Stenographisches Protokoll

718. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Mittwoch, 2. Februar 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

718. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 2. Februar 2005

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 2. Februar 2005: 9.02 – 18.06 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

2. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes des Burgenlandes, Hans Niessl, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR betreffend „Perspektiven für den Föderalismus nach dem Öster­reich-Konvent“

3. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit

4. Punkt: Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit

5. Punkt: Protokoll erstellt aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Ände­rung von Artikel 2 und des Anhangs jenes Übereinkommens

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsauf­sichtsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Versicherungssteuerge­setz 1953, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeits­vertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 1993 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik San Marino auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

11. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den Schutz von Investitionen


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitglied­staaten der Europäischen Union samt Erklärungen

13. Punkt: Protokoll – vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellt – zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

15. Punkt: Abkommen über audiovisuelle Gemeinschaftsproduktionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Kanada samt Anhang

16. Punkt: Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Europäischen Organisa­tion für Kernforschung

*****

Inhalt

Bundesrat

Gedenkworte des Präsidenten Mag. Georg Pehm ................................................... 10

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) der Geschäftsordnung des Bun­desrates ............................................. 41

Antrittsansprache des Präsidenten Mag. Georg Pehm ........................................... 73

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 116

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Fragestunde (109.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 11

Jürgen Weiss (1395/M-BR/05); Ing. Siegfried Kampl, Elisabeth Kerschbaum, Albrecht Konecny

Johanna Auer (1401/M-BR/05); Michaela Gansterer, Mag. John Gudenus, Stefan Schennach

Engelbert Weilharter (1399/M-BR/05); Stefan Schennach, Ewald Lindinger, Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger

Johann Höfinger (1396/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Dr. Ruperta Lichten­ecker, Harald Reisenberger

Albrecht Konecny (1402/M-BR/05); Ing. Hermann Haller, Roland Zellot, Elisabeth Kerschbaum

Dr. Ruperta Lichtenecker (1400/M-BR/05); Johanna Auer, Ferdinand Tiefnig, Ing. Siegfried Kampl


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 3

Herwig Hösele (1397/M-BR/05); Dr. Peter Böhm, Eva Konrad, Mag. Susanne Neuwirth

Theodor Binna (1403/M-BR/05); Josef Saller, Engelbert Weilharter, Elisabeth Kerschbaum

Mag. Bernhard Baier (1398/M-BR/05); Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichten­ecker, Werner Stadler

Manfred Gruber (1404/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Elisabeth Kerschbaum

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung des Bundesministers für Landesverteidigung Günther Platter von der Betrauung mit der Leitung des Bundesministeriums für Inneres sowie Ernennung von Frau Liese Prokop zur Bundesministerin für Inneres durch den Bundespräsidenten    ............................................................................................................................... 40

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel betreffend Enthebung des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten­schutz Mag. Herbert Haupt und der Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner vom Amt sowie Ernennung von Frau Ursula Haubner zur Bundesministerin für sozi­ale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und von Herrn Sigisbert Dolinschek zum Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz durch den Bundespräsidenten                         40

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 41

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 39

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Günther Kaltenbacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Versäumnisse der Bundes­regierung beim Red-Bull-Projekt Spielberg (2289/J-BR/2005) ............................................................................................................................. 117

Begründung: Günther Kaltenbacher ......................................................................... 117

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein .................................................................. 119

Debatte:

Günther Prutsch ......................................................................................................... 123

Herwig Hösele ............................................................................................................ 126

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 129

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 131

Theodor Binna ............................................................................................................ 133

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................. 134

Stefan Schennach ...................................................................................................... 136

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR             ............................................................................................................................... 42


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 4

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel ..................................................................... 42

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 44

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 44

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 47

Stefan Schennach ........................................................................................................ 49

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 52

Bundesministerin Liese Prokop ................................................................................. 54

Bundesministerin Ursula Haubner ............................................................................ 57

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 61

Karl Bader ..................................................................................................................... 63

Helmut Wiesenegg (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 65

Eva Konrad ................................................................................................................... 65

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 67

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 69

Harald Reisenberger .................................................................................................... 70

2. Punkt: Erklärung des Landeshauptmannes des Burgenlandes, Hans Niessl, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR betreffend „Perspektiven für den Föderalismus nach dem Österreich-Konvent“ .......... 77

Landeshauptmann Hans Niessl ................................................................................. 77

Verlangen auf Durchführung einer Debatte .................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Andrea Fraunschiel ...................................................................................................... 81

Johanna Auer ............................................................................................................... 82

Mag. John Gudenus ..................................................................................................... 84

Stefan Schennach ........................................................................................................ 87

Herwig Hösele .............................................................................................................. 90

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 93

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 95

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 96

Landeshauptmann Hans Niessl.................................................................................. 98

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit (551 d.B. und 786 d.B. sowie 7206/BR d.B.) ............................................................................................................... 100

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 101

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit (552 d.B. und 787 d.B. sowie 7207/BR d.B.) .................................................................................................... 100

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax ........................................................................ 101

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ...................................................................................................... 101

Johann Giefing ........................................................................................................... 102

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem


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718. Sitzung / Seite 5

Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 4, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 104

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend das Protokoll erstellt aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Än­derung von Artikel 2 und des Anhangs jenes Übereinkommens (690 d.B. und 788 d.B. sowie 7208/BR d.B.) .................................................................................................... 104

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 104

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 104

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 107

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichts­gesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorge­gesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (707 d.B. und 790 d.B. sowie 7209/BR d.B.)               107

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 108

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 1993 geändert wird (495/A und 791 d.B. sowie 7210/BR d.B.)                   107

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 108

Redner/Rednerinnen:

Hans Ager ................................................................................................................... 108

Johann Kraml ............................................................................................................. 110

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 114

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird (663 d.B. und 736 d.B. sowie 7211/BR d.B.)                            114

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 114


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718. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (627 d.B. und 737 d.B. sowie 7212/BR d.B.) ..................... 114

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 114

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik San Marino auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (706 d.B. und 792 d.B. sowie 7213/BR d.B.) ..................... 114

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 114

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Demokratischen Bundes­republik Äthiopien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (778 d.B. und 793 d.B. sowie 7214/BR d.B.) ................................... 114

Berichterstatter: Theodor Binna ................................................................................. 114

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 116

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 116

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend Über­einkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen (696 d.B. und 744 d.B. sowie 7215/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 138

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 138

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend Proto­koll – vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellt – zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen (697 d.B. und 745 d.B. sowie 7216/BR d.B.) .................................................................................................... 138

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 138

Redner/Rednerinnen:

Eva Konrad ................................................................................................................. 139

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 139


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 140

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (488/A und 785 d.B. sowie 7217/BR d.B.)               140

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 140

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 141

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 142

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 143

Eva Konrad ................................................................................................................. 144

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 147

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Ab­kommen über audiovisuelle Gemeinschaftsproduktionen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Kanada samt Anhang (666 d.B. sowie 7218/BR d.B.) .............................................................. 147

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner ................................................................ 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 147

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend das Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Europäischen Organisation für Kernforschung (665 d.B. sowie 7219/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 148

Berichterstatter: Karl Bader ........................................................................................ 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ....................................... 148

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 8

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Unterbesetzung der Zollfahndung in Vor­arlberg (2288/J-BR/04)

Günther Kaltenbacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend die Versäumnisse der Bundesregierung beim Red-Bull-Projekt Spielberg (2289/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Schließungspläne für weitere Bezirksgerichte in der Steiermark (2290/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Verbesserungen bei den Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes (2291/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen der Sozialen Berufsorientierung und des freiwilligen sozialen Jahres (2292/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen der Sozialen Berufsorientierung und des freiwilligen sozialen Jahres (2293/J-BR/05)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bil­dung, Wissenschaft und Kultur betreffend Ausbau des BRG/BG Stockerau und Alter­nativen (2294/J-BR/05)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bekämpfung des Feuerbrandes im Obstbau (2079/AB-BR/04 zu 2268/J-BR/04)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grundrechte und Terrorbekämpfung (2080/AB-BR/04 zu 2266/J-BR/04)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erosion der Körperschaftssteuer (2081/AB-BR/05 zu 2265/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Schließung von Postämtern (2082/AB-BR/05 zu 2264/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stromversorgungs­leitung Graz-Werndorf (2083/AB-BR/05 zu 2267/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Benachteiligung von österreichischen Firmen im Grenzverkehr mit Slowenien (2084/AB-BR/05 zu 2272/J-BR/04)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erläuterungen zur Leis­tungsbeurteilung (2085/AB-BR/05 zu 2269/J-BR/04)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kasernenschließungen in Tirol (2086/AB-BR/05 zu 2270/J-BR/04)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließung von Postämtern (2087/AB-BR/05 zu 2271/J-BR/04)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 9

betreffend Maßnahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2088/AB-BR/05 zu 2275/J-BR/04)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Kommissions­vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (2089/AB-BR/05 zu 2277/J-BR/04)

des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für TeilnehmerInnen der Sozialen Berufsorientierung und des freiwilligen sozialen Jahres (2090/AB-BR/05 zu 2276/J-BR/04)

 


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 10

09.00.00Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich eröffne die 718. Sitzung des Bundesrates.

09.02.28Gedenkworte des Präsidenten des Bundesrates

 


9.02.29

Präsident Mag. Georg Pehm: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Staatssek­retär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Republik Österreich hat den 14. Jänner 2005 mit einer gemeinsamen Auftaktveranstaltung von Nationalrat und Bundesrat als den Beginn eines besonderen Gedenkjahres gewählt.

In diesen Tagen soll den Opfern des größten Verbrechens gegen die Menschlichkeit gedacht werden. Es taten dies die Vereinten Nationen – erstmals seit ihrem Bestehen in einer Sondersitzung –, es taten dies Überlebende und höchste Vertreter der demo­kratischen Welt direkt in Auschwitz-Birkenau. Es tun dies viele andere Menschen vor den Stätten des Völkermordes und des Grauens.

Wir denken an alle, die durch den vielfachen Massenmord des nationalsozialistischen Terrors ihr Leben verloren haben. Heute wollen wir das Andenken an all die Opfer dieser schrecklichen Gewaltherrschaft ehren und ihrem Schicksal einen Augenblick des Nachdenkens widmen.

Wir werden niemals vergessen!

Dieses niemals Vergessen verpflichtet uns zu sagen: Der österreichische Bundesrat erneuert und bekräftigt die bedingungslose Verurteilung des Nationalsozialismus in all seinen Ausprägungen. Der österreichische Bundesrat denkt mit Bewunderung und Dankbarkeit an all jene, die Widerstand geleistet, die Menschenleben gerettet, den Verfolgten Hilfe geboten oder Bedrohten zur Flucht verholfen haben.

Hohes Haus! Ebenso denken wir in diesen Tagen an jene Burgenländer, die Opfer eines hinterhältigen Anschlages vor zehn Jahren in Oberwart wurden. Auch der poli­tisch motivierte Mord an vier Roma ist uns Mahnung, Menschenwürde und Demokratie über alles zu stellen. Der österreichische Bundesrat tritt entschieden gegen jede Form von Rassismus auf und hält dieses Bekenntnis für ein unverzichtbares Bauelement unserer Republik!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen in den letzten Tagen und Wo­chen auch unter dem Schock einer von der Natur verursachten furchtbaren Flutkata­strophe in Südostasien. Auch nach mehr als einem Monat lässt uns ein Naturereignis derartigen Ausmaßes gleichermaßen betroffen wie getroffen zurück: So müssen wir heute über 280 000 Tote infolge dieser schrecklichen Flutwelle betrauern.

Wir gedenken der ums Leben gekommenen Österreicherinnen und Österreicher sowie der Vermissten. Unsere Anteilnahme gilt in besonderer Weise unseren Landsleuten und persönlich Bekannten, sie ist aber nicht nur auf die Menschen innerhalb der Grenzen unseres Landes beschränkt, sondern gilt allen Opfern dieser schrecklichen Katastrophe.

Unser Dank gilt allen, die helfen, unser Mitgefühl gilt allen, die einen geliebten Men­schen verloren haben oder noch die Rückkehr eines geliebten Menschen erhoffen.

Ich bitte Sie, sich zum Zeichen Ihrer Trauer, Ihrer Anteilnahme und Ihrer Hoffnung von den Sitzen zu erheben. (Alle Anwesenden erheben sich von ihren Sitzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.) – Ich danke Ihnen.

9.07

*****

 



Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 11

Präsident Mag. Georg Pehm: Das Amtliche Protokoll der 717. Sitzung des Bundes­rates vom 20. Dezember 2004 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Adelheid Ebner, Gottfried Kneifel, Günther Molzbichler und Reinhard Todt.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt über Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 4. bis 15. Februar 2005 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein durch die Bundesministerin für Inneres Liese Prokop vertreten wird.

09.07.54Fragestunde

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 9.07 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundeskanzleramt

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir kommen nun zur ersten Anfrage – 1395/M – an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Jürgen Weiss, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1395/M-BR/2005

„Welche Leistungen für den Wiederaufbau nach der großen Flutkatastrophe in Süd-Ost-Asien vom 26. Dezember 2004 hat die österreichische Bundesregierung gemein­sam mit den Bundesländern bereits zugesagt?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Ich darf kurz genauer darauf eingehen. Bitte, nicht böse sein, dies wird vielleicht einige Sachinformationen bedeu­ten, die auch ein bisschen länger dauern können.

Wir haben zunächst einmal eine Soforthilfe in Höhe von 8 Millionen € zugesagt, davon 1 Million € von den Bundesländern. In Summe haben wir jetzt, nach einer Gesprächs­runde mit allen Landeshauptleuten, den Sozialpartnern, Städte- und Gemeindebund 50 Millionen €, darin sind die erwähnten 8 Millionen € Ersthilfe schon inkludiert, zuge­sagt und sind damit durchaus unter den führenden Geberländern für die von dieser furchtbaren Flutkatastrophe getroffene Region.

Dazu kommen noch, nachdem die Union in Summe etwa 350 Millionen € aus den laufenden Budgets und aus der Haushaltsreserve zur Verfügung stellt – diese Mittel hat übrigens der Allgemeine Rat am Montag freigemacht –, der Nettozahleranteil Ös-


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terreichs – das werden dann noch einmal ungefähr 11, 12 Millionen € sein – sowie ein Schuldenerlass, den wir im Rahmen des Pariser Klubs angeboten haben, eine Stundung, die für Österreich sehr viel Geld bedeutet, weil uns alleine Indonesien – das ist das Hauptschuldnerland – in den nächsten beiden Jahren 370, 380 Millionen € zurückzahlen hätte müssen, natürlich mit entsprechenden Zinsen. Wir stunden das, die Verhandlungen sind im Laufen und werden mit Sicherheit auch positiv abgeschlossen werden. Das bringt für Österreich noch zusätzlich einen Budgetausfall von etwa 70 Millionen €.

Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden einen Koordi­nator für den Wiederaufbau eingesetzt, dies ist der frühere Innenminister Ernst Stras­ser. Er war gestern bei mir, und wir haben uns anhand eines Tableaus ganz genau angesehen, wie die Verwirklichung dieser Projekte jetzt ausschaut – wir sind da sehr gut unterwegs. Die Außenministerin war vor zehn Tagen in der Region und hat sich vor Ort, in Sri Lanka, vor allem im Südteil Colombo und Galle, ausführlich erkundigt und angesehen, wie die Gespräche und Projekte laufen.

In Summe kann man sagen, dass das ein sehr komplexes, logistisch höchst an­spruchsvolles Projekt werden wird, durch das wir aber mit vereinten Kräften sehr viel bewegen werden.

Zu den von der öffentlichen Hand und von den Sozialpartnern zugesagten Summen kommen ja von privater Seite noch etwa – genaue Zahlen liegen hier nicht vor – 25 Millionen €, schätze ich. „Nachbar in Not“ alleine hat schon über 20 Millionen € an Spenden eingenommen. Ich nehme also an, dieser Betrag wird mindestens auf 30 Mil­lionen € hinaufgehen, sodass wir in Summe meiner Meinung nach ausreichend Geld für den Wiederaufbau zur Verfügung haben werden.

Das wirklich Interessante und Wichtige wird sein, dass man Local Operators hat, die in der Region darauf schauen, dass diese Projekte auch wirklich umgesetzt werden.

Es gibt bereits eine Vielzahl an möglichen Projekten, die zum Teil gar nicht von der öffentlichen Hand induziert werden: Der GAK überlegt, habe ich gehört, einen Fußball­platz zu errichten. In der Bausparkasse Wüstenrot, die gerade ihr 80-jähriges Jubiläum feiert – ich war selber dort –, hat der Betriebsrat gemeinsam mit der Firmenleitung 100 Häuser für ein Fischerdorf zur Verfügung gestellt, also eine einzige Firma baut ein ganzes Dorf wieder auf! Das ist eine Riesengeschichte, und daher ist, wie ich glaube, eine kleine „Werbeeinschaltung“ hier durchaus vertretbar.

Es gibt also in Summe eine ganze Fülle von Aktivitäten. Die Firma Sandoz mit ihrem großen Schwerpunkt auf Generica Production in Kundl hat zum Beispiel Medikamente für 2 Millionen Behandlungen zur Verfügung gestellt, und zwar über eine private Connection, nämlich einen ehemaligen Unterstaatssekretär in Sri Lanka.

All diese vielen Projekte versuchen wir nun gemeinsam darzustellen. Es ist wirklich ein rotweißrotes Gesamtprojekt, und ich freue mich sehr, dass alle dabei mittun und dass das frei von jeder Diskussion zwischen den Parteien gut abgelaufen ist. Wir werden wahrscheinlich am 2./3. März – da wird das Budget vorgelegt – ein eigenes Budget­überschreitungsgesetz vorlegen, in dem all diese Dinge dann auch finanzgesetzlich außer Streit gestellt werden.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Sind über diese beachtlichen Projekte hinaus weitere Vorhaben geplant?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 



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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es geht jetzt vor allem darum, dass wir diese wirtschaftlichen Projekte auch mit entsprechenden politischen Rahmenbedingun­gen begleiten, denn einige dieser Regionen, zum Beispiel Indonesien und Sri Lanka, sind ja politisch in sehr heikle Verwicklungen verstrickt. Dort gibt es Aufstände, es gibt separatistisch operierende Gruppierungen, es droht in manchen Gebieten der Zerfall des Gesamtstaates – und daher ist es sehr wichtig, dass man versucht, neben der wirtschaftlichen Hilfe begleitend auch konkrete politische Unterstützung zu geben.

Zwei Projekte erlauben Sie mir – ich habe sie vorhin vergessen – vielleicht noch zu erwähnen:

Das eine betrifft die ÖBB. Die ÖBB-Mitarbeiter einerseits, aber auch die Führung selber und Verkehrs- und Infrastrukturminister Hubert Gorbach andererseits haben sich sehr dafür eingesetzt, die teilweise massiv zerstörte Infrastruktur in Sri Lanka wieder­herzustellen. Gestern am Abend ist ein Vorausteam, ein Planungsteam zurückge­kommen. Eine genaue Bewertung können wir noch nicht vornehmen, aber jedenfalls wollen wir vor allem mit den Firmen – österreichischen Firmen, die ja dort schon tätig sind und Brücken und Straßen bauen – gemeinsam ein großes Infrastrukturprojekt darstellen.

Ebenfalls nicht zu erwähnen vergessen möchte ich das Bundesheer und das Innenmi­nisterium, denn die österreichische Wasseraufbereitungsanlage, die das Bundesheer mit 70 Mann aufgestellt hat – was auch eine beachtliche Summe, einen beachtlichen Wert darstellt, den wir hier als Hilfe eingesetzt haben –, und die Bereitstellung von Identifizierungsspezialisten des österreichischen Innenministeriums sind ganz außeror­dentlich geschätzte Leistungen; sie werden auch in allen ähnlichen Fällen angeboten. Wir sind wahrscheinlich unter den führenden Nationen, was etwa die DNA-Erkennung und -Identifikation betrifft, und das machen wir nicht nur für die Österreicher, sondern wir helfen den thailändischen und anderen Behörden, wirklich alle Leichen, soweit das überhaupt möglich ist, zu identifizieren.

Diesbezüglich ist Österreich wahrscheinlich unter jenen ein, zwei, drei Ländern der Welt, die das wirklich hervorragend können. Unsere Leute haben da in aller Stille ein Wissen aufgebaut, das, wie ich glaube, dem Namen Österreichs sehr gut tut.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Kampl gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Die österreichische Bevölkerung steht natürlich voll hinter den Maßnahmen der Bundesregierung. Aber was hat die Bundesregierung für betroffene Familien im Inland unternommen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Abgeordneter, das ist eine sehr wich­tige Frage, denn schließlich gibt es ja nach wie vor etwa – nicht ganz – 100 Vermisste, identifiziert sind im Augenblick 15 Todesopfer. Hinter diesen, sagen wir jetzt einmal, 100, 115, 120 Menschen stehen natürlich Familien, stehen oft Kinder, steht ein Part­ner, steht eine Firma. Wir haben sichergestellt, dass, soweit es nur irgendwie möglich ist – das menschliche Leid kann ja nicht abgegolten werden –, die materiellen Nöte gemindert werden. Es werden die Finanzbehörden nichts unternehmen, um die Dinge noch zu verkomplizieren, ganz im Gegenteil: es wird im Rahmen des Ermessens sehr großzügig vorgegangen. Es gibt über das Sozialministerium und über den Familien­fonds, über die Härtefonds die Möglichkeit – auch in der Pensions- oder Krankenversi­cherung –, Hilfen zu geben. Wir haben die Kosten für die Heimbringung übernommen, wir haben mit den Behörden in Thailand, in Sri Lanka vereinbart, dass für die medizi-


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nische Betreuung nichts zu bezahlen sein wird. Wir haben also alles Menschen­mögliche getan!

Wenn Ihnen – und das gilt für alle Fraktionen – ein persönliches Schicksal bekannt wird, denn da sind die Abgeordneten natürlich viel näher dran als eine einzelne Institu­tion, ein Ministerium, dann zögern Sie nicht, uns das zur Kenntnis zu bringen! Wir werden hier das Menschenmögliche tun, um großzügige Hilfe zu geben.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Aus welchen Budgettöpfen werden diese 34 Millionen € Hilfe des Bundes kommen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Aus dem gesamten Bundesbudget, wobei es da natürlich nicht einzeln aufgelistete Positionen gibt, sondern es wird eine Bundes­finanzgesetznovelle geben, die, wie ich auf die erste Frage schon gesagt habe, am 1. März im Ministerrat sein und am 2. oder 3. dann dem Parlament zugeleitet wird. Darin wird diese Bedeckung als Ermächtigung global vorgesehen werden, sodass sichergestellt ist, dass das Geld auch wirklich da ist.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Konecny gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): In der Öffentlichkeit, in den Medien wurden auch immer wieder Fälle diskutiert, in denen es, sagen wir, zu rechtlichen Problemstellungen insofern gekommen ist, als Vermisste von der Sozialversicherung abgemeldet wurden und Ähnliches mehr.

Sind Sie der Meinung beziehungsweise sind Sie nicht auch der Meinung, muss ich in diesem Fall sagen, dass es sinnvoll wäre, zu einem Zeitpunkt, wo diese tragischen Er­eignisse technisch aufgearbeitet sind, eine Überprüfung vorzunehmen – denn so etwas kann ja wieder kommen, auch in geringerem Umfang – und dann rechtliche Anpas­sungen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen in einem Paket vorzulegen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Professor, das ist eine sehr interes­sante und zugleich auch sehr schwierige Frage, denn natürlich hat das Auswirkungen. Deshalb war ich auch immer sehr vorsichtig mit der ursprünglich aufgetauchten Idee eines eigenen „Tsunami-Gesetzes“ – und habe das auch gesagt –, weil ja jede ge­setzliche Maßnahme dann auch für die Zukunft gelten muss. Natürlich kann ich zum Beispiel den Zeitrahmen verkürzen, der heute für eine Todeserklärung im Gesetz vorgeschrieben ist. Da gibt es ja unterschiedliche Fristen; ich habe sie jetzt nicht alle im Kopf, aber sie reichen von unmittelbar bei Glaubhaftmachung, wenn man sieht, jemand fällt in die Gletscherspalte und verschwindet, ist weg, bis hin zu einem Jahr in einem verkürzten Fall, das kann aber bis zehn Jahre gehen.

Das sind also sehr schwierige Fragen, und ich will da jetzt auch keinen Schnellschuss aus der Hüfte machen, aber ich bin gerne bereit, solche Fragen im Rahmen von Ge­sprächen mit Parlamentariern und dem Justizministerium sowie auch mit dem Sozial­ressort zu erörtern.

Wir haben – und dazu stehe ich – eine ganz „merkwürdige“ Behelfskonstruktion ge­wählt, womit zum Beispiel die Krankenversicherung den Familienangehörigen – zum Teil gibt es ja in Österreich eine Gratismitversicherung für Familienangehörige – auch


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weiterhin den notwendigen Versicherungsschutz gibt. Das ist ein Modell, das man vielleicht in Hinkunft auch breiter zugänglich machen kann.

Was die Verkürzung der Frist für die Todeserklärung anbelangt, so bin ich – das sage ich ganz offen – ein wenig skeptisch, obwohl mir Fälle bekannt sind – Sie wissen, ich bin ein „alter“ Bergsteiger und Skitourengeher –, aber ich muss Ihnen sagen, das ist nicht ohne!

Gestern war ein Vertreter einer Firma aus Pottendorf bei mir – einer Firma, die übri­gens Schneekanonen erzeugt –, die die Erkennung von Menschen unterhalb von Lawi­nenkegeln oder Gletschern mit einer ganz neuen Technologie bewerkstelligen kann – das ist hochinteressant –, und der hat mir erzählt, dass es 80 Vermisste gibt, die ver­mutlich unter Schneemassen, unter Eis begraben derzeit in den österreichischen Bergen liegen. Das ist schon ein Problem! Zum Teil warten die Angehörigen zehn Jahre lang, bis sie die Lebensversicherungssumme kassieren können oder allenfalls auch entsprechende pensionsrechtliche Ansprüche geltend machen können. Das ist also ein Thema!

Erlauben Sie mir aber die Freiheit zu sagen: Ich habe jetzt keine schnelle Antwort parat, aber ich bin gerne bereit, Ihre Anregung aufzunehmen und die zuständigen Ministerien darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht können wir diese Fragen wirklich einmal im Rahmen einer Enquete oder eines kleinen Round Table erörtern.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1401/M-BR/2005. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Auer, um die Verle­sung der Anfrage.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundeskanzler!

1401/M-BR/2005

„Welche Auswirkungen wird die Verkürzung der Wehrdienstpflicht auf sechs Monate auf den Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres – insbesondere betref­fend den burgenländischen Teil der österreichischen Staatsgrenze – haben?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Diese Frage ist natürlich primär an den Verteidigungsminister zu richten, aber ich nehme sie gerne an, weil sozusagen fast eine Allzuständigkeit des Bundeskanzlers vermutet wird. (Heiterkeit.)

Bei der Wehrdienstzeitverkürzung auf sechs Monate geht man natürlich von der Grundüberlegung aus, dass die Sicherheit unseres Landes auf allen Ebenen in keiner Weise gemindert werden darf, sondern voll gegeben sein muss.

Der Assistenzeinsatz ist ja, wie Sie wissen, befristet, er wird ja jedes Jahr verlängert. Wir hätten ihn eigentlich schon gerne früher beendet, aber wir sind der Auffassung – die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit –, dass die Zeit noch nicht reif dafür ist, den Assistenzeinsatz in Niederösterreich und im Burgenland zu beenden. Daher wird er bis auf weiteres fortgesetzt werden – obwohl sich die Zahl der Aufgriffe, muss ich schon sagen, deutlich reduziert hat. Wir haben 50 Prozent weniger Aufgriffe im Vergleich zu den Höhepunkten zu verzeichnen, aber es gibt derzeit, soviel ich weiß, noch immer etwas mehr als 5 000 Aufgriffe pro Jahr. Daher wird natürlich der Assistenzeinsatz voll weitergeführt, allerdings mit moderneren Geräten – das ist auch ein wichtiger Punkt! – und auch in Kooperation mit dem Innenministerium, das ja jetzt vom Finanzministerium 1 200 Mitarbeiter zusätzlich bekommen hat, nämlich frühere Zöllner, die jetzt in der neuen Polizei für die Sicherheit im Inneren mitarbeiten sollen.


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Mein Ziel beziehungsweise unser gemeinsames Ziel in der Bundesregierung ist Fol­gendes: Solange der Assistenzeinsatz notwendig ist, so lange wird er auch aufrecht­erhalten, und zwar im Burgenland genauso wie in Niederösterreich.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundeskanzler! Sicher, All­zuständigkeit vorausgesetzt: Welche Kasernen – in den Medien werden etwa 40 Kasernen gehandelt, die entweder geschlossen oder verkauft werden sollen, deshalb ersuche ich Sie um konkrete Angaben – werden im Zusammenhang mit der Heeresreform geschlossen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wieder Allzuständigkeit vorausgesetzt: Zu­erst muss es einmal die Heeresreform geben! Es gibt mit breitester Mehrheit gefasste Empfehlungen der unter Leitung von Helmut Zilk tätigen Bundesheerreformkommis­sion, die sicherstellen sollen, dass das Bundesheer in Zukunft wesentlich schlanker und effizienter ist und auch für den Bereich der inneren und äußeren Sicherheit besser eingesetzt werden kann. Daraus muss jetzt zuerst einmal das Verteidigungsminis­terium die notwendigen Konsequenzen ziehen. In diesen Empfehlungen, die übrigens von allen Fraktionen getragen werden, ist auch der Vorschlag enthalten, dass man die Zahl der Kasernenstandorte deutlich reduziert – eine Maßnahme, die übrigens nicht nur in Österreich, sondern ebenso in Deutschland, in Schweden, in der Schweiz, ja in vielen anderen Ländern Europas diskutiert wird.

Ich bin sicher, dass der Verteidigungsminister den Empfehlungen der Bundesheer­reformkommission, die, wie gesagt, mit den Stimmen aller dort vertretenen Fraktionen gefasst worden sind, weitestgehend Rechnung tragen wird. Aber zunächst einmal muss die Reform auf dem Tisch liegen, erst dann werden solche Detailfragen beant­wortbar sein.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Michaela Gansterer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Ich bin selbst direkt an der niederösterreichischen Grenze zur Slowakei zu Hause, daher halte ich es im Interesse der Sicherheit für die Bevölkerung in dieser Region für ganz besonders wichtig, dass es dort einen Grenzschutz gibt. Da die Fragestellung der Kollegin Auer auf das Burgenland beschränkt war, wollte ich wissen, ob das auch für Niederösterreich gilt. Aber da Sie das bereits bestätigt haben, bleibt mir nur noch übrig, Ihnen dafür zu danken.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Darf ich das weiter konkretisieren: Es ist so, dass wir derzeit ungefähr 1 500 Soldaten an der Grenze haben, und nach der Wehr­dienstzeitverkürzung – das ist jetzt aber Inhalt der internen Überlegung des Verteidi­gungsministers – würden immer noch 1 350 Soldaten an der Grenze sein, und zwar sowohl in Niederösterreich als auch im Burgenland. Diese etwas geringere Zahl wird massiv vor allem dadurch ausgeglichen werden, dass das Bundesheer jetzt einige Dutzend Wärmebildkameras kauft – die hat übrigens das Innenministerium immer schon gehabt; das Bundesheer war da bei den Investitionen ein bisschen benachteiligt, aber das wird jetzt nachbeschafft –, sodass wir mit dieser Zahl dann eigentlich eine wesentlich effizientere Überwachung der österreichischen Grenze, und zwar sowohl in Niederösterreich als auch im Burgenland, haben werden.

 



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Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundeskanzler! Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die Verkürzung der Wehrdienstzeit sowie auch der Zivildienstzeit ab 2006 auf die Jugendarbeitslosigkeit?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Noch einmal: Zunächst einmal müssen die entsprechenden Dinge umgesetzt werden. Für die Wehrdienstverkürzung hat Bun­desminister Platter eine Weisung erteilt. Im Rahmen der gegenwärtigen Gesetze ist eine Bandbreite von sechs bis acht Monaten vorgesehen. Er nimmt im Rahmen seiner Verantwortung jetzt die Entscheidung wahr und sagt: Ab 1. Jänner werden die Jung­männer nur mehr zu sechs Monaten eingezogen.

Was die Zivildienstverkürzung betrifft, die sinnvollerweise analog zur Wehrdienstver­kürzung erfolgen sollte, denn es wäre ja unsinnig und auch nicht verantwortbar, dass die Präsenzdiener eine Verkürzung ihres Dienstes haben und die Zivildiener nicht – herzliche Einladung, das gemeinsam zu machen und auch gemeinsam ab dem 1. Jän­ner vorzusehen –, wird jetzt von der Zivildienstreformkommission mit breiter Mehrheit vorgeschlagen, dass die Zivildienstzeit von zwölf Monaten auf neun Monate verkürzt werden soll, mit dem attraktiven Angebot, freiwillig den Dienst um drei Monate zu verlängern.

Das ist, glaube ich, eine sehr sinnvolle Geschichte. Das Spektrum für den Zivildiener wird erweitert werden, auch Auslandseinsätze sollen möglich sein. In Summe ist das, glaube ich, ein sehr „spannendes“ Paket, das uns gestern der Vorsitzende Mayer, Präsident des Roten Kreuzes, präsentiert hat.

Zunächst einmal muss das umgesetzt werden! Die Jugendbeschäftigung und die Jugendarbeitslosigkeit sollten in diesem Zusammenhang eigentlich nicht im Auge sein, denn, mit Verlaub gesagt, wir haben ja nicht deswegen den Wehrdienst oder den Zivildienst, damit die Jugendarbeitslosenzahlen niedriger werden. Wäre dem so, dann müssten wir ja – bei ohnedies sehr guten Daten, aber immer noch Daten, die jedenfalls spürbar sind – eine Verlängerung des Wehrdienstes und des Zivildienstes ins Auge fassen. Ich glaube nicht, dass es eine politische Partei gibt, die so etwas für sinnvoll hält.

Daher: Der Wehrdienst und der Zivildienst dienen dazu, dass man die jungen Men­schen – junge Männer und Frauen, Letztere freiwillig – dafür interessiert, dass sie für das Vaterland, für die Heimat eine bestimmte, notwendige Arbeit erbringen, einen Einsatz leisten, der sehr schwierig ist, und dafür danke ich allen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben vorhin in Ihrer Antwort auf eine Rückfrage gesagt, die Zeit sei noch nicht reif. An den Regierungschef daher die Frage: Können Sie „die Zeit ist noch nicht reif“ ein bisschen eingrenzen? Bis wann werden, glauben Sie, die kompetenzrechtlich vorgese­henen Sicherheitsbehörden wieder an Stelle des Militärs die Grenze kontrollieren?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das hängt wirklich davon ab – und ich kann das sagen, denn ich habe ja eine Regierungserfahrung von 16 Jahren –, wie sich die reellen Situationen entwickeln. Ursprünglich war dieser Einsatz für wenige Jahre geplant. Zu der Zeit, zu welcher es zu einer Welle von Flüchtlingen und von illegalen


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Migranten gekommen ist – es waren ja nicht nur Flüchtlinge darunter, sondern zum Teil auch Menschen, die aus wirtschaftlicher Notsituation einfach die Flucht in den golde­nen Westen angetreten haben, um bei uns besser leben zu können –, zum Beispiel aus den Nachbarländern, die jetzt in der EU sind, die aber damals noch nicht einmal einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt gehabt haben beziehungsweise über deren EU-Mitgliedschaft noch nicht verhandelt wurde, haben wir immer gesagt: Dieser Einsatz ist befristet!

Heute sehen wir, dass die Vorbereitungen – vor allem in Tschechien, in Slowenien und in Ungarn – gut greifen und dass die Zahl der Aufgriffe deutlich zurückgeht. Ich bin der Erste, der sagen wird: Beenden wir diesen Einsatz!, wenn er nicht mehr notwendig ist. – Spätestens dann, wenn die Schengen-Grenze nach außen verlagert wird, ist das klar, die Frage ist nur die, ob es vorher schon geht, was sicherlich wünschenswert wäre. Aber es ist auch die Frage, ob es in allen Teilen gleichzeitig der Fall sein wird.

Der Verteidigungsminister wird uns jetzt für den Sicherheitsgipfel, der in der dritten oder vierten Februarwoche stattfinden wird, die Unterlagen darüber vorlegen, in wel­chen Abschnitten der österreichischen Grenze es noch Aufgriffe gibt. Das ist nämlich nicht überall gleichmäßig der Fall, und man sollte da daher ein flexibles Instrument haben. Das darf aber nicht dauernd publiziert werden, denn sonst kommen die organi­sierten Schlepperbanden drauf, wo es keinen solchen Grenzschutz mehr gibt, und weichen auf diese Orte aus. Wir müssen da also klug vorgehen. Vor allem aber müssen wir die Sicherheit der Menschen garantieren.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1399/M-BR/2005. Ich bitte den Anfragestellter, Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter, um die Verlesung seiner Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1399/M-BR/2005

„Wie stehen Sie zur Frage, die EU-Verfassung in Österreich einer Volksabstimmung zu unterziehen?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Ich habe immer meine große Skepsis im Hinblick auf den Vorschlag, dass alle 25 oder ein Teil der 25 EU-Mitgliedstaaten nationale Referenden machen, öffentlich geäußert. Das ist nicht sehr sinnvoll, mit Verlaub gesagt! (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Das ist nicht zu ver­hindern, Sie haben völlig Recht, aber es ist nicht gescheit. Es ist eigentlich nicht klug, dass 25 Staaten da einen völlig unterschiedlichen Weg gehen.

Ich persönlich bin der Meinung, der richtigere Weg wäre gewesen – und ich habe das mehrere Male auch im Europäischen Rat vorgetragen –, eine europaweite Abstim­mung über die neue EU-Verfassung zu machen.

Das Interessante dabei war: Beim ersten Mal bin ich mehr oder weniger ausgelacht worden. Beim zweiten Mal hat man das schon anders gesehen, als es in einzelnen Ländern zu Schwierigkeiten gekommen ist. Sie müssen ja nur schauen: Viele Länder haben aus innenpolitischen Problemen heraus ein Referendum angesetzt, weil sie die Opposition quälen wollten oder weil sie es der Opposition erschweren wollten, öffent­lich dagegen Stellung zu nehmen, oder weil man sich damit eine bessere Ausgangs­lage für eine innenpolitische Auseinandersetzung, etwa eine Wahl, verschaffen wollte


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oder weil man ein Thema aus einer bestimmten innenpolitischen Situation heraus­halten wollte. Ganz ehrlich gesagt: Ich halte das nicht für fair!

Ich halte das nicht für fair gegenüber der Sache Europas, denn wenn man zu dem, was gemeinsam ausverhandelt wurde, steht – und wir werden wahrscheinlich mit großer Mehrheit oder einstimmig, wie ich hoffe, diese neue europäische Verfassung ratifizie­ren –, dann sollte man auch den Weg öffnen, dass man zusätzlich ein europaweites Referendum für eine solche europäische Verfassung ermöglicht.

Übrigens: Interessanterweise „krebsen“ jetzt einige Länder wieder zurück. – Ich habe schon gehört: Einige Länder, die ursprünglich eine Volksabstimmung angekündigt haben, kommen mittlerweile wieder drauf, dass das vielleicht doch nicht so eine rasend gute Idee ist, und überlegen, ob sie das nicht jetzt wieder zurücknehmen sollen.

Österreich war diesbezüglich, glaube ich, immer berechenbarer und klarer. Ich habe immer gesagt: Wir sind für eine europäische Linie, da verschließen wir uns nicht, aber ein österreichischer Alleingang ist nicht notwendig und wird von mir auch nicht unter­stützt!

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Wie stehen Sie zur Frage der verfassungsrechtlichen Verankerung von verpflichtenden Volksabstimmungen über alle wichtigen Veränderungen der EU, wie etwa Beitritte oder Änderungen des Primärrechtes?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich halte das nicht für sinnvoll. Eine Volks­abstimmung ist dann notwendig, wenn Maßnahmen der EU zu einer Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung führen. Das ist weder bei den früheren Verfas­sungen, wo auch gelegentlich der Ruf gekommen ist: Machen wir eine Volksabstim­mung!, der Fall gewesen, noch ist es bei dieser Verfassung, bei diesem Verfassungs­vertrag, der Fall.

Es gibt, glaube ich, eine Meinung eines Verfassungsrechtlers, der das zwar für möglich hält, aber nicht sehr präzise gefordert oder in Aussicht gestellt hat, aber die überwäl­tigende Mehrheit der Verfassungsrechtler Österreichs, der Europarechtler sagt: Das stellt selbstverständlich keine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfas­sung dar.

Bei Beitrittsfragen ist es eine andere Geschichte, und die ist meiner Meinung nach auch nicht unproblematisch. Daher war ich bei europäischen Ländern, die nach der Verfassung das Recht haben, die Mitgliedschaft zu beantragen, auch immer gegen Referenden. Ich halte es für sinnvoll, dass ein Land über sich abstimmt – wie wir das gemacht haben –, aber ich halte es zum Beispiel nicht für richtig, dass wir über andere Länder eine solche Volksabstimmung abhalten, denn da können viele Dinge mit eine Rolle spielen, von historischen Ressentiments bis zu aktuellen bilateralen Problemen. Daher ist das nicht sinnvoll.

In der Frage „Türkei“ könnten Sie sagen: Da haben Sie es gesagt! – Ja, da stehe ich dazu, weil die Türkei wirklich ein anderer Fall ist. Die Türkei ist ein Land, das zum Großteil – zu mehr als 90 Prozent – nicht in Europa liegt, und bei einem allfälligen Bei­tritt der Türkei gibt es dann überhaupt kein Argument mehr, etwa Ländern wie Russ­land – heute noch nicht aktuell –, Israel, Mittelmeer-Ländern oder Kaukasus-Ländern eine allfällige Mitgliedschaft, so sie dies wünschen, zu verweigern. Dann, bitte, frage ich mich, ob das eine Situation ist, in die man einfach hineinrutschen kann.


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Da mein Vorschlag: Nehmen wir uns Zeit, versuchen wir, andere Optionen, wie etwa eine privilegierte Partnerschaft – von vielen Parteien im Hohen Haus mitgetragen –, als Möglichkeit zu verankern!, nicht gewünscht war, explizit nicht drinnen war, habe ich gesagt: Gut, dann werden wir in dieser Frage quasi als letzte Möglichkeit – sollte es nicht ohnedies zu einer privilegierten Partnerschaft kommen, was ich immer noch für denkmöglich und wünschenswert halte – dieses Instrument einsetzen. – Sonst hätte ich diese Aussage nicht gemacht.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass man über die EU-Verfassung in allen europäischen Ländern zur gleichen Zeit – aber ohne nationales Votum, sondern mit der Mehrheit der gesamten europäischen Bevölkerung zur Verfassung – abstimmen lassen sollte. Das wäre sicher der richtige Weg.

Ich wollte Sie dazu etwas fragen, aber Ihre letzten Ausführungen zu der Zusatzfrage bringen mich doch zu einer anderen Frage.

Zu Ihren Differenzierungen bezüglich der Türkei: Sie sagen, Sie sind nicht der Mei­nung, dass man über ein anderes Land – aus Ressentiments, aus historischen Grün­den – abstimmen kann, und ziehen da geographische Grenzen.

Glauben Sie nicht, dass bei solch einer Volksabstimmung das Ziehen geographischer Grenzen genauso eine willkürliche Festlegung ist und ebenso das Tor öffnet für Res­sentiments, für eine Diskussion „Mitgliedschaft zweiter Klasse“, „Volk zweiter Klasse“ und so weiter?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Aber es heißt „Europäische Union“ und nicht „Eurasische Union“! (Beifall bei der ÖVP.) Das ist ein sehr wichtiger Punkt!

Ich sehe das nicht nur geographisch, sondern auch kulturell, und da lade ich Sie ein, mein Argument schon auch mitzudenken, und ich hoffe, Sie tun es auch.

Niemand bezweifelt, dass die jetzige Regierung in der Türkei unglaubliche Anstrengun­gen unternimmt und auch positive Erfolge auf diesem Weg der Anstrengungen aufzu­weisen hat. Auf der anderen Seite – und ich habe mich sehr lange damit beschäftigt; ich war einige Male in der Türkei, nicht nur in Ankara, nicht nur in Istanbul, ich kenne ein wenig die Situation dort: Meine allererste Auslandsreise, meine Maturareise, führte quer durch die Türkei, quer durch Anatolien ins Heilige Land, und seit dieser Zeit hat mich dieses Land eigentlich immer fasziniert, ich habe da sicher keine Ressenti­ments – weiß man, dass die kulturellen Unterschiede himmelhoch sind

Entweder nehmen wir das, was wir selbst propagieren, ernst: dass die europäische Union ein „Leuchtturm“ – das klingt ein bisschen pathetisch; Entschuldigung! – der Menschenrechte, bestimmter kultureller, bürgerlicher Freiheiten sein soll, oder wir geben es zu wirtschaftlichen Diskontpreisen her.

Wenn wir wissen, dass es für Dissidenten, für Menschen, die eine andere politische Meinung haben, die eine andere Religion haben, gar nicht so einfach ist, für ihre Mei­nung einzustehen, etwas zu publizieren, eine Priesterausbildung etwa in der ortho­doxen Kirche zu machen, als Katholik eine Messe zu feiern – nicht in Ankara, sondern irgendwo im Landesinneren –, dass es Frauen unglaublich schwer haben – heute noch! –, sich gegen die patriarchalische Gewalt oder, besser gesagt, die Dominanz – vielleicht nicht Gewalt, sondern Dominanz! –, die heute kulturell dort selbstverständlich


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gelebt wird, durchzusetzen, dann sollten wir, glaube ich persönlich, da sehr, sehr vorsichtig sein. Ich glaube nicht – ich lasse mich auch nicht gern verdächtigen –, dass das Ressentiments oder historische Belastungen sind. Glauben Sie mir: Ich sehe mich nicht als Graf Starhemberg, der Wien verteidigen muss. Die Zeit ist vorbei. Und vor dem „osmanischen Ansturm auf die Mauern Wiens“ – wie es Herr Strache in Wien behauptet – braucht man sich nicht zu fürchten.

Aber ein gewisses Maß an Klugheit, ein Schuss Selbstbewusstsein, auch kulturelles Selbstbewusstsein würden uns hier gut tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Lindinger gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Wir haben vernommen, dass Sie für eine einheitliche europäische Vorgangsweise zu einer EU-Verfassung sind. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass es doch noch zu einer einheitlichen Vorgangsweise in Europa kommt?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Um ehrlich zu sein, ist es ziemlich sinnlos, dies mehr als dreimal zu probieren. Die Sache ist außerdem ent­schieden, denn folgende drei Länder haben bereits ratifiziert: Slowenien, Litauen und Ungarn. Das erste nationale Referendum wird im März, so glaube ich, in Spanien stattfinden. Die Sache ist entschieden. Ich habe mich da wirklich massiv eingesetzt. Ich war der Einzige, der das in den Sitzungen wirklich thematisiert hat. Ich denke, die Geschichte wird mir, oder uns, da es ein Vorschlag ist, der von vielen Fraktionen unterstützt wurde, Recht geben. Aber für diesen konkreten Fall ist es vorbei.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Welche Verbesserungen bringt die neue Europäische Verfassung gegenüber dem Vertrag von Nizza aus österreichischer Sicht?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Beantwortung dieser Frage würde das Ausmaß eines Referats ausmachen. Ich möchte daher einige für uns ganz wichtige Punkte nennen: Da wäre zunächst die erstmalige Einbindung und Stärkung der natio­nalen Parlamente. Es gibt eine automatische Bremse, wenn mehrere nationale Parla­mente aus Subsidiaritätsgründen gegen einen Vorschlag der Kommission oder ein Gesetz oder eine Richtlinie der Europäischen Union auftreten.

Als zweiter Punkt ist eine deutliche Stärkung der individuellen Bürgerrechte zu nen­nen, ein Rechtszug an den Europäischen Gerichtshof.

Einige ganz grundlegende Elemente sind in dieser neuen Verfassung verankert: So ist beispielsweise die Daseinsvorsorge verankert, die sehr wichtig für die Länder und Gemeinden ist, die Frage des Tierschutzes auf europäischer Ebene, die Frage der Nachhaltigkeit, weiters die Frage verschiedener bürgerlicher Rechte, die ganze Grund­rechtscharta, die jetzt einklagbar und als verpflichtender Bestandteil dieser Europäi­schen Verfassung enthalten ist.

Das sind, so glaube ich, echte Marksteine dieser neuen Europäischen Verfassung. Wir hätten uns in manchen Bereichen – das sage ich offen – noch mehr gewünscht; so etwa mehr Mehrheitsabstimmungen in der Außenpolitik, in der Sicherheitspolitik. Das


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wäre sinnvoll gewesen. Gerade wenn die Union wächst und handlungsfähig bleiben will, darf nicht irgendjemand sagen, dass man sogar bei einer Resolution einen Satz „herausoperieren“ muss, weil Einstimmigkeit bei jedem Beistrich gefordert ist. Das wird nach meiner Überzeugung aber kommen.

Auch im institutionellen Bereich gibt es wesentliche Verbesserungen wie die Schaffung eines quasi-europäischen Außenministers und für die kleineren und mittleren Länder die doppelte Mehrheit. Es ist ein ganz wichtiges Prinzip, dass auch die kleineren Län­der ihren Kommissar, ihre Vertretung bewahrt haben, jedenfalls bis zur übernächsten Finanzperspektive.

Ich persönlich glaube also, dass Österreich mit dieser Verfassung sehr gut leben kann. Es ist weiters interessant, dass die Koalition der mittleren und kleinen Länder, die wir mit den Finnen und Tschechen gemeinsam geschmiedet haben, bis zum Schluss gehalten hat und sehr viel zum Positiven verändern konnte.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1396/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Höfinger, um Verlesung der Anfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Johann Höfinger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler!

1396/M-BR/2005

„Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf Grund des In-Kraft-Tretens der 2. Etappe der größten Steuerreform der Zweiten Republik mit 1.1.2005 auf die Kaufkraft der Bevölkerung?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Für das heurige Jahr kann ich noch nichts beweisen, aber in Bezug auf das vorige Jahr, als ein großer Teil der Steuerreform in der ersten Etappe – die Familienpunkte mit 1. Jänner und 1. Juli – in Kraft trat, sieht man bereits die positive Wirkung. Im Vergleich mit Deutschland beispielsweise haben wir ein um 1 Prozent höheres Wirtschaftswachstum. Im heurigen Jahr rechnen wir damit, dass ein halbes bis ein ganzes Prozent höheres Konsumwachstum der Fall sein wird. Dazu kommen vernünftige Lohnrunden. Das heißt: Es kommt durch beide Ele­mente, eine gute Lohnentwicklung und die Steuerentlastung, mit Sicherheit zu einem wesentlichen Vorteil für die breite Bevölkerung.

Das zweite Element der Steuerreform ist natürlich der Standortvorteil, also die Absen­kung der Betriebssteuersätze auf 25 Prozent und die Halbierung der Besteuerung des nicht entnommenen Gewinns. Das sind gewaltige Standortvoraussetzungen, die Öster­reich für die nächsten zehn Jahre wettbewerbsfähig mit den Nachbarländern machen. Die Slowaken haben beispielsweise einen Einheitssatz von 19 Prozent, allerdings mit verschiedenen Benachteiligungen in der Steuerbemessung, die wir nicht haben. Daher meine ich, dass unsere 25 Prozent mit den Förderungen für Forschung, für die Steuer­bemessung und anderes attraktiver oder mindestens so attraktiv sind wie das, was etwa die Slowakei gemacht hat.

 


Wenn Sie sich die Bewertungen international ansehen – „Frankfurter Allgemeine Zei­tung“, „Financial Times“, „Neue Zürcher Zeitung“ –, dann werden Sie sehen, dass das außerordentlich gelobt und anerkannt wird. Wir haben sehr viele Anfragen von Be­trieben. Es steht auch eine ganze Reihe von Betriebsansiedlungen an, die sich jetzt bereits abzeichnen.


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Präsident Mag. Georg Pehm: Eine Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Höfinger wird nicht gewünscht.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weilharter gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Inwieweit wird sich diese Steuerreform auf die unteren Einkommensschichten auswir­ken?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es wird bewusst darauf geachtet, dass vor allem die kleinen und mittleren Einkommen profitieren. So zahlen 40 Prozent der Steu­erpflichtigen in Österreich heute keine Steuer mehr. Das ist ein ganz wichtiger Impuls und hilft den kleinsten Einkommen. Ich glaube, in keinem anderen Land der Welt gibt es eine solche Situation.

Insgesamt führt dies auch dazu, dass die Abgabenquote drastisch sinkt. Sie wird im Jahr 2006 knapp über 40 Prozent – 40,6 oder 40,7 Prozent – sein, also deutlich weni­ger als zum Höhepunkt mit 45 oder 46 Prozent. Wir haben in diesen fünf Jahren der schwarz-blauen Regierung eine gewaltige Entlastung geleistet. Ich meine, dass die Menschen das auch sehen.

Zu diesem Thema kam vor kurzem eine Studie heraus, die ich zufällig in einer interna­tionalen Zeitung entdeckte, die „Quality of Life Review“ heißt. Dabei werden die 25 EU-Staaten bezüglich der folgenden Frage getestet: Wer kommt mit dem Haushaltsein­kommen am besten aus? – Luxemburg erreicht dabei die allererste Stelle, dann kom­men Irland und Österreich gleich dahinter auf Platz zwei. In der Frage der Arbeitsplatz­sicherheit sind wir auf Platz zwei. In der Frage der Qualität und Zufriedenheit mit der eigenen Ausbildung sind wir auf Platz drei. Was die Qualität und die Zufriedenheit mit dem Sozial- und Gesundheitssystem betrifft, sind wir sogar auf Platz eins. Alles Dinge, die vor allem den Menschen mit kleinen Einkommen besonders zugute kommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Dr. Lichtenecker gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Welche Maßnahmen wurden konkret in der Steuerreform gesetzt für die Einzel- und Kleinunternehmungen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das Wichtigste ist natürlich die Halbierung des Steuersatzes auf nicht entnommene Gewinne. Der zweite Punkt ist die Reduzie­rung der Steuersätze, die wiederum vor allem den kleinen und mittleren Betrieben zugute kommt. Dazu kommt die Senkung bei den Bemessungsgrundlagen für die Sozialversicherung. Das ist ein Thema, das die jungen Unternehmer besonders inter­essiert – die sind da früher echt benachteiligt gewesen. Weiters kommt die Senkung der Lohnnebenkosten um 600 Millionen € in den letzten Jahren dazu, die wir zum Teil gegen den Widerstand der Opposition durchsetzten. – Ich muss schon daran erinnern, dass Sie von der Opposition bei keiner einzigen Entlastung im National- und Bundesrat mitgestimmt haben, was vielleicht der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben soll.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Reisenberger gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Zur vorherigen Beantwortung und der Anmerkung „kleine Einkommen bevorzugt“ möchte ich Folgen-


Bundesrat
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des hinzufügen: Wenn Leute bis jetzt schon keine Einkommensteuer zu zahlen hatten oder ihnen keine Lohnsteuer abgezogen wurde, dann haben sie die Belastungen, die ihnen durch diese Regierung aufgebürdet wurden, eins zu eins zu tragen. Daher ist von einer Verbesserung in diesem Bereich wohl kaum zu sprechen.

Genauso ist es mit der Ankündigung, dass die Steuerreform bedingt ... (Bundesrat Dr. Böhm: Anfrage! Anfrage!) – Ich bin dabei, meine sehr verehrten Damen, Ent­schuldigung! – Entgegen der Ankündigung der Regierung dürfte die Steuerreform nur bedingt geeignet sein, die Kaufkraft der Österreicher, die inländische Nachfrage und die Konjunktur anzukurbeln. Nach Angaben des Wifo und anderer Wirtschaftsforscher belaufen sich die expansiven Effekte der Steuerreform beziehungsweise des entspre­chenden Bundesvoranschlagentwurfes im Jahr 2005 gerade einmal auf 0,28 Prozent des BIP, kosten aber 2005 0,7 Prozent des BIP. Das ist ein mäßiger ökonomischer Effekt.

Daher stelle ich die Frage: Ist es richtig, dass durch die im Jahr 2005 für die Steuer­reform eingesetzten Mittel bessere ökonomische Effekte hätten erzielt werden können; warum haben Sie diese für mehr Arbeit und Wohlstand nicht angestrebt, Herr Bundes­kanzler?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bitten, die Bestimmungen der Geschäftsordnung bei der Fragestunde zu beachten und eine Frage zu formulieren. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Können wir uns darauf einigen, dass null Steuer zahlen das Beste ist, was einem Steuerpflichtigen passieren kann? Minus null gibt es nicht. Wenn 40 Prozent null zahlen, dann haben 40 Prozent keine Steuern mehr zu zahlen. Das ist ein Riesenerfolg! Ich kann nicht versprechen, dass wir das auf 100 Prozent steigern können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen. – Bundesrat Reisenberger: Dann haben 40 Prozent ein mieses Einkommen! So einfach ist es!)

Bezüglich des zweiten Punktes, der den Konsum betrifft, ist zu sagen: Sie haben ja ein kleines ökonomisches Referat mitgebracht. Ich bringe Sie auch gerne mit dem neuen Wifo-Chef Karl Aiginger zusammen. Er schätzt, dass der Konsum im heurigen Jahr auf bis zu 2,5 Prozent gegenüber 1,6 Prozent im letzten Jahr steigen wird. Also ganz so schlecht, wie Sie glauben, ist es nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1402/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Konecny, um die Verlesung. – Bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien):

1402/M-BR/2005

„Werden Sie sich als Bundeskanzler“ – in der erwähnten Generalkompetenz – „dafür einsetzen, dass auch der Zivildienst analog zum Wehrdienst auf sechs Monate verkürzt wird?“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Konecny! Ich danke für das Vertrauen in die „Allzuständigkeit“. (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich werde mich natürlich dafür einsetzen – ich habe dies auch schon öffentlich gemacht –, dass wir, wenn wir den Wehrdienst ab 1. Jänner 2006 um zwei Monate verkürzen, auch den Zivildienst um drei Monate verkürzen. Das ist fair und gerecht.

 



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Präsident Mag. Georg Pehm: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bun­desrat.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Bei der Neuaus­richtung des Bundesheeres erscheint die relativ gewichtige Unterschiedlichkeit in der Zeitdauer der beiden Dienste wohl kaum mehr gerechtfertigt. Die Fragestellung hat sich auf eine Verkürzung auf sechs Monate bezogen. Ich bitte, die ursprüngliche Frage zu beantworten.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die korrekte Frage war: „(...) analog zum Wehrdienst auf sechs Monate (...)“. – Also analog. Herr Bundesrat Konecny! Ich muss schon dazusagen, dass es nicht Willkür von mir oder Beliebigkeit, sondern verfas­sungsrechtlich notwendig ist, dass der Zivildienst länger als der Wehrdienst dauert. Das ist jetzt bitte nicht irgendeine Farce! In der Zivildienstreformkommission bestätigte uns eine überwältigende Mehrheit aller Blaulichtorganisationen und Sozialinstitutionen, dass sie in sechs Monaten die jungen Leute nicht ausbilden und einsetzen könnten. Ich bitte Sie: Bei dem sehr breiten Konsens – insgesamt wurde mit 60 Prozent Mehrheit für die neun Monate abgestimmt; bei den konkreten Einsatzorganisationen war eine fast einstimmige Mehrheit dafür – sollten wir bleiben, wenn wir Wert darauf legen, dass es den Zivildienst im Bereich der Sozialorganisationen geben soll.

Das ist keine Sache, die man leichtfertig in einem parteipolitischen Streit austragen sollte. Ich bin sehr dafür, dass wir diese Elemente aufrechterhalten, denn sonst würden weite Teile der Qualität unseres Sozialsystems nicht mehr gegeben sein. Das kann nicht in Ihrem, aber auch nicht in unserem Interesse sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Haller gemeldet. – Bitte schön.

 


Bundesrat Ing. Hermann Haller (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Ich hätte eine Zusatzfrage dazu, wie die Trägerorganisationen, vor allem die Blaulichtorganisationen, im Zuge der Problematik wegen der Ausbildung zu den sechs Monaten Zivildienst stehen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wie ich bereits vorhin auf die Anfrage von Herrn Bundesrat Konecny sagte, gab es eine überwältigende Mehrheit, die meinte: Mit sechs Monaten könnten sie die Ausbildung und den nachfolgenden Einsatz nicht garantieren, daher sei es absolut notwendig, die neun Monate aufrechtzuerhalten. Das scheint mir auch sinnvoll zu sein. Deswegen werden nach drei Jahren nach In-Kraft-Treten, also hoffentlich mit 1. Jänner 2006, die beiden Ministerien für Inneres und Soziales einen entsprechenden Bericht vorlegen, der die Auswirkungen zeigt. Wir sollten das sehr ernst nehmen.

 


Ich weiß selbst aus vielen Erfahrungen, wie sehr die Arbeit der Zivildiener gerade im Sozialbereich von der Bevölkerung geschätzt wird. Viele Dinge – nicht nur im Sozial­bereich, sondern auch in vielen anderen Bereichen – würden zusammenbrechen, gäbe es den Zivildienst in dieser Form nicht. Da hat der Populismus, so glaube ich, wirklich eine natürliche Grenze. Wenn das einmal „wegkippt“ und die Leute nur mehr die Zeit absitzen, dann, muss ich sagen, hat das Ganze keinen „Lack“, dann lassen wir es lieber. Dann müssen wir uns aber über die Konsequenzen im Klaren sein. (Beifall bei der ÖVP.)


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Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Zellot gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Roland Zellot (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie haben einen Teil davon schon beantwortet, aber: Welche Auswirkungen hätte eine derartige Verkürzung des Zivildienstes für diese Trägerorganisationen?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Eine der Auswirkungen wäre, wenn man das wirklich so drastisch verkürzen würde, dass die Qualität der Ausbildung verringert wird, damit ein Einsatz bei den Menschen noch möglich ist. Dann müssten sozusagen die armen Kunden büßen, die vom Roten Kreuz transportiert oder gepflegt werden, oder die diversen Gruppierungen wie Wohngruppen, schwer Erziehbare oder in Behin­dertenarbeit Betreute. Diese Tätigkeit ist ja nicht einfach. Man darf sich hier wirklich nicht der Illusion hingeben, dass da Leerläufe beinhaltet sind. Das sind schwerste Einsatzfelder, die belastend sind. Daher verstehe ich schon, dass das Interesse der jungen Leute auch dahin gehend ist, dass das nicht ausufern darf und in einem gewissen Verhältnis zum Wehrdienst stehen muss. Das muss auch fair und vernünftig bezahlt werden. Es muss ein Essen geben und so weiter. Aber es muss garantiert sein, dass die notwendige Qualität gegeben ist. Ich glaube daher, dass dieser Vor­schlag – zugegeben, es war ein Kompromiss, aber einer, der überwältigend von den Einsatzorganisationen gewollt und gefordert wurde – eine vernünftige Sache ist, die wir jetzt auch wirklich umsetzen sollten. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundes­rätin Kerschbaum gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Sie haben gerade in einem Nebensatz erwähnt: „fair und vernünftig bezahlt“. Werden Sie sich auch dafür einsetzen, dass Zivildiener künftig Existenz sichernde Bezüge erhalten werden?

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ja, aber der Punkt, um den es geht, ist, dass zum Teil Maximalforderungen gestellt werden, die nicht sinnvoll sind, etwa in der Frage der Essensvergütung. Beim Präsenzdienst gibt es hinsichtlich der Essensvergü­tung, glaube ich, drei Kategorien. Ich kenne mich da nicht so im Detail aus, aber es gibt drei Kategorien. Eine Kategorie ist dafür vorgesehen, wenn man weit vom Heimatort weg ist. Dann erhält man eine besonders hohe Entschädigung. Und manche Zivil­dienstorganisationen verlangen das für alle Zivildiener. Das ist nicht notwendig und ist aus unserer Sicht auch nicht sinnvoll, sondern wenn, dann muss man den Normalsatz nehmen, den jeder Präsenzdiener hat. Das ist, glaube ich, eine Sache, der man durch­aus zustimmen kann.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (den Vorsitz übernehmend): Wir kom­men zur 6. Anfrage, 1400/M, die Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker stellt. – Ich bitte um deren Verlesung.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler!

1400/M-BR/2005

„Welche Initiativen werden Sie im Jubiläumsjahr 2005 setzen, damit endlich eine staatsvertragskonforme Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zur Aufhebung der Orts-


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tafelregelung im Volksgruppengesetz hinsichtlich zweisprachiger Ortstafeln in Kärnten erfolgt?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Doktor! Ich habe nicht erst auf das Jubiläumsjahr gewartet, sondern schon vor zwei Jahren eine Konsenskonferenz einbe­rufen, die eigentlich – ich muss das noch einmal sagen – einen breitestmöglichen Kon­sens erbrachte zwischen allen Parteien auf Bundesebene, allen Parteien auf Landes­ebene und einer von zwei Kärntner Slowenenorganisationen. Und die Heimatverbände wären mit dabei gewesen.

Ich sage es noch einmal: Es war für mich ein wirklich schwer zu verstehender strate­gischer Fehler, dass eine Organisation diesen Gesamtkonsens nicht mitgetragen hat. Wir hätten genau das, was Sie jetzt mit Recht monieren, schon vor zwei Jahren haben können. Dafür sollte man jetzt nicht die Kärntner Landesregierung, die Bundesre­gierung oder irgendjemand anderen verantwortlich machen, sondern tatsächlich die Fehleinschätzung einer dieser Persönlichkeiten. Ich nenne jetzt nicht deren Namen – ich kenne ihn gut –, no bad feelings, aber es war wirklich ein strategischer Fehler.

Ich bemühe mich jetzt seit geraumer Zeit – das war auch so vereinbart mit den Kärnt­ner Parteien, auch mit den Heimatverbänden und den Slowenenorganisationen – um eine gewisse Abkühlphase, damit die diversen Wahlen, Gemeinderatswahlen, Land­tagswahlen und Nationalratswahlen, über die Bühne gehen können, denn es hat keinen Sinn, in einer heißen Atmosphäre so etwas aufzuschaukeln. Die Lösung muss vor Ort, in Kärnten, gefunden werden! Hilfestellung unsererseits jederzeit, aber das Mit­einander-Leben, die Atmosphäre, das muss dort passieren. Was richtig ist in Palästina oder in Aceh oder in Südtirol, das muss bitte auch bei uns gelten. Wir müssen mit den Menschen vor Ort die notwendigen Voraussetzungen schaffen, damit diese guten Gewissens sagen können: Ja, das ist eine vernünftige Lösung.

Ich habe im Herbst die Kärntner Parteien eingeladen und habe gesagt, ich bin bereit, die Konsenskonferenz wieder aufleben zu lassen. Ich habe gefragt: Wann soll ich einladen? Daraufhin ist der Wunsch geäußert worden, zunächst einmal eine Verhand­lungsrunde in Kärnten abzuhalten, was ich für sehr gescheit gehalten habe. Diese ist mittlerweile erfolgt, und ich werde in den nächsten Wochen einen Termin suchen; irgendwann Ende Februar werde ich abermals zu einer solchen Runde einladen. Ich hoffe sehr, dass wir vielleicht diesmal eine gemeinsame Lösung zustande bringen.

Ich sage Ihnen aber auch ganz offen, Frau Dr. Lichtenecker: Erzwingen sollte man so etwas nicht! Was daraus wird, hat man einmal gesehen. Ein großer Vorgänger von mir hat das versucht – das Ergebnis waren nicht Lösungen, sondern eher quälende Strei­tereien. Mir wäre es wichtig – auch wenn wir ein paar Monate länger brauchen –, dass eine gemeinsame Lösung, zu der wirklich jeder ja sagen kann, zustande kommt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Welche Vorgangsweise beziehungsweise konkrete Zeitschiene werden Sie der ange­sprochenen Runde vorschlagen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich stehe Tag und Nacht zur Verfügung, und je früher das gelöst wird, umso besser. Aber, mit Verlaub gesagt, ich glaube nicht, dass man hier mit Fallfristen oder Ultimaten arbeiten sollte, das wäre nicht sinnvoll.

 



Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zu einer weiteren Zusatzfrage von Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundeskanzler! Es wurde jetzt nur das Land Kärnten angesprochen, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat aber auch Auswirkungen auf mein Heimatland, das Burgenland. Auch im Burgen­land müssten noch in vier Gemeinden zusätzlich zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden. Wann wird das passieren?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Genauso wie mit den Kärntner Freunden werden wir das in einem guten Gespräch mit den Landespolitikern und mit den ent­sprechenden Organisationen diskutieren, und der Zeitplan wird davon abhängen. Im Burgenland ist das aber vorbildlich gelungen, möchte ich wirklich ausdrücklich sagen. Es hat nie Probleme gegeben, obwohl es in früheren Jahrzehnten auch manche Aus­einandersetzungen gegeben hat. Im Burgenland ist das so gelungen, wie ich mir vor­stelle, dass es auch in Kärnten am Ende ausschauen könnte.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Nächste Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Tiefnig. – Ich bitte, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundeskanz­ler! Wie lange hat es im Burgenland gedauert, bis in den von kroatischen Volksgruppen bewohnten Gebieten zweisprachige Ortstafeln aufgestellt worden sind?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich schaue deswegen in meinen Unterlagen nach, weil man derartige Fragen doch präzise beantworten muss – alles andere natür­lich auch –, und ich weiß die entsprechenden Daten nicht alle auswendig.

Am 22. Juni 2000 ist die Topographie-Verordnung Burgenland in Kraft getreten, hat 28 Gemeinden, davon insgesamt 47 kroatisch gemischtsprachige Ortschaften und vier Gemeinden mit insgesamt vier ungarisch gemischtsprachigen Ortschaften vorgesehen. Innerhalb von sechseinhalb Wochen – das war wirklich sensationell – sind die letzten dieser insgesamt 260 Ortstafeln aufgestellt worden. Alle Bürgermeister sind persönlich kontaktiert worden, alle Bezirkshauptmannschaften und Gendarmeriekommanden sind zeitgleich informiert worden. Das ist ein wirkliches Musterbeispiel dafür, wie gut so etwas gelingen kann.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Ing. Kampl.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Lösungen positiver Art nur im Einvernehmen mit der Bevölkerung sind wichtig, aber, sehr geehrter Herr Bundeskanzler: Der Verfassungsgerichtshof hat am 13. De­zember 2001 in seinem Erkenntnis die 25-Prozent-Regelung ausgesetzt, aber keinen anderen Prozentsatz festgelegt. Sie wollen in nächster Zeit zu einer Konsenskonferenz einladen. Was hat sich in dieser Frage geändert?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der Anlassfall – da muss man jetzt sehr präzisieren; ich habe das Urteil nicht im Kopf – war, dass jemand mit überhöhter Geschwindigkeit durch ein Ortsgebiet gefahren ist und quasi testen wollte, ob eine Gemeinde, die einen ausgewiesenen anderssprachigen Bevölkerungsanteil von knapp über 10 Prozent hat, ein Anrecht darauf hat. Auf Grund dieser Geschichte ist die 25-


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Prozent-Grenze aufgehoben worden; das ist völlig richtig. Es ist auch keine präzise andere Grenze festgelegt worden. Aber aus der Urteilsbegründung des Verfassungs­gerichtshofes heraus lässt sich implizit natürlich schließen, dass der VfGH der Meinung ist, dass eine solche Bandbreite, die nicht näher definiert ist, sich aber in etwa an dieser Grenze zu orientieren hat, die Lösung sein wird.

Juristisch, da haben Sie Recht, ist nichts anderes implementiert worden, es wurde nur die 25-Prozent-Bestimmung aufgehoben. Daher ist, wenn man so will, eine lex im­perfecta da. Es gibt auch keine juristische Konsequenz, außer vielleicht ein unbefrie­digendes Gefühl in der Magengrube, dass das nicht die vom VfGH gewollte Lösung sein kann. Deswegen – weil Sie gefragt haben, was sich geändert hat – besteht die Notwendigkeit, eine weitere Konsenskonferenz anzuberaumen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zur 7. Anfrage. – Herr Bundesrat Hösele, ich darf Sie um Verlesung der Frage bitten.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1397/M-BR/2005

„Welche Ergebnisse haben die von der Bundesregierung veranstalteten beiden Re­formdialoge zum Thema ,Forschung‘ erbracht?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zunächst einmal: eine komplette Neuordnung der Forschungsorganisationslandschaft. Sie erin­nern sich, es hat jahrzehntelang immer Kritik an der Aufsplitterung der Fördertöpfe gegeben, die Ministerien haben zum Teil gegeneinander gearbeitet, Anträge sind hin- und hergeschupft worden, es gab keine klare Zuordnung. Das ist mit dem Organisa­tionsgesetz alles neu geordnet.

Wir beziehungsweise der Herr Vizekanzler hat den Spatenstich für das Haus der For­schung gemacht, das in etwa in einem Jahr fertig werden und ein ganz großer Schritt nach vorne sein wird. Adresse: Sensengasse, beim neuen AKH. Das wird ein ganz großer Schritt nach vorne sein, um die Forschungslandschaft wirklich zu bündeln und erstklassige Ergebnisse zustande zu bringen.

Zweiter Punkt: Es hat natürlich wesentlich mehr Geld gegeben. Es gibt bei uns einer­seits steuerliche Förderungen wie in kaum einem anderen Land der Europäischen Union – 8 Prozent Prämie, 25 bis 35 Prozent steuerliche Absetzmöglichkeiten für Forschungsaufwendungen –, und wir haben andererseits Direktförderungen in einer Größenordnung von etwa 1 Milliarde € zusätzlich von der öffentlichen Hand eingesetzt. Dazu kommen noch massive Anstrengungen seitens der Privatwirtschaft, vor allem bei den kleineren und mittleren Betrieben, sodass wir in Summe die Forschungsausgaben innerhalb von zehn Jahren verdoppelt haben und uns nach vorne gerobbt haben – über den EU-Schnitt hinaus. Wir lagen ja weit unter dem EU-Schnitt, vor zehn Jahren lagen wir bei 1,5 Prozent, heute liegen wir bei fast 2,3 Prozent Forschungsausgaben. Das ist aber noch nicht genug, ich bin damit noch keineswegs zufrieden.

Die Ergebnisse spürt man aber schon: Akademie der Wissenschaften, Eliteuniver­sitätsdiskussion, IMP, Biotechnikzentrale, Penninger, Zeilinger, Schuster, Krems, MedAustron in Wiener Neustadt. Das sind die Ergebnisse, die ganz konkreten Ergeb­nisse, wie sich diese Forschungsoffensive niederschlägt. Wir haben in etwa doppelt so


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viele Arbeitsplätze in der Hightechforschung als noch vor einigen Jahren, und das ist, glaube ich, ein richtiger Weg, der von der Community auch anerkannt wird. Natürlich wird gesagt, noch mehr wäre noch besser, ganz klar, aber wir hoffen, dass jetzt auch die Universitäten aufwachen und mit ihrer neuen Autonomie wirklich das Ihre dazu beitragen, dass das ein noch größerer Erfolg in den nächsten Jahren wird.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hösele.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, danke für diese eindrucksvolle Kurzdarstellung. Sie haben die Frage der indirekten Forschungsförderung hinsichtlich der Besteuerung von Forschungsaktivitäten schon kurz angesprochen. Sie haben auch den internationalen Vergleich dazu angestellt. Könnten Sie das etwas ausführen? Wir halten da wahrscheinlich dem internationalen Vergleich ganz gut stand.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Wie ich schon angedeutet habe, sind wir wahrscheinlich mit Irland das attraktivste Forschungsland, was die Steuervorteile be­trifft. Neben den 25 Prozent und der Halbierung bei den nicht entnommenen Gewinnen kommt für die kleinen Betriebe noch die Forschungsprämie von 8 Prozent dazu, und für die größeren, ertragsstärkeren Betriebe kommen enorme Absetzmöglichkeiten da­zu. Ich habe gestern ein Gespräch mit einigen großen Biopharmaproduzenten geführt, die in Österreich produzieren. Die schätzen das außerordentlich und sagen, das ist auch die einzige Chance, gegen den härtesten Wettbewerb aus Asien oder Amerika oder woher auch immer zu bestehen.

Diese steuerlichen Vorteile müsste man wahrscheinlich sogar noch stärker evaluieren, aber das ist, glaube ich, eines der Geheimnisse dafür, dass auch die Forschungsquote so ansteigt.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. – Bitte, Herr Professor.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Gestatten Sie mir eine Frage, die mir schon auf Grund meines Zivilberufes natürlich besonders am Herzen liegt und auf die Sie ja bis zu einem gewissen Grad schon eingegangen sind: Welche Beispiele internationaler Spitzenforschung gibt es derzeit in Österreich, und wie ließe sie sich weiter fördern und ausbauen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Einen Teil habe ich genannt, nämlich den gesamten medizinischen Bereich. Ich denke, dass auch die Einrichtung der unabhän­gigen und autonom agierenden Medizinuniversitäten ein ganz wichtiger Impuls sein wird – in Verbindung mit Kliniken, das ist der entscheidende Punkt. Und da haben wir in Österreich eigentlich eine einmalige Situation, weil sowohl von der Forschung als auch von der klinischen Erprobung eine Schiene gegeben ist. Da könnte wiederum auch in Verbindung mit MedAustron und mit verschiedenen anderen Bereichen etwas wachsen, was eine beachtliche Bedeutung haben kann.

Die Wiener Schule ist nach wie vor sensationell, ebenso Innsbruck, zum Teil auch Graz. Es gibt Leute aus der ganzen Welt, die in bestimmte Krankenhäuser kommen, um Hüfttransplantationen oder Knieeingriffe vornehmen zu lassen oder auch Herz­operationen oder Transplantationen; als Beispiel sei die beidseitige Unterarm- und


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Handtransplantation in Innsbruck unter der Leitung von Professorin Piza erwähnt. Das sind phantastische Leistungen im Medizinbereich.

Der zweite große Bereich, der spannend ist, ist die Werkstofftechnik. Mit der Tech­nischen Universität Graz, Wien und vor allem mit der Montan-Universität stehen drei Cluster zur Verfügung, die zur Folge haben, dass wir mittlerweile rund 300 000 Arbeits­plätze im ganzen Automotiv-Sektor haben. Das hängt sehr eng damit zusammen, dass die Universitäts- und Unternehmenskooperation wirklich hervorragend funktioniert. – Das ist zum Beispiel ein zweiter Bereich: Mechanik und Werkstofftechnik.

Ein dritter Bereich, der aus meiner Sicht gerade in den jüngsten Meldungen sehr stark im Vordergrund steht – Einstein-Jahr und so fort –, ist die Physik, Zeilinger. Da ist eine Schiene zwischen Wien und Innsbruck entstanden, die wahrscheinlich im Moment die Spektakulärste überhaupt ist und möglicherweise auch zu höchster internationaler Anerkennung führen kann. Zeilinger und Schuster haben bekanntlich den Europapreis bekommen. Das ist nicht selbstverständlich und in den wissenschaftlichen Qualifikatio­nen mindestens so viel wert wie der Nobelpreis.

Das sind drei Beispiele – man könnte noch andere nennen, aber das führt zu weit. Danke für das Interesse.

Das wäre wirklich auch ein Thema, das das Hohe Haus verstärkt an sich ziehen sollte, denn das Wichtigste, was die Forscher brauchen, ist Anerkennung. Das sind nicht irgendwelche Spinner, die daheim vor der brodelnden Eprouvette sitzen, sondern das sind Menschen, die spannende Dinge machen, die natürlich auch für die Zukunft des Landes von größter Bedeutung sind.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Nächste Zusatzfrage: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Warum befanden sich denn unter den 50 Expertinnen und Experten, die zu den Reformdialo­gen beigezogen worden sind, gerade einmal fünf Frauen?

 



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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich habe nicht nachgezählt, muss ich ehrlich sagen. Ich bezweifle, dass die Zahl 5 stimmt, ich glaube, es waren mehr; ich kann nur versprechen, wir werden uns bessern. Ich werde mit der zuständigen Frau an der Spitze des Ministeriums reden, die sich um dieses Thema ohnehin sehr annimmt. Ich meine schon, dass man darauf achten sollte, dass vor allem die Qualität stimmt, anstatt jetzt Quoten zu fixieren.

Dort, wo es qualifizierte Frauen gibt, gilt selbstverständlich: Vor den Vorhang! Diese Bundesregierung ist ein lebender Beweis: zwölf Ministerien, sechs davon werden von Frauen geführt. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Nächste Zusatzfrage stellt Frau Mag. Neuwirth. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Die Situation von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ist trotz dieser Forschungs­initiative Ihrerseits bekanntermaßen immer noch so unbefriedigend, dass wir viele dieser jungen Leute ans Ausland verlieren.

 


Ich frage Sie deshalb: Welche Anreize und konkreten Maßnahmen sollen Ihrer Mei­nung nach in Zukunft gesetzt werden, um diese innovativen Menschen in Österreich zu halten oder sie wieder nach Österreich zurückzuholen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich danke Ihnen vor allem für den letzten Satz, denn es wäre ganz schlecht, würde man jetzt sagen: Wir verlieren jemanden ans Ausland. Es sollte wirklich in beide Richtungen gehen. Ich halte es nicht für schlecht, wenn junge Wissenschafter und Wissenschafterinnen im Ausland Erfahrung sam­meln – und, bitte, Europa ist auch kein Ausland mehr –, aber wichtig ist, dass sie auch wieder zurückkommen. Penninger ist so ein Beispiel, und Penninger hat zum Beispiel dreißig andere mitgebracht.

Wir haben heute – das ist nämlich schon interessant – einige Universitätsinstitute oder Akademieinstitute, die zu zwei Dritteln von Wissenschaftern besetzt sind, die nicht in Österreich geboren sind, die aber Österreich so interessant finden, dass sie bewusst hier arbeiten; Kanadier, Chinesen, Türken, Deutsche natürlich und viele andere. Das halte ich für das Spannende. Es darf kein Einweg sein, dass sozusagen die Besten in einem Brain Drain abwandern und nie mehr zurückkommen, sondern wichtig ist, dass das in Europa gut funktioniert, dass wir die Vernetzungen in Europa bestmöglich nützen – da hat zum Beispiel die Universität Graz mit dem Grazer Prozess eine Leit­funktion für den gesamten südosteuropäischen Raum –, dass wir aber auch so attraktiv werden, dass wir junge Wissenschafter aus der ganzen Welt bei uns anwerben können.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wir kommen zur 8. Anfrage, und ich bitte Herrn Bundesrat Binna um Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Bundeskanzler!

1403/M-BR/2005

„Wie beurteilen Sie als Sportminister die Situation um den Neubau eines Fußballsta­dions für die EM 2008 in Kärnten?“

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Eigentlich gut, denn soweit ich von Sport-Staatssekretär Schweitzer informiert worden bin, ist der Prozess der Auswahl der Be­werber in vollem Gang und wird wahrscheinlich Anfang März zu einem positiven Ab­schluss führen.

Betreiber, das wissen Sie, oder Auswähler ist ja nicht der Bund, sondern die Stadt Klagenfurt ist verantwortlich dafür. Wir unterstützen sie selbstverständlich dabei, wir stehen auch mit Know-how und Expertise jederzeit zur Verfügung, finanzieren fest mit, wie immer, wenn gute Ideen aus den Bundesländern kommen. Die vier Standorte Wien, Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg sind, glaube ich, gut gewählt, auch regional sehr verstreut, und es wird ein großer Erfolg werden.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): In der letzten Ausgabe des Nachrich­tenmagazins „profil“ wurden in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegenüber einem Sektionschef Ihres Hauses formuliert. Wie beurteilen Sie als Bundeskanzler und Dienstvorgesetzter dieses Sektionschefs die dort dargestellten Sachverhalte?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 



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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Der Sport-Sektionschef, um den es hier geht, hat sich meines Wissens – ich habe das auch nur im „profil“ gelesen – darum be­müht, dass die zum Teil an die Öffentlichkeit gedrungenen Streitereien zwischen zwei Bewerbern gemildert werden. Das halte ich noch nicht für abwegig, das ist gescheit.

Wichtig ist, dass ein objektives klares Verfahren da ist, das transparent nachvollziehbar ist, und dass ohne Intervention, schon gar nicht von irgendwelchen Politikern, Stadt, Land oder Bund, der beste Bewerber zum Zug kommt. Das ist der entscheidende Punkt. Das garantiert mir Sport-Staatssekretär Schweitzer, das garantiert mir Bürger­meister Scheucher aus Klagenfurt, und das garantieren jetzt auch die Landesspitzen von Kärnten, daher steht meiner Meinung nach einer positiven Entscheidung nichts im Wege.

Wenn es wider Erwarten wiederum zu einem Stolperer kommen würde, dann – sage ich ganz offen – wird das vom Zeitablauf her sehr schwierig werden. Das sollten alle Beteiligten wissen, auch die Mitbewerber, die ja immer wieder gerne die Öffentlichkeit einschalten.

Wenn Sie mit mir reden, dann sprechen Sie mit einem, der sechs Jahre lang Wirt­schaftsminister war, Hochbau-Verantwortlicher, Straßenbau-Verantwortlicher. Ich habe diese G’schichterln, die da im „profil“ abgedruckt worden sind, bei jeder größeren Ver­gabe erlebt. Und da hilft nur eines: ganz klar, transparent einen objektiven, sauberen Weg gehen. Das ist der einzige Weg. Keiner Intervention nachgeben, rein auf Qualität achten. Ich hoffe, das macht Klagenfurt.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Nächste Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Saller, bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Erachten Sie es als einen sinnvollen Aufwand, die doch relativ kleinen bestehenden Stadien auszubauen?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sicher, Herr Bundesrat, denn sonst könnten wir solche Großveranstaltungen überhaupt nicht mehr oder nur noch in Wien veranstal­ten. Wir haben ein einziges Stadion, nämlich das Wiener Stadion, das Praterstadion, das solche Großveranstaltungen mit 50 000 und mehr Zuschauern abwickeln könnte. Und da bin ich eigentlich ein fanatischer Föderalist: Es hat einen Sinn, dass man in ganz Österreich solche Veranstaltungen macht. Sie rechnen sich auch. Es gibt eine ganze Reihe von Umwegrentabilitätsberechnungen, die zeigen, dass durch solche Großereignisse erstens Arbeitsplätze, vor allem aber Aufmerksamkeit geschaffen wird. Und Aufmerksamkeit ist die „Währung“ des 21. Jahrhunderts. Österreich ist – pro Kopf gerechnet – das Tourismusland schlechthin. Und wie, wenn nicht über solche sport­liche Großevents, können wir unseren Namen angesichts von 300 Mitbewerbern in die Welt hinausbringen?

Für uns ist das eine einmalige Chance, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Wien als freundliche, offene, sichere, touristisch einwandfreie und faszinierende Begegnungs­stätten sichtbar zu machen. Und deswegen setze ich mich dafür ein, egal ob im Winter für Schiweltmeisterschaften, Winterolympiade oder für eine Fußball-Europameister­schaft – das ist die weltweit drittgrößte Sportveranstaltung, die es überhaupt gibt. Und ehrlich gesagt: Da will ich dabei sein. Es wird auch ein Riesenerfolg werden, da können Sie ganz zuversichtlich sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 



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Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Wie beurteilen Sie als Sportminister die Situation um den Ausbau des A-1-Ringes im steiri­schen Spielberg, die Motorsportstätte?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: „Ausbau“ ist gut! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Im Moment müssen wir den A-1-Ring wieder herstellen. Das werden wir auch tun.

Weil gelacht wird – ich hätte das nicht gesagt, aber weil auf der linken Seite gelacht wird, meine Herren; die Damen haben nicht gelacht, die Herren haben gelacht (Bun­desrat Gruber: Wegen dem „Ausbau“!) –, sage ich Ihnen Folgendes: Ohne mich als Wirtschaftsminister gäbe es den A-1-Ring überhaupt nicht! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: So ist es!) Denn damals, als Waltraud Klasnic und Gerhard Hirschmann – ich nenne bewusst diese beiden, denn die haben das eigentlich durchgesetzt – an mich und an den Bund herangetreten sind und gesagt haben: Wir brauchen das für die Region, wir wollen das gerne machen!, war beim damaligen Bundeskanzler Vranitzky keine Begeisterung vorhanden: Wozu brauchen wir dieses Spektakel? Der damalige Finanzminister Ferdinand Lacina war geradezu ein wütender Gegner all dieser Großveranstaltungen: Was soll das, wenn ein paar im Kreis fahren?! Das ist überhaupt absurd! Die Grünen waren dagegen. – Natürlich ist das keine Blumenwiese (Bundesrat Schennach: Asphaltwüste!), die dort entsteht, ein Rennring ist natürlich aus Asphalt, pfui! (Heiterkeit.) Das muss man schon dazusagen. Und alle, die heute Krokodilstränen weinen und fragen, wie das in Zukunft sein wird, sollen wissen, wer sich immer für diese Events eingesetzt hat.

Ich sage ganz offen: Das war auch sehr sinnvoll. Und im Prinzip ist das Projekt, das entwickelt wurde – sehr groß geworden ist es am Ende –, natürlich ein faszinierendes Projekt. Das, was wir dazu beitragen können, damit wir dort wieder einen Rennver­anstalter, eine Rennmöglichkeit haben, mit vor- und nachgelagerter Struktur, wird getan werden. Nur: Der Staat kann das natürlich nicht machen, sondern da müssen private Betreiber auftreten. Und die werden wir auf Händen tragen.

Alle, die manche dieser Großprojekte von vornherein immer kritisieren und nichts als Stolpersteine entwickeln, sollen sich gut überlegen, was sie tun. Ein Investor ist nämlich schnell vergrämt, und dann hat in der Regel die Politik den Kopf hinzuhalten oder die Probleme.

Wir nehmen das gerne auf. Die Frau Landeshauptmann und ich werden uns sicher darum kümmern. Aber es sollen alle, die jetzt weinen, darüber nachdenken, was sie in Hinkunft besser machen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Auch für den Bau eines Stadions braucht man eine Umweltverträglich­keitsprüfung. Ein Stadion ist ja auch nicht in einem halben Jahr gebaut. Gibt es irgend­welche Vorkehrungen, falls das Stadion in Klagenfurt nicht rechtzeitig fertig werden sollte, gibt es Ausstiegsszenarien, um die EM in Österreich trotzdem durchführen zu können?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Bundesrätin! Ich darf hier ganz ehrlich sein – und das müssen Sie nicht unbedingt senden –: Wenn wir von einem Ausstiegs­szenario auch nur reden würden, wären wir schon ausgestiegen. Glauben Sie mir das!


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Es wartet niemand auf die störrischen Österreicher. Entweder wir wollen eine Großver­anstaltung haben – oder nicht. (Bundesrätin Kerschbaum: Falsch!)

Mit Verlaub gesagt, das muss man ganz nüchtern sehen. Einen Plan B, wenn etwas nicht funktioniert: Da lauern zig andere Bewerber vor der Tür, hungrig, mit Messer und Gabel, umgebundener Serviette. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen jetzt zur 9. Anfrage.

Der als krank gemeldete Bundesrat Gottfried Kneifel hat gemäß § 63 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung sein Einverständnis bekannt gegeben, dass Herr Bundesrat Mag. Baier in das Fragerecht eintritt. Ich bitte daher Herrn Bundesrat Baier um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Die Frage:

1398/M-BR/2005

„Wie beurteilen Sie die Kandidatur von Linz zur Kulturhauptstadt Europas?

 



Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es wird Sie nicht überraschen: Großartig! (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Lichtenecker.) Denn – jetzt kommt das Argu­ment – erstens hat Graz gezeigt, wie man das macht, und das war ein hinreißender Erfolg. Dort hat es übrigens die gleiche Diskussion gegeben: Wie ist das mit der Um­welt? Bekommen wir dadurch nicht mehr Verkehr? Wie wird das alles sein? Und die Massen! – Super war das Ganze! Es hat für die Stadt etwas gebracht, für die Bewoh­ner etwas gebracht, der Tourismus ist gewachsen, also eine Win-win-win-win-Situation.

Linz ist hervorgegangen aus einem Auswahlprozess – als einziger Bewerber, muss ich dazusagen, aber die haben das auch sehr geschickt gemacht, die haben sich so prä­sentiert, dass alle anderen sofort der Mut verlassen hat und gesagt haben: Wir wissen, gegen Linz haben wir keine Chance!

Linz hat natürlich einige wirkliche Juwele anzubieten, das Lentos, das Bruckner-Haus, die Ars Electronica, eine Tradition als Kulturstadt (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das künftige Musiktheater!), das künftige Musiktheater selbstverständlich mit eingeschlos­sen, das ist auch ganz klar, das brauchen wir selbstverständlich auch für diesen Groß­event. Und der Bund wird das selbstverständlich unterstützen.

Ich freue mich von Herzen. Wir werden Linz sehr unterstützen. Es wird ja gemeinsam mit Vilnius in Litauen eine Doppelkulturhauptstadt darstellen. Wir werden das mit den Balten besprechen, sodass man da möglichst gemeinsam auftritt. Ich freue mich sehr darauf.

Nachdem unter österreichischem EU-Vorsitz nächstes Jahr auch Kultur ein wichtiges Thema sein wird, können wir einen Bogen 2003–2006–2009 spannen. Das wird, glau­be ich, auch für die Kulturpolitik ganz interessant werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler. – Keine Zusatzfrage.

Aber Herr Bundesrat Gudenus wünscht eine Zusatzfrage. – Bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundeskanzler! Können Sie sich die Kulturhauptstadt Linz ohne neue Kulturbauten vorstellen? (Zwischenrufe bei den Grünen.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Bundesrat! Ich darf ganz offen sagen: Ich bin nicht der Veranstalter der Kulturhauptstadt, das muss Linz wissen. Aber persön­lich, wenn Sie mich so fragen in der Allzuständigkeit als Bundeskanzler und Kultur­minister, bin ich sehr dafür und unterstütze den Landeshauptmann von Oberösterreich wirklich in seinem Bestreben, eine absolut perfekte Spielstätte für Musiktheater, für alle möglichen Veranstaltungen zu schaffen. Das ist ganz, ganz wichtig. Und der ausge­wiesene Kulturpolitiker Pühringer hat da natürlich jede Unterstützung des Bundes. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundeskanzler.

Nächste Zusatzfrage? – Frau Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Es erfüllt mich ja mit Stolz und Freude, dass wir die Kulturhauptstadt 2009 sind. Herr Minister! Wir haben in Linz das Problem, dass die freie ... (Rufe bei der ÖVP: Bundeskanzler!) – Kultur­minister, Entschuldigung! (Heiterkeit bei den Grünen.) Wir haben in Linz das Problem im Zusammenhang mit der freien Szene, also Theater Phönix, Stadtwerkstatt, KAPU und so weiter, dass die Ressourcen fehlen. Schlichtweg dadurch, dass auf Grund der Steuerreform weniger Ressourcen für die Städte vorhanden sind.

Meine Frage an Sie: Gibt es in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Mittel speziell für die Stadt Linz, um direkt die Projekte zu fördern?

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundeskanzler, nachdem Sie den Herrn Staatssekretär beauftragt haben, diese Frage zu beantworten, bitte ich nun den Herrn Staatssekretär um die Beantwortung.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich bin ja fast dankbar für diese Frage. (Heiterkeit. – Bundesrätin Bachner: Die war bestellt!) Einfach deswegen, weil gerade in diesem Bereich die Prügel richtig auf dem Weg liegen. Sie erinnern sich noch an die Diskussion betreffend Wiener Festwochen, Wien, Verteilungsgerechtigkeit innerhalb Österreichs. Und das ist eine ganz wesentliche kulturpolitische Frage, die Sie hier stellen. – Entschuldigen Sie, aber ich muss ein bisschen ausholen. (Zwischen­ruf.) – Nicht lange, okay. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, dass die Frage der Verteilungsgerechtigkeit wesentlich ist. Ich meine aber, dass wir gerade im Bereich der freien Szene die Mittel deutlich angehoben haben. Sie erinnern sich noch an die Diskussion betreffend Wiener Festwochen, dass 2,4 Prozent für die Wiener Festwochen sind, 12 Prozent für die freie Szene. Selbstverständlich wird auch mit Linz – wir sind unter anderem auch im Gespräch mit der Stadtwerkstatt – das Gespräch weiter fortgesetzt, und wir sind bemüht, hier die Mittel aufzustocken.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Kollege Stad­ler. – Bitte.

 


Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Sie haben schon ein paar Mal erwähnt, dass Sie den oberösterreichischen Landeshauptmann unterstützen werden. Ich hoffe, Sie unterstützen auch den Bürgermeister von Linz bei seinem Projekt Kulturhauptstadt 2009.

Eine Frage zu den finanziellen Mitteln: Hat es Ihrerseits schon Gespräche gegeben über Zusagen beziehungsweise die Bereitstellung finanzieller Mittel für das Pro­jekt 2009?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 



Bundesrat
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Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Die Zusage, zu unterstützen, bezieht sich nicht nur auf Oberösterreich, das war die Frage mit dem Musiktheater, sondern bezieht sich, was die Kulturhauptstadt betrifft, auch und selbstverständlich auf Linz, auf den Bürgermeister und auf die ganze Stadtregierung. Das wird gemeinsam vertreten von Dobusch und Watzl, die das hervorragend machen. Sie werden auch von uns tatkräftig und finanziell unterstützt nach dem gleichen Modell, wie wir das in Graz gemacht haben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 10. Anfrage, 1404/M. Ich bitte den Fragesteller, Herrn Bundesrat Manfred Gruber, um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Meine Frage:

1404/M-BR/2005

„Warum hat die Bundesregierung trotz Entschließungsanträgen der Opposition, aber auch der Regierungsfraktionen und mehrfacher Aufforderung durch eine Reihe von Tourismusverbänden und der Hoteliersvereinigung keine Regierungsvorlage erarbeitet, mit welcher eine Verschiebung der Semesterferien im Interesse der österreichischen Tourismuswirtschaft hätte erzielt werden können?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Es hat mehrere Verhandlungsrunden zwi­schen dem Bildungsministerium, das zuständig ist, den Landesschulräten und natürlich auch der Tourismuswirtschaft gegeben. Nach der geltenden Gesetzeslage hätte bis 31. Dezember 2003 ein Antrag eines betroffenen Bundeslandes und des Landesschul­rates gestellt werden müssen, und zwar ein gleich lautender Antrag. Kein einziges Bundesland hat einen solchen Antrag eingebracht.

Es hat dann noch im Februar 2004 eine Gesprächsrunde mit Wirtschaft, Freizeitwirt­schaft, Bildungsministerium und den Ländern Wien und Niederösterreich gegeben. Dort hat es Einigkeit gegeben, dass im Hinblick auf die Planungssicherheit eine zu kurze Vorlaufzeit gegeben wäre – daher konnte man nichts machen.

Ehrlich gesagt, der Kalender ist relativ lange im Voraus bekannt. Man müsste eigent­lich erwarten können, dass auch die Tourismuswirtschaft und die betroffenen Länder rechtzeitig wissen, wann ein Problem auf sie zukommt. Wir sind jederzeit bereit, eine entsprechende Initiative aufzugreifen. Aber, bitte, nicht böse sein, gerade ihr als Länderkammer könnt nicht den Bund schelten, dass er etwas nicht gemacht hat, was kein einziges Bundesland verlangt hat. Das ist, glaube ich, das Grundproblem: Jeder spielt den Ball zum anderen und sagt dann: Pfui! Ich meine, dieses Spiel ist ermüdend.

Man sollte sich rechtzeitig zusammensetzen, den Plan für die nächsten fünf Jahre hernehmen und schauen, wie es ausschaut. Wer stellt einen Antrag? Wie gehen wir vor? – Dann haben wir nicht immer diese wiederkehrende Frage, die ich allein in meiner Amtszeit schon drei- oder viermal erlebt habe, weil sich das immer wieder ballt.

Viele Probleme hängen nicht von uns ab, sondern von der Ferienordnung in Deutsch­land, und darauf haben wir ja bekanntlich keinen Einfluss.

Unsere Idee, eine europaweite Regelung zu ermöglichen, ist natürlich kläglich geschei­tert. Erstens ist es keine Gemeinschaftskompetenz, zweitens haben die National­staaten gesagt, dass sie sich nichts dreinreden lassen, dass das ihre Entscheidung ist. Und wir als Tourismusland bleiben dann halt in dieser Geschichte immer übrig. Jetzt aber den Ball nur zurückzuspielen und zu sagen: Dann müssen die Wiener und die Niederösterreicher – es geht immer nur um Wien und Niederösterreich – quasi den


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718. Sitzung / Seite 38

Preis dafür zahlen, dass die Deutschen und die Holländer nicht bereit sind, mit uns zu kooperieren, ist ein wenig einfach. Vor allem muss man dann auch die Wiener und die Niederösterreicher dazu bringen, mitzutun. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist, muss ich sagen, der heilige Föderalismus hier ein Riegel.

Ich werde diesbezüglich keine zentralistische Lösung verordnen, um das hier im Bun­desrat ganz direkt einzubekennen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Bundeskanzler! Nachdem Sie be­reits erklärt haben, dass auf europäischer Ebene hier keine Lösung zustande gekom­men ist, meine Frage: Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass man zumindest innerhalb Österreichs eine flexiblere Lösung bezüglich Gestaltung der Semesterferien für die Zukunft organisiert?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das habe ich schon gesagt. Die Bildungs­ministerin hat bei diesem Gipfel im Februar 2004 sichergestellt, dass jetzt wirklich alle gemeinsam und längerfristig an diesem Plan arbeiten – anderes kann ja im Interesse von niemandem sein.

Die Eltern wollen die Sicherheit haben, dass die Kinder ein vernünftiges Quartier be­kommen. Die Tourismuswirtschaft möchte wissen, mit welchen Strömen sie in etwa rechnen muss, wie das konkret ausschaut. – Da gibt es bereits die ersten Gespräche, und die sollten auch von uns nachhaltig unterstützt werden.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Weil­harter. – Bitte.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundeskanzler! Sie haben in der Beantwortung auf die Hauptfrage gesagt, dass die Bemühungen um eine Koordination auf europäischer Ebene gescheitert sind. Meine Frage: Haben Sie in dieser Frage im Speziellen mit der Bundesrepublik Deutschland Gespräche geführt?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Sicher, nur es ist sehr kompliziert, denn dort ist es Föderalismus pur. Das entscheiden in Deutschland die Länder. Unser Ansprech­partner ist also nicht die deutsche Bundesregierung. Die sagt uns: Freunde, das ist eine Geschichte, die ihr euch mit den Bundesländern – vor allem mit den bevölke­rungsstarken Bundesländern – ausmachen müsst! Und da gehen wir genauso im Kreis, denn die entscheiden das auch nicht nach Rücksprache mit den anderen.

Das ist leider Gottes ein Problem, mit dem wir rechnen müssen und wo, glaube ich, weder eine europäische noch eine deutsch-koordinierte Lösung erzwungen werden kann.

In Wirklichkeit müssen wir uns rechtzeitig darauf einstellen, und nicht, dass einer dann aufwacht und im Dezember sagt: Hallo, wir haben ein Problem in der nächsten Ener­giewoche!, sondern das muss man auf Jahre hinaus fixieren. – Und dazu müssen aber dann auch alle stehen. Das ist der entscheidende Punkt. Es hat keinen Sinn, dann wieder aufzuzeigen und zu sagen: Ätsch, das ist in Wien vermurkst worden! – Es ist gar nichts vermurkst worden.

 


Das ist ein Problem, das von uns auf Bundesebene nicht lösbar ist – und auf europäi­scher Ebene schon gar nicht.


Bundesrat
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Vizepräsident Jürgen Weiss: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! In der Nationalratssitzung vom 26. Mai wurde ein Entschließungsantrag beschlossen, mit dem Frau Minister Gehrer aufgefordert wird, in Zukunft gemeinsam mit den Bun­desländern und der Wirtschaft Maßnahmen zu treffen, damit Tourismus und Freizeit­wirtschaft, Landesschulräte und Landesregierungen und die Schulpartner die optima­len Zeiträume für Semesterferien koordinieren und festlegen können.

Sind diesbezüglich nach dem 26. Mai schon Maßnahmen gesetzt worden?

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Das kann ich jetzt nicht einmal in meiner All­zuständigkeit beantworten, aber ich werde gerne die Bildungsministerin fragen, ob es nach dem 26. Mai noch zusätzliche Aktivitäten gegeben hat. Vor dem 26. Mai sicher, das habe ich vorhin ja schon gesagt. Ob nach dem 26. Mai noch etwas war, werde ich Ihnen gerne schriftlich beantworten.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. Die Fragestunde ist beendet.

*****

Der Herr Bundeskanzler hat gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Bundes­rates seine Absicht bekundet, eine Erklärung zur Regierungsumbildung abzugeben. Diese Erklärung wird den Punkt 1 der Tagesordnung bilden.

Ebenso hat der Herr Landeshauptmann von Burgenland, Hans Niessl, gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung seine Absicht bekundet, eine Erklärung zum Thema „Perspektiven für den Föderalismus nach dem Österreich-Konvent“ abzugeben. Diese Erklärung bildet den Punkt 2 der Tagesordnung.

Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und ver­teilten Anfragebeantwortungen 2079/AB bis 2090/AB beziehungsweise jenes Verhand­lungsgegenstandes, der nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie der beiden Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebungen von Mitglie­dern der Bundesregierung unter gleichzeitiger Betrauung von neuen Mitgliedern ver­weise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)

„Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2003 (III-95 und 747/NR der Beilagen)“

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebungen unter gleichzeitiger Be­trauung von Mitgliedern der Bundesregierung:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 40

„Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An die

Präsidentin des Bundesrates

Anna Elisabeth Haselbach

Parlament

1017 Wien

Wien, am 22. Dezember 2004

GZ 350.000/0008-IV/8/2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 22. Dezember 2004, GZ 3000.000/4-BEV/2004, den Bundesminister für Landesvertei­digung Günther Platter von der gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz ausgesprochenen Betrauung mit der Leitung des Bundesministeriums für Inneres enthoben hat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 41

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz Frau Liese Prokop zur Bundesministerin für Inne­res ernannt.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

„Republik Österreich

Dr. Wolfgang Schüssel

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

Parlament

1017 Wien

Wien, am 26. Jänner 2005

GZ 350.000/0002-IV/8/05

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 26. Jänner 2005, ZI. 300.000/1-BEV/05, gemäß Artikel 74 Absatz 3 Bundes-Verfas­sungsgesetz den Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumen­tenschutz Mag. Herbert Haupt bzw. gemäß Artikel 74 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz die Staatssekretärin im Bundesministe­rium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz die bisherige Staatssekretärin Ursula Haubner zur Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 Bundes-Ver­fassungsgesetz Herrn Sigisbert Dolinschek zum Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und parlamentarischen Vertretung der Bundes­ministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz beigegeben.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Schüssel“

*****

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der eingelangte Bericht des Bundesministers für Finan­zen und des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben wurde dem Finanzausschuss zugewiesen.

Der ebenfalls eingelangte Bericht über die Situation der kleineren und mittleren Unter­nehmen der gewerblichen Wirtschaft, Mittelstandsbericht 2002/2003, wurde dem Aus­schuss für Wirtschaft und Arbeit zugewiesen.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben die Vorberatungen abgeschlossen und Ausschussberichte erstattet.

Diese Verhandlungsgegenstände sowie die Erklärung des Bundeskanzlers und die Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland sind auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt worden.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich beabsichtige, die Debatte über die Tagesordnungs­punkte 3 und 4, 6 und 7, 8 bis 11 sowie 12 und 13 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Kaltenbacher und


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KollegInnen betreffend die Versäumnisse der Bundesregierung beim Red-Bull-Projekt Spielberg an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.41.301. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung
gemäß § 37 Abs. 4 GO-BR

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und kom­men zu Punkt 1.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

 


10.41.41

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hoher Vorsitzender! Hoher Bundesrat! Ich darf gerne das Wort nehmen und Ihnen das neue Regierungsteam, das zum Teil aus bewährten und Ihnen ja bestens bekannten Persönlichkeiten besteht, vorstellen.

An meiner Seite Liese Prokop, 23 Jahre Mitglied der Niederösterreichischen Landes­regierung, 12 Jahre Mitglied des Niederösterreichischen Landtags, also 35 Jahre Erfahrung in der Landespolitik und damit föderalistisch ausgewiesen, glaube ich, mit der Kleinen Goldenen Nahkampfspange am Kreuz. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) Dazu noch Weltrekordlerin, Sportlerin, Olympiateilnehmerin und Silber­medaillengewinnerin. Also sie hat alles: Kondition, Erfahrung, Charme, Erfahrung in vielen politischen Bereichen, und zwar nicht nur im harten, taffen Bereich des Innen­ministeriums.

Ich halte das Innenministerium für eines der schwierigsten Ressorts überhaupt, weil man ja mit allen Sorgen der Menschen zu tun hat, ob das der entflogene Kanarien­vogel ist, der wieder eingefangen werden muss, oder die Katze, die vom Baum her­untergeholt werden muss, oder ob das irgendeine Lärmstörung in der Nachbarschaft ist, weil der 17-Jährige den Recorder zu laut aufgedreht hat oder zu laut im Keller trommelt, oder die Vermisstensuche oder jetzt Tsunami, die Identifikation von Opfern anhand von DNA-Spuren, ob das der harte Kampf gegen die Drogenmafia ist. Ich habe hier den „Falter“. Ich empfehle Ihnen, gerade jenen, die hier manchmal für Weichheit plädieren, den „Falter“ von vor zwei Wochen zu lesen, mit einer Reportage über das so genannte „Goldene Dreieck“ – unter Anführungszeichen – Votivpark. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es handelt sich um den „Falter“, das fast schon grüne Zentralorgan. Ich meine das ja mit Kompliment.

Darin heißt es: Wer verstehen will, warum viele Menschen, besonders in Wien, Angst haben und zum Teil die Wut wächst gegenüber diesem Missbrauch von Asyleinrichtun­gen und von verschiedenem anderem, der soll dort hingehen und sich auch anhören, wie die Polizisten reden. Die sagen: Wir können überhaupt nur mehr bewaffnet in solche Einsätze hineingehen! Im letzten Jahr hat es acht schwer verletzte Polizisten gegeben: zerschmetterte Kniescheiben, gebrochene Knochen und und und.

Ich zitiere den „Falter“, den ich sehr schätze. Er ist zwar in 99 Prozent der Fälle ande­rer Meinung als ich, aber eine von mir außerordentlich geschätzte Zeitung. Die soll man lesen, diese Dinge. – Das alles betrifft ihr Ressortbereich.

Dazu kommt jetzt die ganz wichtige Frage der Zivildienstreform. Wir haben gestern gemeinsam den Bericht von Fredy Mayer übernommen, wo die Eckpunkte einer ver-


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nünftigen und umfassenden Reform geklärt werden. – Also ein unerhört interessantes, aber zugleich auch sehr forderndes Ministerium.

Ich freue mich sehr, liebe Liese, dass du meinem Ruf gefolgt bist. Es wäre sicher bequemer gewesen, weiter in der Niederösterreichischen Landesregierung zu bleiben, in diesem schönen, angenehmen Biotop, wo dich jeder kennt, jeder schätzt. (Heiter­keit.) – Ja, Entschuldigung, es war doch ein schönes Zeichen, dass eigentlich alle vier Parteien bei deiner Verabschiedung dort applaudiert und zum Teil bis zu Tränen hin bewegt gesagt haben: Schade, dass du gehst, aber schön, dass du das machst! Das sage ich auch hier im Bundesrat, und ich bitte wirklich um Unterstützung für die neue Innenministerin. Applaus! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bun­desräten der Grünen.) – Danke.

Eine ebenfalls nicht Unbekannte ist die neue Sozial-, Familien- und Generationen­ministerin Ursula Haubner. Ihr neuer Staatssekretär ist Sigisbert Dolinschek. Er ist ja langjähriger Verhandler in Sozialfragen im Parlament gewesen, ihn kennt natürlich jeder Parlamentarier in- und auswendig und schätzt ihn auch.

Uschi Haubner ist jemand, der jahrelang bereits als Sozialstaatssekretärin Profil ge­wonnen hat und sich vorher auch, wiederum in der Landesregierung, und zwar in Oberösterreich, und im Landtag, bewährt hat. Ich kann nur sagen: Dieses Ministerium ist natürlich ein Schlüsselministerium insofern, als dort quasi die „Temperatur“, das „Klima“ des Landes eingestellt wird. Was Familien, das Zusammenleben der Genera­tionen, soziale Hilfe betrifft, da haben wir wirklich etwas zu verteidigen.

Ich weiß nicht, ob du schon da gewesen bist, als ich das gesagt habe: In der „Quality of Life“-Studie – und das ist interessant – ist Österreich auf Platz 1 von 25 getesteten EU-Mitgliedstaaten, was die Sozialqualität und die Gesundheitsqualität betrifft, und das ist, bitte, nicht irgendetwas. Jetzt kann man durchaus der Meinung sein, da sei noch mehr zu tun. Niemand ist perfekt. Ich muss aber ganz offen sagen: Es ist eine Leistung, diese Qualität über Jahre hin zu entwickeln und zu halten, selbst in Zeiten, in denen natürlich jeder Euro zweimal umgedreht werden muss, in denen man das Budget in Ordnung gebracht hat, um sicherzustellen, dass wir in den wesentlichen Ressort­bereichen keine Kürzungen, sondern sogar massive Steigerungen gehabt haben. Den­ken Sie nur daran, was Uschi Haubner gemeinsam mit Herbert Haupt im Bereich der Familienpolitik zustande gebracht hat! Ich meine, das sind Quantensprünge: Drei Jahre Kinderbetreuungsgeld für jedermann, ohne Ansehen der Person, der beruflichen Qualifikation oder was auch immer. Das ist ein Meilenstein, den bis heute kein anderes Land der Welt in dieser Form hat!

Oder nehmen Sie nur den Vergleich: Wir haben in diesen fünf Jahren schwarz-blaue Regierung die Auszahlungen für Pensionen um 6 Milliarden € gesteigert! Das ist eine Riesensumme, die auch finanziert werden muss. Wir haben da also, wie ich meine, einiges gemacht. Wir haben vor allem auf die kleinen Pensionisten geschaut, die gro­ßen haben zum Teil nur Fixbeträge bekommen. Das wird auch von manchen kritisiert, vor allem von den Betroffenen, Sie brauchen nur manche Leserbriefe zu lesen. Aber wir haben schon geschaut, dass die kleinen Leute nicht zu kurz kommen.

Die Valorisierung des Pflegegeldes – ein besonderes Anliegen, wenn ich das sagen darf, von Herbert Haupt und von Uschi Haubner, seit sieben oder acht Jahren gefor­dert, jetzt erstmals erreicht. Das ist, wie ich meine, ein wichtiger Punkt.

Ich bin sicher, dass dieses neue Team Uschi Haubner und Sigi Dolinschek das Sozial­ministerium wirklich mit kundiger Hand führen wird, denn die kennen sich aus, das sind keine frisch Gefangten, die wissen genau, worum es geht. Sie brauchen nicht den § 153b lit. f genau zu kennen, aber die Grundanliegen kennen sie aus dem Effeff. Sie haben ein großes Herz, reden mit den Menschen und stehen natürlich auch Ihnen


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jederzeit zur Verfügung. Ich bin ganz sicher, dass sie ihre Arbeit hervorragend machen werden. Ich möchte daher gerne auch dem Bundesrat die neuen Regierungsmitglieder vorstellen.

Ein Dankeschön an Herbert Haupt, an den scheidenden Sozialminister, der sich nicht zu gut ist, wie ich gelesen habe, jetzt als einfacher Abgeordneter – das ist ja auch nicht selbstverständlich – die normale Kernarbeit als Volksvertreter wieder aufzunehmen. Aber ich verstehe auch, dass er geht, und ich bitte, hier nicht zu schmunzeln, denn wis­sen Sie, ein Ministeramt ist eine unglaubliche, auch physische Anstrengung und Her­ausforderung. Ich war beides, ich war Abgeordneter und Minister und weiß mittlerweile den Unterschied zu würdigen. Das ist einem erst dann bewusst, wenn man es wirklich erlebt.

Herbert Haupt ist nicht gesund, Herbert Haupt hat jahrelang wirklich Raubbau an seinem Körper, an seiner Gesundheit betrieben. Wir haben ihm immer wieder gesagt: Schone dich ein bisschen, du musst nicht auf jedem Kirtag sein! Ich habe das selbst erlebt. Er ist in der Früh aus Kärnten gekommen, hat einen Ministerrat mit mir gemacht, ist am Abend nach Kärnten zurückgefahren, hat eine Abendsitzung noch in Wien gehabt, ist in der Nacht zurückgekommen, war um 3 Uhr in der Früh in Spittal, ist in der Früh um 6 Uhr wieder aufgestanden, hat ein Frühstück gemacht, damit er dort einen möglichen Investor in Spittal gut betreuen kann, hat sich um 7 oder 7.30 Uhr wieder ins Auto gesetzt und war bitte um 11 Uhr vormittags wieder da und hat mit mir wieder eine Pressekonferenz gemacht. Ich sage das offen: Es ist ein Wahnsinn! Das erklärt, warum Herbert Haupt auch mit Recht jetzt gesagt hat: Freunde, gebt mir eine Chance, ich kann jetzt die Fackel nicht mehr weiter tragen! Daher ein großes Dankeschön an ihn. Manche haben ihn geliebt, weil er gewisse Eigenheiten hat, die ihn vor anderen aus­zeichnen. Er war sicher kein Teflon-Politiker, er war sicher keiner, der sich stromlinien­förmig dem Zeitgeist angepasst hat. Er war ein Mensch, mit dem man auch durchaus streiten oder unterschiedlicher Meinung sein konnte, manche haben gesagt, er sei stur, aber in einer sehr positiven Art und Weise, einer, der Überzeugungen gehabt hat. Da­her möchte ich ihm auch an dieser Stelle ein Dankeschön sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prutsch: Aber er lebt schon noch!?) – Im National­rat haben an dieser Stelle übrigens auch die Roten und die Grünen applaudiert. Schade, dass das im Bundesrat nicht so gewesen ist.

Nochmals: Ich stelle Ihnen die neuen Mitglieder vor, danke Herbert Haupt und setze mich nieder. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen sowie bei den Grünen.)

10.51

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke, Herr Bundeskanzler. – Ich begrüße die beiden neuen Mitglieder der Bundesregierung und den Herrn Staatssekretär recht herzlich teil­weise wieder in unserer Mitte.

Es liegt mir ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäfts­ordnung vor, im Anschluss an diese Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das gegenständliche Verlangen ausreichend unterstützt ist, gebe ich dem statt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.51.50

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminis­ter! Frau Bundesminister! Herr Präsident! Natürlich ist es immer auch ein Signal, das man zu setzen versucht bei einem solchen Anlass, wenn neue Regierungsmitglieder, in diesem Fall zunächst einmal zwei neue Bundesministerinnen, in Funktionen eintre­ten.


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Aber gestatten Sie mir, dass ich ein bisschen hinter die Ernennung der drei Re­gierungsmitglieder zurückgehe, denn es ist ja nicht so, dass hier eine wohl geplante Operation, ein Optimierungsprozess der Regierungsmannschaft stattgefunden hat – der Herr Bundeskanzler war sehr zurückhaltend in seiner Darstellung der Genese dieser Regierungsumbildung, was ich ehrlich finde –, sondern es sind dieser Bundes­regierung, was ja keine neue Erscheinung ist, Mitglieder abhanden gekommen. Ich spekuliere nicht darüber, was Herrn Minister Strasser zu seinem überstürzten Rückzug veranlasst hat. Ich spekuliere auch nicht darüber, was den Herrn Bundeskanzler, der uns damals in der Öffentlichkeit für notfalls Mitte Jänner eine Neubesetzung des Innen­ressorts angekündigt hat, dazu veranlasst hat, die zwischenzeitliche Mitbetrauung des Ministers Platter mit diesem Ressort innerhalb von 48 Stunden wieder rückgängig zu machen. Mit Verlaub gesagt, ich muss nicht alles wissen. So angenehm wird das nicht gewesen sein.

Ich habe mit Interesse den Prozess des Rückzuges von Minister Haupt verfolgt. Dass Minister Haupt nicht ganz gesund war, das haben wir alle gewusst und auch immer wieder merken müssen. Es ist ihm zu wünschen, dass das Nationalratsmandat mit einem schonungsvolleren Umgang mit seiner Gesundheit vereinbar ist. Aber wenn Sie mir erzählen wollen, Herr Bundeskanzler, dass das der Rückzug in den Vorruhestand war, völlig freiwillig von Minister Haupt veranlasst, dann muten Sie mir zu, dass ich noch an das Christkind glaube. (Beifall bei der SPÖ.)

Jene denkwürdige Sitzung der FPÖ, wo ein einjähriger Sägeprozess am Ministersessel des Herrn Haupt letztlich erfolgreich war, gehört nicht zu den Ruhmesblättern des humanen Umgangs mit Mandatsträgern der eigenen Partei. Aber auch das habe ich nur zu registrieren, und ich habe nicht die geringste Absicht, darüber zu spekulieren.

Wo wir allerdings klare Ansagen und klare Aussagen erwarten, ist, ob diese neuen Regierungsmitglieder, notabene die beiden Bundesministerinnen, jene Politik, die wir aus gutem Grund heftigst kritisiert haben, eins zu eins fortzusetzen beabsichtigen oder ob dieser Personalwechsel auch die Hoffnung rechtfertigt, dass es zumindest gewisse Korrekturen geben wird.

Die Frau Bundesminister für Inneres hat im ersten Überschwang der Gefühle erkennen lassen, dass sie mit wesentlichen Bestimmungen oder wesentlichen Haltungen und Handlungen im Bereich des Asylwesens nicht so glücklich ist. Das Atemanhalten auf Seiten der Opposition über dieses Einbekenntnis hat aber nicht sehr lange dauern müssen. Die Frau Bundesminister hat sich dann ganz offensichtlich entschlossen, auf wessen Anraten auch immer und unter welchem Druck auch immer, dafür zu sorgen, dass das, was hier völlig ineffizient aufgebaut wurde, rhetorisch stark, unmenschlich, aber im Kern einfach nicht effizient, jetzt ganz offensichtlich eins zu eins mit ein paar weiteren Strafmaßnahmen fortgesetzt werden soll.

Ich bewundere Ihren Mut, Herr Bundeskanzler, solche Zeugnisse einer sensiblen Aus­einandersetzung mit dem Drogenproblem und den Ausländern, die damit in Verbin­dung stehen, was niemand in Zweifel zieht, hier als Beleg für die Politik, die Ihre Bun­desregierung in diesem Feld betreibt, vorzubringen. Wir schätzen beide den „Falter“, aber ich kann aus dem zitierten Artikel nicht herauslesen, dass das ein Indossament für eine brutale, aber völlig wirkungslose Asyl- und Ausländerpolitik gewesen ist. Ganz im Gegenteil!

Ich lade Sie ein – und ich lade auch Sie ein, Frau Bundesminister –, darüber nachzu­denken, ob man mit weniger Säbelgerassel, aber einer subtileren Vorgangsweise, die nichts mit Nachgiebigkeit zu tun hat, die nichts mit Schwäche zu tun hat, nicht einen wesentlichen größeren Effekt erzielen könnte. Sie haben gerade im Innenressort tat-


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sächlich eine völlig unaufgeräumte Baustelle, bei der nicht so klar erkennbar ist, was für ein Bauwerk das eigentlich werden soll, übernehmen müssen.

Nur auf die heutigen Zeitungen Bezug nehmend: Wir haben jetzt in Wien – und darüber kann man ernsthaft und sachlich diskutieren – die ersten Schutzzonen eingerichtet. Frau Bundesminister, können Sie sich wirklich vorstellen, dass sich dadurch, dass man eine Schutzzone deklariert, etwas verändert, wenn man nicht einen einzigen Exekutiv­beamten in dieser Region mehr zur Verfügung hat, der dieses Territorium bestreifen soll, der dort Platzverweise aussprechen soll? Das Papier hat noch nie jemanden am Drogenhandel, am Anbieten an Schüler, an störendem Verhalten gehindert. Die Präsenz der Exekutive hat es. Aber da wir in diesem Bereich einfach mehr Menschen brauchen würden, als wir heute zur Verfügung haben, auch deshalb, um solche Maßnahmen mit Ernsthaftigkeit und mit Substanz zu versehen, ist das ein typischer Fall. Ich habe es schon bei der Asylpolitik angedeutet: Es geht nicht darum, laut mit dem Säbel zu rasseln, und dann kommt nichts nach. Das ist im Bereich der Sicher­heitspolitik das wirkliche Drama. An verbalen Zurückweisungen waren diese Regierung und dieser Minister sehr, sehr stark, an konkreten Handlungen, die zum Effekt geführt haben, nicht. Frau Bundesminister, ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie weniger martialisch reden, aber umso wirkungsvoller handeln. (Ruf bei der ÖVP: Wer hat martialisch geredet?) – Herr Strasser hat sehr martialisch geredet. Wenn Sie sich den Satz anhören würden, dann hätten Sie auch den gesprochenen Beistrich gehört, aber damit überfordere ich Sie offenbar. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Ich bin kein Niederösterreicher. Ich habe mit der ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Entschuldigen Sie! Die Tat­sache, dass diese Bundesregierung durch personelle Erosion gekennzeichnet ist (Zwi­schenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), veranlasst mich nicht zu jubelndem Applaus. Es ist Ihnen vorbehalten, dazu zu paschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär, es war ungerecht, Sie sind nicht drangekommen. Ich wünsche Ihnen ein besseres Schicksal denn als Sozialsprecher der FPÖ. All das, wofür Sie sich auch in einer ziemlich martialischen Sprache eingesetzt haben, ist dann nicht gekom­men. Wir hätten Sie bei den meisten Dingen sehr unterstützen können, aber sei’s darum. Ich wünsche Ihnen mehr Erfolg als Staatssekretär, als Sie als Sozialsprecher gehabt haben. Wir erwarten uns, obwohl das vermutlich eine vergebliche Erwartung ist, von den beiden neuen Bundesministerinnen deutliche Veränderungen der Linie der jeweiligen Ressorts.

Aber wir erwarten uns vor allem, dass es dazu kommt, dass diese Regierung sich den Österreichern stellen muss. Das ist keine Frage. Der Erosionsprozess ist deutlich. Der personelle Verschleiß wird immer stärker. Es handelt sich um zwei große österrei­chische Parteien, da gibt es noch einiges an Personalreserve. Die Frage, wer jeweils der Nächste ist, damit er auch einmal drankommt ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) Na sicher! Herr Kollege, es war ja nicht so, dass das völlig aussichtslos war, nein. Wir kriti­sieren diese Regierung, und wir haben klargemacht, dass es zu dieser Politik Alter­nativen in der Substanz gibt. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sozialminister Cap!)

Herr Kollege Kühnl, Kühnel, damit mich der Kollege Himmer nicht wieder kritisiert! Die Personalreserve der SPÖ ist so breit ... (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) – Also die Salzburger, die eine von Ihnen verspottete Frau zum Landes­hauptmann gewählt haben, selbst die Kärntner, die eine in einer schwierigen Situation stehende SPÖ gestärkt haben, die Landeshauptleute, die sich heuer und im nächsten Jahr auf sozialdemokratischer Seite zur Wiederwahl stellen, die Leute, die mit Ihnen arbeiten und diese Partei repräsentieren, brauchen den Vergleich mit den Regierungs­mitgliedern wirklich nicht zu scheuen, aber sie vertreten einen anderen politischen Kurs – und darüber wird zentral abzustimmen sein!


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Wir hoffen, dass in der Zwischenzeit nicht allzu viel passiert, und ich lade die beiden Frauen Bundesministerinnen und den Herrn Staatssekretär ein, den Scherbenhaufen nicht noch größer zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Leilei-Rufe bei der ÖVP.)

11.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Himmer das Wort.

 


11.03.26

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Herr Staatssek­retär! Hohes Haus! Ich glaube, es überrascht nicht, dass die Opposition den Versuch unternimmt, den personellen Wechsel in der Bundesregierung dazu heranzuziehen, um eine Bestätigung dafür zu finden, dass hier ein Kurswechsel notwendig wäre. Das ist aber ganz eindeutig, vor allem in Anbetracht der Kontinuität, die hier der Fall ist, nicht gegeben. Wenn Sie hier davon sprechen, dass es eine brutale, wirkungslose Ausländer- und Asylpolitik gäbe, dann sieht man, wie weit weg Sie davon sind, notwen­dige Maßnahmen zu unterstützen.

Wenn Ihnen die Sicherheit so wichtig ist, dann wissen Sie ja wohl, dass heuer 163 Mil­lionen € mehr für die Sicherheit zur Verfügung stehen. Es ist mir nicht erinnerlich, dass Sie diese Initiative hier im Parlament unterstützt haben.

Wenn ich in Ihre Richtung schaue und über personelle Alternativen nachdenke, worüber Sie sich ja soeben hier mokiert haben, dann meine ich: Die Sozialdemokratie hat eigentlich nur eine wesentliche Personalentscheidung zu treffen. Da die SPÖ gegenwärtig ja keine Ministerämter zu besetzen hat, ist es ja personell nicht so viel, was wirklich zu entscheiden ist. Da gibt es die eine Frage: Wer soll der Parteiobmann sein?, und die eine: Wer soll der Spitzenkandidat sein? Diese Diskussion über eine Personalentscheidung führt ihr schon seit fünf Jahren. Nicht einmal die eigenen Delegierten sind davon überzeugt, dass diese eine Personalentscheidung die richtige ist, weil ihr euch selber nicht sicher seid, ob Kollege Gusenbauer die richtige Antwort auf die von euch aufgeworfenen Problemstellungen ist oder – umgekehrt – vielleicht zwar die richtige Antwort ist, aber ihr die jeweiligen Problemstellungen nicht kennt.

Was die Bundesländer betrifft, möchte ich nicht viel Weiteres sagen, ich sage nur ein Stichwort: Ambrozy, und will es dabei bewenden lassen.

Zur Bundespolitik selbst: Ich glaube, es war ja heute sehr versachlichend für die heu­tige Debatte, dass wir mit einer Fragestunde begonnen haben, weil in dieser dargestellt wurde, was in der Zeit, in der diese Bundesregierung jetzt im Amt ist, alles geschehen ist, und zwar in so vielen Politikbereichen. Ich nenne die Entlastung der Steuerzahler in der Höhe von 3 Milliarden €, eine noch nie da gewesene Steuerreform. Dass mehr an Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, ist auch bereits vielfach ausge­führt worden, ebenso, was für den Standort Österreich damit getan worden ist, dass der Standort Österreich heute besser dasteht, was Direktinvestitionen von ausländi­schem Kapital in Österreich betrifft, aber auch umgekehrt, was Auslandsinvestitionen der österreichischen Außenwirtschaft betrifft, die als Konjunkturmotor wirkt.

Weiters erwähnen möchte ich die notwendigen Reformen, die im Rahmen der Pensi­onsharmonisierung gemacht worden sind. An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen Dank an den Bundesminister Haupt aussprechen, der sehr maßgeblich in seinem Ressort wichtige Arbeiten in diese Richtung geleistet hat. Es ist ja auch das ursprünglichst Soziale, dass wir diese Pensionsreform durchgeführt haben, weil heute jeder Österreicher weiß, dass nur ein ausgeglichenes Budget und eine vernünftige


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Pensionsreform sicherstellen, dass Österreich auch langfristig ein soziales Land ist, und Österreich ist ein soziales Land. Wir haben die Arbeiter und Angestellten gleichge­stellt. Es hat die Erhöhung des Pflegegeldes gegeben. Es wurde die Hospizkarenz ver­wirklicht. Es hat unterschiedlichste Initiativen gegen die Jugendarbeit gegeben. (Bun­desrat Konecny: Ja, das merkt man!) Wir haben die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa – wenn auch ein kleiner Versprecher drinnen war. Aber auch für die Älteren wurde viel getan, ich erinnere nur an die Aktion „56/58 Plus“. Wir sind – weil das Innenressort angesprochen worden ist – nachweislich auch das sicherste Land. Es gibt weniger Verkehrstote. Es ist auch die Zahl der Drogentoten zurückgegangen.

Wenn wir von dieser „Quality of Life“-Studie, die heute schon einmal angesprochen worden ist, hier gehört haben, dann kann ich sagen, dass uns das eigentlich nicht überrascht, dass es zu so einem Ergebnis kommt.

Lassen Sie mich einen ganz kurzen persönlichen, vielleicht nicht zu ernst zu nehmen­den Rückblick auf die Tage geben im Februar 2000, in denen diese Bundesregierung erstmalig ihr Amt angetreten hat. Es hat mich damals schon sehr bewegt, dass jetzt meine Fraktion den Bundeskanzler stellt. Aber es war eigentlich eine sehr bedrückende Situation, wenn man daran denkt, was damals in Bezug auf Österreich im Ausland geschehen ist und auch was im Inland an unterschiedlichsten Wortmeldungen gekom­men ist. Ich erinnere mich sehr gut, wie man geglaubt hat, dass diese Regierung nach wenigen Tagen wird demissionieren müssen.

Ich bin eine Woche später, nachdem es diese Bundesregierung gegeben hat, am 11. Februar, zum zweiten Mal Vater geworden, habe einen Sohn bekommen. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm.) Das Erste, was ich ihm damals gesagt habe – natürlich nach dem, dass er auf dieser Welt willkommen ist –, war, dass er in einem freien, demokratischen, souveränen Land lebt und dass der Bundeskanzler Wolfgang Schüs­sel heißt und von der ÖVP kommt. Das hat ihn alles sehr interessiert. (Bundesrätin Bachner: Das wird er verstanden haben!) Es war mir in diesem Augenblick wichtig, weil ich das Gefühl gehabt habe, dass viele dieses Land, nämlich auch innerhalb des Landes, damals in ein völlig falsches Licht gerückt haben. Wir wissen, dass jene Be­schuldigungen, die damals erhoben worden sind, heute nicht einmal mehr von den schärfsten Kritikern vorgebracht werden.

Vieles gilt auch für die inhaltlichen Punkte, die diese Bundesregierung in der ersten und jetzt auch in dieser zweiten Periode zustande gebracht hat. Ich sehe diese Bun­desregierung immer auch im Vergleich mit der Entwicklung meines Sohnes, der inzwischen auch schon wieder fünf Jahre ist. Ich sehe ihn also heranwachsen – er ist nicht so groß, weil er mein Sohn ist, weshalb er auch eher kein „Lackel“ ist – und was alles er in dieser Zeit schon dazugelernt hat und schon kann. Er wird wahrscheinlich nicht mehr zu arbeiten beginnen, während diese Bundesregierung im Amt ist, aber ich gehe davon aus, dass sich noch einiges an Ausbildungszeit ausgehen wird.

Ich darf Ihnen zum Abschluss sagen, dass ich auch den Eindruck habe, dass wir sehr viel Kontinuität in dieser Bundesregierung haben (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen), sowohl im Innenministerium beim Übergang von Ernst Strasser auf Liese Prokop – diese Diskontinuität, die da jetzt manchmal hineininterpretiert wird, ist gar nicht notwendig, weil hier eine gute Arbeit geleistet worden ist – als auch im Sozial­ministerium. Daraus, dass die Parteiobfrau des Koalitionspartners vom Amt der Staats­sekretärin in das Ministeramt rückt, zu interpretieren, dass dadurch eine Kurskorrektur entstehen müsste, ist wohl mehr als absurd.

Der gute Kurs wird beibehalten, und die ÖVP-Fraktion wird diesen guten Kurs unter­stützen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


11.12


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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.12.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Himmer, Sie sollten Ihrem Sohn schon sagen, dass das Land seit 1955 ein freies und demokratisches Land ist und nicht erst seit 2000 (Beifall bei den Grünen), auch wenn vielleicht zu Zeiten der großen Koalition wenig Luft für vieles in diesem Land geherrscht hat. Aber seit 1955, Kollege Himmer, sind wir ein wirklich freies und demokratisches Land.

Bevor ich auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Regierungsumbildung ein­gehe, meine Damen und Herren von der ÖVP, lassen Sie mich noch sagen, dass ich doch etwas betroffen war von der Ihrer Fraktion innewohnenden großen Spontaneität in der Fragestunde, die sich an den Bundeskanzler richtete. Der Herr Bundeskanzler hat von dem Satz: Wir sind keine Eurasische Union!, noch nicht einmal das „n“ fertig gesprochen, und es kam bereits ein Sturm des Applauses. Der muss ja ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sehr zu Recht!) – Herr Gudenus, Sie waren jetzt nicht gemeint, aber Sie können das auch noch erläutern. – Das muss ja so etwas Innewohnendes sein, meine Damen und Herren von der ÖVP ...! (Bundesrat Bieringer faltet die Hände.) – Kollege Bieringer, Sie brauchen jetzt nicht zu klatschen!

Die EU, die bekanntlich keine Eurasische Union ist, grenzt an Brasilien, grenzt an Venezuela, grenzt an Ecuador. Die Europäische Union grenzt an zahlreiche Karibik-Staaten. Die Europäische Union hat auch einen pazifischen Bereich. Also Sie können die Europäische Union auch mitten in Marokko finden. Das ist die Europäische Union, das ist auch Schengen.

Wenn Sie heute ein Fünftel europäischen Bodens mit einem Sturm des Herzens hier aus der geographischen europäischen Situation hinausapplaudieren – denn Istanbul liegt in Europa –, dann muss ich Sie fragen: Warum führen wir eine dermaßen unehr­liche Diskussion? Dann sagen Sie es doch einfach: Wir warten nicht auf die Volksab­stimmung! Dieser Applaus sagt doch eines: Wir wollen das nicht! Dieser Applaus zeigt eigentlich nur: Türe zu zu allen Bemühungen, was die Türkei betrifft! (Bundesrat Mag. Gudenus: Da haben Sie vollkommen Recht, Herr Kollege!) – Nein, Herr Gude­nus, ich habe mit der ÖVP geredet, nicht mit Ihnen – aber mit Ihnen rede ich gerne später. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist etwas Unehrliches, meine Damen und Herren, und dieser Applaus, dieser Spontan-Applaus, hat mich eher bedrückt als ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Das soll er auch! Nächtelang soll er sie bedrücken, der Applaus!) Ja, wunderbar! (Beifall bei den Grünen.)

Ich bin froh gewesen, dass der Herr Bundeskanzler klar gesagt hat: Ein Volk oder ein Staat soll nicht über andere Staaten abstimmen!, denn das ist richtig! Ich weiß, Sie, Herr Gudenus, hätten auch über den Beitritt Tschechiens abstimmen lassen, denn damit hätte man auch ein paar Ressentiments schüren können, wahrscheinlich auch über den Beitritt Sloweniens. – Das darf es nicht geben! Es dürfen keine neuen Ressentiments in Europa geschürt werden! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesra­tes Mag. Gudenus.)

Ja, stellen Sie sich vor, wenn die Franzosen über den österreichischen Beitritt abge­stimmt hätten, was da für ein Geheule losgegangen wäre, oder die Briten über unseren Beitritt abgestimmt hätten! – Nein! Darum geht es nicht in Europa! Aber jetzt muss ich zurück zum eigentlichen Thema.

Herr Bundeskanzler! Ich verstehe, dass man eine Regierungsumbildung natürlich mit einer Bilanz präsentiert und dass eine Regierungsumbildung im Laufe der Zeit fast so


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kommt wie das Amen im Gebet – aber das ist es ja nicht. Ganz Österreich – ganz egal, aus welchem politischen Lager, ob Rot, Grün, Blau oder Schwarz; nämlich sehr viele auch aus der ÖVP – wartet eigentlich seit Monaten auf eine Regierungsumbildung, und alle fragen sich: Wann kommt sie?, und das ist die Regierungsumbildung an der Spitze des Finanzministeriums! – Doch die kommt nicht und die kommt nicht und die kommt nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bin immer jemand gewesen, der sehr großzügig ist, und ich kann sagen: Im Grunde funktionieren ja die Ministerien so weit, aber dieses Ministerium, Herr Bundeskanzler, funktioniert nicht mehr! Das funktioniert nicht mehr an der Spitze. Da ist tatsächlich Handlungsbedarf gegeben! Aber Sie haben hier eine Nibelungentreue ausgesprochen, und diese Nibelungentreue hält offensichtlich trotz aller persönlichen und in der Amts­führung gezeigten Schwächen – und wir warten. Auch viele aus Ihrem eigenen poli­tischen Lager schütteln eigentlich, wenn sie offen und ehrlich sind, nur mehr den Kopf und sagen: Wir verstehen – erlauben Sie, dass ich es so salopp sage – den Schüssel nicht! – Hier, glaube ich, haben Sie wirklich Handlungsbedarf.

Es gibt Entscheidungen von Koalitionsparteien, und es gibt persönliche Entscheidun­gen. Professor Konecny hat gemeint: Strasser ist abhanden gekommen. – Also dieses Wort, muss man eigentlich sagen, trifft es irgendwie. Er ist ja wirklich über Nacht abhanden gekommen. Die Frau Bürgermeisterin beziehungsweise der ganze Nieder­österreicher-Block wird sagen: ein tüchtiger Minister, und plötzlich ist er weg, über Nacht ist er praktisch weg. Er ist dann nicht einmal mehr bei der Nationalratssitzung anwesend gewesen. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie vermissen ihn!) Natürlich vermisse ich ihn! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Natürlich vermisse ich ihn, weil sich ja Biographien, wenn man ein gewisses Alter hat, auch öfters kreuzen; das habe ich ja hier von dieser Stelle aus schon einmal gesagt. Ich habe an diesem Rednerpult stehend oft auch sehr persönlich Minister Strasser ins Gewissen geredet und habe gesagt: Ich verstehe dich nicht mehr!, und ich verstehe vieles in Anbetracht früherer Aussagen nicht. – Doch dann: das große Schweigen!

Minister Haupt ist ja bekannt als kein Schweiger. Wir haben das ja hier schon des Öfteren erlebt: Wenn Minister Haupt spricht, dann spricht er lange. Beide – beide! – schweigen seither. Irgendwie ist ja auch Minister Haupt abhanden gekommen: Er fährt zu einer Klausur, und nachher ist er nicht mehr Minister – eine blöde Geschichte. Seit­her wird auch von dieser Seite geschwiegen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben gemeint, Ihnen fehle gerade in Bezug auf Minister Haupt ein Applaus von Seiten der Opposition. Ich sage Ihnen: Ich stehe überhaupt nicht an, auch seitens unserer Fraktion die wirklichen Bemühungen von Minister Haupt zu würdigen. Er hat nämlich in vielen Bereichen ein wirklich großes Engagement gezeigt; ich erwähne in diesem Zusammenhang etwa nur die Frage der Behinderten­politik. Er war sicher einer der langjährigen und wirklichen Experten im Sozialbereich. Ob er als Minister immer glücklich agiert hat oder ihm die Regierung die Möglichkeiten gegeben hat, seine Vorstellungen umzusetzen, das ist etwas anderes.

Was bei Minister Strasser zurückbleibt, das ist sicherlich eine große, tiefe Verunsiche­rung in der Exekutive; das müssen wir einfach feststellen. Da ist vielleicht der jugend­liche Übermut bei ihm in manchen Dingen merkbar. Wie verträglich in einem so großen Unternehmen, wie es Polizei und Gendarmerie sind, Umbauten sind, ist hier die Frage.

Es ist jetzt tatsächlich Handlungsbedarf in einem Ministerium gegeben, und was wir anlässlich einer Regierungsumbildung heute schon feststellen müssen, ist der Sand im Getriebe dieser Koalition. Es geht jetzt nicht um einzelne Ministerien, sondern in dieser Koalition ist viel Sand im Getriebe. Möglicherweise ist schon der Zucker in den Motor eingedrungen, das heißt, der Motor beginnt zu stottern. Der Regierungsmotor quält


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sich einfach so dahin. Man hat ein wenig das Gefühl, manchmal lehnt man sich einfach zurück, und es geht nur mehr darum, diesen Motor so zu ölen, dass man über die Runden einer Legislaturperiode kommt. (Zwischenbemerkung von Bundeskanz­ler Dr. Schüssel.)

Entschuldigen Sie, Herr Bundeskanzler, aber Sie haben eine Palette offener, strittiger Fragen in dieser Koalitionsregierung. Die unselige ... (Bundesrätin Zwazl: Machen Sie sich Sorgen?) Ja, ich mache mir Sorgen, natürlich! Es geht ja um unser Land, und wenn die Regierung nicht funktioniert, betrifft es uns alle. Mir persönlich muss der inne­re Zustand der FPÖ oder der ÖVP keine Sorgen machen. Aber diese beiden Parteien stellen eben die Regierung, und als Österreicher und als jemand, der sich interessiert, wie es diesem Land und seinen Menschen und seiner Wirtschaft, Frau Präsidentin, geht, mache ich mir einfach Sorgen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischen­ruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Wenn wir zum Beispiel, Herr Kollege Himmer, diese Disharmonie in der Koalition anschauen: In der Frage Asyl etwa wird ja wie in einem Kleinkrieg aufmarschiert. Oder: die unselige Geschichte mit der Besteuerung der Trinkgelder, die Wehrdienstverkür­zung, das Holpern im Verteidigungsministerium und im Innenressort, was die Umset­zungen betrifft, die Folter-Geschichten und den wirklich dringenden Handlungsbedarf im Verteidigungsministerium, die tiefe Verunsicherung endlich einmal aus der Polizei herauszubringen. – All das sind Dinge, die meines Erachtens deutlich machen, dass die Koalition zu viel Sand im Getriebe hat und wirklich kämpft.

Meine Damen und Herren! (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) Liebe Kollegen aus Niederösterreich! (Bundesrätin Zwazl: Auch Kolleginnen!) Frau Präsidentin, Sie müs­sen sich entspannen, sind Sie doch mitten im Wahlkampf. Sie müssen sich entspan­nen. (Bundesrätin Zwazl: Ich bin entspannt!) Ich weiß, Sie haben ein bisschen Sorgen, aber das Wahlergebnis wird schon nicht unter 50 Prozent liegen. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Wir haben ja gute Arbeit geleistet!) Sie sind auf jeden Fall künftig nicht mehr so alleine in den diversen Gremien der Bundes­wirtschaftskammer. Dafür werden wir schon sorgen, denn Einsamkeit macht auch nicht gerade lustig. Sie werden eine stärkere Opposition bekommen! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich stehe überhaupt nicht an, sowohl Frau Bundesministerin Prokop als auch Frau Bundesministerin Haubner und Herrn Staatssekretär Dolinschek einen guten Start zu wünschen, denn es geht ja um die Arbeit für Österreich. Wir wünschen Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute.

Frau Prokop! Sie waren für mich eigentlich ein unbeschriebenes Blatt, aber ich habe unglaublich viel Gutes von Ihnen gehört. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich verstehe natürlich, dass man nicht eine Politik, die ein Vorgänger sicher sehr geprägt hat, von heute auf morgen verändern kann. Das ist mir völlig klar – ich bin ja nicht naiv. Ich habe aber auch von Ihrem ausgesprochen guten Verhältnis zu NGOs gehört, und ich denke, dieser Dialog mit den NGOs kann à la longue etwas bewirken. Allerdings: Sie wissen natürlich auch, dass Ihr gutes Verhältnis zu den NGOs bedeutet, dass die Koalition dadurch nicht gefestigter wird, sondern koalitionsintern eigentlich die nächs­ten Probleme anstehen.

Zu Ihnen, Frau Bundesministerin Haubner: Sie gelten als eine ausgesprochene Exper­tin in Ihrem Bereich, so wie auch Haupt ein ausgesprochener Experte war. Ich bin gespannt, welche Initiativen Sie in der Zeit, die dieser Koalitionsregierung noch bleibt, setzen werden. Sie kommen auf jeden Fall nicht aus dem Talenteschuppen der FPÖ, die uns hier ja in einer bestimmten Regelmäßigkeit Minister und Ministerinnen präsen­tiert, die dann wieder relativ schnell verabschiedet werden. Ich denke etwa nur an Frau


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Forstinger, die hier als Star präsentiert wurde. – Heute erinnert sich halb Österreich, vielleicht sogar drei Viertel der Bevölkerung, nicht mehr an diesen Namen, und auch das, was zurückgeblieben ist, ist nicht gerade das, was man sich eigentlich wünscht. Aber diesbezüglich bin ich bei Ihnen beruhigt.

Herr Kollege Dolinschek! Bei Ihnen als Sozialsprecher der FPÖ fehlt es ein bisschen in der Bilanz. Ich nehme an, Sie sind als Staatssekretär für die Schwerarbeiterregelung berufen worden. Das wird eine interessante Sache. (Bundesrätin Bachner: Viel Spaß! Das wird kein Spaziergang!) Ich nehme an, es wird die restliche Laufzeit Ihrer Amtszeit ausfüllen, diese Hardcore-Ebene zu bearbeiten. Die Frau Bundesministerin hat da­durch vielleicht für andere Dinge den Rücken frei. Ob es zu einem Ergebnis führen wird, das werden wir sehen.

Wir werden Ihre Arbeit kritisch beleuchten, stellen aber noch einmal fest: Die Regie­rung wurde an der falschen Stelle umgebildet, und der Sand, der derzeit im Motor dieser Bundesregierung und vor allem dieser Koalition ist, ist bedenklich, denn der Regierungsmotor stottert und stottert und stottert. – Danke sehr. (Beifall bei den Grü­nen und der SPÖ.)

11.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


11.27.06

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Verehrte Frau Bundesministerin für Inneres! Verehrte Frau Bundesministerin für Soziales! Sehr geehrter, lieber Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Namens meiner Fraktion darf ich die beiden neuen Bundesministerinnen und den neuen Staatssekretär in ihrer neuen Funktion im Bundesrat hier erstmals sehr, sehr herzlich begrüßen und ihnen allen für ihr verantwortungsvolles Wirken in ganz besonders wichtigen Ressorts vollen Erfolg wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denn: Ein Gelingen Ihrer politischen Aktivitäten gereicht uns allen, dem Staat und der Republik, zum Vorteil.

Mit den Fraktionen und ihrem durchaus legitimen Ringen um parlamentarische Bedeu­tung, um ihre jeweils eigenen gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen durchzu­setzen, hat mein ehrlicher Wunsch gewiss nichts zu tun. Gerade in den von den neuen Regierungsmitgliedern zu betreuenden Sachbereichen, den gesellschaftlich vorrangig relevanten Politikfeldern der inneren Sicherheit, der sozialen Sicherheit und der Förderung der Familien, streben nämlich beide Regierungsparteien Lösungen an, die nicht primär im Konflikt, sondern so weit wie möglich im Konsens mit den Opposi­tionsparteien erreicht und ausgestaltet werden sollten. Gerade vor diesem Hintergrund wollen wir die neuen Bundesministerinnen und den neuen Staatssekretär und ihre Intentionen begreifen und ihnen unser Vertrauen in ihre hohe Sachkompetenz und unsere Unterstützung ihrer ressortbezogenen, allgemeingesellschaftspolitischen Anlie­gen bekunden.

Im Einzelnen beginne ich dabei mit unserer neuen Bundesministerin für Innere Ange­legenheiten, Frau Liese Prokop. Schon vor Jahren habe ich sie als Leistungssportlerin bewundert, und heute denke ich, dass Politik im Allgemeinen und in sensiblen Gesell­schaftsbereichen im Besonderen selbst bereits zum Leistungssport geworden ist: Man muss da zugleich Kurzstrecken- und Langstreckenläufer sein, was Dynamik und Kondi­tion anlangt; man muss Hochspringer sein; ja, bisweilen muss man möglicherweise die Gratwanderung auch auf dem Schwebebalken vollziehen.


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Zunächst erscheint es mir aber doch auch noch als Gebot der Höflichkeit und des Anstandes, auch Ihren Vorgänger, Herrn Bundesminister Dr. Ernst Strasser, in diesem Hause zu verabschieden. Nicht zuletzt deshalb will ich dabei ehrlich bleiben: Gewiss war er ein Bundesminister, der es uns, den Freiheitlichen, nicht leicht gemacht hat und dem wir es, aus unserer Anschauung heraus, auch nicht immer leicht gemacht haben. Das hindert mich durchaus nicht daran, ihm für sein Wirken zu danken und ihm für seine persönliche Zukunft alles Gute zu wünschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ebenso ehrlich will ich seiner Nachfolgerin aus unserer politischen Sicht gerecht werden. Zunächst hat sie uns ja nicht allzu freundlich eingeteilt in ihr angenehme und mit ihr unverträgliche Politiker. Aber wir tragen ihr das überhaupt nicht nach, ganz im Gegenteil! Wir verurteilen es zutiefst, wenn jüngst ihr Privat- und Familienleben in die tagespolitische Arena gezerrt worden ist und sie für angebliche oder auch vielleicht einzelne tatsächliche, wenn auch aus dem Zusammenhang gerissene, Äußerungen aus einem Interview persönlich verantwortlich gemacht werden soll. Diesen Stil lehnen wir ganz entschieden ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zweifellos stimmen wir auch nicht mit bestimmten, zwar menschlich gut gemeinten, aber unseres Erachtens mit einer gedeihlichen Entwicklung unserer Gemeinschaft und ihrer soziokulturellen Identität unvereinbaren Zielvorstellungen so mancher NGOs überein, welche die Frau Bundesministerin voll einbeziehen will. All das ändert aber nichts im Geringsten daran, dass wir bemüht sein werden, in engem Zusammenwirken mit der neuen Bundesministerin für Inneres engagiert und sachbezogen ein neues, ebenso verfassungskonformes wie vor allem auch sozial verträgliches und effizient anwendbares und handhabbares Gesetz in Bezug auf das künftige Asylrecht zu erar­beiten.

Was aber den Wechsel in der Führung des Sozialministeriums anlangt, so ist es uns nicht nur eine moralische oder gar nur parteibezogene Verpflichtung, dem bisherigen und nun scheidenden Bundesminister Herbert Haupt von Herzen Dank zu sagen. Nein, es ist mir ein persönliches Anliegen, Herbert Haupt für seine sozialpolitisch bahnbre­chenden Reformen – diese reichen vom Kinderbetreuungsgeld über den Pflegegeld­bereich, die heute schon lobend erwähnte Behindertenpolitik, die ihm ein besonderes Herzensanliegen war, bis zur Absicherung der Pensionen und den entscheidenden Schritten zur Harmonisierung der Pensionen – aufrichtig zu danken (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), vor allem aber auch für seinen persönlichen, seine höchst gefährdete Gesundheit äußerst belastenden, hingebungsvollen Einsatz zu danken. Dazu hat der Herr Bundeskanzler heute schon bewegende persönliche Worte gefun­den. Auch hiebei musste es eine äußerste Grenze des ihm Zumutbaren geben.

Mit unserer bisherigen Staatssekretärin und nunmehrigen Bundesministerin Ursula Haubner werden wir allerdings eine Nachfolgerin in diesem Ressort haben, die unsere durchaus durch freiheitliche Handschrift geprägte Sozialpolitik optimal fortführen wird, haben wir doch stets – und für Ursula Haubner gilt das im Besonderen – Familienpolitik als generationsübergreifende, vorsorgliche und nachhaltige Sozialpolitik und – vice versa – Sozialpolitik zu einem erheblichen Teil immer auch als angewandte Familien­politik begriffen.

Ursula Haubner hat bereits in ihrem Heimatland Oberösterreich auf allen politischen Ebenen, von der Gemeinde über den Bezirk bis zum Land, familien- und sozialpolitisch allseits anerkannte Initiativen gestartet. Sie war darin parteienübergreifend geschätzt und anerkannt. Ihre jetzige Funktion an der absoluten Spitze ihres Ressorts eröffnet ihr die Chance, vergleichbare soziale Interventionen auch bundesweit anzustoßen und durchzuführen.


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Sigisbert Dolinschek, unseren bisherigen Sozialsprecher im Nationalrat, braucht man auch in diesem Haus nicht näher vorzustellen. Wir begrüßen ihn hier ebenso sehr – als unseren jüngsten Staatssekretär! –, hat er sich doch für die sozialrechtlichen Anliegen der Arbeitnehmer stets stark gemacht – das ist auch heute schon anerkannt worden – und war er doch aus eigener Anschauung und praktischer Erfahrung eines in der realen Arbeitswelt Werktätigen ein sachlich höchst kompetenter Akteur und auch harter Verhandler im Streben nach einer möglichst arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsrechts- und Sozialpolitik.

Daher werden wir auch seine weiteren auf den Schutz der Arbeitnehmer bezogenen rechtspolitischen Anliegen voll unterstützen, und wir freuen uns, dass er ebenso wie die Frau Bundesministerin sowohl den Missbrauch und die Erschleichung von Sozial­leistungen verstärkt bekämpfen als auch das Engagement von Herbert Haupt fortset­zen will, für die behinderten Menschen einzutreten und für sie reale Verbesserungen ihrer Lebensqualität zu erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Alles in allem sehen wir Freiheitlichen daher in der jüngsten Umbildung der Bundes­regierung keinen Nachteil und keine fachlich personelle Schwächung. Wir erhoffen uns vielmehr eine sachpolitische Stärkung unseres freiheitlichen und zugleich sozialen Rechtsstaates, unserer Republik Österreich, und des Beitrages unserer in der Regie­rung vertretenen Repräsentanten dazu.

Wir wünschen in diesem Sinne unseren neuen Regierungsmitgliedern für ihre Vorha­ben nochmals aufrichtig ein Glückauf! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Liese Prokop das Wort.

 


11.36.20

Bundesministerin für Inneres Liese Prokop: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte zuallererst sagen: Ich freue mich, dass ich mich heute in der Länderkammer kurz vorstellen darf. Der Herr Bundeskanzler hat es schon gesagt: Ich war lange Jahre in der Landespolitik tätig – 35 Jahre sind, wie man so schön sagt, mehr als eine Generation. Ich habe sowohl in der Legislative als auch in der Exekutive in verschiedensten Bereichen arbeiten dürfen. Mir war es immer ein Anliegen – und ich habe mich da von niemandem in diesen Bereichen verein­nahmen lassen –, auf einer möglichst breiten Basis Gespräche zu suchen und vor allem, manche Themen aus der Tagespolitik herauszunehmen. Ich denke da an die Sozialpolitik, ich denke an die Altenpolitik, Dinge, die uns im Land immer sehr gut gelungen sind.

Damit bin ich eigentlich schon wieder bei meiner Aufgabe, die ich nunmehr zu erfüllen habe: der Sicherheitspolitik. Ich glaube, auch die Sicherheitspolitik ist ein Grundbedürf­nis der Menschen, und daran haben wir gemeinsam zu arbeiten. Es ist nicht nur ein Grundbedürfnis, es ist einfach die Voraussetzung dafür, dass die Menschen in Öster­reich ihr Leben gestalten können, und dass man das, was man unter Lebensqualität versteht, auch leben kann.

Es ist schon erwähnt worden: Österreich gehört zu den sichersten Staaten dieser Welt – Gott sei Dank! Wir können stolz darauf sein und sollen jenen Menschen dank­bar sein, die daran arbeiten und die dafür tagein, tagaus auch unter Einsatz ihres Le­bens kämpfen. Wir müssen darauf achten – das wird meine große Aufgabe und mein großes Bemühen sein –, dass wir das auch beibehalten.

Die Statistik weist aus, dass wir auf einem guten Weg sind. Aber: Statistik ist die eine Seite, das Gefühl der Menschen ist die andere. Wir müssen das zusammenführen, wir


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müssen ein Miteinander erreichen. Dazu brauchen wir Verlässlichkeit, dazu brauchen wir Gemeinsamkeit, und dazu brauchen wir auch Offenheit.

Mir liegt auch sehr daran zu betonen, dass eine gewisse Kontinuität wichtig ist, um ja nicht Verunsicherung zu schaffen oder vorhandene Verunsicherung zu steigern. Ich möchte auch hier meinem Vorgänger Ernst Strasser ein herzliches Danke sagen. Ich kenne ihn seit sehr langer Zeit, und wir haben auch ein sehr gutes Verhältnis. Wir haben viele Gespräche auch jetzt, in dieser Situation, geführt. Ich weiß, es war eine sehr, sehr persönliche Entscheidung, die er getroffen hat. Ich glaube, dass man auch Menschen, die in der Politik stehen, die Chance geben muss, eine persönliche Ent­scheidung zu treffen, und dass das nicht im Bösen war, haben Sie ja daran gesehen, dass Ernst Strasser sofort seine Erfahrung, aber auch seine Managerqualität ange­boten hat, um bei der Tsunami-Katastrophe mitzuarbeiten. Der Herr Bundeskanzler hat das auch sehr gerne angenommen.

Es ist für mich ganz wichtig, diese Arbeit fortzusetzen. Es ist die große Aufgabe der Zusammenführung der Sicherheitskörper nunmehr im Vollzugsbereich, und da möchte ich auch zu dem Wort „Baustelle“ kommen. – Es ist ja nichts Schlechtes, an der Zu­kunft zu bauen. Im Gegenteil: Wir müssen pausenlos bauen, es wird nie ein Gebäude ganz fertig sein. Es muss nur das Fundament – ich will jetzt nicht auf die Bibel zurück­greifen – sicher und gut sein; ich glaube, ich habe die Chance, auf ein wirklich gutes Fundament in vielen Bereichen aufzubauen. Darin sehe ich auch meine Aufgabe.

Wir werden an dieser Weiterführung des unter „Team 04“ laufenden größten Projektes seit 1945 arbeiten – und wir werden bis zum Sommer den größten Teil erledigt haben. Es liegt mir sehr daran, dies mit den Mitarbeitern zu tun, vor allem aber ist es mir ein Anliegen, soziale Härten zu vermeiden. Auf diesem Gebiete wird ja großartige Arbeit geleistet, sodass sich Österreich, auch international gesehen, in einer wirklich guten Situation befindet.

Wir werden also die bisherigen Maßnahmen fortsetzen und das Sicherheits-Monitoring, die Sicherheitsstatistik dazu nutzen, gegen organisierte Kriminalität einzuschreiten und internationale Aufgaben zu erfüllen.

Im Vorjahr wurde mit der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität be­gonnen. Wir werden das intensiv fortsetzen, um die so genannten Hotspots, die überall auftreten können, zu bekämpfen. Die Erfolge dieser Einsatzgruppen sind ja in den ver­gangenen Monaten wirklich großartig gewesen.

Schulung und Ausbildung stellen in diesem Zusammenhang natürlich auch einen ganz wichtigen Faktor dar. Die Ausbildungszentren sind im Übrigen voll – und das ist von ganz besonderer Wichtigkeit, um in der Folge hoch qualifizierte Mitarbeiter zu haben. Im Jahre 2005 sind um 500 Dienstposten mehr vorgesehen. Wir müssen die Modernisierung des Sicherheitsapparates weiterführen und mit gezielten Strategien und Schwerpunktmaßnahmen diese Aufgaben erfüllen.

Damit zu dem, was ich für ganz besonders wichtig halte, nämlich die Prävention, etwas, womit gar nicht früh genug begonnen werden kann, wobei ja da der Nachweis nur schwer zu erbringen ist, dass man erfolgreich war. Jedenfalls: Ohne Prävention wird es nicht gehen – und schon gar nicht in der Sicherheitspolitik. Und: Die Menschen müssen auch wissen, was sie selbst zur erfolgreichen Prävention beitragen können.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir gestern die erste Schutzzone vorstellen konnten. Diese erste Schutzzone wird offiziell mit 14. Februar sozusagen in Betrieb gehen; ges­tern ist ja nur die diesbezügliche Verordnung publiziert worden. Derzeit werden viele weitere Bereiche in diese Richtung prüft, weil diesbezüglich ja sehr interessante und wichtige Maßnahmen gesetzt werden können.


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Jedenfalls meine ich, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, dieses „Missing link“ zwi­schen Exekutive und Mitarbeit der Bevölkerung zu schaffen, denn was die Einrichtung von Schutzzonen betrifft, sind Eltern, Lehrer und Kinder aufgerufen, Hinweise zu ge­ben, sodass die Exekutive mit verstärkten Streifen die Möglichkeit hat, jene Kinder und Jugendlichen, die sich nicht in solchen Bereichen aufhalten, zu schützen und Perso­nen, die eine Gefahr darstellen könnten, wegzuweisen beziehungsweise abzustrafen. Auch beim Sicherheitsgipfel Mitte Februar werden wir eine Diskussion darüber führen.

Zu einem weiteren wichtigen Punkt, nämlich zum Thema Asyl, wobei es mir dabei ganz besonders wichtig ist, die Themen Asyl und Migration nicht zu vermischen, son­dern das genau auseinander zu halten. Je mehr man diskutiert – auch auf internatio­naler Ebene –, erkennt man, dass das Asylproblem kein österreichisches, sondern ein europäisches, ja ein globales Problem ist.

Betonen möchte ich, dass ich keinesfalls in einem Überschwang an Gefühlen Äußerun­gen dazu gemacht habe: Ich weiß, wovon ich spreche, ist doch gerade Niederöster­reich eines jener Bundesländer, das mit steigenden Asylwerber-Zahlen konfrontiert ist – und in diesem Zusammenhang immer wieder Probleme hatte.

Betonen möchte ich weiters, dass das derzeit in Österreich geltende Asylgesetz weder als „brutales“, „unmenschliches“ oder gar „menschenverachtendes“ Gesetz bezeichnet werden kann. Das sind völlig falsche Bezeichnungen! Eine Analyse darüber habe ich in Gesprächen mit den NGOs diskutiert und, wie gesagt: Ich bin in jeder Form gesprächs­bereit. In der „Plattform Asyl“ haben wir über eine Evaluierung gesprochen; ebenso habe ich an einem Runden Tisch diese Themen mit den NGOs durchgesprochen. Vie­les, was an Kritik erhoben wurde, konnten wir ausdiskutieren, und es konnte in diesen wenigen Monaten, eben seit Mai 2004, enorm viel an Verbesserungsmaßnahmen in Bezug auf Vollzug, Durchführung und Beschleunigung der Asylverfahren erreicht wer­den, ebenso aber auch im Hinblick auf Qualität und selbstverständlich auch, was die Menschenrechte anlangt.

Genau da müssen wir fortsetzen und das Asylgesetz weiter entwickeln – daran werden wir gemessen werden –, sodass wir tatsächlich das angestrebte Ziel erreichen, nämlich jenen, die Hilfe brauchen, diese so rasch wie möglich zu geben, aber auch jenen, die das Asylrecht missbrauchen, zu sagen, dass das so nicht geht. Auch das soll so schnell wie möglich im jeweiligen Asylverfahren gemacht werden.

Bei jenen, die unter dem Deckmantel „Asyl“ das Asylrecht missbrauchen, bei jenen, die kriminelle Handlungen setzen, müssen wir aber die rechtliche Möglichkeit haben, auch klar und deutlich zu sagen, dass wir das in Österreich eben nicht wollen. Das wollen wir alle nicht, und dazu ist das Asylrecht auch nicht da.

Daher nochmals: rasche Verfahren und qualitätsvolle Durchführung. Ein überall funk­tionierendes Asylsystem stellt ja ein gesamteuropäisches Anliegen dar. Vergangenes Wochenende habe ich an einem informellen Rat der EU-Justiz- und Innenminister teil­genommen. Da konnte man deutlich erkennen, dass das, was wir in Österreich schon lange sagen, nunmehr Gültigkeit für ganz Europa haben soll. Durch die Erweiterung der Europäischen Union, durch die Möglichkeit der Dublin-Verfahren gibt es ja eine zusätzliche Möglichkeit, diese Grundsätze umzusetzen. Auf Sicht gesehen sind in der Europäischen Union Rahmenbedingungen für ein einheitliches Asylrecht zu schaffen; auch hinsichtlich der Asylverfahren wird man sicherlich einen einheitlicheren Weg zu gehen haben.

Damit bin ich auch schon beim internationalen Bereich, der ja eine riesige Aufgabe selbstverständlich auch in der Innenpolitik darstellt, denn Europa ist eben heute ein Ganzes. Auch da muss es international gesehen eine ganz intensive Zusammenarbeit geben. Österreich befindet sich ja diesbezüglich in der Spitzengruppe der Schengen-


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länder, und wir sind dabei, ebenso die Beneluxstaaten und Deutschland, „Schengen 3“ bis zum Sommer umzusetzen. Österreich stellt dabei ein Modell für Gesamteuropa dar. Mit bilateralen Verträgen werden wir auch weiterhin versuchen, dass es in Bezug auf unsere Nachbarstaaten zu einer Anhebung auf Schengen-Niveau kommt, denn: Je sicherer unser Umfeld, desto sicherer ist auch Österreich.

Damit komme ich zu einem weiteren Thema, das mich gleich zu Beginn meiner Tätig­keit als Innenministerin beschäftigt hat, nämlich die Frage des Zivildienstes. Auch hier im Bundesrat möchte ich betonen, was ich von Anfang an gesagt habe: Ich weiß um die Bedeutung, ich weiß um die Wichtigkeit des Zivildienstes für die Erhaltung unserer sozialen Arbeit: sei dies in so genannten Blaulicht-Organisationen, sei dies in Hilfs­organisationen, in Krankenhäusern, in Pensionistenheimen beziehungsweise in den verschiedensten Vereinen.

Der Zivildienst ist von besonderer Wichtigkeit, was das soziale Leben in Österreich anlangt. Das auch nur zu gefährden, muss verhindert werden, gleichzeitig müssen wir aber auch den Zivildienern selbst Hilfe angedeihen und eine gerechte Behandlung zukommen lassen. Daher ist es mein Bestreben, diesen Wehrersatzdienst im Einklang mit dem Wehrdienst zu verbessern.

Ein herzliches Dankeschön jedenfalls der Zivildienst-Reformkommission, die in sechs Monate währender Arbeit wertvolle Grundlagenarbeit geleistet hat. Bei ihrem Bericht handelt es sich wirklich um ein umfangreiches Konvolut, wobei auch internationale Ver­gleiche angestellt wurden, Vergleiche, die es bis dato nicht gab. Sollte es einmal zu einem freiwilligen „sozialen Jahr“, sollte es einmal zu einem freiwilligen Zivildienst kom­men, können wir auf dieser Arbeit der Zivildienst-Reformkommission aufbauen, wissen wir, von welchen Grundsätzen wir dabei auszugehen haben. Nochmals: eine wichtige Basisarbeit, die da geleistet wurde.

Ein Dankeschön möchte ich auch dafür sagen, dass der Endbericht dieser Kommission mit breiter Mehrheit, mit breiter Zustimmung zustande gekommen ist, wobei eine Ver­kürzung des Zivildienstes, aber auch eine freiwillige Verlängerung vorgeschlagen wur­de; ebenso vorgeschlagen wurden Attraktivierungsmaßnahmen. – Wir werden diesen Bericht analysieren und eine Vorlage vorbereiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend möchte ich Folgendes festhal­ten: Aus tiefstem Herzen ist mir eine Zusammenarbeit auch in diesen Bereichen sehr, sehr wichtig. Ich glaube, dass wir da sehr viel für die Bevölkerung Österreichs tun können – und dass wir alle, jeder Politiker/jede Politikerin, daran gemessen werden, wie wir mit diesen Grundsätzen umgehen und ob wir tatsächlich danach handeln.

Meine Damen und Herren! Ich reiche gerne die Hand zur Zusammenarbeit, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen! Ich hoffe, dass wir es gemeinsam schaf­fen. (Allgemeiner Beifall.)

11.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesministerin Haubner das Wort. – Bitte.

 


11.49.38

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Kollegin Prokop! Lieber Herr Staatssekretär Dolinschek! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Nach zweijähriger Tätigkeit als Staatssekretärin im Sozialministerium mit Schwerpunkt Familie und Generationen, wo ich sehr oft die Freude hatte, mit Ihnen in einen Dialog zu treten, in einen Dialog, der für mich immer sehr positiv war – gerade auch als ehe­malige Bundesrätin freue ich mich, immer wieder zu Ihnen zurückkehren zu können –,


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möchte ich mich heute als Bundesministerin eines Schüsselressorts dieser Bundes­regierung vorstellen.

Vorstellen möchte ich mich bei Ihnen, meine Damen und Herren, aber auch als eine von sechs Ministerinnen dieser Bundesregierung, denn das zeichnet ja auch diese Regierung aus, dass sie verstärkt auf die Kompetenz der Frauen, aber vor allem auch auf den nachhaltigen Arbeitsstil von Frauen setzt. (Bundesrat Bieringer: Und das ohne Quotenregelung! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Frau Kollegin Prokop hat ja schon über dieses Miteinander gesprochen, hat die Hand zur Zusammenarbeit gereicht. Ich denke, es ist eine frauenpolitische Stärke, lösungs­orientiert etwas für die Menschen in Österreich zu tun. Und das zeichnet auch uns Ministerinnen in dieser Bundesregierung aus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Bevor ich Ihnen meine Vorstellungen kurz vortrage, möchte ich mich auch hier bei meinem Vorgänger, möchte ich mich bei Herbert Haupt bedanken. Ich habe ihm das schon persönlich gesagt, habe das im Nationalrat gesagt und wiederhole es hier im Bundesrat, dass die zwei Jahre der Arbeit mit ihm für mich eine große Bereicherung gewesen sind und ich Herbert Haupt zu großem Dank verpflichtet bin. Und: Den Weg, den Herbert Haupt in der Sozial- und Familienpolitik vorgegeben hat, werde ich kon­tinuierlich weitergehen, eben in Richtung Umsetzung der Ziele, die wir uns gesteckt haben. Konsequent und kontinuierlich werden wir das mit unserer Politik tun, mit einer Politik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, die dort investiert, wo es die Menschen tatsächlich brauchen. Diese Bundesregierung hatte aber auch den Mut – und wird ihn auch weiterhin haben –, dort Reformen zu setzen, wo Vorgängerinnen beziehungsweise Vorgänger von Herbert Haupt nie den Mut dazu hatten. Ich denke da beispielsweise an die Sicherung der Pensionen, ein Anliegen, das zwar immer da gewesen ist, wo sich aber eigentlich nie jemand darüber getraut hat. Und letztlich konnten wir das in dieser Bundesregierung bewerkstelligen.

Weiters möchte ich in diesem Zusammenhang an die bessere Unterstützung im finan­ziellen Bereich für die Familien erinnern: Das Kinderbetreuungsgeld ist – neben vielen anderen finanziellen Leistungen sowie Sachleistungen – die große Errungenschaft in dieser Legislaturperiode. Weiters anführen möchte ich – Kollege Schennach hat dieses Thema bereits angesprochen –, dass die Politik für Menschen mit Beeinträchtigungen, mit Behinderungen von dieser Bundesregierung, aber vor allem von meinem Vorgän­ger, von Bundesminister Haupt, immer in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt wurde. Staatssekretär Sigi Dolinschek und ich werden gemeinsam weiterhin diesen Weg gehen und werden diesen guten sozialpolitischen Ansatz nicht verlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Mitmenschen mit besonderen Bedürfnissen, mit Beeinträchtigungen haben einen ho­hen Stellenwert in unserer Arbeit – und wir signalisieren das auch dadurch, dass sich Staatssekretär Sigi Dolinschek schwerpunktmäßig mit den Anliegen und Sorgen der Menschen mit Behinderungen befassen wird.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, das Behindertengleichstellungsgesetz ist fast auf Schiene. Es gibt noch einiges zu verhandeln, aber wir sind gestern in die Endphase der Verhandlungen getreten. Im Interesse aller sind wir da, wie ich meine, auf einem guten Weg. Uns ist es ein besonderes Anliegen, dieses Behindertengleichstellungs­gesetz konkret umzusetzen und endlich eine wichtige rechtliche Basis in diesem Zu­sammenhang zu schaffen. Auch wird uns die Weiterführung und der ganz gezielte Einsatz der Behindertenmilliarde ein besonderes Anliegen sein.

Meine Damen und Herren! Mit der Pensionsharmonisierung, das heißt mit der Zusam­menlegung der Pensionssysteme für alle unter 50 Jahren ab 1. Jänner dieses Jahres,


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haben wir eine gute, faire und gerechte Möglichkeit geschaffen, dass es in Hinkunft nicht nur ein transparentes, sondern auch ein gerechtes System geben wird.

Im Rahmen dieser Pensionsharmonisierung haben wir aber auch jene Zielgruppe, die einen erleichterten Zugang zur Pension haben soll – auf Grund ihrer Arbeit, auf Grund ihres Lebensumfeldes, auf Grund von Krankheit –, beibehalten beziehungsweise aus­gebaut. Ich erinnere da beispielsweise nur daran, dass Langzeitversicherte in einer langen Übergangsregelung, und zwar bis zum Jahre 2017, auch weiterhin die Möglich­keit haben werden, früher in Pension zu gehen. Ich darf auch daran erinnern, dass an der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension, die seit Jahren besteht, nicht gerüttelt wird. Und weiters erinnere ich daran, dass wir erstmals für Frauen mit Familienpflichten die Schienen richtig gelegt haben, sodass diese Frauen nicht zu den Benachteiligten gehören, sondern letztendlich eine eigene Pension haben werden.

Zum Thema Schwerarbeiter, da das heute auch schon gesprochen wurde: Was jene Menschen anlangt, die schwerst körperlich arbeiten, die aber auch schwerste psychi­sche Belastungen im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit haben, haben wir uns darauf verstanden, dass es eine eigene Regelung geben soll, dass sie auch die Möglichkeit haben, mit dem 60. Lebensjahr in Pension zu gehen.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern: Diese Schwerarbeiterregelung war nicht nur Herbert Haupt ein wichtiges Anliegen, sondern für Staatssekretär Dolin­schek und mich hat das oberste Priorität – und wir werden da so rasch wie möglich ein entsprechendes Ergebnis vorliegen haben.

Ich lade Sie dazu ein – und da appelliere ich auch an die Sozialpartner –, gemeinsam den Weg, der ursprünglich von der Zustimmung der Sozialpartner getragen war, zu gehen, eben gerade auch dann, wenn es um solche Inhalte geht.

Meine Damen und Herren! Die Politik für Familien wird natürlich weiterhin eine zentrale Aufgabe unseres Ressorts sein, trägt diese doch letztendlich entscheidend zur Zu­kunftsfähigkeit unseres Landes bei.

Neben hervorragenden finanziellen Unterstützungen, die ich bereits angeführt habe, sowie den Sachleistungen brauchen Familien vor allem Partner im Arbeitsumfeld: im Arbeitsumfeld in den Unternehmen, in der Wirtschaft, damit es letztendlich nicht immer wieder so ist, dass sich Frauen entscheiden müssen, ob sie berufstätig sein oder sich ihren Wunsch nach Kindern erfüllen sollen.

Seitens unseres Bundesministeriums wollen wir weitere verstärkte Maßnahmen set­zen: in der Auditierung Familie und Beruf, in der Auditierung von Betrieben. Wir haben aber auch für das heurige Jahr finanzielle Mittel vorgesehen, um gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden die Angebote für Kinderbetreuung zu verstärken. Auch das geschieht erstmals, und zwar durch diese Bundesregierung. Obwohl die Länder hiefür zuständig sind, haben wir gesagt: Dieses Signal in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie nehmen wir ernst, nehmen wir wahr, und wir wollen finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit neue Formen der Kinderbetreuung sowohl in den Ländern als auch in den Gemeinden möglich sind.

Familien brauchen aber auch Partner in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld – und daher werden wir verstärkt auf die Allianz mit den Gemeinden, mit den Kommunen set­zen. Erste Schritte in Richtung Unterstützung der Familienfreundlichkeit haben wir bereits im Vorjahr gesetzt – und das wird weiter ausgebaut, denn Familie beginnt in der kleinsten Einheit, und das ist nun einmal die Gemeinde. Dort, wo Familien wohnen, gibt es auch dynamische und entwicklungsfähige Gemeinden.

Aber auch die Kinder brauchen verstärkt Partner, und zwar auch auf politischer Ebene. Daher haben wir mit der Verabschiedung des Nationalen Aktionsplanes für Kinder-


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rechte einen wichtigen Schritt gesetzt, aber es ist das ein weites und wichtiges Hand­lungsfeld, wobei es in den nächsten Monaten noch sehr viel zu tun geben wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Politik für Generationen heißt natürlich nicht nur unmittelbar Politik für Familien, sondern auch Politik für die Menschen in der dritten Le­bensphase, in der wir es heute mit einer Generation zu tun haben – mit der Generation 50-plus –, die sehr, sehr aktiv ist und die bereit ist, sich in dieser dritten Lebensphase auch neuen Herausforderungen zu stellen. Diese Realität müssen wir auch im politi­schen Ansatz sehen. Daher wird ein Schwerpunkt meiner Arbeit die Unterstützung des lebensbegleitenden Lernens sein, aber auch die Unterstützung dafür, weiterhin fit und aktiv im Alter zu sein und das auch entsprechend zu transportieren und weiterzugeben. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Nicht vergessen dürfen wir natürlich auch in der dritten Lebensphase jene, die beson­dere Betreuung und Pflege brauchen. Das sind die Hochbetagten, das sind die Kran­ken. Hier haben wir große Verantwortung, dass auch in Zukunft ein sicherer Lebens­abend gesichert ist und dass vor allem die Pflege zu Hause weiter möglich ist und weiter ausgebaut wird. Diese Pflege zu Hause wird natürlich zunehmend zu einer Frage der Begleitung und der Entlastung der Angehörigen. Auch hier müssen wir noch einiges nicht nur an Ideen, sondern auch an konkreten Umsetzungen machen.

Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Der Konsumentenschutz ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Ministeriums für soziale Sicherheit. Er wird ein wichtiger Teil unserer Arbeit sein, denn Konsumentenschutz heißt Anwaltschaft für die Bürgerin­nen und Bürger – wichtiger denn je in Zeiten der Globalisierung und der internationalen Konzerne. Daher werden Sigisbert Dolinschek und ich – und das ist auch schwerpunkt­mäßig im Staatssekretariat angesiedelt – uns weiter als Anwälte in diesem Bereich verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ebenso werden wir dem bisher gepflegten Prinzip der Bürgernähe weiterhin treu bleiben, durch ein verbreitertes Angebot an Dienstleistungen, an Informationen, an Be­ratungen und Hilfestellungen aus unserem Ressort für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Meine Damen und Herren! Die nächsten Monate stellen uns, meinen Staatssekretär und mich, vor große Aufgaben. Ich kann Ihnen versichern, wir werden uns für das, was noch zu tun ist und was für die Menschen in diesem Land wichtig ist, mit voller Kraft einsetzen. Gerade am Beginn eines Jahres, das für die Republik Österreich ein so wichtiges Jahr ist, betrachte ich als Sozialministerin es als eine meiner wichtigsten Auf­gaben, alles dazu beizutragen, dass das soziale Miteinander und die soziale Sicherheit in unserem Land weiter gewährleistet sind, gerade auch für diejenigen, die dieses Land aufgebaut und die die Basis dafür geschaffen haben, dass wir heute hier stehen können in einem freien Land, in einem sicheren Land und auch in einem Land, in dem es soziale Wärme gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Auf diesem Fundament wollen wir das soziale Netz weiter­knüpfen. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, hat diese neueste Studie, die heute schon vielfach zitiert wurde, gezeigt. Wir sind in Österreich führend, vor allem was die Qualität der Gesundheits- und Sozialleistungen betrifft. Wir sind auch führend – das geht aus dieser Studie vor –, oder wir sind im Spitzenfeld, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft.

Ich bedanke mich, meine Damen und Herren vor allem auch von der Opposition, dass Sie in Ihren Redebeiträgen natürlich die notwendige Kritik vorgebracht haben, aber letztendlich auch konstruktive Worte gefunden haben. Ich lade Sie sehr herzlich ein, sich nicht ausschließlich Sorgen über den Zustand der beiden Parteien in dieser Regie­rung zu machen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das machen wir gar nicht! – Bundes-


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rat Konecny: Nein, hauptberuflich nicht!), sondern ich lade Sie ein, über Parteigrenzen hinweg diesen guten sozialpolitischen Weg mitzugehen, für Österreich und für die Menschen in unserem Land. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und den Grünen.)

12.04

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte.

 


12.04.37

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Verehrte Ministerinnen! Herr Staatssekretär! Der Herr Bundeskanzler ist mir hoffentlich nicht ganz abhanden gekommen. Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich komme aus der Kommunalpolitik, und als Bürgermeister bin ich besonders stolz darauf, unterscheiden zu können, was positive politische Zielsetzungen sind und was negative politische Zielsetzungen sind. Daher danke ich auch dieser Regierung, dass zum Beispiel im Bereich der Behinderten und im Bundestierschutz sehr vieles gesche­hen ist.

Geschätzte Damen und Herren! Wir haben aber in diesem Hause schon viele Regie­rungsumbildungen beziehungsweise -änderungen und Rücktritte miterlebt und diese auch gemeinsam kommentiert. Vor allem diese Regierung, geschätzte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen – und das können Sie ja nicht abstreiten –, zeichnet sich durch ständige und immer kürzer werdende Abstände in Veränderungen ganz besonders aus. Und was auffallend ist: Die Bevölkerung hat sich schon daran gewöhnt, und sie hat es sich abgewöhnt, darauf – wie früher bei den von Ihnen immer so genannten alten Regierungen – mit umfassenden Diskussionen an Stammtischen et cetera zu reagieren.

Geschätzte Damen und Herren! Auch die heimischen Medien ziehen sonderbarerweise keine wie immer geartete Kritik aus den – und erlauben Sie mir dieses Wort – doch etwas unstabilen Verhältnissen, die diese Regierung auszeichnen. Der Herr Bundes­kanzler – und das muss ich ihm auch lassen – versteht es ganz besonders, diesen Umstand mit einer sehr diplomatischen Gabe zu kaschieren, nämlich dazu zu schwei­gen.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nichtsdestoweniger darf ich Herrn Ex-Bundesminister Haupt für sein weiteres Leben alles Gute wünschen, vor allem Gesundheit.

Meine geschätzten Damen und Herren! Werte Kollegen! Hohes Haus! Ein oftmaliger Wechsel im Regierungsteam generell wirft automatisch das Bild der Regierung an die Wand. Für uns Verantwortliche in den Ländern und in den Gemeinden ist dies sehr, sehr schwierig – ich nenne nur einige Beispiele, weil unsere Verhandlungspartner ge­rade im Innenministerium oder in andere Ministerien in der letzten Zeit des Öfteren gewechselt haben –, und es ist ein Schlag gegen die Kontinuität jedes politischen Han­delns.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte nicht darüber philosophieren, wer uns hier in diesem Hause als nächstes Opfer präsentiert wird. Vielmehr habe ich – und das ist für mich als Mandatar wichtig – zu beurteilen, was diese Regierung für unsere Men­schen tut oder auch nicht tut. Eines sei vorweg festgehalten: Soziales Gedankengut, wie es jetzt die Frau Minister in ihrer Beantwortung hier in diesem Hohen Haus an­gesprochen hat, wird als politischer Maßstab und als politische Zielsetzung immer wichtiger, gnädige Frau.


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Geschätzte Damen und Herren! Eine hohe Arbeitslosigkeit – und die heutige Statistik spricht von 316 017 Jobsuchenden, besonders ... (Bundesrat Kneifel: Deutschland hat viel mehr ...!) – In Deutschland wohnen eben mehr Leute, Herr Kollege, als in Nie­derösterreich und in Oberösterreich, das ist das Problem. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Prokop. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, das stimmt schon, Frau Minister. Lassen Sie mich aber sagen, jeder Arbeitslose, bitte schön, ist ja zu viel! Wir diskutieren hier über Zahlen, ob diese Zahlen in Deutschland sind, ob diese Zahlen in Schweden sind. Für mich ist entscheidend, dass eine Regierung daran gemessen wird, wie viele Arbeitsplätze sie mit ihren Rahmenbedingungen schaffen kann.

Noch etwas, geschätzte Damen und Herren: Es spielen diese Arbeitslosenzahlen, wenn Sie in unserem Land herumschauen, in regionalen Bezirken eine wesentlich unterschiedliche Rolle. Auch hier ist Handlungsbedarf angesagt. (Bundesrat Dr. Küh­nel: In Wien! Wien ist ...!)

Und noch etwas, meine geschätzten Damen und Herren: Unnötige Abfangjäger anstatt sinnvoller Infrastruktur, besonders in den Gemeinden! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Herr Kollege, ich nehme ausdrücklich den Hochwasser­schutz her, der unser Bundesland sehr, sehr berührt, wo die finanziellen Mittel nur durch politischen Einsatz noch möglich sind.

Die Belastungen unserer älteren Generation kann man jetzt von politischer Seite sehen, wie man will. Ich halte sie für unerträglich.

Die Verschlechterungen im Gesundheitssystem auf bestimmten Ebenen durch zusätz­liche Belastungen sind nicht wegzudiskutieren. Die Verunsicherung bei den bestehen­den staatstragenden Unternehmen wie Post und Bahn ist ebenfalls nicht wegzudisku­tieren. Und die Abschaffung wichtiger infrastruktureller Einrichtungen im ländlichen Raum – wie Post und Bahn, Gendarmerieposten, Gerichte – ist ebenfalls nicht wegzu­diskutieren.

Meine geschätzten Damen und Herren! Auch die Inflationsrate – und jetzt wird wieder das deutsche Beispiel kommen – von zirka 3 Prozent ist für unsere Bevölkerung bei­leibe nicht hilfreich. Von Uni-Reform und PISA-Studie möchte ich gar nicht reden, sie verstärken diese Regierungsarbeit.

Noch etwas, geschätzte Damen und Herren – und als Bürgermeister kann ich Ihnen das bezeugen –: Der Finanzausgleich hat für kleine Gemeinden kein Plus, sondern ein Minus mit sich gebracht! (Bundesrat Bader: Darum haben wir so eine PISA-Studie: weil du nicht lesen kannst! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Jetzt reicht’s!)

Ich kann Ihnen das anhand von vielen Beispielen sagen. Erkundigen Sie sich bei Kol­legin Fröhlich, ich muss sie immer wieder zitieren! (Bundesrat Gruber: Seltsame Art von Humor!) Ihr Mann ist Bürgermeister in einer kleinen Gemeinde, und fragen Sie ihn: Bei ihm macht das Minus ungefähr 7 000 € aus; das ist die andere Seite. Und die Steuerreform, geschätzter Herr Kollege, wurde auf Kosten der Gemeinden unglücklich durchgeführt! Das sei hier, bitte, auch erwähnt. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, ich möchte es aber damit bewenden lassen.

Geschätztes Hohes Haus! Abschließend wünsche ich den neuen Mitgliedern in der Bundesregierung und in ihren Ressorts eine glückliche Hand im Interesse – wie Sie bereits erwähnt haben – unseres Landes und unserer Republik.

Ich darf abschließend einen Zeitungsartikel zitieren, Frau Präsident, in dem das ganze Desaster dieser Regierung deutlich wird. Er kommt von einem sehr konservativen Journalisten der „Tiroler Tageszeitung“, die, wie Sie alle wissen, dem Bürgermeister


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von Reutte sicher nicht nahe steht, und er schreibt Folgendes: Steuerkasperltheater! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Herr Kollege, jetzt passen Sie gut auf!

Das ist Steuerkasperltheater der Sonderklasse, wobei Grasser gleich in einer Doppel­rolle auftrat, zunächst als böses Krokodil, das Taxlern, Kellnerinnen, Friseurinnen ihr sauer verdientes Trinkgeld wegschnappen will, und jetzt als guter Kasperl, der dem Krokodil eine überzieht. – Zitatende.

Das macht diese Regierung mit unserer Bevölkerung! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bader. – Bitte.

 


12.12.39

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men Bundesministerinnen! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Lieber Kollege Wiesen­egg, ich wollte dich mit dieser Aussage persönlich nicht kränken. Aber ich weiß als Bürgermeister sehr genau, was das Finanzausgleichsergebnis für die Gemeinden gebracht hat. Es ist gerade für die Gemeinden im ländlichen Raum, für die kleinen Gemeinden, doch ein sehr deutliches Plus geworden, und darauf sind wir natürlich sehr stolz! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber mehr – das gestehe ich dir auch zu – könnte es immer sein. – Das zum einen.

Zum Zweiten, weil Herr Kollege Wiesenegg auch angesprochen hat, was die Regie­rung tut oder nicht tut: Im Gegensatz zu dir schmückt sich diese Regierung nicht mit fremden Federn. Ich habe gestern die „Außerferner Nachrichten“ gelesen, wo steht, was du in diesem Jahr hier im Bundesrat alles geleistet hättest. Ich glaube, da wären wir alle miteinander unnötig. (Bundesrat Konecny: Das kann man diskutieren!)

Aber zur Thematik der Regierungsumbildung gleich zu Beginn noch eine persönliche Anmerkung: Liebe Frau Innenministerin, ich freue mich natürlich heute ganz beson­ders, dir hier die besten Wünsche zur Übernahme dieses verantwortungsvollen Res­sorts zu überbringen. Ich mache das vor allem auch sehr gerne als Bezirkspar­teiobmann deines Bezirkes Lilienfeld, und ich darf dir auch die besten Grüße der Vorstandsmitglieder überbringen, da wir vorgestern erst Sitzung hatten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich denke, dass diese Aufgabe eine sehr herausfordernde und verantwortungsvolle auf der einen Seite, aber natürlich auch eine sehr sensible Aufgabe ist. Gerade Frauen haben in der Regierungsverantwortung bisher sehr oft die so genannten „Softwares“ zu verwalten und zu bearbeiten gehabt, wenn ich etwa an Jugend, Soziales oder Familie denke. Jetzt ist das erste Mal eine Frau Ministerin im Innenressort, und ich glaube, das hat auch seine guten Gründe.

Warum ist Liese Prokop mit der Verantwortung im Innenministerium betraut worden? – Weil hier nicht entschieden wurde, wegen der Quote eine Frau zu nehmen – ich erin­nere daran, dass diese Regierung die meisten Frauen hat –, also nicht wegen der Quote, sondern weil ganz einfach die Qualifikation im Vordergrund steht und für dieses Amt eine reiche Erfahrung notwendig ist, auf der einen Seite, genauso wie Menschlich­keit, Durchsetzungsfähigkeit, Handschlagqualität und Verlässlichkeit. Das hat die Frau Innenministerin in ihrer bisherigen Arbeit auch entsprechend zum Ausdruck gebracht.

Ich frage mich aber auch – und das hat mich schon sehr betroffen gemacht –, wie manche in der Opposition mit solch einer Bestellung umgehen. Wie so oft, wenn an­scheinend die Argumente fehlen und keine Linie vorhanden ist, wenn die linke Hand nicht weiß, was die ganz Linke tut (Bundesrat Gruber: Geh, geh, hör auf! Palaver


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nicht! So was Schwaches!), kommen dann Untergriffe, die diffamierend sind und die wirklich nur von jenen stammen können, die politisch komplett unerfahren sind wie Zentralsekretär Darabos.

Aber anscheinend liegt solchen Aussagen nur eines zugrunde: Qualifiziert ist nur der, der auch das entsprechende Parteibuch hat. Wenn er ein guter Roter ist, dann ist er entsprechend qualifiziert. (Bundesrätin Konrad: Da seid ihr Weltmeister!) Ich denke da zurück an eine Bestellung im Innenministerium vor, ich glaube, rund zehn Jahren, als ein Karl Schlögl zum Innenminister bestellt wurde. (Bundesrat Konecny: Da gibt es viel aktuellere Beispiele!) Damals hat es keine Diskussion darüber gegeben, dass er vorher Bürgermeister war und direkt in das Ministerium gewechselt hat. Aber jetzt macht man hier Aussagen, die wirklich als miese Aktion durchschaut wurden, durch­schaut von der Presse und natürlich auch von den Menschen.

Ich darf hier nur kurz zwei Zitate anführen. Alfred Worm hat in „NEWS“ geschrieben unter der Überschrift – ich zitiere – „Wenn Dummheit weh täte“:

Reden wir über Dummheit – schreibt er –, also über einen Parteimanager, der einer in ihrem bisherigen Leben sehr erfolgreichen Frau das Alter vorhält. Nun mag Darabos wegen seiner Unerfahrenheit zwar nicht mehr wissen, dass es innerhalb der SPÖ einmal Dohnal und Co gab. Aber mit diesen Wissenslücken sollte er künftig vielleicht besser schweigen und, statt über das Alter von Frauen, besser über die eigene Dumm­heit nachdenken. – Das schreibt Alfred Worm.

Oder ein Leserbrief im „Kurier“ vom 22. Dezember:

Leider zeigen die politischen Stellungnahmen der SPÖ zusehends ein erschreckendes Maß an Niveaulosigkeit, Gedankenlosigkeit – und so weiter, ich möchte gar nicht wei­ter zitieren, was dieser Leser geschrieben hat. (Bundesrat Reisenberger: ... das ge­schrieben? – Bundesrat Gruber: Habt ihr euch einen guten Brief geschrieben?) Wo ist dabei aber der Aufschrei der SPÖ-Frauen geblieben? – Ich finde, das war wirklich eine abqualifizierende Äußerung.

Nun aber einige Anmerkungen zum Inhalt der Arbeit der neuen Innenministerin: Ich danke vorweg auch gleich für die klaren Aussagen in den verschiedenen Bereichen, die sehr wesentlich sind. Es ist, glaube ich, das Entscheidende – und diese Studie „Quality of Life“ zeigt das auch –: Das Gefühl der Menschen ist entscheidend, es sind nicht die Statistiken allein das Entscheidende. Wir sind das sicherste Land, das zeigen uns die Statistiken, aber das Entscheidende ist, dass wir den Menschen auch das Gefühl vermitteln, dass es so ist. Der Ehrgeiz dieser Bundesregierung und der Frau Innenministerin ist ganz einfach jener, dass es so bleibt und wir diese Sicherheit auch weiterhin haben werden.

Das Zweite: Ich glaube, dass sehr gute Instrumente vorhanden sind, um auch in der Exekutivreform die Weichen zu stellen. Im Asylbereich würde ich dringend um eines bitten: Neben der sehr wesentlichen Unterscheidung, denjenigen zu helfen, die Hilfe brauchen, Missbrauch abzustellen und die Kriminellen entsprechend zu bestrafen, brauchen wir unbedingt eine Beschleunigung der Verfahren. Ich habe das schon ein paar Mal auch im Gespräch mit der Frau Innenministerin angemerkt. Es ist heute für die Menschen, die um Asyl ansuchen, wirklich notwendig, dass die Entscheidungen rasch fallen – im Interesse der Betroffenen, aber genauso im Interesse der Österrei­cherinnen und Österreicher.

So darf ich dir abschließend viel Freude und vor allem Erfolg wünschen! Du kannst dir der Unterstützung der ÖVP-Fraktion sicher sein. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


12.19


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Wiesenegg zu Wort gemeldet.

Ich darf darauf hinweisen, dass eine tatsächliche Berichtigung 5 Minuten nicht über­schreiten darf und überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken ist.

Bitte, Herr Bundesrat Wiesenegg.

 


12.20.05

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Damen und Herren, ganz besonders Kollegin Fröhlich und Kollege Bader! Es ist immer von Übel, wenn die Recherche fehlt, bevor man irgendetwas aus den „Außerferner Nachrichten“ zitiert. Wie Sie wissen, gibt der Bundesrat immer einen Tätigkeitsbericht heraus, der dann weiter­gesendet wird. Ein Wiesenegg hat da nie hingeschrieben, was er alles getan hat. Bitte sich in dem Zusammenhang an den betreffenden Journalisten zu wenden! Das wäre einmal das Erste zu dieser wichtigen Sache.

Und Sie sollten sich, bitte schön, nicht immer auf Frau Fröhlich verlassen, sondern fra­gen Sie mich, wie das entstanden ist. Es ist nie die Absicht des Bundesrats Wiesenegg gewesen, irgendjemanden falsch zu bezichtigen oder was auch immer, sondern es geht darum, dass ein Buch herausgegeben wurde, das im Gegensatz steht zu dem von Präsidenten Khol verfassten Schriftstück, das im Berichtsjahr 2004 den Bundesrat mit keiner Silbe erwähnt. Das ist Ihnen auch nicht aufgefallen, aber das ist auch schon egal. (Bundesrätin Roth-Halvax: Wie kommen Sie darauf, dass das niemandem auf­gefallen ist?) – Ich weiß es, weil ich es habe! Nein, es ist niemandem aufgefallen, davon gehe ich aus, denn sonst wäre ja ein Aufschrei durch den ganzen Bundesrat gegangen, wenn der Bundesrat in so einem wichtigen Papier mit keiner Silbe vor­kommt. – Das ist aber die andere Seite.

Noch einmal: Ich bitte insbesondere dich, Kollege Bader, zu bedenken: Wenn dir Frau Fröhlich noch einmal eine Zeitung zeigt oder wie auch immer das genau vor sich gegangen ist, dann komm doch zu mir, und ich werde dir das genau aufklären, dass dem nicht so ist! Aber ich werde das auch in Reutte tun, darauf kann sich Frau Fröhlich verlassen. Bitte verstehe meine Meldung in diesem Sinne! (Beifall bei der SPÖ.)

12.22

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


12.22

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Bundesministerinnen! Sehr geehrter Herr Staatsekretär! Das Thema Frauen­quoten haben wir heute auch in der Fragestunde bereits kurz angesprochen. Der Herr Bundeskanzler hat daraufhin sehr indirekt unterstellt, dass beim Reformdialog zur Forschung nicht mehr als fünf qualifizierte Frauen gefunden werden konnten und dass ihm das in seiner Regierung viel besser geglückt sei. Ich gehe davon aus, dass es auch zum Thema Forschung weitaus mehr qualifizierte Frauen gäbe, aber das sei nur dahingestellt. (Bundesrat Schennach: Wie viele waren es?) – Fünf von 50! Das ist schon eine recht geringe Anzahl, das muss man schon sagen.

Ich freue mich, dass hier zwei Frauen sitzen, die Ministerinnenposten bekleiden, die davor von Männern bekleidet worden sind. Das möchte ich neidlos zugeben. Es freut mich, wenn Frauen verstärkt in Machtpositionen kommen, und zwar nicht, weil ich glaube, dass Frauen Tätigkeiten automatisch besser machen würden als Männer, auch nicht, weil ich meine, dass die Regierungsarbeit, dadurch, dass sie jetzt vermehrt von Frauen erledigt wird, automatisch besser würde, sondern einfach, weil ich es als Femi-


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nistin für sehr wichtig halte, dass Frauen die Hälfte der Macht für sich beanspruchen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Damit ist über die inhaltliche Arbeit noch gar nichts gesagt, aber das ist einmal eine Grundlage.

Jetzt muss ich Herrn Prof. Böhm leider ein wenig widersprechen: Er hat vorhin gesagt, Privatleben sei Privatleben und das gehe niemanden etwas an. Im Prinzip haben Sie Recht, aber wenn zum Beispiel der Ehemann von Frau Ministerin Prokop interviewt wird, dann wird er ja nicht als Privatperson interviewt, sondern eben als Mann der Ministerin. (Bundesrat Dr. Böhm: Als Handballtrainer!) – Ich glaube nicht, dass der „Falter“ einen Handballtrainer als Handballtrainer interviewt. (Bundesrat Konecny: Was hätte ein Handballtrainer denn schon zum Thema Frauen und Küche zu sagen?) Ich würde behaupten, dass hier doch eher etwas anderes im Vordergrund stand. Und die Aussagen, die Herr Prokop in diesem Interview getätigt hat, sind einfach vor allem für mich als Feministin, aber offenbar auch für sehr viele andere Menschen, sehr schwierig hinzunehmen und nicht etwas, was man unwidersprochen stehen lassen möchte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie sind voller Vorurteile!)

Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die Frau Ministerin nicht unbedingt die Meinung teilt, die ihr Mann kundgetan hat, denn sonst wäre ja nicht damit zu rechnen, dass sie jetzt als Ministerin hier in dieser Position sitzt. Schockiert hat mich trotzdem, diese Aus­sagen in dieser Form lesen zu müssen, und ich hoffe, dass die Distanz zu diesen Aussagen von Ihrer Seite her groß genug ist.

Nun zu einem anderen Thema: Es war ja früher einmal ein Zeichen von Allgemein­bildung, wenn man alle Regierungsmitglieder aufzählen konnte. Inzwischen, so meine ich, bräuchte es Spezialistinnen und Spezialisten, um das leisten zu können. Schulkin­dern kann man jedenfalls nicht mehr zumuten, alle Regierungsmitglieder, die aktuellen, geschweige denn all jene, die es in dieser Regierungsperiode schon gegeben hat, aufzählen zu können. Ich finde es schon sehr spannend, dass der Herr Bundeskanzler, wie er es heute getan hat, die Tatsache, dass ihm Minister Strasser abspringt – und anders kann man es wohl nicht nennen, denn es war doch eine sehr spontane Hand­lung, von ihm sicherlich durchdacht, aber trotzdem spontan –, hier zum Anlass nimmt, eine überwältigende Erfolgsbilanz seiner Regierung zu präsentieren.

Gut, man kann sagen: Er hatte ja auch sehr viel Personal, das ihn dabei unterstützt hat. Dennoch ist es in Firmen normalerweise auch ein Zeichen von Qualität, von gutem Betriebsklima, wenn die Angestellten, die Mitarbeiter längere Zeit in der Firma verwei­len und nicht in dieser doch überraschend großen Geschwindigkeit wechseln. Ich denke nicht, dass es für die Regierung spricht, wenn die Ministerinnen und Minister in derartig schneller Folge wechseln, ich denke auch nicht, dass man das als Kontinuität bezeichnen kann. Ich bin etwas überrascht gewesen, dass das von Vorrednern so bezeichnet wurde. Natürlich ist das ein Zeichen dafür, dass ein gewisses Chaos herrscht. Der innere Zustand der Parteien ist deren Angelegenheit und kann bei mir vielleicht in manchen Fällen zu Amüsement führen, aber sicher nicht zu einer näheren Beschäftigung damit. Der Zustand der Regierung ist jedoch natürlich schon, wie das Kollege Schennach bereits ausgeführt hat, für alle Österreicherinnen und Österreicher eine wichtige Angelegenheit. Erlauben Sie uns also, doch ein wenig über diesen schnellen Wechsel in den Ministerämtern überrascht zu sein. Ich hoffe, dass es ab jetzt etwas mehr Kontinuität geben wird und dass die Frauen, die sich heute hier für diese Posten vorstellen, dann auch entsprechend lange in diesem zweifellos harten Geschäft durchhalten können.

Frau Ministerin Prokop möchte ich vor allem eines sagen: Ich meine, dass sehr stark an der Dialogbereitschaft gemessen werden kann, wie gut Ihre Arbeit ist. Ich halte es


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für extrem wichtig – ich habe das auch in der letzten Sitzung schon gesagt –, dass vor allem auch in der Frage der Asylgesetze mit NGOs gesprochen wird. Das heißt nicht, dass alles, was eine NGO sagt, dann auch umgesetzt und in Gesetzesform gepackt werden müsste, denn eine NGO hat ja definitionsgemäß eine andere Funktion. Dass jedoch Dialogbereitschaft gegeben ist, und darin war diese Regierung in der Vergan­genheit nicht vorbildlich, dass es in diesem so wichtigen Bereich funktioniert, dass NGOs einbezogen werden, sodass auch die NGOs selber sagen, dass das Gesprächs­klima ein gutes ist, das halte ich für wichtig, und daran wird sich für mich auch messen lassen, wie gut Ministerin Prokop ihre Arbeit macht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ein Thema liegt mir besonders am Herzen – und das richtet sich jetzt an Frau Minis­terin Haubner –, nämlich das Thema Frauen. Ich erwähne jetzt nur das Stichwort Lohn­schere. Das ist etwas, wo sich in den letzten 30 Jahren faktisch nichts getan oder verbessert hat. Hier ist viel zu tun. Wir haben über Frauenpolitik geredet. Frauenpolitik erschöpft sich nicht darin, dass Frauen Ministerinnenposten bekleiden, sondern Frau­enpolitik beginnt genau dann, wenn es zum Beispiel darum geht, die Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen abzubauen. Es gibt massiven Handlungsbedarf, denn das, was in der Vergangenheit auch von dieser Regierung gemacht worden ist, zum Beispiel im Hinblick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie, war keinesfalls so, dass es jetzt wirklich für jede Frau möglich wäre, eine Karriere zu haben und nebenbei ein befriedigendes Familienleben führen zu können. Ganz im Gegenteil! Daran wird dann zu messen sein, ob diese Regierung wirklich Politik für Frauen gemacht hat. In diesem Bereich ist sehr viel zu tun. Für diese wichtigen und schwierigen Aufgaben wünsche ich Ihnen alles Gute, und ich hoffe, dass bei den Ergebnissen auch etwas dabei sein wird, von dem ich dann sagen kann, dass es mir gefällt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.29

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

 


12.29

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Ich begrüße die beiden Bundesministerinnen! Ich begrüße den Herrn Staatsekretär! Ich nehme gleich Bezug auf die Sorgen, die wir haben, insbesondere im Hinblick auf Senioren, Pflegebedürftige, Familien und jene, die den Wiederaufbau in Österreich nach dem schrecklichen Krieg mit herbeigeführt haben. Beide Rednerinnen haben sich zu diesem Thema in unterschiedlicher Weise, aber doch in gleichartiger Sorge geäußert. Es ist ja wirklich für die österreichische Bevölkerung wichtig, die eine große Zahl Senioren auf­weist – und von dieser großen Zahl Senioren ist bedauerlicherweise eine große Anzahl pflegebedürftig –, dass wir ihnen hier im Hohen Haus zumeist leider Gottes nur rheto­risch, aber auch durch unsere Aktionen wie beispielsweise Gesetzesinitiativen wirklich helfen. Diese Senioren leben zum Teil in einer gewissen Unsicherheit. Wir müssen anerkennen, dass Senioren es nicht nur gesagt bekommen wollen, wie sicher unser Land ist, sondern auch haben wollen, dass sie sich subjektiv sicher fühlen.

Aus diesem Grunde befürworten wir natürlich, dass jetzt in Wien mit einer Schutzzone begonnen wird, mit einer Schutzzone für Kinder am Karlsplatz. Innerhalb dieser Schutzzone liegt eine Schule, in der meine vier Söhne, jetzt noch immer einer, ihren Unterricht genossen haben. Ich erinnere daran, dass vor 20 Jahren bei einer Dis­kussion in dieser Schule die grüne Abgeordnete Jerusalem gesagt hat: Was stört Sie daran, dass dort die Süchtigen sind? Die jungen Leute sollen sich daran gewöhnen. – Ich fand das so empörend! Es hat 20 Jahre gedauert, bis man eine Aktion gestartet hat, die vielleicht Erfolg bringen wird.


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Ich meine, Frau Bundesministerin, Wien gehörte als Ganzes zur Schutzzone erklärt. Warum? Nur in einer Schutzzone ist eine sofortige Abstrafung möglich durch Geld­strafen beziehungsweise in weiterer Folge, wenn das Geld nicht eingetrieben werden kann, durch Einsitzen. Nur in einer Schutzzone ist es möglich, dass die Exekutive den Rechtsbrecher, also denjenigen, der das Nichterlaubte betreibt, sofort aus dem Ver­kehr zieht. Wir brauchen daher in Wien eine Schutzzone für die gesamte Stadt, und wir brauchen in Wien, sehr geehrte Frau Bundesminister, in Zusammenarbeit mit der Exe­kutive verstärkte Sicherheit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schennach: Wollen Sie die Szene nach Niederösterreich abdrängen?)

Es ist daher für mich nicht ganz nachvollziehbar, wenn Kollegin Konrad gegen die Frau Minister gewisse Vorurteile zum Ausdruck bringt. Das nötigt mich dazu, auf meinen Vater zu verweisen, der in den dreißiger Jahren zehn Jahre lang österreichischer Meis­ter im Laufen war. Mein Vater, der ein betont sportlicher Mann war, hat gesagt: Traue einem Politiker, wenn er Sportler gewesen ist! – Bitte, Frau Minister, insofern möchte ich Ihnen gerne trauen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Na ja, ich weiß nicht, wenn man sich da den Abgeordneten Lichten­egger anschaut!)

Zu den Ausführungen des Kollegen Wiesenegg, der hier meinte, dass die Politik Ar­beitsplätze schaffe. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja, ja, nicht die Politik schafft Arbeitsplätze, sondern die Wirtschaft!) Nun ja, wir Politiker meinen oft, wir schafften Arbeitsplätze. Lieber Kollege Wiesenegg! Wir schaffen keine Arbeitsplätze, wir schaf­fen bestenfalls bessere oder schlechtere Rahmenbedingungen, auf dass die Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe daher einige Sorge betreffend die österreichische Jugendarbeitslosigkeit, und damit auch, Frau Bundesminister, Sorge wegen der Verkürzung des Zivildienstes, also des Wehrersatzdienstes, und des Militärdienstes. Ich habe diese Sorge heute auch in meiner Frage dem Herrn Bundeskanzler gegenüber ausgedrückt, der in einem kleinen Nachsatz gesagt hat: Na ja – sinngemäß, ich zitiere ihn jetzt nicht wörtlich, das ist nicht möglich –, eigentlich müsste man den Dienst dann verlängern. – Ja, liebe Freunde: In Zeiten mit Jugendarbeitslosigkeit und Drogenproblemen ist es besser, den Dienst zu verlängern als ihn zu verkürzen. In Zeiten steigender Alterspflegebedürftigkeit ist es für uns, und ich bin Seniorensprecher meiner Fraktion hier im Hohen Haus, nicht nach­vollziehbar, wie soziale Hilfsdienste in Zukunft mit dem so wertvollen Zivildienerdienst zurechtkommen sollen, der ihnen helfen soll.

Wir brauchen die Hilfe der Jugend! Wir brauchen die Hilfe der Jugend in den sozialen Hilfsdiensten, wir brauchen aber auch die Hilfe der Jugend bei der Schaffung von Sicherheit an den österreichischen Grenzen. Gegen das Einströmen der Ausländer, die im wahren juristischen Sinne nicht asylberechtigt sind – und Sie haben schon auf dieses Problem hingewiesen –, es sind nämlich 80 Prozent der Einströmenden nicht asylberechtigt, müssen wir viel stärker vorgehen und eine stärkere Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten suchen. Ich bin davon überzeugt, Frau Bundesminister, dass Sie meine Worte hier nicht brauchen. Sie wissen selber woran es fehlt! Sie sollen aber wissen, dass Sie auch vom Koalitionspartner Unterstützung bekommen werden, wenn wir die Spreu vom Weizen trennen. Es ist eigentlich wenig Weizen, es sind wenig echte Flüchtlinge darunter.

Es muss möglich sein, hier Ordnung zu schaffen, ohne sich dabei immer hinter so genannten NGOs zu verstecken. Frau Bundesminister! Die Nichtregierungsorganisatio­nen sind im Gegensatz zum Parlament demokratisch durch nichts legitimiert. Ich weiß nicht, warum Nichtregierungsorganisationen mehr Wissen, mehr Können haben sollen als wir. Dann sollen sie sich doch als Parteien bewerben und wählen lassen. Dann sitzen sie hier als gleichberechtigte Partner. (Bundesrat Schennach: Das ist an Ihnen


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vorbeigegangen, das können Sie offenbar nicht verstehen! – Bundesrat Gruber: Idea­listen sind das! Das war jetzt aber ein gewaltiger Ausrutscher!) Als Nichtregierungs­organisationen aber – ich bin jetzt ein bisschen schärfer – hier Regierungsmitgliedern und Parlamentariern wohlfeile Ratschläge zu geben, die sie auch nicht im Geringsten finanzieren müssen, das halte ich für überheblich und eigentlich nicht länger vertretbar. (Bundesrat Schennach: Jede Bürgerinitiative ist eine NGO! Wissen Sie das?)

Ich möchte noch auf die Arbeitslosen zu sprechen kommen. Beide Damen Bundes­minister sind angesprochen! Wir hatten mit Jahresende zu Beginn des Januar in Öster­reich 246 700 Arbeitslose. Wir müssen aber eine 30-prozentige verdeckte Arbeitslosig­keit dazurechnen, und außerdem sind die Sozialhilfeempfänger nicht mit berücksich­tigt. Das heißt, wir haben eine sehr große Arbeitslosigkeit. Diese Arbeitslosigkeit ist nicht nur eine Arbeitslosigkeit von älteren Personen, sondern auch und gerade von Jugendlichen. In diesem Zusammenhang möchte ich, dass ein Programm geschaffen wird, welches Sicherheit für Alte und Sicherheit für den Staat mit inkludiert. Wir dürfen nicht zusehen, wie junge Arbeitslose plötzlich in die Rauschgiftszene im Raume Wien oder in anderen Großstädten hineingeraten und damit Opfer unserer vermeintlichen Großzügigkeit werden. Ich meine, Frau Bundesminister zu meiner Rechten (in Rich­tung von Bundesministerin Prokop), Frau Bundesminister (in Richtung von Bundes­ministerin Haubner) und Herr Staatssekretär zu meiner Linken, dass genug Aufgaben da sind, sodass wir in den nächsten Monaten lobend auf Ihre Arbeit zurückschauen werden können, und auch jetzt schon im Blick nach vorne loben können.

An Frau Bundesminister Prokop habe ich noch eine Bitte: In einem Vier-Augen-Ge­spräch unlängst bei einem Empfang hier habe ich auf die unmöglichen, einer Militär­diktatur angeglichenen Uniformen hingewiesen. Vielleicht gelingt es Ihnen noch, den zuständigen Modisten dazu zu bewegen, die Uniformen österreichischer Exekutiv­beamter doch mit einigen Austriaka auszuzeichnen, damit man nicht glauben muss, irgendein südamerikanischer Polizeistaat würde zum Beispiel am Karlsplatz nach dem Rechten sehen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.39

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. – Ich darf wieder auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung hinweisen.

 


12.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Selbst­verständlich werde ich die Bestimmungen der Geschäftsordnung einhalten.

Sehr geehrter Herr Kollege Gudenus! Man kann jedes Zitat aus dem Zusammenhang reißen; das haben Sie mit dem Zitat der Frau Gemeinderätin und Landtagsabgeordne­ten Susanne Jerusalem gemacht. Die Lehrerin Susanne Jerusalem hat damit nicht ge­meint, dass Drogensüchtige vor Schulen eine sehr gute Entwicklung sind, sondern sie hat gemeint – und da wird auch die Frau Innenministerin nickend zur Seite stehen –, dass man gerade eine Drogenszene nicht abdrängen soll. Die Polizei in Wien weiß über die Drogenszene des Karlsplatzes ausgezeichnet Bescheid. Ich selbst habe dort als ehrenamtlicher Bewährungshelfer einen Jugendlichen betreut und bin überrascht gewesen, wie genau über jeden einzelnen kleinen Schritt der offiziellen Szene Be­scheid gewusst wird. Das heißt, man kann auch die Drogenszene nicht in weitere Untergrundbereiche abdrängen oder gar in das Biotop Niederösterreich. Man muss Niederösterreich dankbar sein, dass es den „Grünen Kreis“ gibt. Das ist die härteste Therapie, der sich Drogensüchtige freiwillig unterziehen. Das ist mehr als Gefängnis, aber wer es schafft, hat eine solide Basis für die Zukunft. Das gibt es in Niederöster­reich mit Bundesunterstützung.


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Frau Susanne Jerusalem hat damit gemeint, dass wir in einer Großstadt sind – Herr Gudenus, vielleicht kann auch einmal einer Ihrer Söhne dabei sein (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus); das können Sie nicht wissen, denn wir alle wissen, dass die Drogenszene durchaus auch aus einem wohlhabenden beziehungsweise aus einem bürgerlichen Bereich genährt wird –, und damit ist gemeint gewesen, dass man die Drogenszene nicht abdrängen, sondern lokalisieren, unterstützen, entkriminalisie­ren soll und dass man vor allem danach trachten soll, die Beschaffungskriminalität zu verhindern. Das war damit gemeint. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Dass Sie wissen, was die Frau Jerusalem vor 20 Jahren gemeint hat, das ist schon recht erstaunlich! – Bundesrat Schennach – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Weil wir ständig darüber diskutieren!)

12.41

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

 


12.41.16

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Herr Staatssekretär! Ich glaube, die Diskussion, die wir bisher gehört ha­ben, war ja schon ganz interessant, beginnend mit dem Freund Bader, der die Einigkeit der Partei für sich als großes Problem – nämlich der anderen Parteien – in den Vorder­grund stellt und hier mit dem Wort Parteibuchwirtschaft in andere Richtungen gehen will. Ich halte es schon für sehr lustig und interessant, gerade als Niederösterreicher hier mit diesen Argumenten zu kommen. Ich kann mich erinnern, es ist noch nicht so lange her, da hat man in Niederösterreich nicht einmal die Chance gehabt, im Straßen­kehrdienst unterzukommen. Vielleicht ist es eine eigene Art von Humor, die Kollege Bader uns heute hier in dieser närrischen Zeit präsentiert. Vielleicht haben ihn die vielen Festln ein bisschen beeinflusst, sodass er glaubt, er hat hier auch eine Rede vor einem Publikum auf einem Gschnasfestl zu halten und nicht im Hohen Haus.

So ähnlich oder noch viel schlimmer kommen mir aber auch die Worte vor, die Abge­ordneter Gudenus gefunden hat, als er nämlich die Schutzzone, die eine durchaus sinnvolle Sache ist und die in der Erprobung jetzt auch zeigen wird, wo das eine oder andere noch besser gemacht werden kann, so darstellte: Machen wir gleich ganz Wien, machen wir vielleicht gleich ganz Österreich dazu! – Aus Kärnten ist dazu ein wunderbarer Applaus gekommen.

Da frage ich mich schon: Was für ein Realitätsbezug ist hier eigentlich noch vorhan­den? Weiß der Kollege eigentlich, wovon er spricht? Weiß er eigentlich tatsächlich über die Situation Bescheid, weiß er, was Jugendlichen, die mit Rauschgift oder anderen gefährlichen Dingen in Bezug kommen, tatsächlich passiert? Weiß er eigentlich tat­sächlich, dass es bereits an den Volksschulen beginnt? Weiß er eigentlich tatsächlich, dass sich auf der Straße vor Schulen und in der Umgebung Grauenhaftes abspielt, Grauenhaftes für die Familien, für die Kinder selbst und für deren Zukunft? Da frage ich mich schon, ob da noch ein gewisses Verantwortungsbewusstsein vorhanden ist, Kol­lege Gudenus, angesichts der Worte, die Sie jetzt gesprochen haben. – Er verlässt uns gleich wieder (da Bundesrat Mag. Gudenus eben den Sitzungssaal verlässt), aber das ist vielleicht ohnedies gescheiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsplatz, Wirtschaft und Politik gegeneinander ausspielen zu wollen und immer zu sagen, die Wirtschaft ist die Einzige, die Arbeitsplätze schafft, die Politik kann es nicht machen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu hören wir auch immer wieder von der Wirtschaft, die Politik hat ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Warten Sie, Frau Präsidentin! Ich mache nichts Böses, ich sage gar nichts Böses. Warten Sie nur ein bisschen! (Bundesrätin Zwazl: Ich bin schon ruhig!) – Die Wirtschaft sagt natür-


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lich immer auch mit Berechtigung, auch hier hat in gewissen Punkten die Politik ihre Aufgaben wahrzunehmen.

Daher ist die eigentliche Wahrheit, dass Politik und Wirtschaft in einem gemeinsamen Spiel arbeiten müssen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Ich glaube, dass wir gerade in Wien – und darauf bin ich ganz stolz – mit Altpräsident Nettig ein wunderbares System gefunden haben, das sicherlich durchaus auch in anderen Bereichen umsetzbar wäre und das zeigt, wie es gehen kann, dass Politik und Wirtschaft gemeinsam für alle arbeiten, um Arbeitsplätze zu schaffen, die wir alle so sehr brauchen.

Aber ich sage es noch einmal, Kollege Gudenus, Sie haben heute hier einige tolle Sachen von sich gegeben. Ich würde Ihnen vorschlagen – vielleicht setzen Sie sich in Ihrer eigenen Partei durch –, das wäre doch, bitte, ein Wahlkampfprogramm für die nächste Wahl, mit dem Sie hinausgehen könnten. Neben dem, was ich zuerst schon gesagt habe, wäre das Nächste, zu verlangen, dass der Wehrdienst verlängert wird, dass der Zivildienst verlängert wird. Ich glaube, das ist etwas, womit man durchaus zeigen kann, welches Ziel die Freiheitliche Partei Österreichs hat.

Ebenso muss man den Menschen auch immer wieder sagen, dass Sie – und Sie machen das offensichtlich für Ihre Partei – die NGOs und all die Organisationen, die tagtäglich so viel Gutes leisten, als Feindbild des Staates darstellen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Sie stellen sie hier als Feindbild des Staa­tes dar und bezeichnen Ratschläge an den Staat als „überheblich“.

Das Letzte, das dem Kollegen Gudenus noch wichtig ist, ist die Uniform des Bundes­heeres. (Bundesrat Mag. Gudenus: Der Polizei!) Ah, der Polizei, Entschuldigung! Matrosengwandl sind es ja Gott sei Dank keine, und über Form und Farben kann man diskutieren. Ich kann mit dieser Art der Uniform auch durchaus leben, weil ich von Grund auf kein Freund von Uniformen bin. Daher ist mir die Art der Uniform und die Farbe der Uniform, ob die jetzt mehr in die eine oder andere Richtung geht, nicht so wichtig. Mir erscheint es wesentlich wichtiger, welche Möglichkeiten die Kolleginnen und Kollegen der Exekutive tatsächlich haben und wie ihre Arbeit unterstützt wird.

Frau Ministerin Prokop! Ihre Rede, die Sie hier heute gehalten haben, war staats­tragend und sehr positiv. Ich hoffe, dass sich auch in der täglichen Arbeit das, mit dem Sie heute begonnen haben, widerspiegelt. Lassen Sie mich gleich, weil ich von Wien komme, einen Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist, nämlich den Bereich der Exekutive. Sie wissen sicherlich – es gab des Öfteren Diskussionen mit Ihrem Vor­gänger –, dass wir in Wien – ich sage es und gebe es ganz ehrlich zu – teilweise nicht so schlecht behandelt wurden wie andere Bundesländer, aber trotzdem haben wir die Situation, dass nach wie vor über 400 Planpositionen fehlen. Das heißt, wir haben auch in Wien massive Probleme, und ich ersuche Sie, sich in dieser Richtung wirklich anzuschauen, ob wir nicht die eine oder andere Nachbesserung vornehmen und vor allem das, was eigentlich auf dem Papier bereits vorhanden wäre, in die Realität umsetzen könnten.

Zum zweiten Punkt: Zivildienst. Sie haben – wie zuvor auch der Herr Bundeskanzler – kurz die Verkürzung auf neun Monate angesprochen. Gut und schön. Sicherlich wer­den wir dem zustimmen, sicherlich sind wir froh, dass wir diesen Schritt gemacht haben, aber ich glaube trotzdem, dass eine Reduzierung auf sechs Monate und damit eine Gleichschaltung zum Heeresdienst durchaus richtig und verantwortungsvoll wäre. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das zeigt Ihre Ahnungslosigkeit, Herr Kollege!) – Wenn jemand von Ahnungslosigkeit redet, dann redet er meistens über Sie, Herr Kühnel, und Sie beweisen es uns tagtäglich. Bitte versuchen Sie doch einmal, ruhig zu atmen, ohne Laute von sich zu geben. Das wäre für uns alle sehr angenehm.


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Ich glaube nämlich, wenn wir uns bei den Organisationen, die auf den Zivildienst ange­wiesen sind – da gebe ich Ihnen schon vollkommen Recht –, anschauen, was denn bei der Verkürzung auf die sechs Monate passiert, dann dürfen wir nicht davon ausgehen, dass der Zivildienst automatisch ein Punkt geworden ist, mit dem wir diese Organisati­onen – unter Anführungszeichen – „unterstützen“. Ich glaube schon und ich weiß, dass man, wenn man den Zivildienst auf sechs Monate reduziert, diesen Organisationen in einer anderen Art und Weise Unterstützung zuteil werden lassen muss, sei es finan­zieller Natur oder wie auch immer. Das ist dann Aufgabe des Staates, unsere Aufgabe. Ich weiß, dass das nicht einfach ist, aber Möglichkeiten muss es geben.

Ich ersuche Sie daher, dass wir diese Diskussion doch noch einmal in geeigneter Form führen, denn ich glaube, neun Monate sind gut, aber trotzdem zu wenig.

Nun zu Frau Ministerin Haubner und zu Staatssekretär Dolinschek. Die Frau Ministerin hat sich hier präsentiert und hat nicht – wie im Zuge der Gleichberechtigung zu erwar­ten – auch dem Mann etwas übrig gelassen, sondern sie hat gleich alles mitgenom­men, sie hat auch für ihn gesprochen. (Bundesministerin Haubner: Das geht nicht anders!) Es geht nicht anders. So ist es. Ich glaube, Sie haben uns auch in Ihrer eigenen Art – wir kennen uns ja doch schon eine Weile, Sie sind ja kein Neueinsteiger hier (Bundesrätin Konrad: Neueinsteigerin! – Bundesministerin Haubner: Neueinstei­gerin!) – sehr locker den Wechsel der Regierungsmitglieder präsentiert. Wenn man die Anzahl der Wechsel hernimmt – meine Vorredner haben darüber schon gesprochen –, so ist das schon ganz beachtlich. Ist es Überforderung, ist es Überarbeitung oder ist es Unfähigkeit von Ministern, Ministerinnen, Staatssekretären, Staatssekretärinnen, die hier eingesetzt wurden? Ich denke vor allem daran, dass es manchmal Zeiten von nur ein paar Wochen oder Monaten gewesen sind. Ich überlasse es Ihnen. Man sollte sich schon überlegen, zu sagen, das ist ganz toll und die Kontinuität ist hier gewahrt worden. Es ist ganz einfach ein ziemlich permanenter Wechsel gemacht worden, der dem Staat Österreich bei Gott nicht gut tut.

Ganz abgesehen davon, ob Männer oder Frauen den Wechsel gemacht haben – also das Ganze geschlechtsneutral gesehen –, muss man schon sagen, das ist nicht normal, das ist auch nicht etwas, was man als positiv bezeichnen kann. (Bundesrätin Zwazl: Was heißt: „nicht normal“?)

Ähnlich ist es damit, Frau Kollegin, wenn ich sehe, dass Herr Minister Haupt zurücktritt und dann wiederum in den Nationalrat einzieht. Da frage ich mich: Ist das Altersvor­sorge oder ist das Altersversorgung, die hier stattfindet? – Ein Punkt, den genau Ihre Partei, Frau Ministerin, immer schärfstens bekrittelt hat. (Bundesministerin Haubner: Keine Abfertigung! Er bekommt keine Abfertigung!) Aber dafür machen wir ihn wieder zum Herrn Nationalrat. (Bundesministerin Haubner: Das ist er sowieso! – Zwischen­rufe bei den Freiheitlichen.) Na, mir kommen die Tränen, sehr geehrter Herr Obmann. (Präsident Mag. Pehm übernimmt den Vorsitz.)

Mit Sozialpartnern einen Weg finden, Frau Ministerin: Hundertprozentig einverstanden! Hier gibt es viele Varianten, nur: Es darf keine Einbahn sein. Und da Sie Pensions­verhandlungen angesprochen haben, die wir hatten: Zu Vereinbarungen werden wir als ÖGB, als ein Teil der Sozialpartner, hundertprozentig stehen, wenn die Grundlage, nämlich das Papier, über das es Einigkeit gegeben hat, die gleiche bleibt. Wenn man das Papier verändert, dann dürfen Sie nicht erwarten, dass wir dann in Zukunft immer auch weiterhin sagen: Ja, ja, wenn wir damals ja gesagt haben, wird das auch in Zukunft so bleiben. Es muss also bei den Inhalten die Einigung vorhanden sein, dann werden wir, gerade wir als ÖGB, auch die besten Partner sein, die Sie sich vorstellen könnten.


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Ganz kurz noch zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Worte hör ich wohl, ich habe nur in letzter Zeit sehr wenig von der Realität mitbekommen. Eine Benachteili­gung der Frauen ist leider Gottes tatsächlich tagtäglich zu bemerken. (Bundesrätin Roth-Halvax: Reden Sie von sich zu Hause?)

Und als Letztes: Auch Sie haben sich Sorgen darüber gemacht, dass die Koalitionspar­teien von uns hier mit Sorge bedacht würden. – Meine sehr verehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sorgen machen wir uns um die Österreicherin­nen und Österreicher, um unser Land, aber nicht um die ÖVP oder die FPÖ. Glauben Sie mir das! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.52

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Antrittsansprache des Präsidenten

 


12.52.00

Präsident Mag. Georg Pehm: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit dem Jahreswechsel übernahm das Burgenland wieder den Vorsitz im österreichi­schen Bundesrat und auch in der Konferenz der österreichischen Landeshauptleute. Das sind für mein Heimatland besondere Momente. Denn diese Funktionen bedeuten für das Burgenland nicht nur, turnusgemäß wiederkehrende Aufgaben in föderalen Institutionen bestmöglich zu erfüllen, wir erkennen daran auch: Das Burgenland ist ein gleichberechtigtes, gleich angesehenes, ein ebenso erfolgreiches und ernst genomme­nes Bundesland dieser Republik. Die Menschen, die im Burgenland leben und die diesen Aufstieg erarbeitet haben, können stolz auf ihre Leistungen sein. Und dafür, dass Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gegenüber dem Burgenland das auch immer wieder zum Ausdruck bringen, möchte ich mich von dieser Stelle aus auch ganz herzlich bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne ihn hätte ich persönlich nicht die groß­artige Chance und die einmalige Erfahrung dieser Präsidentschaft. Und ohne ihn wären die österreichischen Bundesländer um eine kräftige und durchsetzungsstarke Föderalismusstimme ärmer: Bitte begrüßen Sie mit mir den Vorsitzenden der Landes­hauptleutekonferenz und Landeshauptmann vom Burgenland Hans Niessl. – Herzlich willkommen, Herr Landeshauptmann! (Allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich, dass auch der Präsident des Burgenländischen Landtages, Präsident Walter Prior im Parlament ist. Dort sitzt er! Entschuldige, Herr Präsident, ich habe dich nicht sofort gesehen! Ganz herzlich willkommen, mit aufrichtigem Dank an den Burgen­ländischen Landtag! (Allgemeiner Beifall.)

Weiters begrüße ich ebenso sehr herzlich mehrere Bürgermeister und Bürgermeisterin­nen aus dem Burgenland. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie da sind! (Allgemeiner Beifall.)

Nicht zuletzt, Hoher Bundesrat: Bitte begrüßen Sie mit mir eine Delegation von 50 poli­tikinteressierten Bürgerinnen und Bürgern des Burgenlandes, die heute einen ganzen Tag hier im Parlament verbringen. Ein Teil hat hier im Plenum Platz gefunden, ein anderer Teil verfolgt die Sitzung in einem der Nebenräume auf einem Bildschirm. Jedenfalls: Herzlich willkommen ihnen allen! (Allgemeiner Beifall.)

Persönlich und, wie ich denke, auch in Ihrem Namen möchte ich meiner unmittelbaren Vorgängerin, Frau Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach, für ihre objektive und unpar-


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teiliche Vorsitzführung, die sie mit höchster Kompetenz, mit viel Fingerspitzengefühl im vergangen Halbjahr ausführte, sehr herzlich danken. Vielen Dank, Frau Präsidentin! (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich danken möchte ich weiters auch jenen Kollegen des Präsidiums, die mich in kurzer Zeit von nur sechs Monaten in die Lage versetzt haben, diese neue Aufgabe hoffentlich gut erfüllen zu können. Ich danke hierbei gleichermaßen Herrn Vizepräsi­denten Jürgen Weiss (allgemeiner Beifall), Herrn Fraktionsvorsitzenden Ludwig Bierin­ger (allgemeiner Beifall), Herrn Fraktionsvorsitzenden Professor Albrecht Konecny (all­gemeiner Beifall), Herrn Fraktionsvorsitzenden Professor Dr. Peter Böhm (allgemeiner Beifall) und last but not least Herrn Fraktionsvorsitzenden Stefan Schennach. Vielen Dank Ihnen allen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich danke auch Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen, dafür, dass Sie mir die Vorsitz­führung bisher nicht wirklich schwer gemacht haben. Die politischen Auseinanderset­zungen hier im Bundesrat waren mitunter zwar hart, aber stets von gegenseitigem Respekt geprägt. Dafür danke ich Ihnen, und ich freue mich auch auf eine gute Zusammenarbeit in den nächsten Monaten. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Keinesfalls verabsäumen möchte ich schließlich, all jenen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich hier zu danken und sie hier zu erwähnen, ohne die der Bundesrat wahr­scheinlich nicht wirklich funktionieren würde. Es sind dies die Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter des gesamten Bundesratsdienstes mit Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda an der Spitze. – Vielen Dank für ihre Unterstützung! (Allgemeiner Beifall.)

Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Freitag vergangener Woche ist der Österreich-Konvent zu Ende gegangen. Die Frage ist daher: Welchen Schluss können wir nun, mit einigen Tagen Abstand, ziehen? – Aus meiner Sicht lässt sich das Resümee in zwei kurzen Sätzen darstellen: Der Konvent ist tot! Und: Es lebe der Konvent! – Ich denke, beides ist richtig.

„Der Konvent ist tot“ ist richtig, weil die Beratungen letztlich zu keiner neuen Verfas­sung für diese Republik geführt haben. Hier in diesem Raum wurde über 19 Monate hindurch in mehr als 200 Arbeitssitzungen darum gerungen. Einfach und umfassend sollte die neue Verfassung sein, verständlich und modern, zu einem schlankeren Staat und zu einer effizienteren Verwaltung sollte sie führen. Diese Ziele wurden bislang verfehlt. Das ist seit vergangenem Freitag nun Gewissheit.

Angesichts der hohen Erwartungen zu Beginn des Konvents ist auch die Enttäuschung groß; nicht nur bei vielen Mitgliedern der Vollversammlung, bei Expertinnen und Exper­ten, bei Politikerinnen und Politikern, die unzählige Stunden an Arbeit hier eingebracht haben, es bedauern viele darüber hinaus – Bundesrätinnen und Bundesräte, Länder­vertreter, interessierte Bürgerinnen und Bürger –, dass offensichtlich kein anderes Ergebnis möglich war. Deswegen ist leider zu sagen: Der Konvent ist tot.

Gleichzeitig sage ich aber auch: Es lebe der Konvent! – Ich sage das deswegen, eben weil so viel an Arbeit bereits in die Beratungen geflossen ist; eben weil es schon eine Vielzahl an Vorschlägen für eine transparentere und verständlichere Verfassung gibt; eben weil es wichtig ist, die Demokratie weiter zu entwickeln und den Föderalismus neu zu beleben; eben deswegen müssen die Bemühungen um eine moderne Verfas­sung nun weitergehen. Der Konvent hat seine Arbeit getan, jetzt ist das Parlament in und mit seinen beiden Kammern am Wort, je rascher, desto besser, und je mutiger, desto besser, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was kann der Bundesrat nun dazu beitragen? – Nun: Zum einen sich selbst. Der Bundesrat kann sich selbst und damit das breite und vielschichtige Wissen der Länder einbringen. Denn es ist doch keine Frage, dass es unter allen Politikerinnen und Poli-


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tikern doch gerade die Bundesrätinnen und Bundesräte sind, die durch ihre einmalige Stellung nicht nur eine Brücke zwischen den Ländern und dem Bund schlagen, sondern auch die Anforderungen auf beiden Seiten besonders gut kennen. Das ist eine ausgesprochene Kostbarkeit, über die wir in einem lebendigen Bundesstaat verfügen!

Wenn nun im Verfassungsausschuss des Nationalrates über eine neue Verfassung weiter nachgedacht und weiter verhandelt werden soll, dann wäre es doch auch aus­gesprochen unklug, die besonderen Erfahrungen des Bundesrates nicht zu berück­sichtigen. Als Länderkammer sehen wir daher heute schon der Einladung mit Freude entgegen, auch in Zukunft in die Beratungen um eine gesamthaft oder auch nur punk­tuell zu verändernde Verfassung voll eingebunden zu werden. Dieser Teil des Parla­ments kann versichern: Der Bundesrat wird sich und die Interessen der Menschen in den Bundesländern in jedem Fall bestmöglich in die weiteren Beratungen einbringen.

Was kann der Bundesrat dabei bieten? – Inhalt, viel Inhalt: Eine ganze Reihe von Vor­schlägen, die das föderalistische Prinzip dieser Republik weiter stärken, den Ländern mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung auf nationaler und europäischer Ebene einräu­men und insgesamt zu einer Aufwertung der zweiten Kammer, der Länderkammer, beitragen.

Ich habe zu dieser Thematik „nur“ – unter Anführungszeichen – die Antrittsreden der Präsidentinnen und Präsidenten der letzten Runde, also der vergangenen viereinhalb Jahre, nach Reformvorschlägen durchgesehen, und das Ergebnis ist wenig überra­schend: Die Kolleginnen und Kollegen haben über ein Dutzend an Vorschlägen in ihren Reden angesprochen oder besprochen. Wahr ist: Nicht all diese Vorschläge sind mehr­heitsfähig. Wahr ist außerdem: Nicht alle Vorschläge sind gleich wichtig. Aber ebenso wahr ist: Der Bundesrat verfügt über eine ganze Reihe von sinnvollen Anregungen, die einen modernen Föderalismus in einem neuen Europa möglich machen.

Ich ersuche alle Verantwortungsträger beziehungsweise – mehr noch – appelliere an alle Verantwortungsträger, die Diskussion fortzuführen und einen ernst gemeinten, mutigen Schritt gemeinsam mit dem Bundesrat zu setzen, um den Bundesstaat Öster­reich zu modernisieren und den Bundesrat gleichzeitig aufzuwerten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welche Positionen sind dabei nun von besonderer Bedeutung? – Aus meiner Sicht sind es zwei.

Erstens: Der Bundesrat braucht ein wirksames Stellungnahmerecht. Im Entwurf von Präsident Fiedler ist ein Stellungnahmerecht – und die Betonung liegt hier auf „ein Stellungnahmerecht“ – vorgesehen. Demnach sollte der Bundesrat berechtigt sein, Mit­glieder zur Teilnahme an den Vorberatungen über Gesetzesvorschläge in Ausschüsse oder Unterausschüsse des Nationalrates zu entsenden. Was dies konkret bedeutet und, vor allem, welche Möglichkeiten der Mitbestimmung für die Länder damit in Wirk­lichkeit verbunden sind, bleibt vorläufig offen. In diesem Zusammenhang wird auf die Geschäftsordnungen des Nationalrates und des Bundesrates verwiesen, die entspre­chend zu ändern wären.

Mutig ist das nicht! Mutig wäre, dass sich die Länderkammer betreffend ein Gesetz nicht im Nachhinein beschweren muss, noch dazu mit einem kraftlosen Verzögerungs­instrument, sondern bereits im Vorhinein zu Gesetzen konstruktiv beitragen kann. Gelingt uns das, dann wäre dies gleichzeitig ein entscheidender Fortschritt in dieser Republik in Richtung bürgernahe und bessere Gesetze.

Zeigen wir daher Mut: Verwirklichen wir gemeinsam ein wirksames Stellungnahme­recht des Bundesrates, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Zweitens: Der Bundesrat braucht eine Ausweitung seiner Zustimmungsrechte. Auch in diesem Zusammenhang ist sicherlich anzuerkennen, dass Präsident Fiedler ein qualifi-


Bundesrat
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ziertes Mitspracherecht des Bundesrates im Rahmen der so genannten dritten Säule vorschlägt, also dort, wo es um die geteilte Zuständigkeit des Bundes und der Länder für die Gesetzgebung geht. – Die Richtung stimmt also.

Was aber geschieht, wenn es unterschiedliche Positionen beim Bund und bei den Ländern gibt? Statt den Ländern über den Bundesrat ein entscheidendes Instrument im wahrsten Sinn des Wortes in die Hand zu geben, wird nach einem Vermittlungsaus­schuss letztlich ein Gericht zur Lösung bemüht. Aus einem politischen Verfahren wird ein rechtliches.

Mutig ist das nicht! Mutig wäre, dem Bundesrat ein breiteres Zustimmungsrecht zu geben, als dies heute der Fall ist, wenn es um den Beschluss von Steuern geht, wenn es um den Beschluss des Finanzausgleiches geht oder wenn andere, für die Länder bedeutsame rechtliche Grundlagen verändert oder neu geschaffen werden sollen.

Ich weiß, dass gerade dieser Punkt, der von den Bundesländern auch im so genannten „Niessl‑Papier“ noch in der Schlussphase des Österreich-Konvents eingebracht wurde, durchaus umstritten ist, aber ich meine – im Gegensatz zu einigen zugespitzten Äuße­rungen in den vergangenen Tagen –, dass Österreich mit zusätzlichen Rechten für die Regionen weder „unregierbar“ wird, noch „dass sich alles aufhört“. Der Bund wird weder ein „zentralistisches Imperium“ errichten, noch wird die Forderung nach mehr Föderalismus zu einer „Entmündigung des Bundes“ führen. Nichts von dem wird wirk­lich eintreten! – Deswegen ersuche ich auch: Zeigen wir Mut, schaffen wir ein breite­res, faires Zustimmungsrecht für den österreichischen Bundesrat und damit auch für die österreichischen Bundesländer, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Allge­meiner Beifall.)

Mit Engagement und Zielstrebigkeit wollen wir in den nächsten Monaten auch daran arbeiten, den Bundesrat nicht nur durch verfassungsrechtliche Möglichkeiten, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung besser zu positionieren. Dazu wurde von der Präsidiale unter dem Vorsitz von Präsidentin Haselbach bereits im Herbst eine Arbeits­gruppe eingerichtet, der neben Bundesrat Professor Herwig Hösele und Bundesrat Stefan Schennach auch ich angehöre. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im Haus und gemeinsam mit Studierenden in Graz und in Wien versuchen wir, die Öffent­lichkeitsarbeit zu verbessern.

Umso mehr freut es mich, dass ich heute gleich mehrere Kolleginnen und Kollegen von Medien, vom Fernsehen, vom Radio, von der APA, von Printmedien, hier im Hohen Haus begrüßen darf. Glauben Sie mir, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Sie sind nicht nur heute, sondern Sie sind immer bei uns im Bundesrat willkommen! (Allgemei­ner Beifall.)

Ein weiteres, wichtiges Thema in den nächsten Monaten stellen die Überlegungen dar, wie das österreichische Parlament und insbesondere auch der Bundesrat verstärkt in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken können. Es ist dies gerade in einem Jahr, in dem wir unsere mittlerweile zehnjährige Mitgliedschaft in der Euro­päischen Union als richtig und wichtig betonen, ein gutes Signal, welches besagt: Holen wir Brüssel näher zu uns heran, bauen wir Distanzen ab und Möglichkeiten zur Mitwirkung in einem neuen Europa aus. Diskutieren wir noch breiter über europäische Themen und tragen wir damit zu einem bürgernahen Europa bei! Gelingt uns das, dann werden letztlich alle in diesem Land profitieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich mir die Antrittsreden meiner acht Vorgängerinnen und Vorgänger durchgelesen habe, hat mich sehr vieles beeindruckt. Da ist viel Gescheites gesagt und viel an Lebenserfahrung weitergegeben worden. Gefallen hat mir auch sehr, dass Präsident Hans Ager seinen Vorsitz speziell den Be-


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schäftigten im Tourismus, den „kleinen“ Wirtinnen und Wirten, gewidmet und dadurch diesen gegenüber seine besondere Wertschätzung unterstrichen hat.

Ich bin Burgenländer, und das mit Herz und Seele. Ich liebe dieses Land, und ich finde es toll, was die Burgenländerinnen und Burgenländer in den letzten Jahrzehnten ge­schaffen haben, nämlich ein großartiges, erfolgreiches, offenes und herzliches Land, auf das sie stolz sein können. Meinen Landsleuten, denen dies zu verdanken ist und denen ich selbst viel zu verdanken habe, und allen, die daran mitarbeiten, dass der Aufstieg des Burgenlandes fortgesetzt werden kann, möchte ich diese Präsidentschaft widmen. (Allgemeiner Beifall.)

Für mich persönlich ist diese Herausforderung eine große und großartige Auszeich­nung, und ich werde mich bestmöglich anstrengen, Ihre Erwartungen zu erfüllen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

13.12

13.13.132. Punkt

Erklärung des Landeshauptmannes des Burgenlandes, Hans Niessl, gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR betreffend „Perspektiven für den Föderalismus nach dem Öster­reich-Konvent“

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen damit zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße den Herrn Landeshauptmann des Burgenlandes noch einmal sehr herzlich und erteile ihm zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann. (Allgemeiner Beifall.)

 


13.13.14

Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Niessl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Es freut mich sehr, dass ich bei der ers­ten Sitzung des Bundesrates unter dem Vorsitz des Präsidenten Pehm eine Erklärung abgeben darf.

Präsident Pehm hat bereits darauf hingewiesen, dass das Burgendland in diesem Halbjahr nicht nur den Vorsitz in der Länderkammer innehat, sondern dass das Bur­genland auch den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz innehat. Das ist für uns eine große Herausforderung, das bringt auch eine große Verantwortung mit sich, und ich bin fest überzeugt davon, dass sich das Burgenland sowohl hier in der Länderkammer als auch bei der Landeshauptleutekonferenz sehr aktiv einbringen wird.

Das Burgenland ist nicht nur das kleinste österreichische Bundesland, sondern das Burgenland ist auch das jüngste österreichische Bundesland, und ich denke, dass auch in diesem Fall die Jungen etwas leisten können und dass man den Jungen etwas zutrauen kann.

Österreich feiert im heurigen Jahr zahlreiche Jubiläen: 60 Jahre Kriegsende, 50 Jahre Unterzeichnung des Staatsvertrages und 10 Jahre Beitritt Österreichs zur Europäi­schen Union. Diese sechs Jahrzehnte waren die längste Periode des Friedens in der Geschichte Österreichs. Die letzten Jahrzehnte waren eine Periode des wirtschaft­lichen Aufschwungs, der Strukturveränderung und der Modernisierung. Auf diese er­folgreiche Entwicklung können wir in Österreich stolz sein! Das ist eine ganz großartige gemeinsame Leistung. Diesen Erfolg verdanken wir dem Fleiß der Österreicherinnen und Österreicher, den Menschen, die in diesem Land leben.

Es ist wohl unumstritten, dass auch die föderale Struktur Österreichs einen wesent­lichen Beitrag zu diesem Aufstieg geleistet hat. Das bundesstaatliche Prinzip hat sehr viel zum steigenden Wohlstand und zum sozialen Frieden in unserem Heimatland bei-


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getragen. Die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik ist auch eine Erfolgsgeschichte der Bundesländer. Für das Burgenland hat das Jubiläumsjahr einen ganz besonderen Stellenwert. Aus Sicht des Burgenlandes können wir nicht nur 60 Jahre Kriegsende feiern, sondern vor 60 Jahren erfolgte auch die Wiedergeburt des Burgenlandes als eigenständiges und selbständiges Bundesland. Diese Eigenständigkeit war für das Burgenland sehr wichtig.

Aber natürlich war im jüngsten Bundesland die Entwicklung ungleich schwieriger als in den anderen Bundesländern Österreichs: Die geographische Lage entlang des Eiser­nen Vorhanges hat die erfolgreiche Entwicklung lange Zeit gebremst. Die Burgenlän­derinnen und Burgenländer mussten dieses Land im Schatten des Eisernen Vorhanges modernisieren und den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive geben. Erst nach und nach wurde das Burgenland zu einem gleichwertigen österreichischen Bundes­land.

Die Ostöffnung, der Fall des Eisernen Vorhanges und der Beitritt Österreichs zur Euro­päischen Union mit der damit verbundenen Ziel‑1‑Förderung für das Burgenland haben dazu beigetragen, dass sich das Burgenland in den vergangenen Jahren sehr dyna­misch entwickeln und seine Strukturen verändern konnte. Das Burgenland zählt zu jenen Regionen, die durch die Ostöffnung am meisten profitiert haben, und ich bin überzeugt davon, dass wir auch die Chancen der EU-Erweiterung, die am 1. Mai 2004 erfolgte, voll und ganz nützen werden.

Das Burgenland ist aber auch die einzige europäische Region, die an drei neue EU‑Staaten angrenzt, und wir haben schon sehr früh auch den hohen Stellenwert der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erkannt. Seit vielen Jahren gibt es eine sehr gute und enge Kooperation mit den Komitaten Westungarns. Das Burgenland, Wien und Niederösterreich haben gemeinsam mit Teilen der Slowakei, Tschechiens und Westungarns die Europaregion Mitte gegründet. Wir haben mit der Euregio Westpan­nonia ein Modell der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geschaffen, und diese Zusammenarbeit hat in diesem neuen Europa einen ganz besonderen Stellenwert.

Ich habe erst vor wenigen Monaten in Brüssel im Ausschuss der Regionen ein neues Modell der grenzüberschreitenden transeuropäischen Zusammenarbeit präsentiert. Auch die Landeshauptleute Österreichs haben mich im Ausschuss der Regionen in Brüssel bei diesem Vorhaben unterstützt, und der Ausschuss der Regionen hat mit überwältigender Mehrheit diese neue Form der Zusammenarbeit angenommen.

Erst vor wenigen Wochen habe ich dieses Modell auch im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments in Brüssel präsentiert, in welchem sich viele Abgeordnete des Euro­paparlaments für diese neue Rechtsform des transeuropäischen Verbandes dieser Zusammenarbeit ausgesprochen haben. Damit soll auch die Umsetzung gemein­schaftsfinanzierter Programme erleichtert werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zunkunft dieses neuen Europa in einer Stärkung der Regionen liegt. Wir brauchen eine Demokratie der Nähe, und wir brauchen ein bürgernahes Europa.

In der europäischen Verfassung ist der Grundsatz der Subsidiarität verankert, und es ist erfreulich, dass dort auch ein weiterer Ausbau des Subsidiaritätsprinzips vorge­sehen ist. Gleichzeitig gehen bislang sehr zentralistisch organisierte Staaten den Weg, die Regionen aufzuwerten.

Teilweise wurden in diesen Staaten ähnliche Strukturen geschaffen, wie wir sie in Ös­terreich haben. Ich würde es für grundlegend falsch halten, wenn wir hier in Österreich in eine entgegengesetzte Richtung gingen.

Präsident Pehm hat bereits auf die Arbeit des Konvents hingewiesen. Ich habe auch bei der Schlussveranstaltung des Konvents vergangene Woche den Standpunkt der


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Länder vertreten und auch argumentiert, warum das Positionspapier, das die Länder gemeinsam erarbeitet haben und das die Zustimmung aller Landeshauptleute findet, für die Bundesländer, für die Regionen, für die Aufwertung der Regionen, aber auch des Bundesrates von ganz großer Bedeutung ist.

Ich denke, dass es positiv und richtig war, den Konvent zu gründen, denn dort wurden sehr viele Fragen aufgearbeitet. Es wurde intensiv gearbeitet, und es wurden verschie­dene Positionen festgelegt. Natürlich gibt es gegensätzliche Standpunkte. Es wird Aufgabe des Parlaments beziehungsweise der Ausschüsse sein, entsprechende Be­schlüsse zu fassen und den Konsens zu suchen.

Es gab das gemeinsame und ehrliche Bemühen, die Grundlagen für eine neue und moderne Verfassung zu schaffen. Die Länder haben ihre Position eingebracht – eine Position, die von den Prinzipien der Subsidiarität, der Effizienz und der Bürgernähe getragen wird, eine Position, die eine Aufwertung des Föderalismus und eine Weiter­entwicklung des bundesstaatlichen Prinzips zum Ziel hat.

Bereits im Juni 2004 haben die Länder in einigen sehr wichtigen Punkten eine gemein­same Position beschlossen. Das zeigt, dass nicht nur gegen Ende des Konvents schnell ein Positionspapier erarbeitet wurde, sondern dass der Konvent bei sehr vielen Sitzungen der Landeshauptleutekonferenz bearbeitet beziehungsweise diskutiert wurde. Bereits im Juni wurde dieses Positionspapier unter dem Vorsitz der Frau Lan­deshauptmann Klasnic auch an die entsprechenden Stellen weitergeleitet.

Einer der bereits damals angesprochenen Bereiche war der Bildungsbereich. Durch die Abschaffung von Mehrfachkompetenzen soll mehr Effizienz erreicht werden. Die Län­der treten dafür ein, dass pro Bundesland eine Bildungsdirektion geschaffen wird, die für alle Bildungsfragen zuständig ist. Das bedeutet, dass im Bereich der Verwaltung eingespart werden kann und dass mehr Geld für den Unterricht zur Verfügung steht. Die PISA-Studie hat gezeigt, dass im Bildungsbereich Handlungsbedarf gegeben ist und dass auch Reformen notwendig sind.

Ein weiteres Thema, das die Bundesländer in einem sehr hohen Maße betrifft, ist die Frage der Sicherheit. Im Burgenland hat es im Jahr 2004 mit einem Plus von 8,7 Pro­zent den stärksten Anstieg bei den strafbaren Handlungen gegeben. Die Antwort dar­auf kann natürlich nicht mehr Zentralismus sein. – Ganz im Gegenteil: Wir brauchen dezentrale, leistungsfähige Sicherheitsstrukturen.

Die Sicherheitseinrichtungen vor Ort, in den Ländern und in den Gemeinden müssen gestärkt werden. Wir wollen, dass die Bezirkshauptmannschaften weiterhin als Sicher­heitsbehörden bestehen bleiben und dass ihnen weiterhin das Bezirkskommando der Exekutive beigegeben ist.

Auch die Sicherheitsdirektionen in den Bundesländern sollen nicht nur erhalten blei­ben, sondern sie müssen als Sicherheitsbehörden weiterhin mit allen Kompetenzen ausgestattet sein – natürlich nicht nur mit den entsprechenden Kompetenzen, sondern auch mit den entsprechenden personellen Ressourcen.

Diese dezentralen Sicherheitsstrukturen brauchen wir nicht nur bei der Exekutive, son­dern auch beim Bundesheer. Wir wollen, dass die Militärkommanden in den einzelnen Bundesländern weiterhin Bestand haben, und es wäre meiner Meinung nach auch falsch, zu viele Kasernenstandorte aufzugeben.

Es ist für die Bevölkerung ganz besonders wichtig, dass das Bundesheer in Katastro­phenfällen rasch eingesetzt werden kann. Auch das ist Aufgabe der Militärkommanden, auch dafür brauchen wir eine entsprechende Anzahl von Kasernen in den Bundes­ländern.


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Die elementare Daseinsvorsorge ist ein weiterer Punkt, der den Ländern sehr wichtig ist. Sie soll als Staatsaufgabe in der Verfassung verankert werden. In der Daseinsvor­sorge darf kein Profitdenken zu Lasten der Qualität, Sicherheit und Leistbarkeit Platz greifen. Es soll aber auch gewährleistet sein, dass die Daseinsvorsorge mehrheitlich in öffentlicher Hand verbleibt. Die Wasserversorgung und das Gesundheitswesen sind dabei besonders hervorzuheben.

Die Länder sprechen sich aber auch für eine Verfassung aus, die sich in erster Linie an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientiert. In diesem Sinne haben die Länder auch eine gemeinsame Position zur Kompetenzverteilung eingebracht, die das Drei-Säulen-Modell beinhaltet.

In der ersten Säule sind die Kompetenzen des Bundes geregelt, in der zweiten jene der Länder, die dritte Säule beinhaltet im Sinne der Subsidiarität ebenfalls Länderkom­petenzen, bei denen aber im Sinne der Homogenität bundeseinheitliche Rahmenbedin­gungen geschaffen werden können. Die Länder treten gerade in diesem Punkt für eine Aufwertung des Bundesrates ein.

Wir treten dafür ein, dass den Ländern bei Materien, die sie direkt betreffen, ein ver­stärktes Mitspracherecht eingeräumt wird. Ich sehe darin eine klare Aufgabenteilung, die dem Subsidiaritätsprinzip und den Grundsätzen der Effizienz und Bürgernähe Rechnung trägt.

Lassen Sie mich noch einige Worte zur Funktion und Aufwertung des Bundesrates sagen. Der Bundesrat ist jenes Instrument, mit dem die Länder an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt sein sollten. Eigentliche Aufgabe der Länderkammer ist es, direkt und unmittelbar an der Gesetzgebung des Bundes mitzuwirken.

Die Verfassungsrealität hat aber immer wieder zu Diskussionen über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des Bundesrates geführt. Diese Diskussionen verlieren ihre Grund­lage, wenn die Kompetenzen des Bundesrates ausgeweitet werden.

Die Länder halten es für sinnvoll und notwendig, dass eine Reform des Bundesrates in Richtung Kompetenzerweiterung geht. (Allgemeiner Beifall.)

Insbesondere in jenen Bereichen, die für die Länder von vitalem Interesse sind, sollte es ein Veto- beziehungsweise Zustimmungsrecht geben.

Ein starker Bundesrat ist ein wesentlicher Eckpfeiler für die positive Weiterentwicklung des bundesstaatlichen Prinzips. Ein starker Bundesrat ist ein ganz wesentlicher Eck­pfeiler einer effizienten und bürgernahen Politik. Wenn der dafür nötige Wille vorhan­den ist, sollte es möglich sein, Österreich eine moderne Verfassung zu geben, eine Verfassung, die sich an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientiert, eine Verfassung, welche die richtige Balance zwischen Subsidiarität und Homogenität fin­det.

Ich habe eingangs das Jubiläumsjahr der Republik angesprochen, die Erfolgsge­schichte der sechs Jahrzehnte. Zum sozialen Frieden, zum steigenden Wohlstand hat auch das partnerschaftliche Prinzip sehr viel beigetragen – einerseits das partner­schaftliche Prinzip zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften, aber auch das solidarische Handeln, das Miteinander der Länder, die in wichtigen Fragen stets über Parteigrenzen hinweg nach bestmöglichen Lösungen gesucht haben, nach Lösungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, nach Lösungen im Sinne einer bürgernahen Politik.

Ich bin davon überzeugt, dass der gelebte Föderalismus nicht nur ein Konzept der Ver­gangenheit ist. – Der gelebte Föderalismus ist auch ein Konzept für die Zukunft unseres Heimatlandes! – Danke schön. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

 


13.30


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Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für diese Ausführungen.

Es liegt mir hiezu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann ab­gegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da das gegenständliche Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne weiteres stattgeben.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.31.06

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Landes­hauptmann! Herr Landtagspräsident mit all den Gästen aus dem Burgenland! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Diese 718. Sitzung ist eine ganz be­sondere: Zuerst kamen der Herr Bundeskanzler, die zwei Ministerinnen und der Herr Staatssekretär. Dann hörten wir die Antrittsrede des neuen Präsidenten, der sich mit so viel Engagement und Verve seiner neuen Aufgabe widmet. Schließlich folgte die erste Rede des Landeshauptmannes Niessl hier im Bundesrat. – Ein Burgenland-Schwer­punkt, möchte ist fast sagen! (Landeshauptmann Niessl: Gut so!)

Das Burgenland wird ja sehr häufig als jüngstes Bundesland bezeichnet – und wer lässt sich nicht gerne als jung bezeichnen! Ich habe aber unlängst nachgelesen: Wir sind gar nicht die Jüngsten, denn Wien bekam den Bundesland-Status später. Wir fühlen uns aber als die Jüngsten! – Die Wiener mögen uns verzeihen. Auch glaube ich, dass die Vorarlberger nicht Wert darauf legen, immer die Kleinsten zu sein. Mein Kol­lege aus Vorarlberg hat das mit Fassung getragen.

Im Jahr 1945 ist das Burgenland neu erstanden. Das war ein ganz besonders wich­tiges Jahr für uns, und die nächsten Jahre waren nicht einfach: Besatzungszeit und dann das Leben am Eisernen Vorhang. Ich selbst kann mich noch gut erinnern: Es war Erntezeit im Burgenland. – Meine Mutter kam aus einem Ort unmittelbar an der Grenze. Auf ungarischer Seite wurden mobile Wachttürme errichtet, Soldaten mit Ge­wehren saßen darauf, und auf beiden Seiten des Eisernen Vorhanges wurde geerntet.

Das gehört heute Gott sei Dank der Vergangenheit an. Die letzten 15, 20 Jahre hat es das Burgenland auf die Überholspur geschafft, und wir sind stolz darauf! Das ist dem Fleiß der Burgenländer und Burgenländerinnen zu verdanken, aber auch der Ostöff­nung, dem Beitritt Österreichs zur EU und auch dem Ziel-1-Status, den wir erhalten haben.

Ich kann mich noch gut erinnern, als die Diskussion darüber begann, ob das Burgen­land überhaupt einen Ziel-1-Status bekommen kann. Man sagte, das gehe ja gar nicht, in dieser Konstellation gebe es das sonst nirgends und so weiter. Dann gab es den burgenländischen Schulterschluss: Unter Landeshauptmann Stix hat sich das Burgen­land mit Unterstützung aller Parteien darum bemüht, diesen Status zu bekommen.

Wir haben davon profitiert. Alle Wirtschaftsfakten sprechen dafür: Das Wirtschafts­wachstum betrug im Burgenland zwischen 1989 und 1996 real 4,1 Prozent, in Öster­reich 2,3 Prozent.

In der ersten Ziel-1-Periode sind 2,4 Milliarden Schilling ins Burgenland geflossen, 800 Projekte wurden umgesetzt, 6 000 Arbeitsplätze geschaffen. In der zweiten Ziel-1-Periode waren es 283 Millionen € EU-Gelder und 12 Milliarden Schilling – oder 889 Mil­lionen € – an Investitionen. Die Gesamtinvestitionen zwischen 1995 und 2006 werden sich auf 2,5 Milliarden € belaufen.


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Die Wirtschaft wuchs seit der Ostöffnung im Burgenland um 2,4 Prozent. – Der Herr Landeshauptmann hat es schon angesprochen: Das Burgenland hat davon am meis­ten profitiert. Was auch wichtig ist: Der Anteil der Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungen ist mit 28 Prozent der zweithöchste im Österreichvergleich.

Wir hatten einiges nachzuholen, wir haben uns eingesetzt, wir sind auf der Überhol­spur. 2006 endet aber die Ziel-1-Periode. Es ging jetzt darum, ob wir in die „Phasing-in“- oder in die „Phasing-out“-Phase kommen. Es schaut jetzt danach aus, als kämen wir zum „Phasing-in“. – Das bedeutet wesentlich weniger Förderungen – auch kaum Förderungen für den Tourismus. Das Burgenland wird sich anstrengen müssen, um das bis jetzt Erreichte zu halten, umso mehr, als wir ja drei Ziel-1-Gebiete als unmittel­bare Nachbarn haben.

Die Wege der Zusammenarbeit werden seit Jahren gepflegt, und es war sicher auch die Zusammenarbeit mit dem Bund, die zum Erfolg geführt hat. All diese Investitionen wurden nicht nur durch EU-Gelder getätigt, sondern es hat uns auch der Bund unter­stützt.

Die bereitgestellten Finanzmittel teilen sich zum Beispiel folgendermaßen auf: Gewer­be und Industrie: 193 Millionen €, davon vom Bund 55 Millionen €, das Land hat 50 Mil­lionen bereitgestellt. Land- und Forstwirtschaft und Naturschutz: 128 Millionen €, davon vom Bund 52 Millionen, vom Land 35 Millionen. Forschung, Technologie, Innovation: 65 Millionen €, davon vom Bund 19 Millionen € und vom Land 16 Millionen €.

Ich meine, wir müssen im Burgenland darauf achten, dass die gute Zusammenarbeit, die wir auch mit dem Bund hatten, nicht unter den Tisch gekehrt wird. Wir neigen offen­sichtlich in letzter Zeit dazu, uns in unserem Land manchmal ein bisschen mit fremden Federn zu schmücken und all die Erfolge allein auf die burgenländische Kappe zu nehmen. – Das ist nicht fair und entspricht nicht der Partnerschaft, wie wir sie bis jetzt immer geführt haben und mit der wir so erfolgreich waren.

Ich bin sicher, dass wir wieder zu den erfolgreichen Wegen zurückkehren werden. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, denn es stehen noch genug Dinge an. – Ich denke nur an den Bereich der Verkehrsinfrastruktur.

Ich freue mich schon darauf – das muss ich jetzt als Vizebürgermeisterin von Eisen­stadt sagen –, wenn die Schleife Müllendorf tatsächlich verwirklicht wird. Herr Landes­hauptmann! Dann fahren wir beide in 40 Minuten von Eisenstadt nach Wien, wie schon im Mai 2003 angekündigt. (Landeshauptmann Niessl: Je früher, desto besser!) Ich bin sicher, wir werden das auch schaffen, sodass Eisenstadt nicht mehr die einzige Landeshauptstadt ist, die nicht durch das Bahnnetz an Wien angeschlossen ist.

Wir werden gemeinsam mit unseren Nachbarregionen, aber auch gemeinsam mit dem Bund den erfolgreichen Weg fortsetzen und so darauf achten, dass die Entwicklung im Burgenland eine nachhaltige Entwicklung bleibt und die Burgenländerinnen und Bur­genländer weiter davon überzeugt sein können, dass sie auf der Überholspur sind. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

13.39

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Auer. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


13.40.00

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Verehrte Damen und Herren hier als Gäste und vor dem Bild­schirm! Liebe Kollegen und Kolleginnen hier im Hohen Haus! Mein erstes Ansinnen ist es, dir, Herr Präsident, dir, lieber Georg, nochmals zur gelungenen Übernahme des


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Vorsitzes im Bundesrat zu gratulieren und dir alles Gute auf dem weiteren Weg zu wünschen.

Du, Kollege Pehm, hast es vorhin schon erwähnt: Du hast dir die Amtsantrittsreden der jeweiligen Präsidentinnen und Präsidenten angeschaut. Auch ich habe darin geschmö­kert, gelesen – und bin der Meinung, dass so manches kluge Ansinnen zur Umsetzung gebracht wurde. Jeder der Präsidentinnen und Präsidenten hat ein anderes Umfeld vorgefunden, und jede/jeder von Ihnen hat das Beste für die weitere Zukunft des Bundesrates getan.

Es ist sehr erfreulich, dass deine Gedanken und Worte vor Energie nur so strotzen, und ich bin mir sicher, dass diese Kraft zu einer erfolgreichen Arbeit, zu einem erfolg­reichen Miteinander in diesem nächsten halben Jahr führen wird: ein erfolgreiches Miteinander aller Parteien hier im Plenarsaal, ziehen wir doch alle an einem Strang, um den Bundesrat ins rechte Licht zu rücken.

Geschätzte Damen und Herren! Kollegin Fraunschiel hat schon einen Streifzug durch die jüngere Geschichte des Burgenlandes gemacht. Ich hoffe, Sie werden mir zustim­men, wenn ich nun ein wenig von den Perspektiven für den Föderalismus nach dem Österreich-Konvent zu einem anderen Thema abschweife und Sie, wenn auch nur in Gedanken, in unser schönes Bundesland entführe, wo ein weiterer – das ist heute schon angesprochen worden – großartiger Repräsentant das Ruder in der Hand hat, einer, der zur Zeit den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz inne hat: unser Landes­hauptmann Hans Niessl.

Landeshauptmann Niessl, aber auch schon seine Vorgänger, haben unser Burgenland, das – in Wirklichkeit wird es das ja immer bleiben – als „jüngstes Bundesland“ bezeich­net wird, mit enormem Arbeitsaufwand und Verantwortung zu dem gemacht, was es heute darstellt: ein Vorzeigebundesland! Landeshauptmann Hans Niessl hat es zu Stande gebracht, dass mit der Regierungsform „Spiel der freien Kräfte“ unser Bundes­land einen weiteren gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren hat.

Die Zielvorgabe unserer Landesverfassung, einen sozialen Rechtsstaat anzustreben, ist ein Auftrag, den Menschen mit seinen Anliegen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt des politischen Bemühens zu stellen und all jenen, die der Hilfe des Landes bedürfen, diese Hilfe auch angedeihen zu lassen. Die Verwirklichung einer Politik, die von Solida­rität, Gerechtigkeit und Humanität in einer demokratischen Gesellschaft geprägt ist, die Setzung von Initiativen und Maßnahmen, um allen Burgenländerinnen und Burgen­ländern die bestmögliche finanzielle Unterstützung zu sichern – das alles waren und sind weiter Ziele unserer Landesregierung im Burgenland.

Unter umsichtiger Kompetenz steht einem Erfolg in dieser Richtung nichts im Wege!

Es würde den Zeitrahmen sprengen, würde ich alle Gedanken und Ansprüche an die Zukunft in Worte fassen wollen, aber eines muss nochmals gesagt werden – ohne andere Bundesländer in ihrer jeweiligen Art und Lebensweise hintanzustellen –: Bur­genland ist ein Herzeigeland – dank einer offenen und bürgernahen Landesregierung, dank eines fast übermenschlichen Einsatzes unseres Landeshauptmannes Niessl und seines Regierungsteams! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Das Burgenland wird auch weiterhin einen Beitrag für den föderalistischen Staat leis­ten. Das garantieren die fleißigen BurgenländerInnen, Herr Kollege Kühnel! Das garan­tieren sie. (Bundesrat Dr. Kühnel: Ja, das wollte ich nur noch ergänzen!) – Sie müssen mich nur ausreden lassen! (Bundesrat Winter: Ja, sie sagt es ja eh! Zuhören!)

Ich bin der Ansicht, dass jede Änderung unserer Verfassung von zahlreichen Gedan­ken getragen sein muss, um bessere Lebensbedingungen für unsere Bürgerinnen und


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Bürger und für alle, die sich bei uns im Land aufhalten, zu schaffen, um ihr Wohlbefin­den noch mehr zu steigern.

Es bleibt nur zu hoffen, dass es, wie Landeshauptmann Hans Niessl es soeben gesagt hat, mit dem nötigen gemeinsamen Willen möglich sein wird, Österreich eine moderne Verfassung zu geben.

Dir, Herr Landeshauptmann, danke ich für dein Kommen in unsere Länderkammer! (Allgemeiner Beifall.)

13.46

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.46.01

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Landes­hauptmann! Es ist eine Freude, den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz in Person des Herrn Landeshauptmannes Niessl hier begrüßen zu können.

Das Burgenland ist für Österreich in den letzten 80 Jahren wirklich ein Juwel gewor­den, auf das weder die Waldviertler noch die aus dem Alpenland Kommenden verzich­ten wollen. Das Burgenland kam zu einem Zeitpunkt zu Österreich, da der Staat bereits Österreich – und nicht mehr „Deutsch-Österreich“ hieß, denn zu jenem Zeitpunkt hätte ja schon Deutsch-Westungarn zu Österreich dazutreten können.

Herr Landeshauptmann, Sie erwähnten das Militärkommando im Burgenland. Also ich sage Ihnen – entschuldigen Sie, wenn ich einige nicht unfreundliche kritische Anmer­kungen mache –, ein Mililtärkommando hätte im Jahr 1921 wenig dazu beigetragen, die Scharmützel, die zwischen ungarischen und österreichischen Truppen stattfanden, für Österreich erfolgreich zu beenden. Ich betone: Militärkommanden ... (Landeshaupt­mann Niessl: Das war die Gendarmerie!) – Und Gendarmerie! Ich weiß, es war ein patriotischer Akt, der alle zusammenführte. (Bundesrat Konecny: Nein, nein!) Bedau­erlicherweise ging Ödenburg verloren. (Bundesrat Konecny: Aus Rücksicht auf die internationale Situation ist nicht die „Volkswehr“ hingeschickt worden!) – Auch das, ja! Gut, danke! Wir machen ein bisschen Geschichtsunterricht. (Heiterkeit.) Dagegen habe ich überhaupt nichts einzuwenden.

Tatsache ist – egal, ob es die „Volkswehr“ war oder eine andere Truppe –: Herr Lan­deshauptmann Niessl, wehren Sie sich dagegen, ein Militärkommando zu haben, aber keine Truppen! Sie brauchen Truppen! Nur Truppen können schützen, kein Militärkom­mando! Darin sitzen Generäle und Obristen, aber niemand, der Sie schützen kann vor Ungemach, Unwetter, Unfälle und was immer notwendig ist – wir hoffen, keinen Vertei­digungsfall! Wir sind ja jetzt von lauter Freunden umgeben. (Bundesrat Schennach: Jawohl, Herr General!)

Aus diesem Grund habe ich – das habe ich heute schon bei einem anderen Anlass gesagt, die Kollegen wissen es – starke Einwendungen gegen einen sechsmonatigen Wehrdienst, weil dadurch nicht nur die Jugendarbeitslosigkeit steigt, sondern natürlich auch die Ausbildung der jungen Männer und manchmal auch Frauen für einen Einsatz, in welcher Form auch immer – auch wenn er technisch bedingt, Unwetter, Unfälle und so weiter hat – schwieriger wird.

Herr Landeshauptmann! Vielleicht sind Sie mit mir einer Meinung, vielleicht nicht. Ich weiß, dass das Thema Präsenzdienstdauer nicht vom Landeshauptmann des Burgen­landes, aber auch nicht von jenem in Kärnten bestimmt wird – und von den anderen natürlich auch nicht. (Allgemeine Heiterkeit.)


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Von Kollegin Fraunschiel wurde hier bereits auf die etwas misslichen Verkehrsbedin­gungen in Richtung Landeshauptstadt Eisenstadt hingewiesen. Ich kann Ihnen sagen: Es ist wirklich beschämend, wie diese Republik – und die Zentrale ist halt in Wien – die Verkehrsverbindungen in die Landeshauptstadt Eisenstadt eigentlich nicht behandelt hat, genauso wie jene in die Hauptstadt unseres jetzigen Nachbarn, der Slowakei, nämlich Pressburg. Es ist das eigentlich eine Schande! Und Sie können wahrscheinlich mit der Unterstützung der gesamten Republik Österreich rechnen, damit es irgend­wann einmal nicht mehr 90 Minuten dauert, um zu Ihnen zu gelangen, sondern dass das in 30, 40 Minuten möglich ist.

Das Burgenland ist sicherlich ein Bundesland, das, wie viele andere Bundesländer auch, große Sorgen mit der Gewerbestruktur und der Billigkonkurrenz hat. Sie haben es schon erwähnt, Herr Landeshauptmann: Der Handel mit den Nachbarstaaten ist ein guter Austausch, aber er führt natürlich zu einer Billigkonkurrenz aus den östlichen Nachbarstaaten. Auch die Einkaufszentren in den Ballungsräumen – und das ist ein Problem, von dem ich nicht weiß, wie Sie das vielleicht lösen können – machen jedoch sehr viel Kleininfrastruktur kaputt, sie sind zudem für die älteren Personen, die nicht mehr so beweglich sind ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist die schlechte Raum­ordnung in Niederösterreich!) – Das ist überall! Diese Einkaufszentren gibt es in allen Bundesländern, liebe Kollegin. Und das ist ein Sorgenpunkt, welchen man hier – wie auch bei anderen Themen – mit einbringen kann. Wir wissen, dass das Burgenland keine Ausnahme auf diesem Gebiet ist, aber da der Herr Landeshauptmann Niessl mit allen politischen Parteien in seinem Bundesland ein sehr gutes Verhältnis hat und sich auch meine Fraktion in dem von Ihnen regierten Bundesland klarerweise sehr wohl fühlt, muss man solche Themen, die Wähler von uns, aber auch von Ihnen anspre­chen, anführen.

Ein Problempunkt in Ihrem Land – und der ist schmerzlich für Sie und schmerzlich für jeden Bürger in Ihrem Land – ist die Bank Burgenland. Diese Affäre hat so große Schulden hinterlassen, dass jeder Bürger des Burgenlandes mit 5 000 € belastet ist. Das ist kein Kleingeld! Nur: Die Schuldigen wurden noch nicht ausfindig gemacht beziehungsweise noch nicht schuldig gesprochen, noch nicht gefunden, noch nicht zu Ersatzleistungen herangezogen. Damit verbunden ist, dass das Landhaus – seinerzeit ein Geschenk des Bundes an das junge Bundesland Burgenland – verpfändet werden musste! Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein Landhaus wegen einer solchen wirt­schaftlichen Bruchlandung verpfändet werden muss –, wobei ich diese Dinge jetzt aus­spreche, Herr Landeshauptmann, um sie zu sagen, aber genau weiß, dass Sie, Herr Landeshauptmann, ebenso wenig schuld daran sind wie ich. Das sind andere Um­stände.

Ich habe in meiner Jugend einige Jahre – es waren ungefähr fünf – in der Schweiz ge­lebt und den Schweizer Föderalismus ziemlich hautnah miterlebt und schätzen gelernt. Wenn man ständig vom Föderalismus redet, ist es natürlich die Frage: Meinen wir den Föderalismus, wie wir ihn hier in Österreich haben und der doch eine sehr stark zentra­listische Note hat – oder meinen wir etwas anderes?

Man kann sagen: Ein kleines Land wie Österreich, welches nur halb so groß ist wie Bayern, braucht keine neun Bundesländer! Im Vergleich dazu hat die Schweiz, die halb so groß wie Österreich ist, 23 Kantone – und es funktioniert prima! Daher bin ich eher für den Vergleich mit der Schweiz als mit dem nicht ganz sachlichen Vergleich mit Bay­ern. (Bundesrat Schennach: Das hat sich aber in der FPÖ noch nicht herumgespro­chen!)

Nur: Wirtschaftsforscher haben errechnet, dass bis zu 3,5 Milliarden € eingespart wer­den können, wenn die Doppelgleisigkeiten – und die sind, das muss man hinzufügen, manchmal nicht nur Doppelgleisigkeiten, sondern Neunfachgleisigkeiten – bereinigt


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werden könnten. Weitere 2,5 Milliarden € werden nach diesen Expertenberechnungen im Gesundheitswesen sinnlos verpulvert. Wenn ich mich ein bisschen an die PISA-Stu­die „hänge“ und meine, sie in manchen Bereichen bestanden zu haben, komme ich auf 6 Milliarden €, die sich die Republik mit ihrem überbordenden Föderalismus in man­chen Bereichen aufgelastet hat, jedoch kritisch damit umgehen muss. Es ist darüber nachzudenken, wie wir das in den Griff bekommen.

Herr Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz! Österreich ist nun zehn Jahre lang in der EU, und wir haben dadurch eine weitere Verwaltungs­ebene „aufgedeckelt“ bekommen. Das heißt, wir haben mehr Verwaltung – und keine Ebene eingespart. Und auf keiner dieser Ebenen wurde eingespart. Das ist, muss ich sagen, doch dramatisch und sollte im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz – aber es liegt nicht an mir, Sie zu beraten; Sie haben genug gute Berater in Burgenland – doch auch beachtet werden! Etwas an Verwaltung muss nämlich auf den einzelnen Ebenen wegfallen, vielleicht sogar eine ganze Ebene. Ich bin jedoch auf jeden Fall dagegen, dass die Länderebene wegfällt, das möchte ich gleich dazu sagen.

Eine Neuaufteilung der Aufgaben in den Ländern wäre wahrscheinlich anzustreben, aber die identifikationsstiftende Verwaltung der Länder soll weiter vorhanden bleiben, jedoch mit einer schlankeren Struktur.

Eine Zeitung schreibt: „Die heimische Form des Föderalismus ist gewachsen wie ein Krebsgeschwür.“ – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist in der „Presse“ geschrie­ben worden, also in einem Blatt, das als durchaus seriös gilt. Ich kann aber diese Mei­nung auf keinen Fall teilen, das betone ich ausdrücklich, auch wenn man an manchen Punkten des Föderalismus – wie ich es auch jetzt leicht tue – Kritik üben oder Nach­denklichkeit anregen will. Und dieses erwähnte „Krebsgeschwür“ sollte laut „Presse“ „unter Kontrolle“ gebracht werden.

Man hört dann immer wieder: Das derpackt kein Bundeskanzler; die Landeshauptleute sind so eine starke Gruppierung, da kommt er nicht hin! – Mag sein, es geht mir nicht um Sackhüpfen oder ob Bundesländer, Landeshauptleute und Bundeskanzler so mit­einander umgehen. Aber man wird da schon ein bisschen an die „allgemeine Vernunft“ appellieren müssen. Es ist nämlich, wie auch in der erwähnten Zeitung stand – und da wiederum schließe ich mich an – „unverantwortliche Ressourcenverschwendung“. Spe­ziell wenn ich die oben genannten 6 Milliarden € anführe, so erscheint es durchaus berechtigt, dies als solche zu bezeichnen. Wir brauchen daher keine „sparresistente Geldvernichtungsmaschine“.

Schauen wir auf die Schweiz, welche eine sehr stark gelebte Subsidiarität hat. Die Schweiz hat Steuern für die Kantone, zum Teil sogar in den Gemeinden. Und dazu schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 29. Jänner 2005:

„Ebenso werden Einnahmen- und Ausgabenverantwortung nicht zusammengeführt, so daß der in Österreich für föderative Staaten unüblich geringe Selbstfinanzierungs­grad“ – der Länder – „fortbesteht.“ Es seien „nur 0,4 Prozent“ des Aufkommens „Lan­desabgaben.“

Ich weiß nicht, welche das sind, es sind jedenfalls so wenig. Meiner Ansicht nach müsste der Stolz der Bundesländer lauten: Wir schaffen uns unsere Einnahmen selbst, wir schaffen uns unsere Sparpotentiale selbst; wir wollen als volltaugliche Mitglieder in diesem föderativen Österreich mit dabeisein und einen echten Föderalismus bilden!

Ich halte es in Zukunft für nicht nachvollziehbar, dass man einen Finanzminister tadelt, wenn er im Finanzausgleich zu wenig gibt, und das dann auch in Wahlkämpfen mög­licherweise sehr laut von sich gibt. Wenn er andererseits aber viel gibt, so ist es der Landeshauptmann oder der Landesfinanzreferent, der so „klass“ verhandelt hat.


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Das wäre ein bisschen zu einfach. Besser ist eine eigene Finanzhoheit, soweit es möglich ist, um damit ein vollwertiger Teilhaber am föderativen Ausbau der Republik Österreich zu sein. – Alles Gute, Herr Landeshauptmann! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.58

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schenn­ach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.58.18

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Niessl! Ich kann da jetzt in diesem burgenländischen Dialog, in dieser Diskussion über einzelne Bereiche des Burgenlands natürlich nicht mit. Als Tiroler kann ich nur sagen: Als ich das erste Mal im Burgenland war, war ich etwas verunsichert, weil keine Höhenbegrenzungen zu sehen waren. Und als ich das Leithagebirge gesehen habe, habe ich mir gedacht: Das ist doch eine Ansammlung von Hügeln, warum steht da „Gebirge“ dahinter?

Mittlerweile fahre ich jedoch sehr gerne in das Burgenland, beobachte die Politik des Burgenlandes und finde den enormen Aufholprozess des Burgenlands wirklich beein­druckend! Kritik anbringen würde ich an der Verkehrspolitik, die ich etwas unglücklich finde und die offensichtlich auch etwas unglücklich in dieser Richtung weitergeht. Aber alles in allem zählt das Burgenland sicher zu einem der schmucken Aushängeschilder unserer Republik – und das soll auch weiterhin so sein. Die Freundlichkeit seiner Menschen, die Bewirtung und überhaupt die Aufnahme dort, auch die kulturelle Vielfalt, seien hier nur kurz erwähnt.

Zuerst möchte ich noch einen Dank an den Herrn Landeshauptmann des Burgen­landes aussprechen dafür, dass er uns mit dem an erster Stelle gereihten Bundesrat Pehm wirklich einen ganz wertvollen Kollegen, einen tollen Vizepräsidenten und nun Präsidenten geschickt hat; auch die beiden Kolleginnen aus dem Burgenland möchte ich nicht missen. Aber sehr, sehr gefreut haben wir uns vor allem über die Entsendung des Herrn Pehm, den wir bereits als einen tollen Kollegen wahrnehmen konnten, was sicherlich auch in Zukunft so sein wird.

Herr Landeshauptmann Niessl, nun zu Ihren Ausführungen zum Österreich-Konvent. – Das ist so eine Sache! Ich habe von dieser Stelle aus bereits in den letzten Monaten diesbezüglich Zweifel geäußert – nicht über deren Sinnhaftigkeit. Ich war einer derjeni­gen, die gesagt haben: Der Österreich-Konvent ist wichtig! Wir brauchen eine Verfas­sungsnovelle!

1925 und 1929 wurden im Wesentlichen die Gemeinden besser implantiert und die Stellung des Bundespräsidenten in der Verfassung verändert, aber was die Gerichts­organisation und viele andere Bereiche betrifft, so bedarf unsere Verfassung eines wirklichen Entwirrens des gesamten Kompetenzwirrwarrs.

Wir hatten eine Große Koalition, die alles aus der Tagespolitik sofort in den Verfas­sungsrang erhoben hat, um einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof zu entgehen. Mittlerweile ist die österreichische Verfassung ein dermaßen undurchsich­tiges Ding geworden, dass man schon Wissenschaftler der Marke Böhm sein muss, um sich da zurechtzufinden. Sie ist nicht etwas, wo man sagen kann: Bürgerinnen und Bürger Österreichs, das ist eure Verfassung, da kennt man sich aus! – Dem ist nicht so!

Dazu kommt, dass durch die mittelbare Bundesverwaltung, durch die enormen Kom­petenzverschiebungen – Bundessache, Landessache, Vollzug Landessache, Gesetz­gebung Bund und so weiter und so fort – Unklarheiten entstehen. Ich möchte nur ein


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kleines Beispiel dafür bringen; man muss schon Wissenschafter sein, um das zu durchschauen.

Beispiel: Der Bund ist zuständig für das „Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und des Ret­tungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilverkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht“.

Oder, ein anderes Beispiel: Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Voll­ziehung in Angelegenheiten betreffend „berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Artikel 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet sowie auf dem Gebiet des Berg- und Schiführerwesens und des in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallenden Sportunterrichtswesens“.

Viel Spaß, liebe Leute! Da soll sich jemand auskennen! – Erzählen Sie das einmal Schülern, erzählen Sie das einmal Menschen, die sich in der Verfassung auskennen wollen.

In diesen Konvent wurden, Herr Kollege Hösele, sehr viele Hoffnungen gesetzt, aber es wurde auch sehr viel dorthin geschoben, einfach abgeschoben. Wir hatten auch hier Debatten, wo man, wenn ich etwas gefordert habe, gesagt hat: Wir warten auf den Konvent! Aber letztlich haben wir eineinhalb Jahre Stillstand gehabt! Immer wieder hat es gelautet: Wir warten auf das Ergebnis des Konvents!

Insbesondere bitter, meine Damen und Herren, war das bei jenen Anregungen, die die Volksanwaltschaft mehrmals bezüglich Missstände gemacht hat. Diese Anregungen der Volksanwaltschaft wurden auf den Konvent verschoben. Das hieß es wieder ein­mal: Warten wir auf den Konvent!

Unser lieber Präsident hat gesagt: Der Konvent ist tot! – Es lebe der Konvent!, hat er zwar gemeint, aber der Konvent ist tot. Insofern bedauere ich diesen Stillstand. Aber warum ist er denn tot, und was waren eigentlich die Kriterien?

Da muss ich, sehr geehrter Herr Landeshauptmann Niessl, leider auch eine Kritik an den Landeshauptleuten üben. Sie haben sich nahezu vollständig in den Konvent hin­einreklamiert, und letztlich sind die Landeshauptleute – mit wenigen Ausnahmen – dort nur durch politische Beamte vertreten worden.

Meine Damen und Herren! Wenn man eine Verfassungsreform will, dann kann man sich nicht von weisungsgebundenen Beamten vertreten lassen, sondern dann muss man den Horuck selbst schaffen – oder man soll aus dem Gremium gehen und das politisch handelnden Personen überlassen.

Einer der besonders heuchelnden Landeshauptleute – vielleicht bekomme ich jetzt einen Ordnungsruf; ich weiß es nicht – ist der Herr Landeshauptmann von Niederöster­reich Dr. Pröll. Dieser wetterte unlängst bei einem öffentlichen Auftritt in Niederöster­reich gegen Konvent. Er behauptete, dass dort der Versuch unternommen worden sei, durch den Zentralismus den Föderalismus und die Länder zu schwächen. – Der gleiche Landeshauptmann Pröll ist keine einzige Minute im Konvent gewesen, obwohl er für sich einen Sitz reklamiert hat. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren!

Nachher sich aufzuregen, sich zu großen Sagern gegen den Zentralismus aufzu­schwingen, aber in Wirklichkeit kein einziges Mal den Konvent besucht und seine Posi­tion abgegeben zu haben, das ist, meine Damen und Herren, ein doppeltes Spiel – das da leider Gottes von vielen Landeshauptleuten gespielt wurde.

Zu kritisieren ist auch, dass das Papier der Landeshauptleute – Kollege Pehm hat es als „Niessl-Papier“ bezeichnet – erst im Nachhinein gekommen ist. Jetzt haben wir


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das „Niessl-Papier“ und den „Fiedler-Entwurf“. – Na super! Alles verspätet, meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Landeshauptleute! Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Konvents! Wer sich verspätet, den bestraft die Geschichte! Ihre Dokumente können Sie schubladisie­ren, denn sie sind in der Form, wie sie vorgelegt wurden, nicht eingeflossen, denn diese Post ist zu spät angekommen! Da kann dann, so wie es derzeit aussieht, auch in der Form nichts herauskommen.

Noch etwas: Das Papier der Landeshauptleute ist ein glattes Misstrauen der Landes­hauptleute gegenüber dem Bundesrat. Wenn man nämlich jetzt eine Zustimmung des Bundesrates mit einer weiteren Zustimmung von mindestens sechs Ländern verknüpft, dann heißt das, dass die Länder beziehungsweise die Landesfürsten dem Bundesrat misstrauen und sich noch eine eigene Zustimmungssicherung da einbauen. Ich ver­mute, Herr Kollege Konecny, da es gerade sechs Bundesländer sind, dass sich da die SPÖ-Landeshauptleute nicht gerade in vornehmer Zurückhaltung geübt haben werden.

Die Vorgangsweise ist: Die Rettungsleine behalten wir, wir wissen nicht, ob wir den Bundesrat unter der Kandare haben! – Aber das, wo die SPÖ gemeinsam mit den Grünen dagegengestimmt hat, scheint jetzt im „Niessl-Papier“ wieder auf, nämlich ein gebundenes Mandat.

Meine Damen und Herren! Ich habe es hier offen vorgeführt – der „arme“ Kollege Him­mer ist da mein geliebtes Opfer gewesen –, als mein Landeshauptmann Häupl eine Meinung an den Bundesrat abgegeben hat und ÖVP und FPÖ große Sehnsucht nach einem gebundenen Mandat hier zum Ausdruck gebracht haben. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein!)

Große Sehnsucht, Herr Kollege Böhm! Sie haben es abgestimmt, mehrheitlich wollten Sie gegen die Minderheit von SPÖ und Grüne ein gebundenes Mandat und haben das auch dem Konvent empfohlen. Das wäre wahrscheinlich eine Frage der Beschickung im Deutschen Bundesrat, aber lassen wir das jetzt weg. Wäre aber die Beschickung gleich geblieben, dann wäre sozusagen Ihr neuer Kapo Herr Häupl und nicht Frau Haubner oder Herr Haider gewesen.

Zu meiner großen Verwunderung steht das gebundene Mandat jetzt im „Niessl-Pa­pier“ – auch wenn hier steht: „in wichtigen Bereichen“. – Na, wer entscheidet, was wichtig und was nicht wichtig ist!

Auf die Verweigerung der Länder hat Herr Kollege Gudenus neben seinen Sicherheits- und militärischen Ausführungen hingewiesen, und zwar auf diese Sache mit dem ein­nahmenzentrierten Bundesstaat und dem ausgabenzentrierten Föderalismus, wo sich eine Schere auftut.

Aber genau diesen Vorschlag, nämlich ein eigenes Steuerfindungsrecht für die Länder in der Verfassung zu verankern, lehnen die Länder wie der Teufel das Weihwasser ab – das sagen wir, die wir ehemals Ministranten waren –, und diese Verweigerung der Zustimmung zu etwas, wofür man Geld ausgibt, um eigene Einnahmen zu lukrieren, ist mir bis heute unverständlich.

Nun haben wir die Situation, dass wir diesen Stillstand von eineinhalb Jahren bei eini­gen Reformen sozusagen aufholen müssen, nämlich die Zeit des Stillstand des Kon­vents. Wir müssen nun verfassungsmäßig mit diesem Fleckerlteppich weiterleben. Wir müssen jetzt in den Beratungen im Bundesrat und in den Beratungen im Nationalrat schauen: Was können wir noch machen – aber ein großer Entwurf wird da nicht mehr möglich sein –, damit sich da endlich einmal etwas ändert. Ich erinnere nur: Wirt­schaftskammerwahlen stehen bevor. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach der Versteinerungstheorie. Das heißt, in vielen Fällen geht man auf das zurück, was 1920,


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1930 Grundlage von Überlegungen war. Das ist im modernen, innovativen Bereich, wo wir Entscheidungen brauchen, schlichtweg eine Katastrophe!

Wenn wir zum Beispiel bedenken, dass die gesamte Telekommunikation in dieser Zeit unter „Elektrizität“ abgehandelt wurde und heute die Telekommunikation eines der mo­dernsten, wirtschaftlichsten, innovativsten und finanziell heißesten Bereiche ist, dann müssen wir sagen: Es ist schlichtweg unfassbar, dass wir da nicht weiterkommen!

Das wäre der große Wurf gewesen, sehr geehrter Herr Vorsitzender. Ich mache Ihnen persönlich keinen Vorwurf, aber ich muss Ihnen als Vorsitzendem der informellen Lan­deshauptleutekonferenz, die es ja auch nicht in der Verfassung gibt, sagen: Da sind Ihre Kollegen als Landeshauptleute schon mit schuld daran, dass wir heute den Ruf des Herrn Kollegen Pehm leider hinnehmen müssen, der sagte: Der Konvent ist tot!, und dass es da nicht zu brauchbareren Dingen gekommen ist als dem, was derzeit vor­liegt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.11

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Hösele. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.11.31

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Landeshaupt­mann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vielfalt der Bundesländer ist der Reichtum Österreichs: vom Bodensee bis zum Neu­siedler See, vom Böhmerwald bis zu den Karawanken oder dem Steirischen Grenz­land. Das ist auch heute sehr schön in den Ausführungen unserer burgenländischen Kollegen und auch in der Erklärung des Herrn Landeshauptmannes Niessl zum Aus­druck gekommen. Es ist die Einheit in der Vielfalt, die den Reichtum Österreichs wirklich ausmacht.

Ich darf mich in Gegenposition zu den Kollegen Schennach und Gudenus stellen: Ich möchte die Ausführungen des Herrn Landeshauptmannes des Burgenlandes und des sehr geschätzten Präsidenten, was den Konvent und die Positionen im Zusam­menhang mit dem Bundesrat und den Bundesländern betrifft, vollinhaltlich unterstrei­chen, und zwar in jeder einzelnen Aussage. Die Landeshauptleute brauche ich nicht zu verteidigen, denn das sind relativ mächtige und verantwortungsbewusste politische Vertreter. (Heiterkeit sowie Beifall bei den Grünen.) Aber ich möchte auf die Richtigkeit einiger Ihrer Feststellungen hinweisen und diese noch einmal in Erinnerung rufen.

Es ist ja nicht so, dass das Papier der Landeshauptleute post festum abgegeben wor­den wäre, sondern das ist ein Prozess gewesen, der im ersten Halbjahr 2003 seinen Anfang genommen hat. Damals hat es in der Landeshauptleutekonferenz die ersten diesbezüglichen Beratungen gegeben. Ich konnte als damals turnusmäßiger Präsident des Bundesrates alle Landeshauptleute besuchen. Es hat dann im Jahre 2004 ein ge­meinsames Positionspapier gegeben, und auf Basis dieses Positionspapiers ist dann in der Landeshauptleutekonferenz – meiner Erinnerung nach war es im Dezember 2004 – beschlossen worden, dass dann, wenn der „Fiedler-Entwurf“ vorliegt, noch einmal eine bekräftigende und detaillierte Position, die aus der Sicht der Länder ganz besonders wichtig war – das möchte ich in aller Deutlichkeit festhalten –, kommen soll.

So sehr ich den „Fiedler-Entwurf“ schätze, und zwar in allen Bereichen – da ist übri­gens kein Stillstand gewesen, sondern gerade im Zusammenhang mit den Kontroll­rechten und der Volksanwaltschaft wurden durchaus Positionen aufgenommen –, muss ich doch sagen: In der Frage der Länderkompetenzen und in der Frage des Bundes­rates – darauf komme ich noch zu sprechen; das ist übrigens von Kollegem Pehm auch schon angesprochen worden – ist der Entwurf außerordentlich zentralistisch aus-


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gefallen. So hat zum Beispiel der Vorsitzende des Ausschusses V, Kompetenzen, der burgenländische Landtagsdirektor und Leiter des Instituts für Föderalismusforschung zur Kompetenzverteilung im Zusammenhang mit dem „Fiedler-Entwurf“ Folgendes fest­gestellt – ich zitiere –:

Dieser Bereich ist zweifellos der kritischste des gesamten Entwurfs. Das Föderalismus­institut merkt an, dass der Entwurf des Vorsitzenden keine vermittelnde Position ein­nimmt, sondern der wohl zentralistischste aller im Konvent eingebrachten Vorschläge ist. – Zitatende.

Das, was Dozent Bußjäger – ich habe mir von ihm eine Ausarbeitung geben lassen –vorgeschlagen und im Rahmen des Konvent-Prozesses eingebracht hat, deckt sich zu 95 Prozent mit den Vorschlägen, welche die Landeshauptleute nachher als Bekräfti­gung eingebracht haben. Das muss man zur Genesis des Konvent-Prozesses mit aller Deutlichkeit sagen, wenn man es ehrlich meint!

Wenn man sagt, die Landeshauptleute hätten sich erst am Schluss eingebracht, davor hätten sie sich um nichts geschert, dann muss ich sagen: Das stimmt einfach nicht! Das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen.

Was ein Steuerrecht für die Bundesländer betrifft, so klingt das sehr schön. Es ist hochinteressant – und manche gehen da auch in die Föderalismusfalle –: Sonst soll alles vereinheitlicht werden, aber bei den Steuern soll man plötzlich neun verschiedene Steuersätze in Österreich haben! Ich glaube nicht, dass das ein besonders kluger An­satz ist, wenn es nicht auch gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Bundesländern gibt.

Es gibt dazu zahlreiche Studien – beispielsweise von Professor Kramer, von Professor Felderer, von Professor Frisch, von Professor Lehner –, und die treffen die Aussage: Man kann das machen! Es werden damit jedoch die regionalen Disparitäten in Öster­reich gestärkt!

Ich persönlich glaube nicht, dass das sinnvoll ist. Man muss doch versuchen, einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu schaffen. Wofür ich aber sehr eintrete, ist, Ausgaben­verantwortung und Aufgabenverantwortung in einer Hand zu vereinen, damit man ganz genau weiß, wer für welche Aufgaben und Ausgaben zuständig ist. Da könnte man meiner Auffassung nach sehr viel tun. Daher meine ich, dass man in diese Richtung auch gehen sollte.

Aber da wäre beim Finanzausgleich auch etwas zu machen. Ich bin überzeugt davon, dass es gegenwärtig in Österreich nicht viel mehr als ein Dutzend Menschen gibt, die exakt die Mechanismen des österreichischen Finanzausgleichs beherrschen. (Bundes­rat Schennach: Ein Dutzend ist hoch gegriffen!) Ja, ein Dutzend ist hoch gegriffen.

Da wäre mir lieber, wir kämen zu einer Lösung – und da schiebt jeder dem anderen die Verantwortung zu, und da heißt es dann wieder: Da hat der eine den anderen über den Tisch gezogen!; bei den einen oder anderen Punkt wird es auch stimmen –, dass eine Art einheitlicher Steuersatz geschaffen wird, dass man also festlegt, dass von jeder Steuer Einnahmen nach demselben Satz an die Länder, an die Gemeinden und an den Bund gehen.

Bisher war es so, dass es durch hohe Einkommensentfälle bei der Lohn- und Einkom­mensteuer zu Einnahmenentfällen auch für Länder und Gemeinden kommen kam. Bei der Mineralölsteuer hingegen gilt ein völlig anderer Satz, und dort könnte möglicher­weise der Bund bevorzugt sein.

Um diesen Schuldzuweisungen, die keinen Sinn haben, ein Ende zu bereiten, schien es mir durchaus sinnvoll, im Finanzausgleichverfahren einen Art einheitlichen Prozent-


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satz bei den einzelnen Steuern anzudenken. Einen horizontalen Finanzausgleich muss man ja haben, um einheitliche Lebensverhältnisse in der Bevölkerung zu schaffen.

Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit Professor Konecny und Universitätsprofessor Böhm im Konvent tätig zu sein. Mir war es sehr wichtig, dass dort Ländervertreter anwesend waren. Auch alle neun Landtagspräsidenten waren eingebunden. Ich hatte die Freude, mit dem Landtagspräsidenten des Burgenlandes, Herrn Prior, im Ausschuss „Demo­kratische Kontrollen“ und auch im Ausschuss III zusammenzuarbeiten.

Das war ganz wichtig, denn eine der traurigeren Erfahrungen in den Diskussionen ist die, dass es relativ viele zentralistische Reflexe gibt. Ich meine das nicht schuldzuwei­send an irgendeine politische Gruppierung gerichtet, sondern es ist einfach so, dass der Standort oft den Standpunkt bestimmt – ganz gleich, wo man lebt, egal, ob in der Bundeshauptstadt oder anderswo in Österreich, ganz gleich, ob man ein hochge­schätzter Journalist ist, ganz gleich, wo die Institutionen angesiedelt sind! Aber ich frage mich doch öfters, weshalb alle Institutionen der Republik prinzipiell in Wien sein müssen, denn, noch einmal: Der Standort bestimmt oft den Standpunkt!

Mir wäre es daher sehr angenehm, wenn wir ein etwas breiteres Spektrum hätten. Das ist zum Beispiel in der Schweiz und in Deutschland ganz anders. Ich nenne diese beiden Beispiele, weil das zwei Staaten sind, die unterschiedliche Größen haben, aber föderalistisch sind. Der eine Staat ist kleiner, der andere wesentlich größer als Öster­reich. Dort ist nicht alles auf Berlin oder Bern zentriert. Das bringt dann auch ein größe­res Verständnis für den Föderalismus, der, wie Herr Landeshauptmann Niessl richtiger­weise ausgeführt hat, ein Zukunftsmodell ist, weil sich alle zentralistischen Staaten in diese Richtung reformieren. Es geht nur darum, das richtige bundesstaatliche Optimum zu bekommen.

Was den Bundesrat betrifft, dürfen wir einige kleine Fortschritte im „Fiedler-Entwurf“ sehen: Das ist die Frage des Stellungnahmerechtes in einer Form und die Möglichkeit eines Vermittlungsausschusses. Das sind aber erst Ansätze, an denen man weiter arbeiten muss und die zu verstärken wären und sind. Da sollen, müssen und wollen wir uns einbringen. Wir dürfen uns dabei auch nicht entmutigen lassen. Seit 1920 ist die Stellung des österreichischen Bundesrates eine prekäre. Ich habe die Stenogra­phischen Protokolle der ersten Sitzung nachgelesen, als die Verfassung beschlossen wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) – 1920 ist die Verfassung in Kraft getreten, am 1. Oktober 1920. Die Debatte darüber fand Ende September 1920 statt. Die Hauptdebattenredner waren Dr. Danneberg für die Sozialdemokratie und der Groß­deutsche Clessin; Seipel war der Ausschussvorsitzende. In dieser Debatte haben alle drei Herren, die ich jetzt zitiert habe, auf diese ganz prekäre Situation hingewiesen.

Deshalb sage ich, es gibt da Fortschritte. Wir haben einmal einen großen Fortschritt mit dem Zustimmungsrecht für den Bundesrat gemacht; das war, glaube ich, Anfang der achtziger Jahre. Die Frage des Stellungnahmerechtes und der rechtzeitigen Einbin­dung ist jedoch bisher nicht gelungen. Das sollte vielleicht jetzt gelingen. Wir müssen alle daran arbeiten.

Es gefiel mir sehr gut, dass Herr Präsident Pehm gesagt hat: Je rascher, desto besser. Ich empfand es weiters als positives Zeichen, dass der Nationalratspräsident vorges­tern andeutete – wie wir selbst besprochen hatten –, dass der Bundesrat nicht wieder erst am Schluss eingebunden werden soll. Wenn die Beratungen hier im Hause statt­finden, sollen wir von Anfang an eingebunden werden. Welches die richtige Form ist, muss man noch ausdiskutieren. Ich empfand es jedenfalls als gutes Zeichen, dass der Nationalratspräsident das grundsätzlich so gesehen hat.

Ich schließe mit einer Abwandlung von Camus: Die Verfassungs- und Staatsreform mag als Sisyphus-Aufgabe gelten, aber ich habe das positive Sisyphus-Bild Camus’


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vor Augen und schließe mit einem Zitat von Günter Grass: Erst wenn wir aufgeben, den Stein am Fuß des Berges liegen lassen, wenn wir nicht mehr Sisyphus sein wol­len, erst dann wären wir verloren. – Zitatende.

Wir dürfen das Ziel einer großen Staatsreform und einer Stärkung des Bundesrates nicht aufgeben. Wir werden den Stein nicht liegen lassen. Wir werden erfolgreich sein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.23

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


14.23.38

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Es ist ein guter Anlass, über den Versuch dieser Republik zu sprechen, sich eine neue Verfassung zu geben oder zumindest neue Elemente in ihre Verfassung hineinzugeben, wenn sowohl der Präsident des Bundesrates als auch der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz einen so großen Teil ihrer Ausfüh­rungen diesem Thema widmen.

Ich glaube, wir sollten eingangs drei Dinge festhalten: Erstens ist eine von A bis Z neue Verfassung ein qualitativer Schritt. Wir sollten aber nicht übersehen, dass der Konvent in seiner Arbeit eine Fülle von unmittelbar umsetzbaren Materialien angesammelt hat. Es wäre in vielen Bereichen schade, dieses Material liegen zu lassen – vielleicht ver­rottet es auch ein bisschen –, bevor man es Wirklichkeit werden lässt.

Ich kann daher die Meinung des Präsidenten Jabloner nur teilen, der sagt: Dinge, bei denen sich im Rahmen der Beratungen, im Konvent und in den politischen Debatten, herausstellte, dass größtmögliche Einigkeit besteht, sollten auch im Zuge von Verfas­sungsnovellen Wirklichkeit werden. Ich sehe nicht ein, warum bis zur endgültigen Klä­rung der Kompetenzverhältnisse zwischen Bund und Ländern die Landesverwaltungs­gerichte auf ihre Umsetzung warten sollten. Das ist jetzt möglich – nicht heute, aber in einigen Wochen und Monaten. Ich glaube, dass wir diese Verfassungsgrundlage als ein wichtiges Rechtsschutzinstrument für die Bürgerinnen und Bürger gerade in den Ländern heute im Zuge einer Novelle der bestehenden Verfassung verwirklichen und nicht warten sollten, bis wir eine andere, neue Verfassung haben.

Das Zweite, ein Beispiel dazu: Es stellte sich als erstaunlich unproblematisch heraus, die unzähligen in Einzelgesetzen verstreuten Verfassungsbestimmungen einzusam­meln, aufzulisten – und dann zu überlegen, wie man sie in der Stammurkunde einer Bundesverfassung unterbringen könnte. Ehrlich gesagt, ich hätte das als schwieriger eingeschätzt, als es sich in der Realität der Konventsarbeit herausstellte. Auch da sage ich: Wenn wir Wert darauf legen, eine Vereinheitlichung des Verfassungsrechtes in einer Verfassungsurkunde mit ganz wenigen Begleitgesetzen anzustreben, dann sollte dieses aufbereitete Material möglichst rasch in die Form vielleicht eines Verfassungs­begleitgesetzes, wo alle notwendigen – viele sind wahrlich nicht notwendig – Bestim­mungen zusammengefasst, beschlossen und in die Realität umgesetzt werden.

Ich glaube, das Träumen von der Lösung, die alles bringt, kann nur dazu führen, dass das, worüber wir uns fachlich und politisch einig sind, auf einen sehr späten Tag ver­schoben wird. Natürlich ist die Zentralfrage jeder Bundesverfassung die Abgrenzung der Aufgaben – ich habe kein Problem damit, auch das Wort „Macht“ dabei zu verwenden – zwischen den unterschiedlichen Trägern und Akteuren in diesem Fall und, im Fall eines Bundesstaates, zwischen den Bundesländern und dem Zentralstaat.

Es gehört auch zu den – in dem Fall nicht unmittelbar anwendbaren – positiven und ziemlich unstrittigen Ergebnissen des Konvents, dass eine Drei-Säulen-Lösung eine


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qualitative Verbesserung gegenüber einer einseitig bei den Ländern, nach anderen Vorstellungen einseitig beim Bund anzusiedelnden Generalkompetenz bringt, wobei dann die konkreten Verfassungsbestimmungen gewissermaßen die Ausnahmen sind. Ein Drei-Säulen-Modell, das klar zuordnet, was zu den Bundesangelegenheiten oder Länderangelegenheiten gehört, und einen Teil der Aufgaben, insbesondere auch die Generalkompetenz, in eine dritte Säule hinüber begleitet, wo dann im Prinzip die Länder entscheidungs- und aktionsberechtigt sind, wo es aber in einem komplexen Verfahren, wo der Bundesrat eine zentrale Rolle spielen könnte und sollte, im Interesse der Einheitlichkeit der Politik Ausnahmebestimmungen zu Gunsten zentralstaatlicher Regelungen geben könnte und sollte.

Das Prinzip ist unbestritten, aber nicht das, was in den einzelnen Körbchen ange­sammelt werden soll. Ich habe nicht die Absicht, hier einen Kompetenzkatalog vorzu­bringen. Das Einzige, was in diesem Zusammenhang anzumerken ist – da möchte ich dem Kollegen Schennach ausdrücklich widersprechen, und zwar auf zwei Ebenen –, ist die Frage der angeblich so notwendigen Steuererhebung durch die Länder. Die Einheitlichkeit des Wirtschaftsgebietes war ein Argument, das quer durch den Konvent nicht nur verständlicherweise von den Vertretern der Wirtschaftskammern vertreten wurde, sondern von vielen Konventsmitgliedern. Es ist wirklich nicht vorstellbar, dass wir unterschiedliche Wirtschaftsbedingungen in einzelnen Regionen des Landes schaf­fen, dass wir mit eigenen Steuermodellen den Ist-Zustand an regionalem Reichtum gewissermaßen einfrieren und nur oben ein bisschen Zuckerguss draufstreuen, und – ganz am Rande erwähnt – jedem Landespolitiker nicht die Verantwortung für seine Aufgaben aufhalsen, sondern die zittrige Entscheidung, ob ich tatsächlich dem Land etwas Gutes tue, wenn ich mehr Mittel einsammle; was gleichzeitig heißt, dass ich den regionalen Wirtschaftsstandort massiv benachteilige.

Ich glaube nicht, dass das eine gute politische Lösung ist! Ich glaube, dass unser bestehendes System dem gegenüber große Vorteile hat. Dass naturgemäß – wie hieß das bei den Buben, als es noch „Gstätten“ gab? „Schütze läuft!“ – derjenige, der einen Bereich politisch zu verantworten hat, in diesem Fall auch für die finanzielle Abdeckung dieser Aktivitäten vorzusorgen hat, erscheint mir zutiefst logisch.

Der Finanzausgleich ist kompliziert genug. Das System der rundum, neben, unter und über dem Finanzausgleich hin- und hergereichten Ausgleichszahlungen ist noch um einiges komplexer. Da bezweifle ich, ob es einen gibt, der sich generell und umfassend für alle Bundesländer auskennt. In jedem Bundesland gibt es hoffentlich zumindest einen; davon bin ich überzeugt. (Bundesrat Schennach: Seitenabsprachen!) – Selbst­verständlich! Ein solches System lädt auch dazu ein! Ich halte das nicht für gut, nicht für fair und nicht für demokratisch; ganz einfach.

Das Arbeitsergebnis des Konvents ist heute dort angelangt, wo es letztlich auch hinge­hört: im parlamentarischen Raum. Verfassungsgesetzgeber, und zwar nicht im Sinne eines Exekutors eines Textes, der anderswo bestimmt wurde, muss das Parlament in beiden seiner Kammern sein. Ich habe – das stehe ich nicht an, hier zu betonen – mit Freude persönlich in seiner Rede vor dem Konvent und in den seither stattgefundenen Kontakten die Bereitschaft von Präsident Khol erfahren, dass hier gemeinsam gear­beitet werden soll und nicht der Bundesrat am Ende des Prozesses wieder zum Abnicken oder Kopfschütteln befragt wird.

Ich wiederhole einen Satz am Schluss meiner Ausführungen, den ich am vergangenen Freitag im Konvent gesprochen habe. Frau Bundesministerin Gehrer hat in ihrer Stellungnahme – erstaunlicherweise – den bekannten Philosophen Ernst Bloch zitiert: Wir – Bloch hat das nicht für die Gesamtgesellschaft gemeint, aber soll sein – sollten in den Erfolg und nicht in das Scheitern verliebt sein. – Zitatende.


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Ich habe mir dann gestattet, hinzuzufügen: Man sollte die Konsens-Chancen in Verfas­sungsfragen nicht unterschätzen. – Wenn Frau Ministerin Gehrer den ausgewiesenen Marxisten Ernst Bloch zustimmend zitiert, dann ist offenbar noch einiges drin! (Beifall bei der SPÖ, den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.33

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


14.33.49

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Der Beginn der Peri­ode des Vorsitzes des Burgenlandes lässt Gedanken an das Burgenland aufkommen, die in der Regel recht gut sind. Das sind Gedanken an gutes Essen, sehr gute Weine, einen wunderbaren See zum Segeln, natürlich auch Dinge wie Konkurrenz, Wettbe­werb – haben wir doch aus Oberösterreich einen Standort an das Burgenland verloren: Thema Lenzing. (Heiterkeit der Bundesräte Konecny und Schennach. – Landes­hauptmann Niessl: Funktioniert perfekt!) – Mit der oberösterreichischen Vorarbeit und Forschungs- und Entwicklungsarbeit glaube ich das sofort! (Landeshauptmann Niessl: Wir haben viel weiterentwickelt!) – Das sind große Fortschritte in einer sehr lebendigen Region; und erinnert einfach daran, dass ich heuer sicherlich wieder einmal ins Bur­genland auf Urlaub fahren werde. (Beifall des Bundesrates Konecny.)

Der Konvent als Gesamtes, als große Herausforderung, und der Wandel der Zeit be­dingen es: Neue Anforderungen, neue Aufgaben kommen und damit eine Diskussion und Reform der Verfassung.

Dieser Konvent hat bei einem sehr zentralen Bereich tatsächlich völlig versagt: Das ist bei der Definition der Kompetenzfelder. Solange man Kompetenzfelder nicht definiert hat, braucht man über ein weiteres Procedere und Sonstiges nicht mehr zu diskutieren. Diese Kompetenzverteilung und diese Frage zwischen Ländern und Bund ist nichts anderes als eine Fortsetzung der Diskussion des Finanzausgleichs und ist leider eine Chance, die jetzt vertan wurde, insbesondere beim Thema Finanzen. Das Thema Auf­gaben-, Ausgaben-, Einnahmen-Orientierung ist heute schon angesprochen worden; das gilt es, zusammenzuführen.

Dass hier keine Reform geschaffen oder eine Lösung gefunden wurde, ist tatsächlich sehr bedauerlich! Wenn heute schon mehrmals das Thema „Steuerhoheit“ angespro­chen wurde, ist es schon ein wenig verwunderlich, dass, Kollege Hösele und die ÖVP immer auf den Standortwettbewerb pochen. Die ÖVP pocht sehr wohl darauf, dass man sagt, man senkt die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent. – De facto, wenn man die Bemessungsgrundlage mit einberechnet, sind wir bei den 19 Prozent der Slowakei. In diesem Punkt hält man das für gescheit und sagt: Hinunter mit den Steuersätzen! – Geht es jedoch um das eigene Land und um die Bundesländer, dann sagt man: Oha, das kann nicht sein!

Ich bin keine Vertreterin von Steuerhoheit der Bundesländer, weil das massive Nach­teile mit sich bringen wird. – Da gibt es auch unterschiedliche Ansichten, auch in der grünen Fraktion. – Aber Fakt ist auch, dass es in Bezug auf die EU-Erweiterung, in Bezug auf das Anstreben eines gemeinsamen Binnenmarktes, wichtig ist – mein per­sönliches Ziel auch als Ökonomin –, dass man die Harmonisierung des Steuersystems vorantreibt. Insofern hat das meiner Auffassung nach auch die Gültigkeit für das Bundesland, für die Bundesländer Österreich-intern.


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Vielleicht, Herr Kollege Hösele, können Sie das einmal erklären, wie denn die ÖVP im­mer mit ihren Ansichten, Einschätzungen und dann Tatsachenfeststellungen jongliert. – Das ist ein Bereich.

Der zweite Bereich, den wir schmerzlich vermissen, ist das Thema Umweltgesetzge­bung, die unglaublich zersplittert ist und wo es dringend notwendig wäre, ein einheit­liches Umwelt-Gesetzbuch mit Bundeskompetenz zu machen. (Beifall bei den Grünen.)

Von der Standortbestimmung her, wo wir jetzt sind, ist es sehr bedauerlich. Ich per­sönlich war sehr verwundert, als ich in der „ZiB 1“ die Präsentation des Vorsitzenden des Österreich-Konvents Fiedler sah, der gesagt hat: Da gibt es einen Entwurf, den Entwurf einer Einzelperson, die ohne Auftrag handelt. Über diesen Entwurf wird dann diskutiert, ob das nicht eine Basis zur weiteren Arbeit wird. (Bundesrat Schennach: Mit großem Fleiß!) – Was mit großem Fleiß über die Feiertage gearbeitet wurde, ist schön und gut für Herrn Fiedler, aber seine Privatangelegenheit! Diskussion in Österreich in Bezug auf die Verfassung ist der Bericht des Konvents – und sonst gar nichts! Das soll man immer wieder in den Vordergrund stellen.

Wenn man sich die Verhandlungsgegenstände anschaut und die verschiedenen Be­reiche der Konsens- und Dissens-Listen, dann ist das eigentlich eine absolute Dissens-Liste: Es gibt nur marginale Bereiche, wo, so scheint es, Konsens herrscht. Insofern will ich nicht hoffen, dass tatsächlich das eintritt – der Tod des Konvents –, sondern das Zweite, von Herrn Präsidenten Pehm heute angeführt: Es lebe der Konvent! – In diesem Sinne eine konstruktive Weiterarbeit, um eine zukunftsorientierte, eine mo­derne und innovative Verfassung zu bekommen.

Kollege Hösele, bezüglich des Zitats, das Sie vorhin gebracht haben, möchte ich Fol­gendes sagen. Die ganze Geschichte mit Sisyphus trifft durchaus zu auf die Arbeit im Konvent: Stein hinauf, Stein herunter, Stein hinauf, Stein herunter. – Das Einzige, auf das wir achten müssen, auch als Bundesrat und als Bundesländer, ist, dass wir nicht unter die Steine kommen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.39

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zum Wort gemeldet hat sich Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


14.40.00

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geschätzter Herr Landeshauptmann! Herr Landtagspräsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Lieber Herr Präsident Pehm, ich wünsche dir für deine Arbeit im nächsten halben Jahr viel Kraft: für das Burgenland, aber auch für Österreich!

Danke Ihnen, Herr Landeshauptmann Niessl, für die Vorstellung Ihres Bundeslandes! Gratulation an das Burgenland für die große Aufholarbeit.

Ich kann dazu nur Folgendes sagen: Das Burgenland ist wie Kärnten ein Grenzland. Die Geschichte von 1918/1920 weist viele Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Bun­desländern auf. Wir mussten nach Wiedererlangen der Selbständigkeit mit großem Selbstvertrauen an der Unabänderlichkeit der Grenzen festhalten. Da muss man auch dem Burgenland mit großem Respekt begegnen, das nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vieles mitgemacht hat.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, zum Österreich-Konvent. – Ich habe das Buch erst heute bekommen: 450 Seiten. Mit guten Vorsätzen begann man am 2. Mai 2003 den Konvent. Es folgten 18 Monate Arbeit, 70 hochrangige Persönlichkeiten aus Poli­tik, Wissenschaft, Kammervertreter haben sich sehr viele Gedanken gemacht. Das Resümee für Reformen, Herr Landeshauptmann – und das sage ich als Bürgermeister


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und als Bürger des ländlichen Raums – ist meiner Meinung nach ein bisschen zu wenig.

Ich gebe jetzt ein paar Meinungen preis, die nicht unmittelbar mit dem Konvent zu­sammenhängen, die aber letzten Endes ausschlaggebend dafür sind, was wir für die Bürgerinnen und Bürger tun können und was nicht.

Der Föderalismus umfasst meiner Meinung nach Bund, Länder, Gemeinden bis hin zum Bürger. – Das muss unsere Zielsetzung sein, die wir jedem Österreicher schuldig sind.

Im Ausschuss X des Österreich-Konvents, Finanzverfassung, sollte geregelt werden, wie Bund, Länder, Gemeinden verantwortungsvoll zu ordnen sind. Verantwortung heißt aber auch Ausgewogenheit zwischen den Finanzen der Bundeshauptstadt und deren Bürger, den Finanzen der Landeshauptstädte, der kleineren Städte, der Großgemein­den und der kleinen Gemeinden mit großer ländlicher Struktur.

Offen für eine Gerechtigkeit für mehr als 50 Prozent der Österreicher, die in kleinen Gemeinden in ländlicher Struktur leben, sind drei Schwerpunkte: der abgestufte Be­völkerungsschlüssel in der Verantwortung, wie wir sie uns vorstellen, Aufteilung der Kommunalsteuer zwischen jenen Gemeinden, die Arbeitergeber-Gemeinden sind, und reinen Wohnsitzgemeinden, und Entlastung der betroffenen Bevölkerung in der gesam­ten ländlichen Struktur.

Ich spreche jetzt nur über die Regelungen den „ländlichen Weg“ betreffend. Es kann nicht sein, dass in Österreich so wie jene Menschen, die in den ländlichen Regionen leben, die ganzjährig dort wohnen, die von dort weg zu ihren Arbeitsplätzen pendeln, auch die Bauern, die dort wohnen, bis zu 20 Prozent die Wegerhaltung, den Winter­dienst und so weiter mit finanzieren müssen. So darf das in Österreich nicht gehand­habt werden! – Das ist ein Teil.

Das Nächste: die Kommunalsteuer; ich habe es bereits erwähnt, die Kommunalsteuer ist wirklich sehr interessant. Ich bin langjähriger Bürgermeister einer Gemeinde, die nicht das Glück hat, viele Arbeitsplätze zu haben. Unsere Pendler allerdings haben das Glück, 20, 25 Kilometer weiter gute Arbeitsplätze zu finden. Nur, Herr Landeshaupt­mann: Die Kommunalsteuer für meine Wohnsitzgemeinde wird nicht anteilsmäßig vorgeschrieben, sondern muss ebenso zu 100 Prozent aufgebracht werden wie dort, wo es genug Arbeitsplätze gibt. Das mag zum Teil gerechtfertigt sein, aber wir sollten uns doch Gedanken machen, wie wir das ausgewogen verteilen können.

Es gibt Gemeinden und Regionen, wo bis zu 17 Prozent abwandern; nicht nur bei uns in Kärnten, das gibt es österreichweit. Wir werden nicht mehr allzu lange darauf warten müssen, dass wir uns alle verstärkt für den ländlichen Raum einsetzen müssen. Wir bemühen uns um den Ballungsraum, das ist wichtig, aber im ländlichen Raum gibt es viele Menschen, die dort angestammt sind, die dort bleiben wollen, die mit ihren Fami­lien dort leben wollen, was aber bereits heute zu Problemen führt. – Ich möchte Sie bitten, Herr Landeshauptmann, daran mitzuwirken, dass sich diese Situation ändert.

Noch einmal zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Im Jahre 1948 – ein abgestufter Bevölkerungsschlüssel völlig berechtigt! Die Städte waren bombardiert, die Städte wa­ren zerstört, es war nichts in Ordnung. Aber im Jahr 2005, Herr Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleute-Konferenz, ist es für mich fast unverantwortlich, dass man diesen abgestuften Bevölkerungsschlüssel politisch weiter aufrechterhält.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Österreich in Zukunft zu verantworten sein wird, dass es „unterschiedliche“ Bürger gibt. Meiner Überzeugung nach ist jener in Litschau, in der nördlichsten Gemeinde in Österreich, und jener in Ferlach, in der süd­lichsten Stadt in Kärnten, oder auch jener im Bregenzerwald oder in Wien gleich viel


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wert. Dieses Gefühl aber haben die Bürger im ländlichen Raum nicht mehr, Herr Lan­deshauptmann. Wir Bürgermeister – wir sind über 2 300 Bürgermeister in Österreich – können das feststellen, und wir protestieren im Gemeindebund, wir protestieren im Städtebund dagegen.

Wir sollten Enqueten abhalten, Landeshauptleute-Konferenz, Bundesrat, Nationalrat: Wie können wir das Problem lösen? Hier muss Gerechtigkeit walten – das sind wir unserer Bevölkerung schuldig!

Herr Landeshauptmann Niessl, Herr Vorsitzender der Landeshauptleute-Konferenz, der Sie ja auch im Konvent mitgearbeitet haben: Ich habe für mich nicht klären können, wie es um die Einsparung des demokratischen Aufbaues bestellt ist. Das müssen wir auch immer wieder feststellen, es gibt berechtigte Kritik von unseren Bürgern. Die fragen sich, wozu die Parlamente derart ausgeweitet sind. Nationalrat, Bundesrat, Landtage, Gemeinden – da wäre doch Einsparungspotential vorhanden. Man ist der Meinung, wir sollten uns einmal gemeinsam – nicht nur eine Partei, Herr Landeshaupt­mann – ernstlich überlegen, ob es da Einsparungspotentiale gibt. Wie könnte man das machen? Unter Berücksichtigung demokratischer, beruflicher und welcher Belange auch immer muss da etwas geschehen.

Herr Landeshauptmann! Ich bin der Meinung, dass wir da viel zu tun haben. Das Ge­meinsame wird uns in Zukunft sicher weiterbringen. Die Österreicherinnen und Öster­reicher werden es uns danken. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.48

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Landeshauptmann Hans Niessl. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

 


14.48.52

Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Niessl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte mich zunächst sehr, sehr herzlich bedanken für die sehr freundliche Aufnahme hier im Bundesrat. Ich möchte mich auch sehr herzlich bedanken für die freundlichen Worte, die Sie über mein Heimatland Burgenland gesagt haben. Ich denke, dass manche bereits ange­kündigt haben, im Burgenland Urlaub zu machen, ist eine sehr gute Sache. Ich kann Sie nur alle sehr herzlich dazu einladen.

Ich darf nun zu einigen, wie ich meine, sehr wichtigen Punkten Stellung nehmen.

Von Frau Bundesrätin Fraunschiel wurde angedeutet, wie wichtig die Ziel-1-Nachfolge­förderung für das Burgenland ist. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Zukunftsfrage für unser Land, um auch eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im Burgenland zu ermöglichen. Wir sind im Augenblick dabei, auf allen Ebenen – von Seiten der Bundes­regierung bis hin zu den zuständigen Mitgliedern der Europäischen Kommission – per­sönlich vorzusprechen und auf die besondere Situation des Burgenlandes als Grenz­land, auf die besondere Situation, dass wir an drei neue Beitrittsländer angrenzen, hin­zuweisen, auch darauf, welche Fortschritte wir gemacht haben und dass wir diese möglichst gute Nachfolgeförderung benötigen, damit diese wirtschaftliche Dynamik, die sicherlich gegeben ist, auch über das Jahr 2006 hinaus beibehalten werden kann.

Es wurde auch die Raumplanung angesprochen, die Einkaufszentren. Gerade wir im Burgenland haben damit zu kämpfen, dass Kaufkraft von unserem Bundesland ab­fließt: in andere Bundesländer, aber auch in andere Länder, wo rund um die Uhr, auch samstags, sonntags, die Einkaufszentren geöffnet sind. Darauf müssen wir in intelli­genter Art und Weise reagieren, damit die Kaufkraft in unserem Land bleibt, damit


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Arbeitsplätze in eigenem Land gehalten und neue Arbeitsplätze im Burgenland ge­schaffen werden.

Wir haben einen relativ großen Anteil an Pendlern, die in die Ballungszentren aus­pendeln, in den Großraum Wien – ein ganz wichtiger Arbeitgeber die Stadt Wien, die Wirtschaft rund um Wien –, und wir sind gefordert, durch sinnvolle Investitionen, durch sinnvolle Maßnahmen, durch entsprechende Raumplanung Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung zu schaffen.

Einige Sätze zur Verkehrspolitik. Wir im Burgenland wollen den Ausbau der Straße und der Schiene. Wir sind der Meinung – und da gebe ich Ihnen natürlich Recht –, dass es in den vergangenen Jahren, aber nicht nur in den letzten Jahren, sondern schon län­gerfristig Versäumnisse gegeben hat, dass wir aber gerade jetzt gefordert sind, Straße und Schiene in Richtung neue EU-Länder auszubauen. Wir wissen, dass der Verkehr, der Güterverkehr, der Individualverkehr in den nächsten Jahren ansteigen werden wird, und daher brauchen wir die entsprechende Infrastruktur, um dieses zusätzliche Ver­kehrsaufkommen auch zu bewältigen, um den Pendlern gute Verbindungen anzu­bieten, um die Menschen in den Ortschaften vom steigenden Verkehrsaufkommen zu entlasten.

Wir im Burgenland sind bereit – und wir haben das auch dem Herrn Infrastrukturminis­ter, Herrn Vizekanzler Gorbach, mitgeteilt –, entsprechende Investitionen vorzufinan­zieren. Damit zum Beispiel die Spange Eisenstadt rascher gebaut werden kann, soll die Vorfinanzierung von Seiten des Landes gemacht werden, damit die Menschen aus unserer Landeshauptstadt eben rascher nach Wien kommen können.

Zur Einhebung der Steuern eine klare Aussage. Im Augenblick sind wir europaweit damit konfrontiert, dass es sehr unterschiedliche Steuersätze gibt. Dass gerade in den neuen EU-Ländern sehr niedrige Steuern eingehoben werden, motiviert natürlich den einen oder anderen Betrieb, sich dort anzusiedeln. Ich bin der Meinung, wir müssen daran denken, dass es in Europa einheitliche Steuersätze geben soll.

Wenn wir jetzt in Österreich in den einzelnen Bundesländern einen Steuerwettbewerb auf Länderebene einführen, dann, denke ich, geht das in die verkehrte Richtung. Wenn ein relativ reiches Bundesland weit weniger Steuern einhebt als das Burgenland als ein ärmeres Bundesland, dann wird das für den Wirtschaftsstandort Burgenland kein Vorteil, sondern natürlich ein Nachteil sein. Wir im Burgenland wissen, dass wir in einzelnen Bereichen der Wirtschaft natürlich noch hinterherhinken, also müssten wir höhere Steuersätze verlangen. Das aber würde dem Wirtschaftsstandort Burgenland sicherlich nicht zugute kommen, das wäre ein Weg, der uns nicht weiterbringen würde, sondern der uns in der Entwicklung eher wieder zurückfallen lässt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Steuerwettbewerb wie in der Schweiz, Herr Landeshauptmann, da haben arme und reiche ...!)

Ich habe bereits gesagt, dass wir in Europa das Problem haben, dass es unter­schiedliche Steuersätze gibt, die innerhalb der Staaten Europas in den nächsten Jah­ren eher angeglichen werden sollten, weil immer mehr Nettozahler sagen: Mit unseren Nettozahlungen fördern wir Betriebsansiedlungen in den neuen Staaten, die weniger Steuern verlangen als wir selbst – und das verzerrt natürlich auch den Wettbewerb.

Ich darf zu jenen Bereichen, in denen es Konsens im Konvent gibt, sagen, dass ich natürlich dafür bin, dass manche Bereiche möglichst rasch umgesetzt werden. Ich kann mir vorstellen, dass die Landesverwaltungsgerichtshöfe möglichst rasch installiert werden. Ich kann mir vorstellen, dass die Bildungsdirektionen in den Ländern – teil­weise gibt es Ansätze, teilweise noch nicht – Realität werden, um im Bereich der Ver­waltung entsprechende Einsparungen zu erreichen. Ich kann mir vorstellen, dass auch


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im Bereich der Sicherheit Maßnahmen umgesetzt werden. Hier könnte man einige Beispiele anführen, wo die dezentralen Strukturen gestärkt werden.

Ich möchte auch auf den ländlichen Raum zu sprechen kommen, weil ich selbst über 13 Jahre lang Bürgermeister einer Gemeinde mit 3 000 Einwohnern war. Burgenland ist ja ein Bundesland mit sehr vielen kleinen Strukturen, mit 171 größtenteils sehr, sehr kleinen Gemeinden. Zur Stärkung des ländlichen Raumes gehört nicht mehr Zentralis­mus, sondern zur Stärkung des ländlichen Raumes brauchen wir vor allem dezentrale Strukturen, brauchen wir mehr Föderalismus.

Es werden zum Beispiel zurzeit wieder Diskussionen über die Bezirksgerichte geführt. Ich meine, dass wir darauf achten müssen, dass die Bezirksgerichte nicht geschlossen werden, weil das nämlich in weiterer Folge wieder zu einer Schwächung des ländlichen Raumes führen wird. Wir brauchen die Postämter in den kleinen Gemeinden, im länd­lichen Raum. Wir brauchen die Schulen im ländlichen Raum, wir brauchen Sicherheits­einrichtungen im ländlichen Raum.

All das trägt zur Stärkung des ländlichen Raumes bei, und gerade deswegen haben die Landeshauptleute ja auch das Positionspapier nicht erst nach Ende des Konvents vorgelegt, sondern bereits im vergangenen Jahr, im Sommer 2004. Wir haben dieses Positionspapier im Jänner auch ergänzt, weil wir den ländlichen Raum in entsprechen­der Form stärken wollen. Wir wollen, dass diese Strukturen nicht weiter geschwächt werden, sondern dass der ländliche Raum auch in Zukunft einen möglichst großen Stellenwert hat.

Zum Finanzausgleich ist zu sagen, dass natürlich Städtebund, Gemeindebund, Bun­desregierung, Länder gefordert sind, einen möglichst gerechten Ausgleich zu schaffen. Es hat diesbezüglich in etlichen Bereichen auch Einigung gegeben. Dass es immer wieder Diskussionen über die finanziellen Mittel geben wird, ist Tatsache, aber grund­sätzlich soll es Fairness geben, soll es Gerechtigkeit geben, um sowohl dem urbanen Bereich als auch dem ländlichen Bereich eine Zukunftschance zu geben.

Wir haben gehört, dass der Reichtum Österreichs in der Vielfalt der österreichischen Bundesländer liegt, dann ist meiner Meinung nach auch der Finanzausgleich gefordert, sowohl auf den städtischen Bereich als auch auf den ländlichen Bereich in entspre­chender Form Rücksicht zu nehmen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.58

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher ge­schlossen.

Ich möchte Ihnen, Herr Landeshauptmann, für Ihren Besuch im Bundesrat und Ihre Erklärung vor dem Bundesrat herzlich danken.

14.58.313. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend einen Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit (551 d.B. und 786 d.B. sowie 7206/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend einen Vertrag zwi­schen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizei­liche Zusammenarbeit (552 d.B. und 787 d.B. sowie 7207/BR d.B.)

 



Bundesrat
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Präsident Mag. Georg Pehm: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu den Punkten 3 und 4 ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. – Ich bitte um beide Berichte, Frau Bundesrätin.

 


14.59.07

Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der zweite Bericht bezieht sich auf den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jän­ner 2005 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowa­kischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit.

Die Materie ist Ihnen ebenfalls bekannt; der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Mag. Georg Pehm: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.00.53

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Im Sinne eines lebendigen Parlamentarismus stimmt die Fraktion der Grünen des Bundesrates anders als die Fraktion der Grünen des National­rates. Die beiden Abkommen, die hier in Verhandlung stehen, wurden im Nationalrat einstimmig beschlossen, allerdings wurden auch in den Ausschussberatungen des Na­tionalrates von unseren Kollegen und Kolleginnen, die an den Ausschussberatungen teilgenommen haben, entsprechende Bedenken geäußert, Bedenken, die ich gestern im Rahmen unseres Ausschusses ebenfalls weiterentwickelt habe. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte mich ausdrücklich bei der sehr sachkundigen Beamtin des Innenministe­riums bedanken, die gestern in vielen Bereichen sehr, sehr gute Informationen erteilt hat. Aber trotzdem bleiben wir aus prinzipiellen Erwägungen dabei, dass diese nach den Schengener Durchführungsbestimmungen vorgesehenen Standardabkommen mit Nachbarstaaten – es sind ja die ersten beiden, die vorliegen, sieht man von jenen mit der Schweiz und Liechtenstein ab – zwar eine sinnvolle Erweiterung von Ermittlungen im Sinne der Amtshilfe, der grenzüberschreitenden Observation und der Nacheile vor­sehen, aber – auch Kollege Böhm hat im Ausschuss damals genickt ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Nein, Kollege Gudenus, aber wir haben ja noch solch einen Tagesordnungspunkt, der dann unter Justiz fällt, und das hier ist vice versa zu sehen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)


Bundesrat
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Herr Kollege Bieringer, jetzt lassen Sie mich das kurz ausführen. Sie verlängern das alles unnötig, aber ich kann mich, wenn Sie wollen, auch ganz entspannt herstellen und Ihnen noch 10 Minuten länger erzählen.

Ich habe Kollegen Kühnel als Vorsitzenden des Innenausschusses gebeten, im Justiz­ausschuss meine Bedenken zu referieren, habe es dann aber selbst gemacht.

Es geht darum, dass die Betroffenen-Rechte nicht im gleichen Schritt mithalten wie die Änderungen im Bereich der Ermittlungen. In all diesen Bereichen, Observation, müs­sen wir immer wieder überlegen und schauen – auch in der EU ist das ja ein Thema –, wie wir die individuellen Rechte von Menschen, die zu Unrecht betroffen sind, die sich gegen etwas wehren, im Bereich des Datenschutzes absichern. Wir erweitern, aber bauen sozusagen die Bürger- und Bürgerinnenrechte, die Rechtssicherheit, die Verfah­rensgarantien nicht nach, das dauert zu lange. Wobei wir alle hier einer Meinung sind und hinsichtlich der Gefahrenabwehr bei Straftaten, der Abwehr krimineller Vereinigun­gen, organisierter Kriminalität und so weiter, aber auch der Straftaten, grenzüber­schreitend im Vorplanungsstadium, an einer Leine ziehen.

Das Nein unserer Fraktion soll hier nicht zum Ausdruck bringen, dass wir den prinzi­piellen Überlegungen dieses Übereinkommens nicht zustimmen, sondern wir stimmen deshalb nicht zu, weil uns hier einfach die Bürgerinnen- und Bürgerrechte, die individu­ellen Sicherheiten und Verfahrensgarantien noch zu mangelhaft ausgebaut sind. Und wenn wir heute unter weiteren Tagesordnungspunkten die Übereinkommen, gemäß Artikel 34 des Vertrags über die EU vom Rat erstellt, über Rechtshilfe behandeln, ha­ben wir dieselbe Situation, und deshalb dieses kritische Nein unserer Fraktion. (Beifall bei den Grünen.)

15.05

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Giefing. Ich erteile ihm das Wort.

15.05.40

 


Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich lebe in einer niederösterreichischen Ge­meinde, die lediglich 2,5 Kilometer von der ungarischen Staatsgrenze entfernt ist. In dieser Gemeinde hat es 2 001 Jahre lang keinen Autodiebstahl gegeben – mag sein, weil es 1 930 Jahre keine Autos gegeben hat. In der Folge kam es zu einem Diebstahl, was für mich insofern böse war, weil genau mein Auto das Erste war, das gestohlen wurde. (Heiterkeit.) Ich durfte es mir dann in Mailand abholen und musste für die Park­gebühren und sonstigen Begleiterscheinungen noch 17 000 S berappen, um mein eigenes Fahrzeug zurück zu bekommen.

Als mich dann nach Wochen, als ich in meine Arbeitsstelle kam, um halb 12 Uhr Vor­mittag jemand mit „Guten Morgen!“ (der Redner spricht dies mit ausländischem Ak­zent) grüßte, verständigte ich die Gendarmerie, und man konnte einen international gesuchten Bandenchef verhaften.

Ich sage das nur deshalb, weil mit diesen beiden Gesetzen vielleicht eine Erleichterung für die Exekutive im Zusammenhang mit dem Gesagten geschaffen wird, denn die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass sich Täter und Verdächtige über unsere Staats­grenzen einfach absetzen und die Exekutive das Nachsehen hat.

Es ist daher sinnvoll, Verträge mit Nachbarstaaten abzuschließen, die unserer Exe­kutive Rechte einräumen, auf Grund derer eine Verfolgung Krimineller auch über die Grenze hinweg stattfinden kann. Sicherheit darf im Grunde genommen – auch im Hin­blick auf die Europäische Union – keine Grenzen kennen.


Bundesrat
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Heute stehen wir in Wirklichkeit vor anderen Bedrohungen als noch vor einigen Jahr­zehnten. Die organisierte Kriminalität, der internationale Terrorismus und die illegale Migration stellen große Herausforderungen für die innere Sicherheit in Österreich dar. Daher ist internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet sehr wichtig.

Es wird enorme Erleichterungen im grenzüberschreitenden Amtshilfeverkehr geben. Mit diesen beiden Verträgen, mit der Republik Slowenien und der Slowakischen Re­publik, sind nunmehr sechs Verträge mit Nachbarländern geschlossen und ist somit eine Sicherheitspartnerschaft eingegangen, durch welche die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarstaaten wesentlich erwei­tert und vertieft wird.

Obwohl solche Verträge einen Eingriff in die Souveränitätsrechte der jeweiligen Staa­ten darstellen, der jedoch völkerrechtlich gedeckt ist, überwiegen die positiven Seiten. Dies hat zum Beispiel der Vertrag mit Deutschland bereits eingehend gezeigt.

Ich glaube, wir stellen der Polizei mit diesem Gesetz ein hilfreiches Mittel zur Be­kämpfung der Kriminalität zur Verfügung. Ich hoffe, dass als Begleiterscheinung dieser verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch bessere nachbarschaftliche Beziehungen entstehen. Gemeinsames Arbeiten, gegenseitiges Kennlernen wird den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen stärken. – Eigentlich auch ein Grundgedanke der Europäischen Union.

Meine Fraktion wird daher diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.09

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betref­fend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die polizeiliche Zusammenarbeit.

Der vorliegende Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder, sodass er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 104

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit.

Da auch der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbe­reiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustim­men, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenom­men.

15.11.485. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend das Protokoll er­stellt aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Änderung von Artikel 2 und des Anhangs jenes Übereinkommens (690 d.B. und 788 d.B. sowie 7208/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Höfinger. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


15.12.13

Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend das Protokoll erstellt aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 des Übereinkommens über die Errichtung eines Euro­päischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen) zur Änderung von Artikel 2 und des Anhangs jenes Übereinkommens.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag:

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.13.02

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sicherheitspolitik ist einer der sensibelsten Bereiche, das haben wir in den letzten Wochen und Monaten gehört, und eine der großen gesell­schaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.


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Österreich hat bereits unter Innenminister Ernst Strasser wesentliche Beiträge zur Bekämpfung des organisierten Kriminalismus und des internationalen Kriminalismus geleistet. Klar in diese Richtung geht natürlich auch die österreichische Sicherheits- und Polizeireform mit dem großen Ziel, unsere Exekutive noch handlungsfähiger und effizienter zu machen.

Wir haben heute bereits über erste Maßnahmen des Sicherheitspolizeigesetzes disku­tiert. Die Polizei errichtet Schutzzonen gegen Drogenhändler, heißt es. (Der Redner zeigt einen Zeitungsartikel.) – Dass hier nicht der Verdacht aufkommt, ich würde hier am Rednerpult die Zeitung lesen; das würde ich nicht wagen.

Das bedeutet für uns, dass wir erste Maßnahmen umsetzen. Natürlich könnte man das exzessiv erweitern, wie Kollege Gudenus das heute gesagt hat: mit Schutzzonen für Wien zum Beispiel oder indem man ganz Wien unter Schutz stellt, und das, was dann folgt, ist ganz Österreich. Ich denke, dass das aber weit über das Ziel hinaus geschos­sen ist. Wir Vorarlberger würden uns sehr zur Wehr setzen, wenn für Vorarlberg eine derartige Schutzzone eingerichtet oder gar ein Reservat geschaffen werden würde, wo man unter Umständen mit Magnetbändern herumlaufen müsste und kontrolliert würde. Das ist sicher nicht das Ziel dieses Sicherheitspolizeigesetzes, dieser Sicherheitsre­form, sondern hier werden andere Wege und Möglichkeiten beschritten.

Tatsache ist aber auch – man hat hier ja gefordert, dass dann auch mehr Beamte vor Ort sein müssen; genau in diese Richtung geht die Reform –: Wir werden durch diese Reform 500 Beamte mehr sozusagen auf die Straße bekommen, um kriminaltechni­schen Dienst zu leisten.

Darüber hinaus werden natürlich entsprechende Förderungsmittel zur Verfügung ge­stellt. Zusätzlich 163 Millionen € werden in den Sicherheitsbereich investiert, und das ist eine wirklich besonders erwähnenswerte Summe.

Die Erweiterung der Europäischen Union und der Wegfall der Grenzen haben für viele Europäerinnen und Europäer Erleichterungen gebracht, insbesondere auch im Reise­verkehr. Diese offenen Grenzen nützt natürlich auch die internationale Kriminalität, die bestens organisiert ist, das wissen wir alle, und mit dem haben wir sehr, sehr zu kämp­fen in unserem kleinen Land Österreich.

Es ist also eine wichtige und längst fällige Maßnahme, dass diesem Europol-Überein­kommen die Zustimmung erteilt wird und wir damit eine entsprechende Handhabe unter anderem auch zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche haben, dass hier gesetzliche Möglichkeiten geschaffen werden.

Geldwäsche hat längst Dimensionen erreicht, die weit über unsere Vorstellungen hin­ausgehen und wo es sich eindeutig – da schenke ich ausnahmsweise einmal den Statistiken Glauben – um durch kriminelle Machenschaften aus organisierten Verbre­chen ergaunertes Geld und nicht um das viel zitierte Schwarzgeld aus hinterzogenen Steuern handelt.

Es geht also vordringlich um die internationale Zusammenarbeit und bei der Ratifizie­rung dieses Europol-Übereinkommens neben der Geldwäsche auch um die Bekämp­fung der stark überhand nehmenden Geldfälschungen. Der Euro ist in zunehmendem Maße interessant für Geldfälscher geworden. Es gilt, dem sehr rasch massiv gegen­zusteuern. Die Polizei versucht mit sehr gutem Erfolg, durch verdeckte Ermittlung und durch den Aufbau einer so genannten Falschgeld-Datenbank gegenzusteuern.

Positiv zu vermerken sind auch die Anstrengungen der Nationalbank in diese Richtung, nämlich in Richtung Aufklärung, Sensibilisierung, und das besondere Bemühen der Interessenvertretungen in diesem Bereich.


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Europol bekommt mit diesem Instrumentarium neben wirksamen rechtlichen Mög­lichkeiten auch die Voraussetzung für ein schnelleres und effizientes Einschreiten zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität wie Terrorismus, Schlepperwesen, Men­schenhandel, illegalem Drogenhandel, PKW-Diebstählen, Zigarettenschmuggel und so weiter. Kollege Giefing ist vorhin kurz darauf eingegangen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch über den parteiübergrei­fenden Konsens in diesem Bereich der Sicherheitspolitik. Was Sicherheit anlangt, ist ja in letzter Zeit wirklich sehr kontroversiell diskutiert worden, auch wenn es darum ging, die internationale Kriminalität zu bekämpfen.

In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, dass Österreich immer wieder von den Medien als „Drehscheibe“ der organisierten Kriminalität bezeichnet wird. Das mag in gewissem Maße auch seine Berechtigung haben: Wir können aber mit Stolz darauf hinweisen, dass Österreich eine besonders motivierte Beamtenschaft hat, die bereit ist, diese Herausforderungen anzunehmen.

Wie erwähnt, hat der frühere Innenminister Ernst Strasser sehr viel für die Bekämpfung der internationalen Kriminalität getan. Wir waren sehr früh an Europol beteiligt. Dieser Weg wird erfreulicherweise von unserer neuen Innenministerin Liese Prokop fortge­setzt.

Ich möchte hier Professor Konecny widersprechen, der es als „martialisch“ bezeichnet hat, wie sich unsere neue Innenministerin präsentiert hat. Dem muss man sehr, sehr entgegenwirken. Sie hat fachlich fundiert ... (Zwischenruf des Bundesrates Kraml.) Hat er gesagt, Sie können es im Protokoll nachlesen, lieber Kollege.

Bundesministerin Prokop hat fachlich fundiert, seriös und mit großer Kompetenz an diesen schwierigen Aufgaben gearbeitet, bereits sehr gute Arbeit geleistet, und wir werden – das sage ich wirklich mit Stolz – viel, viel Freude an unserer neuen Innen­ministerin Liese Prokop haben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle sind also aufgefordert, mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gegen die Ausweitung der internationalen Kriminalität zu kämpfen, und wir werden die internationale Zusammenarbeit weiter intensivieren müssen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.19

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Lindinger. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.20.00

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Kollege Mayer, du hast in deinen Ausführungen erwähnt, dass die Unterzeichnung dieses Übereinkommens längst fällig ist. Richtig ist, dass das Übereinkommen seit 1999 in Kraft ist und dass es hiebei lediglich um eine Änderung geht und nicht um Versäum­nisse vielleicht auch von früheren Bundesregierungen. Das ist nicht so: Dabei geht es lediglich um eine kleine Korrektur, was die Geldwäsche betrifft.

Wie erwähnt, hat 1999 Europol ihre Tätigkeit aufgenommen. Europol hat die Aufgabe, die Leistungsfähigkeit der zuständigen nationalen Behörden sowie deren Zusammen­arbeit in einer ständig wachsenden Zahl von Bereichen zu verbessern, so etwa im Be­reich Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus, Bekämpfung des illegalen Drogen­handels, Bekämpfung des Menschenhandels, der Schlepperorganisationen, des illega­len Handels mit spaltbarem Material, des illegalen Kfz-Handels, der Geldfälschung sowie der Geldwäsche im Zusammenhang mit international organisierter Kriminalität.


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Sie sehen, meine Damen und Herren, eine Reihe von Aufgaben zur Bekämpfung der Kriminalität und zur Erhaltung der Sicherheit in Europa, was eben durch die Erweite­rung der Grenzen der EU notwendig geworden ist. Gerade nach dieser Erweiterung im vergangenen Mai ist das Einsatz- und Aufgabengebiet wesentlich größer geworden. Europol hat den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern, Informationen und Erkenntnisse zusammenzustellen, zu analysieren und den Mitglied­staaten die entsprechenden Informationen und Zusammenhänge zwischen den Straf­taten zu übermitteln.

Die Ermittler in den Mitgliedstaaten haben die Europol zu unterstützen und Informati­onssammlungen zu erstellen. Heute werden wir einer Erweiterung der Kompetenzen von Europol zustimmen. Es handelt sich dabei um die Bestimmung zur Verhütung und Bekämpfung der Geldwäsche. In Zukunft kann das Europäische Polizeiamt Europol bei Geldwäsche ermitteln – unabhängig davon, aus welcher Art von Straftat die gewasche­nen Gelder stammen.

Europol ist bei ihren Ermittlungen stark auf die nationalen Behörden angewiesen. Der­zeit steigt in Österreich die Kriminalitätsrate, es sinkt die Aufklärungsquote. Exeku­tivbeamte werden eingespart, Gendarmerieposten und Polizeidienststellen werden aufgelassen. Frau Bundesministerin, an Ihnen liegt es, ob Sie diesen katastrophalen Kurs weiterfahren – oder die Notbremse ziehen, wie wir Eisenbahner zu sagen pflegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden diesem Beschluss – in der Hoffnung zustimmen, dass dem organisierten Verbrechen in Zukunft Einhalt geboten wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.23

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Danke.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.23.376. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Ein­kommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsvertrags­rechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Insolvenz- Entgeltsicherungsgesetz geändert werden (707 d.B. und 790 d.B. sowie 7209/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 1993 geändert wird (495/A und 791 d.B. sowie 7210/BR d.B.)

 



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Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Lueger. Ich bitte sie um die Berichte.

 


15.24.02

Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Finanzaus­schusses bringen über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz, das Versicherungsauf­sichtsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Versicherungssteuerge­setz 1953, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Arbeitsver­tragsrechts-Anpassungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf somit zum Antrag kommen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratungen der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe gleich den zweiten Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Invest­mentfondsgesetz 1993 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Antrag lautet: Der Finanzausschuss stellt nach Beratungen der Vorlage am 1. Feb­ruar 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke, Frau Kollegin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ager das Wort.

 


15.25.49

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Lieber Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Punkte 6 und 7 beinhalten eine umfassende Novellierung des Pensionskassengesetzes mit dem Ziel, eine gesicherte Altersvorsorge für die Menschen in Österreich zu erreichen. Das Thema Altersvor­sorge, soziale Sicherheit im Alter ist heute wahrscheinlich das herausragendste Thema in unserer Bevölkerung, und zwar, wie ich meine, von uns allen.

Ich darf vorausschicken, dass jeder fünfte Österreicher heute älter als 60 Jahre ist, 2015 wird es jeder vierte Österreicher sein und im Jahre 2030 wird es schon jeder dritte Österreicher sein.

Durch unser gutes Gesundheitssystem und durch die Fortschritte in der Medizin wer­den die Leute immer älter – das ist auch gut so –, aber diese demographische Entwick­lung stellt eine gewaltige Herausforderung für uns alle dar. Und wenn ich alle sage, dann meine ich auch alle.

Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen auch von der Sozialdemokratischen Partei! Dieses fundamentale Thema – ich habe das auch schon einmal kundgetan – Altersvor­sorge unserer Bürger eignet sich, wie ich meine, einfach nicht für politisches Hickhack und Gezänk zwischen den Parteien. Sie, liebe Freunde auf der linken Seite, wissen ganz genau, dass, wenn Sie momentan an der Regierung wären, auch nichts anderes


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tun könnten. Das sind Kleinigkeiten, Freunde, das wissen Sie genau. Ich bin der Meinung, man sollte aufhören mit den ganzen Weltuntergangsszenarien, die da immer entwickelt werden, weil es einfach notwendig ist, auf diese Dinge einzugehen, weil man es einfach nicht ändern kann, dass die Leute älter werden. Es ist auch, wie ich bereits gesagt habe, gut und richtig so. In der Medizin wird ja Tag und Nacht geforscht; unser Gesundheitssystem ist das beste auf der Welt, das Resultat ist dann halt eben entsprechend.

Die Änderung von einem Einsäulen- zu einem Dreisäulenmodell hat die Attraktivität und die Funktionsfähigkeit des Pensionskassensystems entscheidend gestärkt. Dies­bezüglich sind wir einander auch schon in die Haare, in die Wolle geraten, aber es ist auch so. Die erste Säule mit dem Umlageverfahren als Basis – verstärkt mit der Pensi­onsversicherungsreform 2003 sowie der Pensionsharmonisierung 2004 – ist insgesamt eine gute Grundlage. Das kann man drehen und wenden, wie man will. Wenn gewisse Dinge drinnen sind, die euch nicht gefallen, dann bleibt euch das eben unbenommen. Aber letztendlich sollten wir alle, wie ich meine, schauen, wie wir die Pensionen insge­samt sichern können.

Bei der zweiten Säule mit der Abfertigung Neu gibt es derzeit 1,3 Millionen Anspruchs­berechtigte. Sie haben da die Wahlmöglichkeit: Pensionskasse oder Versicherungsleis­tung mit einem gesunden Wettbewerb verschiedener Produkte.

Bei der dritten Säule, liebe Freunde, der Zukunftsvorsorge gibt es derzeit schon rund 460 000 Menschen – und ihre Zahl wird ständig größer –, die sich zusätzlich Gedanken über eine private Vorsorge machen. Und das ist auch in Ordnung.

Das heißt, diese Reform der Bundesregierung greift, hat Zukunft und sichert die Pensi­onen der Österreicherinnen und Österreicher. Weiters geht es um eine Anpassung von EU-Richtlinien – das wissen wir auch –, um mehr Kontrollrechte, um mehr Transparenz und um mehr Rechte für die Anleger.

Noch ein Beispiel darf ich Ihnen bringen; ich mache das nur, damit wir dieses Thema vielleicht doch irgendwann einmal zu einem guten Abschluss bringen können: 1970 trat man mit 16 bis 17 Jahren ins Berufsleben ein und ging mit etwa 61 bis 62 Jahren in Pension. 2004, also jetzt, erfolgt der Eintritt ins Berufsleben mit etwa 22 Jahren, weil in vermehrtem Maße höhere Schulen besucht werden, was sonst wieder ein Vorteil ist, und geht dann im Durchschnitt mit etwa 59 Jahren in Pension. Wie ich vorhin schon gesagt habe, kann dann jemand auf Grund unseres guten Gesundheitssystems, der Forschung und des Segens der Medizin etwa 20 bis 22 Jahre in Pension sein. Da, glaube ich, braucht man keinen Computer mehr, um das auszurechnen, das kann man im Kopf tun. Wer ein bisschen Kopfrechnen beherrscht, der wird die Notwendigkeit dieser Reform besser verstehen.

Wenn Sie heute ein wenig einsichtiger sind, was das Thema Pensionssicherung be­trifft – zumindest war dies im Nationalrat so, ich habe das mit Wohlwollen festgestellt –, dann freut mich das. Ich möchte aber doch daran erinnern, dass Sie uns hier in letzter Zeit ganz schön drangsaliert haben. (Bundesrätin Bachner: Mit Recht!) – Das sagen Sie. Ihren Ausspruch von der „sozialen Kälte“ habe ich noch in schlechter Erinnerung. (Bundesrätin Bachner: Nicht herausfordern, wir können es uns noch überlegen! – Zwischenruf des Bundesrates Gruber.)

Wenn einer nach dem anderen einen Zwischenruf macht, kann ich ihn verstehen. Wenn drei schreien, kann ich nichts verstehen. (Bundesrat Gruber: Wenn du noch lange so weiterredest, überlegen wir es uns!) Ja, dann müsst ihr aber eine Alternative zur Überlegung stellen. (Bundesrätin Bachner: Die hätten wir!)


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Die Novelle zum Investmentfondsgesetz – das möchte ich hier auch noch aufzeigen – schließt eine Lücke in der Besteuerung ausländischer Fonds und wurde im Nationalrat einstimmig abgesegnet. Ich denke, das werden wir auch hier tun.

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Sie wissen, dass ich immer ver­suche, ein Mann des Ausgleichs zu sein, aber eines habe ich auch noch ein bisschen in schlechter Erinnerung. Ich glaube, es war bei der letzten oder vorletzten Sitzung, wo man dann irgendwann Anleihen beim Fußball genommen hat. Ich kann mich noch erinnern, 5 : 0 ist da im Raum gestanden und von Mittelstürmern und Toreschießen war die Rede. Ich habe damals schon verstanden, wie Sie das gemeint haben. (Zwi­schenruf des Bundesrates Gruber.) Ich habe das schon verstanden im Hintergrund. Eines möchte ich da allerdings auch anbringen: Ich bin der Meinung, dass der Wähler von heute mündiger ist, als Sie glauben. (Bundesrätin Bachner: Darum haben wir ja 5 : 0!) Ich darf Sie aber nur daran erinnern, dass es sich, wenn Sie von 5 : 0 reden, um die Unterliga handelt. (Bundesrätin Bachner: Schauen wir weiter!) Wir reden von der Oberliga. Das ist dann die Nationalratswahl. Ich denke, wir können die Beurteilung getrost dem Wähler überlassen. (Bundesrätin Bachner: Das glaube ich!)

Dass diese Maßnahmen manchmal sehr schmerzlich sind, das gebe ich schon zu. Aber ich kann mir vorstellen, dass Sie auch kein anderes Konzept haben, wenn Sie jemandem etwas wegnehmen müssen, weil man in die Zukunft planen und das ab­sichern muss. Die Lobeshymnen sind da halt einmal nicht sehr groß, aber ich bin überzeugt davon, dass die Leute die notwendigen Schritte für diese nachhaltige Sache verstehen und mitgehen werden.

Wenn Sie heute aufgepasst haben – und ich bin der Meinung, dass Sie aufgepasst haben, denn Sie waren heute relativ moderat, als unser Herr Bundeskanzler da war und wie Sie gesehen haben, wie der Mann agiert, mit welcher ... (Bundesrat Gruber: Wir haben es aufgegeben, es hilft nichts mehr!) – Nein, nein, Resignation ist ein schwieriges Kapitel. Das sollten Sie nicht tun, denn wir werden Sie brauchen, wir brau­chen auch einen Reibebaum. Wir brauchen auch die Opposition, denn nur dadurch sind wir immer stärker geworden, muss ich sagen, und sind heute eben dort, wo wir sind. (Bundesrat Gruber: Ihr braucht jemanden, der euch einen Spiegel vorhält!) Ich werde den Satz trotzdem sagen, Herr Gruber, auch wenn Sie mich noch dreimal unterbrechen. Wenn Sie unseren brillanten Bundeskanzler gesehen haben, dann ... (Bundesrat Reisenberger: Oh, oh, jetzt haben wir wieder Fasching!)

Ich werde ihn trotzdem sagen, Sie werden es nicht verhindern können. (Bundesrätin Bachner: Was wollen Sie denn sagen?) Was ich sagen will, ist, um wieder beim Fuß­ball zu landen: Das ist der Mittelstürmer, den Österreich braucht. Der wird die Tore schießen. Eurer hat ein bisschen, glaube ich, Ladehemmung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Stadler: Er hat schon einige Elfmeter verschossen, Herr Kollege!)

15.35

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich möchte jetzt gerne noch dem Herrn Kollegen Kraml das Wort erteilen. – Bitte.

 


15.36.06

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Ager, ich werde dich heute nicht „drangsalieren“. Ich werden mich auch nicht mit Fußball be­schäftigen und damit, wie viele Tore irgendjemand schießt. Wir werden diesen beiden Punkten unsere Zustimmung geben. Ich kann aber trotzdem nicht so jubeln und das Ganze nicht ganz so positiv sehen, wie du das gesehen hast, Kollege Ager. Ich hoffe,


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du verzeihst mir, dass ich ein paar Punkte anführe, die meiner Meinung nach nicht so gelungen sind.

Wir stimmen zu; ja, das ist richtig. Insgesamt gesehen – und das gebe ich auch zu – geht es beim vorliegenden Gesetzesbeschluss um eine Verbesserung für die Anleger, und das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Sache, wobei man natürlich über das Säu­lenmodell trefflich streiten könnte. Wenn man eine entsprechende Grundpension hat und der Staat auch entsprechend dafür sorgt, auch wenn die Leute älter werden, dann braucht man diese Säulen nicht. Es ist ja so, dass sich eine Vorsorge nach diesem Säulenmodell nur 10 bis 15 Prozent leisten können. Bei Schaffung des ASVG war von Drittelteilung die Rede, aber davon sind wir heute weit entfernt, was die Anteile des Staates betrifft.

Meine Damen und Herren! Beim vorliegenden Gesetzesbeschluss geht es zunächst einmal auch um den österreichischen Kapitalmarkt, der zwar entsprechend gestiegen ist, aber wenn man sich die einzelnen Titel an der Wiener Börse anschaut, dann sieht man natürlich schon, dass das alles ein bisschen weniger geworden ist. Wir haben jetzt noch, glaube ich, 90 oder 91 Titel von vorher 100. Das ist auch nicht mehr diese Viel­falt, die es einmal gab, obwohl – das gebe ich schon zu – kräftige Titel dabei sind. Das stimmt.

Da geht es um die Mindestrücklage, die zum Beispiel der KöSt unterliegt. Das heißt also, Sie, Herr Staatssekretär, nehmen da auch wieder Geld weg. Jetzt ist das Trink­geld weggefallen, jetzt nehmen Sie es halt dann bei der Mindestrücklage. Vielleicht bringt das sogar mehr, ich weiß es nicht. Ich kann mir das so nicht ausrechnen, weil mir die diesbezüglichen Zahlen fehlen.

Da geht es auch um strukturelle Veränderungen in den Pensionskassen. Diese sind mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss nicht angegangen worden. Das wäre jetzt eine Möglichkeit gewesen. Die Mindestbetragssicherung verursacht deutlich höhere Kosten und wird dann, wenn es extreme Kursschwankungen gibt, wiederum zu größe­ren Problemen führen.

Wir haben heute schon gehört, etwa 400 000 Menschen sind in den Pensionskassen. Das sind so um die 10 bis 14 Prozent der Bevölkerung. Das heißt, dass sich das nur ein gewisser Teil der Bevölkerung leisten kann, dieses Dreisäulenmodell funktioniert also nicht für alle. Es ist die erste Säule noch da, nämlich der Staat, der wesentlich schwächer geworden ist mit seinen Leistungen. Dann ist die betriebliche Abfertigung da für den gesamten Bereich. Okay.

Bei der dritten Säule wird es dann schon dünn. Die dritte Säule leisten sich jene, die mehr verdienen im Leben, weil es nicht anders sein kann, denn wenn ich das Geld nicht habe, dann kann ich mir die dritte Säule einfach nicht leisten. Das wird nicht anders. Das wird Kollege Ager wissen. Der wird wissen, was die Leute in seinem Be­trieb verdienen und ob sich die dann auch die dritte Säule leisten können. Ich schaue mir auch das Einkommen der Leute in meinem Betrieb an und frage mich, ob sie sich neben der Familie auch noch die dritte Säule leisten können.

Letztendlich kommt es darauf an, dass sich der Kapitalmarkt entsprechend entwickelt – und das nicht auf ein, zwei Jahre, sondern über einen Zeitraum von 20, 30 Jahren hin­durch. Genau dort liegt nämlich die Gefahr. Wir alle wissen, dass Bundesregierungen – egal, welche Farbe sie haben – diese Sachen immer sehr positiv sehen, und es hat sich schon in letzter Zeit gezeigt, dass das nicht ganz so ist. Sie haben vor zwei Jahren beim Budgetbegleitgesetz 2003 kräftig zugelangt und haben 400 000 Anwärter in den Pensionskassen eigentlich, kann man sagen, „enteignet“. Irgendwer hätte da etwas zahlen müssen, und da nichts gezahlt worden ist, hat man den Anwärtern das einfach weggenommen. Genau so ist es gewesen.


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Grundsätzlich ist man bei den Pensionskassen davon ausgegangen, dass es – und da hat es auch einen breiten Grundkonsens gegeben – eine private Altersvorsorge sein soll, die planbare und stabile Pensionen bringt. Ob sie noch so planbare Pensionen bringt, das wage ich zu bezweifeln. Ob sie stabile Pensionen bringt, das wage ich auch zu bezweifeln. Die letzten Pensionskürzungen gerade in diesem Bereich haben ge­zeigt, dass das nicht der Fall ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Das waren nicht bei der Voest die freiwilligen Pensionen, das waren die Pensions­kassen. Da müssen Sie einmal darüber nachdenken. Da hat es Pensionskürzungen von 6, 7 und 8 Prozent gegeben, und zwar die letzten zwei, drei Jahre. Wenn man vom Grundgedanken einer sicheren Pension ausgeht und dann so etwas passiert, nur weil sich der Kapitalmarkt ein paar Jahre anders entwickelt hat, dann kann das nicht hinge­nommen werden, das kann es nicht sein! Damit sage ich, jetzt schaut es ganz anders aus: Das Risiko liegt also nicht mehr bei den Pensionskassen, was ursprünglich der Grundgedanke war, sondern das Risiko liegt jetzt bei dem, der in diese Kasse einzahlt, und zwar das volle Kapitalrisiko. Das möchte ich auch einmal dazusagen, und das, glaube ich, ist auch ganz wichtig, dass man das den Leuten sagt.

Was mir in dieser Novelle auch noch fehlt, ist die Transparenz. Man hätte für wesent­lich mehr Transparenz sorgen können bei den Pensionskassen, indem diese verpflich­tet werden, ihre Anleger besser zu informieren.

Eines ist meiner Ansicht nach sicher: Diese Pensionskassenrichtlinien können nicht die staatlichen Pensionen ersetzen, und unser Bemühen muss es sein, dass genau für diesen Bereich wieder entsprechende Leistungen in die Staatskassen kommen und dass auch der Staat bereit ist, entsprechende Beiträge zu zahlen, weil sich nur 10 bis 15 Prozent diese Art der Vorsorge leisten können.

Ich habe es eingangs schon gesagt: Positiv sehe ich, dass es eine bessere Sicherheit für die Anleger gibt, und wir werden daher dieser Pensionskassengesetz-Novelle zu­stimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Grünen.)

15.43

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.43.42

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Der vorliegenden Novelle insgesamt liegen das Bestreben und das Bemühen der Bundesregierung in Richtung einer Pensions­sicherung oder, wie ich sage, eines Pensionssicherungsgesetzes zugrunde. Diese No­velle zielt eigentlich auf zwei Bereiche ab: einerseits, die Sicherheit weiter auszubauen, und andererseits – das geht ja auch aus dem Bericht hervor –, eine Abstimmung auf europäische Normen herbeizuführen.

Sie wissen genau, meine Damen und Herren, weshalb dieses Pensionssicherungsge­setz erforderlich war: weil eben der Generationenvertrag in der alten Form nicht mehr funktionieren kann und in Zukunft nicht mehr funktionieren könnte. Es wurde schon gesagt – und wir sind froh darüber –: Die Menschen werden Gott sei Dank immer älter, die Zeiträume für Pensionsleistungen natürlich dadurch länger, was bedingt, dass auch die Quantität der Leistung größer werden muss.

Da die Gruppe immer größer und die Zeiträume immer länger werden und dem gegen­über die geburtsschwachen Jahrgänge als Beitragszahler stehen, wäre diese Schere spätestens 2013 sehr weit auseinander gegangen und das Pensionssystem in der alten Form nicht mehr haltbar gewesen.


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Ich bin daher sehr froh darüber, dass diese Bundesregierung das rechtzeitig erkannt hat und da sehr verantwortungsvoll und vorsorglich gegengesteuert hat.

Meine Damen und Herren! Es wäre nicht nur der Generationenvertrag gekippt, sondern es wäre natürlich auch in der privaten Vorsorge, wahrscheinlich nicht so schnell, zu Problemen gekommen. Ich begrüße es daher, dass dieses so genannte Drei-Säulen-Modell jetzt endlich in die Realität umgesetzt worden ist und weiter ausgebaut wird. Diese drei Säulen sind – das wurde auch schon gesagt – erstens die staatliche Basis­versorgung, zweitens die betriebliche Vorsorge, wiederum mit zwei Aspekten: einer Pensionskasse oder einer einmaligen Leistung beziehungsweise einer Pensions­leistung. Also es gibt die Wahlmöglichkeit zwischen dieser Pensionskasse und einer Pensionsleistung. Und die dritte Säule – sie wurde auch angesprochen  – ist auch integriert in dieser Rechtsform: die private Vorsorge. Da gibt es wieder verschiedene Formen: von der privaten Pensionskasse bis zu den privaten Vorsorgeversicherungen.

Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass bei dieser Novelle Konsens herrscht, und ich hätte mir gewünscht, dass dieser Konsens auch bei der Grundsatzgesetz­gebung vorhanden gewesen wäre. Gerade deshalb, weil das, glaube ich, eine sehr ehrenvolle Verpflichtung ist, für die Pensionen, für die ältere Generation vorzusorgen, hätte ich mir gewünscht, dass beim Grundsatzgesetz Konsens herrscht. Aber man könnte das Verhalten auch anders interpretieren: Es hat vielleicht auch die Opposition jetzt erkannt, dass dies der einzige Weg ist, um überhaupt Pensionsvorsorge zu betreiben.

Man muss, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen, korrekterweise auch sagen: Es hat auch unser Regierungspartner, die ÖVP, dies sehr spät, wie ich meine, aber hoffentlich noch rechtzeitig erkannt, dass dies eben das einzige Modell ist, um Pensionssicherung zu betreiben. 1993, als die ÖVP noch mit der SPÖ in der Regie­rung war, gab es schon – Sie können es in den Stenographischen Protokollen nachle­sen – den Vorschlag von meiner Fraktion im Nationalrat – dazu gab es entsprechende Entschließungsanträge –, das Drei-Säulen-Modell einzuführen. Damals war weder von der ÖVP noch von der SPÖ die Bereitschaft dazu gegeben, eine Lösung in der Form herbeizuführen. Ich meine daher, wenn heute hier Konsens herrscht: Auch in der Politik klüger und gescheiter werden sollte kein Fehler sein, vor allem nicht dann, wenn es der Altersvorsorge dient.

Ich freue mich daher, dass zwölf Jahre danach, nach den ersten Bemühungen, das Drei-Säulen-Modell einzuführen, Konsens herrscht. Und ich sage noch einmal: Hoffent­lich ist dieser Konsens noch rechtzeitig zustande gekommen; die Notwendigkeit hat die Politik offensichtlich erkannt. Wir werden deshalb gerne diese Novelle mittragen. (Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und weitere Gesetze geändert werden.


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718. Sitzung / Seite 114

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Investmentfondsgesetz 1993 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls die Stimmenein­helligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.49.168. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird (663 d.B. und 736 d.B. sowie 7211/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (627 d.B. und 737 d.B. sowie 7212/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik San Marino auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (706 d.B. und 792 d.B. sowie 7213/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (778 d.B. und 793 d.B. sowie 7214/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 11 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Binna. Ich bitte ihn, damit wir um 16 Uhr die Dringliche aufrufen können, um kurz gefasste Berichte.

 


15.50.49

Berichterstatter Theodor Binna: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jän­ner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 115

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Des Weiteren bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll.

Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Ein­spruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters erstatte ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik San Marino auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll.

Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Verlesung des Ausschussantrages.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Dieser Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor, es erübrigt sich daher dessen Velesung.

Ich komme sogleich zur Verlesung des Ausschussantrages.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Erstattung der Berichte.

Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Scheidemünzengesetz 1988 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 116

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betref­fend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kasachstan auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der vorliegende Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder, bedarf daher der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Dieser Antrag ist ebenfalls angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jän­ner 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Repub­lik San Marino auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Auch dieser Beschluss bedarf der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und bitte um ein Handzei­chen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Demokratischen Bundes­republik Äthiopien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Auch dieser Beschluss bedarf der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und bitte um ein Handzei­chen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Da wir um 16 Uhr die Behandlung der Dringlichen Anfrage aufzurufen haben, lohnt es sich nicht mehr, mit einem neuen Tagesordnungspunkt, zu dem Redner gemeldet sind, zu beginnen.

Ich unterbreche die Sitzung daher für wenige Minuten bis 16 Uhr.

(Die Sitzung wird um 15.56 Uhr unterbrochen und um 16.01 Uhr wieder aufgenom­men.)

16.01.00

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 117

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und unter­breche die Beratungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Günther Kaltenbacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Versäumnisse der Bundes­regierung beim Red-Bull-Projekt Spielberg (2289/J-BR/2005)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Kaltenbacher, Binna, Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die Versäumnisse der Bundes­regierung beim Red-Bull-Projekt Spielberg.

Da Ihnen die Dringliche Anfrage inzwischen zugegangen ist, erübrigt sich deren Verle­sung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Kaltenbacher als erstem Anfragesteller zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort.

 


16.01.10

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In unserer Dringlichen Anfrage an Herrn Bundesminister Bartenstein möchten wir steirische SPÖ-Mandatare die Rolle des zuständigen Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit am Scheitern des Red-Bull-Projektes Spielberg durchleuchten beziehungsweise hinterfragen.

Was sich in den letzten Wochen in dieser Region abgespielt hat, sucht seinesgleichen in Österreich! Beendet, begraben – zitiert ist Erwin Zankl, Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ vom 20. Jänner 2005. Endgültiger kann eine Absage gar nicht formuliert wer­den!

Weiter heißt es: Jeder Versuch einer Fortführung des Projektes, heißt es im Schreiben von Dietrich Mateschitz an Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, wäre für unser Unternehmen nicht zu verantworten, zum Scheitern verurteilt und könnte auch unseren Partnern nicht guten Gewissens empfohlen werden. – Zitatende.

Die Hoffnung, es könnte doch noch gelingen, den Chef von Red Bull zu überreden, das Projekt doch zu realisieren, scheiterte, und das in einer Region, die schon seit Jahren zu kämpfen hat! In dieser Region, der westlichen Obersteiermark, leben gut 100 000 Personen. Knapp 41 000 Personen sind dort unselbständig erwerbstätig. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit betrug 2004 in den Bezirken dort 7 Prozent. Laut neuester ÖROK-Studie wird bestätigt, dass die westliche Obersteiermark weiter stark von Abwanderung betroffen ist: minus 6,5 Prozent.

Der Österreich-Ring beziehungsweise A-1-Ring war immer wieder Ausgangspunkt der politischen Diskussion in der Region und im Land. Faktum ist, dass 1995 für die Neu­ausrichtung des A-1-Ringes 400 Millionen Schilling und weitere 100 Millionen Schilling seitens des Landes aufgebracht wurden. Wir haben – nicht, wie immer von Seiten der ÖVP behauptet wird! – diesen Investitionen unsere Zustimmung gegeben. FPÖ und Grüne lehnten dieses Projekt generell ab. (Bundesrat Hösele: Wann haben Sie dem Ihre Zustimmung gegeben?) 1995! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Hö­sele.) Das stimmt und ist nachzulesen! Finanzlandesrat Joachim Ressel hat diesen Vertrag ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, nein! Wogegen wir waren – da gebe ich Ihnen Recht –, das waren die Inhalte. Gegen diese sind wir aufgetreten.


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 118

Kollege Hösele, recherchieren Sie! Der Vertrag über diese Investitionen wurde gemein­sam von SPÖ und ÖVP unterfertigt. Lediglich die Vertragsinhalte wurden von uns kritisiert. Letztendlich hat sich das auch bewahrheitet. Im Mai 2003 wurde das letzte Rennen auf dem A-1-Ring ausgetragen, Ecclestone hat sich zurückgezogen. – Das ist Tatsache.

Mit Spielberg hätte ein Projekt der Superlative entstehen sollen: ein Motorsportzentrum mit unterschiedlichen Rennstrecken, Tribünen, Boxen; mehrere qualitative Hotels, eine Flugsportakademie sowie eine Fachhochschule waren geplant. Bis Ende 2004 waren weit über 1 000 Bewerbungen aus Gesamtösterreich bereits in der Red-Bull-Zentrale in Salzburg eingelangt. Rund 700 Millionen € wollte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz in der Obersteiermark investieren. Diese Summe wäre die größte je von einem Privaten getätigte Investition in Österreich gewesen! Durch dieses Projekt wären weit über 2 000 Dauerarbeitsplätze und weitere 10 000 qualifizierte Ausbildungs- und Arbeits­plätze geschaffen worden.

In einer Studie von Joanneum Research wird bestätigt, dass dieses Projekt Spielberg unverzichtbar für die Steiermark sei. Bei einem Investitionsvolumen dieser Größen­ordnung würden bis 2010 in Österreich 10 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, davon die Hälfte in der Steiermark.

Obwohl der Ausgang des Verfahrens noch nicht bekannt war, wurden umfangreiche Abbrucharbeiten am A-1-Ring durchgeführt. Sämtliche Anlagen des A-1-Ringes, auch jene, die auf dem neuesten technischen Stand waren, wurden abgerissen. Das dort ansässige Fahrtechnikzentrum des ÖAMTC wurde ebenfalls geschliffen. Der ÖAMTC ließ sich für den Neubau seines Fahrtechnikzentrums in der Untersteiermark 16,5 Mil­lionen € seitens des Landes überweisen, und weitere 5 Millionen bekam er ... (Zwi­schenbemerkung von Bundesminister Dr. Bartenstein.– Ich weiß nicht, das werden Sie uns dann sagen. – Es wurden also weit über 20 Millionen € für die Absiedelung des Fahrtechnikzentrums bezahlt.

Am 6. Dezember 2004 wurde der negative Bescheid des Umweltsenats veröffentlicht. Bereits am 1. Juli 2004 erging im Umweltverträglichkeitsverfahren für das Red-Bull-Projekt ein positiver Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung, dem im nachfol­genden Berufungsverfahren durch den Umweltsenat haarsträubende Fehler attestiert wurden: fehlende Sachverhaltserhebungen, schlechte Qualität der Gutachten, völlig unzureichende Beweiswürdigung und unzulässige Begründung von Standpunkten.

Bereits im Oktober 2003 gab es die ersten Warnzeichen, dass das Projekt in dieser Form nicht genehmigt werden kann. Sie, Herr Bundesminister, hätten mit Ihren Be­amten, nachdem das schon erkennbar war, dieses Projekt entsprechend qualitativ begleiten müssen. Vor allem aber wurden vom Bund letztendlich 45 Millionen € zur Verfügung gestellt. Da zeigt sich, wie eigentlich vorgegangen wurde! Ein Projekt dieser Größenordnung, das wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch so große Auswirkungen auf eine Region gehabt hätte, wurde seitens der Verantwortlichen von der ersten Liga in die Unterliga zurückgestutzt.

Seit Monaten wurden in der Region, aber auch in der Steiermark insgesamt die Betrof­fenen immer wieder mit dem Zustandekommen des Projektes Spielberg konfrontiert. Durch stetig wiederkehrende Aussagen von Frau Landeshauptmann Klasnic und ihren zuständigen Landesräten wurde der Bevölkerung etwas vorgegaukelt, was sich zuletzt als Seifenblase erwies und letztendlich Frustration und Resignation hinterließ.

Noch am 12. Dezember ließ Frau Landeshauptmann Klasnic via Medien ausrichten, dass es zwar Probleme mit dem Projekt gäbe, aber sie trotzdem zuversichtlich sei, ge­meinsam mit dem Architekten Domenig die Eröffnungsfeier durchzuführen. Gemeinden und Betriebe, welche bereits umfangreiche Vorarbeiten und Investitionen geleistet ha-


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ben, sind am Boden zerstört. Viele Demonstrationen – parteiübergreifend – wurden vor Ort durchgeführt, hatten aber keinen Erfolg. Bereits am 12. Dezember, als für uns erkennbar war, dass dieses Projekt scheitern wird, wurde seitens der SPÖ in der Steiermärkischen Landesregierung ein Fünf-Punkte-Programm vorgelegt.

Noch immer, obwohl diese negativen Veränderungen erkennbar waren, war seitens der Bundesregierung und von Ihnen als den zuständigen Wirtschafts- und Arbeits­minister nichts zu hören. Es kam kein Signal, es gab keine Aussage! – bis zum 30. Jänner 2005, als Sie bei einer Wahlkampfveranstaltung der ÖVP in Knittelfeld ge­meinsam mit Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als Retter der Region auftraten, wo 300 Millionen € der Region für Projekte und Investitionen versprochen wurden, knapp 100 Millionen € in Form von ERP-Krediten, welche bereits jetzt bei Vorliegen der ent­sprechenden Voraussetzungen abgeholt werden können. Also kein zusätzliches Geld!

Was Sie, Herr Bundesminister, und Ihre Regierungskollegen betreiben, ist keine Regio­nalpolitik, sondern ein weiteres Aushungern der ländlichen Regionen!

Wie konkrete Regionalpolitik gemacht wird, das hat uns in den Jahren 1972 bis 1976 Bruno Kreisky gezeigt. Mit der damaligen Entwicklungsgesellschaft Aichfeld-Murboden wurden nach Schließung des Kohlebergbaus – wovon 2 000 Bergarbeiter betroffen waren – 2 Milliarden € in die Region gepumpt. Betriebsansiedelungen fanden statt; es sei hier nur Eumig und AT&S erwähnt. (Bundesrat Hösele: Schilling, nicht Euro!) Bitte um Entschuldigung: 2 Milliarden Schilling seinerzeit!

Betriebe wurden angesiedelt – ich erinnere an Eumig, heute AT&S, die Firma ATB und so weiter –, fünf Bundesschulzentren wurden errichtet, die Autobahn nach Judenburg in Planung genommen und ausgebaut, 700 Wohnungen wurden neu gebaut. – Das verstehen wir unter Regionalpolitik, nicht aber Ihre Ankündigungspolitik!

Was den Bewohnern dieser Region bleibt, ist ein abgerissener A-1-Ring, frustrierte Be­wohner und Betriebsinhaber. Was Sie zukünftig in dieser Region planen, möchten wir durch die Beantwortung unserer 21 Fragen erfahren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

16.12

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Bartenstein das Wort.

 


16.13.54

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ebenso wie Sie bedauere auch ich es außerordentlich, dass Red Bull und Herr Mateschitz sich dazu entschlossen haben, das Projekt Spielberg nicht umzusetzen. Dieses Bedauern wird begleitet von der hoffentlich gemeinsamen Anstrengung, jetzt etwas für diese Region zu tun, was zumindest zum Teil für Ersatz sorgen kann in Sachen Mut, in Sachen Zuversicht, in Sachen Arbeitsplätze, in Sachen Investitionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Herr Bundesrat Kaltenbacher richtig gesagt hat, war ich erst vor einigen Tagen in dieser Region, werde in der nächsten Woche gemeinsam mit Landesrat Schützenhöfer erneut ins Aichfeld reisen, Betriebe besuchen, die regionale AMS-Stelle besuchen. Der Arbeitsmarkt in dieser Region ist nicht besser und nicht schlechter beisammen als der übrige Arbeitsmarkt in der Steier­mark. Sie wissen, Herr Bundesrat, dass die Steiermark hier im Vergleich zu den sonsti­gen Entwicklungen in Österreich sehr gut unterwegs ist, die Arbeitslosigkeit rückläufig war, zuletzt mehr Jobs geschaffen wurden.

Ich habe selbstverständlich in den letzten Wochen nicht nur im Rahmen der von Herrn Bundeskanzler Schüssel und Herrn Vizekanzler Gorbach in Auftrag gegebenen Task


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 120

Force auch persönlich mitgearbeitet – nicht alles davon wurde an die Öffentlichkeit getragen, aus gutem Grunde –, sondern auch im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers und über Bitte der Frau Landeshauptmann gemeinsam mit Landesrat Schöpfer das 300 Millionen €-Steiermark-Paket geschnürt, das Frau Landeshauptmann Klasnic und zum kleineren Teil auch ich am vergangenen Samstag steirischen Bürgermeistern in Knittelfeld präsentieren konntenm nämlich 100 Millionen € ERP-Kredite – das ist rich­tig –, dazu ein Haftungsrahmen von 100 Millionen € durch die AWS und 90 Millionen an direkten Zuschussmitteln für die Steiermark, für diese Region – Letzteres zur Hälfte getragen vom Bund und zur Hälfte getragen vom Land Steiermark.

Das, was Herrn Mateschitz und Red Bull zugesagt war, wollen wir selbstverständlich bei Vorliegen entsprechender Investitionsprojekte und im Rahmen der EU-Förderrah­men und -möglichkeiten dann auch Investoren zukommen lassen, egal, ob es sich um solche handelt, die vor Ort sind und dort investieren – ich habe heute mit Herrn Heinzl telefoniert, jemandem, der Hunderte Millionen Euro in der Region investieren will, investieren wird –, oder ob es sich um solche handelt, die von außen kommen, ob es sich um Große handelt oder um Kleine.

Herr Bundesrat! Ihr Eindruck deckt sich nicht ganz mit dem meinen, was die Position der steirischen Sozialdemokratie zum Österreich-Ring oder letztlich zum A-1-Ring anlangt. Meines Wissens gab es hier viele kritische Äußerungen, wie zum Beispiel des früheren Landes-Parteivorsitzenden Schachner-Blazicek, aber ich will nicht allzu sehr in der Vergangenheit wühlen, sondern konzedieren, dass zum Projekt Spielberg eigentlich alle relevanten politischen Kräfte in der Steiermark gestanden sind – mit einer Ausnahme, aber einer Ausnahme nicht einer politischen Kraft, sondern eines Abgeordneten, der nicht hier sitzt, sondern ein paar Meter weiter: Der steirische Abgeordnete Kräuter hat mehrmals und vehement jegliches Förderinstrument, jegliche Mittel des Bundes oder des Landes für das Projekt Spielberg abgelehnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat Herr Abgeordneter Kräuter – glau­bend, dass es sich hier noch dazu um etwas im Zusammenhang mit EADS-Gegen­geschäften handle – sogar am 5. Juli 2004 die Formulierung gewählt – ich zitiere wört­lich –: ... ist die zusätzliche Förderung durch die Hintertür auf Kosten der Bevölkerung des Stationierungslandes Steiermark ein beispielloser Skandal. Es zeichnet sich der größte politische Betrug der Zweiten Republik ab. – Zitatende.

Nochmals: Das war im Zusammenhang mit dem Verdacht, es handle sich hier um Gegengeschäfte von EADS und und und – aber sei’s drum. Auch bei anderen Gele­genheiten hat sich Herr Kräuter schärfstens und deutlichst gegen die Förderung des Red-Bull-Projektes ausgesprochen. Wir wissen, wie das mit Top-Leuten ist, die in der Lage und bereit sind, 700 Millionen € in ein derartiges Projekt zu investieren: Die sind dann nicht sehr erfreut, wenn noch dazu über die offiziellen Partei-, Medien- und Pres­sedienste dann derartig negative Aussagen kommen. Wir kennen das.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich dann gleich auf die Fragen ein­gehe, lassen Sie mich eines sagen: Ich habe mir alle Daten das Aichfeld, die Bezirke Judenburg und Knittelfeld betreffend angeschaut: Nicht nur in Sachen Arbeitsmarkt, auch sonst ist das eine durchaus starke Region, eine Region, die jetzt zwar eine Ent­täuschung erlebt hat im Zusammenhang mit einem großen Projekt, aber eine starke, eine zukunftsorientierte Region, die lebt. Wer immer dazu seinen Beitrag geleistet hat, und wenn es Bruno Kreisky war, der den Bergknappen dann eine neue Perspektive mitgegeben hat, etwa bei HTP und anderswo, so sei es ihm dafür auch gedankt. – Dass manches von dem, was Bruno Kreisky getan hat, heute noch zurückzuzahlen ist, sei hier auch erwähnt, und sein legendärer Vergleich mit dem Geld und den Arbeits­losen sei hier auch nicht ganz vergessen.


Bundesrat
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Insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Steiermark, eine Zukunfts­region, hat sich vom Verstaatlichten-Debakel der achtziger Jahre – und hier darf man dann auch die Mitverantwortung der damaligen Bundeskanzler nicht außer Acht las­sen, auch wenn sie Kreisky heißen – zu einer Zukunftsregion mit dem Autocluster Sty­ria entwickelt. Letzteres sei hier auch deswegen erwähnt, weil Frau Landeshauptmann Klasnic und Verantwortliche des Autocluster Styria – das ist ja nicht nur Magna, das ist ja nicht nur List, das sind in Wirklichkeit Hunderte Unternehmungen mit zig-tausend Mitarbeitern – gestern den Relaunch dieses Autocluster Styria vorgestellt haben.

Vor elf Jahren war da noch gar nichts – ja, List gab es, aber sonst gab es gar nichts –, heute hingegen: 190 Betriebe, 44 000 Mitarbeiter, 6,8 Milliarden € Umsatz. – Ob Sie das jetzt Regionalpolitik nennen oder nicht, sehr geehrter Herr Bundesrat, weiß ich nicht, aber das ist erfolgreiche Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

In Sachen Wirtschaftswachstum wächst die Steiermark stärker als der Bundesdurch­schnitt. Ich habe mir das zweite Quartal des Jahres 2004 angesehen: Steiermark plus 4,4 Prozent, Österreich plus 2 Prozent. In Sachen Beschäftigung: Steiermark plus 0,9 Prozent, Österreich im Gesamtdurchschnitt des Jahres 2004 plus 0,5 Prozent.

Wir bemühen uns in vielfacher Beziehung. Ich darf daran erinnern, dass wir, nämlich mein Ressort, 4 Millionen € an Grenzlandförderung für die Steiermark bereitgestellt haben. Die Zusammenarbeit ist gut, sie war auch in Sachen Spielberg gut, und sie wird auch in Zukunft in Sachen Neuinvestitionen eine gute sein, meine sehr verehrte Damen und Herren!

Ich verweise darauf, dass es aus meiner Sicht bei der Landesregierungssitzung an die­sem Montag durchaus einen parteiübergreifenden Konsens gegeben hat, hier an einem Strang zu ziehen, ein Komitee einzusetzen und das Beste aus der im Moment etwas schwierigen Situation, Spielberg betreffend, zu machen.

Hoher Bundesrat! Zu den einzelnen Fragen.

Ich darf die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantworten:

Die Bundesregierung hat das Projekt Spielberg als zukunftsweisendes Investitions­vorhaben von Beginn an unterstützt. Mein Ressort war mit der Frage einer Fördermög­lichkeit des Projektes befasst.

Zu den Fragen 3 bis 7; auch diese darf ich umfassend, aber doch zusammen beantworten:

Das vom Projektwerber eingereichte Projekt wurde im Mai 2004 an mich zwecks Prü­fung, sehr geehrter Herr Bundesrat, von Fördermöglichkeiten herangetragen. In der Folge wurde das Projekt auf der Grundlage der vom Projektwerber beim Land Steier­mark eingereichten Projektunterlagen seitens der zuständigen Förderspezialisten mei­nes Hauses einer ersten Evaluierung unterzogen. In weiterer Folge wurde unter der Voraussetzung der Verwirklichung des Investitionsvorhabens in der Höhe von rund 700 Millionen € im September 2004 ein Förderbetrag von maximal 45 Millionen € in Aussicht gestellt, und zwar von mir, von meinem Haus.

Dafür gab es, wie bei anderen Verwendungszusagen für Großinvestitionsprojekte – und wir halten das bei Magna nicht anders als bei BMW, bei Baxter nicht anders als bei General Motors, und das ist jetzt Magna zumeist, aber nicht nur, in der Steiermark, BMW in Steyr in Oberösterreich, da wurde ja gerade ein 300-Millionen-€-Projekt für einen weiteren Ausbau des Motorenwerkes bekannt gegeben, Baxter in Krems oder General Motors hier in Wien-Aspern –, keinen Regierungsbeschluss, durchaus in Linie mit dem Vorgehen bei anderen Projekten. Das ist der bessere Weg.


Bundesrat
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Zu der Aussage im „Standard“ vom 17. Dezember, dass sich die Konsortialpartner von Red Bull vom Projekt distanziert hätten, darf ich auf das Interview von VW-Chef Pischetsrieder in der „Kleinen Zeitung“ vom 14. Jänner 2005 verweisen – meines Wis­sens ein Interview, das er meinem Freund Gerhard Nöhrer gegeben hat –, in dem Pischetsrieder Folgendes sagt – und ich zitiere –: „Wir haben mit Didi Mateschitz ein Gentleman’s Agreement und stehen unverändert zu Spielberg. Als Erlebniswelt für unsere Kunden ist dieses Projekt perfekt, es wäre bedauerlich, wenn es nicht realisiert würde.“ – Zitatende. 14. Jänner 2005, das heißt, Pischetsrieder und VW wären zur Sache gestanden, Mateschitz hat dann leider einige Tage später davon Abschied genommen.

Hoher Bundesrat! Ich darf die Fragen 8 und 9 zusammenfassend beantworten:

Dem BMWA wurden seitens des Projektwerbers jene Projektunterlagen zur Verfügung gestellt, die für eine Prüfung einer Förderung notwendig waren.

Zur Frage 10:

Ein Beschluss der Bundesregierung ist, wie ich bereits ausgeführt habe, nicht erforder­lich.

Zu den Fragen 11 bis 16 nehme ich wie folgt Stellung:

Das am 30. Jänner von mir schon angezogene und von Frau Landeshauptmann Klas­nic und mir bekannt gegebene Steiermark-Paket mit Schwerpunkt Wirtschaftsoffensive Obersteiermark umfasst einen Betrag von 290 Millionen € für die Jahre 2005 bis 2006. Dieses Paket habe ich im Auftrag von Bundeskanzler Schüssel und über Bitte von Frau Landeshauptmann Klasnic gemeinsam mit Herrn Landesrat Schöpfer ausgearbeitet. Dieses Paket gliedert sich in 90 Millionen € an Gesamtinvestitionszuschüssen, noch­mals eins zu eins aufgeteilt zwischen Bund und Land, und je 100 Millionen an ERP-Krediten und AWS-Haftungsinstrumenten. Diese Förderungen werden für Investitionen zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen verwendet werden, wobei, abhängig vom Zielgebietstatus der Gemeinden, Projekte von Großunternehmungen mit maximal 17,5 Prozent und Projekte von KMUs mit maximal 27,5 Prozent an Förderungsbar­werten unterstützt werden können.

Diese Steiermark-Paket wurde von Frau Landeshauptmann Klasnic nach meiner Infor­mation im außerordentlichen Teil der Landesregierungssitzung am 31. Jänner, also am Montag dieser Woche, vorgestellt und stieß dort auf Zustimmung.

Zu den Fragen 17 bis 22; auch diese möchte ich, um Ihr Verständnis bittend, des in­haltlichen Zusammenhanges wegen unter einem beantworten:

Aus Anlass der Entscheidung des Umweltsenates haben Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Hubert Gorbach bereits am Dienstag, den 7. Dezember 2004, die Task-Force Spielberg gegründet, die dann am Donnerstag, den 9. Dezember 2004, zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammengetreten ist. Diese Sitzung wurde von mir geleitet, Minister Pröll war ebenfalls dabei, auch Staatssekretär Schweitzer hat daran teilgenommen.

In der Folge tagte die mit Experten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, des Bundesministeriums für Finanzen sowie der Landesregierung Steiermark und der Steirischen Wirtschaftsförderungs-GesmbH, SFG, besetzte Arbeitsgruppe der Task-Force Spielberg offiziell am 14. Dezember 2004, am 22. Dezember 2004 und am 12. Jänner 2005. An einer dieser Sitzungen nahm auch Herr Professor Raschauer teil, um einige Fragen zu klären. Ein Vertreter des Projektwerbers wurde zur Teilnahme an


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diesen Arbeitssitzungen eingeladen, ist dieser Einladung aber nicht gefolgt. Die Einla­dung gab es also, dieser Einladung wurde aber nicht gefolgt.

Diese Gruppe erstellte ein Arbeitspapier für die Weiterentwicklung des Vorhabens Motorsportzentrum Spielberg. Dieses Arbeitspapier habe ich Herrn Dkfm. Mateschitz auch übermittelt, und meines Wissens auch Frau Landeshauptmann Klasnic über ihre Kontakte. Danach hatte mein Haus keine Kontakte mehr mit dem Projektwerber.

Herr Präsident und meine Damen und Herren des Bundesrates! Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.27

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, in der die Redezeit be­kanntlich mit 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Prutsch das Wort.

 


16.27.21

Bundesrat Günther Prutsch (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es stellt sich die Frage: Ist Spielberg, der A-1-Ring, ein steirisches Projekt oder ist es etwas, was nur die Steirer angeht? – Jetzt, da die Sache in die Hosen gegangen ist, ist das, denke ich, für viele tatsächlich nur noch ein Steirer-Flop, quasi eine steirische Geschichte, wo man sagt, die interessiert mich nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich verstehe das, aus Ihrer Sicht!

Meine Damen und Herren! Unüberhörbar waren stets die Jubelmeldungen nach jedem Grand Prix. Die Steuereinnahmen des Finanzministers waren sehr gut, so wurde es immer berichtet und kolportiert. Ich finde, das ist aus der Sicht dieser Region natürlich auch in Ordnung. Es ist auch unbestritten – Günther Kaltenbacher hat es angespro­chen –, dass viele Menschen vom Ring direkt gelebt haben, indirekt profitiert haben und letztlich dadurch auch Arbeit gefunden haben. Es ist ein Wirtschaftsfaktor nicht nur, sage ich, für die westliche Obersteiermark, ein Faktor, der nicht wegzudenken ist. Wir wissen, bei jeder Ringveranstaltung waren Zimmer bis hin in die Südsteiermark ausgebucht.

Nun zurück zum Finanzminister, der ja, wie schon gesagt, alljährlich eigentlich den großen Rebbach gemacht hat. Ich für mich habe mir das Ganze so überlegt: Da muss doch auch ein großes bundespolitisches Interesse dabei sein, wenn der Finanzminister so viele Steuereinnahmen lukrieren konnte. Für mich ist auch klar, dass das angespro­chene Riesenprojekt, das Folgeprojekt, natürlich auch Umwegrentabilitäten für den Finanzminister erbracht hätte.

Für mich war daher auch klar, dass ein derartiges Projekt in dieser Größenordnung Chefsache sein muss – auf allen Ebenen, sage ich dazu. Da führt kein Weg vorbei. Hier ist in der Steiermark ein großer Fehler passiert, und ich sage dazu auch – Stich­wort: Finanzminister, Bund –: Da hätte sich die Bundesregierung viel stärker schon in die Projektentwicklung einbringen müssen! Ein Festmachen an Bundesminister Barten­stein allein halte ich daher für gar nicht so richtig. Ich denke, auch auf Bundesebene hätte das Chefsache sein müssen.

Nach, und ich betone: erst nach dem Negativ-Bescheid des Umweltsenats meldete sich der Bundeskanzler zu Wort und kündigte, wie schon angesprochen, eine Task-Force an, hochrangigst besetzt mit Bundeskanzler, Vizekanzler, Umweltminister, Wirt­schaftsminister. Heute sagt der Herr Bundeskanzler hier im Hause: Die Frau Landes­hauptmann und ich werden uns darum kümmern. No na net!, sage ich jetzt dazu.


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718. Sitzung / Seite 124

Meine Damen und Herren! Lange vor dem Bescheid – und Günther Kräu ..., nein, das war ein Freud’scher Versprecher, sondern Günther Kaltenbacher hat die Genese des Bescheides auch erläutert –, lange vor dem Bescheid waren schon die Signale da, dass das Ganze schlecht vorbereitet ist und dass es minimalsten staatsrechtlichen Anforderungen nicht standhalten würde. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Was wurde getan? – Aus steirischer Sicht kann ich nur sagen: Es ist alles unter der Tuchent gehalten worden, passiert ist eigentlich nichts, und trotz der jetzt schon an­gesprochenen 45 Millionen € an Förderzusage durch die Regierung hat man nichts getan, um das Projekt ordentlich und nach rechtsstaatlichen Erfordernissen adaptiert aufs Gleis zu stellen. Das ist, glaube ich, ein großes Versäumnis.

Meine Damen und Herren! Die kolportierten Beträge sind tatsächlich kein Klacks. Die Größe des Projekts ist doch, wie schon angesprochen, weit über die steirischen, regio­nalen Dimensionen hinausgegangen. Für mich ist auch klar und logisch, dass die Bun­desregierung angesichts dieser Summen, aber auch der kolportierten Partner – von EADS und KTM bis hin zu VW – hätte tätig werden müssen.

Nach dem Crash dann die Task-Force; warum erst danach, meine Damen und Her­ren? – Das kommt mir irgendwie so vor, wie wenn die Ärzte eines Unfallkrankenhauses erstmals beim Begräbnis des Unfallopfers auftreten und dort hochaktiv sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Das ist und war kein Provinzthema. Es war meiner Meinung nach ein schwerer politischer Fehler, diese große Herausforderung nicht zur Chefsa­che zu erklären. Mag sein, dass aus Sicht der Bundesregierung die steirischen Akteure beziehungsweise ihre Chefin schlichtweg überschätzt wurden. Wirklich erklärbar ist die Inaktivität aus meiner Sicht jedoch nicht.

Trotzdem gilt es jetzt – der Herr Minister hat es angesprochen, dass es jetzt Konsens auf Ebene der Landesregierung gibt –, den Wiederaufbau des Rings möglichst rasch zu verwirklichen. Keine Frage! Die zentrale Forderung der Region lautet, eben dies sehr rasch umzusetzen. Die Wirtschaftskammer der Region hat gestern berichtet, dass die Stimmung vor Ort nicht gut sei; aus verständlichen Gründen, würde ich dazusagen. Ich denke, dass die Fragen der Wirtschaft und der Arbeitsmarktpolitik größte Anstren­gungen erforderlich machen, um die Entwicklungen in den Griff zu bekommen. Ich glaube, das sollte uns allen ein Anliegen sein.

Der Herr Minister wird die nicht allzu erfreulichen, ja überhaupt nicht erfreulichen Ar­beitslosenzahlen vom Ende des Monats bestätigen: 316 000 Arbeitslose, und rechnet man die in Schulung Befindlichen dazu, meine Damen und Herren, dann sind es bereits 364 000 Arbeitslose in Österreich! Das ist in absoluten Zahlen der höchste Wert, der jemals in der Zweiten Republik erreicht wurde. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kein Grund, darüber jetzt negativ zu diskutieren! Ich sage nochmals in der Konsens­bereitschaft: Es ist erforderlich, dass wir uns alle – Herr Kollege Dernoscheg, warum schütteln Sie den Kopf? 364 000 Arbeitslose ... (Bundesrat Dr. Dernoscheg: Weil Sie alles negativ machen! Sie leben nicht in der Steiermark, kommt mir vor!) Wir reden jetzt von Österreich, Herr Kollege! Das ist ein gesamtstaatliches Anliegen, Herr Kollege. Ich betone: ein gesamtstaatliches Anliegen! Ich sage noch einmal, dass alles, was uns in Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiterbringt, offensiv gemeinsam, aber professionell anzu­gehen ist. Es bedarf einer konzentrierten und auch einer konzertierten Anstrengung.

Meine Damen und Herren! Spielberg hat offensichtlich aber auch etwas Gutes – Gün­ther Kaltenbacher hat es schon angesprochen –: Derzeit liegt alles in Schutt und Asche, und die Benutzerrechte liegen weiterhin bei Herrn Mateschitz, aber das Gute


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daran ist, dass dabei offensichtlich der Stein der Weisen gefunden wurde. Die Finan­zierung von Großprojekten dürfte in Zukunft offensichtlich kein Problem mehr darstel­len, und darüber freue ich mich natürlich. Es ist eine Formel gefunden worden, und die Formel lautet: A 1 mal 13. 3. mal X = 300. Die Erklärung dazu ist: A 1, der Ring, mal Gemeinderatswahl am 13. 3. mal Landtagswahl, und schon sind die Millionen da, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Eine Unbekannte gibt es in dieser Formel dennoch, das ist der Faktor Zeit. Ich habe vorhin über die Unzufriedenheit in der Region im Umgang mit der Politik berichtet. Offensichtlich sind wir in Österreich kaum in der Lage, Großprojekte über die Bühne zu bringen. Heute Vormittag erklärte der Herr Bundeskanzler das Projekt Stadionbau in Klagenfurt, eine Stunde später lief über die Medien die Meldung: Das Projekt ist offensichtlich geplatzt, weil man nicht in der Lage ist (Bundesrat Ing. Kampl: Sind wir im Landtag?), das vorher ... (Bundesrat Ing. Kampl: Sind wir im Kärntner Landtag, oder wo sind wir heute?) Herr Kollege, nicht aufregen, nur ruhig bleiben! Gott sei Dank sind wir nicht im Kärntner Landtag, Gott sei Dank nicht! – Aber wenn da wieder etwas den Bach hinuntergeht, dann ist natürlich seitens der Bevölkerung das Vertrauen in die Politik nicht mehr allzu groß.

Meine Damen und Herren! In der vorhin genannten Formel gibt es den Faktor Zeit als Unbekannte. Es ist die Frage – und die Bevölkerung fragt sich das wirklich –: Wird es nach den Wahlen überhaupt noch Gültigkeit haben? Die zweite große Frage ist natür­lich für Bewohner einer Grenzregion: Hat diese Formel auch in einer anderen Region Gültigkeit? Das heißt: Wird ein Brosamen aus diesem Füllhorn auch in anderen Regio­nen niedergehen?

Meine Damen und Herren! Ich zitiere einen Bewohner der Region, der im Fernsehen gesagt hat: Ein unendlicher Pfusch ist passiert, eine Jahrhundertchance wurde vertan, zum Schaden einer leidgeprüften Region und zum Schaden der österreichischen SteuerzahlerInnen!

Ich persönlich halte nichts von Menschen, die ankündigen, in jedem Fall gegen alles zu sein. Das ist in der Region passiert, dort haben Vertreter gesagt: Was da auch kom­men mag, wir sind einfach dagegen! – Das ist, glaube ich, falsch verstandene Demo­kratie.

Meine Damen und Herren! Ich halte aber auch nichts davon, von einer überreglemen­tierten Welt zu reden, wenn es um Bürgerrechte geht. Entlarvend waren für mich die Sprüche des ÖVP-Klubobmanns Drexler vorige Woche im Steiermärkischen Landtag, der Bürgerinitiativen als „uneheliche Kinder der Achtundsechzigerbewegung“ bezeich­net hat. Ich glaube, diese Einstellung spricht für sich, und ein Kommentar ist eigentlich überflüssig. Meine Damen und Herren, Bürgeranliegen und professionelle, vernünftige, zielorientierte Politik schließen einander nicht aus. Ich sage: Im Gegenteil, die sollten zum Wohle der Gemeinschaft miteinander arbeiten°!

Man kann es drehen und wenden, wie man will, meine Damen und Herren, ob es Ihnen passt oder nicht: Es ist gepfuscht worden, es war dilettantisch, es ist verbockt worden! So ist es, es stimmt, und jetzt sind wir uns wieder einig, Herr Kollege, obwohl wir nicht im Kärntner Landtag sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.39

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Mag. Hösele. (Bundesrat Hösele – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin!) Den „Magister“ nehme ich zurück und mache den „Professor“ daraus. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 



Bundesrat
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16.38.45

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Da steht „Ja zur Steiermark“, und das hat einen ganz bestimmten Grund, weil wir leider – du hast versucht, das ein bisschen zu kaschieren, weil du es am Schluss, also in den drittvorletzten Sätzen, sehr kon­sensual dargestellt und gesagt hast: Eigentlich sollten wir jetzt gemeinsam etwas ver­suchen! Am Schluss hast du genau das gemacht, was die Walze der SPÖ auf Bundes­ebene und auf Landesebene seit langem ist: mies machen, schlecht machen, schlecht­reden, hoffen, dass nichts funktioniert. (Bundesrat Boden: Was funktioniert denn?) Wir sagen ja zur Steiermark, wir arbeiten dafür! Wir sagen ja zu Österreich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich muss in aller gebotenen Sachlichkeit und Ruhe, sofern mir das gelingt, weil hier ja doch einige Sachen gesagt worden sind, die einfach nicht ganz den Tatsachen ent­sprechen, auf einiges eingehen. Da wird mir sogar Kollege Weilharter in einem Teil Recht geben können.

Kollege Kaltenbacher ist politisch noch nicht so lange auf der Welt, dass er alle Ab­stimmungen des Landtages genau kennen könnte. Ich habe mir hier inzwischen das Fax des Protokolls des Steiermärkischen Landtags vom 19. Dezember 1995 kommen lassen. Präsident Dr. Christoph Klauser, SPÖ, war damals, als abgestimmt wurde, Vorsitzender des Landtags. Eingebracht wurde ein modifizierter Beschlussantrag der Abgeordneten der ÖVP betreffend die unverzügliche Weiterverhandlung im Zusam­menhang mit dem Projekt „Österreich-Ring neu“. Beantragt wurde eine namentliche Abstimmung.

Ich darf hier einige Namen vorlesen: Prutsch, Alfred – Ja. Das ist aber nicht der hier Anwesende. Prutsch, Günther – Nein, das heißt, Sie haben sich damals gegen den „Österreich-Ring neu“ ausgesprochen. (Zwischenrufe bei Bundesräten der ÖVP.) Weil­harter, Engelbert – Ja. (Bundesrat Prutsch: Lesen Sie einmal vor, worum es damals genau gegangen ist!)

Also damit wir das einmal festhalten! Jetzt lese ich Ihnen vor: Herr Professor Schach­ner-Blazizek, Universitätsprofessor – ich zitiere: Das Unternehmen Österreich-Ring schafft keine Dauerarbeitsplätze von qualitativem Rang. (Zwischenruf des Bundesrates Kaltenbacher.) Kannst du zuhören? Dann werde ich dich aufklären.

Was ist letzten Montag in der Landesregierung geschehen? Einstimmiger Wunsch war ... Besser gesagt: Die Grünen muss ich ausnehmen, die waren immer dagegen, das muss ich ehrlicherweise sagen, sie waren immer gegen den Österreich-Ring, sie waren immer gegen Spielberg, die muss ich also ausnehmen. Die einstimmige Be­schlusslage des Landtags war: Der „Österreich-Ring neu“ muss her! Das ist die ins­gesamt einstimmige Beschlusslage des Landtags von voriger Woche und seit diesem Montag auch die der Landesregierung. Da betrauert wurde, dass der Österreich-Ring inzwischen um- beziehungsweise abgebaut wurde, das ist – damit wir das auch klar­stellen, und da hat Kollege Kaltenbacher wohl etwas verwechselt – auch durch einen Vertrag gedeckt, der einstimmig beschlossen worden ist, von ÖVP, SPÖ und FPÖ in der Landesregierung und nur gegen die Stimmen der Grünen im Landtag. (Bundesrat Schennach: Qualität setzt sich eben durch!) Ich muss also ehrlich sagen: Die Dialek­tik, das darzustellen, werde ich nicht ganz zuwege bringen! Ich habe auch noch ein paar nette Plakate von Ihnen, wo das damals wunderbar dargestellt wurde. (Der Red­ner hält ein SPÖ-Plakat in die Höhe.) Daher sage ich also: Sie sind dagegen. Wir da­gegen sagen immer ja zur Steiermark! – damit der Fall geklärt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zuerst dagegen sein und dann am Schluss als Trittbrettfahrer aufspringen und wie bei der Muppet-Show nicken, so wird das nicht gehen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es


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geht mir jetzt um ... (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihre Frage bezieht sich auf das Projekt Spielberg und Red Bull!

Kommen wir also zum nächsten Thema – über Bundeskanzler Kreisky ist ja schon kurz gesprochen worden –: Wenn die Bevölkerungsprognose angesprochen wurde, die ja wahrlich belastend ist und die insbesondere die Mur-Mürz-Furche trifft, so muss ich sa­gen: Das sind leider die Standortbezirke – ich sage nicht, der verstaatlichten Industrie – der Grundstoffindustrie! Weiters ist das Problem „Kohlenbergbau Fohnsdorf“ angespro­chen worden. Dann ist das geschlossen worden. Unter der Ägide von 30 Jahren SPÖ-Bundeskanzlern hätte man ja wahnsinnig viel mehr machen können als das, was damals eingeleitet worden ist.

Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt. (Bundesrat Kaltenbacher: Das ist unge­heuerlich!) Du hast zwei Beispiele genannt: die Firma Eumig und die Firma Bauknecht. Die sind als die großen Erfolge genannt worden. Eumig und Bauknecht gibt es da in dieser Form nicht mehr. Es geht um nachhaltige Lösungen. Leute, die die verstaat­lichte Industrie und den „Konsum“ zu verantworten haben, werden uns nichts über Wirtschaftspolitik in Österreich erzählen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Prutsch: Super! Und was ist mit Assmann?)

Ja, Assmann, gut. Ich habe hier die Zahlen der Arbeitsplatzzuwächse der letzten zehn Jahre. – Du bist Arbeitsamtsleiter in ... (Bundesrat Prutsch: „Arbeitsamt“ heißt das nicht mehr!) ... AMS-Leiter in Radkersburg. (Bundesrat Prutsch: Leibnitz!) Wieviel Pro­zent Arbeitsplatzzuwachs gibt es da? (Bundesrat Prutsch: Wir haben von Beschäf­tigungsvolumen gesprochen!) Ja, wunderbar! Wir haben in der Steiermark in den letzten zehn Jahren einen Beschäftigtenzuwachs von 8,5 Prozent gehabt. Wir haben in Österreich einen solchen von 4,7 Prozent gehabt. Wir haben 30 Prozent Zuwachs in den Grenzregionen, also dort, wo du Arbeitsmarktleiter bist – damit wir das einmal festhalten. (Bundesrat Prutsch: ... gesagt, dass das Beschäftigungsvolumen in der Steiermark nicht zugenommen hat!) Wo hat er das gesagt? (Bundesrat Prutsch: Beim beschäftigungspolitischen Forum im Steiermärkischen Landtag!)

Willst du jetzt deine eigenen Zahlen der Arbeitsmarktstatistik in ... (Bundesrat Prutsch: Es geht um das Beschäftigungsvolumen!) Mein lieber Freund, wir haben die höchste Beschäftigung, die wir je in Österreich gehabt haben. (Bundesrat Prutsch: Es geht um das Beschäftigungsvolumen!)

Unselbständig Beschäftigte im Bezirk Radkersburg: plus 24,3 Prozent, Leoben: plus 8,8 Prozent. Überall gibt es Zuwächse! – damit wir das einmal besprechen. (Bundesrat Konecny: Gestatten Sie, dass wir hier eine tatsächliche Berichtigung anbringen?) Ich gestatte alles. (Bundesrat Kaltenbacher: Es geht um die Fakten!)

Wenn man alles schlecht reden will, kann man es schlecht reden. Deswegen habe ich auch gesagt, dass das eure Grundmelodie ist. Es geht ja nicht um die Fakten, sondern es geht darum, es schlecht zu machen, um sonst gar nichts anderes. Das kennen wir, und davon werden wir uns nicht sehr beeindrucken lassen, weil wir natürlich ein Inter­esse daran haben, das Bestmögliche für die Steiermark und für Österreich zu tun.

Jetzt möchte ich Folgendes sagen: Das, was Herr Bundesminister Martin Bartenstein am letzten Samstag nach einer ausführlichen Verhandlung mit dem Wirtschaftslandes­rat Gerald Schöpfer und nach Absprache mit dem Herrn Bundeskanzler und der Frau Landeshauptmann als Paket für die Steiermark geschnürt hat, ist eine so große Sache, wie wir sie von keiner anderen Bundesregierung jemals vorher bekommen haben. Herr Bundesminister, ein ausdrückliches Dankeschön aus der Steiermark! (Lang anhalten­der Beifall bei der ÖVP.)


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Ich kann mich noch erinnern, denn ich bin lange genug politisch auf der Welt, dass Bundeskanzler Dr. Kreisky einmal zu gewissen öffentlichen Äußerungen, Forderungen beziehungsweise Behauptungen gesagt hat: Ich danke Ihnen für diese Mitteilung, das ist das sichere Zeichen der beginnenden Wahlbewegung! Ich sage Ihnen: Ihre Polemik hier ist das sichere Zeichen einer beginnenden Wahlbewegung nach einer langen Phase des Njet- und des Nein-Sagens!

Jetzt muss ich leider auch auf Bundeskanzler Vranitzky kurz zu sprechen kommen, denn der hat im Jahr 1995 angekündigt – wer von euch war denn damals bei der be­rühmten Kundgebung dabei, wo er das gesagt hat? –: Statt dem Österreich-Ring ge­ben wir 120 Millionen Schilling in die Region, und wir fördern damit unter anderem die Therme Gabelhofen! – Kein einziger Schilling, kein einziger Groschen ist gekommen, und die Therme Gabelhofen gibt es heute immer noch nicht! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

So schaut das aus! Versteht ihr mich? Diesmal wird es dagegen nachvollziehbare Programme geben. Das ist leider die wahre Rolle der SPÖ in diesem Lande gewesen. So schaut es leider aus – damit wir es ganz volkstümlich sagen –, und das muss auch dargestellt werden, so unangenehm es auch ist. Ingeborg Bachmann hat gesagt: Die Wahrheit muss ausgesprochen werden, auch wenn es wehtut!

Auch wenn es euch wehtut, muss ich sagen: Ihr wolltet alles schlecht machen! Wir hingegen bemühen uns. Wir laden euch herzlich ein, wieder an der Sache mitzuwirken. So ist ja auch in der letzten Sondersitzung des Landtags am letzten Mittwoch aus­drücklich im Sinne eines Konsenswunsches alles gemeinsam von ÖVP und SPÖ be­schlossen worden. (Bundesrat Kaltenbacher: Wir helfen euch eben!) Für jene offenen Punkte, in denen man sich noch aneinander annähern möchte – welches Instrumenta­rium, welche Struktur zur Förderung am sinnvollsten ist –, ist eine Verhandlungfrist bis Montag ausgemacht worden, und ich bin guten Mutes, dass es hiebei zu einem ge­meinsamen Weg kommen wird, und bin froh, dass da sozusagen eine gewisse Besin­nung eingekehrt ist. Deswegen habe ich mir bei der heutigen Dringlichen Anfrage in der Früh auch gedacht, dass das schon vor ein paar Tagen geschrieben worden sein muss, denn das ist eine Art eingefrorener Posthornton. Nachdem seit Samstag eine so positive Sache bekannt ist und das am Montag ausdrücklich von allen drei Parteien in der Landesregierung gewürdigt worden ist, heute dem Minister zu sagen, dass es un­geheuerlich ist, so viel Geld in die Steiermark zu geben, das ist ja wirklich sozusagen das Allerbeste. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Nein! Ungeheuerlich!)

Wissen Sie, was unerhört ist? – Das, was Ihr Kollege, Nationalratsabgeordneter Dr. Kräuter, gesagt hat; das ist ja heute schon einmal kurz angesprochen worden, als hier die Red-Bull-Förderung erwähnt wurde. Das Red-Bull-Projekt wurde ja doch von allen Parteien, mit Ausnahme des Rechnungshofsprechers Dr. Kräuter, sehr geschätzt. Ihm ist aber nie widersprochen worden, und es herrschte auch am letzten Mittwoch im Landtag, als unser Landtagsklubobmann Mag. Christopher Drexler das Zitat gebracht hat, hörbare Stille bei der SPÖ, als vorgelesen wurde, was Kräuter gesagt hat – ich zitiere –: Die Förderung für Red Bull durch das Wirtschaftsministerium ist ein Skan­dal! – So schaut das aus! Das halte ich für den eigentlichen Skandal, nämlich, sich hier herzustellen und zu sagen: Ich bin für Red Bull, ich bin für Spielberg, aber einen Rechnungshofsprecher in den eigenen Reihen zu haben, der so etwas sagt, einen Abgeordneten, der auch Bezirksparteiobmann der SPÖ Graz-Umgebung, einer der größten Bezirke in der Steiermark, ist und ein enger Mitarbeiter des Landesrats Ressel war, der einmal Parteivorsitzender hätte werden sollen, wollen, können – vielleicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Uns dann hier anschütten zu wollen, das ist, muss ich ehrlich sagen, ein bisschen tief. Das tut mir eigentlich sehr Leid.


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Ich komme aber zu einem sehr, sehr positiven Schluss: Ich möchte den Grundton der Dringlichen Anfrage und insbesondere auch der beiden Redebeiträge, und zwar jener von Kaltenbacher und Prutsch – und ich nehme an, das wird beim Kollegen Binna auch so sein –, nämlich, dass man sich jetzt wirklich gemeinsam bemühen möchte, das Bestmögliche zu tun, als sehr positiv aufnehmen, und ich darf die Einladung, die die Frau Landeshauptmann am letzten Mittwoch im Landtag ausgesprochen hat und die der Herr Minister mehrmals an alle politischen Kräfte gerichtet hat, noch einmal vertie­fen und sagen: Jetzt müssen wir gemeinsam schauen, das Beste zu tun, und wir ha­ben durch dieses großzügige Paket, das der Herr Minister in Absprache mit dem Herrn Bundeskanzler geschnürt hat, alle Möglichkeiten dazu. Ich danke dir noch einmal sehr, Herr Minister! (Bundesrat Kaltenbacher: Bussi! Bussi!) Ich bin ganz sicher: Ja zur Steiermark ist ja zu Österreich. – Danke! (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Stadler: Macht die Welle!)

16.54

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Also, immerhin wird ja hier schon ge­probt, wie man Siegern applaudiert. Proben sind immer gestattet.

Jetzt gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort. – Bitte. (Bundesrätin Dr. Lichten­ecker: Jetzt wird wieder Sachlichkeit einkehren!)

 


16.54.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben leider keine steirische Bundesrätin in unseren Reihen – das wird sich hoffentlich noch ändern –, darum übernehme ich als niederösterreichische Mandatarin das. Immerhin bin ich auch eine jener, die gegen einen Semmering-Bahntunnel keine Einwände hätten. Deshalb sage ich auch auf meine Art und Weise ja zur Steiermark und darf also zu diesem Thema sprechen. Danke! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Für mich ist die Frage, um die es da eigentlich geht: Haben Bund und Land genug getan, um das Projekt noch irgendwie zu retten, nachdem sich herausgestellt hat, dass das mit der Umweltverträglichkeitsprüfung so wohl nicht funktionieren wird. Meines Wissens haben Bund und Land gewusst, dass das Projekt so nicht genehmigt wird, und zwar schon seit 2003. Das heißt, es wäre ungefähr ein Jahr lang Zeit gewesen, sich zu überlegen, welche Maßnahmen man setzen könnte, um die Dinge, die in der Umweltverträglichkeitsprüfung kritisiert worden sind, richtig zu stellen, zu ändern, zu beeinflussen, so dass man das Projekt vielleicht doch noch hätte durchziehen können.

Anstatt dessen hat sich die ÖVP in der Steiermark offensichtlich gedacht, es wird schon irgendwie gehen, das wird nicht so wichtig sein und, wenn so viel Geld auf dem Spiel steht, muss man die Umweltverträglichkeitsprüfung ja nicht so wichtig nehmen. Die Steirische Landesregierung hätte sich eher überlegen sollen, was man kann. Also nicht nur: Es wird schon irgendwie gehen, sondern das machen wir schon. Die Gutach­ten sind nämlich nicht nur negativ ausgefallen, sie sind dramatisch negativ ausgefallen. Lösungsansätze hätten sich vielleicht bei einigem Goodwill finden lassen, blöderweise hat sie offensichtlich keiner gesucht.

Es hat massive Überschreitungen der Grenzwerte bei NO2 und Staub gegeben. Diese Probleme gibt es meines Wissens in der Steiermark jetzt schon, und Graz kämpft jetzt auch schon mit Staubproblemen und muss sich bezüglich des IG-Luft etwas einfallen lassen. Im umweltmedizinischen Gutachten steht – ich zitiere –: Insgesamt können auch aus Mangel an Messungen vor Ort keine exakten Aussagen getroffen werden. Durch Fehlen der Erhebung der lokalen meteorologischen und Immissionssituation ist die Abschätzung der Vorbelastung deutlich erschwert. – Das heißt, die Unterlagen wa­ren einfach unzureichend. Das wäre nicht nötig gewesen. Da hätte das Land doch


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hilfreich zur Seite stehen können und vielleicht auch der Bund. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Selbiges gilt für das verkehrstechnische Gutachten. Darin steht, dass täglich 2 000 bis 3 000 Fahrzeuge mehr zu erwarten sind und dass es bei Großveranstaltungen 20 000, 25 000 Fahrzeuge mehr sein werden. Da hätte man sich vielleicht auch mit den ÖBB oder mit anderen Verkehrsunternehmen gemeinsam Lösungen einfallen lassen kön­nen, um dieses Problem irgendwie anzugehen. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der SPÖ.)

Stattdessen ist einfach nichts passiert. Es hat keine Mediationen gegeben, es hat keine Verhandlungen mit den Anrainern gegeben, es sind keine Anregungen aufgenommen worden. Das Projekt Spielberg und Mateschitz ist meiner Meinung nach nicht am Umweltgutachten gescheitert, sondern einfach am fehlenden Projektmanagement im Land und an der fehlenden Unterstützung im Bund. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat heute so schön gesagt: Weinen hilft nichts mehr! – Da muss ich ihm Recht geben, nur leider hat er bei diesem Hinweis ein bisschen in die falsche Richtung geschaut. Er hätte nämlich vielleicht auch hinüberschauen müssen zur steirischen ÖVP, die doch noch immer sehr dem Projekt nachweint und doch auch viele Versäumnisse zu beklagen hätte.

Die Grünen gehören nicht zu denen, die weinen – Kollege Hösele hat es vorhin schon erwähnt. Wir waren diesem Projekt gegenüber nicht so glückselig eingestellt wie man­che andere. Im Landtag haben wir der Förderungsvergabe im Höchstausmaß nicht zugestimmt. (Bundesrat Schennach: Glückselig!)

Glückselig wart ihr, und jetzt seid ihr todtraurig. Das ist schon traurig.

Wie schon beim A-1-Ring, der auch vorhin bereits angesprochen worden ist, fehlt uns bei diesem Projekt des Herrn Mateschitz ebenfalls ein bisschen die Nachhaltigkeit. Wir haben zwar nicht gewusst, dass es so wenig nachhaltig sein wird, dass es nicht einmal zur Umsetzung des Projekts kommt, aber, wie gesagt, auch der A-1-Ring hat nicht so ewig lang gelebt, und ein nachhaltiges Projekt ist für mich schon etwas anderes als ein Motorsportprojekt. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Bienenzüchter wären für euch wohl das Richtige!)

Dazu kommt noch die Verwirrung um die 700 Millionen €. Von denen hat es zuerst noch geheißen, Herr Mateschitz habe die alle in seiner Tasche und investiere so gerne in Österreich und wolle das in der Steiermark verwirklichen. – Für mich ist das auch in den Medien immer so herüber gekommen. – Plötzlich hat es dann die Firma VW gegeben, die zuerst einmal nichts davon gewusst hat und dann, nach einer anderen Presseaussendung, doch davon gewusst hat und dazu steht. Ich denke mir: Wenn man ein Projekt prüft und eine Förderzusage macht, dann sollte man vielleicht doch auch genau wissen, wer welche Finanzierungszusagen gemacht hat, bevor man 45 Millionen € an Bundesmitteln zuschießt.

Ich würde mir also schon wünschen, dass man, wenn es um so ein Riesenprojekt mit so einem Rieseninvestitionsvolumen geht, schon auch ungefähr weiß, und zwar bevor man Förderzusagen macht, wer an Privatunternehmen und Investoren welche Zusa­gen gemacht hat.

Um auf die 300 Millionen zurückzukommen, die auch in der Anfrage erwähnt werden, die doch an Fördermitteln zur Verfügung stehen und nur mehr darauf warten, abgeholt zu werden: Prinzipiell gehe ich davon aus, dass dann, wenn eine Firma ein Projekt – auch in Spielberg – verwirklichen will und dieses Projekt den Förderungskriterien ent­spricht, diese Förderungen ausbezahlt werden. Ich denke, da braucht es jetzt nicht


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unbedingt noch eine Aussage von einem Herrn Wirtschaftsminister oder einer Frau Landeshauptmann, sondern es ist selbstverständlich. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) – Nein, das ist nicht so einfach. – Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass, wenn es förderungswürdige Projekte gibt, diese auch gefördert werden. Aber offensichtlich – das ist das Problem – gibt es solche momentan nicht in dem Aus­maß, sonst würden wir Herrn Mateschitz ja nicht so nachweinen.

Ich möchte nur eine kurze Presseaussendung zitieren, und zwar steht da: „Nachhaltige Glut, kein Strohfeuer“ „Es ist jetzt für uns nicht der wesentliche Bereich, dass wir ein kurzfristiges Strohfeuer entzünden, sondern ich glaube, wir brauchen eine nachhaltige Glut, damit wir auch das Eisen in unserer Region richtig schmieden können.“

Das vorhandene Potential ist zu nutzen. „Und dieses Eisen sollen nach Ansicht der Wirtschaftskammer vor allem schon jetzt in der Obersteiermark vertretene Betriebe schmieden, die man jetzt zu Investitionen bewegen möchte.“

Ich finde es sehr gut, dass die Wirtschaftskammer da jetzt auch draufkommt und das jetzt auch betont, denn ich denke, es ist sehr viel sinn- und zweckmäßiger, vorhandene Betriebe und neue kleinere Betriebe in der Region zu stärken (Rufe und Gegenrufe zwischen der ÖVP und den Grünen), als so riesige Großprojekte in Angriff zu nehmen, die dann leider auch manchmal kläglich scheitern.

Unsere grüne Landtagsabgeordnete, Frau Lechner-Sonneck, hat dazu auch gesagt: „Der Ansatz, nach dem ,reichen Onkel‘ zu rufen, ist unseriös, ja eine Missachtung der Region und ihres Potenzials. Aus der alten Verstaatlichten Industrie sind hier Dutzende Betriebe entstanden, in der Region leben sehr viele gut ausgebildete und berufser­fahrene Menschen, die nur darauf warten, Hand anlegen zu können und ihrer Heimat wieder zu wirtschaftlichem Erfolg verhelfen zu können. Dafür sind Grundlagen zu schaffen.“ – Und ich hoffe, dafür sind die 300 Millionen € dann auch da. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.02

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


17.02.19

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Wenn ich mir die Dringliche Anfrage zur Hand nehme – und ich glaube, das geht nicht nur mir allein so –, dann kann ich eigent­lich die Sachlichkeit oder das Ziel nicht erkennen. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, dass ich auch sage, warum. Erlauben Sie mir, dass ich aus der Begründung dieser Anfrage zitiere:

„Von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bis gestern keine Silbe, ähnlich schweigsam Hubert Gorbach, Infrastrukturminister der Republik, bloß ein paar dürre Worte von Wirt­schaftsminister Martin Bartenstein, immerhin ein Steirer in Wien.“

Zweiter Satz: „Auch nach dem Scheitern des steirischen Zentralprojekts in Spielberg bleibt die Bundesregierung konsequent bei ihrer Haltung: Das 700-Millionen-Euro-Pro­jekt und sein Scheitern werden mit einer aufreizenden Gleichgültigkeit quittiert.“

Meine Damen und Herren! Wenn ich diese ersten zwei Sätze lese, dann bin ich eigent­lich gar nicht gewillt, diese Dringliche weiter zu lesen, denn das stellt für mich eindeutig den Versuch dar, einfach die Bundesregierung anzuschwärzen, zu vernadern, einfach anzuschießen, denn irgendetwas wird schon hängen bleiben. (Bundesrat Boden: Die ist eh schon schwarz genug, die braucht man nicht mehr anzuschwärzen! Da ist nur mehr ganz wenig blau drinnen!) Das ist der Stil, Kollege Boden, das ist der Stil der


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SPÖ, und der ist damit erkennbar. Es geht Ihnen nicht um die Sache dabei, sondern rein um parteipolitischen Aktionismus. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich halte die Wortwahl und vor allem die Begründung, die Sie in Ihrer Dringlichen An­frage schreiben, für etwas Negatives. Wenn es Ihr Stil ist, dann sage ich noch einmal: Es ist ein übler Anschwärzungsversuch, aber er geht ins Leere. Er geht deshalb ins Leere, weil die wirtschaftliche Entwicklung in der Region Aichfeld zu sensibel ist, um parteipolitischem Aktionismus Platz zu geben.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn es das Ziel ist, den Versuch zu unternehmen, sich vor der bevorstehenden Gemeinderatswahl in der Steiermark am 13. März oder vor der Landtagswahl in der Steiermark um jeden Preis, mit jedem Mittel zu profilieren, der Versuch, einen Funken Kompetenz für ein Projekt zu erhaschen, dann, meine Damen und Herren, ist die Entwicklung in der Region Aichfeld ebenfalls nicht dazu angetan. Das haben die Region und die Bevölkerung dort nicht verdient! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn die Dringliche Anfrage ein tatsächlicher Versuch ist, Ihren bisherigen Kurs, Ihren Verhinderungskurs zu ändern, den Sie in der Frage A-1-Ring, Österreich-Ring bisher in der Steiermark verfolgt haben (Bundesrat Kaltenbacher: Wer verhindert? Wer hat verhindert?), wenn es der ernsthafte Versuch ist, sich von Ihrer Vergangenheit, was die Entwicklung Aichfeld betrifft, zu verabschie­den (Bundesrat Kaltenbacher: Sie waren dagegen, wir haben es befürwortet!), dann finde ich es wert, dass man diese Dringliche debattiert.

Warum? Warum sage ich das, meine Damen und Herren? – Der damalige SPÖ-Vor­sitzende und Bundeskanzler Vranitzky hat, nachdem sich die SPÖ auf allen Ebenen gegen den Ring ausgesprochen hatte, die so genannten Aichfeld-Millionen – die Zahl wurden schon genannt, die 120 Millionen – angekündigt. Von dieser Ankündigung ist – in der damaligen Währung und in der heutigen – kein Groschen, kein Cent, kein Deut geflossen. Es blieb nur bei der Ankündigung. (Bundesrat Kaltenbacher: Das stimmt ja nicht!)

Meine Damen und Herren! Der einzige Ersatz für die damals angekündigten 120 Millio­nen für die Region war eine Personalentscheidung: Dem damaligen SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Vranitzky folgte Mag. Viktor Klima. (Bundesrat Kaltenbacher: Das ist eine Argumentation!) Dessen erfolgreiches Werken und sein Engagement für den A-1-Ring, den Ö-Ring hat sich leider nur darauf beschränkt, dass er nicht bereit war, die Vranitzky-Zusagen einzulösen. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Man könnte sagen, für die SPÖ war damit damals – und es gibt genug Stellungnahmen dazu – der A-1-Ring, der Österreich-Ring endgültig erle­digt, das Projekt war endgültig gestorben.

Kollege Kaltenbacher, wenn du dich heute herstellst und versuchst, für dieses Desas­ter, an dem Sie von der SPÖ ein gut Teil Mitverantwortung tragen (Bundesrat Kalten­bacher: Wo?), die Bundesregierung verantwortlich zu machen, dann, Kollege Kalten­bacher, vergisst du, in welchen politischen Reihen sich die tatsächlichen Verhinderer des Österreich-Ringes befinden. Schau dich um in deinen Reihen, in deiner Partei bitte!

Meine Damen und Herren! Um auch der Wahrheit Rechnung zu tragen: Ganz unschul­dig an dieser Entwicklung ist die ÖVP ebenfalls nicht (Bundesrat Boden: Da schau her!), denn ich bin überzeugt davon – das mag meine subjektive Meinung sein, aber die muss auch zulässig sein –, bei einem Sportlandesrat Dr. Gerhard Hirschmann wäre eine derart laienhafte Vorbereitung sicherlich nicht gegeben gewesen. (Bundesrat Kal­tenbacher: Da gebe ich dir Recht!) Dr. Gerhard Hirschmann – das muss man, um der


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Wahrheit Rechnung zu tragen, auch sagen – hat schon einmal sehr erfolgreich für das Aichfeld, für die Steiermark, für Österreich die Formel 1 für immerhin fünf Jahre in die Region zurückgeholt, damals auch gegen die Stimmen der SPÖ!

Meine Damen und Herren! Dass Gerhard Hirschmann eben keinen Platz mehr hat in der ÖVP-Regierungsmannschaft in der Steiermark, das ist eine Entscheidung der ÖVP. Er hätte dieses Ziel sicherlich mit großer Zielstrebigkeit und, wie ich glaube, auch sehr erfolgreich verfolgt. Ich glaube auch, die ÖVP hat mit Abgang des Dr. Gerhard Hirschmann aus der Landesregierung einen geistigen Schlussstrich unter die Causa A-1-Ring gezogen.

Ich hoffe, meine Damen und Herren, dass beide Parteien, die ÖVP und die SPÖ, ihre Verhaltensfehler der Vergangenheit erkennen und nicht wiederholen. Ich hoffe aber auch, dass ein eventuelles Ersatzprojekt nicht mit dem gleichen Dilettantismus vorweg betrieben wird, sei es im Bereich des Motorsportes, einer Motorsportschule, eines Zentrums im Bereich der Flugzeugtechnik oder was auch immer. Wir sollten einer Ent­wicklung, die das Aichfeld so notwendig braucht, grundsätzlich positiv gegenüber­stehen und nicht, wenn es verbockt ist, wenn es auch Fehler in der Vergangenheit gegeben hat, die Fehler wieder zum Maß der Dinge einer neuen Entwicklung machen.

Die Region, meine Damen und Herren, darf nicht Opfer der Politik sein und darunter leiden. Es muss in dieser Stunde heißen: Auf zu neuen Projekten! Das muss die An­sage sein, denn das kann eine Entwicklung in der Region Aichfeld voranbringen. Glück auf! Helfen Sie uns dabei! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.11

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

 


17.10.48

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! – Lieber Kollege Weilharter! Ich kann dich in deinen Worten überhaupt nicht ver­stehen, außer deinen Schlusssatz, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen müssen, dass der A-1-Ring wieder kommt. (Bundesrat Weilharter: Genauso ist es!)

Du hast auch gesagt, du kannst aus unserer Anfrage das Ziel nicht erkennen. Ich erin­nere mich an heute morgen, an eine Zusatzfrage an den Herrn Bundeskanzler betref­fend Ungereimtheiten im Bundeskanzleramt auf Grund eines Artikels im „profil“ in der letzten Woche. Der Artikel hat folgende Überschrift:

Vertrippelt – Affäre: Im Skandal um das Klagenfurter Stadion spielt auch das Kanzler­amt eine undurchsichtige Rolle. Ein Sektionschef soll versucht haben, Einfluss auf die Vergabe zu nennen.

Heute Nachmittag muss ich aus der APA erfahren, dass eine Kärntner Tageszeitung vor der Anbotseröffnung alle sechs Angebote veröffentlicht hat. Da geht es uns nicht um Miesmachen und Schlechtmachen, sondern der Staatssekretär der FPÖ heißt Karl Schweitzer, und es geht immerhin um die europäische Meisterschaft im Fußball 2008, wofür wir das Kärntner Stadion dringendst brauchen. Und uns geht es wirklich nicht um Miesmacherei, sondern es geht um Sportevents, es geht um Kultur- und Tourismus­events.

In gleicher Weise – das kann ich jetzt nur vermuten – ist auch das Projekt Spielberg verbockt worden. Kollegen Hösele – er ist leider nicht mehr im Saal – hätte ich gerne ein Liederbuch überreicht, denn ich habe noch nie erlebt, dass jemand hier herinnen so falsch gesungen hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kühnel: Wir sind ja da nicht in der Oper! Wir müssen ja hier nicht singen!) – Kollege Hösele musste wahrscheinlich


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zum Doktor, sonst bekommt er noch einen „Herzkasperl“, wenn er hier heraußen steht. (Bundesrat Bieringer: Also das ist eine völlig unzulässige Äußerung!)

Kollege Gudenus hat heute erklärt, die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen kann. Das findet meine vollste Zustimmung. Es kann nicht sein, dass, wie beim Projekt Spielberg, die Rahmenbedingungen fehlen. Doch diese Rahmenbedingungen haben gefehlt. Ich frage Sie daher, Herr Bundes­minister: Warum haben Sie Landesrat DDr. Schöpfer bei diesem Projekt nicht begleitet und entsprechende begleitende Maßnahmen gesetzt? Warum hat der Herr Landwirt­schaftsminister nicht Landesrat Seitinger unterstützt und dieses Projekt begleitet? (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich zitiere Gerhard Hirschmann, der gesagt hat, die Steiermark ist das Sportland Num­mer 1. Um zu erwähnen: Vorige Woche gab es den Weltcup am Kulm, nächstes Jahr gibt es die Weltmeisterschaft am Kulm. Jedes Jahr sind Topveranstaltung zu beobach­ten, etwa der Nachtslalom in Schladming. Den A-1-Ring gibt es leider nicht mehr, denn den haben wir in Schutt und Asche gefahren.

Herr Ex-Landesrat Hirschmann hat auch gesagt: Diese Vorgangsweise ist Dilettantis­mus. Wäre er noch Landesrat, wäre ihm das nicht passiert. – Und ich möchte hier auch Ex-Wirtschaftslandesrat Paierl erwähnen, der auch gute Projekte in die Steiermark gebracht hat, zum Beispiel den Autocluster.

Aber, Herr Bundesminister, Sie haben mir zu viel vom Autocluster und von der Grenz­landförderung gesprochen. Es geht um die Region westliche Obersteiermark. Dort brauchen wir Arbeitsplätze, dort brauchen wir Infrastruktur, dort brauchen wir Investitio­nen. Und ohne unsere Hilfe wäre das leider, glaube ich, nicht so rasch passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe trotzdem, dass es zu einer einheitlichen Lösung kommt. Tatsache ist, dass uns Red Bull davongeflogen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

17.15

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.15.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Als Abgeordneter und Bürger­meister in der Region Knittelfeld muss ich zu dem Thema natürlich auch etwas sagen. Zur Region Aichfeld, zur westlichen Obersteiermark, betreffend das Projekt, die ganze Steiermark, das gesamte Bundesland: Wir sind natürlich betroffen in der Region, dass das Projekt in der geplanten Variante mit Herrn Mateschitz nicht zustande kommt. Es ist aber noch gar nicht gesagt, dass er nicht irgendwo mit im Boot ist. Wir hoffen natür­lich weiterhin, dass er irgendwo mit im Boot ist.

Wir von der ÖVP haben alles dazu getan, die Frau Landeshauptmann hat Tag und Nacht dafür gearbeitet, verhandelt und sich eingesetzt, dass das Projekt kommt. Alle drei Parteien waren für den Abbruch. Da muss ich den SPÖ-Bürgermeister von Spiel­berg verteidigen, denn der hat den Bescheid damals erlassen. (Bundesrat Kalten­bacher: Er musste ja zustimmen!) – Ja, mit der Zustimmung von den drei Parteien. Es ist aber jetzt wieder offensichtlich, wie die SPÖ dazu steht. Kollege Prutsch hat vorhin gesagt, wir haben alle in der Region gut damit verdient. Anders klingt es, wenn man sich die Zitate anschaut:

Ich glaube nicht, dass das Ö-Ring-Projekt der Krisenregion Aichfeld-Murboden etwas bringen wird. – 1995, SPÖ-Chef Peter Schachner-Blazizek.


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Mehr als drei Arbeitsplätze bringt das ganze Formel-1-Projekt nicht. Es hat keinen Sinn, sich mit 120 Millionen an diesem Projekt zu beteiligen. – Dezember 1995, Bun­deskanzler Franz Vranitzky. Wo sind diese 120 Millionen? Wir warten noch immer dar­auf und würden uns freuen, wenn sie kämen.

Aber wir kennen ja den Zickzackkurs der SPÖ. Manche sagen: Ja, positiv, Gott sei Dank, dass das kommt. Wir verdienen mit dem Ö-Ring. Die anderen sagen: Nein, damit kann man nichts verdienen. – So ist das eigentlich ohnehin üblich.

Ein herzliches Dankeschön, Kollege Binna, wenn Sie sagen, wir haben gute ÖVP-Poli­tiker in der Steiermark. Hirschmann, Paierl, alle werden gelobt. Wir haben jetzt Herrn Schöpfer. Ja, danke! (Bundesrat Binna: Die Guten sind schon weg! – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Einwallner.) Ich muss dazu sagen, wir selbst haben einen Bauernhof mit Gästezimmern. Wir selbst haben eigentlich in den letzten Jahren gut verdient, nicht nur in den Jahren, in denen die großen Rennen waren, sondern es war die ganze Region ausgelastet, also nicht nur die Region um den A-1-Ring, sondern, wie schon gesagt wurde, die ganze Steiermark.

Besonders betroffen sind natürlich jetzt momentan die Gasthäuser, die Hotels, vor allem der Tourismus. Das Geld vom Ö-Ring fehlt momentan. Wir hoffen aber im Aich­feld, dass sich wieder etwas mit dem Motorsport entwickeln wird, und die Zeichen schauen ja nicht so schlecht aus. Ich sage auch, eine bessere Werbung als mit dem A-1-Ring gibt es für die Region, für unser Land nicht. In meiner Gemeinde hat Herr Mateschitz ein Schloss gekauft. Er wollte dort einen Polo-Platz errichten. Vielleicht errichtet er dort auch noch etwas. Wir hoffen es natürlich.

Eines muss ich noch dazusagen: Jetzt kommt es so heraus, als ob die ÖVP, die Bundesregierung, die Landesregierung das ganze Projekt verhindert hätte. Das Projekt wurde verhindert durch die Einsprüche (Bundesrat Konecny: Der Bundesregierung!) von ungefähr 2 Prozent in der Region, denn 98 Prozent waren für das Projekt.

Kollegin Kerschbaum hat gesagt, es wurde mit den Projektgegnern nicht gesprochen. Das stimmt nicht. Ich war selbst mit der Frau Landeshauptmann bei einem der Projekt­gegner. Wenn in unserer Region gesagt wird, es gibt ein Problem, wenn wir 60 Hektar Wald einzäunen, wenn wir 60 Hektar in unserer Gegend herausnehmen, einer Ge­gend, wo der Wald fast bei der Haustür hereinwächst, wo der Wald die Täler zuwach­sen lässt, dann versteht man die gesamte Argumentation, dass es dort schöne Wan­derwege, dass dort schöne Spazierwege gibt, nicht mehr, denn, bitte, wer das Murtal kennt, weiß, wir haben so viele schöne Spazierwege. Kommt zu uns und bevölkert diese Wege! Aber es kann doch kein Problem sein, wenn ich 60 Hektar herausnehme und einzäune, damit dort Teststrecken errichtet werden können.

Zu dem ganzen Projekt: Es war nicht nur die Rennstrecke mittendrin, sondern es wa­ren rundherum Hotels geplant, es waren Schulen geplant, es waren Ausstellungshallen und Forschungszentren geplant. Ich weiß nicht, wer damit ein Problem hat, welche Emissionen, Immissionen, Lärmbelastungen von denen verursacht werden. Es ist für uns natürlich schon sehr schwer zu verstehen, dass diese zwei Bürgerinitiativen – im Endeffekt waren es eigentlich nur sieben Einsprüche, die noch übrig geblieben sind – dagegen sind, denn sogar unser eigener Umweltanwalt hat zurückgezogen. (Bundesrat Konecny: Na geh!)

Geschätzte Damen und Herren! Etwas möchte ich noch aufzeigen: Es ist eh schon angesprochen worden, dass die Region nicht so schlecht dasteht. In unserer Region haben wir Superfirmen, etwa die ATB, die HTB, die AT&S sowie die Papierfabrik Pöls, die schon angesprochen wurde, die wieder investieren und ausbauen möchte, das Holzinnovationszentrum in Zeltweg, die Bergtechnik, die Obersteirische Molkerei, aber vor allem auch die vielen innovativen Klein- und Mittelbetriebe. Wir haben ausgezeich-


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nete Schulen in der Region: HTL, HAK, eine Reihe von anderen berufsbildenden Schu­len und Lehrwerkstätten. Wir müssen in die Zukunft schauen und dürfen nicht totjam­mern und krankjammern. (Bundesrat Konecny: Eben!) Wir müssen für die Jugend Arbeitsplätze schaffen!

Dann stellt sich aber Herr SPÖ-Abgeordneter Kräuter hin und sagt: Es gehört alles überprüft! Es ist vielleicht gar nicht rechtens, dass die Fördermillionen in die Region kommen. – Da versteht man wirklich die Welt nicht!

Liebe Kollegen! Ich wende mich jetzt vor allem an Kollegen Kaltenbacher: Du kennst unsere Region und weißt, wie unsere westliche Obersteiermark aussieht. Ich kann nur einladen: Bitte helft mit! Wir alle müssen zusammenhalten, damit wir dort neue Arbeits­plätze schaffen können!

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat heute schon berichtet, dass er selbst, als er noch Wirtschaftsminister war, sich für den Ö-Ring eingesetzt hat, damals aber schon Vranitzky und die SPÖ sowie die Grünen gegen den Ring waren. Er hat auch gesagt, dass wir solche private Großinvestoren schon ein bisserl auf Händen tragen müssen, weil wir wissen, dass solche Großinvestoren nicht jeden Tag kommen und in unser Land investieren wollen. Seien wir froh, wenn solche Investoren kommen! Wir müssen schon aufpassen, dass wir nicht im Vorfeld schon wieder alles zerstören und dass sich die Investoren nicht zurückziehen, weil einige oder ein paar damit Probleme haben.

Wir in der Steiermark haben unter der ÖVP-Vorherrschaft sehr viele Arbeitsplätze ge­schaffen: Frau Landeshauptmann Klasnic hat 50 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. (Bundesrat Konecny: Macht das jetzt die Wirtschaft oder die Politik?) Wir haben auch einige Arbeitsplätze in unserer Region bekommen.

Momentan bekommen wir ein riesiges Förderpaket für die Steiermark – vor allem auch für unsere Region – für die Bereiche Infrastruktur, Bildung, Forschung und Entwicklung und Tourismus. Damit können wieder neue Arbeitsplätze vor allem für die Jugend und unsere Bevölkerung geschaffen und bestehende Firmen gefestigt werden.

Danke für die nachhaltige Perspektive, die Sie uns geben! Und vor allem dir, lieber Herr Bundesminister Martin Bartenstein, ein herzliches Dankeschön im Namen der Obersteiermark! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.22

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Schennach.

 


17.22.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Eigentlich kann man sich auf Seiten der Grünen getrost zurücklehnen, denn unsere Haltung in diesem Punkt ist, wie ich glaube, über Jahre immer eindeutig und klar gewesen: Ja zur Region – wenn ich das in den pathetischen Worten des Kollegen Hösele ausdrücken darf – und selbstverständlich Ja zur Steier­mark, aber, Herr Kollege Kühnel, es gibt intelligentere Formen von Investitionen als ein Im-Kreis-Fahren und die Schaffung eines Ringes. – Das war immer unsere Haltung.

Es zeigt sich jetzt anhand dieses Scherbenhaufens, dass da einiges zusammengefal­len ist. Ich mache mir um die Region auch Sorgen, Herr Kollege, weil auch dort Ar­beitsplätze geschaffen werden müssen. Im Hinblick darauf lehnen wir uns nicht zurück, sondern sind sichtlich besorgt über etwas, zu dem man einfach nur sagen muss: Da ist ordentlich gepfuscht und verbockt worden. Ich glaube nicht, dass die Spur nach Wien oder unbedingt in das Ministerium von Herrn Bartenstein führt. Ich glaube, dieser tiefe


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Pfusch ist in der Steiermark angesiedelt und hat meiner Meinung nach kaum etwas mit dem Bund zu tun.

Ihr Steirer seid doch so stolze und tüchtige Menschen! Ich bemerke diese Sehnsucht – mir kommt es so vor wie in Max Frischs „Der Besuch der alten Dame“ –: Es herrscht Sehnsucht nach irgendeinem Messias oder nach einem ... (Bundesrat Dr. Kühnel: „Der Besuch der alten Dame“ ist von Dürrenmatt!) – Ja, von Dürrenmatt, gut, beide sind Schweizer! Es war nicht so weit gefehlt!

Man sehnt sich quasi nach einem Erbonkel. Zuerst war es Bernie Ecclestone. – Ich würde gerne die Steuerleistung, die vom A-1-Ring unter Bernie Ecclestone im Land geblieben ist, kennen, nämlich seine Steuerleistung, da wir ja alle wissen, dass die Steuern auf Grund von Sonderverträgen nicht dageblieben sind. Dann kommt plötzlich das Getue um Herrn Mateschitz, dass der so toll ist und so weiter. Und Ähnliches gibt es auch betreffend Schwarzenegger.

Ihr seid doch wirklich tüchtige Leute, und in der Region gibt es enorm viel Know-how. Eine ordentliche Wirtschaftsförderung in diese Region gemeinsam mit dem Potential, das in der Region steckt, und zwar sinnvoll gemacht, schafft zumindest nachhaltigere Arbeitsplätze als ein Formel-1-Spektakel.

Herr Minister! Sie haben heute auch gesagt: Man darf einen Großinvestor mit 700 Mil­lionen € nicht vergraulen! Sie haben die „Kleine Zeitung“ zitiert. Im „profil“ liest sich das bei zwei von drei Partnern komplett anders, die etwas irritiert sind, dass sie in einer Drittelbeteiligung stecken, und sagen: Man hat vielleicht darüber geredet. Aber allein die Summen stimmen ja nicht! – Wenn dann vielleicht 200 Millionen übrig bleiben und man seitens des Landes sagt, dass man 90 Millionen – blank, ohne irgendwelche Phantasie und ohne irgendwelche Auflagen nach dem Motto: Hurra! Wir marschie­ren! – hineinsteckt, dann manövriert sich die Politik offensichtlich ins Abseits.

Hier ein Zitat des Wirtschaftslandesrates aus der APA: Er findet es normal, dass er, also die Politik, nicht informiert wurde. Ich zitiere auch den Umweltlandesrat, ebenfalls aus der APA: Er sagt, dass es ganz in Ordnung sei, wenn er nicht jeden Punkt und Bei­strich kennt. – Dazu sage ich: Das ist ja ein Inkompetenzzentrum und kein Kompetenz­zentrum! Wenn dann ganz offensichtlich etwas schief läuft und der Versuch gestartet wird, das Gesetz an ein Projekt anzupassen, statt ein Projekt ans Gesetz, dann verlässt man rechtsstaatliche Grundsätze! Wenn gemeint wurde – ich weiß nicht mehr, wer das vorhin gesagt hat –, dass man einen Großinvestor auf Händen tragen müsse, und wenn ein solches Auf-Händen-Tragen bedeutet, dass man Recht biegt und Recht bricht, dann bin ich froh, dass unsere Grünen in der Steiermark von Anfang an eine klare Position eingenommen haben!

Wir haben auch immer gesagt: Wenn das Projekt neu eingereicht wird und die Aufla­gen stimmen, dann werden wir uns auch nicht dagegen aussprechen, und zwar deswe­gen, weil diesbezüglich eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung vorhanden ist.

Aber es gibt ja etwas Intelligenteres: In der ganzen Steiermark wird „geclustert“, und ich weiß, das es in der Steiermark schon Überlegungen gibt, ein Holzkompetenzzent­rum, einen Holz-Cluster zu schaffen. (Zwischenruf des Bundesrates Hösele.) – Nicht lachen, Herr Kollege Hösele! Aber genau an diesem Holz-Cluster kann man ausbau­en – das wissen Sie ganz genau! –, und dieses Paket, das Herr Minister Bartenstein jetzt geschnürt hat, scheint mir ein Paket zu sein, mit Hilfe dessen man tatsächlich in der Region mit den lokalen Kräften und dem lokalen Know-how eine Chance hat. Dann wird diese Region nicht mehr benachteiligt sein, und das Wehgeschrei über den A-1-Ring wird ein für alle Mal vergessen sein. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

 


17.28


Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

17.28.5212. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union samt Erklärungen (696 d.B. und 744 d.B. sowie 7215/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend Protokoll – vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellt – zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaa­ten der Europäischen Union samt Erklärungen (697 d.B. und 745 d.B. sowie 7216/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir nehmen die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Wir kommen zur Verhandlung über die Tagesordnungspunkte 12 und 13, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 12 und 13 hat Frau Bundesrätin Auer übernom­men. – Ich darf sie um beide Berichte bitten.

 


17.29.45Berichterstatterin Johanna Auer: Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäischen Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwi­schen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, und formu­liere daher gleich den Antrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend Protokoll – vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellt – zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, und ich komme auch hier gleich zum Antrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Konrad. Ich bitte, das Wort zu nehmen.


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17.31.24

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Seiten der Grünen wird es zum Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedern der Europäischen Union keine Zustimmung geben. Den Ermittlungsmethoden, um die es in diesem Falle geht, nämlich um grenzüberschreitende, verdeckte Ermittlung, so ge­nannte kontrollierte Lieferungen, also Scheingeschäfte und Telefonüberwachungen, stehen wir grundsätzlich mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Auf jedem Fall muss aber, wenn solche Methoden angewandt werden, eine klare Festlegung der Rechte der Beschuldigten im Vorfeld vorgenommen werden.

Die EU hat genau zu diesem Thema im Februar 2003 der Kommission ein Grünbuch vorgelegt. Dieses Grünbuch wurde vorgelegt und liegt seither, es wurde also keine der darin enthaltenen Empfehlungen umgesetzt. Die Rechte, um die es in diesem Zusam­menhang konkret geht – ich sage das jetzt nur, damit hier bekannt ist, wovon ich rede –, sind das Recht auf anwaltlichen Beistand, das Recht auf Inanspruchnahme eines Dolmetschers, der angemessene Schutz von besonders schutzbedürftigen Per­sonen, konsularischer Beistand für in Haft befindliche ausländische Staatsangehörige, Information des Betroffenen oder der Betroffenen über seine oder ihre Rechte und Kontrollmechanismen zur Einhaltung der Verfahrens0garantie.

Hiebei handelt es sich keinesfalls um irgendwelche Sonderrechte oder Verzärtelungen für Straffällige, sondern es sind dies im Prinzip ganz grundlegende Regelungen, die zu einem Verfahren gehören, und solange diese Rechte nicht festgeschrieben sind, wird es von grüner Seite keine Zustimmung zu einer Ausweitung von polizeilichen Ermitt­lungsbefugnissen geben.

Dem Protokoll werden wir zustimmen, weil die Regelungen weniger sensible Bereiche betreffen, obwohl wir auch in diesem Falle für eine Einführung von Mindestverfahrens­garantien wären. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

17.33

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


17.33.28

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich auch sehr kurz halten.

Meine Fraktion wird beiden Vorlagen zustimmen, einerseits dem Abkommen, anderer­seits dem Protokoll.

Frau Kollegin Konrad hat jetzt zu erklären versucht, warum die Grünen im Nationalrat dafür und hier im Bundesrat dagegen stimmen. Ihre Ausführungen waren allerdings nicht sehr überzeugend, denn wenn man ihr zugehört hat, dann müsste man fast glau­ben, dass sich die EU eher in Richtung Weißrussland oder Bananenrepublik bewegt, und das kann man ja wirklich nicht sagen!

Geldwäscherei ist eines der übelsten Delikte, die es überhaupt gibt. Man muss dabei nämlich immer wieder im Auge behalten, woher beziehungsweise aus welchen Tätig­keiten das Geld kommt. Und wenn Maßnahmen gesetzt werden, um die Geldwäsche­reiversuche hintanzuhalten, dann sind diese Versuche meiner Ansicht nach zu unter­stützen, denn das ist nur international möglich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen.)

Ich möchte den Grünen noch etwas sagen: Sie werden damit rechnen müssen, dass wir innerhalb der nächsten Zeit wieder ein derartiges Abkommen treffen werden, mit dem auf neue Methoden der Geldwäscherei im Rahmen der EU reagiert wird, um diese


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hintanzuhalten. – In diesem Sinne verstehe ich nicht, dass Sie die Güterabwägung zwi­schen einer ordnungsgemäßen Kriminalitätsbekämpfung und den Rechten der Bürger so sehen, dass Sie das ablehnen müssen.

Meine Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu, und ich hoffe, dass diesen Methoden sehr viel Erfolg beschieden sein wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.35

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird, wie ich annehme, kein Schlusswort gewünscht.

Ich bitte, Platz zu nehmen, damit wir die Abstimmung so durchführen können, dass sie Gültigkeit hat.

Kollege Bieringer zählt, ich habe auch gezählt: Es ist eine ausreichende Zahl von Mit­gliedern des Bundesrates anwesend.

Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung.

Erstens lasse ich abstimmen über den Beschluss des Nationalrats vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Übereinkommen – gemäß Artikel 34 des Vertrages über die Euro­päische Union vom Rat erstellt – über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrats vom 26. Jän­ner 2005 betreffend ein Protokoll – vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrages über die Europäische Union erstellt – zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsa­chen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen.

Ich ersuche wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erhe­ben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.37.2314. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (488/A und 785 d.B. sowie 7217/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Bader übernommen. Ich bitte um den Bericht.

17.38.00

 


Berichterstatter Karl Bader: Der Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissen­schaft liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung:


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Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. Baier. – Bitte.

 


17.38.19

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dent! Frau Bundesminister! Die vorliegende Novelle zum Studienförderungsgesetz bringt zweifelsohne Verbesserungen für Studierende, und es ist erfreulich, dass diese Verbesserung heute mit dem Einverständnis aller hier im Hohen Hause vertretenen Parteien beschlossen werden kann.

Ich darf zwei Dinge zu den Eckpunkten sagen.

Die Gesetzesvorlage ermöglicht es künftig, dass Studierende nach zügigem Abschluss des Grundstudiums, sei es nun ein Diplom- oder Bakkalaureatsstudium, und auch bei einem weiterführenden Studium ein Stipendium beziehungsweise eine Förderung er­halten.

Der zweite Eckpunkt wird sein, dass es künftig bereits nach dem dritten Semester möglich sein wird, ein Stipendium für ein Studium im Ausland zu bekommen. Das ist auch deshalb sehr positiv, weil dies letztlich die Mobilität fördert und uns auch dem Ziel der Stärkung des europäischen Forschungs- und Hochschulraumes näher bringt. Die vorliegende Gesetzesnovelle ist zweifelsohne ein positives Signal an alle Studierenden an den Universitäten – insbesondere auch an jene, die nach ihrem Grundstudium, Dip­lomstudium oder auch Bakkalaureatstudium noch eine zusätzliche universitäre Ausbil­dung absolvieren. Ich denke, gerade auch im Lichte der immer wieder aufkeimenden Diskussionen um die Studiengebühren ist das eine Verbesserung für die Studierenden.

Ich komme nicht umhin, an diesem Punkt auch zu erwähnen, dass wir gerade im Wintersemester 2004/2005 einen Rekordansturm an den Universitäten zu verzeichnen haben. Es haben noch nie so viele junge Menschen an den österreichischen Universi­täten zu studieren begonnen wie in diesem Semester. Wenn Sie die Zahl hören wollen: 32 183 Erstinskribenten hat es in diesem Wintersemester gegeben.

Das noch erfreulichere Detail daran ist, dass der Frauenanteil weiter zunimmt. Das heißt, immer mehr Erstinskribenten sind Frauen. Das kann uns in der Bildungspolitik sehr hoffnungsfroh stimmen! (Demonstrativer Beifall der Bundesrätinnen Bachner und Konrad.) – Diesen Applaus nehme ich mit besonderer Dankbarkeit entgegen. Applaus von dieser Seite habe ich nicht sehr oft zu erwarten. Dieser Applaus freut mich daher. (Bundesrätin Bachner: Immer dort, wo er berechtigt ist!)

Abschließend möchte noch etwas zu meinem Bundesland und zur Universität Linz sagen: In Linz stieg die Zahl der Erstinskribenten sogar um 6,4 Prozent. – Mit diesem so positiven Befund möchte ich schließen. Ich bin sehr froh, dass wir heute hier einen Antrag beschließen können, der von allen vier Fraktionen unterstützt wird. (Beifall bei der ÖPV, den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

17.41

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Neuwirth. – Bitte.

 



Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 142

17.42.09

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir schon gehört haben, wird das Studienförderungsgesetz 1992 geändert. Auch unserer Meinung nach ist das gut so. Es wird, wie erwähnt, Erleichterungen bei den Stipendien und den Zweitstudien geben, die Studienabschlussphase wird erleichtert, und auch bei den Auslandssemes­tern gibt es Novellierungen. – Darauf haben sich im Nationalrat alle vier Parteien ge­einigt.

Diese heute diskutierte Novellierung entspricht den aktuellen Studienverläufen und kommt somit vor allen Dingen auch den leistungsorientierten Studierenden entgegen. In Zukunft wird es also kein Problem mehr sein, zwischen einem Grundstudium und einem weiterführenden Studium auch noch ein paralleles Studium zu absolvieren und dennoch Studienförderung zu bekommen.

Wie wir schon gehört haben, wird die Förderung des Auslandsstudiums verbessert werden. Studieren im Ausland soll dann bereits im dritten Semester möglich sein. Auch ich glaube und hoffe darauf, dass das zu einer vermehrten Inanspruchnahme führen wird, was im Sinne des heute schon mehrfach strapazierten Europagedankens, der ja in Zukunft auch eine höhere Mobilität erfordern wird, zu unterstützen ist.

Bei den Studienabschlussstipendien werden erfreulicherweise besondere Härtefälle in Zukunft berücksichtigt werden, wenn durch diese Härtefälle die Zeit, die erforderlich wäre, nicht eingehalten werden kann. Die Zuweisung von Leistungs- und Förderungs­stipendien wird zukünftig auf Universitätsebene erfolgen. – Das ist auch etwas, was durchaus zu begrüßen ist.

Der letzte Punkt, den ich erwähnen möchte, ist die Tatsache, dass von den Studie­renden eines Magisterstudiums nach dem Bologna-Modell in Zukunft ein gewisser Studienerfolg zu erbringen sein wird, was ihnen natürlich vor Antritt ihres Studiums bekannt sein muss. Somit wird diese Neuregelung erst im nächsten Studienjahr – näm­lich mit dem Wintersemester 2005/2006 – eingeführt. Das halte ich für eine durchaus gerechte Einführung.

Sehr geehrte Damen und Herren! So schön das ist – ganz so schön ist die Lage an den Universitäten natürlich nicht. Das, was wir heute beschließen, kommt ja – das muss man ehrlicherweise schon sagen – nur einem ziemlich kleinen Teil der Studie­renden zu Gute. Der Bericht, der Ihnen in schriftlicher Form vorliegt, spricht von circa 20 bis 30 Betroffenen im Jahr. Wir haben auch im Ausschuss nachgefragt, und der zuständige Beamte des Ministeriums sprach von 50 Betroffenen im Jahr.

Der überwiegende Teil der Studierenden, die auf Stipendien angewiesen sind, leidet unter ganz anderen Problemen, die mit dieser Novelle leider auch wieder nicht gelöst worden sind. – Und diese Studierenden stellen immerhin 20 Prozent der Studierenden an den Universitäten und etwa ein Drittel der Studierenden an den Fachhochschulen dar, also insgesamt 47 000, wie im letzten Bericht zu lesen ist. Jetzt werden es natür­lich noch mehr sein, denn die Studienanfängerzahl ist ja in die Höhe gegangen, wie wir gehört haben.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und den Freiheitlichen! Ich finde es schade, dass der Entschließungsantrag der SPÖ im Nationalrat keine Mehrheit gefun­den hat und somit einige Probleme, die die Studierenden wirklich massiv betreffen, einfach weiter auf die lange Bank geschoben worden sind. Es besteht – da werden Sie mir zustimmen – akuter Handlungsbedarf bei der Indexanpassung der Stipendienhöhe und bei den entsprechenden Bemessungsgrundlagen. Auch Sie werden wissen, dass das alltägliche Leben in den letzten Jahren teurer geworden ist. Das trifft natürlich die Studentinnen und Studenten genauso. Die letzte Anpassung ist im Jahr 1999 erfolgt.


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Abgesehen davon – darauf möchte ich auch wieder einmal in aller Deutlichkeit hinwei­sen! – müssen 20 Prozent des gesamten Stipendienvolumens dafür aufgewendet wer­den, die unsoziale Studiengebühr zu entrichten. Sehr geehrte Damen und Herren! Diese gehört, wie Sie wissen, unserer Meinung nach ersatzlos gestrichen, denn sie trifft nachweislich junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien, die aus diesem Grund ein Studium oft erst gar nicht beginnen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie können ja um Studienförderung ansuchen!)

Die Budgetmittel für die Studienförderung sind auch für das heurige Jahr zu niedrig veranschlagt. – Auch darauf möchte ich hinweisen. Schon in den letzten zwei Jahren konnte mit den veranschlagten Mitteln nicht das Auslangen gefunden werden. Auch für das heurige und das nächste Jahr sind dafür im Budget sicher zu wenig Geldmittel vorgesehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Novelle ist, wenn man den gesam­ten Universitätssektor anschaut, ein richtiger Schritt, aber eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich würde es so sehen – um es bildlich auszudrücken: Die Univer­sitäten dürsten, die StudentInnen dürsten, aber die Wettermacher in der Regierung las­sen kaum Bereitschaft erkennen, den notwendigen Regen in nächster Zeit auch fallen zu lassen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.47

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


17.47.47

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Bezüg­lich der letzten Bemerkung meiner Vorrednerin möchte ich darauf verweisen, dass die Studiengebühren insofern nicht prohibitiv wirken, als jeder Studierende, der Anspruch auf Studienförderung hat, die Studiengebühren bekanntlich ersetzt erhält.

Zu der heute zu beschließenden Gesetzesvorlage, einer Novelle zum Studienförde­rungsgesetz, möchte ich sagen – da stimme ich mit meiner Vorrednerin und meinem Vorredner voll überein –, dass sie einen weiteren bemerkenswerten Fortschritt im Be­reich der Studienförderung mit sich bringt.

Bislang – das wurde schon gesagt – war eine solche Förderung für ein weiterfüh­rendes Magister- oder Doktoratstudium nicht mehr möglich, wenn der Studierende zwischen dem abgeschlossenen Grundstudium und dem weiterführenden Studium ein anderes Studium belegt hat – und das selbst dann, wenn er es noch vor Abschluss des Grundstudiums parallel betrieben hat.

Es war eigentlich nicht einzusehen, dass da nicht differenziert wurde. Darauf soll es daher künftig nicht mehr ankommen. Gleiches soll auch für den Zeitraum zwischen dem schon eingeführten oder erst noch zu schaffenden Bakkalaureatstudium und dem Magisterstudium gelten.

Diese Neuregelung ist zum einen schon deshalb schlüssig, weil es für ein weiterfüh­rendes Studium vor Aufnahme des Magister- oder Doktoratstudiums ohnehin keinen Anspruch auf Studienbeihilfe gibt. Zum anderen aber ist es vor allem deshalb zu be­grüßen, weil es dazu führt, besonders leistungsorientierte Studierende verstärkt zu fördern.

Damit wird ein weiterführendes Studium dann gefördert, wenn das vorangegangene Studium besonders rasch absolviert und der Entschluss, ein weiterführendes Studium aufzunehmen, zügig gefasst wird – das heißt, binnen 18 Monaten nach dem Magister- beziehungsweise binnen 12 Monaten nach dem Doktoratstudium.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 144

Nach Schätzung des Bundesministeriums – auch diese Zahlen wurden schon ge­nannt – würden sich auf Grund der Neuregelung voraussichtlich – das sind natürlich grobe Schätzungen – 2 bis 3 Prozent mehr Förderungsberechtigungen ergeben. Das liefe auf etwa 20 bis 30 Studierende mehr hinaus, die zusätzlich in den Genuss der Studienförderung kämen. – Auch darauf wurde hingewiesen: Im Ausschuss wurde uns vom zuständigen Referenten eine Zahl von 50 Studierenden genannt. – Ich halte das im Ergebnis auch für realistischer.

Die Gesamtzahl der Studienförderung beziehenden Studierenden hat sich übrigens im Wintersemester 2004/2005 gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent erhöht.

Auch das wurde schon gesagt: Praktisch jeder fünfte an einer Universität Studierende und nahezu jeder dritte an einer Fachhochschule Studierende bezieht eine solche Stu­dienförderung.

Verbesserungen wurden auch bei der Regelung des Studienabschluss-Stipendiums und bei der Förderung von Auslandsstudien erzielt – auch darauf wurde bereits hin­gewiesen. Anders als bisher kommt künftig ein Stipendium für ein Auslandsstudium bereits ab dem dritten Semester in Betracht. – Das wird die Mobilität unserer Stu­dierenden ganz wesentlich erhöhen und fördern und bringt uns dem angestrebten europäischen Hochschulraum einen weiteren Schritt näher.

Positiv ist auch zu bewerten, dass der Mindeststudienerfolg für Magisterstudien im Sinne des Bologna-Modells geklärt worden ist. Auch das wurde mit Recht schon er­wähnt: Im Sinne des Vertrauensschutzes kann freilich der Erfolgsnachweis für diese Magisterstudien erst für jene Studierenden gelten, die im Studienjahr 2005/2006 ihr Studium beginnen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Da der Leistungsgedanke seit jeher ein tragendes Prinzip unserer Bildungspolitik darstellt, wird meine Fraktion dieser Vorlage aus voller Überzeugung zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.52

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


17.52.34

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Auch von Seiten der Grünen wird es zu dieser Vorlage eine Zustimmung geben.

Prinzipiell ist natürlich jede Verbesserung im Bereich der Studienförderung zu begrü­ßen, und es handelt sich hier – wie meine Vorredner schon ausgeführt haben – zwei­fellos um eine Verbesserung des bisherigen Zustandes.

Grund für Euphorie besteht aber sicher keiner, denn immerhin ist die Zahl der Studie­renden, die von dieser Novelle profitieren, im zweistelligen Bereich anzusiedeln – von 20 bis 30 ist im Bericht die Rede, von bis zu 50 war im Ausschuss die Rede. – Wie auch immer: Jeder Studierende/jede Studierende, die zusätzlich profitieren kann, ist es auf jeden Fall wert, dass diese Novelle beschlossen wird.

Bei jeder Debatte zum Thema Studienförderung oder auch zum Thema Studiengebüh­ren kommt irgendwann wie das Amen im Gebet – und auch heute haben wir es schon zwei- bis dreimal gehört – die Aussage: Jeder und jede kann in Österreich studieren. – Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ein Gebet ist eben eher Ausdruck von Glauben und nicht so sehr eine Tatsachendarstellung. Und Tatsache ist, dass eben nicht jeder und nicht jede, der oder die will, in Österreich studieren kann!


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 145

Das hat einerseits Gründe während des Studiums: Vor allem die Tatsache, dass so viele Studierende arbeiten müssen, um sich ihr Studium zu finanzieren, führt sehr oft dazu, dass sie im Arbeitsbereich hängen bleiben, das Studium vernachlässigen und dann letztendlich ganz aus dem Studium ausscheiden und sich auf die Arbeit konzent­rieren. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... schnell studieren!)

Andererseits gibt es auch schon Gründe vor dem Studium, die dazu führen, dass ein Studium gar nicht erst begonnen wird – und auch das sind sehr oft soziale Gründe. Tatsache ist auch, dass die Einführung von Studiengebühren, die auch meiner Mei­nung nach ersatzlos gestrichen gehören, diese Situation verschlimmert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es um die Stellung von Studierenden in unse­rer Gesellschaft geht, gibt es ein ganz eigenartiges Paradoxon: Einerseits werden Stu­dierende in der öffentlichen Meinung sehr oft – und das hören wir auch vom Kollegen Kühnel immer wieder in Zwischenrufen (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel) – eher als Schmarotzer oder als leistungsscheu, als Menschen, die nicht arbeiten wollen und die sowieso viel zu lange studieren und dem Staat viel zu viel Geld kosten, darge­stellt. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... billiges Argument ...!)

Wenn dann andererseits der Begriff der Akademikerquote zur Sprache kommt, sind sie plötzlich ganz wichtig, dann brauchen wir Studierende.

Es darf also bei dieser doch etwas seltsamen Sicht – bei der auch die Bundesregie­rung sehr gerne mitgespielt hat, wenn es darum geht, Studierende in der öffentlichen Meinung abzuqualifizieren –, bei dieser Situation nicht wundern, wenn die Maßnah­men, um die AkademikerInnenquote zu erhöhen, sich doch meist im kosmetischen Bereich abspielen.

Ich nenne hier als Stichwort nur die Pädagogischen Hochschulen, bei denen die Ent­scheidung noch ansteht, ob sie tatsächlich eine inhaltliche Änderung der bisherigen Lehramtsausbildung erhalten werden, oder ob die Änderung einfach darin besteht, die bisherigen PÄDAKs „Pädagogische Hochschulen“ zu nennen. – Das ist eine kosme­tische Änderung, aber nichts anderes.

Und auch in diesem Antrag ist wieder zu sehen, dass die Erhöhung dieser Akademi­kerquote für die Regierung eine kosmetische Angelegenheit ist, denn das Bakkalaureat wird hier wieder einmal als Grund- oder Regelstudium bezeichnet.

Bei mir macht sich dann einfach die Befürchtung breit, dass sich in Zukunft die Univer­sitäten, für die es ja auch ein Qualitätsmerkmal ist, wie viele Studienabschlüsse sie pro Jahr produzieren, einfach darauf versteifen werden, Bakkalaureate anzubieten, die Studierenden mittels Schnellabfertigung raschest möglich durch die Universität zu schleusen und dann später ein qualitativ durchaus anspruchsvolleres Studium nicht mehr gefördert wird: Für das Magisterstudium können Studierende dann keine Förde­rung mehr beanspruchen.

Das führt dazu, dass natürlich das durchschnittliche Niveau der Universitätsabsolven­ten sinkt, wenn sie nur das Bakkalaureat gemacht haben. Sie können sich aber kein Magisterstudium leisten. – Das ist eine billige Art, um die AkademikerInnenquote zu erhöhen. Das mag vielleicht ein Zeichen von Kreativität sein, sicher aber nicht ein Zei­chen von Weltklasse-Bildungspolitik.

Jetzt steht uns eine weitere sehr große Herausforderung bevor, nämlich der Schluss­antrag von Generalanwalt Jacobs zum Thema freier Hochschulzugang in Österreich. Ich hoffe nur, dass in diesem Bereich nicht so sehr Kreativität, sondern eher zielfüh­rende Lösungen gefunden werden.


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 146

Die Frau Bundesministerin hat zwar gesagt, dass sie hinter dem freien Hochschulzu­gang steht und diesen auch verteidigen wird. – Nehmen Sie es mir nicht übel, ich habe noch Ihre Aussage zu Studiengebühren im Ohr, wo es geheißen hat, es wird unter Ihnen keine Studiengebühren in Österreich geben. – Wir alle wissen, was passiert ist. Ich hoffe, dass uns dieses Schicksal in diesem Fall erspart bleibt und dass es bei der Frage des freien Hochschulzuganges zumindest etwas besser ausgeht. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

17.57

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­ministerin Gehrer. – Bitte.

 


17.57.29

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst feststellen: Es freut mich, dass wirklich alle hinter dieser Änderung im Studienförderungsgesetz stehen und dass alle Fraktionen dem zustimmen.

Ich möchte auch meinem Abteilungsleiter, Herrn Dr. Marinovic, herzlich danken, der in gutem Kontakt mit den Studierenden steht und immer wieder Weiterentwicklungen vorschlägt.

Ich möchte auch erwähnen, dass gerade unsere Studienförderungsstelle vom Rech­nungshof als vorbildlich bewertet wurde. – Das verdient Anerkennung, denn es ist eine sehr wichtige Arbeit für die jungen Menschen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen sowie des Bundesrates Konecny.)

Bezüglich der Studienbeiträge gibt es in ganz Europa eine Weiterentwicklung – Sie haben sicher auch die Diskussion in Deutschland verfolgt. Heute war ein OECD-Prüfer­team bei mir, das einen Wirtschaftsbericht für jedes Land zusammenstellt und das sich besonders dafür interessiert, wie die Arbeitskräfte für die Wirtschaft qualifiziert wer­den.

Sie haben festgestellt, dass die Studienangebote in Österreich von guter Qualität sind und dass wir mit den Studienbeiträgen den richtigen Weg beschritten haben, nämlich: sehr einfach, keine Riesenorganisation aufbauen, den Studierenden, die es brauchen, Studienförderung geben, und denen, die eine Studienförderung aus sozialen Gründen bekommen, die Studienbeiträge wieder zurückerstatten. Um diesen Betrag ist die ge­samte Studienförderung auch erhöht worden.

Ich möchte wirklich festhalten: Wer geeignet ist, wer die nötigen Voraussetzungen hat, der kann in Österreich auch studieren – unabhängig von seiner sozialen Situation! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu den Budgetmitteln in der Studienförderung stelle ich nur fest: Das ist eine Pflicht­ausgabe, und wir müssen denjenigen, die das Recht darauf haben, eine Studienför­derung zu bekommen, eine solche auch gewähren. Das Budget wird jährlich um die notwendigen Mittel aufgestockt. Das heißt, wer Studienförderung beantragt und ein Recht darauf hat, bekommt die Studienförderung, weil es ein Rechtsanspruch ist, und es werden die notwendigen Mittel auch jedes Jahr dazugegeben. – Es lässt sich nicht so genau berechnen, wie viele Studierende um Förderung ansuchen. Also: Es muss niemand Sorge haben, dass er auf Grund der Budgetmittel, die im Gesetz stehen, keine Studienförderung erhält. Es ist ein Rechtsanspruch.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass wir mit dieser Novelle wieder einen kleinen Schritt weiter gekommen sind. Wir werden zusammen für die Studierenden sicherlich auch weiterhin ein offenen Ohr haben, damit sie ihr Studium unter guten Bedingungen


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 147

in der Regelstudienzeit absolvieren können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

18.00

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

18.00.37Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

18.01.08

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen über audiovisuelle Gemeinschaftsproduktionen zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und der Regierung von Kanada samt Anhang (666 d.B. sowie 7218/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung dazu hat Herr Bundesrat Ing. Einwallner übernommen. Ich bitte um den Bericht.

18.01.25

 


Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Frau Präsidentin! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend ein Abkommen über audiovisuelle Gemeinschaftsproduktion zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Kanada samt Anhang liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme somit zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Feb­ruar 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Ich frage aber: Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

18.02.17Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
718. Sitzung / Seite 148

18.02.4716. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. Jänner 2005 betreffend das Protokoll über die Privilegien und Immunitäten der Europäischen Organisation für Kernfor­schung (665 d.B. sowie 7219/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nunmehr gelangen wir zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Bader übernommen. Ich bitte um den Bericht.

18.03.03

 


Berichterstatter Karl Bader: Der Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegen­heiten zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt liegt auch diesmal allen in schrift­licher Form vor. Ich komme daher gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 1. Februar 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und

2. den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

18.03.57Daher gelangen wir zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch hier ist wieder Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.04.59Einlauf

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen mit der Zahl 2288/J bis 2294/J eingebracht wurden.

*****


Bundesrat
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718. Sitzung / Seite 149

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 17. März 2005, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- bezie­hungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 15. März 2005, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.05.50 Schluss der Sitzung: 18.06 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien