigen, wie es geht, nämlich an einem Tisch gemeinsam zu verhandeln und das Beste herauszuholen. Das will die Bevölkerung, und nicht polemisieren! – Danke. (Bei­fall bei den Freiheitlichen.)

19.13

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


19.13

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Herr Staatssekretär Kukacka, Sie sind für mich heute der falsche Ansprechpartner, und ich möchte hier am Rednerpult auch erklären, warum: Ich hatte vor zwei Monaten mit


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dem Herrn Staatssekretär in der Säulenhalle ein Gespräch, wo es darum gegangen ist, den Bahnhofumbau Bad Aussee voranzutreiben. Und dank Herrn Staatssekretär Kukacka läuft dieser Bahnhofumbau im Zuge der Landesausstellung 2005 seit 11. Ok­tober. Daher ein großes Dankeschön. Ich stehe nicht an, mich dafür zu bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Kollege Kampl, ich bedanke mich für Ihre Rede, weil ich denke, unsere Dringliche Anfrage ist vom Wortlaut her ziemlich gleich wie die Petition Ihrer Gemeinde. Wir unterjubeln dieser Bundesregierung nichts, aber wir haben die Pflicht, uns um die Sor­gen der österreichischen Bevölkerung zu kümmern, und darum stehen wir hier! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Ruf bei den Freiheitlichen: Polemik!) Das ist keine Polemik, das ist unsere Pflicht! Das möchte ich nochmals betonen.

Weil es um die Verhandlungen speziell in Kärnten geht: Ich kann nur für die Steiermark sprechen, und ich weiß, dass die Post AG mit den steirischen Postämtern seit 17. Ok­tober Verhandlungen führt, in die Postämter fährt und mit den Bediensteten Gespräche führt, wo es darum geht, dass diese Postämter geschlossen werden. Bis zum heutigen Tag ist das in Kärnten noch nicht der Fall. Ich denke, der Grund dafür ist, dass die FPÖ ein Regierungspartner ist. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Herr Kollege Tiefnig, Sie haben erklärt, die Politik habe keinen Einfluss auf diese Post­ämterschließungen. Ich zitiere Frau Dr. Kickinger. Frau Dr. Kickinger war vormals beim ORF, war dann bei den ÖBB, von mir eine Kollegin, dort leider Gottes – oder aus meiner Sicht Gott sei Dank – unbrauchbar. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Jetzt ist sie die Generalsekretärin der Post AG. Ich zitiere also Frau Kickinger: Die Schließungen sind die Antwort auf das Fallen des Briefmonopols. Das Briefmonopol ist bereits in Frage gestellt und im Fallen begriffen. Und alles, was wir hier jetzt machen, ist eine Antwort darauf, dass das Briefmonopol fällt.

Kollege Tiefnig, kennen Sie das Postgesetz, das am 23.7.2003 in diesem Raum be­schlossen worden ist? Das Postgesetz wurde von der Bundesregierung beschlossen. Und da können Sie mir nicht sagen, wenn die Generalsekretärin der Post AG diese Äußerung tätigt, dass die Regierung auf die Schließung der Postämter keinen Einfluss hat! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich zitiere weiter Frau Dr. Kickinger: Möglicherweise nicht die letzte Schließungswelle. Es ist nicht gesagt, dass es mit diesem jetzigen Prozess ein für alle Mal vorbei ist. Wir gehen immer näher zum Kunden – es lebe der ländliche Raum, sage ich dazu –, und wenn die Kundenströme wieder sagen, wir wollen es anders haben, so werden wir selbstverständlich reagieren.

Das entspricht leider nicht der Wahrheit.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen so genannten Landzustellern auf das Aller­herzlichste bedanken, denn sie sind die Betroffenen der ersten Phase der Schließung der Postämter und jetzt der zweiten Phase der Schließung der Postämter. Und wenn es diese Landzusteller nicht gäbe, gäbe es im ländlichen Raum überhaupt keine Versorgung mehr. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Nur um noch einmal zu dokumentieren, was in der derzeit gültigen Universaldienstver­ordnung steht: Die gültige Universaldienstverordnung erlaubt der Post unter Einhaltung eines bestimmten Procedere die Schließung aller Postämter, sofern die Grundversor­gung mit Postdienstleistungen, wenn auch nur durch Landzusteller, gegeben ist. Das heißt, dass, sofern es in einem Ort einen Zusteller gibt, jedes Postamt geschlossen werden kann. Das steht in der Universaldienstverordnung.

Ich glaube, das kann nicht der richtige Weg sein. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Das stimmt ja nicht!) – Das stimmt mit Sicherheit! Herr Staatssekretär, Sie werden es mir


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dann erklären. Dann müssen mich meine Personalvertreter falsch informiert haben. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Das kommt öfters vor!)

Das Traurige dabei ist, dass bei der ersten Phase der Schließung der Postämter die Bediensteten der Post aus den Medien erfahren mussten, dass ihr Arbeitsplatz gefähr­det ist. Das Papier ist irgendwie durchs Management durchgerutscht, dadurch haben wir das eigentlich alle erfahren. Jetzt geht man her und macht es anders. Zuerst heißt es: Wir schließen nur vier Postämter. Dann heißt es: Wir schließen zwölf Postämter. Und bei uns in der Steiermark sind es inzwischen 39 Postämter.

Ich schildere an dieser Stelle einen speziellen Fall. Auf der Liste die Steiermark be­treffend steht auch die Schließung des Postamtes Pichl-Mandling. Mandling ist die Grenzgemeinde zwischen Steiermark und Salzburg. Gestern waren die Vertreter der Post AG in diesem Postamt und erklärten einer Bediensteten, die dort noch Dienst verrichtet: Liebe Kollegin, es ist überhaupt kein Problem, du kannst zwar in Mandling nicht mehr Dienst machen, du fährst in Zukunft halt nach Gröbming. Darauf sagt die Kollegin: Es tut mir Leid, aber ich habe kein Auto!

Man muss sich folgende Situation vorstellen: Ich bin ÖBBler, und einige meiner Kolle­gen, die Fahrdienstleiter sind, müssen, um überhaupt an ihren Dienstort zu kommen, mit dem Privatauto in den Dienst fahren, weil dort nicht einmal mehr der Regionalzug stehen bleibt.

Zu der Betroffenen wird also gesagt: Liebe Frau Kollegin! Ab jetzt müssen Sie nach Gröbming fahren! Sie hat kein Auto, und sollte es ein öffentliches Verkehrsmittel – sprich: eine Zugverbindung – geben, dann kommt sie in Gröbming auf dem Bahnhof an und muss 5 Kilometer bis zum Postamt zurücklegen. – Das ist „Stärkung des ländli­chen Raumes“! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

19.21

 


Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bader. – Bitte.

 


19.21

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bin sehr froh, dass diese Diskussion heute geführt wird, weil diese Diskussion sicherlich den Interessen der Bevölkerung dient und die Interessen der Bevölkerung stärkt.

Liebe Frau Kollegin Lichtenecker! Betreffend die Wichtigkeit dieses Themas bin ich ganz bei Ihnen. Für mich hat allerdings dieses Thema zwei Dimensionen, erstens eine sachliche und zweitens eine politische Dimension.

Zur sachlichen Dimension ist grundsätzlich anzumerken, dass es derzeit zweifellos eine große Verunsicherung in der Bevölkerung, bei den Bürgermeistern der ländlichen Gemeinden und natürlich auch bei den Gemeinden selbst gibt. – Für mich ist daran, dass es diese Verunsicherung gibt, sicherlich in erster Linie die Post selbst schuld, und zwar deswegen, weil im Hinblick auf die eventuell betroffenen Standorte ganz einfach ein Eiertanz betrieben wird.

Die SPÖ weiß anscheinend schon, wer auf der Liste steht. – Ich konnte das auch in meiner Gemeinde miterleben, weil schon entsprechende Plakate aufgehängt wurden, und ich habe mich bemüht, hier ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen: Ich habe die Postamtsleiterin angerufen, sie hat mir jedoch gesagt, dass sie nichts sagen darf. – Sie ist die Frau des roten Nachbar-Bürgermeisters und wird daher nicht gerade mir das auf die Nase binden, wenn die SPÖ eine diesbezügliche Aktion macht. – Gut.


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Als nächsten Schritt habe ich beim Vertriebsleiter für Niederösterreich, bei Herrn Alten­burger, angerufen und gefragt, was da los ist, dass es Behauptungen der SPÖ gibt, die aus sicherer Quelle seien, dass das Postamt zugesperrt wird. – Er sagte darauf, dass es keine Liste gibt.

Ich habe es dann noch einmal versucht, denn am nächsten Tag ist in der Zeitung gestanden, dass meine Gemeinde auch dabei ist. Daher habe ich noch einmal probiert, Kontakt herzustellen. Es ist mir wieder gelungen, mit Herrn Altenburger zu sprechen. Eine konkrete Auskunft bekam ich jedoch wieder nicht. Es wurde mir nur mitgeteilt: Sollte es irgendwelche Angelegenheiten Ihre Gemeinde betreffend geben, dann wer­den Sie rechtzeitig informiert. Wir sind gerade dabei, die Bediensteten zu informieren.

Wenn allerdings die Bediensteten informiert werden – und das ist offensichtlich da und dort schon der Fall gewesen –, dann ist in manchen Bereichen natürlich auch die Katze aus dem Sack, aber in manchen Bereichen wird darüber eben nicht gesprochen. – Das ist derzeit das Problem, das besteht.

Vereinzelt gibt es da und dort auch Vereinbarungen über Gesprächstermine mit Bürgermeistern. Ich werde mich jetzt natürlich bei der Post nicht noch dreimal rühren, denn sonst könnten die dort unter Umständen den Eindruck haben, ich selbst möchte, dass das Postamt zugesperrt wird. Man befindet sich also in einem gewissen Dilem­ma. – Ich halte diese Vorgangsweise der Post natürlich auch nicht für in Ordnung.

Was will die Bevölkerung? Was wollen die Bürgermeister? Was wollen die Gemein­den? – Sie wollen erstens, dass es keinesfalls eine Entscheidung über die Köpfe der Bevölkerung der Gemeinden hinweg gibt, und sie wollen zweitens, dass es keine Nacht-und-Nebel-Aktion in diesem Zusammenhang gibt, denn dazu ist das Thema ganz einfach zu wichtig. Drittens – und das ist das Entscheidende! – möchte die Bevölkerung eine Versorgungssicherheit hinsichtlich der Postdienstleistungen, und das klarerweise ohne Qualitätsverlust. Der Service muss ganz einfach für die Bürger aufrechterhalten bleiben!

Wenn es dort und da Probleme gibt, dann ist es eben notwendig, gemeinsam mit den Bürgermeistern und den Gemeinden offen darüber zu reden und Lösungen zu suchen. Eine Forderung, die ich hier in diesem Zusammenhang auch erwähnen möchte, ist, dass die Universaldienstverordnung von der Post AG auch auf Punkt und Beistrich ein­gehalten wird, und wir Bürgermeister werden – falls wir betroffen sind – natürlich darauf drängen und genau schauen, ob alles, was darin steht, auch eingehalten wird.

In dieser Verordnung ist einiges klar geregelt – der Herr Staatssekretär hat das schon ausgeführt –:

„Zweck dieser Verordnung ist es, eine den Bedürfnissen der Kunden entsprechende, qualitativ hochwertige, flächendeckende und allgemein erschwingliche Versorgung mit den im Rahmen des Universaldienstes zu erbringenden Postdienstleistungen zu ge­währleisten.“

Dazu gibt es auch eine entsprechende Bestimmung in dieser Verordnung:

„Der Universaldienstbetreiber ist verpflichtet, eine ausreichende, flächendeckende Ver­sorgung mit Post-Geschäftsstellen sicherzustellen.“ (Bundesrat Schimböck: Das ist schwammig formuliert!)

Auch eventuelle Schließungen sind genau geregelt, es ist festgelegt, nach welchem Procedere das durchzuführen ist:

„Ein Postamt darf nur geschlossen werden, wenn“ 1. „die kostendeckende Führung des Postamtes auf Grund mangelnder Kundennachfrage dauerhaft ausgeschlossen ... ist.“


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Die mangelnde Kundennachfrage darf also nicht saisonal bedingt sein, sondern muss dauerhaft ausgeschlossen sein. Vorher ist mit den Gemeinden entsprechender Kontakt aufzunehmen, und es ist hier auch klar und deutlich vermerkt, dass der Universal­dienstbetreiber „konkrete Vorschläge zur Erhaltung der Versorgungsqualität zu unter­breiten“ hat – das steht ganz klar in dieser Vorordnung – und dass eventuell alternative Lösungen gemeinsam mit den Gemeinden zu erarbeiten sind.

Weiters ist auch geregelt, welche Kriterien einzuhalten sind. Die Bestimmung lautet, dass in den Post-Geschäftsstellen auf jeden Fall sicherzustellen ist, dass an Werk­tagen von Montag bis Freitag entsprechende Öffnungszeiten vorgesehen werden, dass die wöchentliche Öffnungszeit zumindest 20 Stunden betragen muss und dass „in allen Post-Geschäftsstellen“ „alle Dienstleistungen anzubieten“ sind, „welche die Kunden in die Lage versetzen, den Universaldienst in Anspruch zu nehmen“, wozu vor allem auch der Verkauf von Briefmarken gehört. (Vizepräsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)

In dieser Verordnung ist im zweiten Abschnitt aber auch die Qualität dieser Universal­dienstleistungen geregelt und festgehalten, dass der Bürger auch damit verbundene Rechte hat:

„Brief- und Paketsendungen sind an die in der Anschrift genannte Wohn- und Geschäftsadresse zuzustellen, ...“, „Brief- und Paketsendungen sind von Montag bis Freitag, ausgenommen Feiertag, täglich zuzustellen, ...“

All das ist klar geregelt, und wir werden natürlich darauf achten, dass diese Verord­nung auch eingehalten wird. Ich denke, dass mit der Verordnung von der Regierung natürlich eine gewisse Verantwortung für die Bürger wahrgenommen wurde.

Betreffend die Situation in Niederösterreich möchte ich hier auch ein klares Wort sagen: Ich glaube, vor zwei Jahren wurden in Niederösterreich genug Postfilialen zuge­sperrt. Es waren damals rund 220 Geschäftsstellen. Niederösterreich war also sicher­lich am meisten davon betroffen. Und leider gibt es nur 35 Post-Partner. Allerdings muss man sagen, dass die Arbeit dieser Post-Partner auch extrem gut funktioniert, und daher halte ich den Vorwurf, den Kollege Schimböck – ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, er war es – hier gebracht hat, eigentlich für ungeheuerlich! (Bundesrat Schim­böck: Es haben sich nur 18 gefunden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte nur sagen: Ich empfinde Ihren Vorwurf, lieber Herr Kollege, dass die Post-Partner das Amtsgeheimnis missachten, als ungeheuerlich! Es gibt in unserem Bezirk einige verschiedene Post-Partner, die diese Aufgabe wahrnehmen, etwa die Gemein­den oder auch die Greißler, die von Ihnen angesprochen wurden. Wenn Sie diese aber hier pauschal des Amtsmissbrauchs bezichtigen, dann ist das wirklich ungeheuerlich! Das haben Sie hier gesagt! (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck.)

Um noch zur Situation in Niederösterreich zurückzukommen: Die Post hat vor zwei Jahren versichert, dass die Struktur mit diesen 220 Schließungen passt. Daher fordere ich jetzt natürlich ein, dass das Versprechen der Post – zumindest einmal betreffend Niederösterreich – auch entsprechend eingehalten wird und dass die Filialen kosten­günstig geführt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Kraml.)

Nun aber zum Zweiten, zur politischen Dimension im Hinblick auf die Versorgungssi­cherheit im ländlichen Raum. Der ländliche Raum ist schon ein paar Mal angesprochen worden, und ich glaube, dass das insgesamt auch etwas mit dem Stellenwert des länd­lichen Raumes bei den Bundesrätinnen und Bundesräten hier und bei den Parteien zu tun hat. Es geht ganz einfach um die Verantwortung für den ländlichen Raum, und diese Verantwortung ist für mich eine umfassendere Verantwortung. Da geht es nicht nur um die Post.


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Außerdem geht es dabei auch nicht – und das sage ich vor allem den Kollegen von der SPÖ – um Lippenbekenntnisse. Ich muss sagen, dass ich mich wirklich sehr über den Zickzackkurs wundere, den die SPÖ gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um den ländlichen Raum fährt! Natürlich gibt es dort und da einen Aufschrei, seitdem es diese Regierung gibt. Es hat aber – und das kann ich gerade in Anbetracht meines Bezirkes sagen – auch bereits früher Schließungen gegeben, etwa im Gendarmerie­bereich. Es gab vor kurzem auch eine Dringliche Anfrage an den Herrn Innenminister, bei deren Beantwortung klar und deutlich festgestellt wurde, dass es unter SPÖ-Innenministern weit mehr Gendarmeriepostenschließungen gegeben hat als jetzt.

Ich möchte dazu auch anmerken, dass vor rund 13 Jahren zum Beispiel im Bezirk Lilienfeld vier von zwölf Gendarmerieposten, also ein Drittel davon, zugesperrt wurden, und zwar unter dem roten Innenminister Löschnak. (Bundesrat Stadler: Sie wurden zusammengelegt!) Ich habe damals fleißig Unterschriften gesammelt und übergeben, aber das war alles für die Katze!

So etwas ist aber, wie Sie ja wissen, auch schon vor einigen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten geschehen: Damals haben eineinhalb Millionen Menschen gegen das Konferenzzentrum unterschrieben, gebaut worden ist es aber trotzdem. (Bundesrat Kraml: Sie sollten froh sein, dass es das Konferenzzentrum gibt!)

Die SPÖ-Personalvertreter bei der Gendarmerie hatten bei dieser Schließungswelle in unserem Bezirk eigentlich nichts anderes zu tun, als darüber zu verhandeln und vor­zuschlagen, in welchen Rayon die Posten der einzelnen Gemeinden, die gesperrt wer­den, hinkommen sollen: zu diesem roten Posten oder zu einem anderen roten Posten.

Das wollte ich einmal dazu sagen.

Wer hat also wichtige Infrastruktureinrichtungen zerstört? – Man kann klar sagen: die SPÖ.

Ich möchte noch ein zweites Beispiel bringen. Die SPÖ hat auch die Abschaffung der Wohnbauförderung gefordert. Das Ganze wurde dann sogar abfällig heruntergespielt, und man hat gesagt, dass diese Wohnbauförderung eigentlich nur ein Körberlgeld für die Landeshauptleute sei. – Ich kann Ihnen sagen, dass das gerade für den ländlichen Raum eine ganz wesentliche Maßnahme und von größter Bedeutung ist, und ich bin froh, dass es jetzt im Zuge des Finanzausgleichs gelungen ist, diese Wohnbaugelder abzusichern.

In meinem Bezirk Lilienfeld, der flächenmäßig riesengroß ist, dessen Einwohnerzahl mit 27 000 aber nicht gerade hoch ist, stärkt die Wohnbauförderung 2004 von 19 Mil­lionen € für bauwirksame Maßnahmen gerade die Betriebe im Bezirk, weil ein Großteil der Aufträge an heimische Betriebe vergeben wird. – Im Finanzausgleich ist das jetzt abgesichert, aber die SPÖ lehnt diesen ja wieder ab. Im ländlichen Raum können Sie offenbar zu wenig Stimmen erlangen!

Der Finanzausgleich bringt insbesondere auch den ländlichen Gemeinden unter 10 000 Einwohnern sehr viel, weil hier eine Stärkung beschlossen wurde. Meiner Ge­meinde mit 1 500 Einwohnern wird das mit zirka 24 000 € gutstehen; auch den ande­ren Gemeinden in unserem Bezirk in jedem Fall.

Was ist die Reaktion? – Die SPÖ ist gegen diesen Finanzausgleich und somit gegen den ländlichen Raum, den Sie hier so beschwören! Das verstehe ich überhaupt nicht! (Bundesrat Kraml: Damit müssen Sie leben!) Das ist etwas, was man eigentlich nicht ... (Bundesrat Konecny: Das liegt aber an Ihnen!) Das ist mir schleierhaft, und Sie untergraben damit natürlich ganz eindeutig den ländlichen Raum!


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Im Finanzausgleich wurden zusätzlich 12 Millionen beispielsweise für die Erhaltung kleiner Schulstandorte im ländlichen Raum vereinbart. Die SPÖ wird dem nicht zustim­men und damit den ländlichen Raum weiter schwächen. Das verstehe ich wirklich nicht!

In Niederösterreich gibt es auch ein Paradoxon in diesem Zusammenhang: Die ÖVP hat im Landtag einen Antrag eingebracht, um das Raumordnungsgesetz zu ändern. Es ist dies ein anderes Thema, das den ländlichen Raum auch sehr massiv betrifft, weil damit klar festgelegt werden soll, dass Einkaufszentren und große Geschäfte, die gerade den Greißlern in den kleinen Gemeinden so sehr wehtun, an den Ortsrändern – quasi auf der grünen Wiese – nicht mehr entstehen sollen.

Was macht die SPÖ? – Sie stimmt auch diesfalls dagegen! Offenbar hat sie für den ländlichen Raum einfach nichts übrig! So schaut Ihre Verantwortung aus! Unsere Ver­antwortung hingegen ist eindeutig zukunftsorientiert und auch entsprechend nach­haltig. Ich frage jetzt vor allem Kollegen Schimböck, wenn ich mir all das anhöre und mir die Beispiele, die ich hier genannt habe, vor Augen führe: Wo sind Ihre Achtung und Ihr Respekt vor den Bedürfnissen der Menschen im ländlichen Raum? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es ganz einfach um die Stärkung des länd­lichen Raumes und nicht um dessen Schwächung geht. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Im Hinblick darauf sind entsprechende gemeinsame Anstrengungen er­forderlich. Ziel ist auch – und ich glaube, darüber sind wir uns einig –, Sicherheit und Klarheit für die Bevölkerung und für die Gemeinden zu gewährleisten. Daher sind wir alle als politische Verantwortungsträger, im besonderen Maße aber natürlich auch die österreichische Post AG gefordert. Wir werden daher gemeinsam mit der FPÖ einen Entschließungsantrag einbringen, um diese Verantwortung für den ländlichen Raum insgesamt in seiner ganzen Dimension wahrzunehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

19.35

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Schimböck das Wort und weise auf die Bestimmungen der Geschäftsord­nung hin.

 


19.35

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Es tut mir Leid, dass mein Vorredner offenbar nur eingeschränkte Informationen hat. Das Post­marktgesetz, das eingefordert wird – ich werde es Ihnen nachher zur Verfügung stellen –, sieht nämlich vor, dass von Privaten nur mehr das gemacht wird – das nimmt man dort zur Kenntnis –, womit man Gewinne erwirtschaftet.

Und was die Daseinsvorsorge betrifft, so habe ich nie behauptet, dass ein Greißler, der den Postdienst versieht, ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Doch das hilft mir nichts, Herr Bürgermeister: Es haben sich aber nur 18 in Oberösterreich bereit erklärt – da kann die Frau Bürgermeisterin noch so intensiv den Kopf schütteln. 100 Postämter wurden zugesperrt (weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) – ich wiederhole es, falls Sie nicht aufgepasst haben –, und es sind nur 18! Und keiner hat hier behauptet – und ich schon gar nicht! –, dass diese Greißler, diese Nahversorger ... (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Kollege Schimböck! Ich bitte Sie, sich auf eine tatsächliche Berichtigung zu beschränken.

 



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Bundesrat Wolfgang Schimböck (fortsetzend): Ich stelle Ihnen das Papier gerne zur Verfügung, und ich verlange, dass Sie diese Behauptung hier zurücknehmen. Das ist im Protokoll nach...

19.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege Schimböck! Das war jetzt keine tatsächliche Berichtigung, sondern eine zweite Wortmeldung.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


19.37

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte zunächst auch eine kleine Berichtigung vornehmen.

Sie haben vorhin zu Frau Kollegin Lichtenecker gesagt, dass es seit den fünfziger Jahren eigentlich keine Briefe mehr gibt, sondern nur mehr E‑Mails. – Meines Wissens ist das Medium E‑Mail in den neunziger Jahren in unsere Gesellschaft vorgedrungen. Sie haben jedoch gesagt, dass man in den fünfziger Jahren Briefe geschrieben hat, aber seither von E‑Mails redet. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Ich habe gesagt: ... Postleistungen wie in den fünfziger Jahren!)

Sie haben gesagt: In den fünfziger Jahren hat man Briefe geschrieben. – Es stimmt auch, dass man in den fünfziger Jahren Briefe geschrieben hat. Was hingegen sicher­lich nicht stimmt, ist, dass es seither nur mehr Kommunikation per E‑Mails gibt. So gibt es zum Beispiel auf dem Land noch sehr viele Gegenden, in denen es noch kein Breitband-Internet gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.) Bitte? Ich bin nicht weit weg!

Auf dem Land gibt es viele Gemeinden, in denen es noch kein Breitband-Internet und wenig E-Mail-Verkehr gibt, und auch für ältere Personen sind E-Mails nicht unbedingt das wichtigste Kommunikationsmittel, das verwendet wird.

Ich möchte noch einmal zurückkommen zu Frau Minister Forstinger, die gewisser­maßen als Kurzzeitministerin in die Geschichte eingegangen ist, unter anderem im Zusammenhang mit ihren Beratungskosten, die damals im Gespräch waren. Offenbar geht sie jetzt mit dieser Verordnung, um welche es heute geht, noch einmal in die Geschichte ein.

Im Nationalrat hat meine Kollegin diese Verordnung Wischiwaschi-Verordnung ge­nannt. Ich habe mir die Verordnung angesehen, und jetzt weiß ich, warum:

Ziel dieser Verordnung ist es, „eine den Bedürfnissen der Kunden entsprechende, qua­litativ hochwertige, flächendeckende und allgemein erschwingliche Versorgung mit ... Postdienstleistungen zu gewährleisten“. – Darüber sind wir uns offenbar alle einig, die Post AG ist aber anscheinend der Meinung, dass es trotz dieser Verordnung möglich ist, 400 Postämter zu schließen. – In diesem Fall erfüllt eine Verordnung ihren Sinn und Zweck nicht und wäre meiner Meinung nach dringend zu überarbeiten.

Dass die Post AG als wirtschaftliches Unternehmen gewinnorientiert ist, halte ich nicht für verwerflich. Der Eigentümer der Post AG ist aber doch wohl der Bund beziehungs­weise die ÖIAG, die Dividenden der Post AG gehen auch an den Bund, und der Bund ist ständig bereit, Sonderdividenden der Post AG entgegenzunehmen. Andererseits wird jetzt aber behauptet, die Post dürfe keine Postämter schließen, das wolle man nicht – andererseits will man aber Dividenden. Die Post soll unbedingt gute Geschäfte machen, man will Dividenden, aber man will nicht, dass die Post gleichzeitig Postämter schließt.


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Es wäre wohl Aufgabe der Politik, entsprechende Regelungen zu schaffen, dass es der Post AG nicht möglich ist, Postämter zu schließen, denn mit dieser Wischiwaschi-Verordnung ist das offensichtlich doch möglich.

Die Post hat nicht nur privatwirtschaftliche Aufgaben, und die Post sollte nicht nur Divi­denden einfahren, sondern sie hat auch die Aufgabe der Versorgung des ländlichen Raums. Ich gebe Ihnen aber Recht: Dem ländlichen Raum fehlt nicht nur die notwen­dige Postversorgung, sondern es gibt auch viele andere Dinge, die im ländlichen Raum wirklich erreichbar sein sollten, es zum Teil aber nicht mehr sind.

Gewinn bringend für die Post sind natürlich größere Postämter und größere Annahme­stellen. Ein Greißler kann ja auch kaum so viele Einnahmen lukrieren wie ein Einkaufs­zentrum. Es ist auch so, dass ein Großteil der Österreicher mobil ist und vielleicht nicht unbedingt ein Postamt maximal zwei Kilometer weit weg braucht. Es ist aber sicher so, dass nicht 100 Prozent der Österreicher mobil sind. Für diese Menschen muss es eben eine regionale Versorgung geben.

Die jungen Menschen, die „am Land“ lebten, sind jetzt großteils schon „in die Stadt“ gezogen. Es besteht ja das Problem, dass mehr oder weniger in erster Linie die älteren Menschen am Land bleiben. Diese sind aber nicht so mobil. Sie haben ein großes Pro­blem damit, wenn es keinen Greißler mehr gibt, wenn es keinen Gendarmerieposten mehr gibt und wenn es kein Postamt mehr gibt.

Irgendwo beißt sich da meiner Meinung nach die Katze in den Schwanz. Entweder ziehen die Menschen weg, weil es keine Infrastruktur gibt, oder die Infrastruktur gibt es nicht mehr, weil die Menschen alle wegziehen. Ich denke, es wäre eine Aufgabe der Politik, dass man dieses Katze-in-den-Schwanz-Beißen irgendwann einmal unterbricht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Für mich persönlich, kurz zusammengefasst: Eine ersatzlose Schließung der 400 Post­ämter, von denen hier die Rede ist, wäre privatwirtschaftlich schon nachvollziehbar, wenn dabei steht, dass das 22 Millionen € für die Post bringt. Gemeinwirtschaftlich gesehen ist es aber eine Katastrophe. Meines Wissens sieht das auch Minister Barten­stein so, der ebenfalls den gemeinwirtschaftlichen Aspekt nicht übersehen möchte. Herr Molterer fordert Alternativvorschläge ein. Ich frage mich nur: Von wem? – Eigent­lich müssten die Vorschläge meiner Meinung nach von der Politik kommen.

Der Herr Forschungsstaatssekretär könnte vielleicht einmal Vorschläge bringen, quasi erforschen, ob es welche gibt. Er hat sich auch intensiv zu Wort gemeldet, aber in erster Linie damit, dass er kein Verständnis für die Post AG hat. Sie verlangen jetzt, für mich überraschend, eine Versachlichung der Diskussion. Ich habe Sie allerdings nicht so als sachlichen Diskutanten in Erinnerung. Sie machen Vorschläge wie den Landzu­steller, Filialen-Sharing und den Postpartner Wirtschaft.

Ich bin auch der Meinung, dass die Wirtschaft als Partner der Post sicher eine inter­essante Möglichkeit wäre. Ich denke nur, dass man dem Greißler, der diese Aufgaben übernimmt, dann auch genügend dafür bezahlen muss. Der Greißler macht eben nicht so viel Umsatz wie ein Einkaufszentrum, dass er das locker nebenbei machen könnte.

Die Post ist Eigentum des Bundes beziehungsweise der ÖIAG. Weil der Finanzminister höhere Dividenden will und weil diese Wischiwaschi-Verordnung nicht vom Verkehrs­ministerium geändert wird, stehen diese Schließungen jetzt im Raum. Solange der Finanzminister nicht mit weniger Dividenden zufrieden ist und solange der Verkehrsmi­nister nicht die Voraussetzungen schafft, nämlich eine Verordnung, die ihr festgesetz­tes Ziel erreicht, so lange ist die Bundesregierung verantwortlich, wenn diese Postäm­ter schließen. Verstecken Sie sich nicht hinter der Post AG, sondern nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

 


19.43


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715. Sitzung / Seite 169

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter.

 


19.43

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn meiner Ausführungen doch noch einmal auf den Begründer dieser Dringlichen Anfrage repliziere, nämlich auf den Kollegen Schimböck. Er hat sich ja in seiner Begründung über den privaten Paketdienst alteriert. Ich hätte durchaus Verständnis dafür, wenn erkennbar gewesen wäre, wo für Herrn Schimböck und für die SPÖ das Problem des privaten Paketdienstes liegt. Vielleicht war es aber der Begriff „privat“, Herr Kollege Schimböck, vielleicht haben Sie mit dem Begriff „privat“ ein Problem. Das würde ich bei Ihnen verstehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Es ist ja auch bezeichnend in diesem Land und hier in diesem Haus: Sie führen beinahe permanent Klage, wie schlecht es in vielen Bereichen um unser Land bestellt ist. Sie nehmen, wenn Sie es brauchen, Wirtschaftsdaten, Sie nehmen Schlagzeilen aus Medien und erklären uns beinahe per­manent, wie schlecht es unserer Wirtschaft geht. Sie erklären den Niedergang der Privatwirtschaft, der Gesamtwirtschaft. Sie beklagen sich über die Entwicklung des Arbeitsmarktes und, meine Damen und Herren von der SPÖ, seitdem Sie in Opposition sind, haben Sie auch wiederum eines erkannt, dass es ein neues Anliegen der Arbeit­nehmer gibt. Sie sprechen immer von einem Kollaps des Arbeitsmarktes. Vielleicht ist das die neue Ansage oder die neue Arbeitsmarktpolitik der SPÖ.

Heute hat sich die SPÖ die Entdeckung des ländlichen Raumes zum Steckenpferd gemacht. Ich sage bewusst „zum Steckenpferd gemacht“, denn über 30 Jahre lang, meine Damen und Herren von der SPÖ, hätten Sie Kompetenz und Zeit gehabt, etwas für den ländlichen Raum zu tun. (Bundesrat Kraml: Da hat es die Postämter ja gege­ben! Jetzt sperren sie zu!) Jetzt, meine Damen und Herren, Kollege Kraml, jetzt weil Sie in Opposition sind, entdecken Sie den ländlichen Raum. Ich hoffe und wünsche mir, dass Sie lange in Opposition bleiben, damit Sie endlich Ihren Grundsätzen und Themen treu bleiben können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie haben in der Vergangenheit die Zusammenlegung der Wachzimmer, der Gendar­merieposten beklagt. (Bundesrat Stadler: Die Schließung, nicht die Zusammenle­gung!) Sie haben von der Gefährdung der inneren Sicherheit durch diese Maßnahmen gesprochen. Erinnern Sie sich an Ihre Wortwahl hiezu! Sie haben dazu sicherlich genügend Beiträge geliefert. Heute versuchen Sie, den Niedergang der Österreichi­schen Post AG herbeizureden.

Sie unterscheiden nicht, ob es die uneingeschränkte Zuständigkeit einer Bundesregie­rung oder des Verkehrsministers ist, sondern Sie machen mit einer Generalschuldzu­weisung an den Verkehrsminister einen untauglichen Versuch, die Verantwortung Ihrer vergangenen Postgeschichte eben dem Verkehrsminister zuzuweisen und ihm ans Zeug zu flicken.

Wenn man schon über die Post redet, meine Damen und Herren, dann reden wir auch über die Leistungen der SPÖ, die Sie für die Post erbracht haben. (Bundesrat Bierin­ger: Postenschacher!) Niemand anderer als sozialistische Verkehrsminister haben es zugelassen (Bundesrat Zellot: Das habt ihr schon alles vergessen!), dass beinahe permanent sozialistische Finanzminister einerseits die Gewinne der Post umschichten konnten, um Budgetlöcher zu stopfen, und andererseits für die so genannte Gelbe Post keine Rücklagen zu bilden waren.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, wenn es um Verantwortung und Geld geht, erinnern Sie sich doch an einen Ihrer ureigenen Bereiche! Ein ureigener Bereich in der


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Wirtschaft und Finanzwirtschaft war sicherlich auch die Verantwortung für den „Kon­sum“. (Bundesrat Kraml: Keine Rede ohne „Konsum“!)

Die Finanzkompetenz, Herr Kollege Kraml, im Umgang mit Geld haben Sie für mich in diesem Bereich hinlänglich bewiesen. Hätten wir die guten Nahversorger auch beim „Konsum“ noch, dann wären natürlich diese Postpartnermodelle ein Vorteil für den ländlichen Raum. (Bundesrat Kraml: Jetzt ist der „Konsum“ schuld, dass es keine Postämter mehr gibt?!)

Es wäre ein zusätzliches Angebot für die „Konsum“-Filialen, dass sie den ländlichen Raum servicieren können. – Nein, Sie haben uns und vor allem dem ländlichen Raum mit dem Niedergang des „Konsum“ diese Grundlage entzogen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben bei der Post permanent Geldmittel abgeschöpft und umgeschichtet. Sie haben mit Ihrer Wirtschaftspolitik im „Konsum“ dem ländlichen Raum auch Infrastruktur entzogen. Jetzt versuchen Sie, mit untaug­lichen Mitteln für all diese Vorgänge in diesem Bereich aus Ihrer Vergangenheit den Verkehrsminister verantwortlich zu machen. Das ist eine verfehlte Politik! Das brau­chen wir nicht mehr. Diese Politik nimmt Ihnen niemand mehr ab. Die glaubt Ihnen niemand mehr in diesem Land.

Meine Damen und Herren! Das lässt ja auch den Schluss zu, dass für Sie, weil Sie ja immer von Wirtschaftskompetenz, von Schwierigkeiten in der Wirtschaft, von Insol­venzraten und vom Niedergang der Post sprechen, dann, wenn es wirtschaftliche Probleme gibt, wenn es Insolvenzen gibt, nicht der insolvente Betrieb, der insolvente Mensch verantwortlich ist, sondern der Masseverwalter. Das kann es aber nicht sein!

Ich sage daher, meine Damen und Herren: Verkehrsminister Gorbach mit seinem Team hat trotz eingeschränkter Kompetenz die von der SPÖ beschädigte Post zu sanieren. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Prutsch: Das glauben Sie selber nicht!) – Meine Damen und Herren von der SPÖ! Herr Kollege Prutsch! Seien Sie dankbar dafür, dass sich diese Bundesregierung und der Verkehrsminister mit seinen Staatssekretären bereit erklärt haben, als Masseverwalter Ihrer insolventen Verkehrs- und Postpolitik tätig zu sein!

Gerade deshalb, weil es um die Sanierung geht – oder sagen wir es anders, nennen wir es „flächendeckende Versorgung des ländlichen Raumes“! –, gerade aus diesem Grund und dieser Überzeugung heraus, meine Damen und Herren, darf ich einen Entschließungsantrag einbringen, den ich Ihnen dann gerne auch zur Kenntnis bringe. (Bundesrat Konecny: Haben wir schon!)

Vielleicht, Herr Kollege Konecny, noch kurz eine Erklärung zu Ihrem Entschließungs­antrag: Wir können Ihrem Entschließungsantrag nicht zustimmen, erstens weil unser Antrag präziser auf die Kompetenz des Ministers hinweist, daher realistischer und umsetzbar ist, und zweitens weil Sie in Ihrem Entschließungsantrag eine Neufassung der Post-Universaldienstverordnung verlangen, wir aber eine Umsetzung der Post-Universaldienstverordnung 2002, also der vorhandenen Verordnung verlangen.

Ich darf daher, Frau Präsidentin, folgenden Entschließungsantrag zur Verlesung brin­gen (Vizepräsident Weiss – vom Präsidium aus –: Bitte, Herr Präsident! – Bundesrat Konecny: Hat sich halt geändert hinter Ihrem Rücken!):

Entschließungsantrag

der Bundesräte Weilharter, Bader, Kolleginnen und Kollegen betreffend die flächen­deckende Versorgung mit Postdienstleistungen


Bundesrat
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Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Rahmen seines Kompetenzbereiches dafür einzutreten, dass die sich aus der Post-Universal­dienstverordnung ergebenden Verpflichtungen betreffend „eine den Bedürfnissen der Kunden entsprechende, qualitativ hochwertige, flächendeckende und allgemein er­schwingliche Versorgung mit den im Rahmen des Universaldienstes zu erbringenden Postdienstleistungen“ durch die Österreichische Post AG tatsächlich eingehalten wer­den.

*****

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie ein, dem zuzustimmen. Ich lade im Besonderen die Opposition dazu ein – wenn Ihnen der ländliche Raum ein Anliegen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.53

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Weilharter, Bader, Kollegin­nen und Kollegen soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die flächen­deckende Versorgung mit Postdienstleistungen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Auer.

 


19.54

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Besonders Herr Kollege Weilharter! (Bun­desrat Weilharter: Bitte, Frau Kollegin!) Ich bin es wie viele andere mittlerweile auch leid, immer wieder darauf hingewiesen zu werden, was während unserer Regierungs­zeit passiert ist. (Bundesrat Weilharter: Das glaube ich gerne!) Sie vergessen, dass es da noch eine Partei gegeben hat, die mitbestimmt und mitgestimmt hat. Ich würde mich nicht immer so weit hinauslehnen und sagen, nur die SPÖ war schuld. Das könnte einmal ein Bumerang werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Bundesrat Mag. Gudenus: ... nichts zu reden gehabt!)

Jetzt, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, stehe ich als Vertreterin des Bundeslan­des Burgenland hier am Rednerpult und möchte doch noch einige Sätze zu den rigoro­sen Schließungen der Postämter in meinem Bundesland deponieren. (Zwischenbemer­kung von Staatssekretär Mag. Kukacka.) Dass es um die Universaldienstverordnung geht, wurde bereits ausreichend aufgezeigt, dass es aber in meinem Bundesland zur Schließung von insgesamt 20 Postämtern kommt, ist nicht nachvollziehbar, aber zumindest erklärbar.

Ich möchte es jetzt und hier auf den Punkt bringen. Der Herr Finanzminister fordert von der Post eine Sonderdividende. Die Post weiß sich nicht zu helfen und sieht als einzi­gen Ausweg, Geld einzusparen, die Schließung von Postämtern, um Kosten für die Institutionen, für die Bediensteten und für das Personal zu sparen, um Geld herbeizu­schaffen, damit diese Sonderdividende ausgeglichen werden kann.

Im Burgenland verlieren durch diese Postschließungen insgesamt 96 000 Personen den Kontakt mit der Außenwelt, 96 000 Personen sind betroffen und müssen einen Hürdenlauf starten, um die Dienste der Post in Anspruch nehmen zu können. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Sie haben es ja gut. Sie sitzen in Wien. Sie gehen vor die Haustür und haben ein Postamt vor sich. (Bundesrat Dr. Kühnel: Habe ich nicht!) Dann gehen Sie ein paar Schritte und rufen sich ein Taxi. Das ist leider bei uns in den kleinen Gemeinden nicht möglich. Diese sind sehr weit versprengt. Manche Menschen


Bundesrat
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müssen zum nächsten Postamt einen Anfahrtsweg von mindestens 15 bis 20 Kilometer in Kauf nehmen.

Das kann man – mein Kollege Schimböck hat das schon gesagt – älteren Personen und Pensionisten nicht zumuten. Man kann auch nicht verlangen, dass sie sich regel­recht bei Nacht und Nebel auf die Post begeben, um ihre Pensionen zu beheben. (Zwischenruf der Bundesrätin Gansterer.)

In der Universaldienstverordnung ist aber verankert, dass in jeder Gemeinde garantiert werden muss, dass ein Postdienst vorhanden ist. Das wird aber nicht aufrechterhalten werden, weshalb wieder ein Schritt zur Aushöhlung des ländlichen Raums gegeben ist. Das ist ein weiterer Schritt, um den ländlichen Raum vom anderen Umfeld abzugren­zen.

Der Burgenländische Landtag hat am 10. November 2004 – und jetzt würde ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten – einen einstimmigen Beschluss gefasst, in welchem steht, an die Bundesregierung und an den Bundesgesetzgeber mit der Forderung her­anzutreten, die Post-Universaldienstverordnung im Sinne der Zielsetzung zur Erhaltung der Postämter und damit der Sicherung einer flächendeckenden und qualitativen Versorgung auch der ländlichen Regionen mit Postdiensten im Burgenland zu ändern sowie mit der Post AG in Verhandlungen zu treten, um weitere Postamtschließungen zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Tage startet ein neuerlicher schwerwiegender Anschlag auf diesen ländlichen Raum. Obwohl in den Medien von den Verantwortlichen noch vernebelt wird, ist es uns allen längst klar: Es werden abermals zahlreiche Postämter in unseren Gemeinden zu­gesperrt, und das nicht nur in meinem Bundesland. Sie werden für immer zugesperrt!

Das schwächt natürlich die betroffenen Gemeinden, benachteiligt insbesondere ältere Menschen (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Kukacka) – nein – und kostet Arbeitsplätze im Burgenland. Und das, nachdem ohnehin in den vergangenen Jahren bereits rund 50 Postämter im Burgenland zugesperrt wurden und damit den burgenländischen Gemeinden massiv geschadet wurde. Diesen neuerlichen Anschlag auf die Gemeinden werden aber die dort lebenden Menschen sicher nicht kommentar­los hinnehmen. Sie werden lautstark dagegen auftreten. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Die Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Gemeinden werden in den kommenden Tagen gegen diese neuerliche und weitere Schwächung des ländlichen Raumes protestieren. Sie werden Resolutionen und Petitionen – jede Gemeinde einzeln – an den Präsidenten des Burgenländischen Landtages, aber auch an den Präsidenten des Nationalrates einbringen. Und sie werden vor den jeweiligen Postämtern zu einem Akti­onstag gegen diese Schließungen aufrufen, denn die burgenländischen Gemeinden – und ich glaube, ich kann auch sagen, alle anderen österreichischen Gemeinden – sagen nein zu diesem Kahlschlag der kommunalen Infrastruktur! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Noch in der letzten Woche – es ist uns allen in Erinnerung – hatte sich der zuständige Minister und Vizekanzler Gorbach in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage ahnungslos gestellt. Seine lapidare Aussage: Bei der Post fänden laufende Wirtschaft­lichkeitsüberprüfungen von Postämtern in allen Bundesländern statt. Dabei handle es sich um eine Maßnahme, die das Unternehmen eigenverantwortlich treffe und auf die er als Bundesminister keinen Einfluss habe. Er sagte weiters, dass er insofern auch keine Angaben zu konkreten Plänen der Österreichischen Post AG machen könne und dass ihm bis heute keine solchen Pläne bekannt geworden seien. – Womit wieder einmal bewiesen ist: Diese Regierung hat die Post offensichtlich schon aufgegeben! – Dabei hätte sie es in der Hand gehabt, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. (Bun-


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desrat Dr. Böhm: Die ist ausgegliedert! – Bundesrat Mag. Pehm: Aber Eigentümer ist die Regierung noch!)

Laut dem Vizekanzler soll das Postgesetz 2005 überhaupt eine Liberalisierung mit sich bringen. Jetzt werde kein Postamt geschlossen (Bundesrat Konecny: Hat er gesagt!), wenn nicht im Gegenzug eine akzeptierte, nachvollziehbare Alternative angeboten wird.

Nur: Eine Postersatzpartnerschaft zu übernehmen ist nicht so leicht, wie wir das im Burgenland erfahren haben. Es ist nämlich sehr schwierig, mit den Gegebenheiten der Post zurechtzukommen. Gemeindeämter oder Greißlereien, die diese Partnerschaft übernehmen, müssen Personen abstellen, müssen Personen aufnehmen, sie müssen sich – und das ist Tatsache – einen eigenen Computer anschaffen, sie müssen Gebühr abführen für die Online-Dienste der Post, die sie dann benützen können. Das ist Tatsache! Anhand des Beispiels einer Gemeinde kann ich hundertprozentig bestätigen, dass das so ist. (Bundesrat Mag. Pehm: Richtig! – Ruf bei der SPÖ: So schaut es aus!)

Es ist ein Nebenbei, das gemacht werden soll. Das ist aber nicht möglich: Es sind die Personen nicht ausgebildet. Auch wenn ich eine Halbtagskraft, wie das so schön heißt, oder eine Minderangestellte – nicht im Sinne des Wortes „minder“ – nehme, habe ich trotzdem dafür Sorge zu tragen, dass das Postamt 20 Stunden in der Woche geöffnet ist. (Abg. Schimböck: Das ist es!) Und das kann ich mit einer Kraft, die nur im Ausmaß von 20 Stunden angestellt ist und 20 Stunden die Postdienste versieht, nicht erledigen, denn diese Kraft hat genauso Anspruch auf Urlaub, diese Kraft kann krank werden, ich muss aber dafür Sorge tragen, dass die Institution Post trotzdem besetzt ist. – Das geht leider nicht! Es ist eine riesige Belastung für jeden Einzelnen, der damit befasst wird, es ist eine riesige Belastung für jede Gemeinde, und man kann nicht sagen, die Gemeinden können das nebenbei machen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konecny: Sehr richtig!)

Es ist trotz allem eine erhebliche Belastung für die Ortsbevölkerung, und es hat vor allem auch negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinden. Die Postämter spielen nämlich für die Ansiedlung von Betrieben eine große Rolle. Ich möchte da nur – und das ist sicher jedem ein Begriff – die Opernfestspiele im Römer­steinbruch in St. Margarethen als Beispiel anführen: Diese Opernfestspiele haben ihr Verkehrsbüro, ihr Ticketbüro in St. Margarethen. Von hier werden jährlich Tausende von Eintrittskarten eingeschrieben per Post versandt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bedienstete jetzt jedes Mal ungefähr 13 bis 15 Kilometer mit einem Pack Karten im Kofferraum fährt und diese in der nächsten Poststelle aufgibt und verschickt.

Zum Schluss möchte ich noch eines sagen – das liegt mir nämlich auch sehr im Magen, und ich würde Sie trotzdem gerne bitten, dass Sie auch da zuhören –: Obwohl im Burgenland, im Burgenländischen Landtag ein einstimmiger Beschluss betreffend die Verhinderung weiterer Postamtsschließungen gefasst wurde, haben die Abgeord­neten zum Nationalrat aus dem Burgenland, und zwar die der ÖVP angehörenden Abgeordneten des Nationalrates, diesen Beschluss einfach ignoriert und mit den Regierungsparteien gestimmt. (Bundesrat Mag. Pehm: Na geh! – Bundesrat Konecny: Da applaudieren wir nicht! – Bundesrat Kraml: Das ist eine Volksvertretung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

20.06

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl. Ich er­teile ihr das Wort.

 


20.06

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines haben Sie mir sicher voraus: Sie


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alle kennen schon die Liste der Postämter, die geschlossen werden. Ich kenne sie noch nicht (Bundesrat Kraml: Das ist ein Fehler von der Wirtschaftskammer! Da ist die Wirtschaftskammer „gut informiert“!), darum kann ich auch nicht so dezidiert auf die einzelnen Fälle eingehen. Aber ich habe mir hier die Post-Universaldienstverordnung angeschaut, und deshalb bin ich nicht so aufgeregt. Außerdem habe ich vor zwei Jahren die Postpartner in Niederösterreich verhandelt. In dieser Verordnung steht Fol­gendes:

„Ein Postamt darf nur geschlossen werden, wenn

1. die kostendeckende Führung des Postamtes auf Grund mangelnder Kundennach­frage dauerhaft ausgeschlossen und

2. die Erbringung des Universaldienstes durch eine Post-Geschäftsstelle oder durch Landzusteller (mobiles Postamt) gewährleistet ist.“

Also hier steht drinnen, dass eine Versorgung unserer Bevölkerung gegeben sein muss. (Bundesrat Kraml: Papier ist geduldig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es schon eingangs gesagt: Ich habe in den Jahren 2001/2002 mit den Vertretern der Post verhandelt, weil ja gerade Nieder­österreich von der Schließung der Postämter am meisten getroffen wurde. Wir haben derzeit 35 Postpartner in Niederösterreich. Es sind Nahversorger, die hier dieser Aufgabe nachkommen, und für mich als Vertreterin der Wirtschaft war es ganz einfach wichtig, dass ich nicht meine Mitglieder jetzt hineinhetze, Postpartner zu werden, als Postpartner Aufgaben zu übernehmen, durch die sie aber nur hohe Kosten haben und für die sie nichts kriegen. Man darf ja nicht vergessen: Ein Postamt wird ja nur dann geschlossen – genau so, wie es da steht –, wenn eben die Frequenz nicht gegeben ist! (Bundesrat Kraml: Es gibt eine Versorgungspflicht!) Jetzt frage ich mich: Wo sind die vielen Leute, die sich aufregen, wenn die Frequenz nicht da ist? – Bei uns war bei den Verhandlungen ganz einfach wichtig, dass wir schauen, dass unsere Postvertragspart­ner eine Mindestvergütung bekommen, und diese beträgt derzeit im Jahr 2 900 €.

Und da würde ich mich freuen – es wird ja jetzt gerade wieder verhandelt –, würde diese Mindestvergütung angehoben werden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man schaut, ob man nicht die EDV-Kosten ein bisschen senken kann. Bei der Einrichtung der Infrastruktur bei den Postpartnern ist es so, dass bis jetzt 60 Prozent die Post über­nommen hat und 40 Prozent das Land. Bei den jetzigen Verhandlungen sind wir so weit – ich glaube, das darf ich ausplaudern, die Verhandlungen werden nächste Woche abgeschlossen –, dass die Post 80 Prozent übernehmen wird, 20 Prozent das Land.

Herr Kollege Schimböck! 3 000 Namen von Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich österreichweit um eine Postpartnerschaft bewerben, liegen in der Wirtschaftskam­merorganisation auf. (Bundesrat Kraml: Das ist der Leitl-Schmäh!) Aber unsere Aufga­be ist es, einem jeden Unternehmer, einer jeden Unternehmerin, der/die sich bewirbt, zu sagen, zu überlegen, ob es sinnvoll ist, diese Postpartnerschaft zu übernehmen, ob dort überhaupt ein Bedarf gegeben ist. Und darum muss ich schon fragen, wenn ich eine Einrichtung habe: Bitte wer von uns zahlt denn das, wenn die Einrichtung ganz einfach nicht angenommen wird? – Das ist nun einmal ein Fakt. Und wir haben eben die mobile Zustellung. Also bitte vergessen Sie das nicht!

Frau Bundesrätin Lichtenecker hat gesagt, wir werden dann in den Orten verhängte Schaufenster und keine Post haben. (Bundesrat Kraml: Die haben wir eh schon!) – Mir als Vertreterin der Wirtschaft ist es wichtig, dass, wenn wir keine Post haben, weil es sich ganz einfach nicht „trägt“, weil es nicht angenommen wird, der letzte Nahversorger bleibt und dass der dann diese Aufgaben übernimmt und die Post ihm eben eine Min­destvergütung zukommen lässt. Wir verhandeln jetzt darüber, dass die Mindestvergü-


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tung etwas höher wird. Das ist dann im Sinne der Belebung der Orts- und Stadtkerne und der Belebung der Wirtschaft. – Ich glaube, wenn wir immer nur polemisieren und immer nur einer dem anderen die Schuld zuweist, dann bewegen wir in der Sache gar nichts.

Herr Schimböck! Ich muss Ihnen schon sagen: Zahlen, die wir in der Wirtschaftskam­merorganisation nennen, sind richtig! Wenn Sie der Meinung sind, dass die Zahlen nicht richtig sind, dann hätten Sie sich heute bei uns im Wirtschaftsparlament gemel­det. Es liegen 3 000 Namen von Unternehmerinnen und Unternehmern auf! (Bundesrat Kraml: Die wissen aber nicht, was auf sie zukommt!) – Doch, die wissen das sehr wohl, denn unsere Mitglieder werden ja nicht ins Nirwana geschickt, sondern unsere Mitglieder werden aufgeklärt! (Bundesrat Kraml: Das ist ja ein Märchen!) – Sie reden von etwas, wovon Sie nichts verstehen! (Bundesrat Kraml: Sie verstehen es ja!) Ich bin Vertreterin der Wirtschaft, und mir liegen meine Mitglieder wirklich am Herzen! (Bundesrat Kraml: Ich bin Mitglied der Wirtschaftskammer!) Kein einziger meiner Mitgliedsbetriebe ist „hineingeritten“ worden, keinem habe ich gesagt: Übernehmen Sie eine Postpartnerschaft!, wenn sie nichts trägt. (Bundesrat Kraml: Ich bin Mitglied der Wirtschaftskammer! Ich kenne die Wirtschaftskammer!) Das können Sie mir glauben! Ich habe in Niederösterreich 35, und die funktionieren auch! – Das müssen Sie uns erst einmal nachmachen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Was ist mit den anderen ...?)

Sie haben heute hier noch etwas gesagt, was ich als Vertreterin der Wirtschaft, und noch dazu als Vertreterin aus einem kleinen Betrieb, absolut nicht verstehe: Betreffend die Entgeltfortzahlung, Herr Bundesrat Schimböck, haben wir, die Wirtschaft, verlangt, dass diese wegkommt. Das waren 2,1 Prozent, und die wären auf 2,8 Prozent erhöht worden. Dazu haben wir gesagt, das ist eine zu hohe Belastung für die Wirtschaft.

Man hat aber dann gesehen, dass es gerade für die kleinen Betriebe ein Problem ist, wenn sie einen Langzeitkrankenstand haben. (Bundesrat Kraml: Vorher! Vorher sehen!) Wir haben es jetzt geschafft, dass wir ab dem elften Tag 50 Prozent Rückver­gütung bekommen, so wie bei Arbeits- und Freizeitunfällen. Das ist ein großer Erfolg (Bundesrat Kraml: Sie haben es vorher wegverhandelt!), bei uns freut sich die ganze Wirtschaft – und Sie machen alles, was wir machen, mies! (Beifall bei der ÖVP. – Bun­desrat Kraml: Sie haben es wegverhandelt! – Zwischenruf des Bundesrates Ko­necny.)

Herr Professor! Wissen Sie, was das mit der Post zu tun hat? – Weil Ihre Zahlen, die Sie hier nennen, ganz einfach nicht stimmen – Sie zweifeln unsere Erfolge an, Sie zweifeln unsere Erhebungen an –, deshalb muss man Ihnen ganz einfach sagen, was Fakt ist! (Beifall bei der ÖVP.)

20.13

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile ihr das Wort.

 


20.13

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod drzavni sekretar! Liebe Damen und Herren! Drage dame in gospodje! (Bundesrat Ing. Kampl: Hör auf! ... normal reden! – Heiterkeit bei Bundes­räten der ÖVP.)

Das ist das, was du, lieber Herr Kollege Kampl, früher gesagt hast: dass du dem Inhalt zwar zustimmen kannst, es kommt aber auf das Wie an. – Also bitte akzeptiere das auch in diesem Punkt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Konrad.) – Punkt eins.


Bundesrat
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Und Punkt zwei: Es gibt einen einstimmigen Präsidialbeschluss, dass ich das machen kann und darf.

Liebe Frau Vorrednerin! Wenn Sie gesagt haben, dass es eine Belebung sein soll, wenn Sie Leute entlassen, dann bin ich da nicht Ihrer Meinung. (Zwischenruf der Bun­desrätin Roth-Halvax.) Sie haben gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Wenn ich Leute entlasse, ist es eine Belebung. – Für mich ist das, wenn zum Beispiel ein Postamt geschlossen wird und dann praktisch die Arbeitskräfte minimiert werden, keine Belebung! (Bundesrätin Zwazl: Das Wort „entlassen“ habe ich nicht einmal in den Mund genommen! Wie kommen Sie darauf? – Sie haben mir nicht zugehört!)

Wenn Postämter geschlossen werden, dann kommt es auch dazu, dass Arbeitsplätze abgeschafft werden. Und ich glaube, wenn man Arbeitsplätze abschafft, dann ist das keine Belebung, sondern eine Wegrationalisierung der Arbeitsplätze. (Staatssekretär Mag. Kukacka: Dafür werden andere neu geschaffen!)

Dafür werden andere neu geschaffen, die im Grunde genommen schon existieren, zum Beispiel in den Geschäften. Die Geschäfte, so wie mein Kollege das vorhin gesagt hat, werden diese zusätzliche Arbeit annehmen, und das ist für mich keine Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen.

Herr Kollege Weilharter! Jetzt ist das Thema aktuell, nicht vor 20 oder 30 Jahren, und ich glaube, jetzt müssen wir aktiv sein. Und ich sehe das als meine politische Verant­wortung, dass ich jetzt aktiv werde.

Herr Kollege Kampl hat gesagt, Kärnten ist anders. – Ja, in einer Sache stimmt das schon (Heiterkeit des Bundesrates Molzbichler), aber das ist momentan sekundär. Er hat auch gesagt: Kärnten ist anders, und wir werden es euch zeigen! – Kärnten hat es uns schon gezeigt: Am 19. Oktober hat es im Kärntner Landtag eine Aktuelle Stunde gegeben, in der praktisch beschlossen wurde, dass man alles gegen eine Schließung von Postämtern tun sollte.

Es geht nicht, einen Inhalt davon abhängig zu machen, ob die Diskussion emotional verläuft – und nicht polemisierend, sondern emotional; und emotional deswegen, weil es mich auch berührt. Und ich versuche jetzt, ganz sachlich und ruhig zu sein, denn es geht hier auch um meine Gemeinde, wo – das ist, bitte, den Medien zu entnehmen – unser Postamt geschlossen wird. Und es liegt in meiner politischen Verantwortung als Bundesrätin, als Vertreterin von Kärnten, alles dagegen zu tun, dass Postämter ge­schlossen werden. (Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort. – Beifall bei der SPÖ.)

20.17

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.17

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Zum Kollegen Kampl Siegi – Siegi, ich würde dich bitten, dass du mir auch zuhörst –: Ich glaube, es ist jedem überlassen, seine Muttersprache auch hier zu verwenden. Und ich finde es eigentlich unfair von dir, der Kollegin Blatnik dagegen zu reden und zu sagen, dass sie das nicht in Slowenisch kundtun kann. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nein, das steht nicht ...!) Bitte, das muss ich schon einmal festhalten. Siegi, das ist normalerweise nicht dein Stil. Auch Slowenisch ist eine Kärntner Sprache – das möchte auch ich als Oberkärntner in diesem Raum einmal festhalten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Bieringer: ... nicht so! ... wird deutsch geredet! Das werden Sie auch zur Kenntnis nehmen müssen! Schön langsam reicht es mir! Wir sind ja nicht in Slowenien, wir sind in Wien! ... Deutsch!)


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Siegfried! Vor zwei Jahren wurden in Kärnten 54 Postämter geschlossen. Vor zwei Jahren hat der Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Haider, versprochen, es werde keine Schließungen mehr geben und er werde dafür sorgen und danach trachten, dass das nicht wieder vorkommt. – Jetzt stehen wir wieder vor dem Problem: 30 bis 40 Postämter in Kärnten stehen davor, geschlossen zu werden, und es weiß niemand, wie das aussieht. Am 30., hat Landeshauptmann Haider versprochen, wird mit den Betroffenen gesprochen, und gleichzeitig sollte meines Wissens – wie ich aus den Medien erfahren habe – von der Post mit den Dienststellenleitern der betreffenden Postämter auch gesprochen und Pläne vorgelegt werden. – Ich glaube, es ist zu spät. Man sollte vorher in dieser Richtung reagieren und tätig werden.

Ich hoffe, Siegi, du als Bürgermeister deiner Gemeinde wirst auch unserem Antrag zustimmen und mit uns mitgehen. (Bundesrat Boden: Bilde dir das nicht ein!) Es ist nicht Polemik, was wir betreiben, es ist Sorge um die ländliche Bevölkerung, die uns bewegt. Das möchte ich in diesem Raum einmal feststellen.

Ich will nicht, dass wir in zwei Jahren wieder dastehen und es überhaupt keine Post­ämter mehr gibt, sondern jeder zu Hause eine Brieftaube hat, mit der wir unsere Post befördern werden. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und ironische Heiterkeit des Bundesrates Ing. Kampl.)

20.19

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung erteile ich Frau Bundes­rätin Kerschbaum das Wort. Restredezeit: 13 Minuten. (Bundesrat Konecny: Voll ausschöpfen!)

 


20.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Nur eine ganz kurze Bemerkung zu Frau Kollegin Zwazl: Ich habe schon vorhin in meiner Rede gesagt, dass ich diese Postgeschäftsstellen gar nicht so schlecht finde. Es ist aber einfach wichtig, dass diese Leute auch Geld dafür bekommen (Bundesrätin Zwazl: Hab ich gesagt!), denn umsonst werden sie es nicht machen. (Bundesrätin Zwazl: Kriegen sie ja!) – Genau dasselbe, was du zuerst gesagt hast.

Es ist aber jetzt so: Wenn die Rede davon ist, dass 400 Poststellen geschlossen werden sollen, dann werden nicht alle 400 Poststellen von einem Postgeschäftspartner übernommen werden, sondern es gibt ja auch noch die Möglichkeit eines Landzustel­lers. Das ist aber dann vielleicht für die Region doch nicht mehr so etwas Tolles und Bequemes, wie wenn ein regionaler Greißler unterstützt wird, indem er die Poststelle auch noch hineinnehmen kann.

Ich denke, das sind schon zwei unterschiedliche Dinge, und du kannst nicht sagen ... (Bundesrätin Zwazl: Aber wenn keine Frequenz da ist!) – Es müssen zwei Vorausset­zungen erfüllt sein. Wenn keine Frequenz da ist, dann muss doch die öffentliche Hand dafür zuständig sein, dass die Leute zu ihren Briefen und zu ihren Paketen kommen. – Das ist meine Meinung. (Bundesrätin Zwazl: Aber Frequenz heißt ja, dass eine Post da ist! Und wenn keine Frequenz da ist, ist keine Post da!) – Wenn keine Frequenz und keine Post da ist, dann kann man das wahrscheinlich auch keinem Greißler umhängen. Wenn keine Frequenz und keine Post da ist, dann muss wahrscheinlich die öffentliche Hand dafür sorgen, dass man irgendwie zu seinen Briefen kommt. – Das ist meine Ansicht. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

20.21

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Winter. – Bitte.

 


20.21

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich


Bundesrat
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715. Sitzung / Seite 178

komme aus einem Bezirk, der sehr betroffen ist – betroffen in vielen Gemeinden. Wir mussten in der letzten Zeit – im Jahr 2002 – die Schließung von zwölf Postämtern mit­machen. Heute haben wir noch zehn, und es werden uns nach der nächsten Schlie­ßungswelle noch sechs übrig bleiben.

Der Herr Minister wusste laut einer APA-Meldung vor einer Woche noch gar nicht, dass überhaupt Postämter geschlossen werden. Einen Tag später sagte uns der Herr Minister, er werde der Post nicht im Wege stehen. – Herr Staatssekretär! Ich würde Sie wirklich bitten, sich die letzte Ausgabe der „NÖN“ des Waldviertels anzuschauen – ich gebe Ihnen eine kleine Unterlage mit –, denn darin wurde uns eine Antwort auf jene Frage gegeben, die Sie uns heute nicht beantworten können. Sie wissen ja noch heute nicht, wie viele Postämter geschlossen werden. – Die „NÖN“ weiß es und hat es in dieser Ausgabe auch mit Zahlen untermauert.

Ein abschließender Satz noch zu Herrn Kollegen Kampl: Ich möchte zu dem Antrag, den ihr in eurer Gemeinde gestellt habt, wirklich sehr herzlich gratulieren. Ich wünsche Ihnen auch viel Erfolg und viel Glück bei Minister Gorbach und seinen Ministerkollegen, denn würde dieser Antrag angenommen, dann würden allein in unserem Bezirk in nächster Zeit zehn Postämteröffnungen anstehen, und ich würde Sie gerne als Fest­redner dazu einladen. – Ich hoffe, es wird uns gelingen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

20.23

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ein weiterer Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.23

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Pane president! Pane státní sekretář! Vážené dámyd! Váženi pánové! – Um solcherart meine Solidarität zu bekunden! (Beifall bei der SPÖ.) Auf Deutsch: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! (Bundesrat Bieringer: Sehr witzig! – Bundesrätin Roth-Halvax: Aber mehr können Sie auch nicht! Ist das die Muttersprache? – Ruf bei der ÖVP: Er blufft! ... das auf Tschechisch! – Der Redner begibt sich zu Staatssekretär Mag. Kukacka an die Regierungsbank und wechselt einige Worte mit ihm.)

Der Herr Staatssekretär hat mich mit Recht kritisiert. Ich werde es aber außerhalb des Protokolls zum Besten geben, was ich ihm jetzt gesagt habe. Ich gebe zu, dass die zweite Anrede tschechisch nicht korrekt war, aber das hätte zu Missverständnissen führen können.

Wir führen eine lange Debatte, und es ist eines klar – und das will ich auch niemandem absprechen, den Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft nicht und auch nicht den Bürgermeistern, welcher Couleurs auch immer: Es ist uns allen bewusst, dass die Sperre von Postversorgungsmöglichkeiten – ich sage es einmal so neutral – für eine Gemeinde einen schweren Schlag darstellt.

Wir haben es in der Praxis erlebt. – Ich sage das überhaupt nicht polemisch, Frau Kollegin Zwazl! Ich verstehe doch, das ist Ihre Obsorgepflicht, dass Sie niemanden in eine Partnerschaft hineinhetzen wollen, wie Sie gesagt haben, die ökonomisch für ihn nicht vertretbar ist. Der private Unternehmer unterliegt also mit Sicherheit nicht einer Versorgungspflicht in dem Sinn. Er macht es, weil er seine Geschäftsbasis verbreitert, weil er vielleicht sein Personal besser auslastet, und weil er Geld verdient. – Und das ist völlig legitim; das ist das Wesen der privaten Wirtschaft.

Wir sind uns aber offensichtlich dort nicht einig – und das bedaure ich sehr –, wo es letztlich um die Ursachen und um die notwendigen Schritte geht. Lassen Sie mich zwei Sätze zu den Ursachen sagen: Sehen Sie, das ist eben der Pferdefuß einer Politik, die


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öffentliche Versorgungsleistungen, auch wenn sie formell im Staatsbesitz bleiben, fak­tisch privatisiert. Es ist zweifelsfrei richtig, dass in manchen Postämtern – ob die Zah­len jetzt stimmen, das wird vom Ressort zu überprüfen sein – betriebswirtschaftlich ein Defizit eintritt.

Die Frage ist, ob dieses betriebswirtschaftliche Defizit nicht vielleicht so viel gesell­schaftlichen Nutzen stiftet, dass es – in welcher Form auch immer – abzudecken ist, auch durch andere Konstruktionen. Mir ist nämlich ein Aspekt in der Debatte ein biss­chen zu wenig beleuchtet worden, dass natürlich – und das gilt für die Nahversorgung, das gilt für das Angebot an Restaurants, an Postämtern und an Gendarmerieposten – für den gehobenen Durchschnittsbürger, der sich halt in sein Auto setzt und zur Gendarmerie, zur Post oder zum Supermarkt fährt, alles irgendwie bewältigbar ist – mit Schwierigkeiten, aber bewältigbar.

Es gibt aber in diesem ländlichen Raum eine gar nicht so kleine Bevölkerungsgruppe, die über kein eigenes Fahrzeug verfügt oder es aus Altersgründen nicht mehr fahren kann, die bisher auf eine Postbusversorgung angewiesen war, die es nicht mehr gibt oder demnächst nicht mehr geben wird, um Dienststellen oder Angebote zu erreichen, die im Ort nicht mehr vorhanden sind.

Diese soziale Komponente, dass grosso modo ein Fünftel der Bevölkerung des länd­lichen Raumes zumindest Probleme hat, auch bessere, aber außerhalb des Ortskerns liegende Angebote wahrzunehmen, können wir nicht mit einer Handbewegung weg­wischen. Das ist ein schweres strukturelles Problem, und das müssen wir vorrangig adressieren.

Ich sage – gar nicht in polemischer Absicht, aber es wird sicher einen Aufschrei ge­ben –: Jene, die sich über Jahrzehnte hinweg als die Anwälte des ländlichen Raumes angesehen und präsentiert haben, haben diesen Problemen zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet. Sie haben mit ein paar Protestresolutionen oder auch nur mit Grummeln das Ausdünnen der Ortskerne zur Kenntnis genommen ohne gegenzusteuern, und ich sage sehr offen: Ich verstehe die Aufregung der ÖVP. Es ist tatsächlich an der Zeit, dass das Machtmonopol der ÖVP im ländlichen Raum, das dem ländlichen Raum nicht gut getan hat, herausgefordert wird. (Bundesrat Bieringer: Ha, ha, ha!)

Ich weiß nicht, ob wir erfolgreich sind, aber wir wollen es ernsthaft, mit Nachdruck und aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Menschen dort zumindest probieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich füge hinzu, dass es ein ganz zentrales Element eines Landes sein muss, dass es so etwas wie Solidarität gibt. (Bundesrat Ing. Kampl: Wie in Kärnten!) – Auch in Kärn­ten, aber wenn Sie es mir gestatten, ich sage es als Wiener: Ich habe mich auch deshalb zu Wort gemeldet – und es ist nicht die erste Debatte dieser Art, in der ich das tue –, weil ich in einem Raum lebe – im 8. Bezirk, dreimal ums Eck von hier –, wo na­türlich die Versorgung mit was auch immer eine noch immer hervorragende ist. Sollte – ich habe keine Ahnung, wie die Ertragslage dieser Filiale ist – die Post, die ich in eineinhalb Minuten erreiche, gesperrt werden, so ist die, die ich in elf Minuten zu Fuß erreiche – und wenn ich älter sein werde, werde ich auch nur 20 Minuten brauchen –, immer noch bedürfnisgerecht.

Aber gerade deshalb sage ich: Wenn wir die grundlegende Forderung, dass es an­nähernd gleiche Lebenschancen in allen Teilen unseres Landes geben soll, ernst nehmen, dann haben wir zu fordern, dass die Menschen aus dem städtischen Raum – und auch aus dem Kärntner städtischen Raum – (Bundesrat Ing. Kampl: Bevorzugt!) zu einer massiven Solidarität mit dem ländlichen Raum verpflichtet sind. Das gilt in vielfacher Hinsicht, und ich bitte, unser Engagement auch so zu verstehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Wolfinger: ... Finanzausgleich!)


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Eine letzte Bemerkung: Der Kollege Weilharter hat namens der Regierungsfraktionen einen Entschließungsantrag eingebracht. In der Zwischenkriegszeit hat der bekannte tschechische Satiriker Karel Čapek eine Partei gegründet, der er den schönen Titel gegeben hat: Partei für den begrenzten Fortschritt im Rahmen der Gesetze.

Ich habe nicht gewusst, dass diese Partei noch heute besteht oder auch im österrei­chischen Bundesrat vertreten ist und Anträge stellen kann. Das ist ein typischer Antrag dieses begrenzten Fortschritts im Rahmen der Gesetze. Nun sind wir Sozialdemo­kraten selbstverständlich der Meinung, dass Gesetze – beziehungsweise in diesem Fall die Universaldienstverordnung – einzuhalten sind.

Es würde unserem Moralempfinden widersprechen, gegen einen Antrag zu stimmen, der ein gesetzeskonformes Verhalten der Post AG verlangt. Wir werden daher diesem Antrag selbstverständlich zustimmen, auch wenn wir meinen, dass er auf einem Bein daherkommt.

Selbst der Herr Staatssekretär hat in seinem Bericht über die Pläne des Herrn Bundes­ministers gemeint, man arbeite an einer neuen, schärferen Fassung der Universal­dienstverordnung. Sehen Sie, und genau das ist es, was wir in unserem Entschlie­ßungsantrag verlangen. Ich verkünde Ihnen mit großer Freude, dass wir diesem Antrag gerne zustimmen werden. Nun sind wir nicht auf dem politischen Jahrmarkt, aber ich würde mich freuen, wenn Sie das wechselweise auch tun könnten. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.33

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun der Herr Staatssekretär. – Bitte.

 


20.33

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ganz kurz einige Klarstellungen: Ich habe Verständnis dafür, dass bei diesem Thema natür­lich auch versucht wird, Schuldzuweisungen vorzunehmen, Emotionen zu schüren und Verunsicherung zu verbreiten. Ich sage Ihnen aber: Lassen wir die Kirche im Dorf (Bundesrat Konecny: Um die geht es ja heute nicht!) und versuchen wir nicht, den wirtschaftlichen Sachverstand völlig auszuschalten. (Bundesrätin Bachner: Solange wir sie nicht zusperren! – Bundesrat Molzbichler: Solange wir nicht die Kirche zusper­ren!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege Molzbichler! Zwischenrufe sind nur vom Platz aus gestattet.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka (fortsetzend): Ich habe allerdings wirklich manchmal den Ein­druck, dass zentrales Motto ihrer Argumentation ist, den wirtschaftlichen Sachverstand auszuschalten und die politische und gesellschaftliche Realität nicht zur Kenntnis neh­men zu wollen.

Haben Sie denn noch nicht bemerkt, dass sich die Struktur der Postdienstleistungen in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert hat, dass wir heute nicht mehr so wie in den fünfziger und sechziger Jahren von Postämtern und Postdienstleistungen reden können? Wissen Sie denn nicht, dass 70 oder 80 Prozent des Geschäftsverkehrs heute zum Beispiel über E-Mail durchgeführt werden und der Großteil dieser Leistun­gen bei der Post längst weggefallen ist? (Bundesrat Molzbichler: Auch die Pakete?)

Wissen Sie denn nicht, dass wir in der Paketzulieferung und -auslieferung den Markt längst liberalisiert haben und in diesem Bereich auch in Österreich große internationale Konzerne auf dem Markt sind? Haben Sie nicht realisiert, dass auch in Österreich auf


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dem Briefsektor bis 100 Gramm schon alles liberalisiert ist und jeder andere Briefzu­steller und Briefbeförderer und Dienstleister diese Dienste auch anbieten kann?

Wissen Sie nicht, dass ab dem Jahr 2006 diese Grenze auf Briefe bis 50 Gramm heruntergesetzt wird und damit wieder ein wichtiger Monopolbereich der Post wegfällt, der dem privaten Markt geöffnet wurde? Ja haben Sie denn das nicht verstanden und begriffen? (Bundesrat Stadler: ... Zusperren von den Postämtern! – Bundesrat Molz­bichler: Er ist dafür!)

Wissen Sie denn nicht, dass die Umsätze in den meisten Postämtern dramatisch zurückgegangen sind und dass in sehr vielen Postämtern die Kosten, die auf Grund dieser Filiale entstehen, nicht einmal durch den Umsatz, geschweige denn durch den Ertrag aufgewogen werden? – Da fehlt es Ihnen doch an wirtschaftlichem Grundver­ständnis, meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, die Post könne so aufrechter­halten bleiben, wie sie in den fünfziger und sechziger Jahren gestaltet war! (Bundesrat Kraml: Keine Briefe mehr!)

Da verschließen Sie doch die Augen vor der gesellschaftlichen Realität, meine Damen und Herren! Da leben Sie hinter dem Mond! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Bundesrat Boden: Es geht um die Grundversorgung! – Bundesrat Konecny: Also sperren wir sie ganz zu! – Bundesrat Stadler: Das war ein Bekenntnis zur Zerstö­rung der Post!)

Herr Kollege! Wissen Sie nicht, dass der Großteil der EU-Länder bei der Liberalisie­rung um vieles weiter ist als Österreich? (Bundesrat Konecny: Funktionieren tut die ehemals staatliche Post!) Wissen Sie nicht, dass Schweden und Finnland bereits 1994 ihre Postmärkte vollständig liberalisiert haben und dass Deutschland, die Niederlande und Norwegen mit 1. Jänner 2007 keinen Bereich mehr vom Wettbewerb ausneh­men?

Das ist doch die Realität! Darauf muss sich doch um Gottes Willen die Post einstellen! Sie wird ja international konkurrenziert, gerade auf ihrem ureigensten Gebiet. (Bundes­rat Kraml: Dann muss sie zusperren?! – Bundesrat Stadler: Dann sperren wir zu?!) Deshalb müssen wir alles dazu tun, dass die Post AG eben kein Konsumschicksal erleidet, keine Pleite, meine Damen und Herren! (Bundesrat Mag. Pehm: Keine Pole­mik von der Regierungsbank aus, Herr Staatssekretär! – Bundesrat Bieringer – in Richtung der SPÖ –: Die Wahrheit ist schwer zu ertragen!)

Meine Damen und Herren! Das ist das Thema. (Bundesrat Kraml: Diese Meinung wäre in der Gemeinde ...! Das ist eine sehr wichtige Aussage von Ihnen!) Deshalb müssen wir hier eine vernünftige Politik machen und versuchen, auf der einen Seite die ländliche Grundversorgung sicherzustellen, aber auf der anderen Seite auch den wirtschaftlichen Notwendigkeiten dieser Liberalisierung zu entsprechen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie können sich nicht einfach abputzen. Die SPÖ, Sie waren auch Vorreiter und Befürworter dieser Europäischen Union und des liberalisierten und freien Marktes, der in diesem Zusammenhang auch auf uns zuge­kommen ist. Sie können heute nicht alle für die EU gewesen sein und groß den freien Markt gepredigt haben, aber mit möglichen Konsequenzen und Auswirkungen dann nichts zu tun haben wollen. (Bundesrat Konecny: Stimmt doch nicht!) Das geht nicht! Das ist doppelbödig, meine Damen und Herren, und diese Doppelmoral wird von der Bevölkerung auch erkannt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Stadler: Eure Doppelbödigkeit!)

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass wir hier eine vernünftige Lö­sung zustande bringen werden. Es werden keine Postämter geschlossen werden, ohne dass eine ausreichende Grundversorgung für die Bevölkerung bestehen bleiben wird.


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Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum sich da am Filialnetz nichts ändern soll, wenn gleichzeitig auf der anderen Seite durch entsprechende Landzusteller, durch Postpartner, durch Postservicestellen, durch Postabholstellen, durch mobile Postämter ein entsprechender Ersatz geboten wird.

Es geht doch nicht darum, dass jedes Postamt auf alle Fälle erhalten werden muss. Es kann doch nur darum gehen, dass eine hohe Qualität der Postdienstleistungen für die Bevölkerung auch im ländlichen Raum erhalten bleiben soll. Das ist die Politik der Regierung, und die werden wir auch durchsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)

20.39

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Zu einer zweiten Wortmeldung, Herr Bundesrat Binna. – Bitte sehr.

 


20.40

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Kollege! Herr Staatssekretär! Wir von der SPÖ-Fraktion lassen es uns sicher nicht gefallen, dass Sie uns hier ins Gesicht sagen, wir leben am Mond (Bundesrätin Bachner: Hinterm Mond!) oder hinterm Mond. Das möchte ich einmal klarstellen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn es ums Monopol der Post geht: In diesem Saal wurde am 23. Juli 2003 das neue Postgesetz beschlossen. Da wurde der Post das Monopol, 100-Gramm-Briefe auszu­tragen, weggenommen, und mit 01. Jänner 2006 sind es nur noch 50-Gramm-Briefe. Dieses Monopol haben Sie den Privatwirtschaftlichen zugeschanzt, und die Briefträger können es nicht mehr machen. Das möchte ich hier klar feststellen.

Zur Schließung der Postämter noch Folgendes: Es gibt ein Pilotprojekt, wonach in Zu­kunft dort, wo wir jetzt in der zweiten Phase die Postämter schließen, ein so genanntes fliegendes Postamt hinkommt. Das heißt, es kommt ein Postbus, und der wird eine Stunde oder zwei Stunden dort verweilen, um die flächendeckende Versorgung mit Postdienst zu gewährleisten.

Dritter Punkt: In diesem Postgesetz – wie gesagt, am 23. Juli 2003 hier beschlossen – ist festgehalten, dass mit 1. Jänner 2006 neue Hausbrieffachanlagen installiert werden. Diese Hausbrieffachanlagen müssen so installiert werden, dass sie von der öffent­lichen Verkehrsfläche erreichbar sind. (Bundesrat Boden: Das schau’ ich mir an! – Zwischenruf des Abg. Bieringer.)

Herr Klubobmann, danke! Ich bin neugierig darauf, wie das funktioniert. Denn bis jetzt ist es innerhalb – und ich habe vor einem Jahr schon dazu gesprochen –, und bis jetzt hat der Briefträger einen Schlüssel gehabt, ist bei der Haustüre hineingegangen und hat die Briefkästen aufgemacht. Jetzt kann jeder Private dort seine Post hineinwerfen. Was das für Zukunftsaussichten sind für unsere Bevölkerung, die Post bekommt, dar­auf bin ich neugierig! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.42

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch eine Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die eingebrachten Entschließungsanträge in der Reihenfolge ihres Einbringens.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Schimböck, Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kol­legen auf Fassung einer Entschließung betreffend Sicherstellung der flächendecken­den Versorgung der Bevölkerung und der österreichischen Unternehmungen mit Post-Dienstleistungen vor.


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Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. (Rufe bei der SPÖ in Richtung des Bundesrates Ing. Kampl: Siegi!) – Das ist die Stimmenminder­heit. Der Antrag ist nicht angenommen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Weilharter, Bader, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen vor.

Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen. (E 190-BR/04.)

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wie­der auf.

Wir setzen bei Tagesordnungspunkt 7: Budgetbegleitgesetz 2005, fort.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Wimmler. Ich erteile ihr das Wort.

 


20.43

Bundesrätin Herta Wimmler (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte jetzt noch jene Damen und Herren begrüßen, die heute aus dem Ministerium noch da sind, weil es heute ihr Tag ist. (Unruhe im Saal.)

Es ist natürlich schlecht, nach einer so langen Unterbrechung eine Debatte weiterzu­führen. Trotzdem bin ich froh, dass ich einen Punkt dieser Regierungsvorlage von einer anderen Sicht beleuchten darf, nämlich das Pflegegeld, das mit 1. Jänner 2005 um 2 Prozent erhöht wird; dies geschieht seit 1995 erstmals. Es gab inzwischen im Jahr 2003 in Kärnten eine Erhöhung um 2 Prozent.

Die Erhöhung und eine weitere Valorisierung in den nächsten vier Jahren war nicht nur eine Forderung von Interessenvertretungen pflegebedürftiger Menschen, sondern auch wichtig für jene, die pflegen. Die Qualität von Pflegeplätzen in Heimen, die Qualität des Pflegepersonals und zu Hause muss ständig steigen, und das kostet Geld und wird uns in Zukunft noch viel mehr kosten.

Die Sicherungssysteme in Europa sind sehr unterschiedlich. Herr Kollege Gudenus hat heute schon einmal angesprochen, wie es in Deutschland mit der Pflegeversicherung aussieht. Ich möchte dieses System hier in Österreich nicht haben, denn ich bin der Meinung, dass bei uns jeder pflegebedürftige Mensch ein Recht auf Pflege hat – und nicht nur der, der eine Versicherung hat.

Ich möchte noch erwähnen, dass in Dänemark, Finnland und Schweden jede Person, die auf Grund von Alter, Behinderung und Invalidität Langzeitbetreuung benötigt, einen Anspruch auf soziale und gesundheitliche Fürsorgeleistungen hat. In den Niederlanden ist das Risiko der Pflegebedürftigkeit in der allgemeinen Krankenversicherung abge­deckt. Deutschland habe ich schon erwähnt. In Luxemburg gibt es ähnliche Systeme der Pflegeversicherung. In Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich wird bei Pflege­bedürftigkeit sowohl von beitragsabhängigen Systemen als auch von Fürsorgesys­temen Pflege gewährt.


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Außerdem gibt es zum Beispiel in Griechenland, Spanien und Italien zusätzlich spe­zielle Programme auf lokaler und regionaler Ebene. In England und Irland gibt es beitragsunabhängige Systeme, wobei das System in Irland einkommensabhängig ist.

Ich möchte nun zu sprechen kommen auf jene Pflegefälle, wo privat betreut wird. Dazu muss man feststellen, dass es vor allem Frauen sind, die diese Arbeit leisten, Frauen, die ihren Eltern, ihren Verwandten damit die Möglichkeit geben, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können.

Erwähnenswert ist auch, dass zum Beispiel in der Steiermark allein im November 9 520 Personen Landespflegegeld bekommen und kein Bundespflegegeld, weil sie keine Pension haben. Das sind, abgesehen von einer kleineren Anzahl von Männern, die nach einer Invalidität zum Beispiel auf ihre Pension warten, überwiegend Frauen, und das macht allein im November einen Betrag von 4 311 868 € aus.

Ich bin unserer Regierung dankbar dafür, dass Frauen bei der Erziehung ihrer Kinder nur noch sieben Jahre im Arbeitsleben brauchen, um überhaupt eine Pension zu erhal­ten.

Dazu das Beispiel einer Frau, die jetzt allerdings schon im Pensionsalter wäre, die nach einem Handelsschulabschluss sieben Jahre gearbeitet hat, sechs Kinder aufge­zogen hat – alle mit Matura beziehungsweise Universitätsstudium –; der Gatte war ein einfacher Postangestellter; und nebenbei hat diese Frau noch ihre Mutter gepflegt.

Das Selbstwertgefühl ist wichtig auch für Frauen, deren Arbeit das Erziehen der Kinder ist, und auch das Pflegen der Mutter ist eine wichtige Leistung in unserer Gesellschaft.

Nach dem neuen System dieser Regierung hätte sie einen, wenn auch kleinen, Pensi­onsanspruch. Sie ist aber außerdem „gestraft“, denn während der Erziehung der Kinder konnte sie sich nicht weiterbilden. Nun, im Alter, möchte sie zum Beispiel einen Englischkurs besuchen. Der kostet an der Volkshochschule für eine Frau, die eben nicht im Berufsleben steht, 90 €.

Ich habe lange genug in der Gewerkschaft mitgearbeitet und bin auch noch Mitglied der Gewerkschaft. Wenn ich auch heute in den Zeitungen lese, wie sehr die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder schrumpft, muss ich sagen: Ich bin stolz darauf, dass ich mit­gearbeitet habe und dass ich auch immer noch Mitglied bin! Ich weiß auch, wovon ich rede, wenn ich sage, dass Sie, die Sozialdemokraten, sich immer nur für Ihre Klientel eingesetzt haben, für die Berufstätigen, die im ÖGB und Ihrer Partei gut organisiert waren und wo Sie nach dem Motto „Von der Wiege bis zur Bahre“ Abhängigkeitsver­hältnisse aufgebaut haben.

Diese Regierung tut viel für Frauen und Familie – und das können Sie trotz pausen­loser Unkenrufe nicht wegdiskutieren! Bitte machen Sie unser Heimatland und unsere Arbeit in unserem Heimatland nicht mies! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.50

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.50

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wenn wir heute über die gesamte Thematik der Budgetbegleitgesetze sprechen, müssen wir schon auch dazu­sagen, dass es in diesem Zusammenhang viele Verbesserungen gibt, die hier sehr wohl erwähnt werden sollen. So zum Beispiel ist die Bundessportförderung von 30 auf 40 Millionen € ausgeweitet worden; die Besondere Sportförderung kommt dem Öster-


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reichischen Olympischen Comité sowie dem Österreichischen Fußballverband beson­ders zugute. (Vizepräsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Die Zusammenführung aller Finanzverfahren in einem Budgetbegleitbericht, damit eben die Nachvollziehbarkeit eines Budgetweges möglich ist, ist hier gleichfalls zu erwähnen; ebenso die Nachvollziehbarkeit aller wirtschaftlichen Daten, die in diesem Budgetbericht enthalten sein werden, sodass sozusagen der gesamte Kreislauf der tatsächlichen Budgetanwendung klar nachvollziehbar ist.

Gleichfalls muss erwähnt werden, dass es beim Arbeitsmarkt unser wesentliches Ziel ist, schwerpunktmäßige Verbesserung herbeizuführen, ebenso, dass finanzielle Rück­lagen zur Aktivierung des Arbeitsmarktes verwendet werden. Anführen möchte ich hier gleichfalls die Kostendeckung von Leistungen im Zusammenhang mit der Arbeits­marktbelastung, die Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen, und zwar auch in internationalen Konzernen; ebenso: Kostenwahrheit bei und Finanzierung der Kranken­versicherung.

Was den Justizbereich betrifft, so sei hier angeführt: Tagsätze für Geldtransfers, Anpassung der Ordnungsstrafen und so weiter. – Im Zivilluftfahrtbereich sind Kon­trollen sämtlicher Personen, also bei Gästen und Personal, notwendig. Der Terror ist international enorm im Wachsen begriffen; eventuelle negative Folgen daraus für das Luftfahrtunternehmen, aber auch für die wenigen Arbeitsplätze könnten sich kata­strophal auswirken.

Im Zusammenhang mit dem Waffengesetz möchte ich auf die Erleichterungen für Schützengarden, die es in Kärnten, Salzburg und Tirol gibt, hinweisen, wenn sie bei­spielsweise einen Nachbarschaftsbesuch abstatten. Ebenso sei hingewiesen auf die Erleichterungen im Zusammenhang mit internationalen Sportschützen sowie internatio­nalen Jagdeinladungen. Voraussetzung ist jedoch auch da ganz selbstverständlich ein Europäischer Waffenpass.

All das, meine Damen und Herren, sind Verbesserungen, die schon allein auf Grund des größeren und gemeinsamen Europa notwendig sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ausstehende Reformen, deren Durchführung in den letzten Jahrzehnten versäumt wurde, müssen nachgeholt und bewerkstelligt werden, daher: Pensionsreform, Kindergeld und Steuerreform. 3 Milliarden € daraus werden sehr wohl zu einer Konjunkturbelebung beitragen. Über 3 Milliarden € kommen also ab 1. Jänner 2005 fast allen Österreicherinnen und Österreichern zugute. Für 2,6 Millio­nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heißt das: 990 Millionen €, für 1,5 Millionen Pensionistinnen und Pensionisten 450 Millionen €. Für 900 000 Alleinverdienerinnen, davon 100 000 Alleinerzieherinnen, heißt das: 230 Millionen €, die diesen zugute kommen; für 680 Pendlerinnen und Pendler sind 20 Millionen € vorgesehen, für 130 000 Bauern 50 Millionen €, eine Rückvergütung bei Treibstoff, für rund 100 000 Einzelunternehmen und Personengesellschaften: 400 Millionen €; für rund 100 000 GesmbHs und AGs: 1,1 Milliarden €.

Herr Bundesrat Hofrat Schennach, es ist oft sehr leicht ... (Rufe: Was, Hofrat ist er schon? Oh!) Herr Hofrat Schennach, es ist sehr leicht, alles zu kritisieren. (Bundesrat Schennach: Das mit dem Hofrat stimmt leider nicht! Ich bin leider kein Begünstigter des Pensionssystems!) Ich darf Ihnen versichern, Herr Kollege Schennach: Wir werden diese unsere Politik fortsetzen, und zwar im Interesse der Österreicher und Österrei­cherinnen! (Ruf: Das ist eine Drohung!)

Ich bin sehr froh darüber, sehr geehrte Damen und Herren, dass es für die kleinen Gemeinden ... (Bundesrat Schennach: Da muss ich eine Berichtigung machen! Dieser Titel gebührt mir nicht!) Vielleicht gibt es mehrere Schennachs; wir werden ja sehen.


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(Heiterkeit.) – Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, sehr geehrte Damen und Herren, dass es bei diesem Finanzausgleich möglich war, für kleine Gemeinden die finanziellen Mittel von 1,1 auf 1,5 Prozent des BIP anzuheben, was nunmehr das erste Mal, seit es einen Finanzausgleich gibt, also seit dem Jahre 1948, möglich geworden ist.

Wenn Sie, sehr geehrter und sehr geschätzter Herr Professor Konecny, meinen, es sollten alle in Österreich die gleichen Voraussetzungen haben, dann kann ich Ihnen nur sagen: Da hätten Sie ein Betätigungsfeld und eine Aufgabe, deren Gelingen wir Ihnen sehr hoch anrechnen und wofür Sie sicherlich von den österreichischen Gemein­den eine Ehrentafel erhalten würden. Dass es für jeden Österreicher/jede Österreiche­rin die gleichen Voraussetzungen gibt, das ist einfach nicht möglich! Überall legt sich doch der Wiener Bürgermeister Häupl quer! Wenn beispielsweise wir in den ländlichen Gemeinden verlangen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger gleich viel an Finanzaus­gleich wie die Bürgerinnen und Bürger in Wien, nämlich das Doppelte, erhalten, dann haben wir mit dem Wiener Bürgermeister die größten Probleme! Immer wieder ist das so. (Bundesrat Schennach: Das sind unterschiedliche Aufgaben! – Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Sehr geschätzter Herr Professor, ich würde Sie bitten, einmal Herrn Bürgermeister Häupl diesbezüglich Unterricht zu geben und ihm zu erklären, dass es in einem Staat allen Bürgerinnen und Bürgern gleich gut gehen soll – und es nicht solche und solche geben darf! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

20.57

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident Jürgen Weiss. – Bitte.

 


20.57

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesbudget zählt bekanntlich nicht zu den Beratungsgegenständen des Bundesrates; im Rahmen der für seine Umsetzung regelmäßig notwendigen Gesetze spielt es aber indirekt auch in unsere Beratungen hinein.

Die Budgetbegleitgesetze sind der Natur der Sache nach in der Regel so genannte Sammelnovellen, wie sie nach den legistischen Richtlinien des Bundes bei sachlichem Zusammenhang ausnahmsweise zulässig sind.

Herr Kollege Schennach und andere haben in der Diskussion bereits darauf hingewie­sen, dass in der Vergangenheit dieser Zusammenhang sehr intensiv überstrapaziert wurde, was in diesem Hohen Haus, aber beispielsweise auch durch den Verfassungs­gerichtshof, immer wieder zu Kritik geführt hat. Wenngleich es nicht verfassungswidrig ist, hat es der Verfassungsgerichtshof doch für bedenklich gehalten, weil der Erkenn­barkeit des Rechts auf diese Weise ein schlechter Dienst erwiesen werde.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang aber auch an Budgetbegleitgesetze, mit denen 90 Einzelgesetze novelliert wurden, teilweise Verfassungsbestimmungen oder über­haupt ganz neue Gesetze vorgesehen waren.

Bei einem Blick auf das heute vorliegende Budgetbegleitgesetz wird offenkundig, dass da zweifelsohne eine Besserung eingetreten ist, wenngleich noch kein befriedigender Zustand. Es umfasst nämlich nur 25 Gesetzesänderungen, die durchwegs der Imple­mentierung von Budgetansätzen in die Rechtsordnung dienen. Bei der Valorisierung des Pflegegeldes oder bei der Regelung von Abgaben und Gebühren liegt der sach­liche Zusammenhang mit dem Budget auf der Hand, wenngleich manche Regelungen mit budgetfremden Inhalten vermischt sind.


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Dort, wo die Erläuterungen wegen schwerer Abschätzbarkeit oder Geringfügigkeit einen Nullwert finanzieller Relevanz ausweisen, ist der Zusammenhang schon etwas weiter an den Haaren herbeigezogen. Bei der lediglich die Bestellung des Amtsleiters regelnden Änderung des Bundessozialamtsgesetzes ist der sachliche Zusammenhang mit dem Budget aber schon gar nicht mehr erkennbar; es handelt sich dabei offensicht­lich um eine Art legistische „Restelverwertung“.

Wenngleich unsere Kritik Wirkung gezeigt hat, bleibt der von allen Bundesratsfraktio­nen vor einem Jahr dem Nationalrat zugeleitete Gesetzesantrag aktuell, wonach der Bundesrat bei Sammelgesetzen die Möglichkeit haben soll, nicht nur zur Gesamtheit eines Gesetzespaketes, sondern auch zu einzelnen Teilgesetzen Einspruch zu erhe­ben.

Ich bedanke mich bei den im Verfassungskonvent tätigen Mitgliedern des Bundesrates, Herwig Hösele, Professor Konecny und Professor Dr. Böhm, dass sie dieses Anliegen dort, wie man in den Protokollen nachlesen kann, mit Nachdruck vertreten haben, wiewohl noch kein Konsens absehbar ist.

Wenngleich ein Budgetbegleitgesetz naturgemäß das politische Schicksal des Budgets selbst teilt und daher von den im Nationalrat vertretenen Oppositionsparteien abge­lehnt wird, sei im Bundesrat doch festgehalten, dass es nach dem Ergebnis des Begut­achtungsverfahrens aus Sicht der Länderinteressen jedenfalls keinen Grund gibt – es ist zumindest keiner artikuliert worden –, gegen den Gesetzesbeschluss Einspruch zu erheben, und daher werden wir dem Antrag des Ausschusses gerne zustimmen. (Bei­fall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.01

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird (652 d.B. und 667 d.B. sowie 7152/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Karl Bader: Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungsaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 9. November 2004 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Militärbefugnisgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen – wie alle anderen – in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:


Bundesrat
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Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Novem­ber 2004 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Todt. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


21.03

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Wir behandeln heute die Reparatur dieses Gesetzes. Eine Repa­ratur ist deswegen notwendig geworden, weil wesentliche Punkte dieses Gesetzes vom Verfassungsgerichtshof gekippt und beeinsprucht wurden. Konkret hat der Verfas­sungsgerichtshof drei Bestimmungen des Militärbefugnisgesetzes aufgehoben: Gekippt wurde die Möglichkeit, ohne konkreten Tatverdacht vorläufige Festnahmen durchzufüh­ren. Auch die Rechte der Nachrichtendienste, verdeckte Ermittlungen ohne Wissen der betroffenen Personen durchzuführen, sahen die Richter als verfassungswidrig an. Vor­aussetzung dafür wäre nämlich ein weisungsfreier Rechtsschutzbeauftragter. Dieser war aber ebenfalls verfassungswidrig, da er nicht mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.

Nun haben ÖVP und FPÖ beschlossen, dass sich die Festnahmebefugnis von Wach­organen auf jene Fälle beschränkt, in denen der Verdacht auf ein Delikt vorliegt, das von einem Gericht erster Instanz zu ahnden ist. Festgenommene sollen sofort an das zuständige Gericht überstellt werden. Auch die Bedingungen für die Datenermittlung wurden geändert: Die Nachrichtendienste müssen nun vor einer Ermittlung den Vertei­digungsminister und den Rechtsschutzbeauftragten informieren. Der Rechtsschutzbe­auftragte ist aber eben nicht weisungsfrei, sondern gegenüber dem Minister weisungs­gebunden.

Nach unserer Meinung darf der Rechtsschutzbeauftragte kein Organ des Bundesminis­ters für Landesverteidigung sein, sondern er sollte vielmehr ein Organ des National­rates sein. Nur dies würde eine parlamentarische Kontrolle bedeuten. Diese parlamen­tarische Kontrolle findet bereits in der Bundesheer-Beschwerdekommission statt. Das Parlament hat gerade im Bereich der Landesverteidigung Mitwirkungsrechte: Der Hauptausschuss ist für alle Einsätze des Bundesheeres im Ausland zuständig – warum also nicht auch für Rechtsschutzbeauftragte?

Wir wollen drei Rechtsschutzbeauftragte, die Organ des Nationalrates sind und nicht Organe des Ministers. Sie könnten dem Unterausschuss des Innenausschusses und dem Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses verantwortlich sein. Das wäre für uns demokratiepolitisch sehr wichtig.

Sie haben im Nationalrat die Chance auf ein gemeinsames Gesetz vertan. – Ich möchte Sie gerne auffordern, mit uns gegen dieses Gesetz zu stimmen, und damit die Chance zu eröffnen, ein gemeinsames Gesetz zu beschließen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

21.06

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


21.06

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Todt hat das Inhaltliche schon entsprechend aufbereitet und vor allem den Knackpunkt erwähnt, nämlich dass


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der Rechtsschutzbeauftragte – eine Denkmöglichkeit – im weitesten Sinne beim Herrn Bundesminister für Landesverteidigung angesiedelt ist oder im Nationalrat. Das ist der grundsätzliche Auffassungsunterschied. Was in der Bewertung nun besser ist – ob da oder dort –, darüber kann man sicherlich streiten, aber es ist eben der Wunsch der Bundesregierung, dass dieser Rechtsschutzbeauftragte beim Bundesministerium für Landesverteidigung angesiedelt ist, aber – und das ist eben das große Aber – er soll weisungsfrei sein.

Wer die staatliche Verwaltung in gewissem Maße kennt, weiß, dass die Apparate, die ein Bundesministerium zur Verfügung stellen kann, in der Regel besser ausgerüstet, ausgestattet sind als jene im Parlament. Das ist eine Tatsache. Auch die von Ihnen angeführte Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten hat im Rahmen des Bundesministeriums für Landesverteidigung einen entsprechenden Unterstüt­zungsapparat, um tätig sein zu können.

Eines möchte ich Ihnen aber nicht ganz vorenthalten, dass es nämlich immer wieder ein großes Bedürfnis war, eine Verrechtlichung in bestimmten Bereichen des Militärs zu erreichen. Und es war die schwarz-blaue/blau-schwarze Bundesregierung, der es im Jahre 2001 gelungen ist, das Militärbefugnisgesetz überhaupt auf die Schiene zu bringen. Dass einige Bestimmungen – sie sind von Bundesrat Todt bereits erwähnt worden – vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, möge man nicht immer als das große Weltuntergangsunglück ansehen, sondern das ist eine ganz normale, klassische rechtsstaatliche Entwicklung, dass es eben im Rahmen der Gewaltenteilung den Verfassungsgerichtshof gibt, der mit verschiedenen Sachen nicht immer einver­standen ist. Das nimmt man als guter Demokrat und auf die Verfassung vereidigter Bundesrat zur Kenntnis, und versucht natürlich auch, den Wünschen des Verfassungs­gerichtshofs Rechnung zu tragen.

Beim Rechtsschutzbeauftragten hat der Verfassungsgerichtshof aber angemerkt, dass er weisungsfrei sein sollte. In diesem Zusammenhang ist im Nationalrat ein Bundes­verfassungsgesetz eingebracht worden, dass die Rechtsschutzbeauftragten im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, aber auch im Bereich des Inneren und des Justizministeriums weisungsfrei gestellt werden. Die Sozialdemokraten, denen offensichtlich der Rechtsschutz – aus welchen Gründen auch immer – nicht so am Her­zen liegt, haben dieser Verfassungsbestimmung nicht zugestimmt. (Bundesrat Todt: Wir wollen eine parlamentarische Kontrolle!)

Ja, das ist unbestritten, aber Sie haben durch Ihre Verweigerung der Zweidrittelmehr­heit erreicht, dass die Rechtsschutzbeauftragten nicht weisungsfrei sind. (Bundesrat Todt: Wenn sie dem Minister unterstellt sind, können sie nicht weisungsfrei sein!) Das ist ein Faktum, und da muss ich mich dann schon fragen: Sind Ihnen jetzt ideologische Gründe wichtiger oder wäre nicht eine praktikable Lösung vernünftiger? (Bundesrat Todt: Was ist den daran ideologisch, wenn wir eine Kontrolle durch das Parlament wollen?)

Aus diesem Grunde kann ich nicht ganz verstehen, dass Sie diese Zweidrittelmehrheit verweigert haben.

Zum Schluss möchte ich noch etwas über die Nachrichtendienste sagen, denn es ist doch ein ganz großer Fortschritt, dass ein Rechtsschutzbeauftragter in bestimmten Bereichen des Nachrichtendienstes tätig werden kann, sei es auf dem Gebiete der militärischen Aufklärung, sei es auf dem der militärischen Abwehr.

Die Nachrichtendienste befinden sich öfters – man sieht das vor allem seit dem 11. September 2001 – in einer etwas schwierigen Rolle, sagen wir das einmal so. Einerseits sollen die Nachrichtendienste alles wissen, das verlangt man zumindest im Nachhinein, dann sollen sie die Informationen entsprechend gewichten, um nicht bei


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jeder Information sofort alle zu alarmieren, und dann sollen sie natürlich auch gelegent­lich, wenn etwas passiert, als Sündenbock herhalten, indem man ihnen vorwirft, dass sie nicht zeitgerecht, umfassend und so weiter informiert hätten. Wenn man das aber alles haben will, und das zeigt auch die Diskussion in den Vereinigten Staaten auf diesem Sektor, dann müsste man ihnen auch die entsprechenden personellen und rechtlichen Möglichkeiten in die Hand geben. Das möchte ich zum Schluss anmerken.

Meine Fraktion stimmt selbstverständlich der Reparatur des Militärbefugnisgesetzes zu und hofft sehr stark, dass die Sozialdemokraten den Rechtsschutzbeauftragten nicht wieder beim Verfassungsgerichtshof sozusagen anprangern werden, dass er eben weisungsgebunden und nicht weisungsfrei ist. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Reisenberger: Was ist das für ein Demokratiever­ständnis?!)

21.12

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schenn­ach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


21.12

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Die Stunde ist vorgerückt. Im Wesentlichen sind die Positionen bezogen. Da Herr Kühnel offensichtlich das Prinzip nicht verstehen will: Es geht hier um Weisungsfreiheit, Herr Kollege Kühnel. Dabei handelt es sich um ein anderes rechtsstaatliches Prinzip, als wenn ich einen Ministersekretär weisungsfrei mache, was es de facto nicht gibt, oder einen Beamten des Ministeriums. Die Alternative ist ein Weisungsfreier, der auf die Rechte der Betroffenen achtet. Sie wissen doch, dass wir Rechtsschutzbeauftragte in all jenen Gesetzen haben, mit denen nachrichtendienst­liche Befugnisse in den letzten Jahren, genau genommen seit 1997, erweitert wurden. Das ist in der Strafprozessordnung bei Rasterfahndung und Lauschangriff der Fall, im Sicherheitspolizeigesetz und eben auch im Militärbefugnisgesetz. Das sind die drei Bereiche. In allen drei Bereichen haben wir hier diskutiert – 1997 zugegebenermaßen nicht ich, doch die Diskussionen sind bekannt – und bei diesem Gesetz haben wir gesagt, dass der Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz so nicht durchgehen lassen wird, da es sich um ein staatliches Organ, ein weisungsgebundenes Organ handelt und das nicht mit einer einfachgesetzlichen Materie zu bewältigen ist.

Sie haben das nicht zur Kenntnis genommen, Herr Kühnel, wie Sie so manches nicht zur Kenntnis nehmen. Ich bin auch der Meinung, dass es nicht das Schlimmste ist, wenn der Verfassungsgerichtshof einmal ein Gesetz oder eine gesetzliche Bestim­mung aufhebt, aber wenn es Usus wird, dass gesetzliche Bestimmungen immer und immer wieder – ich erinnere an verschiedene Gesetzesmaterien der letzten Monate – aufgehoben werden, dann spricht das nicht für die legistische Arbeit einer Bun­desregierung. (Bundesrat Dr. Böhm: Früher hat man gleich ein Verfassungsgesetz beschlossen!) – Ja, Kollege Böhm! Da waren Sie und wir in Opposition und haben das auch immer angeprangert. Sie sollen das jetzt nicht als Leistung darstellen, dass man das damals gleich als Verfassungsgesetz mit beschlossen hat, sondern als Kritik, nehme ich doch an. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja genau, das war schlimm!)

Kollege Kühnel! Ich meine, der Einzige, der wirklich ein Problem damit hat, ist der Herr Innenminister, der einfach nicht weiß, wie er mit solchen Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof als auf die Republik vereidigter Minister umzugehen hat und wie er darauf reagieren soll.

Nun, Sie probieren es jetzt wieder, und es ist wieder ein weisungsgebundenes Organ. Das ist auch einer der Gründe, warum wir nein sagen, denn wir wollen einen weisungs­freien Rechtsschutzbeauftragten. Das ist uns wichtig. Ansonst möchte ich hier nicht


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mehr alle Argumente wiederholen. Vielleicht nur noch den Hinweis, dass es schon damals zwei unterschiedliche Rechtspositionen gegeben hat, der damalige Minister – es war nicht Minister Platter – hat sich für eine Meinung entschieden, hat die andere negiert, nur hat beim Verfassungsgerichtshof die andere gewonnen. Es gab also schon von Anfang an diese Bedenken, aber über diese Bedenken hat man sich sehr, sehr großzügig hinweggesetzt. Nun wird wieder probiert, ob es hält. Ich vermute, dass auch der Rechtsschutzbeauftragte des Sicherheitspolizeigesetzes sowie auch der beim Strafprozess irgendwann in nächster Zeit ein ähnliches Schicksal erleben werden.

Es gibt aber noch einen zweiten Ablehnungsgrund, nämlich die 24 Stunden Militärhaft. Ich denke nicht, dass es notwendig ist, im Rahmen des Militärbefugnisgesetzes der­maßen großzügig zu sein und eine Anhaltung in militärpolizeilichem Gewahrsam von 24 Stunden zu ermöglichen. Es gibt genug ordentliche polizeiliche Maßnahmen, als dass man solch außerordentliche Maßnahmen benötigen würde. 24 Stunden in Militär­gewahrsam festgehalten zu werden, das scheint mir in einem funktionierenden Staat wie Österreich einfach zu lange. Das könnte man auf jeden Fall verknappen.

In diesem Sinne werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen, und hoffen, dass ... (Bun­desrat Mag. Gudenus: Sehr schade!) – Herr Kollege, haben Sie es noch immer nicht verstanden? Es geht um ein Grundprinzip, einen weisungsfreien Rechtsschutz­beauftragten! Das ist nicht so wie bei einem Stück Salami – darf es ein halbes oder ein ganzes Stück sein? –, sondern das ist ein Grundprinzip. Was Sie wollen, ist offen­sichtlich ein weisungsgebundener Beamter. (Bundesrat Dr. Böhm: Wir hätten eine verfassungsgebende Mehrheit gebraucht!) Ja, aber die kriegt man doch nicht geschenkt, Herr Kollege Böhm, man kann nicht einfach nur schenken. Nein, es geht um Vorstellungen, und es handelt sich um die Frage, wohin ich die Verfassungsbestim­mung setze, damit es wirklich ein Weisungsungebundener wird. Wer ist Chef in dieser Sache? Die edelste Lösung wäre, dass es ein Kontrollinstrument des Parlaments ist. Das ist der grundsätzliche Unterschied. Es ist nicht immer Weihnachten, wir haben jetzt noch November, und so bekommt man es eben nicht. Schade, schade, schade! – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

21.18

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Platter. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


21.18

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte diese Sitzung nicht zu lange verzö­gern, aber mir erscheint es doch als sehr wesentlich, hier einige Argumente vorzutra­gen.

Das Militärbefugnisgesetz 2001 war eine ganz wichtige gesetzliche Maßnahme, und ich bin froh darüber, dass gesetzliche Regelungen für bestimmte Teilbereiche und Teil­aufgaben der militärischen Landesverteidigung geschaffen worden sind, darüber hin­aus aber auch über alle Befugnisse, die Befugnisermächtigungen, aber auch über den Rechtsschutz. Klar ist, dass der Großteil dieses Gesetzes vom Verfassungsgerichtshof gutgeheißen wurde. Einige Regelungen müssen nun jedoch modifiziert werden. Mir als Verteidigungsminister war es besonders wichtig, dass wir den Intentionen des Verfas­sungsgerichtshofes zu 100 Prozent folgen.

Erster Kritikpunkt war die Festnahme ohne Tatverdacht. Wir haben gesetzlich geregelt, dass eine Festnahme nur noch mit Tatverdacht durchgeführt werden kann. Wir haben die Auflage also zu 100 Prozent umgesetzt.


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Der zweite Punkt war die Weitergabe festgenommener Personen an die Sicherheitsbe­amten beziehungsweise -behörden. Das wurde kritisiert. Neu ist, dass die Weitergabe an die zuständigen Gerichte, aber auch an die Verwaltungsbehörden durchgeführt wird. Daher ist das 100-prozentig so geregelt, wie es der Verfassungsgerichtshof vorgesehen hat.

Der dritte Punkt betrifft den Rechtsschutzbeauftragten. Es geht dabei darum, dass im Bereich der Ermittlungen, bei Observation, bei verdeckter Ermittlung, aber auch bei Ton- und Bildaufzeichnungen für nachrichtendienstliche Zwecke, der Rechtsschutz ausgebaut wird.

Jetzt ist festgelegt, dass, bevor diese Ermittlungen durchgeführt werden, der Rechts­schutzbeauftragte informiert wird und er innerhalb von drei Tagen eine Stellungnahme abgeben kann. Diese Ermittlungen dürfen also erst dann begonnen werden, wenn der Rechtsschutzbeauftragte informiert worden ist und auch eine Stellungnahme abge­geben hat. Das heißt, dadurch wurde der Rechtsschutz sehr ausgeprägt und erweitert. Daher haben wir auch da zu 100 Prozent die Intention des Verfassungsgerichtshofes umgesetzt.

Der vierte Punkt, geschätzte Damen und Herren, der nun jedoch unerledigt bleibt, be­trifft die Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass hiefür eine Zweidrittelmehrheit, eine Verfassungsmehrheit not­wendig ist. Er hat keinesfalls auf eine andere Situation hingewiesen als auf die, die hier diskutiert wurde.

Es wäre natürlich auch meine Vorstellung gewesen, dass hier eine Verfassungsmehr­heit zustande kommt. Ich kann nicht verstehen, dass man das nicht ermöglicht hat, dass da die Opposition dem Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt ist, sodass wir nun keinen weisungsfreien Rechtsschutzbeauftragten haben. Wenn hier kritisiert wird, dass die Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten nicht möglich ist, dann würde ich Sie bitten, mit den Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat Kontakt aufzunehmen und dahin gehend zu wirken, dass künftig die Weisungsfreiheit in den Verfassungsrang gehoben werden kann.

Der Rechtsschutzbeauftragte wird nicht nur vom Minister eingesetzt, sondern da gibt es auch eine Anhörung, und zwar eine Anhörung mit dem Präsidenten des Verfas­sungsgerichtshofes, eine Anhörung mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts­hofes und eine Anhörung mit allen drei Präsidenten des Nationalrates. Das heißt, bei der Installierung des Rechtsschutzbeauftragten versucht man natürlich, den Konsens zu finden beziehungsweise eine Entscheidung zu fällen, mit der alle leben können, damit wir bestgeeignete Persönlichkeiten zur Verfügung haben.

Ein letzter Punkt: Wir sind europaweit bekannt dafür, dass wir einen sehr ausgeprägten Rechtsschutz haben, von dem andere Staaten nur träumen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Damit das auch so bleibt, möchte ich hier und heute eine Garantie abgeben. Es ist nunmehr so, dass der Rechtsschutzbeauftragte auf Grund der Nichtbeschlussfassung im Nationalrat, weil nicht die Zweidrittelmehrheit gegeben war, nicht mehr weisungsfrei sein wird. Ich garantiere hier und heute, dass unabhängig von der gesetzlichen Rege­lung die Rechtsschutzbeauftragten selbstverständlich weisungsfrei agieren können, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

21.23

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist offensichtlich auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Georg Pehm: Ich gebe noch bekannt, dass die Bundesräte Wolf­gang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen den Selbständigen Entschließungsan­trag 140/A (E)-BR/2004 eingebracht haben.

Dieser Entschließungsantrag wurde dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Tech­nologie zur Vorberatung zugewiesen.

Ich gebe weiters bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sit­zung insgesamt neun Anfragen – 2269/J bis 2277/J – eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Dezember 2004, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen die Beschlüsse des Nationalrates vom 18. November 2004 betreffend ein Pensionsharmonisierungsgesetz und ein Bundes­gesetz, mit dem das Angestelltengesetz und weitere Gesetze geändert werden, sowie der Selbständige Entschließungsantrag 140/A (E)-BR/2004 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen in Betracht.

Die Vorberatungen des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsu­mentenschutz sind für morgen, Freitag, 26. November 2004, 11 Uhr, im Lokal III, die Vorberatungen des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie sind eben­falls für morgen, Freitag, 26. November 2004, 12 Uhr, im Lokal II vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimreise!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.25 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien