Stenographisches Protokoll

725. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 13. Oktober 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

725. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 13. Oktober 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 13. Oktober 2005: 9.04 – 18.40 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über die soziale Lage 2003–2004

2. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Sicherheit

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Hochwasseropferentschädigungs- und Wieder­aufbau-Gesetz 2005 – HWG 2005 erlassen wird, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Umweltförderungs­gesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebührengesetz 1957 und das Erb­schafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden und abgabenrechtliche Sondermaßnahmen für Opfer von Naturkatastrophen vorgesehen werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem eine Gerichtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Beschäftigungsförderungsgesetz (BeFG) erlas­sen wird sowie das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitslosenversiche­rungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungs­gesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Jugend­ausbildungs-Sicherungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und die Reise­gebührenvorschrift 1955 geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zum vom Internationalen Währungsfonds verwalteten Treuhandfonds für von Naturkatastrophen betroffene Entwicklungsländer mit Niedrigeinkommen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Ver­mögen samt Protokoll

10. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Repub­lik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Bericht zur Jahresvorschau 2005 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des ope­rativen Jahresprogrammes des Rates

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2005)

14. Punkt: Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und Vertrag der Internationa­len Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regierungsbevoll­mächtigten (Kyoto 1994) und durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minneapolis 1998); Urkunde zur Änderung der Satzung und des Vertrags der Interna­tionalen Fernmeldeunion (Marrakesch 2002) samt Erklärungen und Vorbehalten

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes errichtet wird (Unfalluntersuchungsgesetz) und das Luftfahrtgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Schiffahrtsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz, das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halbleiterschutz­gesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert wer­den

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch in Unternehmensgesetz­buch umbenannt und gemeinsam mit dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, dem Aktiengesetz 1965, dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dem Genossenschaftsgesetz, dem Genossenschaftsrevisionsgesetz, dem Firmenbuchge­setz, dem Umwandlungsgesetz, dem Spaltungsgesetz, dem EWIV-Ausführungsgesetz, dem SE-Gesetz, dem Handelsvertretergesetz, der Jurisdiktionsnorm, dem Einfüh­rungsgesetz zur Zivilprozessordnung, der Zivilprozessordnung, dem Rechtspflegerge­setz, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, dem Privatstiftungsgesetz, dem Unternehmensreorganisationsgesetz, dem Gerichtsgebührengesetz, dem Gerichts­kommissionstarifgesetz, dem Wohnungseigentumsgesetz 2002, dem Mietrechtsgesetz, dem Versicherungsaufsichtsgesetz, dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und dem Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird sowie das Erwerbsgesellschaftengesetz und die Vierte Einführungsverordnung außer Kraft gesetzt werden (Handelsrechts-Ände­rungsgesetz – HaRÄG)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwalt­schaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richter­dienstgesetz geändert werden

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungs­richtlinie

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 3

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Fragestunde (114.)

Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ................................ 14

Edgar Mayer (1445/M-BR/05); Dr. Peter Böhm, Eva Konrad

Angela Lueger (1450/M-BR/05); Sissy Roth-Halvax, Mag. John Gudenus, Elisa­beth Kerschbaum

Ing. Siegfried Kampl (1454/M-BR/05); Elisabeth Kerschbaum, Adelheid Ebner, Josef Saller

Franz Wolfinger (1446/M-BR/05); Mag. John Gudenus, Dr. Ruperta Lichtenecker, Adelheid Ebner

Harald Reisenberger (1451/M-BR/05); Michaela Gansterer, Mag. John Gudenus, Stefan Schennach

Eva Konrad (1449/M-BR/05); Ferdinand Tiefnig, Roswitha Bachner, Ing. Siegfried Kampl

Andrea Fraunschiel (1447/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Dr. Ruperta Lichten­ecker, Wolfgang Schimböck

Dr. Erich Gumplmaier (1452/M-BR/05); Ferdinand Tiefnig, Dr. Peter Böhm, Ste­fan Schennach

Mag. Bernhard Baier (1448/M-BR/05); Engelbert Weilharter, Eva Konrad

Roswitha Bachner (1453/M-BR/05); Martina Diesner-Wais, Dr. Peter Böhm, Dr. Ruperta Lichtenecker

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 34

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 33

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht über die soziale Lage 2003–2004 (III-268-BR/2005 d.B. sowie 7373/BR d.B.)               ............................................................................................................................... 34

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm .................................................................................. 34

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konečny ........................................................................................................ 35

Mag. Harald Himmer .................................................................................................... 39


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 4

Eva Konrad ................................................................................................................... 41

Ana Blatnik .................................................................................................................... 43

Staatssekretär Sigisbert Dolinschek ......................................................................... 46

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 49

Dr. Erich Gumplmaier ................................................................................................. 52

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 55

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 57

Stefan Schennach ........................................................................................................ 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-268-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................... 61

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Sicherheit (951 d.B. und 1014 d.B. sowie 7374/BR d.B.) ................................................................................................................. 61

Berichterstatterin: Ana Blatnik ...................................................................................... 61

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 62

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Hochwasseropferentschädigungs- und Wieder­aufbau-Gesetz 2005 – HWG 2005 erlassen wird, das Katastrophenfondsge­setz 1996, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Umweltförderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebührenge­setz 1957 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden und abgabenrechtliche Sondermaßnahmen für Opfer von Naturkatastro­phen vorgesehen werden (1065 d.B. und 1094 d.B. sowie 7375/BR d.B.)    ............................................................................................................................... 62

Berichterstatter: Günther Prutsch ................................................................................ 62

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine Gerichtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird (1095 d.B. sowie 7376/BR d.B.) ..................................................................................... 62

Berichterstatter: Günther Prutsch ................................................................................ 62

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 63

Helmut Wiesenegg ....................................................................................................... 65

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 66

Stefan Schennach ........................................................................................................ 67

Helmut Kritzinger ......................................................................................................... 70

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 71

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 73

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 75

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 76

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 80


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 5

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Beschäftigungsförderungsgesetz (BeFG) erlassen wird sowie das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitslosenversi­cherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Insolvenz-Entgeltsi­cherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Dienstleistungsscheck­gesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Bundesfinanzge­setz 2006 geändert werden (1075 d.B. und 1093 d.B. sowie 7377/BR d.B.) ................................................................................................................. 80

Berichterstatter: Günther Prutsch ................................................................................ 80

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer .................................................................................................................. 81

Roswitha Bachner ........................................................................................................ 83

Dr. Ruperta Lichtenecker .....................................................................................  86, 97

Günther Kaltenbacher ................................................................................................. 89

Günther Molzbichler .................................................................................................... 91

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................... 93

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 97

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und die Reise­gebührenvorschrift 1955 geändert werden (1066 d.B. und 1096 d.B. sowie 7378/BR d.B.) ................................................................................ ..... 97

Berichterstatter: Günther Prutsch ................................................................................ 97

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 98

Martina Diesner-Wais ................................................................................................ 100

Johann Kraml ............................................................................................................. 101

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 104

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zum vom In­ternationalen Währungsfonds verwalteten Treuhandfonds für von Naturkatastro­phen betroffene Entwicklungsländer mit Niedrigeinkommen (1072 d.B. und 1100 d.B. sowie 7379/BR d.B.) ............................................................................. 104

Berichterstatter: Helmut Wiesenegg .......................................................................... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 105

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (891 d.B. und 1038 d.B. sowie 7380/BR d.B.)                    105

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 105


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (892 d.B. und 1039 d.B. sowie 7381/BR d.B.)                105

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 105

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pa­kistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll (1061 d.B. und 1097 d.B. sowie 7382/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 105

Berichterstatter: Wolfgang Schimböck ..................................................................... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 107

11. Punkt: Bericht des Bundesministers für Finanzen zur Jahresvorschau 2005 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-275-BR/2005 d.B. sowie 7299/BR d.B.) ............... 107

Berichterstatter: Johann Höfinger .............................................................................. 107

Redner/Rednerinnen:

Gottfried Kneifel ......................................................................................................... 107

Albrecht Konečny ...................................................................................................... 110

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 112

Staatssekretär Dr. Alfred Finz .................................................................................. 113

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-275-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen        ............................................................................................................................. 114

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1000 d.B. und 1102 d.B. sowie 7383/BR d.B.) ............................................................................. 114

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 114

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-Novelle 2005) (1060 d.B. und 1106 d.B. sowie 7384/BR d.B.) ............................................................................................................... 114

Berichterstatterin: Christine Fröhlich ......................................................................... 114


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber .......................................................................................................... 115

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................. 116

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 117

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 118

Staatssekretär Mag. Helmut Kukacka ..................................................................... 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 121

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 121

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und Vertrag der Internationalen Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regierungsbe­vollmächtigten (Kyoto 1994) und durch die Konferenz der Regierungsbevoll­mächtigten (Minneapolis 1998); Urkunde zur Änderung der Satzung und des Vertrags der Internationalen Fernmeldeunion (Marrakesch 2002) samt Erklärun­gen und Vorbehalten (1001 d.B. und 1107 d.B. sowie 7385/BR d.B.)               ............................................................................................................................. 121

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 121

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 122

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes errichtet wird (Unfalluntersuchungsgesetz) und das Luftfahrtgesetz, das Eisenbahnge­setz 1957, das Schiffahrtsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (681 d.B. und 1108 d.B. sowie 7386/BR d.B.) ............................................................................. 122

Berichterstatter: Ewald Lindinger .............................................................................. 122

Redner/Rednerinnen:

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 122

Angela Lueger ............................................................................................................ 123

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 124

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucher­schutzgesetz, das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halbleiter­schutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (994 d.B. und 1077 d.B. sowie 7387/BR d.B.) ................................................ 124

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm ................................................................................ 124

Redner/Rednerinnen:

Johann Kraml ............................................................................................................. 125

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 126

Stefan Schennach ...................................................................................................... 127

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger ................................................................ 128

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 129


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 8

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch in Unternehmensgesetzbuch umbenannt und gemeinsam mit dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, dem Aktiengesetz 1965, dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dem Genossenschaftsgesetz, dem Genossenschaftsrevisionsgesetz, dem Fir­menbuchgesetz, dem Umwandlungsgesetz, dem Spaltungsgesetz, dem EWIV-Ausführungsgesetz, dem SE-Gesetz, dem Handelsvertretergesetz, der Jurisdikti­onsnorm, dem Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, der Zivilprozessord­nung, dem Rechtspflegergesetz, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, dem Privatstiftungsgesetz, dem Unternehmensreorganisationsgesetz, dem Ge­richtsgebührengesetz, dem Gerichtskommissionstarifgesetz, dem Wohnungs­eigentumsgesetz 2002, dem Mietrechtsgesetz, dem Versicherungsaufsichtsge­setz, dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und dem Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird sowie das Erwerbsgesellschaftengesetz und die Vierte Einfüh­rungsverordnung außer Kraft gesetzt werden (Handelsrechts-Änderungsgesetz – HaRÄG) (1058 d.B. und 1078 d.B. sowie 7388/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 129

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 129

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden (1079 d.B. sowie 7389/BR d.B.) ............................................................................................................... 129

Berichterstatterin: Angela Lueger ............................................................................... 129

Redner/Rednerinnen:

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ....................................................................................... 130

Johann Giefing ........................................................................................................... 134

Dr. Peter Böhm ........................................................................................................... 135

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 137

Andrea Fraunschiel .................................................................................................... 137

Bundesministerin Mag. Karin Gastinger ................................................................ 138

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 139

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 139

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschafts­gesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden (1059 d.B., 525/A und 1080 d.B. sowie 7390/BR d.B.) ................................................ 139

Berichterstatter: Ernst Winter ..................................................................................... 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 140

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienst­gesetz geändert werden (663/A und 1081 d.B. sowie 7372/BR d.B. und 7391/BR d.B.) ................................................................................. 140

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 140


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 9

Redner:

Mag. Georg Pehm ...................................................................................................... 140

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 142

21. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberöster­reichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (144/A (E)-BR/2005 sowie 7392/BR d.B.)                             142

Berichterstatter: Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ............................................................ 142

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Schimböck ................................................................................................ 142

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 146

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 146

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................... 146

Stefan Schennach ...................................................................................................... 146

Karl Boden .................................................................................................................. 146

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 146

Eva Konrad ................................................................................................................. 146

Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen betreffend die weiteren Verhandlungen zur Dienstleis­tungsrichtlinie – Annahme (E 194-BR/05)                147, 158

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme des Entwurfes der Dienstleistungsrichtlinie – Ablehnung ..............  153, 158

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 144/A (E)-BR/2005 .............. 158

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Ernst Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundesförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2343/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Bundesförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsge­mäße Verwendung (2344/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bun­desförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2345/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wis­senschaft und Kultur betreffend Bundesförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2346/J-BR/05)

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Leistungen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Wien (2347/J-BR/05)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 10

Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Nationalpark Donau­auen (2348/J-BR/05)

Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Analphabetismus in Österreich (2349/J-BR/05)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Kostenrefundierung für Personalaufwand der Exekutive im Rahmen der Hochzeit Feldbusch/Pooth (2350/J-BR/05)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Akten halten Polizei von der Straße fern“ (2351/J-BR/05)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend den Radioempfang in Österreichs Tunnel (2352/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Schweizer Endlager für Atommüll (2353/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Schweizer Endlager für Atommüll (2354/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausbau der Arlbergbahn (2355/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend künftige Zollkontrollen an der Staats­grenze zur Schweiz (2356/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (2357/J-BR/05)

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Sicherstellung der Schulqualität (2358/J-BR/05)

Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissen­schaft und Kultur betreffend Integration in den Schulen (2359/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend Heizkostenzuschuss (2360/J-BR/05)

Albrecht Konečny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend finanzielle Gebarung des Denkmalfonds (2361/J-BR/05)

Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Katastrophenfonds (2362/J-BR/05)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die nach wie vor enorm hohen Häftlingszahlen (2363/J-BR/05)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 11

Elisabeth Kerschbaum, Ing. Hermann Haller, Adelheid Ebner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend die AHS im Bezirk Korneuburg (2364/J-BR/05)

Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirt­schaft und Arbeit betreffend Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über Dienstleis­tungen im Binnenmarkt, den bevorstehenden österreichischen EU-Ratsvorsitz und die Verlängerung der Übergangsfristen auf dem Arbeitsmarkt (2365/J-BR/05)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Roswitha Bachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend unvorstellbaren Sondervertrag für die ehemalige FPÖ-Generalsekretärin, nunmehrige BZÖ-Landtagsabgeordnete, Theresia Zierler durch das Sozialministerium (2123/AB-BR/05 zu 2315/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen betreffend Land- und Forstwirtschaftliches Berufsausbildungsgesetz (2124/AB-BR/05 zu 2316/J-BR/05)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Flugzeugtreibstoff (2125/AB-BR/05 zu 2318/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkauf der ÖBB-Bodenseeschifffahrt (2126/AB-BR/05 zu 2317/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Homosexualität und Schule (2127/AB-BR/05 zu 2320/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Flugeinsatzstelle Linz-Hörsching (2128/AB-BR/05 zu 2321/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bundes­räte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend EDV-Ausstattung in Pflichtschulen (2129/AB-BR/05 zu 2322/J-BR/05)

der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen auf die Anfrage der Bundesräte Jür­gen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2130/AB-BR/05 zu 2326/J-BR/05)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen der Bundesheerreform
in der Steiermark – Rolle von Frau Landeshauptmann Klasnic
(2131/AB-BR/05 zu 2340/J-BR/05)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungs­grenzen bei der TOP-Tourismus-Förderung (2132/AB-BR/05 zu 2325/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 12

Eisenbahnlinie Spielfeld-Strass–Bad Radkersburg nach Slowenien (2133/AB-BR/05 zu 2323/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kfz-Neuzulassung bei Übersiedlung nach Österreich (2134/AB-BR/05 zu 2324/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Verkehrssicherheit in Tunnels (2135/AB-BR/05 zu 2329/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Handymasten-Steuer“ (2136/AB-BR/05 zu 2332/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bahnprojekte im Burgenland (2137/AB-BR/05 zu 2338/J-BR/05)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen betreffend Postämterschlie­ßungen in der Steiermark (2138/AB-BR/05 zu 2342/J-BR/05)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Bundesräte Theodor Binna, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Gerichtsorganisation neu – Interventionen der Landes­politik (2139/AB-BR/05 zu 2341/J-BR/05)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausländerbeschäftigung im Burgenland (2140/AB-BR/05 zu 2337/J-BR/05)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „100 Millionen Euro Zusatz­förderungspaket“ für das Burgenland (2141/AB-BR/05 zu 2339/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ansturm aus­ländischer Studierender an österreichischen Universitäten (2142/AB-BR/05 zu 2328/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Theodor Binna, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen im Schulbereich in der Steiermark – Schulbauten und Schulsanierungen (2143/AB-BR/05 zu 2335/J-BR/05)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Susanne Neuwirth, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ansturm ausländischer Studierender an österreichi­schen Universitäten (2144/AB-BR/05 zu 2327/J-BR/05)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Mag. Georg Pehm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Symposions Europäischer Bildhauer in St. Margarethen im Burgenland (2145/AB-BR/05 zu 2336/J-BR/05)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Johann Giefing, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Sanierung der Altlast „Angerler Grube“ (2146/AB-BR/05 zu 2330/J-BR/05)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 13

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen im BM. I auf Kosten der Sicherheit der ÖsterreicherInnen (2147/AB-BR/05 zu 2333/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Wolfgang Schim­böck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsparungen im BM. I auf Kosten der Sicherheit der ÖsterreicherInnen (2148/AB-BR/05 zu 2334/J-BR/05)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesförderungen für Schloss Herber­stein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2149/AB-BR/05 zu 2344/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2150/AB-BR/05 zu 2346/J-BR/05)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesförderungen für Schloss Herberstein und deren ord­nungsgemäße Verwendung (2151/AB-BR/05 zu 2345/J-BR/05)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Ernst Winter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bun­desförderungen für Schloss Herberstein und deren ordnungsgemäße Verwendung (2152/AB-BR/05 zu 2343/J-BR/05)


09.02.18


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 14

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Ich eröffne die 725. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 724. Sitzung des Bundesrates vom 21. Juli 2005 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Theodor Binna und Mag. Susanne Neuwirth.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe bekannt, dass das Bundeskanzleramt über die Entschließung des Bundespräsidenten die Mitteilung gemacht hat, dass innerhalb des Zeitraumes vom 30. Oktober bis 6. November 2005 der Bundesminister für Landesver­teidigung Günther Platter durch die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat vertreten wird.

09.05.14Fragestunde

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 9.05 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, die Fra­gestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten bis zu 120 Minuten erstre­cken werde.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1445/M, an die Bundes­ministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mayer, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

1445/M-BR/2005

„Welche sozialpolitischen Verbesserungen bringt die 65. ASVG-Novelle?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die 65. ASVG-Novelle sieht neben einer Vielzahl von Maßnahmen zur Erleichterung der Verwaltungspraxis eine Reihe von sozialpolitisch bedeutsamen Verbesserungen für die Versichertengemeinschaft vor. Das sind in erster Linie die außertourliche Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende auf 690 €, die Schaffung einer be­günstigten Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für pflegende Angehörige und die Ermöglichung einer Nachentrichtung verjährter Pensionsversicherungsbei­träge. Zu nennen ist aber auch die Verpflichtung zur Anmeldung zur Sozialversiche­rung, die in Zukunft spätestens bei Arbeitsantritt erfolgen muss. Da soll es ab 1. Jän­ner 2006 einen Probebetrieb in einem Bundesland geben. Es wird dies das Burgenland


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 15

sein, wie gestern im Sozialausschuss beschlossen worden ist. Nächste Woche erfolgt dann der Beschluss darüber im Plenum des Nationalrates.

Der Tätigkeitsschutz im Rahmen der Erwerbsunfähigkeit wird auch bei unselbständig Erwerbstätigen berücksichtigt, es gibt da jetzt eine Klarstellung. Zu erwähnen wären auch die Ermöglichung der Zurechnung von Beitragsgrundlagenteilen aus bäuerlicher Nebentätigkeit zugunsten mitarbeitender Angehöriger, wie zum Beispiel dann, wenn auf einem Bauernhof eine Buschenschenke betrieben wird oder Urlaub am Bauernhof angeboten wird oder es einen Ab-Hof-Verkauf gibt. In diesen Fällen hat man die Mög­lichkeit, dass man den Angehörigen diesen Teil praktisch als Einkommen zuteilt. Da­durch kann man eben auch Selbstversicherungszeiten erreichen. Das ist so ähnlich wie ein Pensionssplitting. Diese Möglichkeit besteht jetzt auch.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Danke.

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Erlauben Sie mir eine Frage zur neuen Selbstversicherung für Pflege­personen.

Bekanntlich bestehen schon derzeit Möglichkeiten für Pflegepersonen, sich günstig in der Pensionsversicherung freiwillig zu versichern. Wodurch zeichnet sich die neue Ver­sicherungsart aus?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Die neue Selbstversicherung wird im Gegensatz zur bisher geltenden Regelung auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit, also bei Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung, bestehen können, und das wird sich auf alle nahen Angehörigen erstrecken. Das war, wie ge­sagt, bisher nicht der Fall war.

Überdies kann diese begünstigte Versicherung in Anspruch genommen werden, wenn keine Pflichtversicherung aus einer Erwerbstätigkeit vorausgegangen ist. Das war bisher auch nicht möglich. Der fiktive Dienstgeberanteil, der ja da zu entrichten ist, wird praktisch vom Bund bezahlt.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Konrad zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Warum sind die verbesserte Anrechnung von Mehrlingsbetreuungszeiten, die Anerkennung von Arbeit für BezieherInnen von Pflege­geld ab der Stufe 3 und die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes in der Hin­terbliebenenpension nach dem Begutachtungsverfahren aus dem Gesetz gekippt wor­den?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin, Sie haben Recht, es sind einige Dinge gestrichen worden, die einer weiteren Prüfung bedürfen, wie zum Beispiel die Durchrechnung. Bisher war es möglich, diese Beitragszeiten innerhalb von zwei Jahren durchzurechnen. Man hat jetzt geprüft, ob man diesen Zeitraum auf fünf Jahre ausdehnen soll, ist aber draufgekommen, dass unter bestimmten Umständen die Leute schlechter dran sind, wenn man einen längeren Durchrechnungszeitraum vor­sieht. Wir schauen jetzt, wie es möglich ist, von den fünf Jahren die zwei besten Jahre heranzuziehen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 16

Wir wollen da Nägel mit Köpfen machen und eben darauf achten, dass es da zu kei­nem Nachteil für die Versicherten kommt, sondern nur zu einem Vorteil.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke. – Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1450/M.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Lueger, um die Verlesung ihrer Anfrage.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Meine Vorrednerin hat meine Frage schon angeschnitten, ich möchte sie aber noch verfestigen.

1450/M-BR/2005

„Wie rechtfertigen Sie, dass im Ministerrat vom 26.9.2005 genau jene Bestimmungen aus dem Regierungsentwurf zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 entfernt wurden, die besonders für Frauen eine Besserstellung gebracht hätten – wie z.B. die Ausdehnung des Beobachtungszeitraumes bei der Witwenpension?“

Herr Staatssekretär, Sie haben das schon zum Teil beantwortet. Wann ist da mit fixen Ergebnissen zu rechnen?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 17

Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrat! Die im Regierungsent­wurf vorgesehene Bestimmung hinsichtlich der Ausweitung des Beobachtungszeit­raumes für die Berechnung der Witwenpension wurde auf Grund eines Einspruches des Herrn Bundesministers für Finanzen entfernt.

Wir haben uns sehr bemüht, durchzusetzen, dass dieses Vorhaben jetzt im Sozialaus­schuss weiter behandelt wird. Dabei werden wir danach trachten, das so zu regeln, dass Härtefälle vermieden werden.

Wir werden im Zuge der Neuberechnung, dort, wo neue Fragen auftauchen, das Ganze so regeln, dass es zu keinen Nachteilen für die Menschen kommt, sondern dass es, unabhängig davon, wie der Beobachtungszeitraum ausfällt, nur zu einem Vor­teil kommen kann. Genau deswegen ist das jetzt auch zurückgestellt worden.

Wenn es da keine Einigkeit gibt – Sie wissen, in der Regierung gilt das Einstimmig­keitsprinzip. (Bundesrat Stadler: Einstimmigkeit in der Regierung wird immer schwieri­ger!) Wir werden jedenfalls versuchen, das Ganze sozialpolitisch in die richtigen Bah­nen zu leiten.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Es wird seitens des Kabinetts der Frau Bundesministerin, der ja Frauenanliegen immer ein besonderes Anliegen sind, jetzt ein Brief an jene versendet, die sich für die 300 € für die „Trümmer­frauen“ bewerben. Ich darf aus diesem Brief kurz zitieren:

... Es war uns ein besonderes Anliegen, schnellstmöglich mit der Umsetzung dieses Gesetzes zu beginnen. Jedoch hat sich in der Umsetzungsphase gezeigt, dass es viele Frauen dieser Generation gibt, die knapp mit ihrem Einkommen über diesem Richtsatz liegen.

Das Sozialministerium evaluiert zur Stunde die gesetzlichen Beschränkungen und prüft die Möglichkeit, diese auszuweiten ... – Ende des Zitats.

 


Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, fragen, wie weit man bei dieser Beratung vorange­kommen ist?

Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin, wir haben jetzt die ersten Anträge erhalten. Die letzten Zahlen, also die Zahlen von gestern, sind mir noch nicht bekannt. Die Zahl der bis gestern eingelangten Anträge ist aber nicht so hoch. Es ist der erste Teil schon ausbezahlt worden.

Wie Sie richtig erwähnt haben, ist es so, dass es überall dort, wo man eine Grenze ein­gezogen hat, eine Ober- oder eine Untergrenze, natürlich Fälle gibt, wo sich die Frage stellt: Wie knapp liegt jemand darüber?

Wir prüfen jetzt, ob man in jenen Fällen, wo jemand bei diesem Richtsatz – egal, ob das jetzt der Familienrichtsatz oder der Einzelrichtsatz ist – knapp darüber liegt, das ausdehnen kann.

Wir haben ja die finanziellen Mittel dafür begrenzt. Es sind dafür 7 Millionen € aus dem Härteausgleichsfonds vorgesehen. Man wird da so entscheiden, dass das den betref­fenden Menschen auch zugute kommt. Ob und um wie viel die Grenze höher sein wird, kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten, weil wir erst im Zuge der Antragstellung sehen werden, wie viel notwendig ist und wie wir mit dem Geld auskommen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Roth-Halvax zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (ÖVP, Niederösterreich): Im Sinne des Entschlie­ßungsantrages des Sozialausschusses des Nationalrates wird zu den vorgenannten Fragen eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Wann erwarten Sie Lösungsvorschläge?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Die Arbeitsgruppe ist eingerichtet. Lö­sungsvorschläge sollen so bald wie möglich vorliegen. Es ist unser Bestreben, so bald wie möglich Ergebnisse zu haben, aber ein genaues Datum kann ich Ihnen natürlich nicht nennen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Gelten die vorgesehenen Änderungen spiegelgleich auch für Männer?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Selbstverständlich, Herr Bundesrat.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrä­tin Kerschbaum gewünscht. – Ich bitte um die Frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Die Frage, ob wirk­lich nur der Herr Finanzminister für das Herausstreichen dieser Bestimmung zuständig war, haben Sie schon beantwortet. Weiters würde mich noch interessieren, um wel­chen Betrag es da geht. Warum hat der Herr Finanzminister da „Feuer“ geschrien?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Auf eine Frage, bei der es um Beträge geht, ist es natürlich etwas schwierig, ad hoc zu antworten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 18

Natürlich sind da Mehrkosten zu erwarten. Es wären, glaube ich, für das erste Jahr Mehrkosten in der Höhe von 1 Million € notwendig und für die Folgejahre 600 000 € pro Jahr.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1454/M, des Herrn Bun­desrates Ing. Kampl. Ich ersuche ihn um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Geschätzter Herr Staatssek­retär! Die Pensionen sind die Lebenssicherung für unsere älteren Menschen.

1454/M-BR/2005

„Wie werden sich die kleinen und mittleren Pensionen im Jahr 2006 entwickeln?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Vorbehaltlich der Fest­stellung des Richtwertes für die Pensionsanpassung durch die Kommission zur lang­fristigen Pensionssicherung in ihrer Sitzung am 27. Oktober 2005 werden diese Pen­sionen jetzt mit 1. Jänner 2006 um 2,5 Prozent erhöht. Maßgeblich dafür ist die Ent­wicklung der Inflationsrate der Monate August 2004 bis Juli 2005.

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesrat, wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Wie entwickelten sich die Ausgleichszulagenrichtsätze in den letzten Jahren generell?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Die Ausgleichszulagen­richtsätze haben sich in den letzten Jahren folgendermaßen entwickelt – ich habe hier eine Tabelle über den Zeitraum von 1990 bis 2006 –: Der Ausgleichszulagenrichtsatz für Familien ist im Jahr 2003 um 6,8 Prozent angehoben worden und im Jahr 2004 um 4,9 Prozent, hingegen der Richtsatz für Alleinstehende im Jahr 2003 um 2 Prozent und im Jahr 2004 um 1,5 Prozent. Seit dem Jahr 1999 betrug also die durchschnittliche Er­höhung zirka 2 Prozent.

Es ist notwendig, um die Schwelle der Armutsgefährdung zu übersteigen, für das nächste Jahr den Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende um 4,1 Prozent zu er­höhen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort gemeldet. – Ich bitte, die Frage zu stellen.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Herr Staatssekretär, wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass ASVG-PensionistInnen in den letzten vier Jah­ren reale Verluste hinnehmen mussten und 150 000 von ihnen noch im kommenden Jahr beziehungsweise ein fünftes Jahr reale Verluste hinnehmen müssen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrat, die Kommission zur Pensionssicherung, die jedes Jahr die Pensionserhöhung festlegt, hat sich so entschie­den. Sie wissen, dass wir im heurigen Jahr für Alleinstehende, vor allem für die Min­destpensionisten, Wesentliches getan haben. Die Erhöhung beträgt 4,1 Prozent, und so kommen wir auf die 690 €.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 19

Ich weiß, dass in der Vergangenheit noch das eine oder andere verlangt worden ist. Man hat darauf hingewiesen, dass versprochen worden ist, dass man eine stärkere Erhöhung vornehmen wird, aber wir haben unser Bestes getan.

Es hat der Vorgänger im Sozialministerium, Herr Bundesminister Haupt, seinerzeit ge­sagt, er werde alles Mögliche in Erwägung ziehen, um eine möglichst breite Basis vor allem für die Kleinst- und Mindestpensionen zu schaffen, damit diese höher angehoben werden.

Aber es ist nicht versprochen worden, sondern er hat gesagt, er werde sich bemühen. (Bundesrat Mag. Pehm: Aber durchgesetzt hat er sich nicht! – Bundesrat Stadler: Gelungen ist es nicht!)

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Ebner gewünscht.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Mit der einmaligen Pensionserhöhung im Jahre 2006 in Höhe der Inflationsrate können die Nachteile von vier Jahren Pensionserhöhungen durch Schwarz-Blau/Orange nicht wettgemacht werden. Wie sollen die Nachteile von vier Jahren Pensionsanpassung weit unter der Teuerungsrate wettgemacht werden?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Wir wissen, dass die Pensionen immer um die Inflationsrate angehoben werden, dass es also einen gewis­sen Ausgleich gibt. (Rufe bei der SPÖ: Nein!) – Na, selbstverständlich! (Neuerliche Rufe bei der SPÖ: Nein, nein!)

Wichtig ist, dass es für Personen, die wenig zum Leben haben und mit geringen Pen­sionen auskommen müssen – und ich habe schon erwähnt, dass in der Vergangenheit die Familienrichtsätze enorm angehoben worden sind; jetzt erfolgt das Gleiche für Alleinstehende – einen gewissen Ausgleich gibt!

 


Präsident Peter Mitterer: Eine Zusatzfrage gibt es von Herrn Bundesrat Saller. Ich bitte, sie zu stellen.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär! Wie hoch waren die Vorteile aus der Steuerreform des Jahres 2005 für die Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen? (Rufe bei der SPÖ: Null!)

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Sie wissen, dass wir mit der Steuerreform 2004 und 2005 auch Wesentliches für Pensionisten geleistet haben. Ein großer Teil, nämlich fast zwei Drittel der Pensionsbezieher, sind jetzt komplett steu­erfrei. Das ist ein großer Vorteil! (Bundesrätin Haselbach: Nein! Es ist eine Schande, dass die so wenig kriegen!) Das stärkt natürlich auch die Kaufkraft dieser Personen. Neben allen anderen sozialpolitischen Maßnahmen war diese Steuerreform mit 2004 und 2005 äußerst notwendig. (Ruf bei der SPÖ: ... Inkompetenz ...!)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1446/M. Sie wird von Herrn Bundesrat Wolfinger gestellt. Ich ersuche, sie zu verlesen.

 


Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Obwohl Herr Kollege Kampl fast dieselbe Frage gestellt hat, möchte ich sie doch noch einmal wiederholen:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 20

1446/M-BR/2005

„Wie haben sich die Ausgleichszulagenrichtsätze seit dem Jahr 2000 entwickelt?“

Und gleich eine Zusatzfrage: Können Sie mir sagen, wie sich die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum entwickelt haben?

 


Präsident Peter Mitterer: Frage und Zusatzfrage wird der Herr Staatssekretär beant­worten. – Bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Um es kurz zu machen: Der Richtsatz für Alleinstehende ist unter Einrechnung der für 1.1.2006 geplanten Anhebung im Zeitraum von 2000 bis 2006 insgesamt um 14,2 Prozent gestiegen, der Richtsatz für Verheiratete um 22,5 Prozent.

Der Verbraucherpreisindex ist im gleichen Zeitraum um 13,6 Prozent gestiegen. Die­sem gegenüber ergibt sich also auf jeden Fall ein Vorteil! Im Gegensatz zu dem, was eine der Fragestellerinnen hier gemeint hat, nämlich dass sich das negativ entwickelt habe, ist also bei den Alleinstehenden immerhin noch ein Vorteil von mehr als einem Prozent zu verzeichnen.

 


Präsident Peter Mitterer: Da die Zusatzfrage schon beinhaltet war, darf ich nun um weitere Zusatzfragen bitten, zunächst um jene von Herrn Bundesrat Mag. Gudenus. – Ich ersuche Sie, die Zusatzfrage zu stellen.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Wird es hinsichtlich des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende für das Kalender­jahr 2006 noch zu einer weiteren Vervielfachung kommen?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Zu einer weiteren Vervielfachung wird es in diesem Zusammenhang nicht kommen. Wir haben, wie ich vorhin schon erwähnt habe, im heurigen Jahr eine außertourliche Erhöhung des Ausgleichszulagenricht­satzes für Alleinstehende durchgeführt; zusätzliche wird es in diesem Jahr nicht geben.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Die Diskussion über Ausgleichszulagenrichtsätze wäre etwas einfacher und auf einer anderen Ebene, würde man eine Grundsicherung beziehungsweise ein Grundeinkom­men andenken. Wie weit gibt es im Ministerium diesbezügliche Überlegungen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: An der Idee der Grundsicherung wird gearbeitet. Aber ich glaube, dass wir mit dem System des Ausgleichszulagenrichtsat­zes ganz gut liegen. Auch im internationalen Vergleich ist Österreich hier vorbildhaft: Auf der einen Seite gibt es den Familienrichtsatz, auf der anderen Seite gibt es den Ausgleichszulagenrichtsatz.

 


Eine generelle Grundsicherung, die beinhaltet, dass jeder eine Pension bekommt, un­abhängig davon, ob er erwerbstätig war oder nicht, ist in unserem System jedoch nicht vorgesehen, denn die Höhe der Pension richtet sich danach, wie hoch das Einkommen während des Erwerbslebens war.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 21

Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Ebner gewünscht. Ich ersuche, sie zu stellen.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Warum wurde nicht, wie versprochen, der Ausgleichszulagenrichtsatz bereits heuer auf die Armutsgrenze von 678 € angehoben?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 22

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Mit „heuer“ meinen Sie 2005? (Bundesrätin Ebner: Ja! – Bundesrat Mag. Pehm: Zum Beispiel! – Heiter­keit bei der SPÖ.) – Das ist im letzten Jahr beschlossen worden. Die Pensionssiche­rungskommission hat das so vorgeschlagen, und dann ist das nicht herausgekommen. Ich habe Ihnen schon vorhin erläutert, wie das ist. Wir haben aber jetzt die Armuts­schwelle, die hier errechnet worden ist, mit einer Steigerung auf 690 € für das nächste Jahr kompensiert. (Bundesrat Konečny: Aber nächstes Jahr ist das schon wieder hö­her!)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, 1451/M. Sie wird von Herrn Bundesrat Reisenberger gestellt. Ich ersuche ihn, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär!

1451/M-BR/2005

„Warum werden auch im nächsten Jahr den ärmsten PensionistInnen im Monat fast 2 € dadurch vorenthalten, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz heuer nicht, wie verspro­chen, auf 675 € erhöht wurde und durch eine 2,5-prozentige Anhebung im nächsten Jahr 691,88 € und nicht, wie von der Regierung vorgesehen, 690 € betragen hätte?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 23

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Ich habe schon auf eine vorige Frage gesagt, dass nicht versprochen wurde, auf jeden Fall nicht vom damals zuständigen Bundesminister Haupt. Dieser hat sich vielmehr darum bemüht. Vielleicht ist es ja vom Vorsitzenden des Pensionistenverbandes Blecha versprochen worden, aber nicht von Bundesminister Haupt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Bundesrat: Die Armutsgefährdungsschwelle wurde zuletzt im Jahr 2003 publiziert. Legt man die Steigerungsraten der letzten zehn Jahre auf die Zukunft um, so ergibt sich für 2006 eine Armutsgefährdungsschwelle von 690 €. Und auf genau diese 690 € wurde jetzt der Ausgleichszulagenrichtsatz für Al­leinstehende erhöht. (Bundesrat Reisenberger – sich zu seinem Platz begebend –: Es ist nur die Frage, was der unter „2006“ versteht! Er weiß ja auch nicht, was das heurige Jahr ist!)

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Es gibt aber weitere Zusatzfragen, und zwar zunächst von Frau Bundesrätin Ganste­rer. – Ich darf Sie ersuchen, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Wie hoch ist die prozentuelle Erhöhung des Alleinstehenden-AZ-Richtsatzes im Jahr 2006 auf insgesamt 690 €?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Das sind 4,1 Prozent, und das ist wesentlich!

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Mag. Gudenus gewünscht.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Wird es hinsichtlich des Aus­gleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende für das Jahr 2006 noch zu einer weiteren Vervielfachung kommen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Die Pensionserhöhung des Jahres 2006 wird uns ungefähr 575 Millionen € kosten. Dazu kommen noch 29 Mil­lionen € für die bereits mehrmals erwähnte außertourliche Anhebung des Richtsatzes. Das sind die Fakten und Zahlen dazu. Mehr ist nicht mehr möglich, es ist nirgends berücksichtigt, dass wir im nächsten Jahr noch etwas drauflegen.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich darf ihn ersuchen, sie zu stellen.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär! Bekanntlich ist, was auch in dem nachher zu diskutierenden Bericht steht, die soziale Lage bei uns so, dass in vielen Bereichen jeder Euro wichtig ist. Deshalb komme ich in diesem Zusam­menhang zur Schwerarbeiterregelung: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dem verheerend negativen Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt zur Schwer­arbeiterregelung?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Ich sehe das so, dass durch die Schwerarbeiterregelung natürlich Mehrarbeit in den Pensionsversicherungs­anstalten anfällt, die dort Beschäftigten jedoch nicht unter die Schwerarbeiterregelung fallen werden und dadurch auch nicht sehr daran interessiert sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Konečny: Unerhört ist das! Eine Zumutung! – Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.)

Wir in der Bundesregierung sind sehr daran interessiert, dass es durch eine Schwer­arbeiterregelung eine Besserstellung für jene Leute gibt, die im Leben sehr schwer gearbeitet haben. Wir werden das auch per Verordnung umsetzen, damit die Schwer­arbeiterregelung kommt! (Bundesrat Konečny: Halten Sie das für eine Antwort?)

 


Präsident Peter Mitterer: Damit ist die 5. Anfrage erledigt.

Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 1449/M. Sie wird von Frau Bundesrätin Konrad ge­stellt. Ich ersuche, sie zu verlesen.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

1449/M-BR/2005

„Gibt es in Ihrem Ministerium Zahlen, wie viele Personen in Österreich Anspruch auf Waisenpension haben, aber auf Grund fehlender Information keinen Antrag gestellt haben beziehungsweise durch einen verspäteten Antrag erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bezugsberechtigt sind?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Bei uns existieren Zahlen über jene, die einen Antrag gestellt haben; über jene, die keinen Antrag gestellt haben, gibt es logischerweise keine Zahlen. Und wenn jemand verspätet einen Antrag stellt, so läuft das eben von jenem Zeitpunkt an, zu dem der Antrag gestellt worden ist. Aber – verzeihen Sie! – wir haben keine Zahlen darüber, ob es einen verspäteten An­trag wegen fehlender Information gegeben hat!

Es läuft gerade jetzt eine Informationskampagne des Sozialministeriums, welche von der Opposition oft sehr, sehr kritisiert wird. (Bundesrat Gruber: Kostet ja nur 1,3 Millio­nen €!) Aber gerade deswegen ist solch eine Offensive nötig, eine Berichtspflicht, eine Informationsnotwendigkeit vorhanden: damit die Leute ihre Anträge rechtzeitig stellen und so zu jenen Zuwendungen kommen, die sie brauchen und die ihnen zustehen!

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Eine Berichtspflicht, wie Sie sie jetzt ange­sprochen haben, gibt es nicht, deshalb gibt es ja die fehlenden beziehungsweise ver­späteten Anträge.

Meine Zusatzfrage lautet: Haben Sie vor, die Vorschläge der Volksanwaltschaft umzu­setzen und eine verpflichtende Information einzuführen? Und wenn ja, wann?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Die Volksanwaltschaft macht sehr vernünftige Vorschläge. Wir prüfen alle Vorschläge. Und ich kann dem schon einiges abgewinnen. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Tief­nig gemeldet. Ich darf ihn ersuchen, sie zu stellen.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Wie wer­den sich die einzelnen Bundesländer in der Umsetzung der Kompetenz für die Heiz­kostenzuschüsse in diesem Winter verhalten?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Bei den Heizkostenzu­schüssen gibt es schon ewig Diskussionen. Tatsache ist, dass die Kompetenz dafür in den Bereich der Länder fällt, die Länder aber – von einem Bundesland zum anderen – unterschiedlichste Regelungen dafür haben, sei es in der Höhe, bei der Einkommens­grenze und so weiter: Es gibt unterschiedlichste Regelungen – und ich muss sagen, es hätten sich die Landeshauptleute darauf einigen können, dass man diesbezüglich gleich vorgeht.

Natürlich gibt es das Argument, dass die Lebenshaltungskosten in den Bundesländern unterschiedlich hoch, die Voraussetzungen verschieden sind; deswegen gibt es unter­schiedliche Heizkostenzuschüsse in den einzelnen Bundesländern.

Ich verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass im Jahr 2000 den Länder vom Bund zusätzlich Mittel dafür in der Höhe von seinerzeit 600 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt wurden, aber nur 139 Millionen Schilling von den Bundesländern für den zusätzlichen Heizkostenzuschuss auch verbraucht worden sind.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke. – Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bun­desrätin Bachner zu Wort gemeldet. Ich bitte, sie zu stellen.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 24

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Warum wollen Sie nicht jenen Müttern und Vätern, die vor 1988 für ein behindertes Kind erhöhte Familien­beihilfe bezogen haben, anstelle von neutralen Zeiten zusätzliche Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung anrechnen, damit die Pensionsnachteile infolge Absenkung des Steigerungsbetrages und Ausdehnung des Bemessungszeitraumes etwas gemildert werden?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Jene Personen, die Angehörige haben, für die besondere Zuwendung erforderlich ist, wie etwa behinderte oder pflegebedürf­tige Menschen, und die deshalb nicht die Möglichkeit haben, einer Vollzeitbeschäfti­gung nachzugehen, sollen die Möglichkeit haben, dass sie während dieser Zeit, in der sie ihre Angehörigen pflegen und für sie da sind, auch Pensionsansprüche erwerben. (Bundesrat Kraml: Ja, und? Woher? – Bundesrat Reisenberger: Er hat diese Frage auch nicht verstanden!)

 


Präsident Peter Mitterer: Es gibt eine weitere Zusatzfrage, und zwar von Herrn Bun­desrat Ing. Kampl. Ich ersuche, sie zu stellen.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Wie verhält sich bei Waisenpensionen generell die Zuerkennung?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Im Jahr 2004 – für die­ses liegen uns die entsprechenden Zahlen vor – gab es 5 648 Zuerkennungen; dem stehen 643 Ablehnungen gegenüber.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur 7. Anfrage, 1447/M. Sie wird von Frau Bundesrätin Fraunschiel gestellt. Ich darf um die Verlesung der Frage bitten.

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär!

1447/M-BR/2005

„Welche Aufgaben wird die mit 1. Jänner 2006 geplante ,Familie & Beruf Manage­ment GmbH haben?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Die „Familie & Beruf Management GmbH“ stellt eine Koordinierungsstelle zur Bündelung, Umsetzung und Koordinierung von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dar – ist doch die Verwirklichung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Gesellschaft.

Die Hauptaufgaben der „Familie & Beruf Management GmbH“ sind: die Koordinierung des Service und der Betreuung der Familienallianz – einer offenen Plattform von Insti­tutionen und Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Arbeitswelt, Medien, Wissen­schaft zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Dokumentation von Best-Practice-Studien, Berichtsgestaltung für Öffentlichkeit und Medien, eine Bera­tung und Betreuung von regionalen und betrieblichen Familieninitiativen, das Verfas­sen von Publikationen und Informationsmaterial sowie strategische Öffentlichkeits-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 25

arbeit, aber auch die Organisation und die Durchführung von Fachtagungen und Schu­lungen.

Weiters ist die Entwicklung und Förderung innovativer Modelle sowie die Organisation von Maßnahmen des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorgesehen. Und darüber hinaus obliegt der Ge­sellschaft auch die Koordinierung der Forschungsförderungen für das Österreichische Institut für Familienforschung beziehungsweise dessen Rechtsnachfolger.

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesrätin, wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Ja. – Genau auf diesen letzten Punkt bezieht sich meine Zusatzfrage: Wie soll die Koordinationstätigkeit der „Fami­lie & Beruf Management GmbH“ für das Österreichische Institut für Familienforschung beziehungsweise dann seinen Nachfolger konkret ausschauen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Es sind noch Gesprä­che darüber notwendig, wie das im Detail aussehen soll, aber wir werden Ihnen die Informationen gerne zukommen lassen, sobald wir darüber mehr wissen. (Bundesrat Molzbichler: Das wissen Sie selber noch nicht! – Bundesrat Gruber: Sie wissen nicht, was sie dort tun, aber Sie wissen schon, wer dort arbeiten wird!)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weil­harter zu Wort gemeldet. Ich ersuche, sie zu stellen.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Staatssekretär! Wel­chen Stellenwert nimmt die geplante „Familie & Beruf Management GmbH“ im europäi­schen Kontext ein?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! In den vergangenen Jahren begannen europaweit Bemühungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf lokaler, regionaler, nationaler und transnationaler Ebene. Die „Familie & Beruf Management GmbH“ fördert jetzt diese Entwicklung der Vereinbarkeit im euro­päischen Raum.

Es gibt eine Verbesserung der Grundlage zur europaweiten Vergleichbarkeit von Maß­nahmen in diesem Bereich – also Vereinbarkeit Beruf und Familie –, die Schaffung einer Ausgangsbasis für eine europäische Standardisierung und Maßnahmen im Sinne dieser Vereinbarkeit sowie die Schaffung von Synergien – Synergien und Optimierung der Möglichkeit der Kooperation und Vernetzung nationaler Regierungsstellen. Es ist damit auch vorgesehen, auf internationaler Ebene tätig zu sein.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker gewünscht. Ich ersuche, sie zu stellen.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Gibt es noch andere Institutionen, Vereine, Organisationen, die gegründet werden, um Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter aus Ihrem Ministerium unterzubringen? (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Ich verstehe Ihre


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 26

Frage nicht. (Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesrat Gruber: Bren­ner AG ...!)

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Ist die Frage beant­wortet? (Staatssekretär Dolinschek: Können Sie sie wiederholen?)

Herr Staatssekretär! Plant Ihr Ministerium noch weitere Institutionen, Vereine, Organi­sationen zu schaffen, um etwaigen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern Jobs zu verschaffen?

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Wir können nicht auf der Stelle treten, man muss immer weiterentwickeln. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Die Zeit geht eben weiter.

Wenn Sie jetzt wissen wollen, wie Stellen besetzt werden: Es wird nach Qualifikation und nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten entschieden! (Neuerliche Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konečny: Das sieht man beim Herrn Staatssekretär!)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schimböck zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Nach­dem Sie uns heute schon sehr wortreich die Aufgaben dieser Management GesmbH aufgezählt haben, muss ich Ihnen sagen, das sind – wenn ich das Bundesministerien­gesetz lese – alles Aufgaben, die Ihr Ressort zu erledigen hat, die Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtlich bereits erledigen. Es stellt sich daher ernstlich die Frage: Warum peitschen Sie dieses Gesetz jetzt mit diesem Tempo durch?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Wir sind immer be­strebt, vor allem wir im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, schnell und effizient und zum Wohle der Menschen zu arbeiten. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1452/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Gumplmaier, die Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1452/M-BR/2005

„Werden Sie wenigstens für die Heizsaison 2005/2006 einen bundesweit einheitlichen Heizkostenzuschuss vorsehen, damit die explodierenden Heizkosten und die bisherige Untätigkeit der Regierung nicht dazu beitragen, dass viele Österreicherinnen und Ös­terreicher sich das Heizen nicht mehr leisten können?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Diese Frage ist heute schon einmal gestellt worden, und ich habe darauf bereits geantwortet, dass das in die Kompetenz der Länder fällt und natürlich unterschiedlich geregelt ist. Ich sage aber auch dazu, dass der Kompetenztatbestand Armenwesen so zu subsumieren ist, dass das zwar nach Artikel 12 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes Bundessache in der Grundsatzgesetzgebung ist, aber Landessache in der Ausführung und in der Vollzie­hung. Da es nun einmal unterschiedliche Richtsätze gibt, bei der Höhe des Heizkos-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 27

tenzuschusses genauso wie auch bei der Einkommensgrenze, hätten sich die Länder darauf einigen können, eine gleiche Höhe festzulegen. – Das war nicht der Fall.

Ich habe vorhin schon gesagt, im Jahr 2000 hat der Bund den Ländern 600 Millio­nen Schilling zur Verfügung gestellt (Bundesrätin Lueger: Jetzt haben wir 2005, bald 2006!) und 139 Millionen Schilling sind praktisch ausgeschöpft worden, also mehr als zwei Drittel sind nicht ausgeschöpft worden. (Bundesrat Wiesenegg: Welche Bundes­länder sind das?) Ja alle, in allen Bundesländern ist nicht alles ausgeschöpft worden im Jahr 2000. (Bundesrätin Lueger: Kann man Zahlen haben, bitte!)

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Sehen Sie nicht eine Möglichkeit, dass der Bund hier mit zusätzlichen Mitteln, die ja offen­sichtlich auf Grund steigender Benzin- und Heizölpreise allein durch die Mineralöl­steuer und die Umsatzsteuer lukriert werden, den Ländern unter die Arme greift, damit es auf diese Art und Weise zu einem einheitlichen Heizkostenzuschuss kommt?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Als Sozialpolitiker wer­den wir immer bestrebt sein, dass möglichst viel an die Leute zurückfließt, aber in die­sem Fall fällt das natürlich in die Kompetenz des Finanzministers. (Bundesrat Gruber: Der ist mitten in den Hochzeitsvorbereitungen, der hat keine Zeit für das!)

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Tiefnig gewünscht. – Ich bitte Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage wurde schon im Rahmen der Beantwortung der sechsten Anfrage geklärt; es erübrigt sich, diese Frage ein zweites Mal zu stellen.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Dr. Böhm gewünscht. – Ich ersuche Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte doch noch vergleichend auf die Frage zurückkommen, weil es eben keine bundeseinheitliche Regelung gibt.

Wie hoch ist der Heizkostenzuschuss in den einzelnen Bundesländern, und wer hat Anspruch auf Leistung?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Wie ich jetzt schon ein paar Mal erwähnt habe, liegt die Kompetenz in den Ländern, und dort wird das unter­schiedlich geregelt; das kritisiert übrigens auch die Volksanwaltschaft massiv, dass es hier bei den Einkünften, bei den Antragsfristen, bei der Höhe der Leistung und so wei­ter unterschiedliche Regelungen gibt.

Den mit 50 € niedrigsten Heizkostenzuschuss wird es voraussichtlich im Burgenland geben (Oh-Rufe bei der ÖVP), den höchsten mit 170 € in Vorarlberg; es gibt da aber natürlich auch noch die unterschiedlichsten Regelungen in den Städten.

In Niederösterreich beträgt die Leistung für die Heizperiode 2005/2006 einmalig 75 €, Anspruch haben im Wesentlichen Personen, deren Einkommen unter dem jeweiligen Ausgleichszulagenrichtsatz liegen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 28

Im Land Oberösterreich gibt es pro Haushalt 150 €, wenn das Haushaltseinkommen unter der Einkommensgrenze für die soziale Bedürftigkeit, also dem fiktiven Aus­gleichszulagenrichtsatz von 2006 liegt. 75 € gibt es dort, wenn die Einkommensgrenze um bis zu maximal 50 € überschritten wird. – Also wieder die unterschiedlichsten Regelungen. In der Stadt Linz wiederum werden 176 € ausbezahlt, und für die Zuer­kennung ist ein um 36 € erhöhter Sozialhilfesatz relevant.

In der Steiermark wiederum gibt es einen Zuschuss in der Höhe von 120 € für Ölhei­zungen und einen von 60 € für sonstige Heizungen. Es ist also total unterschiedlich geregelt.

In Kärnten zum Beispiel wurden der Heizkostenzuschuss für sozial bedürftige Men­schen ausgeweitet und das Gesamtvolumen für diese Aktion von 1,8 Millionen € auf 2,4 Millionen € erhöht. Konkret sollen alleinstehende Personen nunmehr 90 € statt bis­her 60 € erhalten und Ehepaare 150 € statt bisher 100 €.

In Wien wurde im Jahre 2004 ein Heizkostenzuschuss in der Höhe von 50 € – also re­lativ niedrig – für alle Arbeitslosen, Notstandshilfebezieher, Pensions-, Sozialhilfe- und Kinderbetreuungsgeldbezieher, die von einem Einkommen über die Ausgleichszulage gelebt haben, also von 624 €, gewährt. Jetzt hat der Bürgermeister laut einem Inter­view, das in den letzten Tagen durch die Presse gegangen ist, angekündigt, einen Zu­schuss von 150 € auszuschütten.

All diese Beispiele zeigen, dass eine umfassende Beantwortung dieser Frage nicht ganz so einfach ist. Auf Grund der Vielzahl von Gebietskörperschaften ist diese Frage sehr umfangreich und unterschiedlichst geregelt.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sie sind heute erstaunlich gut gelaunt, auf dem BZÖ-Scherbenhaufen lässt es sich wahr­scheinlich auch humorvoll leben (Bundesrat Konečny: Nur so!), aber ich bin erschüt­tert, Herr Staatssekretär (Bundesrat Bieringer: Zusatzfrage! Keine Feststellungen!), dass Sie anlässlich meiner Zusatzfrage vorhin pauschal alle Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter in der Pensionsversicherungsanstalt diffamiert haben, sie würden ein negati­ves Gutachten zur Schwerarbeiterregelung erstellen (Bundesrat Bieringer: Eine Frage und keine Rede!), weil sie selbst nicht unter diese Regelung fallen. (Bundesrat Bierin­ger: Zusatzfrage!)

Ja, ich stelle meine Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, ist es nicht völlig irrelevant, auf Zuständigkeiten hinzuweisen, wenn in diesem Land Menschen im Winter frieren? (Bei­fall bei der SPÖ.)

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Alle Fragen den Heiz­kostenzuschuss betreffend sind heute schon ausführlich beantwortet worden. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Lueger.) Okay, das ist eben Länderkompetenz und nicht Bundeskompetenz. Ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass das auch in die Kom­petenz des Bundes kommt, zumal immer wieder darüber nachgedacht wird, was Bun­des- und was Landeskompetenz sein soll.

Ein Beispiel aus der Sozialpolitik, behinderte Menschen etwa: Die soziale Kompetenz liegt immer bei den Ländern, die berufliche Integration liegt beim Bund. Es wird immer wieder darüber nachgedacht: Wie kann man das ausgliedern? Wie kann man das ver-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 29

einfachen? Wie soll man das in eine Zuständigkeit bringen? Wie Sie wissen, ist der Österreich-Konvent im Bereich der 15a-Vereinbarungen auch auf der Stelle getreten, man hat sich nicht geeinigt zwischen Bund und Ländern, und im Falle des Heizkosten­zuschusses ist das eben ähnlich. (Bundesrat Mag. Pehm: Aber trotzdem frieren die Menschen!)

Ihnen ist ja bekannt, wie der Österreich-Konvent verlaufen ist. Wir hätten in dem einen oder anderen Bereich sicherlich eine Begradigung gewünscht, aber wenn niemand irgendwo etwas nachgeben will, dann wird es eben problematisch. (Bundesrätin Lue­ger: Ist Kompetenzstreit auf Kosten frierender Menschen nicht erschütternd?)

 


Präsident Peter Mitterer: Danke, damit ist die 8. Anfrage erledigt.

Wir kommen nun zur 9. Anfrage, 1448/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Mag. Baier um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1448/M-BR/2005

„Werden seitens Ihres Ressorts mit den Ländern Gespräche über eine Vereinheitli­chung der Jugendschutzbestimmungen geführt?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Als zuständiges Minis­terium sind uns die Anliegen der Jugend natürlich besonders wichtig und dass es hier zu einer bundesweiten Harmonisierung kommt ebenfalls. Wir treiben das auch voran. Es zeigt sich allerdings eine ähnliche Problematik: dass der Zuständigkeitsbereich in den Ländern oft unterschiedlich ist.

Ich weise darauf hin, dass der Landeshauptmann von Kärnten, der gerade die Vorsitz­führung der Landeshauptleutekonferenz innehat, auch in dieser Frage tätig geworden ist. Die Jugendschutzbestimmungen sollen österreichweit gleich gehandhabt werden. Auch Landesrätin Doraja Eberle, derzeit Vorsitzende der Landesjugendreferenten, wurde, wie mir bekannt ist, diesbezüglich schon kontaktiert und gebeten, dieses Anlie­gen auch aufzugreifen. Des Weiteren unterstütze ich natürlich auch die Bemühungen der österreichischen Jugendvertretung, im Interesse junger Menschen eine bundes­einheitliche klare und verständliche Regelung im Jugendschutzbereich für die Zukunft zu fassen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wünscht der Fragesteller eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Wenn Sie an eine Ver­einheitlichung oder Harmonisierung denken: Welche Regelungsbereiche wären hier besonders harmonisierungsbedürftig?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Ich denke vor allem an den Bereich Drogen- und Alkoholkonsum. Hier sollen einheitliche Regelungen gelten. Es gibt zum Beispiel für die Ausschank unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern, aber ich denke, es wäre ganz, ganz wichtig, dass das österreichweit gleich geregelt ist. Wir wissen, in welchem Alter zu welchen Dingen gegriffen wird, vor allem die Alko-Pops sind bei der Jugend sehr beliebt. Meiner Meinung nach bedarf es hier besonderer Aufklärung und bundeseinheitlicher Regelungen.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 30

Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Weil­harter zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Staatssekretär! Welche vorläufige Bilanz können Sie jetzt schon nach der Einführung des nationalen Jugendportals ziehen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 31

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Es ist jetzt einen Monat her, dass die Online-Schaltung in diesem Bereich funktioniert, und bis Ende letzter Woche gab es bereits 12 609 Zugriffe auf die Webseite „www.jugendinfo.at“. Das ist ganz beachtlich. Durchschnittlich greifen pro Tag 407 Leute auf das Portal zu, 756 Ju­gendliche zwischen 14 und 24 haben den Online-Fragebogen zu den Schwerpunkten Jugend und Beschäftigung auf diesem Jugendportal ausgefüllt. Die Ergebnisse werden wissenschaftlich aufbereitet und dann auch veröffentlicht.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Konrad gewünscht. – Ich ersuche Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Im Ju­gendschutz geht es sehr viel um Vorschriften und Pflichten junger Menschen. Mich würde interessieren, wie es mit den Rechten junger Menschen ausschaut. Gibt es in Ihrem Ministerium Bemühungen, ein einheitliches Wahlrecht ab 16 einzuführen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Wir haben jetzt das Wahlrecht auf kommunaler Ebene in vielen Bereichen modifiziert. Im Grunde genom­men ist es so, dass die Jugendlichen darüber natürlich erfreut sind. Man kann mitbe­stimmen, man kann mitwählen, und ich kann mir ohne weiteres vorstellen, dass man das bundesweit auf alle Wahlen ausdehnt. (Bundesrätin Konrad: Gibt es auch Bestre­bungen?)

Wir versuchen jetzt zu analysieren, wie hoch die Beteiligung Jugendlicher wäre, würde man das Wahlalter generell auf 16 Jahre absenken. Wir haben ja bereits erste Zahlen. Im Burgenland waren jetzt bei der Landtagswahl zum ersten Mal 16-Jährige zugelas­sen. Wie hoch war die Beteiligung und so weiter und so fort? (Bundesrat Mag. Pehm: 70 Prozent! Über 70 Prozent!) Ausgezeichnet, sehen Sie, und das spricht natürlich da­für, wenn die Beteiligung bei Jugendlichen so hoch ist, dass man diese Regelung auch auf andere Bereiche ausdehnt.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir gelangen nun zur 10. und letzten Anfrage, 1453/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Bachner um die Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Herr Staatssekretär! Meine Frage lau­tet:

1453/M-BR/2005

„Welche Auswirkungen sind auf den österreichischen Konsumentenschutz zu erwarten, wenn die Dienstleistungsrichtlinie in der derzeitigen Fassung beschlossen wird?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Aus konsumenten­schutzpolitischer Sicht ist natürlich diese Dienstleistungsrichtlinie, die nach dem Her­kunftslandprinzip ausgerichtet ist, insofern dramatisch, als sie sich so auswirkt, dass, wenn das Herkunftslandprinzip in allen Bereichen gilt, die Verbraucherschutzbestim­mungen ein niedrigeres Niveau erlangen und die Information für den Konsumenten unzureichend ist.

Vor allem in den Berufen, die Dienstleistungen betreffen, wie Gesundheitsberufe, Sozi­alberufe, Pflegeberufe und so weiter, bin ich vehement dagegen, dass das Herkunfts­landprinzip gilt. Die Dienstleistung muss in diesem Bereich nach jenen Kriterien erfüllt werden, die in dem jeweiligen Land gelten, in dem diese Leistung erbracht wird. Das heißt, Leistungen im gesundheitsberuflichen oder sozialberuflichen Bereich sollen in Österreich nach österreichischen Gesetzen erfüllt werden und nicht nach dem Her­kunftslandprinzip. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass es zu einem Lohndumping kommt, zu einer Aushöhlung der österreichischen Wirtschaft.

In anderen Bereichen steht natürlich der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, wo das Herkunftslandprinzip gelten soll.

Wir sind sehr bemüht, eine Berücksichtigung dieser Aspekte auch in der Europäischen Union durchzusetzen.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin.

 


Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Vorerst möchte ich mich bedanken, Herr Staatssekretär, Sie sprechen mir mit Ihrer Antwort aus der Seele.

Ich möchte folgende Zusatzfrage stellen: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um auch Herrn Minister Bartenstein von Ihrer Meinung überzeugen zu können? (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Es hat diesbezüglich schon Gespräche zwischen uns gegeben. Herr Bundesminister Bartenstein ist sich die­ser Problematik voll bewusst, dass es ein Unterschied ist, ob es um die Wirtschaft, um rein wirtschaftliche Leistungen geht oder um eine Dienstleistung in den Sozialberufen und Gesundheitsberufen. Das ist sogar ein großer Unterschied. Ich denke auch, dass wir einen guten Konsens finden werden, wo nach dem Herkunftslandprinzip vorgegan­gen werden soll und wo nicht.

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais zu Wort gemeldet. – Ich ersuche Sie, diese zu stellen.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Welche Wohlfahrtseffekte für die europäische und österreichische Bevölkerung würde die Beschlussfassung einer EU-Dienstleistungsrichtlinie bewirken?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär. (Bundesrat Gruber: Wohl­fahrts‑? – Bundesrätin Diesner-Wais: Wohlfahrtseffekte! Welche Wohlfahrtseffekte für die europäische und österreichische Bevölkerung würde die Beschlussfassung einer EU-Dienstleistungsrichtlinie bewirken? – Bundesrat Gruber: Bin ich auf einer falschen Veranstaltung?)

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin, ich glaube, das ist


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 32

ungefähr die gleiche Frage, die Kollegin Bachner soeben gestellt hat. (Ironische Heiter­keit bei der SPÖ. – Bundesrätin Bachner: Nein, da verwahre ich mich dagegen!) Es läuft auf dasselbe hinaus. (Neuerliche ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Die Dienstleistungsrichtlinie, wie sie jetzt vorgesehen ist, nämlich nach dem Herkunfts­landprinzip, befürworte ich natürlich für alle in diesen Wirtschaftsbereichen Tätigen.

Aber ich bin eher dafür, dass alles, was in diesen Dienstleistungsbereichen sozialpoli­tisch läuft, für Sozialberufe, Gesundheitsberufe, nach den Kriterien jenes Landes ge­messen und erfüllt wird, in dem diese Dienstleistung erbracht wird, und nicht nach dem Herkunftslandprinzip. (Bundesrätin Bachner: Bravo! Da bin ich dafür!)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werden Sie sich im Zuge der Liberalisierung des Dienstleistungssektors dafür einset­zen, dass österreichische Standards vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge, insbe­sondere im Gesundheits- und Sozialsektor, aufrechterhalten werden können?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Bundesrat! Ich kann Ihnen versi­chern, dass ich mich dafür zu 100 Prozent einsetzen werde. (Bundesrat Konečny: Könnten wir da nicht einen Entschließungsantrag machen?!)

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker gewünscht. Ich ersuche, die Frage zu stellen.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Sie haben betont, dass die Vorsorge und die Standards im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen abgesichert werden sollen. Wie sieht das bei anderen Dienstleistungen aus, wie sieht es vor allem nicht nur bei Konsumentenschutzstan­dards, sondern Standards generell im Lohnniveau, im Umweltbereich, aber genauso auch bei Sozialleistungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Frau Bundesrätin! Es ist ein großes Spektrum, das Sie jetzt angesprochen haben, beginnend beim Einkommen, das in Österreich natürlich die Sozialpartner ausverhandeln.

Es ist ganz wichtig, dass wir keinem Lohndumping unterliegen, dass nicht aus benach­barten Ländern ein geringeres Lohnniveau nach Österreich übergreift, denn dadurch würde die Kaufkraft sinken – und das wäre schlecht. Deshalb müssen wir unsere höhe­ren Standards – vor allem die Sozialstandards sind in Österreich wesentlich höher und ziehen Leute an – verteidigen. Es ist sehr wichtig, dass wir alles daransetzen, unseren Level woandershin zu bringen, sodass die anderen in diesen Bereichen nachziehen, aber nicht bei uns das Niveau sinkt.

Dafür werden wir uns voll und ganz einsetzen. Deswegen ist auch die Unterscheidung bei der Dienstleistungsrichtlinie – auf der einen Seite, was die Produktivität betrifft, auf der anderen Seite jene Linien, die im sozialpolitischen Bereich laufen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass es sehr wichtig ist, den Sozialbetrug in diesem Zusammenhang einzudämmen. Den Kassen geht jede Menge Geld ab, nur weil es ein paar schwarze Schafe gibt, die zum Teil Firmen im benachbarten Ausland


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 33

anmelden, dann aber wieder mit geringeren Löhnen hier in Österreich arbeiten. Das ist hintanzuhalten!

Ebenso wichtig ist die Dienstnehmeranmeldung spätestens bei Arbeitsbeginn – das habe ich schon zu Beginn der Fragestunde erwähnt –, die im nächsten Jahr probe­weise im Burgenland eingeführt wird. Das Burgenland ist sogar prädestiniert dafür, weil dort sehr viel in diesem Bereich hereinkommt. Außerdem ist es ein kleines Bundes­land, in dem der Sozialbetrug einmal der Kampf angesagt wird.

Ich kann mir auch noch wesentliche andere Dinge in diesem Bereich vorstellen, wie zum Beispiel, dass der Generalunternehmer für den Subunternehmer haftet, nicht nur im finanzmathematischen Bereich, sondern auch was die Sozialabgaben betrifft.

 


Präsident Peter Mitterer: Die Fragestunde war wirklich eine Fragestunde, sie hat nämlich genau eine Stunde gedauert und ist damit beendet. – Ich danke dem Herrn Staatssekretär.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Peter Mitterer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2123/AB bis 2152/AB sowie jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unter­liegen, verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 11)

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zur 10. allgemeinen Wiederauffül­lung der Mittel des Afrikanischen Entwicklungsfonds (ADF X) (1063 und 1098/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zur 14. Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 14) und zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund) (1067 und 1099/NR der Beilagen)

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Die eingelangten Tätigkeitsberichte des Verwaltungsge­richtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 2003 und 2004, vorgelegt vom Bundeskanzler, habe ich dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zuge­wiesen.

Den ebenfalls eingelangten Sicherheitsbericht 2004 der Bundesregierung habe ich dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen.

Ebenso eingelangt sind der Grüne Bericht 2005 und der Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2006 gemäß § 9 LWG 1992, die ich dem Aus­schuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zugewiesen habe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 34

Des Weiteren habe ich den eingelangten Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2004 dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zugewie­sen.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind, und der Bericht über die soziale Lage 2003–2004 der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz beziehungsweise der Entschlie­ßungsantrag 144/A (E)-BR/2005 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ebenso bildet der Bericht des Bundesministers für Finanzen zur Jahresvorschau 2005 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeits­programmes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates, der bereits früher im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus verhandelt wurde, einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände und den Entschließungsantrag 144/A (E)-BR/2005 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen auf die Ta­gesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Peter Mitterer: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beab­sichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 und 4, 8 bis 10, 12 und 13 sowie 17 und 18 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

10.06.591. Punkt

Bericht über die soziale Lage 2003–2004 (III-268-BR/2005 d.B. sowie 7373/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Verhandlungen.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich ersuche ihn um seinen Bericht.

 


10.07.03

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Hohes Haus! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend den Bericht über die soziale Lage 2003–2004.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Ausfertigung vor, ich beschränke mich daher auf die Antragstellung:

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 den Antrag, den Bericht über die soziale Lage 2003–2004 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 35

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konečny. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


10.07.55

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne Damen und Herren! Es ist natürlich ein Zufall, dass der Sozialbericht 2003–2004 am Beginn unserer heutigen Tagesordnung steht, aber es ist ein höchst charakteristischer Zufall. Denn es ist keine Frage, dass es bei allen Versuchen, die Realität schönzufär­ben – der Herr Staatssekretär hat in der Fragestunde eine eindrucksvolle Pflichtübung in dieser olympisch noch nicht anerkannten Disziplin geliefert –, bei allen Versuchen, die soziale Lage in diesem Land schönzufärben, ein Bericht eines Scheiterns ist, falls von dieser Bundesregierung überhaupt ein Versuch unternommen wurde, soziale Poli­tik zu betreiben, was ich in höchstem Maße bezweifle. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn mehr als eine Million Menschen in diesem Land von Armut gefährdet sind, dann ist das die Bilanz einer Politik, die armselig und bedrohlich ist; bedrohlich für jene, die sich unter dieser Million Menschen befinden, bedrohlich für die Hunderttausenden, die da an der Kippe stehen und sich mit Recht Sorgen um ihre persönliche Zukunft und die Zukunft ihrer Familie machen.

Die Österreicherinnen und Österreicher haben begonnen, in einer sehr drastischen Art und Weise aus diesem Scheitern ihre Konsequenzen zu ziehen. Dieser in seinem Inhalt, nicht in seinem Wording, mitleidlose Bericht über ein Scheitern steht am Beginn der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundesrates, in der die Regierung über eine Mehrheit in unserem Haus verfügt. – Das hat vor allem die Entscheidung der steier­märkischen Wählerinnen und Wähler möglich gemacht. Die burgenländischen Wähle­rinnen und Wähler haben sich ähnlich entschieden, ohne dass das jedoch Auswirkun­gen auf die Zusammensetzung des Bundesrates hatte. Die Wiener Wählerinnen und Wähler werden eine solche Entscheidung treffen, und diese Entscheidung wird wieder Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundesrates haben und die Stärke der beiden Oppositionsparteien nochmals anheben. (Ruf bei der ÖVP: ... wahrsagen!)

Herr Kollege! Ich glaube nicht, dass das ein Bereich ist, wo ich mich auf der Ebene der Spekulation bewege. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe in einer Sitzung vor dem Som­mer – ich glaube, es war die Juli-Sitzung –, als ich einen ähnlichen Prognosesatz über die Steiermark auszusprechen wagte und mir Herr Bundesrat Hösele wortgewaltig in dasselbe fiel, Herrn Bundesrat Hösele gesagt: Ich halte nichts davon, wenn wir zwei uns jetzt darüber streiten, wer bei dieser Wahl gewinnen wird, ich halte sehr viel mehr davon, die Wählerinnen und Wähler zu Wort kommen zu lassen.

Die Wählerinnen und Wähler in der Steiermark haben ein drastisches Urteil gefällt! Warten wir auf die Wiener Wählerinnen und Wähler, und unterhalten wir uns in der November-Sitzung über Prophetie und Kaffeesudlesen weiter! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Wie gesagt, der Bundesrat wird ab der nächsten Sitzung ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Bitte? Kollege, ich antworte gerne auf alle Zwischenrufe, aber Sie müssen sie so deutlich sagen, dass ich sie verstehe, sonst sind sie nur Geräusch. – Nein? Gut, dann war er nicht so gut. (Heiterkeit.)

Der Bundesrat wird also ab seiner nächsten Sitzung nicht nur eine Stärkung der beiden Oppositionsparteien – das hatten wir schon ein paar Mal – hier feststellen müssen, sondern auch eine Veränderung seiner Mehrheitsverhältnisse. Die Regierung und die ÖVP-Bundesratsfraktion haben uns in weiser Voraussicht, wie ich sagen muss – im Gegensatz zu manchen Zwischenrufern war da die Einsicht schon gegeben –, für diese Sitzung ein Eilpaket angekündigt, weil man ja nicht wissen könne. Kollege Bierin­ger war daran beteiligt, wie ich den „Salzburger Nachrichten“ entnommen habe. Er hat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 36

damals optimistisch gemeint, bei der Steiermark habe er keine Sorgen, bei Wien aber wisse man das nicht so genau. Also wenn Kollege Bieringer bei der Steiermark keine Sorgen hatte, aber für Wien das Ärgste befürchtet – ui, das muss ein Ergebnis in Wien geben! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber davon einmal abgesehen: Das, was wir heute auf der Tagesordnung haben, sind zum Teil ganz offensichtlich Vorlagen, bei denen sich die Bundesregierung bemüht, sie noch ohne das Risiko eines Einspruches des Bundesrates verabschieden zu lassen. – Soll sein. Das ist zwar vielleicht im Einzelfall nicht die feine englische Art, aber es ist absolut politisch legitim und korrekt. Wir nehmen diese Eile in manchen Bereichen zur Kenntnis, obwohl ich sie nicht ganz nachvollziehen kann. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich muss ja nicht alles verstehen von den „höheren“ Überlegungen der Bundesregie­rung. Es ist dem gemeinen Mann ja nicht zuzumuten, dass er das alles versteht.

Wir wollen – ich sage das in vollem Bewusstsein der Verantwortung, die eine solche Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse mit sich bringen wird – dieses Recht und diese Möglichkeit, ab der nächsten Sitzung einen Einspruch in vielen Fällen zu be­schließen, weil die Grundlagen dafür gegeben sind, sehr verantwortungsbewusst und sehr gezielt gebrauchen.

Kolleginnen und Kollegen, die das auf der Seite der ÖVP schon miterlebt haben, haben verständlicherweise immer dann, wenn wir über die Stärke und die Rolle des Bundes­rates debattiert haben, mit Recht darauf verwiesen, dass der Bundesrat stets dann mehr im Blickwinkel der Öffentlichkeit steht, wenn seine Mehrheitsverhältnisse so gestaltet sind, dass es Einsprüche geben kann. Das hat es auch vis-à-vis einer sozial­demokratischen Regierung gegeben. Und natürlich hat, ohne dass daran in irgendeiner Form Kritik zu üben ist, die ÖVP-Fraktion, hat die damalige Opposition ihre Möglichkei­ten genützt (Zwischenruf bei der ÖVP) – ja da habt ihr auch noch die Mehrheit gehabt, insofern waren es wirklich Zeiten für euch –, Einspruch zu erheben, wenn sie das für politisch richtig gehalten hat.

Es wird uns nicht darum gehen – ich sage das mit großem Nachdruck –, diese Mög­lichkeit in einer Art und Weise auszunützen, bei der auch der Bundesrat Schaden neh­men könnte, sondern eben verantwortungsbewusst und gezielt. Die Tatsache, dass wir gegen diese Regierung eingestellt sind, dass wir sie ablehnen, dass wir ihre Politik ablehnen, dass wir eine Fülle von Einzelmaßnahmen ablehnen, wird nicht zu einer ziel­losen Pauschalablehnung führen und wird auch nicht dazu führen, dass wir die Rechte der Opposition, die natürlich jetzt gestärkt sind, weil es sich um Mehrheitsrechte han­delt, in schikanöser Art und Weise ausüben.

Worum es geht, ist, die politische Debatte in vielen Fällen zu akzentuieren und in eini­gen wenigen Fällen darauf zu hoffen, dass die Regierung doch noch erkennt, dass sie mit einer konkreten Vorlage auf dem Holzweg ist, dass sie einen Weg in die falsche Richtung einschlägt.

Wir wissen natürlich, dass der materielle Inhalt unseres Einspruchsrechtes darin be­steht, dass wir ein Gesetz eher verzögern als verhindern. Wir haben in der Vergan­genheit – wir ändern uns ja nicht dadurch, dass wir Mehrheitspartei werden – zu vielen Vorlagen ja gesagt, obwohl wir begründete und berechtigte Kritik an vielen Inhalten dieser Gesetze zu üben hatten, weil wir der Meinung waren – und das wird sich nicht ändern –, dass in diesen Gesetzen auch positive Elemente enthalten sind und wir die Wirkung dieser positiven Elemente gegenüber den Menschen nicht hinauszögern woll­ten. (Bundesrat Mag. Himmer: Herr Professor! Finden Sie, dass Sie zur Tagesordnung sprechen?) – Selbstverständlich, Herr Kollege! Wenn der Herr Präsident anderer Mei­nung ist, wird er es mir sagen. Ihre Meinung dazu ist geschäftsordnungsmäßig nicht wirklich maßgeblich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Konrad.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 37

Wir haben heute – ich möchte das an einem Beispiel erläutern – eine Vorlage auf der Tagesordnung, gegen die wir inhaltlich in vielen Bereichen sind. Wir sind nicht der Meinung, dass die Anhebung der Pendlerpauschale und die Erhöhung des Kilometer­geldes in einem Ausmaß erfolgen, das die sozialen Auswirkungen der Benzinpreiser­höhung und der damit verbundenen Kostensteigerungen auch nur irgendwie abfedert. Trotzdem: Wir werden heute dieser Vorlage zustimmen und wir werden einer vergleich­baren Vorlage auch nach dem November zustimmen, denn zumindest die 2 Cent sol­len den Österreichern nicht noch zwei Monate lang vorenthalten werden. Das verstehe ich unter Verantwortungsbewusstsein. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Sozialbericht, der diesen Tagesordnungspunkt bildet – ich sage das noch ein-
mal –, ist ein Bericht über ein Scheitern, wenn man eine positive Absicht unterstellt, ein Bericht über eine erfolgreiche Operation, wenn ich mir die politischen Überlegungen, die im Bereich der Regierungsparteien immer wieder hochkommen, in Erinnerung rufe.

Ich sage sehr deutlich dazu: Das ist der Punkt, der uns fundamental scheidet. Niemand wird bezweifeln, dass in diesem Land Reformen und Veränderungen notwendig sind. Niemand – und wir werden das nicht tun – sollte sich als Parole auf die Fahnen schrei­ben, es darf sich nichts ändern, sonst könnte sich irgendjemand unwohl fühlen. Aber jeder muss wissen, dass jede gesetzliche Veränderung, jede organisatorische Verän­derung tief in das Leben von Menschen eingreift. Und es sollte am Vorblatt wohl jeder Gesetzesvorlage eine ernste Folgenüberprüfung jeder gesetzlichen Maßnahme auf­scheinen: Was tue ich damit den Menschen an? Ist der positive Effekt – Einsparung, Verwaltungsvereinfachung – wirklich ein so großer und starker, dass ich den Norm­unterworfenen, den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern das antun kann? (Bundesrat Dr. Kühnel: Welche Kommission soll das tun, Herr Abgeordneter?)

Die Kommission ist permanent zusammengesetzt und besteht aus den österreichi­schen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Wie ich schon sagte, die letzten beiden Zwischenberichte dieser Kommission lagen am vergangenen und vorvergangenen Sonntag vor, der nächste ist in zehn Tagen zu erwarten, und ich empfehle ihn insbesondere Ihnen, Kollege Kühnel, zur besonderen Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, ich mische mich in Ihre Angelegenheiten ja ungern ein. (Ironische Heiter­keit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) Herr Kollege, man sollte jedem die Fehler, für die er prädestiniert ist, begehen lassen, und daran möchte ich niemanden hindern. Sie sollten allerdings nicht auf dem Rücken der Österreicherin­nen und Österreicher ausgetragen werden.

Herr Kollege Kühnel! Sie haben es als Mandatar des 1. Bezirkes schriftlich, dass Ihr christdemokratisches Verhalten irgendwie in Zweifel zu ziehen ist. Ich weiß nicht, ob auch Sie einen günstigen Parkplatz haben. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber ich will mich nicht mit den Bezirksproblemen von Wien Innere Stadt auseinander setzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kehren wir zu Wesentlichem zurück und halten wir Folgendes fest: Wir werden diesem Bericht selbstverständlich nicht zustimmen – nicht, weil wir mit dem Inhalt nicht einver­standen sind, wie gesagt, bei aller Schönfärberei, er verrät vieles und er macht auf vie­les aufmerksam, aber wir können ihm natürlich nicht zustimmen, weil er der Ausdruck der so genannten Sozialpolitik dieser Bundesregierung ist. Diese lehnen wir ab, wir halten ihre Konsequenzen für wirklich bedenklich. Wer immer nach dem Herbst 2006 dieses Land zu regieren haben wird, hat gerade auf diesem Gebiet einen gewaltigen und auch kostspieligen Nachholbedarf, den diese Bundesregierung hinterlässt.

Dennoch, wir sagen mit klarer Deutlichkeit: Für diese Politik und für diesen fundamen­talen Unterschied zwischen unserer Politik und einer auch ein bisschen selbstverlieb-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 38

ten, aber jedenfalls an Zielen orientierten Politik, die nicht die unseren sind, kann es von uns weder vor einem Wahltag noch nach einem Wahltag ein Ja geben, daher unsere Abgrenzung davon.

Die ÖVP – um das sehr deutlich anzusprechen – hatte auch eine christlich-soziale Komponente. Diese Komponente ist unter die Räder gekommen. Sie drückt sich in ihrer Politik nicht mehr aus. Und ich glaube, dass Wahlergebnisse auch diese Beur­teilung durch die Wähler in dieser Hinsicht zum Ausdruck bringen. Sie sollten – das ist kein Koalitionsangebot oder irgendetwas in diese Richtung – sich gründlich überlegen, auch im Hinblick auf das zwar technisch erfolgreiche, aber politische Scheitern Ihrer deutschen Schwesterpartei, ob jene Politik der Kälte ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich sage ja nicht, dass meine Parteifreunde dort einen großen Sieg errungen haben. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Mehrheit hat die CDU eben nicht. Das hätte sie gerne gehabt.

Meine Kollegen! Sie haben ja vielfältig dazwischen gerufen, aber die Tatsache „Wahl­sieger“ mit minus 4,5 Prozent, das ist die Kategorie, die ich mir für unsere Partei nicht wünschen würde. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und es sind sich alle einig, warum es so kam. – Weil dort dieselbe Politik der Kälte und der sozialen Verantwortungslosigkeit proklamiert wurde, die Sie jetzt seit dem Jahr 2000 betreiben. (Bundesrat Dr. Böhm: 4,7 Millionen Arbeitslose!) – Herr Kollege! Deutschland hat die Sozialdemokratie nicht in dem Umfang gewählt, den ich mir ge­wünscht hätte, keine Frage, aber es hat das Land eine linke Mehrheit. Und das sollten Sie bei Ihren forschen Zwischenrufen nicht ganz aus dem Gedächtnis streichen.

Ich wünsche mir für dieses Land im Oktober nächsten Jahres auch eine linke Mehrheit, damit klar ist ... (Bundesrat Dr. Böhm: Mit kommunistischer Hilfe!) Ich bitte Sie, der zu erwartende gewaltige Wahlerfolg der KPÖ, nämlich ein Anstieg von 0,65 auf 0,88 Pro­zent, wird es bei dieser Linksmehrheit nicht wirklich ausmachen. (Beifall bei der SPÖ.) Allerdings gibt es eine Partei, die im Augenblick in diesem Haus vertreten ist, die auch ihre Schwierigkeiten haben wird, über 0,88 Prozent hinauszukommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Darf ich den Satz trotzdem beenden und damit auch meine Rede, wenn ich Ihnen etwas versprechen darf. Sie wissen, Kurt Tucholsky, „Ratschläge für einen schlechten Redner“: „Kündige den Schluß deiner Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude nicht einen Schlaganfall bekommen.“ – Was ich hiermit getan habe zur Scho­nung Ihrer Befindlichkeit.

Ich wünsche mir für dieses Land eine deutliche linke Mehrheit, und zwar nicht, um da­mit von vornherein Regierungskonstellationen zu betonieren, sondern um auch zum Ausdruck zu bringen, was die Menschen in diesem Land wollen: eine andere Politik, als sie heute betrieben wird, eine andere Politik als jene, über die uns der Sozialbericht eine zwar geschönte, aber trotzdem triste Bilanz liefert. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.28


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Bundesräte! Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, verweise ich noch einmal auf unsere uns selbst auferlegte freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten, die meistens auch aus­reicht, wenn man nur zum entsprechenden Tagesordnungspunkt spricht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Boden: Waren Sie anderer Meinung, Herr Präsident?)

 


Ich darf nun dem nächsten gemeldeten Redner, Bundesrat Mag. Harald Himmer, das Wort erteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 39

10.29.10

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Sozialdemokratie hat ja wirklich jegliche Kompetenz, Temperaturgrade zu messen. Eine Partei nämlich, in der Parteikollegen den Vorsitzenden als Eisschrank bezeichnen, wissen ja Bescheid, was Kälte ist. (Bei­fall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Zur Tagesordnung!)

Ich halte also fest: Der Fraktionsobmann der Sozialdemokratie in Österreich freut sich, dass es in Deutschland eine Mehrheit mit Kommunisten gibt, eine Mehrheit mit Funk­tionären und Vertretern eines Systems, das Deutschland über viele Jahre gespalten hat, das für viele Menschen über viele Jahre Unfreiheit gebracht hat, und er wünscht sich eine linke Mehrheit in Österreich, die ja auch nur wieder gemeinsam mit den Kom­munisten sein kann. (Bundesrat Konečny: Ist schon in der Steiermark schief gegan­gen! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Er wünscht sich eine Mehrheit mit den Kommunisten in Österreich, mit denen dann die SPÖ dieses Land mit voller Kraft retour regieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden an sich heute hier über den Sozial­bericht. Im Grunde hat man ja in der Sozialpolitik die Möglichkeit, in Zeiten des wirt­schaftlichen Aufschwungs Sozialleistungen zu erhöhen. Das ist vergleichsweise eine einfachere Turnübung. Man kann dann zu Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs Sozialleistungen reduzieren – auch zumindest von der Umsetzung eine vergleichs­weise leichte Turnübung mit etwas dramatischeren sozialen Implikationen. Man kann sich natürlich auch der Herausforderung stellen, in den unterschiedlichen Zyklen, die unsere Wirtschaft eben hat, einen Standard zu erreichen und diesen Standard dann abzusichern. Genau das ist das, was sich diese Regierung, als sie angetreten ist, zum Schwerpunkt gesetzt hat! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir sehen ganz deutlich, wenn wir uns die Zahlen anschauen, dass die Sozial­ausgaben des Bundes so hoch wie nie zuvor sind. Die Sozialleistungen an die privaten Haushalte haben sich von 1999 bis 2003 um 9 Milliarden erhöht. Wir wissen auch, dass durch eine Steuerreform insgesamt über eine Million Pensionisten mit rund 450 Millionen entlastet werden. Es werden mit 1. Jänner 2006 die Pensionen um 2,5 Prozent erhöht.

Reden wir über die Sozialleistungen! Es hat diese Regierung das Pflegegeld um 2 Pro­zent erhöht, und zwar zum ersten Mal seit zwölf Jahren. Sie nehmen ja immer Bezug darauf, dass Sie auch einmal gemeinsam mit uns regiert haben. (Bundesrat Konečny: Sie haben gemeinsam mit uns regiert!) Da ist es zu einer solchen Erhöhung nicht gekommen. Es ist der Ausgleichszulagenrichtsatz ebenfalls erhöht worden. Es gab regelmäßige Erhöhungen für die österreichischen Seniorinnen und Senioren. Für allein stehende Personen ist der Ausgleichszulagenrichtsatz von 589 € im Jahr 1999 auf 662,99 € erhöht worden. Das ist eine Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes um 73 €. (Bundesrat Mag. Pehm: Jetzt sind es wieder die anderen! Unwahrscheinlich!) Im Vergleich dazu: Unter sozialdemokratischen Sozialministern wurde dieser in einem Zeitraum von fünf Jahren um 29 € erhöht. Das heißt, wir handeln um vieles sozialer, als Sie das selbst zu der Zeit, in der Sie verantwortlich waren, getan haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Soziale Kälte ist für mich dann gegeben, wenn man den Menschen Sand in die Augen streut, gegen die notwendigen Maßnahmen polemisiert, aber selber keine besseren Angebote zu machen hat. Da wir manchmal so den Wettbewerb machen mit politi­schen Prognosen, mit wechselnder Bestätigung der Geschichte, die einen dann ein­holt, möchte ich sagen: Ich traue mich, was die Steiermark betrifft, schon auch zu be­merken, dass ich sehr neugierig bin, was dann der künftige Landeshauptmann machen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 40

wird. (Bundesrat Boden: Herberstein fördern!) Er hat jetzt zwei Möglichkeiten: Er kann etwas anderes machen, oder er kann neben den innerparteilichen Querelen, den Selbstzerfleischungsprozessen, die wir alle erlebt haben und die übrigens ... (Bundes­rat Konečny: In der ÖVP Steiermark, meinen Sie?) – Natürlich in der ÖVP Steiermark. Aber Sie können sich zum Beispiel auch die Kärntner SPÖ anschauen, wenn Sie polit­wissenschaftlich ein anderes Beispiel sehen wollen. (Bundesrat Molzbichler: Sozial­bericht!) Es ist wohl eindeutig so – da brauchen wir nicht drum herum zu reden –, dass das beim Wähler nicht als sonderlich attraktiv ankommt. Ich glaube, es wissen doch alle, dass auch in der Steiermark gerade diese Streitereien, die es da gegeben hat, ganz maßgeblich dafür sind, dass die steirische Volkspartei den erwünschten Zuspruch nicht bekommen hat. (Bundesrat Molzbichler: Gott sei Dank!) Aber das jetzt umzu­interpretieren in eine Sozialdebatte und darin, dass es da um Wärme- und Kälteabmes­sungen gegangen ist, ist zwar legitim, hat aber nichts mit dem zu tun, wie die Motivlage dort tatsächlich ist.

Was mich jetzt sehr interessieren würde: Was wird denn der künftige Landeshaupt­mann Voves machen? – Er wird versuchen, die steirische Volkspartei mit in die Regie­rung zu bekommen und möglichst die gleiche Wirtschaftspolitik in der Steiermark zu machen, wie sie bisher inhaltlich erfolgreich gemacht worden ist. Es ist eigentlich zur­zeit nicht zu erkennen, dass der designierte Landeshauptmann oder Wahlsieger Voves politische Aussagen tätigen würde, die besondere neue soziale Wärme ausstrahlen würden. (Bundesrat Reisenberger: Steiermark-, Burgenland-, Wienwahlen – lauter Einzelwahlen!)

Diese Regierung hat sich sehr stark darum gekümmert, dass die familienpolitischen Leistungen erhöht werden. Wir können mit Stolz sagen, dass wir das Kinderbetreu­ungsgeld für alle eingeführt haben. Seit dem Jahr 2002 gibt es zusätzlich 85 000 junge Mütter, die 5 200 € pro Jahr bekommen. Es ist der Mehrkinderzuschlag erhöht worden. Wir haben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum zentralen Handlungsfeld ge­macht. Wir haben den Kinderzuschlag für Alleinverdiener erhöht. Es ist der Alleinver­dienerabsetzbetrag von 4 400 auf 6 000 € erhöht worden. Es gibt 250 Millionen € für die Entlastung der Familien.

Ich weiß schon, dass das, was ich da erzähle, für die Opposition sehr langweilig ist, aber ich werde ohnehin nicht alle sozialpolitischen Leistungen aufzählen, die diese Bundesregierung erbracht hat, weil das dann noch viel länger dauern würde. Des­wegen hat es auch Professor Konečny vorgezogen, über anderes als über die Sozial­leistungen dieser Bundesregierung zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Nur Wachstum schafft Arbeit! Auch diesbezüglich hat diese Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen mit den unterschiedlichen Wachstums­paketen gesetzt. Ich lasse das jetzt alles einmal beiseite und möchte jetzt auch noch darauf hinweisen, dass es anders regierte Bundesländer gibt.

Reden wir doch noch einmal ganz kurz über Wien, weil das ein aktuelles sozialpoliti­sches Problemfeld ist. Wien hat die rote Laterne beim Wirtschaftswachstum. Wien hat die rote Laterne beim Beschäftigungswachstum. Wien hat die meisten Arbeitslosen. Wien hat die meisten Langzeitarbeitslosen. Wien hat die meisten Zusammenbrüche von Firmen, und in Wien gibt es auch ständig Gebührenerhöhungen, ob das die Ener­gie betrifft, ob das den Müll betrifft, ob das die Tarife betrifft. (Zwischenruf des Bundes­rates Reisenberger.)

Die WIENGAS GmbH hat ständig die Gebühren erhöht. Doch wer unterstützt das? – Die Wiener SPÖ-Alleinregierung! Ständige Gebührenerhöhungen für die WienerInnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ und den Grünen.) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Versu­chen Sie, den Herrn Kühnel zu überzeugen, dass er ÖVP wählt – oder wie?) Also ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 41

glaube, dass wir beim Sozialbericht, wenn wir darüber diskutieren, wie es angeblich den armen Menschen in diesem Land geht, und hier von der Opposition über den Heiz­kostenzuschuss traurig gesprochen wird, sehr wohl auch darüber diskutieren können, dass in Wien die Energiekosten ständig erhöht werden. Das ist Politik, darum geht es! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich finde es wirklich unerhört (mit seinen Unterlagen mehrmals auf das Rednerpult schlagend – Rufe bei der SPÖ: Ungeheuerlich!), dass hier ständig von der Opposition in lächerlicher Weise polemisiert wird, dass Sie dort, wo es um die ernsten Probleme der Menschen in diesem Land geht, wie zum Beispiel, dass sie sich die Heizung nicht mehr leisten können (heftige Zwischenrufe bei der SPÖ), die Kühnheit besitzen, hier zu polemisieren dahin gehend (Bundesrat Reisenberger: Das stimmt nicht, was du sagst! Strampelt wie ein kleines Kind und bringt falsche Zahlen!), dass diese Bundesregie­rung die Heizkostenzuschüsse erhöhen soll, während Sie es nicht einmal schaffen, in Ihrem eigenen Bundesland, wo Sie eine Alleinregierung haben, dafür zu sorgen, dass die Energiekosten nicht ständig erhöht werden. Das nenne ich Polemik! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konečny: Herr Kollege Himmer, so schlecht sind die Umfragedaten gar nicht!)

Wir arbeiten für diese Menschen. Wir erhöhen die Sozialleistungen. Sie verstehen nichts von Wirtschaft (Oh-Rufe bei der SPÖ), aber von Wirtschaft muss man sehr viel verstehen, um in diesem Land etwas weiterzubringen.

Zusammenfassend zum Sozialbericht, den wir heute diskutieren: Der Fraktionsobmann der Sozialdemokratie hat nichts zum Sozialbericht gesagt, weil er nicht auf die Leistun­gen der Bundesregierung eingehen wollte (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundes­rat Konečny: Die Leistungen habe ich doch eh alle aufgezählt!), weil die Sozialaus­gaben in diesem Land noch nie so hoch waren, weil die Familienleistungen noch nie so hoch waren in diesem Land, weil noch nie so viel antizyklisch für das Wirtschafts­wachstum und damit für die Sozialpolitik in diesem Land getan wurde. Aber weil Sie sich überall dort nicht auskennen, ist Ihnen dazu nichts eingefallen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der als Nächster zu Wort gemeldete Mag. Gudenus ist im Saal nicht anwesend. Die Wortmeldung verfällt daher.

Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


10.42.03

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gemüter beruhigen sich offenbar wieder. Ich war jetzt eigentlich darauf eingestellt, dem Herrn Gudenus zuzuhö­ren. Ich war mir eigentlich sicher, er würde mir das eine oder andere Stichwort liefern, aber ich werde es auch ohne seine Hilfe schaffen, mich zum Sozialbericht zu äußern. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)

Das Schreiduell haben wir, glaube ich, für heute schon hinter uns. Ich habe ja nicht eine so laute Stimme wie die beiden Vorredner, ich versuche es einfach einmal so.

Der Herr Kollege Himmer hat jetzt sehr enthusiastisch dieses Ping-Pong-Spiel mit der Verantwortung, wer woran schuld ist, begonnen. Ich möchte mich nicht an diesem Spiel beteiligen, denn mir ist es ehrlich gesagt nicht so wichtig, wer woran schuld ist, sondern ist möchte jetzt zu den Inhalten des Sozialberichtes sprechen.

Mir ist beim Durchsehen des Sozialberichtes einiges aufgefallen. Wenn man sich das Inhaltsverzeichnis des Tätigkeitsberichtes anschaut, dann kann man da zum Beispiel lesen: Familienpolitik, Kinder- und Jugendpolitik, Seniorenpolitik, Freiwilligenpolitik,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 42

Männerpolitik. Die Frauenpolitik habe ich in diesem Bericht nicht gefunden. Jetzt ist mir schon klar, dass es dafür eine eigene Zuständigkeit gibt, aber es wird ja auch immer wieder betont, dass Frauenpolitik eine Querschnittsmaterie sei. Ich finde, es wäre sehr wichtig gewesen, auch im Sozialbericht einen eigenen Bereich dem Thema Frauen­politik zu widmen. Ich weiß schon, dass viele in der ÖVP glauben, dass Familienpolitik gleich Frauenpolitik ist, das ist aber faktisch nicht der Fall (Beifall bei den Grünen), und ich würde sehr dafür plädieren, diesen Teil, nämlich Frauenpolitik, in den Bericht auf­zunehmen.

Im zweiten Kapitel, nämlich bei der Familien- und Generationenpolitik, gibt es das Un­terkapitel „Kinder- und Jugendpolitik“. Da wird im Prinzip eher das aufgezählt, was die EU an Maßnahmen anregt; von eigenen Maßnahmen habe ich nicht sehr viel lesen können. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch betonen, dass die Kinder­rechtskonvention zwar in Österreich ratifiziert worden ist, aber noch immer nicht in der Verfassung verankert ist. Das ist seit langem eine Forderung der Bundesjugend­vertretung, und ich möchte noch einmal unterstreichen, dass es nötig wäre, bei einer Überarbeitung der Verfassung auch diese Kinderrechtskonvention in die Verfassung zu übernehmen.

Zum Thema Frauen sind, obwohl es kein eigenes Kapitel dazu gibt, doch einige inter­essante Informationen in diesem Bericht zu lesen. Zum Beispiel habe ich hier die Infor­mation gefunden, dass die durchschnittliche Höhe der Direktpension von Frauen unter 60 Prozent der durchschnittlichen Höhe von Direktpensionen von Männern liegt. Es wird oft behauptet, das sei auf Grund von Teilzeitbeschäftigungen und so weiter so. Allerdings ist auch im öffentlichen Dienst, nämlich bei Beamtinnen und Beamten ein doch recht dramatischer Unterschied festzustellen: Da liegt die durchschnittliche Höhe der Pension einer Frau bei 82 Prozent der eines männlichen Kollegen.

Diese Unterschiede haben sich – das wissen wir aus anderen Zusammenhängen –eigentlich in den letzten Jahren kaum verändert. Da besteht auf jeden Fall dringender Handlungsbedarf.

Zum Thema Armutsgefährdung. – Es überrascht nicht, dass die höchste Armutsgefähr­dung die Gruppe der nicht erwerbstätigen Personen hat. Da liegt sie bei 19 Prozent. Den traurigen zweiten Platz bezüglich Armutsgefährdung belegen unregelmäßig be­schäftigte Personen mit 17 Prozent. Wir wissen, dass sich der Arbeitsmarkt momentan dahin entwickelt, dass vor allem Frauen, Jungakademikerinnen und Jungakademiker und auch Menschen, die in der Ausbildung nicht sehr weit gekommen sind, sehr stark dazu gedrängt werden, unregelmäßige Beschäftigungen anzunehmen. Das ist eine Armutsfalle, und es muss auf jeden Fall etwas unternommen werden, um bei diesen unregelmäßigen Beschäftigungen sozusagen zurückzufahren und wieder tatsächlich existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen. (Beifall bei den Grünen.)

Was ich auch erschreckend finde, ist, dass Haushalte mit kleinen Kindern eine über­durchschnittliche Armutsgefährdung, nämlich ebenfalls eine solche von 17 Prozent, haben. Diese Armutsgefährdung sinkt erst, wenn das jüngste Kind mindestens sieben Jahre alt ist. – Einen klareren Zusammenhang zwischen fehlender Kinderbetreuung und Armutsgefährdung kann man gar nicht herstellen. Auch der Bericht folgert ganz klar diesen Zusammenhang aus diesen Zahlen und fordert auch, Mütter von kleinen Kindern verstärkt in den Arbeitsmarkt einzubinden und Kinderbetreuung auszuweiten, und zwar so, wie sie gebraucht wird, nämlich flexibel.

Bezüglich der Situation von Menschen mit migrantischem Hintergrund ist es mir ein besonderes Anliegen, ein paar Zahlen zu bringen. Ein Viertel der Menschen dieser Gruppe lebt in Armutsgefährdung, und das trotz gleich hoher Erwerbsquote wie Men­schen österreichischer oder EU-Herkunft. Das heißt, sie haben ein viel größeres Ar-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 43

mutsrisiko als eben Menschen österreichischer oder EU-Herkunft. Für Menschen türki­scher Herkunft zum Beispiel ist das Armutsrisiko 2,5 Mal so hoch wie das der Durch­schnittsbevölkerung.

Dazu kommt noch etwas: Sozialleistungen und Pensionen reduzieren zwar bei der Gesamtbevölkerung das Armutsrisiko im Schnitt um zwei Drittel, Migrantinnen oder auch eingebürgerte Menschen aber erfahren durch Sozialleistungen bei weitem keine so deutliche Reduktion des Armutsrisikos. Im Vergleich zu allen armutsgefährdeten Gruppen ist der Anteil von Sozialleistungen am Haushaltseinkommen für Migrantinnen und Migranten unterdurchschnittlich. – So viel also zur alten und immer wieder be­schworenen Legende von Sozialschmarotzern.

Wenn wir das nächste Mal über Integration reden, sollten wir vielleicht auch diese ex­treme Armutsgefährdung mit bedenken. (Beifall bei den Grünen.)

Ganz allgemein kann man auch aus dem Bericht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Entwicklung der letzten Jahre folgende war: Allein erziehende Personen, kinderreiche Familien, allein stehende ältere Menschen, und da vor allem Frauen, sind besonders armutsgefährdet. Haushalte, in denen Männer Alleinverdiener sind, haben ein Armuts­risiko von 11 Prozent; wenn allerdings Frauen Alleinverdienerinnen sind, ist dieses Ri­siko doppelt so hoch, es liegt bei 20 Prozent. Das sind drastische Zahlen.

Ich möchte mit einem Zitat aus dem Bericht selbst schließen:

„Es ist daher essenziell, Frauen mit Familie ausreichend bezahlte Erwerbstätigkeit und damit verbundene Kinderbetreuung zu ermöglichen, um Familien und Kinder vor Armut zu schützen. Allein Erziehende bedürfen im besonderen Maß flexibler Kinderbetreuung und familienadäquater Arbeitszeit.“

Familienadäquate Arbeitszeit“ finde ich in diesem Zusammenhang besonders wichtig, weil nämlich die Tendenz dahin geht, wirtschaftsadäquate Arbeitszeiten zu forcieren. Es wird nicht beides gehen. Es wird die Wirtschaft nicht die flexiblen Arbeiterinnen und Arbeiter haben können, die sie sich wünscht, und gleichzeitig möglich sein, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Da muss man eben von Seiten der Regierung Maßnahmen setzen, Schwerpunkte setzen, ob man das eine oder das andere will. Man muss sich entscheiden.

Ich lese aus diesem Bericht ... (Bundesrat Ager: Aber Arbeit sollen ...?) Arbeit schon, das ist nicht die Frage. Die Frage ist, ob die Wirtschaft von mir verlangen kann, dass ich für meinen Arbeitsplatz mein Privatleben aufgebe, mir überlege, ob ich Kinder krie­gen möchte oder nicht, ob das mit meinen Arbeitszeiten zusammenpasst. Und, wie immer wieder gerne – nicht mehr so laut, aber doch noch – gesagt wird, dass doch die Frau zu Hause bleiben soll und sich um die Kinder kümmern soll, das wird man nach solchen Zahlen, wenn es um Armutsgefährdung geht, auch nicht mehr guten Gewis­sens verbreiten können.

Ich sehe in diesem Bericht eine klare Aufforderung an die Regierung, Maßnahmen zu setzen. Mein Vorredner hat viele Maßnahmen aufgezählt. Jetzt würde ich nicht be­haupten, dass es in der Vergangenheit keine Maßnahmen gab, aber die Frage ist die, ob Maßnahmen wirken oder nicht – und laut diesem Bericht würde ich behaupten, sie wirken nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich er­teile ihr das Wort.

 


10.50.17

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod predsednik! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 44

kolegice, dragi kolegi! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Himmer – er ist leider nicht da – soziale Leistungen mit Turnübungen vergleicht, ist das in meinen Augen ein echter Skandal, denn soziale Leistungen sind Leistungen ... (Bun­desrätin Roth-Halvax: ... ein ganz anderer Vergleich! Das war kein Skandal!) Nein, bitte, so habe ich es gehört! Und ich möchte das hier klarstellen: Soziale Leistungen sind Leistungen, die Menschen, die es wirklich brauchen, die armen und armutsgefähr­deten Menschen zustehen, und wir werden auch dafür sorgen, dass sie diese ... (Bun­desrätin Roth-Halvax: Sagen Sie das Ihrem Herrn Klubobmann auch einmal! – Bun­desrat Reisenberger: Der weiß schon, was er zu tun hat, der braucht nicht Sie dazu!)

Er hat es in seiner Rede deutlich gemacht, dass er für diese sozialen Leistungen, für den sozialen Ausbau ... (Weitere Zwischenrufe der Bundesrätin Roth-Halvax.) Sie können sich dann gerne zu Wort melden, Frau Kollegin (Bundesrätin Roth-Halvax: Ich mache nur das, was ihr macht!), selbstverständlich, nur: Unser politischer Weg ist si­cherlich ein anderer!

Ich zeige es Ihnen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), damit Sie nicht glauben, dass das irgendeine Einbildung einer Frau Ana Blatnik ist. Da können Sie sehen: Wirtschaft­liche Skandale: Konzerne zahlen immer weniger, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer mehr. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das können wir nicht lesen! Zu klein und nicht lesbar!) – Wenn das Ihrer sozialwirtschaftlichen Vorstellung entspricht, dann muss ich schon sagen: Das ist nicht unser politischer Weg! (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der Grünen.)

Wenn Herr Kollege Himmer gesagt hat, dass wir von der Wirtschaft nichts verstünden und dass die jetzige Regierung sehr viele soziale Leistungen erbracht hätte, dann möchte ich dem ein paar wirtschaftlichen Fakten, die nicht soziale Wärme, sondern soziale Kälte widerspiegeln, entgegenhalten.

Ich möchte mich in meiner Rede zum Bericht über die soziale Lage in Österreich 2003–2004 auf die Begriffe Armut, Armutsgefährdung und Reichtum in Österreich kon­zentrieren. Dieser Bericht zeigt eine ungleiche, ungerechte und sicherlich nicht soziale Verteilung des gemeinsamen Erwirtschafteten auf.

In Österreich gibt es 1 323 Milliarden € Geldvermögen. Dazu kommen noch zirka 728 Milliarden € Sachvermögen. Insgesamt sind das 2 100 Milliarden €. Das ist zehn Mal mehr, als sämtliche Erwerbseinkommen pro Jahr ausmachen, das ist 70 Mal mehr, als das gesamte Gesundheitssystem kostet, und das ist 100 Mal mehr, meine Damen und Herren, als der Staat für sämtliche Pensionen aufwendet. Würde man das vorhan­dene Geldvermögen mit nur einem Promille – das sind 0,1 Prozent – pro Jahr besteu­ern, könnte die Pensionsreform 2003 nicht nur rückgängig gemacht werden (Ruf bei der ÖVP: Steuererhöhung!), sondern es könnten sämtliche Pensionen um das erhöht werden, um das sie nun gekürzt wurden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ja, so ist es! Deswegen diskutiert man ja sehr fleißig darüber, wie man Pensionen kürzen kann und wo bei den Pensionen noch ge­spart werden kann. (Bundesrat Dr. Kühnel: Bei den Überschüssen der SPÖ! – Heiter­keit.)

Schauen wir uns einmal die Überschüsse und die Vermögenseinkommen an, Herr Kollege! Wie schaut es da aus?

Die Vermögenseinkommen aus Zinsen und Dividenden kommen nur zu einem gerin­gen Teil – nur zu einem geringen Teil! – den privaten Haushalten zugute, denn der Großteil, meine Damen und Herren, kommt Finanzwirtschaft und Wirtschaft zugute, nämlich so viel, wie sämtliche Sozial- und Sozialversicherungsleistungen ausmachen. Allein bei den österreichischen Banken sind das jährlich zirka 7 Milliarden €. Sie neh­men mehr Zinsen ein, und zwar aus Krediten, als sie Zinsen zahlen, und zwar bei


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 45

Sparbüchern. (Bundesrat Kneifel: Auch die Gewerkschaftsbank BAWAG macht das! – Ruf bei der SPÖ: Mein Gott!)

Das ist also die Aufteilung des Vermögenseinkommens der Banken. Wir bemühen uns, dass die Sparfähigkeit und die Kaufkraft der Menschen in Österreich steigt und nicht sinkt. Mit einer solchen Aufteilung aber sinkt die Sparfähigkeit und die Kaufkraft der privaten Haushalte. Sie stagniert nicht nur, sondern sie sinkt. Die Fähigkeit der Wirt­schaft, zu investieren und Eigenkapital zu schaffen, steigt. Das ist nicht sozial!

Faktum ist auch, dass die Sozialquote und die Sozialeinkommen deutlich sinken. (Hei­terkeit des Bundesrates Hösele.) Sie können schon lachen! Uns ist da leider nicht zum Lachen zumute, weil das Fakten sind. Wenn Sie darüber lachen, muss ich Sie fragen: Wie ernst nehmen Sie solche Fakten, wenn praktisch ein Großteil des Geldvermögens und des Sachvermögens dazu dient, in Wirtschaft und Finanzwirtschaft zu investieren und Eigenkapital zu schaffen, und nicht den privaten Haushalten? (Bundesrat Kneifel: Ja, aber Ihr Finanzminister Lacina hat die Vermögensteuer abgeschafft! Vergessen Sie das doch nicht, bitte!)

Die Körperschaftsteuer wird jetzt immer mehr reduziert. Deswegen kommt es auch da­zu, dass die Konzerne (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kneifel) – lassen Sie mich bitte ausreden! – immer weniger Körperschaftsteuer zahlen müssen und praktisch immer weniger Einkommensteuer. Ich werde es Ihnen noch ganz genau sagen.

Faktum ist aber auch, dass die Sozialquote und die Sozialeinkommen deutlich sinken. Der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt geht zurück. Alle Maßnahmen zum weiteren Abbau von Sozialleistungen erhöhen das Armutsrisiko vieler Menschen in Österreich. Das heißt, Armut und Reichtum nehmen in Österreich gleichzeitig zu. Das heißt weiter: Die Armen werden noch ärmer, die Reichen noch reicher. Das ist der Weg der jetzigen Bundesregierung, und diesen Weg werden wir nicht mitgehen! Des­wegen werden wir diesem Bericht über die soziale Lage 2003–2004 nicht zustimmen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist überraschend!)

Nein, nicht überraschend! Uns würde es selbstverständlich überraschen, wenn in die­sem sozialen Bericht Maßnahmen aufgezeigt werden würden, die wirklich die sozialen Leistungen ausbauen und verbessern würden. Dies ist aber nicht der Fall, und deswe­gen werden wir diesem Bericht nicht zustimmen.

1 Million Menschen, ganz genau 1 044 000 Menschen, sind arm und armutsgefährdet. Das sind aber nicht nur Arbeitslose, die keine Arbeit finden, das sind Personen mit ma­ximal Pflichtschulabschluss, und das ist zirka ein Drittel der österreichischen Bevölke­rung ab 15 Jahren. Das sind auch Alleinerzieherinnen, die wirklich überdurchschnittlich armutsgefährdet sind, und das trotz hoher Erwerbsbeteiligung. Die Erwerbsbeteiligung macht 77 Prozent aus.

Armutsgefährdet sind auch Haushalte, deren Haupteinkommensquellen Pensionen sind. Davon sind 13,2 Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen. Diese haben weniger als 780 € im Monat zum Leben, und ihre Zahl nimmt zu. Eine Viertelmillion Menschen in Österreich sind reich und haben mehr als 70 000 € Geldvermögen oder Jahresein­kommen. Auch diese Zahl nimmt zu. 60 000 Menschen in Österreich sind Euro-Millio­näre. Jeder dieser Euro-Millionäre hat ein Geldvermögen von mehr als 1 Million.

Zusammen besitzen sie so viel Geldvermögen, nämlich 200 Milliarden €, wie sämtliche Erwerbseinkommen in Österreich ausmachen. Und diese Erwerbseinkommen sind die Erwerbseinkommen von zirka vier Millionen Österreicherinnen und Österreichern.

Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am gemeinsamen Kuchen, am Bruttoinlandspro­dukt, wird immer kleiner, der Anteil der Wirtschaft hingegen wird immer größer.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 46

Außerdem: Wer gut verdient, dessen Einkommen ist in den letzten Jahren gestiegen. Wer weniger verdient, dessen Einkommen steigt kaum. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind höher denn je. Gewinne wachsen doppelt so rasch wie Löhne und Gehälter.

Die Konzerne – und jetzt, Herr Kollege, zu Ihrer Frage – zahlen immer weniger Körper­schaftsteuer: Wenn man die Jahre 2001 und 2005 vergleicht, dann ergibt sich ein Minus von 39 Prozent! 2001 haben die Konzerne noch 6,2 Milliarden € bezahlt, jetzt sind es 3,8 Milliarden €. Und dazu erhalten sie noch Steuergeschenke.

Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zahlen immer mehr Lohn- und Einkommen­steuer. Da ist ein Plus von 4,3 Prozent zu verzeichnen. – Das ist sicher nicht sozial.

Die Steuerpolitik verstärkt Armut und Reichtum. Die Steuerpolitik in Österreich besteu­ert Einkommen und Vermögen ungleich. 13,3 Prozent der Arbeitnehmerentgelte wur­den 2003 als Lohnsteuer an den Finanzminister abgeliefert, aber nur 7,7 Prozent der Selbständigen-Einkommen und Betriebsüberschüsse wurden in Form von Einkom­mensteuer und Körperschaftsteuer abgeliefert.

Nur ein Drittel der Betriebe, meine Damen und Herren, weist gegenüber der Finanz Gewinne aus und zahlt Körperschaftsteuer. Aber jeder und jede unselbständig Arbei­tende muss pünktlich Lohnsteuer und Sozialabgaben zahlen, denn die werden ja direkt vom Gehalt abgezogen. Schon 92 Prozent aller Steuern in Österreich belasten die 200 Milliarden € Erwerbseinkommen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, aber nur sechs Prozent aller Steuern kommen von den 2 100 Milliarden € Geld- und Sach­vermögen.

Deswegen wäre ein Umbau unseres Steuersystems mit einem neuen Bekenntnis zur gerechten Verteilung des gemeinsam Erwirtschafteten mit dem Schwerpunkt einer aktiven Bildungs- und Beschäftigungspolitik notwendig. Das wäre sozial und gerecht!

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dolinschek. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.03.31

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Sigisbert Dolinschek: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass die beiden Damen, die Bundesrätinnen, die zuletzt gesprochen haben, auch tatsächlich zum Sozialbericht Stellung genommen haben, und dies sogar recht ausführlich.

Es wurde bei der Erstellung dieses Sozialberichts auf den in den vergangenen Jahren geäußerten Wunsch der Abgeordneten und Bundesräte, dass auch ein Bericht über die Einkommensverteilung, über Vermögen und über Armut in Österreich erstellt wird, Be­dacht genommen. Das ist das erste Mal in diesem Bericht enthalten. Es ist auch ein Bericht über den Konsumentenschutz enthalten; auch das ist das erste Mal in diesem Bericht vorgesehen.

Ich muss sagen, ich war ein bisschen enttäuscht über den Redebeitrag des Bundes­rates Konečny, der im Prinzip kein Wort über den Sozialbericht verloren hat. Ich glaube nämlich, dass ein solcher Sozialbericht doch wichtig ist. Wenn er sich auch auf einen Zeitraum bezieht, der bereits in der Vergangenheit liegt, so ist er doch ein Spiegel der Sozialpolitik der vergangenen Jahre und zeigt auch auf, wo man in Zukunft den Hebel ansetzen kann, wo das eine oder andere nicht passt und wo man etwas verändern


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 47

sollte. – Er ist ein wichtiges Nachschlagewerk. Ich habe es als Abgeordneter immer wieder geschätzt, den Sozialbericht als Nachschlagewerk über Statistiken und so wei­ter zu benützen.

Weil heute hier auch beklagt wurde, dass zum Beispiel die Frauen nicht extra ausge­wiesen sind: Natürlich gibt es ein Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, aber ich weise doch darauf hin, dass im Sozialbericht sehr wohl auf die Einkommensver­teilung zwischen Männern und Frauen eingegangen wird, auf die unterschiedliche Ver­teilung von Pensionsleistungen und Erwerbseinkommen zwischen Männern und Frau­en, auch auf die Beschäftigungsformen bei Männern und Frauen – Vollzeit, Teilzeit, geringfügig und so weiter. All das ist im Sozialbericht im Prinzip enthalten, und er gibt natürlich wichtige Aufschlüsse darüber. (Bundesrätin Konrad: Aber die Männer sind trotzdem extra drinnen!)

Ich muss Folgendes sagen: Für mich war vor allem die Erkenntnis wichtig, wie man Armut und Reichtum definiert. Die Armut wird eigentlich immer daran gemessen, wie das Einkommen ist. Reichtum hingegen wird nicht nach dem Einkommen gemessen, sondern nach dem Vermögen. (Bundesrätin Konrad: Stimmt nicht!) Doch, so ist es! Das ist der Unterschied zwischen den beiden, und das ist nicht immer ganz einfach. Es geht aus dem Bericht auch nicht hervor, dass man aus den darin enthaltenen Zahlen schließen kann, dass Armut durch realpolitische Maßnahmen gestiegen ist. Das ist keineswegs so.

Frau Bundesrätin Blatnik! Wenn Sie sagen, Armut und Reichtum nehmen in Österreich gleichmäßig zu, so muss ich doch festhalten, dass sich in Österreich das Verhältnis zwischen Arm und Reich wesentlich besser darstellt als im gesamten angelsächsi­schen Raum. (Zwischenruf der Bundesrätin Blatnik.)

Ich verweise da auf England, wo es einen sozialdemokratischen Premierminister gibt und wo dieses Verhältnis weit, weit mehr auseinander klafft als bei uns, und ich muss sagen: Da steuern wir mit den Maßnahmen, die gesetzt worden sind – was auch aus dem Sozialbericht hervorgeht –, die Entwicklung schon richtig, eben in Richtung mehr Beschäftigung, damit die drei Hauptziele, nämlich die Erhaltung des österreichischen Systems, der sozialen Sicherheit und des solidarischen Zusammenhalts – das muss uns doch allen ein Anliegen sein! (Bundesrätin Blatnik: Ist es ja! Ist es uns doch!) –, in Österreich besonders gefördert werden. Der soziale Zusammenhalt innerhalb der Ge­sellschaft bedeutet, dass man auf jene Rücksicht nimmt, die im Leben nicht so begüns­tigt sind. (Bundesrätin Lueger: ... zahlt Schenkungssteuer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, Herr Kollege, das haben Sie sicherlich bemerkt – ich glaube Ihnen das –, als wir im Jahr 2001 die Behindertenmilliarde eingeführt haben. Das ist Ihrer Fraktion in der Ver­gangenheit, als Sie die Verantwortung innehatten, nie eingefallen!

Ich muss auch sagen, auch das Behindertengleichstellungsgesetz wird eine wesent­liche Verbesserung in Österreich bringen. Das war auch notwendig, damit Menschen mit einem Handikap gleichberechtigt ein selbstbewusstes Leben führen können. Das hat ebenfalls diese Bundesregierung bewirkt. Dieses Gesetz wird mit Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Es sind hier also beide Komponenten wichtig: Auf der einen Seite dieses Gesetz, auf der anderen Seite die Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung, in deren Rahmen sämtliche Projekte gefördert werden. Ich habe erst gestern eines davon besucht, und ich bin eigentlich begeistert. Wir müssen natürlich aufpassen, dass das Geld dort auch ordnungsgemäß verwendet wird, und wir werden ja auch vom Rechnungshof dahin gehend geprüft. Aber wir hatten dort die Möglich­keit – und wir haben sie genützt –, zu bewirken, dass die Arbeitslosenrate bei Men-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 48

schen mit Behinderung gesunken ist, auch wenn die Arbeitslosenrate generell gestie­gen ist. – Das eine soll uns natürlich nicht über das andere hinwegtrösten und soll nicht bedeuten, dass wir nicht generell bestrebt sein müssen, in Österreich die Arbeitslosig­keit so niedrig wie möglich zu halten – denn dann wird es auch leichter sein, für Men­schen mit Behinderung etwas umzusetzen. Aber hier ist doch bereits Wesentliches geschehen.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist jetzt sehr viel über Einkommen gesprochen worden. Wir haben in den vergangenen Jahren auch Maßnahmen gesetzt – etwa mit der Schaffung des Kinderbetreuungsgeldes –, durch die vor allem die Belastung für Eltern mit Kindern verringert wurde und mit denen wir dazu beigetragen haben, ge­wisse Teile der Erziehungskosten abzufedern.

Hier ist vor allem auch wieder die Steuerreform 2004 und 2005 zu nennen. Diese ist in dieser Statistik, im Sozialbericht noch gar nicht enthalten – das kann sie auch nicht sein. Diese ist hier noch gar nicht eingeflossen, Frau Bundesrätin Blatnik. Das möchte ich Ihnen schon sagen: Das ist im vorliegenden Bericht noch nicht enthalten (Zwi­schenruf der Bundesrätin Blatnik – Bundesrat Gruber: Würde sich ja auch nicht aus­wirken, Herr Staatssekretär!), nämlich die Auswirkungen dieser Steuerreform, durch die jeder einzelne österreichische unselbstständig Beschäftigte mit einem Jahresein­kommen von bis zu 15 770 € praktisch steuerfrei gestellt ist, jeder Pensionist mit einer Bruttopension von bis zu 13 500 € steuerfrei gestellt ist! – Das sind Maßnahmen, die wir bewirkt haben, geschätzte Damen und Herren! (Bundesrätin Blatnik: Aber auf die steuerfreien Einkommen kann man doch nicht stolz sein! – Bundesrat Gruber: Das ist eh traurig, ...! – Bundesrätin Blatnik: Darauf kann man doch nicht stolz sein!)

Vor allem, Frau Kollegin Blatnik, muss ich Ihnen noch Folgendes sagen, nämlich be­treffend die Fraueneinkommen: Bis zum Jahr 2000 sind die Unterschiede bei den Fraueneinkommen gestiegen. Wer bis zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung in die­sem Staat getragen hat, brauche ich ja nicht zu erwähnen. (Bundesrat Molzbichler: Also bitte! Bitte! – Bundesrat Gruber: Hör doch auf! In zehn Jahren redet ihr noch davon!) – Ja, die Wahrheit tut eben weh, Herr Kollege! (Bundesrat Boden: ... Prozent in der Steiermark – das ist die Wahrheit!)

Seit dem Jahr 2000 sind die Unterschiede zwischen den Einkommen von Männern und Frauen geringer geworden! (Bundesrat Gruber: Das ist ja lachhaft!) Nein, so ist es! (Bundesrat Gruber: Das ist ja lachhaft!)

Herr Kollege, das sind Fakten! (Bundesrat Gruber: Aber geh! – Geschönte Fakten!) Die wollen Sie aber nicht hören, weil es unter Ihrer Verantwortung eher schlechter war, als es jetzt ist. Das ist eben einmal so. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Geschönte Fakten waren das!)

Ich muss in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweisen, dass da gar nichts herausgerechnet ist – dass also nur die Frauen mit Vollbeschäftigung enthalten wä­ren –, sondern da ist alles drinnen, alles enthalten: die geringfügig Beschäftigten, die Teilzeitbeschäftigten, alle. Und trotzdem ist der Unterschied geringer geworden! – Das ist Faktum!

Ich muss dazu auch Folgendes sagen: Wichtig ist, dass wir auch bei der letzten Steu­erreform vor allem für die kinderreichen Familien etwas getan haben, dass der Absetz­betrag erhöht worden ist. Dieser ist jetzt pro Kind gestaffelt – das war früher nie der Fall! –: Für ein Kind gibt es beim Absetzbetrag (Bundesrat Gruber: Darum werden die Armen immer mehr!) zu den 364 € extra noch 130 € dazu (Bundesrat Gruber: Darum werden die Armen immer mehr – laut „Salzburger Nachrichten“!), für das zweite Kind dann noch einmal 175 € – das sind also 305 € Zuschlag für zwei Kinder –, und für jedes weitere Kind erhöht sich der Absetzbetrag um weitere 220 €. – Das war einmalig,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 49

aber das verschweigen Sie! (Bundesrat Mag. Pehm: Die Negativsteuer ist nicht erhöht worden!)

Doch, es gibt auch eine Negativsteuer in diesem Fall: Auch wenn jemand keine Steu­ern bezahlt, kann er das vom Finanzamt (Bundesrat Mag. Pehm: Aber sie ist nicht verändert worden!) im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung zurückbekommen, Herr Kollege. Und das sollten Sie sich doch in Erinnerung rufen: dass es hier eine faire Vor­gangsweise gibt und dass wir vor allem für jene, die es im Leben nicht so leicht haben, unser Herz am richtigen Fleck haben! (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Gruber.)

Dieser Sozialbericht, meine Damen und Herren, ist also Zeugnis für und die Bilanz einer dynamischen, konsequenten und sozial gerechten Reformarbeit, die auch inter­national eine positive Anerkennung erhält – das erfahre ich immer wieder. Ich bin ja auch bei den diversen Sitzungen des EU-Rates und bei den einzelnen Workshops, bei den informellen Treffen und so weiter dabei, und ich muss sagen (Bundesrat Mag. Pehm: Aber in Österreich wurden Sie abgewählt!): Wir erhalten höchste Aner­kennung für unsere Sozialpolitik, für unsere Beschäftigungspolitik. Bei der Beschäfti­gung Älterer haben wir noch ein bisschen Nachholbedarf, das ist keine Frage (Bundes­rat Mag. Pehm: Wir haben Rekordarbeitslosigkeit!), aber auch deren Beschäftigungs­quote ist in den letzten zwei Jahren gestiegen, und zwar von 28,7 Prozent auf 30,1 Prozent (Bundesrat Mag. Pehm: Nicht „Nachholbedarf“! – Rekordarbeitslosig­keit!), Herr Kollege.

Vor allem ist es wichtig, dass wir auch international diese Anerkennung erhalten und dass wir im Sinne der österreichischen Bevölkerung arbeiten. – Ich danke für die Auf­merksamkeit. (Bundesrat Reisenberger: Realitätsverweigerung ist das! – Bundesrat Mag. Pehm: Da klatschen nicht einmal mehr die Regierungsparteien! – Bundesrat Stadler: „Applaus!“, „Applaus!“ – Da klatschen nicht einmal die Regierungsparteien!)

11.13


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Baier. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.13.38

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Zu Beginn ist es mir ein Anliegen, ein wenig das zu reflektieren, und darauf zu replizieren, was der Fraktionsvorsitzende der SPÖ, der sozialdemokratischen Fraktion hier im Bundesrat – obwohl er nicht da ist, aber man wird es ihm mit Sicherheit ausrichten oder bestellen können – zum Sozialbericht ge­sagt hat. Es ist zwar schon das eine oder andere Mal erwähnt worden, aber ich möchte es noch einmal wiederholen. (Ruf bei der SPÖ: Na probieren Sie es! Fangen Sie an!)

Für all jene, denen es nicht so sehr aufgefallen ist, möchte ich sagen, dass er nicht ein Wort, nicht eine Zahl, nicht einen Satz inhaltlich, in der Sache, zum vorliegenden So­zialbericht gesagt hat. Aber ... (Bundesrat Kraml: „1 Million“ hat er gesagt! „Über 1 Mil­lion armutsgefährdet“ hat er gesagt! – Das haben Sie schon wieder ...!) – Ja, er hat gesagt, 1 Million sind armutsgefährdet. Das war das Einzige.

Aber natürlich konnte er zum Schluss bemerken: „Wir lehnen den Bericht ab!“ – Das hat er schon gesagt – aber er hat es nicht begründet, warum auch immer. (Bundesrat Mag. Pehm: Selbstverständlich hat er eine politische Bewertung vorgenommen!) Viel­leicht weil er den Bericht nicht gelesen hat – das wäre eine Möglichkeit (Bundesrat Gruber: Wichtig ist, dass Sie es gelesen haben!) – oder weil ihm dazu nichts eingefal­len ist oder weil er hiezu inhaltlich an Kritikpunkten wenig anbringen hätte können. Das alles mögen Gründe sein. Und er hat von einer Realität gesprochen: Er hat gesagt, die-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 50

ser Sozialbericht sei eine Realität – die Realität der Bundesregierung und der Leistun­gen. (Bundesrat Mag. Pehm: „Scheitern“ hat er gesagt!) – Ja, das hat er auch gesagt.

Frau Kollegin Blatnik hat etwas ganz Richtiges gesagt – nicht alles war richtig, aber eines war sehr treffend –: Sie hat von Arbeitsmarktpolitik gesprochen. Und weil wir ja so kurz vor der Wiener Wahl stehen, wäre es auch notwendig und wichtig, hier einmal etwas über die Arbeitsmarktpolitik der Wiener Landesregierung und der Wiener SPÖ zu sagen (Bundesrat Kraml: Da wirst du dir kalte Füße holen!) – im Vergleich zur österreichischen oder auch im Vergleich zu jener anderer Bundesländer. (Bundesrat Kraml: Da ist schon der Pühringer ausgerutscht!)

Warum sage ich das? – Weil es ja auch ein Spiegelbild ist und weil es auch eine Bilanz ist und eine Realität darstellt!

Ich habe mir erlaubt, eine Graphik mitzunehmen – da ja auch Frau Blatnik eine Graphik mitgehabt hat. Meine ist etwas größer, damit man das auch erkennen kann. (Der Red­ner zeigt eine Graphik mit einem Säulendiagramm.) – Ich zeige es lieber vorher zur SPÖ, damit Sie das auch wirklich sehen können, und zwar: die Arbeitslosenquote der Bundesländer in Prozent ausgedrückt. Sie sehen hier die einzelnen Bundesländer, und Sie sehen auch den Ausreißer nach oben: Das ist Wien! Wien ist mit Abstand der Aus­reißer nach oben! (Bundesrat Kraml: Mit dem werden Sie keine Stimmen gewinnen, Herr Kollege!) Die besten Daten hat Oberösterreich. – Es sind die Daten von Septem­ber 2005.

In Richtung meiner Fraktion zeige ich diese Graphik ebenfalls – aber ihr kennt das ohnehin. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Pehm: Aber jetzt bin ich auf die Analyse gespannt!)

Herr Kollege Pehm, regen Sie sich nicht auf! (Bundesrat Mag. Pehm: Nein, ich bin auf die Analyse gespannt, habe ich gesagt!) – Jetzt bin ich beim wesentlichen Punkt ange­langt – Sie können ganz cool bleiben –: Sozial ist das, was Arbeit schafft! (Beifall bei der ÖVP.) Und da bin ich bei Ihnen.

Und jetzt frage ich Sie: Wie sozial ist die Wiener SPÖ? (Bundesrat Mag. Pehm: Sehr!) Wie sozial ist die Wiener SPÖ mit einer Arbeitslosenquote von 9,2 Prozent? (Bun­desrat Mag. Pehm: Warum ist das so?) Wie sozial ist das? Wie geht man hier auf die Ängste des viel beschworenen „kleinen Mannes“ ein? (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ist die „kleine Frau“ auch dabei?) – Ich frage mich: Wo sind hier die Leistungen?

Sie stellen sich vor einer Wiener Wahl hier her, respektive Kollege Konečny, der ja, soviel ich weiß, Wiener ist. Er sagt kein Wort zum Sozialbericht (Bundesrat Kraml: Das stimmt nicht! Das ist falsch!), meint, das sei ein Spiegel und die Realität – und ver­schweigt bewusst die Wiener Realität! (Bundesrat Mag. Pehm: Die Bundesregierung hat Tausende Arbeitsplätze abgeschafft in Wien! Das ist ein Grund für die hohe Arbeitslosigkeit!) Jetzt verstehe ich auch, warum er zum Sozialbericht inhaltlich nichts gesagt und sich mehr mit der Steiermark beschäftigt hat. Auch mit Deutschland hat er sich beschäftigt, mit allem anderen, aber mit dem Sozialbericht nicht – weil er nichts vorzuweisen hat, weil es da ... (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine schwierige Situation, ...!) – Das mag auch sein. Tatsache ist, dass hier keinerlei Leistungen vorliegen!

Und jetzt frage ich Sie: Wo ist jetzt jemand gescheitert? (Bundesrat Mag. Pehm: Ge­scheitert ist die Bundesregierung mit Rekordarbeitslosigkeit! Rekordarbeitslosigkeit!) Wo ist jemand gescheitert? Ist da jemand in Wien gescheitert oder im Burgenland gescheitert – oder ist diese Bundesregierung gescheitert, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Das ist die Frage, auf die es ankommt! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl. – Bundesrat Mag. Pehm: Die Bundesregierung ist geschei­tert! Die Bundesregierung ist gescheitert!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 51

Das Bekenntnis zu Reformen, das sind nur Lippenbekenntnisse (Bundesrat Mag. Pehm: Richtig!), denn man hat oft genug gesehen ... (Bundesrat Gruber: Re­kordarbeitslosigkeit!)

Schauen Sie: Geben Sie sich und uns die Chance, hier in Ruhe eine Debatte, eine sachliche Debatte zu führen (Bundesrat Gruber: Sachlich ist das nicht!), bei der man auch reflektieren kann. Wir haben Ihrem Fraktionsvorsitzenden sehr genau zugehört – es war eh nicht einfach, das gebe ich zu (Ruf bei der SPÖ: Das glaube ich Ihnen!), es war nicht immer leicht. Aber versuchen Sie auch, einer Reflexion zuzuhören!

Und ich sage Ihnen, er hat gesagt: Wir sind bereit zu Reformen! Er hat gesagt: Ja, wir lehnen nicht jeden Punkt ab. – Er hat die Oppositionspolitik gerechtfertigt, aber ich be­haupte, das sind Lippenbekenntnisse, billige Lippenbekenntnisse. Ehe man noch den Verhandlungstisch und den Saal verlassen hat, hat man schon den Mut verloren. Das ist das, was bei der SPÖ momentan zu spüren ist. Da geht es nur mehr um Umfragen und Prozentpunkte. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Frau Kollegin Blatnik, zu Ihrer Information: Rund 90 Prozent, um es genauer zu sagen: 88 Prozent, aller österreichischen Unternehmen haben weniger als zehn Mitarbeiter. (Bundesrat Ing. Einwallner: Die sind ja nicht entlastet worden! Das ist ja genau das Problem!) Hören Sie auf mit diesem Märchen, dass die Konzerne in diesem Land regieren oder sonst etwas würden! Das sind Märchenstunden! Ich weiß auch gar nicht, wer sich so etwas ausdenkt, woher diese abstrusen Weltverschwörungsideen kom­men. Sie werden uns sicher aufklären können. Sagen Sie uns ruhig, wo diese Stabs­stellen sind, wo diese Märchenonkel sitzen! (Ruf bei der SPÖ: In der ÖVP!)

Ich sage Ihnen: Die österreichische Wirtschaft, die mittelständische Wirtschaft schafft Wirtschaftswachstum, schafft Arbeitsplätze. (Bundesrat Gruber: Wo denn? Wo denn?) – In Wien nicht! In Wien ist es nicht so, Herr Kollege, weil die Rahmenbedin­gungen nicht stimmen. (Bundesrat Mag. Pehm: Das ist sehr zynisch! – Bundesrat Reisenberger: ... die Wahrheit zählt!) – Ja, Ihre Wahrheit, die ist ein bisschen verzerrt, Herr Kollege! Sie sind ja auch Wiener, schauen Sie sich doch Ihre Arbeitsmarktdaten an, dann kommen Sie sehr schnell zu einem Schluss! (Bundesrat Reisenberger: Es gibt nur eine Wahrheit! Das müssen auch Sie einmal zur Kenntnis nehmen!)

Aber lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen. (Bundesrat Gruber: Reden Sie vom Sozialbericht und nicht von Wien!) – Herr Kollege Gruber, Ihre Wortmeldun­gen waren noch nie besonders sinnreich. Sie brauchen auch gar nicht nervös zu sein. (Bundesrat Gruber: Wir sind nicht nervös!) – Ach nicht? Dann können Sie mir ja ganz gelassen zuhören. (Bundesrat Gruber: Aber Sie scheinen immer nervöser zu werden!)

Ihr Fraktionsvorsitzender hat gesagt, Sie lehnen diesen Sozialbericht ab. Das ist rich­tig, oder? (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Ich sage Ihnen nun ganz kurz ein paar Punkte, was speziell die jungen Leute betrifft, damit Sie wissen – nachdem er ja nichts zum Sozial­bericht gesagt hat (Bundesrat Gruber: Sie sagen auch nichts dazu!), er hat ihn offen­bar nicht gelesen –, was Sie ablehnen. Sie haben ja noch die Chance, ihn zu lesen. Nützen Sie diese Chance! (Bundesrat Mag. Himmer: Nein, so schnell kann er nicht lesen!) Oder überblättern Sie ihn zumindest, damit Sie wissen, was Sie ablehnen!

Sie lehnen die Steigerung der Sozialquote seit 2000 ab. Erstmals steigt sie wieder seit 1994. Sie lehnen die Arbeitsmarktpolitik ab (Bundesrat Mag. Pehm: Na selbstverständ­lich! Rekordarbeitslosigkeit!), die im Bundesgebiet sehr erfolgreich ist. Wie es in Wien ausschaut, das sehen wir.

Sie lehnen das Kinderbetreuungsgeld ab. Sie lehnen ab, dass auch jene Mütter mit Kindern, die vorher kein Kinderbetreuungsgeld bekommen haben, Studentinnen etwa,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 52

um nur ein Beispiel aus der jungen Gruppe zu nennen, jetzt Kinderbetreuungsgeld krie­gen. Das lehnen Sie ab, Herr Gruber.

Sie lehnen die Einführung der Familienhospizkarenz und den Härteausgleich ab, den man 2002 geschaffen hat. Das lehnen Sie ab. (Bundesrat Mag. Pehm: Wir lehnen die Studiengebühren ab!)

Sie lehnen die Wiedereinführung der Heimfahrtbeihilfe für Schüler und Lehrlinge ab – damit Sie wissen, was Sie ablehnen, nur im Jugendbereich. Und Sie lehnen die Fahr­tenbeihilfe etwa für Schulpraktika ab, die eingeführt wurde.

Sie lehnen also wesentliche Teile der Sozialpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Fami­lienpolitik ab (Bundesrat Mag. Pehm: Ja! Ja! Ja! – Bundesrat Gruber: Weil es eine schlechte Politik ist!), weil Sie an Konzeptlosigkeit nicht mehr zu überbieten sind. (Bei­fall bei der ÖVP.) Ich hoffe für unser Land, dass diese Politik, die Sie in diesem Hause machen und die man bei dieser Debatte wieder klar erkennen konnte, langfristig keine Zukunft in diesem Land hat. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

11.24


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Gumplmaier das Wort.

 


11.24.48

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vor­sitzender! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Baier hat die Arbeitsmarktsituation von Wien als großes Beispiel genommen. Insgesamt kann man zusammenfassend sagen: Eigentlich müsste die ÖVP heute sagen, die Welt ist so un­gerecht: Wir machen die richtige Politik, nur niemand kommt darauf! Wir verlieren über­all die Mehrheit, obwohl wir richtige Politik machen. – Die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Sie beklagen, dass die Menschen und auch wir nicht den großen sozialpolitischen Fort­schritt, den Sie angeblich in den letzten Jahren erzeugt haben, sehen. Sie können si­cher sein, was den Menschen von Ihrer Regierungsperiode in Erinnerung bleiben wird, sind zwei Schlagwörter im Zusammenhang mit Sozialpolitik: „speed kills“ und Null­defizit. (Bundesrat Höfinger: Überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum! – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) „Speed kills“ beim Kürzen, beim Sozialabbau, und das Nullde­fizit ist eine Propaganda-Schimäre, wie sich jetzt wieder herausgestellt hat. (Bundesrat Mag. Himmer: Sozialabbau ist eine Propaganda-Schimäre! – Ruf bei der ÖVP: Wir haben den sozialdemokratischen Schuldenberg abgebaut!)

Herr Himmer, Ihre Erregbarkeit nimmt in den letzten Sitzungen regelmäßig zu. Der Herr Kollege Baier verkennt offensichtlich die Zuständigkeit in der Arbeitsmarktpolitik: Für die Arbeitsmarktpolitik ist nicht der Sozialminister zuständig, aber das hat sich vielleicht nicht durchgesprochen bis zur Jugendorganisation in Linz ... (Bundesrat Mag. Baier: Was hat Ihre Frau Blatnik gesagt? Arbeitsmarktpolitik ist so wichtig für den Sozialbereich!) – Ja, ich komme noch darauf zurück. Horchen Sie mir gut zu, dann kommen Sie darauf! (Bundesrat Mag. Baier: ... und Sie sollen ein Gewerkschafter sein?) Also für die Arbeitsmarktpolitik ist erstens der Wirtschaftsminister zuständig, lei­der, und zweitens die Sozialpartner. (Bundesrat Dr. Böhm: Dazu gehören Sie ja auch!)

Und was die große, lobende Erwähnung von Oberösterreich betrifft, mache ich Sie auf­merksam auf die Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts im Auftrag der Arbeiterkam­mer. (Bundesrat Mag. Baier: Ihre Pamphlete haben wir eh schon gelesen!) Da steht eben drinnen, was Sie nicht gerne hören, nämlich dass die tatsächliche Arbeitslosigkeit in Oberösterreich um 53 Prozent höher ist als statistisch ausgewiesen. Sie können


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 53

diese Studie von mir haben! (Bundesrat Mag. Baier: Sie machen sich lächerlich! – Bundesrat Gruber: Aber du auch! – Bundesrätin Roth-Halvax: Aber du schon lang!)

Herr Himmer, zur großen Aufregung über die Energiepreise nur ein paar Fakten. Der Finanzminister profitiert von den hohen Energiepreisen, also inklusive den Spritpreisen, übermäßig. Laut Benzinmarktstudie fließen ihm 55 Prozent vom Benzinpreis zu. Der Finanzminister hat seit Jänner 2004 Mehreinnahmen durch angehobene Mineralöl­steuer von über 300 Millionen €, inklusive der Umsatzsteuer. Bei der Mehrwertsteuer, die immer mitsteigt, wenn die Spritpreise steigen, schneidet er pro 1 Cent Preiserhö­hung 12,6 Millionen € mit. Wir verlangen, dass die Mehreinnahmen bei der Mineralöl­steuer zum Beispiel für einen Heizkostenzuschuss verwendet werden.

Nun zum Sozialbericht. Berichte über die soziale Lage waren in der Vergangenheit nicht nur statistische Zustandsbeschreibungen und Nachschlagewerke, sondern sie haben immer auch einen Bericht über den sozialen Fortschritt – im Periodenvergleich – beinhaltet. Der soziale Fortschritt kann dokumentiert werden im Vergleich zu Vorperio­den und im Vergleich mit anderen Ländern. Diese Komponente fehlt auffälligerweise zunehmend. Klar, es ist auch verständlich, denn über den Fortschritt gibt es nichts zu berichten, und den Rückschritt wollen Sie nicht dokumentieren.

Es fehlt – und das wurde im Ausschuss auch zugegeben – eine Dokumentation der Auswirkungen Ihrer Politik, zum Beispiel der Pensionsmaßnahmen. Das wurde im Aus­schuss von einem Beamten zugegeben, dass es darüber keine Statistik gibt, und das für eine der einschneidendsten Maßnahmen im Jahr 2003.

Aber es gibt eine Neuerung: Erstmals im Bericht über die soziale Lage gibt es einen Armuts- und Reichtumsbericht. Das ist lobenswert; das dürfte allerdings dieser Regie­rung „passiert“ sein. Dafür gibt es nämlich einen parlamentarischen Beschluss von den vier Parlamentsparteien, der die Regierung dazu gezwungen hat. Der zuständige Be­amte hat auch gleich im Ausschuss auf meine Frage gesagt, das sei einmalig gewesen und sei ein weiteres Mal nicht beabsichtigt – aus durchsichtigen Gründen.

Dank der Armutskonferenz wird die Entwicklung der Armut auch ohne Sozialministe­rium schon seit Jahren dokumentiert. Auf Grund dieser Arbeiten der Armutskonferenz ist leicht nachzuvollziehen, dass die Armutsgefährdung in Österreich in den letzten Jahren ständig zugenommen hat. Sie nimmt vor allem zu, weil die Arbeitslosigkeit steigt. Es ist signifikant, dass mit Zunahme der Arbeitslosigkeit die Armutsgefährdung steigt und umgekehrt mit Zunahme der Beschäftigung sinkt. Die Arbeitslosigkeit steigt, weil das Wachstum fehlt, und das Wachstum fehlt aus mehreren Gründen.

Es wäre Aufgabe der Sozialpolitik, die Verwerfungen des Marktes zu korrigieren und auszugleichen und den Menschen Sicherheit zu geben. Und eine wesentliche Voraus­setzung für wirtschaftliches Wachstum, für Ausgaben- und Konsumfreudigkeit ist das Gefühl der Sicherheit und Stabilität.

Es sinkt nicht nur der Anteil der Ausgaben für Sozial- und Gesundheitspolitik in Öster­reich, es sinkt auch die Lohnquote, der Anteil der Lohn- und Gehaltseinkommen am gesamten Volkseinkommen, gepaart mit der Verunsicherung und mit der im Armuts- und Reichtumsbericht dokumentierten Ungleichheit. Die Ungleichheit führt vor allem dazu, dass die Masseneinkommen sinken, führt eben dazu, dass die Menschen einem so genannten Angstsparen, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut es bezeichnet, ver­fallen und die private Nachfrage ausfällt.

Der Globalisierung sind die Menschen ausgesetzt, und die Verunsicherung wird nicht aufgefangen. Die Ungleichheit nimmt durch die neoliberale Politik zu. Die Massenein­kommen sinken, die Nachfrage sinkt, aber eines steigt in allen Ländern, in denen die Ungleichheit zunimmt, und das ist auch nicht Teil des Sozialberichtes: Während die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 54

Ungleichheit und der Reichtum zunehmen, steigen die Häftlingszahlen. Ein Phänomen, das in Wahrheit kein Phänomen ist, sondern eine Tatsache, die wir bereits seit Jahr­zehnten in den USA beobachten können: Mit Zunahme der Ungleichheit einer Gesell­schaft nimmt die Kriminalität zu.

Eine Tatsache, die Sie sich neben dem Sozialbericht vergegenwärtigen sollten, ist, dass in dieser Regierungsperiode die Zahl der Häftlinge von 6 000 auf 9 000 gestiegen ist, darunter 500 Jugendliche. Was man in der Sozialpolitik einspart und in der Bil­dungspolitik kürzt, gibt man dann mehr für die Häftlinge aus. In den USA vorgelebt ... (Bundesrat Mag. Baier: Das ist ein Wahnsinn, bitte! Das ist ein Wahnsinn! – Ruf bei der ÖVP: Es hat das eine mit dem anderen nichts zu tun!) – Ach so, es hat das eine mit dem anderen nichts zu tun? Genau das ist Ausdruck Ihrer Politik und Ihres Unver­ständnisses. Und genau das will ich Ihnen sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Baier: Das ist ja mit Abstand das Letzte, was ich jemals gehört habe! – Bundes­rat Gruber: Nimm dich ein bissel zurück, hörst! – Bundesrätin Roth-Halvax: Da redet der Richtige! – Bundesrat Reisenberger: Und schon wieder den Schnabel offen!)

Der Beamte aus dem Sozialministerium, der eingestanden hat, dass es das erste und letzte Mal ist, dass man einen Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht hat, reflek­tiert offensichtlich die Verhältnisse in der Bundesregierung, denn zwei aus der Gruppe der zehn reichsten Österreicher sind Mitglied dieser Bundesregierung beziehungs­weise im Nationalratspräsidium, und einer will gerade hinaufheiraten zu den zehn Reichsten. (Bundesrätin Roth-Halvax: Ist es verboten, dass man heiratet?) – Nein, es ist nur bemerkenswert, wer in der Regierung sitzt.

Die beste Sozialpolitik ist eine richtige Wirtschaftspolitik, eine Wirtschaftspolitik, die zu mehr Beschäftigung führt, haben Kollegen von der Regierungsfraktion richtigerweise erwähnt, der Zusammenhang ist richtig. Nur: Sie machen Politik in die verkehrte Rich­tung, Sie machen die falsche Wirtschaftspolitik und damit auch eine schlechte Sozi­alpolitik. Sie könnten sich ein Beispiel nehmen an den erfolgreichsten Ländern in Europa. (Ruf bei der ÖVP: Das tun wir ja! – Bundesrat Gruber: Wo denn?) Ah ja.

Während Österreich permanent bei den Rankings verliert, ist eines bemerkenswert: Die wettbewerbsfähigsten Länder sind Finnland und Schweden (Bundesrat Höfinger: Ja, und in der Jugendarbeitslosigkeit?! – Bundesrat Mag. Pehm: Ja, aber sie steigt überproportional an in Österreich!), die wettbewerbsfähigsten Länder sind die skandi­navischen Länder: geringste Arbeitslosigkeit, höchstes Wirtschaftswachstum und – hören Sie zu! – Budgetüberschüsse, und das vor allem deswegen, weil die Ausgaben für die sozialen Maßnahmen wesentlich höher sind. Alles das, was Sie unter dem Motto „speed kills“ zusammengekürzt haben, wird dort mehr ausgegeben.

Eine wesentliche Ursache ist laut Wirtschaftsforschungsinstitut darin zu sehen, dass die Skandinavier ihre soziale Sicherheit nicht gefährden und die Bevölkerung sich si­cher fühlt. Deswegen gibt es kein Angstsparen, und das Geld, das eingenommen wird, wird wieder ausgegeben, im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo die Men­schen sich ihrer Zukunft nicht sicher sind, weil sie keine gesicherten Arbeitsplätze haben und nicht mit Sicherheit wissen, ob sie noch eine Pension bekommen werden.

Der große Unterschied zu Schweden: Zum Beispiel bei der Pensionsreform hat sich die Regierung in Schweden sechs Jahre Zeit genommen für das Suchen einer Lösung, und zwar im gesellschaftlichen Konsens. (Zwischenruf des Bundesrates Höfinger.) Das Ergebnis ist, dass in Schweden – im Gegensatz zu Österreich – ein breites Gefühl der Zuversicht in der Bevölkerung Platz greift. (Bundesrat Höfinger: Wissen Sie, wie viel Prozent Eigenvorsorge in Schweden gemacht werden muss? Das müssen Sie auch dazusagen! Das ist unsozial!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 55

Also nehmen Sie sich ein Beispiel an den skandinavischen Ländern! Die beste Sozial­politik betreibt man, wenn man eine (Bundesrat Höfinger: Eine ehrliche Politik be­treibt!) Sozialpolitik macht – und das zeigen auch die skandinavischen Länder –, die zu mehr Beschäftigung führt. (Bundesrätin Roth-Halvax: Man muss Gleiches mit Glei­chem vergleichen!) Ja, machen Sie das! (Bundesrätin Roth-Halvax: Sie aber auch!)

In Österreich verlieren wir an Wirtschaftswachstum, und das bei gleichzeitiger Kürzung der Sozialausgaben. Die skandinavischen Länder erhöhen die Sozialausgaben, das Wirtschaftswachstum steigt und gleichzeitig steigt auch der Budgetüberschuss, nicht das Defizit wie in Österreich. (Bundesrat Ing. Haller: Wir erhöhen die Sozialausgaben!)

Ja, Sie geben mehr für Häftlinge aus und die anderen mehr für Sozialausgaben und für die Herstellung einer Gleichheit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schenn­ach. – Bundesrat Höfinger: Verhaltener Applaus Ihrer eigenen Fraktion!)

Es braucht also eine offensive Sozialpolitik, die zu mehr Beschäftigung und zu mehr Wachstum führt, und es braucht einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, damit endlich wieder auch Sozialpolitik möglich wird.

Meine Fraktion nimmt den Bericht nicht zur Kenntnis, weil er ein Bericht über eine fal­sche Politik ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich möchte zwischendurch wieder daran erinnern, dass wir eine vereinbarte freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten in Aussicht ge­nommen haben.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


11.41.34

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Ganz kurz zwei Sätze, zurückkommend auf meinen Vorredner Kollegen Gumplmaier.

Er hat hier Beispiel gebend die skandinavischen Länder angeführt. Ich weiß nicht, wo­her er diese Information hat, ich weiß aber – und in einem Punkt hat er Recht –: Nor­wegen zum Beispiel hat zwar einen Budgetüberschuss, aber ich möchte nicht norwe­gische Sozialstandards in Österreich, weil erstens in Norwegen ein wesentlich höheres Preisniveau bei einem insgesamt in etwa gleichem Lohnniveau wie in Österreich herrscht und zweitens in Norwegen die Sozialleistungen wesentlich geringer sind als in Österreich im Hinblick auf die Krankenversicherung. Die Selbstbehalte sind wesentlich höher als in Österreich, und drittens ist zwar der Pensionsbeitrag in etwa gleich hoch, aber die Pensionsleistung ist in etwa um 40 Prozent niedriger.

Diese Verhältnisse möchte ich bei uns in Österreich nicht haben, Herr Kollege Gumpl­maier, daher richtet sich Ihr Beispiel von selbst. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konečny: Jetzt, wo Jens Stoltenberg wieder die Regierung bildet, wird das anders werden! Es ist halt so, dass die Leute sich manchmal zuerst etwas von den Konservati­ven wegnehmen lassen müssen, bevor sie begreifen, dass sozialdemokratische ... ! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Nun zum Tagesordnungspunkt, Bericht über die soziale Lage 2003–2004. Man könnte ganz einfach sagen, dieser Bericht ist nichts anderes als – sagen wir es ganz einfach – eine Bilanz über einen bestimmten Zeitraum: ein Zahlenwerk mit Fakten und Daten.

Herr Kollege Professor Konečny! Sie haben in Ihrem Redebeitrag erklärt, dass Ihre Fraktion die Zustimmung zu dieser Bilanz, zu diesem Zahlenwerk, zu diesen Fakten nicht geben wird. Über die Begründung können wir diskutieren, werden wir auch noch reden, aber der Beitrag, den Sie dazu geleistet haben, nämlich Ihre Begründung war


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 56

im Hauptteil eine Wiener Wahlkampfrede. Der Bericht ist eine Leistungsbilanz, und zur Leistungsbilanz haben Sie eigentlich wenig bis gar nichts ausgesagt.

Mir und meiner Fraktion haben zumindest Ihre Erklärungen dazu, warum Sie diesen Sozialbericht ablehnen, gefehlt. Vielleicht ging das auch in Ihrer Wiener Wahleuphorie unter; das mögen Sie selbst beurteilen.

Meine Damen und Herren! Aber das, was ich jetzt sage, sage ich nicht in Bezug auf Professor Konečny und mich, sondern das gilt für alle. Es ist natürlich ein Wesenszug der Demokratie, dass es unterschiedliche Zugänge, unterschiedliche Informationen zu Berichten und zu Entscheidungen gibt. Es ändert aber in Summe nichts, ob der Zu­gang unterschiedlich ist, der Inhalt des Berichts bleibt in Summe immer derselbe.

Herr Kollege Konečny, genau deshalb hätte ich mir inhaltlich von Ihnen, von Ihrer Frak­tion mehr Kritik erwartet, dann hätte ich Ihre Haltung verstanden. Ich hätte verstanden, wenn Sie gesagt hätten, es ist zu wenig Inhalt im Bericht. Ich hätte verstanden, wenn Sie, wie Kollegin Konrad von den Grünen, gesagt hätten, es ist vielleicht ein Kapitel zu wenig im Bericht ausgeführt.

Ich hätte verstanden, wenn Sie hier dem Haus gesagt hätten, dass Zahlen und Inhalte falsch sind, dann hätte ich Ihre Haltung verstanden. Das war aber alles nicht der Fall, daher ist Ihre Position unerklärlich.

Herr Kollege Konečny! Meine Kollegen aus der sozialdemokratischen Fraktion! Frau Kollegin Blatnik hat auch darauf hingewiesen. Sie haben versucht, über den Sozialbe­richt unter dem Begriff „soziale Kälte“, „Bilanz der Kälte“ einen Bogen zu spannen. Sie haben versucht, das in diesem Sinne darzustellen, und deshalb stimmen Sie dagegen.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Wenn Ihre Interpretation stimmt, dann liegen Sie gerade damit strategisch falsch. Sie können nicht sagen, das sei ein Bericht der sozialen Kälte, und weil es ein Bericht der sozialen Kälte ist, stimmen Sie nicht zu. Es muss daher ein positiver Bericht sein, und Sie, meine Da­men und Herren von der Sozialdemokratie, stellen sich damit selbst in Frage. Ich hätte mir von der sozialdemokratischen Fraktion gerade zu diesem Thema mehr Selbst­wertgefühl erwartet. (Bundesrätin Bachner: Wodurch wäre das berechtigt?)

Ich hätte mir erwartet, dass Sie sich durchaus kritisch mit diesem Bericht auseinander setzen, aber gleichzeitig eine Begründung dafür haben, warum Sie nicht zustimmen. Sie sprechen von einer schlechten Bilanz – und lehnen diese Bilanz ab. Das Ganze ist ein Widerspruch in sich.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion nimmt diesen Bericht zur Kenntnis (Bundes­rat Reisenberger: Wow!), natürlich im vollen Bewusstsein dessen, dass es im Sozial­bereich noch viel zu tun gibt. Aber es ist auch zu sagen, dass dieses Tun, dieses Han­deln im Sozialbereich nicht nur Aufgabe einer Bundesregierung ist, sondern dabei sind auch die gesetzgebenden Körperschaften, sprich die gesetzgebenden Institutionen wie Bundesrat, Nationalrat und die Länder gefordert.

Wir, meine Damen und Herren, nehmen die Bilanz 2003–2004 zur Kenntnis und wer­den bemüht sein, uns weiterhin positiv für soziale Ausgewogenheit und soziale Ge­rechtigkeit einzubringen, damit eben der Vergleich der Bilanzen besser wird. (Bundes­rat Reisenberger: Wie wollt ihr das machen mit diesem Staatssekretär?)

Meine Fraktion nimmt daher den Bericht über die soziale Lage 2003–2004 zur Kennt­nis. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.48


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kritzinger. Ich erteile ihm das Wort.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 57

11.48.05

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schade, dass der Sozialbericht, der inhaltlich eine großartige Zusammenfassung von Themen bietet, die im Sozialbereich geleistet worden sind, zerfleddert wird und dass man wenig auf den Bericht selbst eingeht. Die Zahlen wären nämlich interessant, und man müsste dann, wenn schon, Vergleiche anstellen und versuchen, da eventuell eine Richtigstellung oder eine Korrektur anzu­bringen.

Jedenfalls ist sicher, dass wir in Österreich heute von den Nachbarstaaten, was den Sozialbereich angeht, beneidet und bewundert werden. Und warum? – Weil unsere Sozialpolitik und das Wirtschaftswachstum bei uns nicht als Gegensatz betrachtet wer­den, sondern als ein notwendiger Zusammenhang.

Der durchschnittliche jährliche Betrag, der zum Beispiel im Jahr 2002 im Sozialbereich ausgegeben worden ist, betrug pro Person 8 000 €. Kaum ein anderes Land in der EU gibt für diesen Bereich so viel Geld aus. Auch was die Armutsgefährdung anbelangt, steht Österreich besser da als die meisten anderen Länder.

Im Sozialbericht kommen neben der Armutsgefährdung auch die soziale Ausgrenzung und Themen wie Wohnungseigentum, sogar das Eisenbahnergesetz, Gesundheit und die Familien- sowie die Behindertenpolitik vor.

Da Menschen mit Behinderung auch in hoch entwickelten modernen Gesellschaften schwierigere Rahmenbedingungen vorfinden, wurde bei uns in Österreich ein Pro­gramm gestartet, das ihnen Chancen eröffnet. Denken Sie an die Behindertenmilliarde! Das hat internationale Vorbildwirkung ausgestrahlt und viele heimische Unternehmen dazu gebracht, vermehrt solchen Menschen einen sicheren Arbeitsplatz zu geben.

Die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen: Im Jahre 2003 wurden 14 000 Menschen durch diese Gelder gefördert; in 3 520 Fällen konnten diese Menschen Arbeitsplätze erhalten und in 2 435 Fällen konnte ihnen der Arbeitsplatz gesichert werden.

Österreich ist für die kommenden Jahre im Bereich der Pflege und der Pensionsvorsor­ge gerüstet. Auch das ist ein wichtiger Faktor sowie die Tatsache, dass unsere Gesell­schaft immer älter wird und in Zukunft mehr Pflegepersonal braucht, Deshalb muss im Pflegebereich ein größeres Angebot da sein. Auch darauf hat man eine Antwort gefun­den. Insgesamt hat sich seit 1999 bis heute der Personalstand um 60 Prozent erhöht.

In dieser Regierungsperiode wurden auch massive Reformen eingeleitet, um das Ge­sundheitssystem zu finanzieren. Man hat im Sozialbereich entsprechende Dienste massiv ausgebaut und gesetzliche Regelungen geschaffen, damit pflegende Angehö­rige mehr erhalten. Das Pflegegeld wurde schon im heurigen Jahr mit 1. Jänner um 2 Prozent erhöht.

Als große soziale Leistung der Zweiten Republik darf aber wohl die Pensionsreform bezeichnet werden. Man kann auf das Ergebnis stolz sein, Mühe und Arbeit haben sich gelohnt. Mit der Pensionsreform wurde die Zukunftssicherung der österreichischen Pensionisten eingeleitet. Die Pensionsreform war überfällig. Während es ehemalige Finanzminister total verabsäumt haben, sich einen Gedanken über die künftige Finan­zierbarkeit der Pensionssysteme zu machen, hat man jetzt neue Regelungen geschaf­fen. Dazu gehört auch im Gesellschaftsbereich, dass man ältere Menschen mehr ein­bindet und in Entscheidungen mit einbezieht. Der ältere Mensch ist verlässlich, er­fahren und loyal. Nur durch eine solche Pensionsreform, wie die Regierung sie einge­leitet hat, kann gewährleistet werden, dass das System auch in Zukunft finanzierbar sein wird. Auch die bereits eingeleitete Harmonisierung der Pensionen mit einheitlichen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 58

Beiträgen und Leistungen wird ein, so glaube ich, gerechteres System für jedermann bringen.

Hier hat Österreich rechtzeitig gehandelt und darauf geschaut, dass notwendige Ein­sparungen für die Bevölkerung verträglich sind und sich auch gerecht auf verschiedene Bevölkerungsschichten verteilen. Während zum Beispiel in den Nachbarstaaten wie in Deutschland die Pensionisten schon zum wiederholten Mal ohne die geringste Erhö­hung ihrer Renten auskommen müssen, gab es bei uns immer eine Anhebung der Pensionen. In der Sitzung des Sozialausschusses am Montag wurde die Frage gestellt: Um wie viel haben sich die Pensionen seit 1999 erhöht? – Diese Frage wurde dort von den zuständigen Beamten folgendermaßen beantwortet: bei Alleinstehenden um 17 Prozent, bei Ehepaaren um 25,5 Prozent. Dann stand natürlich die Frage im Raum: Und um wie viel ist der Verbraucherpreisindex gestiegen? – Der Verbraucherpreisindex ist um weniger gestiegen, nämlich um 15,7 Prozent.

Also war es für die Pensionisten ein Gewinn – kein großer, aber immerhin war es ein Gewinn und kein Verlust.

Um nochmals auf die Armut zurückzukommen. Ab 1. Jänner 2006 wird die Mindest­pension angehoben. Das betrifft 188 000 Pensionisten. Insgesamt ist dies ein wichtiger Schritt, der wie die anderen erfolgreichen Maßnahmen der Regierung in Richtung Zu­kunft weist. Um so wichtiger ist es jedoch, dass diese Regierung weiterhin unsere Sozialpolitik bestimmt. (Bundesrat Gruber: Das ist eine Drohung!) Nur so kann garan­tiert werden, dass Österreich eines der Länder mit der höchsten Lebensqualität auf der Erde bleibt, dass es unseren Staatsbürgern gut geht und dass ein gesundes Wirt­schaftswachstum und eine scharfsinnige Politik unser Land immer vor einem Bankrott bewahren werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nicht nur satte Österreicher sind gute Österreicher, sondern auch kluge und fleißige Österreicher sind gute Bürger. Das hat Bundeskanzler Schüssel erkannt, und deswe­gen hat er ihnen auch Reformen zugemutet – dringende Reformen, die wir brauchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Opposition hat diesen Sozialbericht ja ziemlich zerfled­dert, wie ich schon gesagt habe. (Bundesrat Mag. Pehm: Ja, zu Recht!) Ich glaube, die Opposition ist unmusikalisch (Rufe bei der ÖVP: Jawohl!), und deshalb bleiben ihr die Schwingungen in unserem Land verborgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

11.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Letzter vorgemerkter Redner ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.58.19

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Baier und andere Vorredner, Baier wahrscheinlich im jugendlichen Übermut eines Spitzenfunktionärs der Jungen ÖVP, glauben, dass der Sozialbericht so etwas ist wie ein Maßnahmenkatalog der Bundesregierung oder was auch immer.

Experten und Expertinnen haben die soziale Lage über einen gewissen Zeitraum beob­achtet. Das ist das Ergebnis dieses Sozialberichts. Wir nehmen diese Arbeit, diese Untersuchung zur Kenntnis, denn sie stellt der Tätigkeit der Bundesregierung ohnedies ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.

Kollege Kritzinger, so lustig à la Musizieren ist das, was da drinnen steht, in der Tat nicht. 5,9 Prozent beziehungsweise 460 000 Menschen sind armutsgefährdet! Das sind die Zahlen, die Sie immer genannt wissen wollen. Ich weiß nicht, was Sie da für Zahlen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 59

drinnen finden oder welchen Spin Sie ihnen geben. Nehmen wir doch einfach das, was da drinnen steht! 460 000 Menschen in Österreich sind akut armutsgefährdet. Das steht im Sozialbericht. Auf Ihre Musik können die gern verzichten, Herr Kritzinger! (Bei­fall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn wir die beiden Berichte von Experten und Expertinnen vergleichen, den vor­angegangenen mit diesem jetzt vorliegenden, so muss man sagen, dass die Anzahl der akut Armutsgefährdeten von 300 000 auf 460 000 gestiegen ist. (Bundesrat Mag. Pehm: Das sind 50 Prozent mehr!) Das sagt der Bericht, den Sie hier als den Ausdruck Ihrer Regierungstätigkeit so bejubeln. Diese Anzahl ist von 300 000 auf 460 000 gestiegen, sagt Ihr Bericht selbst über Ihre Tätigkeit! (Vizepräsidentin Hasel­bach übernimmt den Vorsitz.)

Weiters bedeutet dies steigende Zahlen bei Sozialhilfebeziehern und -bezieherinnen, die dramatische Zunahme bei den Richtsatzergänzungen für Arbeit Suchende – ge­rade wegen des Anwachsens der Billiglohn-Jobs –, Wartelisten bei den Schuldnerbera­tungen, eine steigende Anzahl von Menschen mit psychischen Krisen und bei den psy­chosozialen Diensten. Über das Anwachsen der Anzahl der Hilfe Suchenden bei den Sozialberatungsstellen möchte ich jetzt gar nicht reden.

Wissen Sie, was das heißt: akut arm? – Akut arm, das bedeutet ein Einkommen unter 780 €, meine Damen und Herren! Der Sozialbericht, der heute vorliegt, sagt, dass beinahe eine halbe Million Österreicher und Österreicherinnen ein Einkommen von weniger als 780 € haben. Da ist es wahnsinnig „lustig“, Herr Kritzinger, dass Sie von der Musik reden, da ist es wahnsinnig „lustig“, was Sie sagen. (Zwischenrufe der Bun­desräte Kritzinger und Mag. Himmer.)

Kollege Himmer, es ist gut, dass Sie sich melden. Etwas, was mir in diesem Bericht aufgefallen ist – und das hängt mit einer derzeit und seit Monaten kommentierten und diskutierten Schwachstelle der Bundesregierung zusammen –, ist die gesamte Bil­dungspolitik. 20 Prozent Armutsgefährdungsrisiko für jemand, der Pflichtschulab­schluss hat – 20 Prozent! Das heißt, Personen mit Pflichtschulabschluss weisen eine Beschäftigungsquote von nur 50 Prozent auf; im Vergleich dazu: mittlere Schule 76, mit Matura 67, mit Uni-Abschluss 83 Prozent. Ich verweise hier nur auf die PISA-Studie und all die Mängel, die wir im Bildungssystem evident haben, wobei uns von Europa aus bewiesen wird: Hallo, in eurem Schulsystem funktioniert etwas nicht, da stimmt etwas nicht!

Gleichzeitig sehen wir heute, wenn wir den Armutsbericht diskutieren, welche Aus­wirkungen das hat. Wenn das Schulsystem – und das ist eine Frage der sozialen Herkunft, der ethnischen Herkunft – keine höhere Durchlässigkeit zulässt, wenn dieses Schulsystem nicht eine höhere Befähigung aller sozialen Schichten und aller ethni­schen Herkünfte zulässt, produzieren wir für den nächsten Armutsbericht den nächsten Anstieg. Das ist leider Gottes eine Schwachstelle, eine extreme Schwachstelle der derzeitigen Regierungspolitik. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es gibt noch jemanden in diesem Land, der dies – so wie die Experten und Expertin­nen von Ministeriumsseite – ganz trocken und nüchtern alle Jahre feststellt: Das ist die Armutskonferenz, NGOs, hauptsächlich – liebe Kollegen und Kolleginnen von der ÖVP! – und schwerpunktmäßig getragen von der katholischen Kirche und ihren Gliede­rungen und Organisationen; dies ist also gar nichts Anrüchiges. Diese Armutskonfe­renz sagt: Wenn unsere Gesellschaft ein großes Haus ist, können wir es nicht achsel­zuckend hinnehmen, dass immer mehr Menschen im dunklen Keller verschwinden; unser Ziel muss es daher sein, zu verhindern, dass Menschen in den Keller kommen, und nicht, den Keller auszubauen. – Aber vieles, was hier geschieht, heißt, den Keller auszubauen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 60

Wie verhindert man, dass Menschen in diesen sozialen Keller stürzen? – Durch eine Summe von Forderungen, die wir heute längst als Mindestsicherung bezeichnen: ma­terielle Mindestsicherung im Bereich der sozialen Dienstleistungen und Mindestsiche­rung im Bereich der Arbeitsmarktpolitik.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema dazu, das noch immer nicht geklärt ist, betrifft die Sozialhilfeempfänger und die e-Card. Das ist wirklich beschämend! Gerade die sozial Schwächsten, deren Krankheitsrisiko übrigens dreimal größer, dreimal höher als das aller anderen ist, brauchen einen vereinfachten Zugang. Aber was machen wir derzeit? – Das Gegenteil! Vergessen wir eines nicht, wenn wir jetzt sagen, dass wir die Sozialhilfeempfänger von der e-Card ausschließen: Gerade Armut hat einen ständigen Begleiter, und das ist die Scham! Aus Scham gehen dann viele Menschen nicht hin, weil sie extra behandelt werden müssen. Die Stigmatisierung von Sozialhilfeempfän­gern jetzt auch noch im Gesundheitssystem sichtbar zu machen, ist ein Skandal! (Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich würde mir wünschen, Herr Staatssekretär – ich nehme einmal an, dass Sie der nächsten Bundesregierung nicht angehören werden, aber vielleicht in Richtung des Hauses ... (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Das ist nicht gerade eine große wahrsagerische Leistung, Herr Staatssekretär, das kann man ... (Bundesrat Mag. Pehm – in Richtung Staatssekretär Dolinschek –: Diese Seite gemeint! – Weitere Zwischenrufe.) Ich sage ja nicht, ob Staatssekretär Finz ihr angehört. Aber beim BZÖ würde ich jetzt einmal vermuten, dass es da nicht so sein wird. Außer die ÖVP gründet zwischen der ÖVP und dem BZÖ eine neue Partei – auch das wäre wahrscheinlich denkbar. (Bundesrat Boden: Hirschmann! – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.)

Dem Kollegen Bieringer kann man es ausrichten – Kollege Bieringer, bitte! (Bundesrat Bieringer: ... bisschen auch am Boden bleiben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, ich bleibe beim Sozialbericht. Ich wollte nur jemandem etwas an die Regierung mitgeben, und da bin ich nachdenklich geworden, Kollege Bieringer, ob ich es dem Richtigen mitgebe. Ich nehme es gerne zurück, wenn es für Sie einen höheren Blut­druck oder eine politische Aufregung bedeutet.

Ich sage es jetzt einfach so, wie es ist: Ich wünsche mir, dass im nächsten Sozialbe­richt das Thema Frauen und Armut extra behandelt wird und dass nicht immer wieder die Frauen irgendwie in einem Absatz dabei sind. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Das gesamte Sozialsystem geht nämlich von einer männlichen Er­werbsbiographie aus, Kollege Himmer: Belohnt wird, wer ohne Auszeiten kontinuierlich im Erwerbsleben steht und wer Vollzeit arbeitet; da gibt es höheres Arbeitslosengeld, höheres Krankengeld, höhere Pension. Bezahlt wird das Ganze eben von denjenigen, die unbezahlte Betreuungsarbeiten leisten, die Auszeiten haben, und das sind die Frauen: Sie bezahlen das!

Dann sehen wir noch – und das kann man heute schon sagen –, dass die Armut unter diesen 460 000 Menschen vorwiegend weiblich ist und dass die Armut hauptsächlich bei den Frauen dramatisch steigt. Es gab 2003 in Österreich bereits 571 000 armutsge­fährdete Frauen; das sind 35 000 Frauen mehr als noch 1999! Wenn wir uns überdies anschauen, wie gefährdet Männer und wie gefährdet Frauen sind, dann möchte ich drei Bereiche hernehmen.

Zunächst ist dies das Erwerbseinkommen: 7 Prozent der erwerbstätigen Männer sind armutsgefährdet, aber bereits 11 Prozent der Frauen. Bei den Sozialleistungsempfän­gern sind 41 Prozent der Männer armutsgefährdet; aber 56 Prozent der Frauen, die Sozialhilfe beziehen, sind armutsgefährdet. Das ist eindeutig die Mehrheit, das ist alar­mierend! Und bei den Pensionen verdoppelt sich der Anteil: 13 Prozent der männlichen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 61

Pensionsbezieher sind armutsgefährdet, aber mehr als 22 Prozent der Frauen in dieser Gruppe sind armutsgefährdet.

Meine Damen und Herren! Deshalb bedarf es hier eines ganz besonderen Augen­merks, und ich wünsche mir, dass die Frauen künftig nicht nur absatzweise in Themen behandelt werden.

Auch was die Wohnungsnot betrifft, fallen Frauen nicht in der Weise unter „obdachlos“, weil weibliche Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit wesentlich versteckter ist. Es gelten heute weit mehr Frauen als latent wohnungslos, als überhaupt erfasst sind.

Meine Damen und Herren! Das sind die nüchternen Zahlen – Kollege Baier, Sie haben ja Zahlen aus diesem Bericht gewünscht –, das alles sind Zahlen, die Sie in Ihrem Be­richt, den Sie so toll finden, nicht gelesen haben. Der Bericht ist schonungslos, und er ist ein ganz schlechtes Zeugnis für die Sozialpolitik dieser Bundesregierung. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenso nicht der Fall.

Daher gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

12.11.412. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Si­cherheit (951 d.B. und 1014 d.B. sowie 7374/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Blatnik übernommen. Ich bitte um den Be­richt.

 


12.11.57

Berichterstatterin Ana Blatnik: Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Staatssek­retär! Gospod državni sekretar! Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über soziale Sicherheit liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Deshalb komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke. Hvala.


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Es liegt hiezu keine Wortmel­dung vor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 62

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir schreiten daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.13.303. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Ge­setz 2005 – HWG 2005 erlassen wird, das Katastrophenfondsgesetz 1996, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzgesetz 2006, das Umweltförderungs­gesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebührengesetz 1957 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden und abgaben­rechtliche Sondermaßnahmen für Opfer von Naturkatastrophen vorgesehen wer­den (1065 d.B. und 1094 d.B. sowie 7375/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem eine Gerichtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hoch­wasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird (1095 d.B. sowie 7376/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun gelangen wir zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 3 und 4 übernimmt Herr Bundesrat Prutsch. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


12.14.16

Berichterstatter Günther Prutsch: Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Da­men und Herren! Ich bringe die beiden angesprochenen Berichte, als Erstes den Be­richt des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Septem­ber 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbaugesetz 2005 – nämlich das HWG 2005 – erlassen wird, das Kata­strophenfondsgesetz 1996, das Bundesfinanzgesetz 2005, das Bundesfinanzge­setz 2006, das Umweltförderungsgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Ge­bührengesetz 1957 und das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 geändert werden und abgabenrechtliche Sondermaßnahmen für Opfer von Naturkatastrophen vorgesehen werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verle­sung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 63

Ich komme sogleich zur Verlesung des Ausschussantrages.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Als Zweites bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine Ge­richtsgebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Verlesung des Ausschussantrages.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die beiden Berichte. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Mayer. Ich bitte ihn, das Wort zu ergrei­fen.

 


12.15.56

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wie bereits im Jahr 2002 hat die Bundesregierung auch nach dem Hochwasser Ende August ein wirklich wohl überleg­tes und im Umfang weit reichendes Paket zur Beseitigung der Katastrophenschäden vorgelegt. Entscheidend dabei ist, dass rasch, ohne bürokratische Hürden, der zügige Wiederaufbau und die Wiederherstellung der Infrastruktur ermöglicht werden. Die alte Phrase „Wer schnell hilft, hilft doppelt“ kann also in diesem Fall wirklich angewendet werden.

Nach groben Schätzungen belaufen sich die Schäden auf mehrere hundert Millionen Euro. Allein das kleine Land Vorarlberg hat ein Schadensvolumen von zirka 188 Mil­lionen € zu beklagen. Obwohl die Bedarfsschätzungen noch nicht abgeschlossen sind, wird der Katastrophenfonds mittels einer Überschreitungsermächtigung um 251 Mil­lionen € aufgestockt. Dazu kommen insgesamt noch 72 Millionen € an Steuererleich­terungen, die jedoch vorwiegend erst im nächsten Jahr wirksam werden. Wichtig ist dabei auch, dass neben diesen Steuererleichterungen freiwillige Zuwendungen, also Spenden von Dritten an Hochwasseropfer, steuerfrei behandelt werden.

Welche wichtige Einrichtung dieser Katastrophenfonds für das in den letzten Jahren wirklich viel geprüfte Österreich ist, wird damit wieder deutlich unter Beweis gestellt. Dass es diesen Katastrophenfonds noch gibt, verdankt Österreich in erster Linie auch unserem Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, der vor mehr als acht Jahren Bundeskanzler Klima darauf aufmerksam machte, wie wichtig dieser Katastrophen­fonds ist und dass er eine budgetäre Absicherung und Vorsorge beinhaltet, auf die immer wieder – wie auch in diesem Jahr – zurückgegriffen werden kann. Ohne diesen Katastrophenfonds wären die Schäden in Westösterreich nicht zu bewältigen. Insbe­sondere das kleine Land Vorarlberg würde die Schadenssumme von 188 Millionen € allein nie aufbringen können.

Ganz kurz zu den Schäden: Vorarlberg hat Schäden an Landesstraßen im Ausmaß von 35 Millionen €, an Flussbauten solche in der Höhe von 17 Millionen €, Vermögens­schäden an Betrieben und privaten Einrichtungen im Ausmaß von 98 Millionen €, Schäden an Gemeindeeinrichtungen in der Höhe von 16 Millionen € und Schäden an der Energieversorgung in der Höhe von 6 Millionen €. Was noch schwerer wiegt, ist Folgendes: Wir hatten leider zwei Tote zu beklagen, und es gab sehr viele Schwer­verletzte im Zuge der Beseitigung der Schäden und während der Flutkatastrophe.

Zur Vermeidung weiterer Schäden mussten viele Gemeinden evakuiert werden. Sie waren zum Teil über mehrere Tage nicht erreichbar, ganze Orte waren praktisch von der Umwelt abgeschnitten. Viele Bewohner konnten bis heute noch nicht in ihre Wohn­objekte zurückkehren. So gibt es eine Parzelle in meiner Nachbargemeinde, die, weil sie in den letzten sechs Jahren mehr als drei Mal total überflutet wurde, bei diesen besonderen Ereignissen immer wieder abgesiedelt wird. Hiezu gibt es Verhandlungen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 64

die in der Endphase sind, und wir hoffen, dass wir dort für alle eine kulante Lösung erreichen können.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen einige Zahlen zur Kenntnis bringen, und zwar darüber, was dort an Einsatzbereitschaft der Hilfskräfte – der Feuer­wehr, des Bundesheeres, der freiwilligen Helfer – unter einem hervorragenden Krisen­management, und zwar unter der Leitung unseres Landeshauptmanns Dr. Herbert Sausgruber, geleistet wurde.

Bei der freiwilligen Feuerwehr waren 5 000 Mann im Einsatz, die 60 000 Stunden an Hilfeleistung erbracht haben. Beim Roten Kreuz waren es 110 Mann, 5 Notärzte, 1 500 Stunden. Beim Bundesheer waren 965 Soldaten eingesetzt, und die haben 88 Stunden Arbeit geleistet; an dieser Stelle einen besonderen Dank auch an unseren Bundesminister Günther Platter, der diese Einsatzkräfte wirklich rasch zur Verfügung gestellt hat. – Bergrettung: 28 Ortsstellen, 323 Bergretter, insgesamt 5 700 Stunden; Wasserrettung: 225 Mann, 2 888 Stunden; die Caritas hat 100 Flüchtlinge zur Verfü­gung gestellt, die sich freiwillig bereit erklärt haben, die Beseitigung der Schäden mit zu bewerkstelligen. Dazu kann man natürlich auch noch all die freiwilligen Einsätze rech­nen, die freiwilligen Helfer. Das ist allerdings in seiner Gesamtheit noch nicht erfasst.

Wir haben vom Bundesheer auch hervorragende Unterstützung mit Bundesheerhub­schraubern erhalten. Man sah, wie wichtig der Ankauf von Bundesheerhubschraubern insbesondere für solche Katastrophenfälle ist. Die haben nämlich insgesamt 1 200 Ein­sätze geflogen und waren 200 Stunden in der Luft. 1 418 Personen mussten evakuiert werden. Diese Zahlen sprechen wirklich für sich.

Um die ersten Schäden zu beseitigen, hat das Land als Sofortmaßnahme 30 Mil­lionen € zur Verfügung gestellt. Es sind insgesamt 1 000 Ansuchen eingelangt, um die Schäden zu beseitigen. Schadenswiedergutmachung ist angesagt. 170 Firmen sind betroffen, wovon 100 in ihrer Existenz gefährdet sind. Das Land wird hier mit Förder­maßnahmen großzügiger vorgehen, hier wird über die angedachte 50 Prozent-Marke hinaus gefördert, weil wir eben auch in einer schwierigen Arbeitsmarktsituation Arbeits­plätze erhalten wollen. Wir werden uns auch am Fonds der betrieblichen Hochwasser­hilfe des Bundes beteiligen, um unsere Tourismus-, Gewerbe- und Industriebetriebe entsprechend mit einzubinden.

Wir haben insgesamt 96,3 Millionen € an Eigenfinanzierung zu erbringen. Davon wer­den wir von Seiten des Bundes – und hiefür bedanken wir uns wirklich sehr, sehr herz­lich – aller Voraussicht nach 38 Millionen € in Empfang nehmen können.

Die besondere Situation verlangt, dass sich das Land Vorarlberg auch von einem ale­mannischen Dogma verabschiedet. Erstmals seit mehr als 20 Jahren wird der Grund­satz, keine Nettoneuverschuldung zuzulassen, praktisch über Bord geworfen. Um ein Beispiel aus dem kirchlichen Bereich zum Vergleich heranzuziehen, da heute hier be­reits einmal eines angezogen worden ist, steht das in etwa im gleichen Rang mit einer Verabschiedung der Kirche vom Zölibat. Ziel ist aber, bereits 2007 wieder zu diesem Grundsatz zurückzukehren.

Ich möchte mich am Schluss meiner Ausführungen in besonderer Weise für die Solida­rität bedanken, die das Land Vorarlberg in dieser besonderen Situation erleben durfte. Es geht dabei zunächst einmal um den Einsatz der vielen freiwilligen Helfer, der uns zuteil geworden ist; sogar Urlaubsgäste haben während ihres Urlaubes angepackt und viele, viele Stunden freiwillige Arbeit geleistet. Die Vorarlberger haben inzwischen über ein Spendenkonto mehr als 1,6 Millionen € an Spenden in diesen Fonds eingezahlt.

Besonderen Dank auch an das Land Niederösterreich. Landeshauptmann Erwin Pröll hat als Soforthilfe, weil wir im Jahr 2002 auch von Vorarlberger Seite geholfen haben,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 65

500 000 € zur Verfügung gestellt. Durch Spenden ist das inzwischen auf beinahe 1 Mil­lion € angewachsen. Auch das Land Südtirol hat uns in besonderer Art und Weise geholfen, und dafür möchten wir uns ebenfalls sehr herzlich bedanken.

Die besondere Zuwendung unserer Freunde bei dieser Aktion „Ländle in Not“ haben wir sehr, sehr gerne angenommen. Deshalb auf gut Vorarlbergerisch an alle ein herz­liches „Vergelt’s Gott!“ – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und der Bundesrätin Bachner.)

12.24


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wiesenegg. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.24.23

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! An einem Tag, an dem wir wichtige Gesetze bezüglich Naturkatastrophen beschließen, ist es unsere Pflicht und ist es auch unsere Aufgabe, den Opfern der furchtbaren Katastrophe in Pakistan unsere Anteilnahme auszusprechen und alles zu unternehmen, um auch dort Hilfe zu leisten.

Geschätzte Damen und Herren! Ich stehe vor Ihnen als Bürgermeister einer Region im Westen Tirols, die die Bezirke Imst, Landeck und Reutte einschließt, die nicht nur 1999 und 2002, sondern auch 2005 von einer Hochwasserkatastrophe schwerstens – und Sie haben ja alle die Bilder noch in Erinnerung – heimgesucht worden ist. Vielen ist im wahrsten Sinne des Wortes die Existenzgrundlage fortgerissen worden.

Hervorragende Hilfsorganisationen aus ganz Österreich – und darauf können wir stolz sein –, Blaulichtorganisationen, Herr Staatssekretär, das Bundesheer und auch Freiwil­lige haben nicht nur Solidarität gezeigt, sondern sind unter Einsatz ihres Lebens sofort zu Hilfe geeilt. Ihnen gilt, geschätzte Damen und Herren, nicht nur mein Dank als Bür­germeister, sondern der Dank von uns allen. (Allgemeiner Beifall.)

Mit diesem Dank, geschätzte Damen und Herren, verbinde ich aber auch unser Mitge­fühl den Hochwasseropfern, den Geschädigten, den Bürgerinnen und Bürgern und be­sonders unseren Familien gegenüber. Sie haben mit großem Einsatz und mit Eigenini­tiative anderen Mut gemacht, nicht aufzugeben.

Meine geschätzten Damen und Herren! Was ist das alles, wenn die finanzielle Grund­lage für einen Wiederaufbau fehlt? Betriebe sind vom Erdboden verschwunden, Häu­ser dem Erdboden gleich gemacht worden, Existenzen wurden völlig zerstört. Umso mehr begrüße ich die Gesetzesinitiativen, die wir heute hier im Bundesrat beschließen. Damit schaffen wir die Grundlage, Herr Staatssekretär, den Betroffenen rasch und unbürokratisch helfen zu können. Abgesehen von den vielen privaten Spendern – das wurde ja schon von meinem Kollegen aus Vorarlberg angeschnitten –, denen selbst­verständlich auch unser Dank gilt, ist durch die heute zu beschließenden gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Ausweitung der Hilfe möglich. Dafür, Herr Staatssekretär, herzlichen Dank!

Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte 800 Millionen € – so liegt uns das heute vor – werden insgesamt notwendig sein, um alles wieder so herzustellen, wie es ge­wesen ist. Kommunale Einrichtungen sind genauso geschädigt wie privates Eigentum. Um alles Menschenmögliche tun zu können, den uns anvertrauten Menschen künftig mehr Schutz gewähren zu können, ist es unumgänglich, alle bereits als vordringlich eingestuften Hochwasserschutzmaßnahmen zügig umzusetzen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe hier im Hohen Haus mehrmals die Forderung nach mehr Hochwasserschutz erhoben, aber aus budgetären Gründen des Bundes, so


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 66

wurde mir immer wieder bedeutet, müssten diese lebensnotwendigen Projekte leider zurückgestellt werden, und sie sind auch zurückgestellt worden. Geschätzte Damen und Herren, da gilt es wirklich, Prioritäten zu setzen. Ich würde mir wünschen, dass im Bereich des Hochwasserschutzes von Seiten der Regierung genauso strebsam und zielstrebig wie beim Kauf der Abfangjäger vorgegangen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, liebe Freunde, und das können Sie mir glauben, denn so nahe bin ich den Men­schen, würde die Bevölkerung mit Sicherheit goutieren.

Abschließend darf ich von dieser Stelle aus nochmals appellieren, unsere Bevölkerung kein viertes Mal einer Gefahr wie 2005 auszusetzen. Werte Abgeordnete, da ist Ihre Verantwortung gefordert, egal welcher Fraktion Sie angehören! Und darum bitte ich. – Herzlichen Dank für Ihr Verständnis! (Allgemeiner Beifall.)

12.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.30.20

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Prä­sident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Lieber Kollege Mayer, lieber Kollege Wiesenegg, so schaut es wirklich aus! Sie haben das so gesehen, so dar­gebracht, wie die Situation draußen ist. Als Bürgermeister möchte ich zuerst einmal grundsätzlich der Bundesregierung danken, dass sie am 30. August das Hochwasser­entschädigungsgesetz beschlossen hat. Ich danke aber auch dafür, dass die Frau Außenminister bei der EU dafür Sorge tragen wird, dass wir auch von dort eine Unter­stützung erhalten werden.

Über 100 000 freiwillige Helfer in Österreich, Rotes Kreuz, Freiwillige Feuerwehr, Berg­rettung, Wasserrettung und viele andere Freiwilligengruppen sind täglich bereit, für uns, für unsere Mitmenschen unter Einsatz ihres Lebens da zu sein. Mit dem österrei­chischen Bundesheer und einer gut durchdachten und straff gehaltenen Behörde ist es möglich, in solchen Situationen alle erforderlichen Maßnahmen ordnungsgemäß durch­zuführen, was wir auch getan haben. Wir sollten immer wieder mit großer Dankbarkeit den freiwilligen Helfern danken, und zwar jeder, ob als Bürgermeister einer Gemeinde oder als Vertreter eines Landes oder als Vertreter des Bundes. Das sind nämlich wirk­lich jene, die stets bereit sind, zu helfen.

Es ist aber auch gut, dass unsere freiwilligen Helfer laufend entsprechende Übungen durchführen, denn diese Übungen, geschätzter Herr Staatssekretär, sind außerordent­lich wichtig und sollten auch finanziell unterstützt werden. Ob es Probleme auf der Straße mit gefährlichen Gütern gibt, ob es große Schnee- beziehungsweise Berg­unfälle gibt oder eben Hochwasser und Katastrophen anderer Art, wir haben immer die Verantwortung, für unsere Menschen da zu sein.

Am Beispiel meiner Heimatgemeinde: Im Jahr 1993, am 18. Juli, Ausrufung des Not­standes für die Marktgemeinde Gurk. Herr Bundeskanzler Vranitzky und Landeshaupt­mann Zernatto trafen sofort ein. Mit hohem Respekt gesagt: Sie sind sofort per Hub­schrauber da gewesen. Was sich da in dieser Gemeinde abgespielt hat, das kann man sich nicht vorstellen. Es war ein Unwetter fürchterlichen Ausmaßes mit Hagelschlag, während ein Domkonzert stattgefunden hat. Eine Woche lang waren 50 Kilometer Stra­ße nicht passierbar. 70 Häuser waren total abgedeckt. 400 PKWs waren zum Teil sehr stark beschädigt. Die Schäden machten über 40 Millionen Schilling aus, und zwar nur im dörflichen Bereich, ganz abgesehen von den Wald- und Flurschäden. Viele Men­schen sind, wie Bürgermeister Wiesenegg gesagt hat, vor dem Nichts gestanden. In dieser Situation hat sich gezeigt, wie wir alle gemeinsam solidarisch sein können. Es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 67

gab eine große Spendenaktion, die ein großes Aufatmen vieler Menschen ermöglicht hat, und das ist sinnvoll. Daher ist es von besonderer Bedeutung, hinter diesem Gesetz zu stehen und die Bundesregierung dazu zu motivieren, dieses Gesetz auch mit Geld auszustatten und dementsprechend mit wirklichen Möglichkeiten zu versehen. Ich sehe die Möglichkeit, durch entsprechende Übungen Vorsorge zu treffen. Menschen, die in Bereitschaft sind beziehungsweise im Einsatz stehen, sollten so geschult sein, dass sie wirklich das Richtige tun.

Entscheidend ist, wie Kollege Wiesenegg bereits gesagt hat, die rasche Hilfe. Wir müs­sen diesen Leuten rasch helfen. Voraussetzung ist selbstverständlich eine gute fach­liche Schätzung, die gewissenhaft zu erfolgen hat. Dann soll es jedoch unbürokratisch zugehen, und das zu gewährleisten, ist eine unserer großen Aufgaben.

Es ist uns noch die Katastrophe 2002 in Ober- und Niederösterreich im Gedächtnis. Feuerwehren aus dem ganzen Bundesgebiet waren zur Stelle, Kameradschaften ha­ben sich gebildet, und das hat jetzt wiederum zur Gegenleistung von Niederösterreich für das Bundesland Vorarlberg geführt, wie Kollege Mayer eben ausgeführt hat. Letz­ten Endes war und ist es so, dass dadurch die Menschen wieder Mut gefasst haben, weil sie das Gefühl gehabt haben, dass sie, wenn es wirklich Katastrophen gibt, nicht allein bleiben.

Ich möchte aber auch noch auf das Ausmaß der Schäden heuer in Kärnten, Tirol und Salzburg ein bisschen eingehen. Man rechnet mit einem Schaden im Ausmaß von 500 Millionen Schilling. Das ist sicherlich auch ein Anlass für die Überzeugung der Bundesregierung gewesen, dass diese Aufgabe von besonderer Bedeutung ist.

Wichtig wird es sein, dass ein Gefahrenplan erarbeitet beziehungsweise alle Gefahren­potentiale geprüft werden. Das ist notwendig, damit man von vornherein weiß, wo es überhaupt Gefahrenpotentiale gibt, damit dann der Schwerpunkt richtig gesetzt werden kann. Es geht um ausreichende Mittel, eine gute Koordination und die Schadensab­geltung. Man muss gegen die Gefahrenpotentiale von vornherein den richtigen Ansatz finden, damit so etwas nicht mehr passieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was heuer in Amerika passiert ist, in einem Staat, der modern ist, der modernste der Welt, kann in Österreich eigentlich nicht pas­sieren, und darauf sollten wir stolz sein. Das ist in Österreich nicht möglich. In Öster­reich ist die Solidarität und ist auch die Verantwortlichkeit aller Regierungen, der Bundes- und auch der Landesregierungen, in diesem Bereich sehr, sehr groß und ist das menschliche Mitgefühl noch vorhanden. In Österreich zählt immer noch zuerst der Mensch, und in diesem Sinne, Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ersucht, alles für Katastrophenhilfe, Katastrophenpolitik und Katastrophenvorsorge zu tun, da­mit wir Österreicher auch da so beispielgebend sind wie im Sozialbereich und im Wirtschaftsbereich, wo wir weltweit hohes Ansehen genießen. Da kann die übrige Welt auch wirklich von Österreich etwas lernen, was die Katastrophenhilfe anlangt, was Si­cherheit anlangt, was Vorsorge anlangt. In diesem Sinne, Herr Staatssekretär, machen wir so weiter. Meine Fraktion wird dem gerne die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.38


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.38.37

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Auch wir werden selbstver­ständlich diesem Hochwasserpaket unsere Zustimmung geben, das im Wesentlichen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 68

dem Hochwasserpaket des Jahres 2002 nachgezeichnet ist. Allerdings hätte aus den Erfahrungen 2002 etwas einfließen können, nämlich etwas, was bis dato ungeregelt ist, nämlich die Hilfskarenz für die freiwilligen Helfer und Helferinnen. Warum war das nicht möglich?

Jetzt hat sich die Erfahrung von 2002 wiederholt: Es haben sich wieder zahlreiche Leute freiwillig zur Verfügung gestellt, die das teilweise auch mit ihren Firmen abgeklärt hatten. Wir sollten hier endlich gesetzliche Bestimmungen zur Hilfskarenz verabschie­den, denn das Problem haben wir mit Sicherheit wieder. Das ist der Wermutstropfen dabei.

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass es für Tirol und Vorarlberg sehr starke und großzügige Gesten aus anderen Teilen Österreichs gegeben hat.

Hut ab vor Niederösterreich, das gesagt hat, es hätte die empfangene Hilfe aus dem Jahr 2002 nicht vergessen. Niederösterreich hat Tirol und Vorarlberg 1 Million € für die Fluthilfe zur Verfügung gestellt. Das sollte erwähnt werden, weil ich finde, dass das ein innersolidarischer Ansatz ist.

Aber auch Südtirol hat beiden Ländern – Tirol und Vorarlberg – aus privaten Mitteln, die die Zeitung „Dolomiten“ organisiert hat, nicht weniger als 800 000 € zur Verfügung gestellt. Das sind sehr erfreuliche Formen gegenseitiger Hilfe.

Bei aller Zustimmung darf man natürlich auch folgende Worte des Landeshauptman­nes von Oberösterreich in einer parlamentarischen Debatte nicht ungehört lassen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat massiv gefordert, dass der Bund in seinen Finanzierungen von Schutzwasserbauten eine größere Anstrengung unternehmen muss. Das Finanzieren der Entschädigung und des Wiederaufbaus des Milliarden-Schadens ist wesentlich teurer als die 600 bis 700 Millionen €, die eigentlich zu diesem Zweck vorgezogen werden sollten. Jede vorausschauende Investition ist besser als die nachfolgende Schadensinvestition, die notwendig wird.

Es ist bedauerlich, dass der Herr Finanzminister diesen Bedarf nicht in der Form sieht und dass die entsprechende Dotierung ... (Staatssekretär Dr. Finz: Das stimmt nicht!) – Dies ist noch zu wenig, Herr Staatssekretär! Die 320 Millionen € sind okay, aber die Berechnungen der Länder sagen etwas anderes. Die Berechnungen der Län­der sprechen mindestens von einer Verdoppelung dieser Summe! (Staatssekretär Dr. Finz: ... Das ist das Besondere!) – Natürlich.

In einer Debatte des Bundesrates, Herr Staatssekretär, kann dies nicht ausgeführt wer­den. Diese Debatten müssen von den Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen, vom Herrn Kollegen Pehm, von der Frau Kollegin Fraunschiel – alle gehen jetzt in die Landtage zurück – geführt werden. Natürlich wird eine Anstrengung der Länder und wird auch eine Umwidmung von Mitteln passieren müssen. Das ist keine Frage!

Aber der Bund muss diesbezüglich eine klare Vorlage geben! Wir können die Schutz­wasserbauten nicht auf 20 oder 25 Jahre anlegen, wenn wir wissen: Im Jahr 2002 hatten wir eine Hochwasserkatastrophe, im Jahr 2005 eine und vielleicht schon im Jahr 2007 die nächste. Wir können nicht in einem Schneckentempo weiterbauen, während viele Menschen ihrer Existenzgrundlage beraubt werden und ihr Hab und Gut verlieren!

Deshalb müssen wir uns in den nächsten Jahren auf Klimakatastrophen, Folgen der Klimaerwärmung und Ähnliches einstellen. Wenn wir nur das heurige Jahr anschauen, das Jahr 2005: In der ganzen Welt sehen wir eine Zunahme von Entwicklungen, die letztlich auch auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Da erwarte ich mir einen Im­puls für all das, was wir bezüglich des Kyoto-Protokolls und Ähnlichem in diesem Land


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 69

nur schleppend umsetzen, was so mühsam ist. Wenn diese Naturkatastrophen kein Alarmsignal sind, dann frage ich mich, was es sonst sein kann!

Natürlich gilt es nicht nur, Hochwasserpakete und Hilfspakete zu schnüren, es geht nicht nur darum, in Hochwasserschutz zu investieren, sondern wir müssen uns auch die verfehlte Widmung und den Siedlungsbau anschauen. Immer wieder sind gerade in roten Zonen plötzlich bewilligte Hausbauten zu finden! Es wird in diesen Bereich aus­gedehnt. Da muss man sich dann schon fragen, ob die Flächenwidmung der Länder oder die Bauordnung der Gemeinden da wirklich die Mittel sind, um das zu verhindern, oder ob der kleine, lokale Druck in den Gemeinden vor Ort nicht dazu führt, dass eben ein Bürgermeister auf Grund irgendwelcher Gegebenheiten sagt: Na, dann bau!

Gerade in Niederösterreich kann man sehen, dass große Supermärkte im Über­schwemmungsgebiet gebaut werden, und dann verlangen sie natürlich Schadenersatz. Oder: In Gars am Kamp steht zum Beispiel eine Hotelanlage in der gefährdeten Zone. Weil es politischen Druck gibt, hat man diese Hotelanlage in Gars am Kamp geneh­migt. Bei Hochwasser wird sie dann weggeschwemmt.

In Seitentälern Tirols – ich erwähne jetzt nur Galtür – haben wir ja auch gesehen, und zwar nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei Lawinenkatastrophen, wie viel Pro­zent der betroffenen Gebäude eigentlich in Zonen gebaut wurden, wo man nicht hätte bauen dürfen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Die Widmung!)

Bezüglich des Flussbaus höre ich, dass Kärnten jetzt beginnt, die Fehler zu machen, die Tirol vor 30 Jahren gemacht hat: nämlich „Wasserautobahnen“ zu bauen, kleine Bächlein in betonierte Bahnen zu legen! Damit nimmt die Flussgeschwindigkeit zu, weil sie nicht mehr durch natürliche Barrieren gebremst wird. – Das ist absurd!

In Tirol setzen wir jetzt sehr viel Geld ein, um zu renaturalisieren. Auch in Wien wird übrigens renaturalisiert. Gleichzeitig fangen aber andere Bundesländer an, genau die gleichen Fehler zu machen.

Das Nächste: Wenn man sich die Studien des Joanneum Research-Zentrums an­schaut, dann muss man sich natürlich fragen: Was stimmt da nicht mit der Verteilung der Hilfsmittel, dass es dabei nicht gerecht zugeht? Warum bekommen zum Beispiel Kärntner Unwetteropfer bedeutend weniger an Hilfsmitteln als die anderer Regionen? – Da muss man an die Mittelverteilungsgerechtigkeit appellieren. Ich habe keinen Grund, an den Studien des Joanneum Research-Zentrums zu zweifeln, nur weil ein Landes­hauptmann sagt, es stimme nicht. Die Studien sagen, dass es wirklich ganz anders aussieht, und wir sollten uns da die Vergabegerechtigkeit anschauen! Meine Damen und Herren, da haben wir also noch einiges zu tun!

Nur damit, das Katastrophenpaket zu verabschieden, werden in Zukunft diese Proble­me nicht gelöst werden können. Wie auch Herr Kollege Anschober in Oberösterreich meinte: Wir müssen uns auch jenen Problemen widmen, die hausgemacht sind! – Ich bin froh, dass das Land Tirol zum Beispiel 280 000 € in die Aufrüstung des Frühwarn­systems für Hochwasser investiert.

Liebe Vorarlberger! Liebe Oberösterreicher! Lieber Niederösterreicher! Warum macht ihr da nicht mit? – Das sind Sachen, von denen man sagen kann: Diese sind sinnvoll! Jede Art von Frühwarnsystem bedeutet, dass signifikante Veränderungen in der Nie­derschlagsmenge sofortige Reaktionen auslösen können.

Wenn man zum Beispiel Reutte oder das Lechtal hernimmt: Im Jahr 1999 fielen in Reutte 212 Liter Regenwasser in 24 Stunden. Im Jahr 2005 beim Augusthochwasser waren es 145 Liter. Was sind aber die Gründe, warum das eine ein hundertjähriges Hochwasser mit mehr Liter Wasser ist und das andere ein zweihundertjähriges Hoch­wasser mit weniger Sekundenniederschlag? – Das heißt, in diesem Bereich bedarf es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 70

der Investition in Forschung. Gerade Naturkatastrophen müssen auch Aktivitäten in einem bestimmten Forschungselement beziehungsweise Forschungsbereich auslösen.

Weiters darf es nicht zu einfache Antworten geben! Nur Speicherkraftwerke im Kopf zu haben, ist eine, aber sicherlich nicht die Lösung für Hochwasser generell. Es geht um eine Summe, die den Flussbau, den Siedlungsbau, den Hochwasserschutz, die Flä­chenwidmung und so weiter mit einbezieht. Im sozialen Bereich geht es darum, endlich die Hilfskarenz für jene einzuführen, die wirklich helfen. Denjenigen sei zum Schluss – egal in welchem Bundesland – von hier aus herzlich gedankt! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.48


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt als Nächster Herr Bun­desrat Kritzinger. – Bitte.

 


12.48.56

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Hochwasserkatastrophe hat wieder einmal gezeigt, dass es einen ungeheuren Zusammenhalt gibt und dass Menschen bereit sind, freiwillig unentgeltlich einzuspringen und zu helfen. Ich bin der Ansicht, dass man diesen Menschen keine Abgeltung geben sollte, denn die freiwillige Leistung soll schon unbezahlt sein! Das ist, so denke ich, ein wichtiger Faktor, den wir aufrechterhalten müssen und den mancher Mensch als Bedürfnis spürt, nämlich zu helfen. (Bundesrat Wiesenegg: Aber einen rechtlichen Schutz muss er haben! – Bun­desrätin Bachner: Das war nicht gemeint! Das war ein Missverständnis! Nur, dass sie nicht gekündigt werden!)  Dann habe ich ihn falsch ... (Bundesrat Schennach: Es geht um den Kündigungsschutz für die, die freiwillig helfen!) – Umso besser. Dann sind wir uns einig.

Es gab da wirklich eine ungeheure Solidarität, die ja von meinen Vorrednern schon ge­würdigt worden ist. Im Oberland waren auch sehr viele Südtiroler im Einsatz. Landes­hauptmann van Staa hat Tag und Nacht gearbeitet, fast bis zur physischen Erschöp­fung! Diese Katastrophe in Tirol ereignete sich ja im August, zu einer Zeit, zu der man sich normalerweise ein paar Urlaubstage gönnt. Das war ihm damals nicht vergönnt. Ich sage das nicht, weil ich ihm Honig um den Mund schmieren und ihm schmeicheln will. Die Leistung war beeindruckend und man muss das nicht verbergen, sondern muss es einmal sagen!

Etwas Erfreuliches hat sich in Tirol bezüglich der Elektrobauten, wie beispielsweise im Zillertal, herausgestellt. Wir hätten im Zillertal die gleiche Katastrophe wie anderswo er­lebt, wären dort nicht die Elektrobauten gewesen! Dadurch hat man das Wasser do­siert ablassen oder zurückhalten können. Ich denke, in einem Gebirgsland wie Tirol – das gilt auch für Vorarlberg, das ist das Gleiche – braucht es schon eine Verbauung. Die Investition, die man da schon vor Jahren, beispielsweise im Jahr 2002, getätigt hat, hat sich jetzt wieder großartig bewährt.

Die rasche Handlung der Regierung war vorbildhaft und hilfsbereit. Man hat sofort gesagt: Ja, soundso viel wollen wir bereitstellen! – Vielleicht müsste man die Kompe­tenzen noch ein bisschen überlegen: Wer ist zuständig? Bürgermeister, Bezirkshaupt­mann, Landeshauptmann? – Da bin ich gerne bereit, einen schriftlichen Vorschlag zu machen.

Übrigens waren damals im Kamptal auch Tiroler und Südtiroler im Einsatz. Sie haben damals geholfen, was mich besonders freut, weil ich denke: Damit verstärkt sich auch die Verbundenheit zum übrigen Österreich. Das ist ein wichtiger Faktor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 71

Eine Voraussage von Katastrophen werden wir leider Gottes nie exakt treffen können. Man hat das in Amerika und jetzt wieder in Afghanistan gesehen. – Ich möchte nicht all das wiederholen, was schon gesagt worden ist. – Es lassen sich aber sehr viele Bau­ten, Schutzdämme und dergleichen mehr errichten, sodass man diese gebündelten Kräfte, die oft auf den Menschen zuströmen, zumindest ein bisschen aufhalten kann.

Ich denke da auch an die Wiener: Im Jahr 1830 war die große Überschwemmung. Die Donau hat ja Wien überschwemmt. Wenn Sie im Palais Liechtenstein einmal die Aus­stellung besuchen, dann lassen Sie sich die Marke zeigen, die – was weiß ich – recht hoch oben liegt: Bis dorthin reichte damals das Donauwasser! Dann wurde der zweite Donauarm gebaut und damit ist Wien seither von solchen Katastrophen verschont.

Natürlich werden durch solche Katastrophen sehr viele Menschen in Armut gestürzt. Der Armutsbegriff ist in der EU ein festgelegter Begriff, ein vergleichbares Maß, ein Richtwert des Einkommens. Es gibt aber kein absolutes Maß, was Armut betrifft! Armut in einer Gesellschaft – soziale Ausgrenzung kann schon Armut sein – ist so vielseitig! Sie kann oft auch selbst verschuldet sein.

Was mir oft Kopfzerbrechen bereitet, ist – was Herr Kollege Schennach heute ange­sprochen hat – die Scham-Armut, die versteckte Armut. Leider haben wir keine Mög­lichkeit, diese zu unterbinden. Da gibt es sicher sehr viele Fälle.

Wenn man die Armutsbegriffe – bezüglich des Einkommens – enger fasst und 50 Pro­zent des Medianeinkommens als Schwellenwert heranzieht, dann wäre ein Ein-Perso­nen-Haushalt mit weniger als 655 € arm. Für Österreich würde das eine armutsgefähr­dete Bevölkerung von 7 Prozent bedeuten. Auch das sind also dehnbare Begriffe. Die versteckte, die verborgene Armut können wir leider nicht bekämpfen, aber sonst, so denke ich, ist das alles in vorbildlicher Weise geschehen.

Ich möchte noch auf das Hubschrauberunglück in Tirol mit sechs Toten hinweisen. Auch dieses war nicht vorhersehbar, deswegen ist es richtig, dass die Regierung in Katastrophenfällen sofort und rasch hilft. – Ich richte meinen herzlichen Dank an alle, die da mitgeholfen haben. Ich bitte, dass man, wenn jemandem in Österreich etwas passiert, gleich wieder auf diese Weise einspringt. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.)

12.55


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


12.56.00

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Naturkatastrophen, wie wir sie im August erleben mussten, zeigen uns immer wieder, wie kräftig, stark und unberechen­bar die Natur ist, und sie zeigen uns auch auf, dass sie viel mächtiger ist, als wir uns vorstellen können.

Wir in Vorarlberg mussten diese Gewalt der Natur betroffen zur Kenntnis nehmen. Die betroffenen Menschen haben sehr viel mitgemacht und der Schock bei den Betroffe­nen sitzt immer noch tief. Mein Vorarlberger Kollege hat schon ausführlich und auch mit Zahlen belegt, wie sehr unser kleines Land von der Unwetterkatastrophe im August betroffen war.

Ich denke, es ist selbstverständlich, dass jenen, die von der Katastrophe besonders stark betroffen waren, schnell und unbürokratisch geholfen wird und dass jede Maß­nahme, die hier heute beschlossen wird, unsere volle Unterstützung findet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 72

Neben einer raschen Hilfe, die erfolgte, denke ich, dass wir jetzt eine gewisse zeitliche Distanz haben, um vielleicht den einen oder anderen Punkt auch kritisch zu hinter­fragen. Ich möchte zu Beginn meiner kritischen Anmerkungen den Bogen ein bisschen weiter spannen – Herr Kollege Schennach hat dies schon ganz kurz angesprochen –: Es geht um die weltweite Klimaveränderung.

Klimaexperten und Wissenschafter zeigen uns schon seit Jahren auf und warnen vor den Auswirkungen, die die jetzt gemachte Umweltpolitik weltweit auf unser Klima hat. Große Staaten wie die Vereinigten Staaten denken nicht einmal daran, ihren Energie­verschleiß und die Verschmutzung der Atmosphäre in irgendeinem Punkt zu reduzie­ren und ihre Politik zu ändern. Sie denken nicht daran, sich an dem Erreichen der Kyoto-Ziele zu beteiligen.

Dazu muss man leider auch kritisch anmerken, dass auch Österreich in diesem Be­reich kein Musterschüler ist: Auch wir sind noch weit von der Erfüllung der Kyoto-Ziele entfernt. Ich kann auch kein ernsthaftes Bestreben erkennen, diesbezüglich Verbesse­rungen zu erzielen.

Herr Kollege Kritzinger hat vorhin gesagt: Es gibt keine technischen Möglichkeiten und man darf darauf nicht zu viel Hoffnung setzen. – Ich sehe das ein bisschen anders: Ich denke, es ist besonders wichtig, dass alle technischen Voraussetzungen geschaffen werden, um möglichst früh und möglichst effizient auf herannahende Naturkatastro­phen reagieren zu können.

Ich möchte diesbezüglich einen ganz konkreten Punkt anführen: Es geht um die An­schaffung eines Wetterradars auf der Valluga, weil es mit den vorhandenen Wetter­radars, die es im Patscherkofel-Bereich und in der benachbarten Schweiz gibt, nicht möglich ist, die Täler Vorarlbergs dementsprechend einzusehen, um dann auch früh genug reagieren zu können. Da ist die Bundesregierung gefordert! Die Vorarlberger Landesregierung und der Landtag haben dieses Wetterradar schon vor über drei Jahren beschlossen und gefordert, aber bei der Bundesregierung ist dann nichts mehr weitergegangen. – Darum also meine Aufforderung, dieses überfällige Wetterradar so schnell wie möglich fertig zu stellen und die Beobachtungen den Hilfskräften und den Einsatzkräften zur Verfügung zu stellen.

Die Arbeit und die Leistung der freiwilligen Helferinnen und Helfer wurde schon an­gesprochen. Die ist gerade bei solchen Extremverhältnissen, wie wir sie hatten, besonders wichtig. Der Wermutstropfen ist nämlich wirklich jener, Kollege Kritzinger, dass es im arbeitsrechtlichen und dienstrechtlichen Bereich keine Absicherung für die Menschen gibt. Da kann ich die Forderung von Bundesrat Schennach nur deutlich unterstreichen, denn weder im öffentlichen Dienst noch in privatrechtlichen Dienstver­hältnissen bekommen ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich im Sinne der Gesellschaft einsetzen, die notwendigen Freistellungen. Wir sollten daher wirklich eine gesetzliche Regelung schaffen, um diesen freiwilligen Helfern in Katastrophenfällen für die Dauer ihres Einsatzes einen Sonderurlaub gewähren zu können. Ich glaube, das ist wirklich das Mindeste, was sich diese Helferinnen und Helfer verdient haben. Hier müssen wir rasch eine Lösung finden.

Wir waren in Vorarlberg froh, dass das Bundesheer so schnell und auch in so großer Stärke angetreten ist und viele, viele Maßnahmen unterstützend begleitet hat. Ich mache mir nur in einem Punkt Sorge: um die Ausstattung unseres Bundesheeres, wenn es darum geht, optimal für den Katastrophenfall gerüstet zu sein. Hier sehe ich nach wie vor eine falsche Prioritätensetzung unserer Bundesregierung. Da ist irrsinnig viel Geld gebunden für die Anschaffung teurer Eurofighter, die uns in Katastrophen­fällen überhaupt nicht helfen. Da kann ich nur noch einmal und immer wieder aufrufen: Verzichten Sie auf diese sinnlose Investition der Eurofighter, sondern nehmen Sie das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 73

Geld für sinnvolle Projekte in die Hand, die den Menschen zugute kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt – und da kann ich die derzeitige Regierung auch nicht ganz aus der Verantwortung nehmen –: Die Arlberg-Bahnstrecke wurde im August sehr stark be­schädigt. Die Reparaturen der Schäden laufen noch immer, und es ist zu befürchten, dass es noch Wochen und Monate dauern wird, bis die Bahnstrecke zwischen Tirol und Vorarlberg wieder funktionstüchtig ist. Ich habe in den letzten Wochen mit vielen ÖBB-Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern gesprochen und alle bestätigen mir eines: Durch die Aufgliederung der ÖBB in diese neuen Gesellschaften herrscht gerade in solchen Fällen, wie wir sie da hatten, ein Kompetenzwirrwarr. Es ist unklar, wer wofür zuständig ist, die Gesellschaften wissen nicht, was die eine und die andere macht. Dadurch kommt es zu Verzögerungen, die nicht notwendig wären. Diese Aufsplittung der ÖBB hat nur eines bewirkt, meine Damen und Herren: Man hat ein paar Vorstands­posten mehr geschaffen und leider bestehende gute Strukturen zerstört.

Die Flächenwidmung hat auch einen ganz bedeutenden und entscheidenden Einfluss. Häuser gehören nicht dorthin, wo Hochwassergefahr besteht. Auch diesbezüglich ist in den letzten Jahren einiges versäumt worden. In allen politischen Bereichen, muss man dazusagen; das betrifft nicht nur die Bundeskompetenz, sondern alle Bereiche. Ich glaube, auch da müssen wir schauen und politisch ansetzen, dass wir die Widmungen nicht weiterhin so betreiben, dass Häuser dort errichtet werden können, wo Gefahren­zonen sind, denn die Menschen können dann nichts dafür, wenn man sie die Häuser in einer Gefahrenzone bauen lässt. Das kann nicht so sein.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich mich natürlich auch bei allen Helferinnen und Helfern, die sofort und ohne Wenn und Aber geholfen haben, aus­drücklich bedanken. Ich möchte auch festhalten, dass sich gerade die regionalen Strukturen der Feuerwehr und des Roten Kreuzes sehr bewährt haben. Ich möchte auch hier noch einmal betonen, dass es gerade die SPÖ ist, die sich konsequent in dieser Sache und in anderen Bereichen gegen die Ausdünnung der Regionen in Öster­reich zur Wehr setzt, und wir werden das auch weiterhin machen. (Bundesrat Mayer: Bei uns funktioniert das gut!) – Das habe ich gesagt. Bei uns ist das gewährleistet und es hat gut funktioniert. Aber in anderen Bereichen, lieber Edgar Mayer – jetzt komme ich vom Hochwasser ein bisschen weg –, hat uns diese Ausdünnung im ländlichen Raum schon betroffen. Ich denke an die Postämterschließungen, an die Schließung der Polizeistation et cetera. Auch da war Vorarlberg betroffen, da kann ich Vorarlberg nicht ausnehmen. Bei den Rettungen, bei den Feuerwehren funktioniert es ausgezeich­net – und das soll auch so bleiben.

Die bestmögliche Hilfe, denke ich, ist die Vermeidung künftiger Schäden. Dort müssen wir ansetzen, das muss der Ansatzpunkt sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.05


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.05.26

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Als siebente auf der Rednerliste ist es natürlich nicht mehr so einfach, etwas Neues zu erzählen. Wir werden dem Gesetz jetzt zustimmen, und ich möchte mich auch vollinhaltlich in dem Punkt anschließen, dass es wirklich dringend notwendig ist, dass die Hilfskarenz für freiwillige Helferinnen und Helfer end­lich auch zum Gesetz wird, denn ich denke, Lob und Anerkennung sind gut und schön, aber rechtliche Absicherung ist mindestens genauso wichtig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 74

Die Hochwasserentschädigungen sind die eine Seite, die andere Seite ist der Katastro­phenschutz. Ich denke, der kommt in Österreich nach wie vor etwas zu kurz. Es ist vorhin schon die Klimaschutzpolitik angesprochen worden. Selbst Herr Bundesminister Pröll hat zuletzt angedeutet, dass die Anstrengungen bis jetzt doch nicht ausreichend wären, damit wir das Kyoto-Ziel erreichen, und dass man vielleicht doch etwas mehr tun müsste. Vielleicht kann man das auch dem Herrn Finanzminister einmal mitteilen, damit diese Kosten dann auch übernommen werden. (Staatssekretär Dr. Finz: Dafür gibt es Geld!) – Wir haben unheimlich viel Geld, es ist aber sicherlich die Vorbeugung eine bessere Investition als nachher bei den Entschädigungen mehr zahlen zu müs­sen.

Ein weiterer Punkt zum Hochwasserschutz: In der Vergangenheit – Kollege Schennach hat es schon angeschnitten – sind sicher viele Fehler passiert, etwa im Bereich der Flussverbauungen. Der Mensch hat geglaubt, er kann die Natur in den Griff bekom­men, wenn er sie einbetoniert. Das hat leider nicht funktioniert. Wir haben diesen Feh­ler erkannt, und zumindest denken wir, dass dieser Fehler allgemein erkannt worden ist. Ich bin mir nicht sicher, ob alle aus diesen Fehlern gelernt haben.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist sich offensichtlich sicher, dass sie aus den Fehlern gelernt hat. Sie hat in der letzten Landtagssitzung einen Bericht zur Hoch­wasserkatastrophe vorgelegt, der war sage und schreibe eineinhalb A4-Seiten lang. Dass er nicht sehr inhaltschwer war, ist auf Grund seiner Länge nahe liegend. Aber die Krone hat dem Ganzen dann noch der Herr Landtagsabgeordnete Riedl aufgesetzt, indem er behauptet hat, die Grünen hätten gegen den Hochwasserschutz gestimmt, weil die Grünen gegen eine Änderung des Naturschutzgesetzes gestimmt hätten.

Das heißt, wir haben auch gegen die Änderung des Naturschutzgesetzes gestimmt, nur verwechselt die Niederösterreichische Landesregierung da offensichtlich Hochwas­serschutz und Straßenbauten, denn im Naturschutzgesetz ist in der Begründung kein einziges Wort von Hochwasserschutz drinnen. (Bundesrätin Roth-Halvax: Sie haben zugestimmt!) Das Naturschutzgesetz ist sehr wohl ohne unsere Zustimmung beschlos­sen worden, den Bericht haben wir, obwohl er nur eineinhalb Seiten lang ist, zur Kennt­nis genommen.

Aber ich habe mir erlaubt, mir neben dem Bericht des Landes Niederösterreich zum Hochwasser auch noch den Bericht des WWF zur Hochwasserbilanz 2002 anzuschau­en. Und der sieht weniger erfreulich aus als jener des Landes Niederösterreich. (Bun­desrat Höfinger: Kennen Sie die Maßnahmen, die in Niederösterreich gesetzt wurden seit dem Hochwasser 1997 und 2002?) Es sind offensichtlich zu wenige Maßnahmen, und ich werde später auch noch darauf eingehen, wenn ich darf. Vielleicht können wir das später machen, ja? Und möglicherweise sind es auch die falschen Maßnahmen.

Im Bericht des WWF – und das ist jetzt sicher nicht die links-linke Organisation – steht nämlich unter anderem, dass die Zerstörung von Flussufern durch neue Kraftwerke geplant ist, dass nur 3,5 Prozent der Mittel für Hochwasserschutzmaßnahmen, für Revitalisierung aufgewendet werden und der Rest wieder für mehr oder weniger Beton­bauten, dass Renaturierungsprojekte nicht realisiert werden, dass die großen Renatu­rierungsprojekte in den Jahren 1998 bis 2000 24,4 Millionen € ausgemacht haben (Bundesrat Höfinger: Für die sind 100 Millionen vorgesehen!), in den Jahren 2001 bis 2003 hat man nur mehr 9,2 Millionen € investiert. Also 96,5 Prozent der gesamten Investitionen sind nicht in weiche Maßnahmen gegangen, sondern in harte Betonie­rungsmaßnahmen.

Ich lese Ihnen jetzt Stichworte aus diesem Bericht vor. (Bundesrat Höfinger: Lesen Sie lieber das Budget der Niederösterreichischen Landesregierung!) Ich finde, die sind auch sehr interessant, und vielleicht sollten Sie auch den Bericht des WWF lesen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 75

damit Sie wissen, dass es verschiedene Maßnahmen gibt (Bundesrat Höfinger: Lesen Sie lieber das Budget von Niederösterreich!): Positive Initiativen sind selten. Europäi­sche Richtlinien werden von Österreich nicht umgesetzt. 3 Milliarden € Flutschäden. Die Wasserqualität österreichischer Fließgewässer ist unbestritten gut, ihre ökologi­sche Qualität unbestritten schlecht. 100 000 Kilometer Flussstrecke, 30 000 Flusskilo­meter reguliert oder gestaut, 600 Kilometer pro Jahr. Und so weiter und so fort.

Also ich bin der Meinung, es wäre ganz, ganz wichtig, dass sich die Bundesregierung und vielleicht auch die Niederösterreichische Landesregierung diese Hochwasserbilanz des WWF genauer anschauen und nicht nur den Kurzbericht der Landesregierung lesen. (Bundesrat Höfinger: Es wäre besser umgekehrt!) Ich habe den Kurzbericht des Landes gelesen. (Bundesrat Höfinger: Ich glaube, es wäre wichtiger, wenn sich der WWF einmal den niederösterreichischen Bericht und das Budget anschauen würde!) Sind Sie fertig? – Danke.

Zusammenfassend möchte ich die zweite Überschrift des Berichtes des WWF noch verlesen, die ist sehr kurz: Österreich ein Jahr nach der Flut: Nichts gelernt. – Und dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen.

Wie gesagt, wir stimmen dem vorliegenden Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz zu, das ist selbstverständlich. Aber eines möchte ich Ihnen mit­geben, und zwar auch an die Adresse des Herrn Finanzministers: Wer die Natur mit Füßen tritt, braucht verdammt hohe Gummistiefel. – Und ich würde mir wünschen, dass wir nicht in Gummistiefel investieren, sondern in die Zukunft. (Beifall bei den Grü­nen und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.11


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

 


13.12.00

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Wenn es auch schon oft gesagt und zum Ausdruck gebracht worden ist, so sollte uns in dieser Debatte doch eines nicht abhanden kommen: Mir geht es zumindest so, dass bei diesen Debatten das Mitgefühl mit den Betroffenen, die tragische Verluste hinnehmen mussten, sehr stark spürbar ist. Wir sollten uns in dieser Debatte, meine Damen und Herren, auch verbunden fühlen mit jenen, die Hab und Gut verloren haben. Wir alle sind, glaube ich, in dieser Debatte bei jenen Mitbürgern, die die Angst, den Schock noch nicht überwunden haben.

Herr Kollege Einwallner, gerade in dieser Gefühlssituation finde ich es nicht zulässig, um nicht zu sagen pietätlos, wenn die Heeresbeschaffung dem Schicksal der Betrof­fenen von Katastrophen gegenübergestellt wird, wenn die Heeresbeschaffung den Hochwasseropfern gegenübergestellt wird. (Bundesrat Ing. Einwallner: Es geht um die Prioritätensetzung!) Das, meine Damen und Herren, ist in dieser Stunde nicht ange­bracht, das ist an der Grenze der Pietät. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Bachner: Wann dann, wenn nicht jetzt? Erst dann, wenn es wieder zu spät ist?) Ich glaube, es ist vielmehr ein Mindesterfordernis, dass über die Parteigrenzen hinweg rasch und effizient geholfen wird.

Was meinen wir mit „helfen“, Frau Kollegin? Das sollte die Frage für uns sein. Natürlich die Erlassung des Hochwasseropferentschädigungs-Gesetzes mit einigen Neben- und Beigesetzen bis zur Gebührenerleichterung, Verfahrenserleichterung und vielem mehr an Hilfe für die Betroffenen.

Es ist aber, meine Damen und Herren, natürlich auch jeder Einzelne von uns aufgefor­dert, über die gesetzlichen Möglichkeiten hinaus persönlich und privat den Betroffenen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 76

zu helfen. Hier ist meine Bitte, mein Appell an alle Damen und Herren: Leben wir die­sen nationalen Konsens nicht nur rhetorisch, sondern erfüllen wir diesen nationalen Konsens auch mit Taten!

Wir sollten uns aber in dieser Stunde auch bei den Einsatzorganisationen bedanken, egal, ob sie freiwillig oder hauptberuflich ihren Dienst geleistet haben. Und weil ich die freiwilligen Helfer, die freiwilligen Organisationen angesprochen habe: Hier würde ich mir auch wünschen, dass die öffentliche Hand die Haftung in vermögens- und sozial­rechtlichen Fragen übernimmt. Herr Kollege Schennach hat das Wort „Hilfskarenz“ ge­nannt. Selbstverständlich. Das wäre für mich auch eine notwendige Maßnahme, denn es muss uns auch bewusst sein, meine Damen und Herren, dass Idealismus, Solida­rität nicht zu persönlichen Nachteilen führen dürfen. Daher bin ich völlig bei dir, Kollege Schennach, dass man über eine Hilfskarenz nachdenken und vielleicht eine Regelung finden sollte.

Es besteht hier auch Handlungsbedarf, und ich würde mir wünschen, dass man zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommt. Wir Österreicher sind nicht nur, wie so oft zitiert, Spendenweltmeister, wir sind bereit, zu helfen, wir sollten daher als gesetz­gebende Körperschaft gerade im Geiste der Freiwilligen, gerade im Geiste dieser Hilfs­bereitschaft bereit sein, Regelungen zu treffen, damit für die Freiwilligen keine persön­lichen Nachteile zum Tragen kommen.

Meine Damen und Herren! Ich sage das auch ganz bewusst in der Länderkammer, dass manche Regelungen bundeseinheitlich getroffen werden sollten, nicht nur die Hilfskarenz als so genannte soziale Sicherheit für die Helfer und Hilfsorganisationen. Es wäre auch – das wurde auch schon angesprochen – eine präventive Maßnahme, über die Raumordnung, über die Bauordnung nachzudenken, um nämlich die Bürger­meister aus dem Spannungsfeld zu nehmen, weil sie einerseits Baubehörde, Bau­instanz sind und andererseits von den Bürgern in den Gemeinden wieder zu wählen sind. In der Praxis ist es da oft sehr schwierig, dieses Maß der Mitte zu finden. Das Versagen eines Baurechtes bedeutet für den Bürgermeister meistens eine Stimme oder mehrere Stimmen weniger bei der nächsten Wahl.

Hier sollte man darüber nachdenken, ob es nicht vernünftiger wäre, diese Kompetenz auf eine andere Ebene zu verlagern, nämlich auf die Verwaltungsebene im Beamten­verfahren. Es würden meiner Meinung nach, meine Damen und Herren, die Gefahren­zonen, die man ja kennt und die ausgewiesen sind, auch eher und wahrscheinlich auch konsequenter berücksichtigt werden. Es werden Katastrophen nicht zu verhindern sein, aber es wäre zumindest ein geringerer Sachschaden in diesem Bereich zu erwarten.

Katastrophen und Schicksale wird es leider immer geben. Trotz alledem, meine Damen und Herren, sollten wir uns als gesetzgebende Körperschaft, als Volksvertretung in die­ser Debatte nicht nur einig sein, sondern auch das Handeln in dem Sinne, wie ich es angesprochen habe, übernehmen. Setzen wir statt Worten Taten! (Beifall bei den Frei­heitlichen, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

13.18


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet: Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


13.18.48

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Bevor ich auch auf den vorliegenden Tagsordnungspunkt eingehe, möchte ich kurz auf das Protokoll der Fragestunde Be­zug nehmen. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Genera­tionen und Konsumentenschutz, Herr Sigisbert Dolinschek, hat bei der Beantwortung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 77

einer Frage gesagt: „Wir wissen, dass die Pensionen immer um die Inflationsrate ange­hoben werden, dass es also einen gewissen Ausgleich gibt.“ Es hat dann einheitlich ein „Nein!“ aus dem Plenum gegeben. Der Herr Staatssekretär hat gesagt: „Na, selbst­verständlich!“ Und das in Anbetracht der Entwicklung in den letzten Jahren: 2001: Infla­tionsrate 2,7, Pensionserhöhung 0,8; 2002: Inflationsrate 1,8, Pensionserhöhung 1,1; 2003: Inflationsrate 1,9, Pensionserhöhung 0,5; 2004: Inflationsrate 2,2, Pensionserhö­hung 0,8. 2005 wird das aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls so sein. Die Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts für die Inflation liegt bei 2 Prozent, die reale Pensions­erhöhung bei 0,8.

Ist das de facto – nun, wie soll man sagen? – ein Hohn des Staatssekretärs, zu be­haupten, es seien doch immer die Pensionen angehoben worden? (Bundesrat Kalten­bacher: Nicht kompetent!)

Man fragt sich da schon: Wo ist denn der Herr Staatssekretär: in diesem Land – oder in einem anderen Land? (Bundesrat Dr. Böhm: Sprechen Sie von Deutschland?)

Nun zum Hochwasserschutz: Mein Vorredner hat gesagt, statt Worten müssen Taten gesetzt werden. Wir sehen das genauso!

Oberösterreich war im Jahr 2002 vom Hochwasser stark betroffen. Es ist klar, dass ein solidarisches Zusammenstehen aller Menschen in der Zivilgesellschaft ganz wichtig ist. Das ist uns in Oberösterreich gelungen, und das ist uns österreichweit gelungen. Es ist auch in diesen Tagen internationale Solidarität gefragt. Völlig richtig! Aber es gibt na­türlich die Anforderung an die Politik, da einen nächsten Schritt zu setzen.

In Oberösterreich ist das Umweltressort in guten Händen. Es ist in den Händen der Grünen, es ist in den Händen von meinem Kollegen Rudi Anschober. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Wir haben jetzt forciert, die Raumordnung in die Richtung zu verändern, dass es in gefährdeten Gebieten ein Bauverbot gibt. Das ist auch im Landtag letzte Woche so beschlossen worden. Das stellt natürlich einen großen Fortschritt dar.

Herr Staatssekretär! Es gibt auch Wünsche aus Oberösterreich. Die Erfüllung dieser fordern wir seit dem Jahr 2003 sehr heftig ein. Da gibt es eine Menge Punkte, die wir auch weiterhin zentral verhandeln werden.

Es ist uns gelungen, dass bereits rund 173 Hochwasserschutzprojekte in Durchführung sind. Das ist der erste Fortschritt in Oberösterreich. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Bachner.)

Was immer ein Hemmnis bei der Umsetzung im Bereich des vorsorgenden Umwelt- und Hochwasserschutzes darstellt, das ist der Punkt Finanzen. Da gibt es natürlich ein Nachhinken, einen Mangel. Daher gibt es das große Anliegen an den Bund, doch einen Sondertopf bundesweit zu finanzieren, und zwar in der Größenordnung von 700 Millionen €. Damit wären wirklich ganz zentrale Projekte in Österreich abgedeckt. (Staatssekretär Dr. Finz: ... gemeinsam tun!)

Herr Staatssekretär! Wir finanzieren immer gemeinsam, aber wenn der Bund derart stark auslässt, dann ist es für uns Länder ganz schwierig, das zu machen. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Bachner. – Zwischenbemerkung von Staatssek­retär Dr. Finz.)

Bezug nehmend auf Ihre Bemerkung, der Herr Landeshauptmann hätte gesagt, er könne seine Mittel nicht aufstocken, möchte ich Ihnen sagen: Das ist kein Wunder, denn auf Grund der Steuerreformen, die diese Bundesregierung gemacht hat, werden die Länder völlig ausgetrocknet. Womit sollen sie die Zusatzfinanzierungen machen? (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 78

So sind die Tatsachen (Staatssekretär Dr. Finz: Schauen Sie einmal nach Wien! Dort ...!), damit müssen wir leider im Moment leben. Aber wir hoffen, dass sich das bald ändern wird.

Nächstes Thema: Katastrophenschutzfonds. – Dieser Fonds ist im Jahr 1995 einer ge­setzlichen Änderung unterworfen worden, und seither zieht der Finanzminister von diesem ständig Geld zur Budgetsanierung ab. Zu diesem Zweck ist dieser Fonds nicht eingerichtet worden, daran muss sich endlich etwas ändern. (Staatssekretär Dr. Finz: Es wird nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen abgezogen! Nur in diesem Rahmen!)

Es sind seit dem Jahr 1995 dreistellige Millionenbeträge entnommen worden. (Staats­sekretär Dr. Finz: So ist es im Gesetz vorgesehen!) Das kann nicht so sein. Nehmen wir doch dieses Geld für den vorsorgenden Hochwasserschutz! (Staatssekretär Dr. Finz: Dann muss man das Gesetz ändern!)

Ja, Herr Staatssekretär! Aber dafür sind Sie doch in der Regierung, nämlich dafür zu sorgen, dass die Fonds ordentlich abgedeckt sind, dass die Mittel zur Verfügung ste­hen. (Staatssekretär Dr. Finz: Nein, es gibt einen Gesamtdeckungsgrundsatz! Wenn was übrig bleibt, fließt es wieder dem allgemeinen ...! Das sind finanzwirtschaftliche Grundsätze! Das steht in der ...!) – Wir machen jetzt ein Zwiegespräch.

Summa summarum geht es auf jeden Fall darum, dass wir einerseits die gesetzlichen Kompetenzzersplitterungen beseitigen und andererseits in diesem Bereich Verbesse­rungen durchführen. Natürlich muss man das Raumordnungsgesetz generell verbes­sern, so, wie es vorhin schon angesprochen worden ist, nämlich dahin gehend, dass man einerseits den Druck von den Gemeinden, von den Bürgermeistern wegnimmt und andererseits die Mittel für den Hochwasserschutz erhöht. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Bachner.)

13.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssek­retär Dr. Finz. – Bitte.

 


13.25.20

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrter Hoher Bundesrat! Ich möchte mich zuerst dafür be­danken, dass alle Fraktionen diesem Gesetz zustimmen werden. Das finde ich bei solch einer bedeutenden Materie äußerst wichtig.

Ich möchte hier anführen, dass wir schon Akontoleistungen auf Grund der Hochwas­serkatastrophe erbracht haben, und zwar im Ausmaß von 37,8 Millionen €. Zusätzlich sind 21,4 Millionen € gerade in Anweisung. Also, wir haben sofort reagiert, haben nicht gewartet, bis Rechnungen vorliegen, sondern haben bereits Mittel zur Verfügung ge­stellt. (Präsident Mitterer übernimmt den Vorsitz.)

Zum vorbeugenden Katastrophenschutz möchte ich anführen, dass wir derzeit jährlich 140 Millionen € – das ist nicht so wenig ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist nicht so wenig, aber es ist zu wenig!)

Wenn ich die Mittel der Länder und Gemeinden und die Mittel privater Interessenten dazurechne, dann komme ich auf einen jährlichen vorbeugenden Katastrophenschutz von 200 Millionen €. Ich weiß, das klingt nach wenig, aber das sind in Schilling Milliar­denbeträge. Das sind fast 3 Milliarden Schilling, und das geben wir derzeit vorbeugend aus.

Bei den Bundesflüssen deckt der Bund 85 Prozent, die Gemeinden 15 Prozent, bei den Interessentengewässern deckt der Bund 60 Prozent, das Land 30 Prozent, die Ge-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 79

meinden 10 Prozent, bei der Wildbachverbauung trägt der Bund 58,7 Prozent, das Land 18,5 Prozent und 18,5 Prozent die Interessenten. Also, wir geben da nicht so wenig aus.

In Schreiben von Landeshauptleuten wird gefordert – diese Schreiben habe ich hier –, der Bund solle aufstocken, aber gleichzeitig wird gesagt, die eigenen Mittel könnten nicht aufgestockt werden – dies, obwohl ein genauer Kostenschlüssel besteht. So geht es nicht!

Wir erklären unsere Bereitschaft, darüber Gespräche zu führen. Wir werden sie auch führen und laden dazu auch ein. Wir wollen jetzt wissen, wie die Überarbeitung der bis­herigen Pläne auf Grund der aktuellen Schäden ausschaut und welche Mittel erforder­lich sind und wie die nach dem vereinbarten Kostenschlüssel zu errechnenden Mittel gemeinsam aufgebracht werden.

Herr Bundesrat Einwallner! Ich weiß nicht, weshalb der Bund das Wetterradar bezah­len muss. Aber wir sind gerne bereit, nach den bisherigen Kompetenzregeln vorzuge­hen. Ich kenne mich in der Bundesverfassung relativ gut aus und frage mich, seit wann das eine Bundeskompetenz ist. Sollte vom Herrn Landeshauptmann auch das zur Sprache gebracht werden, werden wir das in die Gespräche über die gemeinsamen Finanzierungen gerne mit einbeziehen.

Nun zu den Ausführungen zur Hilfskarenz, zu den arbeitsrechtlichen Bestimmungen: Ich möchte sehr davor warnen, dieses Problem nur einseitig, nur aus einer bestimmten Perspektive zu sehen.

Es klappt im Wesentlichen, wenn freiwillige Helfer für Katastropheneinsätze frei be­kommen. Wie gesagt, es klappt im Großen und Ganzen. Mir sind im Einzelnen keine Beschwerden bekannt. Wenn es wo nicht geklappt hat, haben wir sofort die Sozialpart­ner, bis hinauf zum Präsidenten auf der einen Seite und dem Gewerkschaftspräsiden­ten auf der anderen Seite, eingeschalten, und die haben dann mit den Unternehmun­gen geredet.

Sie müssen aber auch bedenken, dass es Kleinstunternehmungen mit zwei, drei Ar­beitnehmern gibt. Wenn von diesen einer bei der freiwilligen Feuerwehr ist, dann kann der Unternehmer nicht auf ihn verzichten, er kann es sich nicht leisten, dass der drei, vier Wochen lang weg ist, denn sonst kann er seinen Betrieb zusperren. Das kann man mit sozialrechtlichen Bestimmungen nicht lösen.

Wenn man sozialrechtliche Bestimmungen einbaut – und wir sehen das bei Behin­derten oder bei Lehrlingen –, wenn man zum Beispiel den Kündigungsschutz in einem extremen Ausmaß ausbaut, die Hilfskarenz ausdehnt und dergleichen mehr, dann führt das dazu, dass etwa Arbeitnehmer, die bei der freiwilligen Feuerwehr sind, erst gar nicht aufgenommen werden, weil sie auf einen gesetzlichen Bonus verweisen können.

Die derzeit geltenden Bestimmungen reichen dem Grunde nach aus, ermöglichen eine flexible Handhabung. Die Arbeitgeber sind in der Regel oder nach Zureden vernünftig, und es klappt im Großen und Ganzen.

Außerdem ist zu bedenken: Wir reden die ganze Zeit davon, dass man für die Wirt­schaft die Lohnnebenkosten senken soll. Aber das sind lauter Lohnnebenkosten, die wir dann der Wirtschaft aufbürden! Wir können die Kosten dafür aber auch nicht dem Staat aufbürden, so wie es jetzt vorgeschlagen wurde, denn das sind dann vom Staat zu tragende Kosten, für die wiederum der Steuerzahler aufkommen muss, und was soll der Steuerzahler noch alles leisten. Es gibt keinen Bankomaten, der aus dem Himmel gespeist wird, sondern wir haben nur eine verfügbare Summe, und diese müssen wir so fair wie möglich, gerecht und angemessen auf alle Teile verteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 80

Nun eine Bemerkung zum Thema „Pensionserhöhung“: Mein Kollege Dolinschek hat sicherlich gemeint, dass unter dieser Regierung in Zukunft die Pensionserhöhung gemäß der Inflationsrate erfolgt. (Bundesrätin Bachner: Nein!) Unter sozialdemokra­tischen Sozialministern war es anders. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da wurde nach folgender komplizierter Formel vorgegangen: Wie hoch ist die Inflationsrate?; dann: Was machen die Lohnerhöhungen der Aktiven aus?; dann: Wie viel beträgt die Arbeits­losenrate? Diese Formel hat kein Mensch verstanden. Da haben wir gesagt: Davon gehen wir ab! Jetzt wird eindeutig gemäß der Inflationsrate erhöht. Nächstes Jahr sind es 2,5 Prozent. Das ist eine faire Aufteilung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.31


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Hochwasseropferent­schädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 – HWG 2005 erlassen wird, das Kata­strophenfondsgesetz 1996 und weitere Gesetze geändert werden und abgabenrecht­liche Sondermaßnahmen für Opfer von Naturkatastrophen vorgesehen werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Sep­tember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine Gerichtsgebührenbefreiung in Zusammenhang mit der Hochwasserhilfe des Jahres 2005 gewährt wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch das ist mit Stimmeneinhelligkeit angenommen. Der Antrag gilt somit als angenommen.

13.32.465. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Beschäftigungsförderungsgesetz (BeFG) erlassen wird sowie das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsge­setz 1977, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsge­setz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Ju­gendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden (1075 d.B. und 1093 d.B. sowie 7377/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Prutsch. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

 


13.34.01

Berichterstatter Günther Prutsch: Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 81

Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Beschäftigungsförderungsgesetz (BeFG) erlassen wird sowie das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktser­vicegesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Nachtschwerarbeitsgesetz, das Dienstleistungsscheckgesetz, das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2006 geändert werden.

Dieser Bericht liegt allen Bundesräten in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Verlesung des Ausschussantrages:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Mayer. Ich darf ihm dieses ertei­len.

 


13.34.32

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Unter der Regierung Schüssel haben Beschäftigung und Wachstum oberste Priorität. (Bundesrätin Bach­ner: Nur glauben das viele nicht!) Auch wenn Sie es nicht glauben, liebe Kollegin, das ist so! (Bundesrätin Bachner: Nein!) Ich werde es Ihnen im Laufe meiner Rede erklä­ren. (Beifall bei der ÖVP.) – Ich danke meiner Fraktion. Sehr aufmerksam!

So sollte jede Rede beginnen: mit einem netten Auftakt, nämlich einer kleinen Auf­merksamkeit von Seiten der eigenen Fraktion.

Die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen zur Konjunkturbelebung des ös­terreichischen Arbeitsmarktes setzen die notwendigen Impulse. Mit dem vorliegenden Beschäftigungsförderungspaket werden zusätzlich 285 Millionen € für aktive Arbeits­marktpolitik zur Verfügung gestellt.

Obwohl Österreich im EU-Vergleich nach wie vor eine geringe Arbeitslosigkeit hat, weil wir mit großer Umsicht und mit großem Engagement an diesem Problem arbeiten, wa­ren bisher gewaltige Anstrengungen erforderlich, um diesen Standard zu halten. Dazu zählen – um hier nur einige Beispiele zu nennen –: Konjunkturpaket 1 und 2, Wachs­tums- und Standortpaket, Steuerreform 2004 und 2005 (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Schöne Worte!), Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung. Ein weiteres Bespiel für Sie, Frau Kollegin Lichtenecker: regionale Beschäftigungs- und Wachstumsoffen­sive.

Das sind nicht nur schöne Worte, das sind auch Taten, die diese Bundesregierung ge­setzt hat, liebe Kollegin Lichtenecker! Können Sie das dementieren? (Zwischenruf.) – Stimmt! Ich danke, dass Sie spontan erkannt haben, dass wir das wirklich umgesetzt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Höchste Arbeitslosen­quote!)

Diese Maßnahmen brachten seit dem Jahr 2002 einen kontinuierlichen Wachstums­effekt – auch in diesem Jahr – in der Höhe von 1,7 Prozent. Für das nächste Jahr gibt es eine noch bessere Prognose. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das stimmt ja auch nicht!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 82

Die Beschäftigungsentwicklung müssen Sie sich auch anschauen! Da gibt es einen An­stieg um 31 469 Personen.

Weil Sie immer unsere Arbeitslosenpolitik kritisieren, muss ich Ihnen jetzt endlich ein­mal Folgendes sagen: Noch nie waren in Österreich so viele Menschen in Beschäfti­gung wie heute. Das ist eine Tatsache! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Lich­tenecker: Gleitzeit!)

Um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen gibt es wieder ein Maßnahmenpaket. (Bundesrat Gruber: Es gab noch nie so viele Arbeitslose!) – Herr Kollege Gruber! Ich freue mich, dass Sie hier sind und dass Sie sich nach wie vor, obwohl Sie Ihre Landeshauptfrau im Prinzip schon abgeschafft hat, immer wieder zu Wort melden. Im Prinzip haben Sie gar keine Legitimation mehr. Im Prinzip. Es ist so! (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Gruber.)

Genau deshalb reden wir heute über ein Beschäftigungsförderungspaket, mit dem wir zusätzliche Maßnahmen zur Ausweitung und Ausbildung im Bereich der Gesundheits- und Pflegeberufe, zur Förderung der Lehrausbildung, zur zertifizierten Qualifizierung von Jugendlichen und Frauen und vor allem von Wiedereinsteigerinnen auf dem Ar­beitsmarkt setzen.

Natürlich ist auch das Kombilohn-Modell, auf das wir noch zu sprechen kommen wer­den, nicht zu vergessen. (Bundesrätin Bachner: Das ist eine Katastrophe!) Das ist keine Katastrophe, sondern eine wichtige Maßnahme für Langzeitarbeitslose. (Bundes­rätin Bachner: Nein!)

285 Millionen € werden mit diesem Paket investiert. Es gibt zusätzlich 285 Millionen für die Arbeitsmarktpolitik.

Erster Schwerpunkt: Pflege- und Gesundheitsbereich. – Hilfen für 1 400 Arbeitskräfte.

Zweiter Schwerpunkt: Frauenbeschäftigung. – Eingliederungshilfen bei Wiedereinstieg für mehr als 22 000 Frauen.

Dritter großer Schwerpunkt: Jugendbeschäftigung. – Das Projekt „Jobs for You(th)“, die Beschäftigungs- und Qualifizierungsinitiative für Jugendliche, oder das „Projekt 06“ von Egon Blum für 33 700 Jugendliche – dies, obwohl Österreich eine relativ niedrige Ju­gendarbeitslosigkeit von 7 Prozent hat. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das stimmt nicht!) Bitte, das stimmt! Doch der PISA-Studien-Sieger hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 27 Prozent, das immer wieder gelobte Finnland. Ein wahrer Horrorwert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Jeder arbeitslose Jugendliche ist zu viel, sehr verehrte Damen und Herren!

Dem Kollegen Schennach sei noch ins Stammbuch geschrieben – er ist jetzt leider nicht im Saal –: Das Ziel einer Volkswirtschaft soll nicht nur sein, das beste Ausbil­dungssystem zu haben (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Natürlich ist es ein Ziel, die Basis!), sondern das Ziel einer Volkswirtschaft soll auch sein, nach der Ausbildung die Jugendlichen entsprechend in Beschäftigung zu bringen – und das schafft Finnland mit 27 Prozent Jugendarbeitslosigkeit eben nicht!

Diese Daten soll man auch einmal einander gegenüberstellen! Wir haben in Österreich so gute Daten, weil unsere Regierung durch Umsicht und entsprechende Maßnahmen rechtzeitig auf die Problemsituationen reagiert. (Ironische Heiterkeit des Bundesra­tes Gruber.)

Herr Kollege Gruber, über derartige Maßnahmen kann man nicht lachen, darüber kann man nur höchst erfreut sein. Da ist unsere Regierung in das entsprechende Licht zu rücken. Es sind hervorragende Maßnahmen, lieber Kollege! (Bundesrat Gruber: Das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 83

wird sich erst herausstellen!) – Ja, das wird sich herausstellen. Glauben Sie daran, Herr Kollege Gruber, wir werden auch Sie noch überzeugen!

Und schließlich geht es um 4 000 Langzeitarbeitslose, die entweder über 45 Jahre oder unter 25 Jahre alt sind und eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich im Rahmen des Kombilohn-Modells haben.

Diesem neuen Modell müssen wir – wir müssen! – so wie jeder neuen Maßnahme eine Chance geben! Wir müssen ihm eine Chance geben, damit 4 000 Langzeitarbeitslose wieder einen Job bekommen. Wenn wir dieses Projekt über ein Jahr betreiben, dann können wir auch seine Auswirkungen gut beobachten. Ich bin mir sicher, dass es zu keinen Missbräuchen kommen wird.

Wie wichtig unserem Arbeitsminister Martin Bartenstein und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel der Jugendbereich und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit sind, habe ich schon kurz erwähnt, deshalb nochmals zum „Projekt 06“ vom Vorarlberger Lehr­lingspapst Egon Blum, der damit ein besonderes Modell geschaffen hat. In diesem Lehrlingsmodell gibt es klare Szenarien: 400 € im ersten Jahr, 200 € im zweiten Jahr und 100 € für das dritte Jahr, sowie andere Maßnahmen für den Lehrlingsbereich. Es ist ein Modell für zusätzliche Impulse im Lehrlingsbereich und stärkt den besonderen österreichischen Weg der dualen Ausbildung.

Darüber hinaus ist es gelungen, mit dieser und weiteren Maßnahmen, wie wir im Aus­schuss gehört haben, 6 000 zusätzliche Lehrstellen zu schaffen, beziehungsweise gibt es 6 000 Anträge, von denen 1 500 vom AMS bereits erledigt worden sind. Das gibt Anlass zur Freude, das ist eine Erfolgsgeschichte, und das können wir nicht oft genug erwähnen. Die Bundesregierung hat hier entsprechende Problemlösungskompetenz an den Tag gelegt, liebe Frau Kollegin Bachner! (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang ist auch einmal erwähnenswert, und das nicht nur am Rande, dass die Umstrukturierungen im Bereich des AMS beträchtliche Früchte ge­tragen haben. So gilt das AMS inzwischen als europäisches Vorbild, um nicht zu sagen als Best-Practice-Modell. Um die Betreuung und Vermittlung noch wirkungsvoller zu gestalten, stellt die Bundesregierung künftig zusätzlich 15 Prozent mehr Personal zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Maßnahmenpaket ist ein weiterer Schritt einer verantwortungsvollen weit reichenden Arbeitsmarktpolitik, dem wir gerne unsere Zu­stimmung geben werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.42


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Bachner. Ich darf ihr das Wort erteilen. – Bitte.

 


13.42.34

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich sage gleich vorweg, wir stim­men diesem Gesetz zu – aber nicht deshalb, weil ich derselben Meinung bin wie mein Vorredner Kollege Edgar Mayer, dass diese Regierung in Sachen Beschäftigungspo­litik so hervorragende Leistungen erbracht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Wir wollen Ihren Befund, den Sie der Regierung ausgestellt haben, nicht unterstützen, sondern dementieren, ich kann aber erklären, warum wir diesem Beschäftigungsförde­rungsgesetz zustimmen.

Ich stehe nicht an zu sagen, dass ich froh darüber bin, dass in diesem Maßnahmenpa­ket Punkte enthalten sind, die äußerst wichtig und notwendig sind angesichts der pre­kären Situation, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben. Darin enthalten sind zum Beispiel, mein Vorredner hat bereits einiges erwähnt, die Qualifizierung für Frauen, Maßnahmen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 84

für Jugendliche und vor allem – eine lange Forderung des ÖGB, Kollege Mayer weiß das – das Nachholen des Hauptschulabschlusses. Wir wissen, welche Defizite Men­schen, die keinen Hauptschulabschluss haben, in weiterer Folge im Berufsleben ent­stehen. – Das ist alles sehr zu begrüßen.

Ich werde gleich auf jene Punkte zu sprechen kommen, die mir nicht sonderlich ge­fallen, bezüglich derer wir nicht einer Meinung sind, aber im Großen und Ganzen, und das hat unser Fraktionsvorsitzender heute Vormittag schon gesagt, stehen wir als Opposition nicht an, ein Paket, das wir als wirklich sinnvoll, zumindest in den groben Zügen, erachten, auch wirklich mitzutragen, wenn es in letzter Konsequenz den Men­schen etwas nützt. Deshalb werden wir diesem Paket auch zustimmen.

Meine Kritik und die Kritik meiner Fraktion bezieht sich aber darauf, dass dieses Paket viel, viel früher hätte kommen müssen. Es kommt zu spät! Wir hatten mit Ende Sep­tember 270 000 arbeitslose Menschen zu verzeichnen. Das sind um 12 000 mehr als im Vorjahr, und das ist der Höchststand der Arbeitslosigkeit seit dem Jahr 1985.

Es wurde heute schon sehr heftig über Wien, die Arbeitslosenzahlen in Wien und so weiter diskutiert. Ich möchte dazu nur sagen: Auch mir persönlich ist jeder Arbeitslose, jede Arbeitslose zu viel. Faktum ist, dass wir es in Wien mit allen Anstrengungen ge­schafft haben, im Vergleichsjahr 5 000 Arbeitsplätze mehr zur Verfügung zu stellen.

Dazu muss man weiters sagen – und das hat heute bei der Kritik an der Wiener Ar­beitsmarktpolitik niemand dazugesagt –, dass sich Wien da schon in einer etwas ande­ren Situation befindet als andere Städte in den übrigen Bundesländern. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass Wien teilweise die Arbeitslosenproblematik in den ande­ren Bundesländern entschärft. 215 000 Menschen pendeln ... (Bundesrat Bader: Ver­schärft! Verschärft! – Bundesrat Gruber: Entschärft!) Entschärft! Wien entschärft die Situation in den anderen Bundesländern. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.) Ich werde Ihnen zum Vergleich die Zahlen nennen, Herr Kollege!

Es pendeln aus den übrigen Bundesländern 215 000 Menschen nach Wien. 84 000 pendeln aus, aber das sind immer noch weniger als 215 000. 4 000 der 16 000 Wiener Lehrlinge kommen aus den Bundesländern und nicht aus Wien. (Bundesrätin Zwazl: Aber die Arbeitslosen sind in der Statistik im Bundesland!) Trotzdem! Wien hat das Problem, dass sich durch das Einpendeln die Arbeitsmarktsituation verschärft. (Ruf bei der ÖVP: Das ist aber eine leichte Ausrede!) Nein, das ist keine leichte Ausrede, das ist beweisbar. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe schon gesagt, auch ich bin mit der Situation in Wien nicht glücklich, denn jeder Arbeitslose, jede Arbeitslose sind mir zu viel; darüber brauchen wir gar nicht zu reden. Aber schieben wir nicht immer hin und her und gehen wir nicht immer nur auf Wien los! Es sind Maßnahmen gesetzt worden, und die sind jetzt auch erkennbar durch die 5 000 Arbeitsplätze mehr. Außerdem haben wir im Vergleich zu anderen Bundesländern je nach Saison doch einen sehr hohen Prozentsatz an ausländischen ArbeitnehmerInnen, die einer Saisonbeschäftigung nachgehen. – Das muss man eben auch alles sehen. Also bitte, verfälschen wir nicht einfach das Bild!

Unabhängig davon möchte ich zurückkommen auf die gesamte Problemstellung Ar­beitslosigkeit. 270 000 arbeitslose Menschen – das waren die Zahlen von Ende Sep­tember. Jeder/jede in diesem Raum kann sich, glaube ich, ausmalen, dass das noch nicht die Spitze des Eisberges war, denn zu diesen 270 000 kommen jetzt in weiterer Folge noch die Bauarbeiter und so weiter dazu, die im Winter saisonbedingt arbeitslos sind. (Bundesrat Bader: Wie schaut es mit dem Wirtschaftswachstum in Wien aus? – Gegenrufe bei der SPÖ.) – Nicht so schlecht, Herr Kollege! Ich bin ja auch Niederöster­reicherin, das heißt, ich bin „zweigeteilt“, also da können wir uns ganz schön matchen, wenn Sie das wollen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 85

Noch einmal: Ich kritisiere dieses Paket, weil es wirklich viel zu spät kommt! (Staats­sekretär Dr. Finz: Es hat ja schon andere Pakete gegeben, die ...!) Nein, Herr Staats­sekretär, das wollte ich gerade sagen. Wir sind von einem Arbeitsmarktgipfel zum anderen gehüpft, aber – und ich bin jetzt wirklich bösartig – herausgekommen ist nicht allzu viel. Ich gebe ja zu, dieses Paket, das jetzt vorliegt, ist wirklich das erste, von dem auch wir sagen können, wir sind der guten Hoffnung, dass es sich auch einmal aus­wirken wird. Bis jetzt ist, obwohl es Anregungen en masse sowohl von unserer Fraktion als auch vom ÖGB gegeben hat – wir waren ja bei den Gipfeln vertreten –, das Pro­blem nicht wirklich erkannt worden, die Maßnahmen jetzt kommen zu spät! (Staatssek­retär Dr. Finz: Nein!) Dass Sie nein sagen müssen, ist mir klar; es wäre auch schlimm, würden Sie ja sagen. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Noch einmal: Die Maßnahmen dieses Beschäftigungsförderungsgesetzes kommen an­gesichts der dramatischen Entwicklung zu spät!

Unabhängig von diesem Maßnahmenpaket – das allein wird uns nichts nützen! – müs­sen zusätzliche Maßnahmen gesetzt werden. Wenn wir dieses Beschäftigungspaket jetzt beschließen, aber nicht zeitgleich auch andere Maßnahmen setzen, dann wird das wieder nichts werden.

Wir haben heute einen weiteren Beschluss zu fassen – wie unser Fraktionsvorsitzen­der schon angekündigt hat, werden wir, auch wenn uns der Ansatz viel zu niedrig zu sein scheint, auch diesem zustimmen –, nämlich die Erhöhung des Kilometergeldes und der Pendlerpauschale. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Herr Staatssekretär! Im Vergleich der Treibstoffpreise mit dem, was die Pendler bekommen, ist das zu wenig.

Nächster Punkt – darüber wurde ja heute auch schon gesprochen, denn das ist eine Folgewirkung und daher nicht voneinander zu trennen –: die Situation in Bezug auf Treibstoff- und Ölpreise sowie Heizkosten. (Staatssekretär Dr. Finz: Da sind die Län­der zuständig!) Sagen Sie nicht immer, die Länder sind zuständig, denn: In einer solch prekären Situation, wo es zu immensen Preisbelastungen kommt, muss man ge­meinsam Überlegungen anstellen, wie man die Lage entschärfen und den Menschen tatsächlich helfen kann. Einem Menschen, der im Winter friert – Herr Staatssekretär, ich weiß, das können Sie sich nicht vorstellen (Staatssekretär Dr. Finz: Wir helfen ja!) –, ist es egal, ob der Bund oder das Land für Hilfe zuständig ist, denn dem ist ganz einfach kalt. (Bundesrat Höfinger: In Niederösterreich friert niemand! – Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Ja, bin ich auch dafür, nur muss man dann halt entsprechend Druck machen. (Staatssekretär Dr. Finz: Wir haben auch etwas gemacht! Wir haben letztes Mal verdoppelt im Jahr 2000, 2001! Das ist ja nicht so!) – Ich sage nicht, dass gar nichts gemacht wurde, aber es wurde zu wenig ge­macht. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Die Situation ist jedenfalls prekär – und daher muss man darauf reagieren. (Bundesrat Höfinger: Ich kann nicht das Geld in den Verwaltungskörper schmeißen und dann sagen, ...! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.)

Nein, Herr Professor Böhm, ich gehöre zu den verantwortungsbewussten Personen, auch im ÖGB, und das heißt: Wenn man Forderungen aufstellt, sollte man die ganze Situation durchdenken. Jedenfalls: Wenn es um Kosten und deren Finanzierbarkeit geht, muss man schon auch die Prioritäten sehen. Und diese Prioritäten sind, wie mir scheint, teilweise schon sehr verschoben. Tun Sie doch nicht immer so, als ob für bestimmte Dinge kein Geld da wäre, für andere hingegen schon! Das entspricht doch einfach nicht den Tatsachen!

Jetzt komme ich auf den einen Punkt zu sprechen, der mir in diesem Maßnahmen­paket überhaupt nicht gefällt; ich habe das bereits bei den Ausführungen des Kollegen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 86

Mayer sowie dessen Befund sozusagen zu verstehen gegeben, wobei ich zugestehen muss, dass Kollege Mayer ohnehin vorsichtig war und gesagt hat: Wir schauen uns das jetzt einmal ein Jahr lang an – und dann werden wir das analysieren.

Das Kombilohn-Modell als Einzelnes können wir bei diesem Paket nicht ablehnen, das ist uns schon klar. Betonen möchte ich jedoch, dass wir dieses Kombilohn-Modell für nicht geeignet erachten, auf diese Art und Weise Dauerarbeitsplätze zu schaffen. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang bereits die 1 000-€-Grenze. Auch Kollege Mayer sollte das wissen, dass sich der ÖGB insgesamt sowie dessen Einzelgewerk­schaften bei Kollektivvertragsverhandlungen immer bemüht haben, und zwar jahrelang, endlich einen Mindestlohn von 1 000 € zu erreichen. Uns ist das, kann man sagen, auch bei fast allen Kollektivverträgen in Österreich gelungen. – Aber diese 1 000-€-Grenze bedeutet doch, dass Ihr Kombilohn-Modell überwiegend bei Teilzeitbeschäftig­ten zum Tragen kommt.

Jetzt möchte ich nochmals auf die Gefahren eines weiteren Hindrängens in Richtung Teilzeitbeschäftigung aufmerksam machen, obwohl in diesem Saale bereits mehrfach dargelegt wurde, was das in der Realität für die Menschen heißt. Jetzt rede ich gar nicht von Missbrauchsfällen, denn ich unterstelle von vornherein niemandem gleich das Schlechte, aber: So wie das konzipiert ist, kann es jedenfalls nur bei Teilzeitbe­schäftigten wirklich zum Tragen kommen, und damit wird diese Beschäftigungsform zu­sätzlich forciert. Und das betrachten wir als extrem negativ!

Für die Kolleginnen und Kollegen hier im Saal ein paar Zahlen dazu: Im Septem­ber 2005 gab es in Österreich 668 000 Teilzeitbeschäftigte, 224 000 geringfügig Be­schäftigte, 25 000 Werkvertragsnehmer und 44 000 LeiharbeiterInnen. Zusammenge­zählt: 1 Million Menschen!

Jetzt aber werden Maßnahmen gesetzt – noch dazu eine gesetzliche Förderung mit diesem Kombilohn-Modell –, sodass die Zahl dieser Beschäftigten noch mehr erhöht wird! Deshalb können wir dem nicht zustimmen! Und das ist doch bitte auch ein Frau­enproblem; das weiß auch jeder hier im Saal, dass das überwiegend Frauen betreffen wird.

Wir halten diese Maßnahme für absolut ungeeignet, denn das sind doch in Wirklich­keit keine Maßnahmen zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit! Dafür wäre ich; keine Frage.

Zum Schluss kommend noch einmal mein Appell – auch wenn einige Punkte in diesem Programm unterstützenswert sind –: Wenn nicht zeitgleich Maßnahmen in der Wirt­schaftspolitik gesetzt werden und wenn es nicht auch in weiterer Folge zu steuerlichen Entlastungen bei kleinen und mittleren Einkommensbeziehern kommt (Zwischenbe­merkung von Staatssekretär Dr. Finz), wenn es nicht zum raschen und verstärkten Ausbau der Infrastruktur kommt, dann war dieses Paket zwar gut gemeint, nützt aber 270 000 arbeitslosen Menschen – im Winter werden es, so fürchte ich, an die 300 000 sein – absolut nichts! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.55


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lich­tenecker. Ich erteile ihr dieses.

 


13.55.14

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu den Ausführungen des Kollegen Mayer hinsichtlich Beschäftigungsförderungsgesetz und bisherige Leistungen dieser Regierung hiezu.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 87

Die Arbeitslosenquote im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu sehen ist eine Sache, aber dass wir in Österreich die höchste Arbeitslosenrate seit Jahren ha­ben, ist die andere Seite der Medaille. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Dass die hohe Zahl an Jugendarbeitslosigkeit ein wirklich schwerer Schlag ist, ist auch Faktum.

Lieber Kollege Mayer, dass die Wachstumsrate in Österreich schleppend ist, ist auch allseits bekannt, aber du stellst dich hier heraus und sprichst von „hervorragenden Wachstumsraten“. Was sagt das Wirtschaftsforschungsinstitut in seinen „Strategien zur Erhöhung von Wachstum und Beschäftigung“, Wifo-Chef Karl Aiginger persönlich, da­zu? – „Die österreichische Wirtschaft kann 2004 und voraussichtlich auch 2005 Zu­wachsraten von knapp 2 % erreichen. Diese Wachstumsraten sind niedriger als in frü­heren Erholungsphasen und nicht hoch genug, um die Arbeitslosigkeit zu senken.“, so Wifo-Chef Aiginger.

Das Wifo weiter: Mittelfristig liegt das erwartete Wachstum „knapp über dem Durch­schnitt des Euroraumes aber niedriger als in den nordeuropäischen und zentraleuro­päischen Wachstumskernen. Es reicht mit 2,3 Prozent ebenfalls nicht aus die Arbeits­losenrate zu senken. Ein deutlicher Rückgang wäre“ erst bei „2,5 % zu erwarten.“

Karl Aiginger weiters: „Eine Strategie zur Anhebung des Wachstumspfades ist sowohl nach dem Lissabonziel notwendig“, und so weiter und so fort.

Entsprechende Maßnahmen in Bereichen, in denen es in Österreich grobe Mängel gibt – dazu gehören Bildung, Innovation, Forschung und so weiter –, vermissen wir da leider schmerzlichst. Nichtsdestotrotz werden wir diesem Beschäftigungsförderungspa­ket zustimmen.

Anmerken möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch auch – Kollegin Bachner hat das vorhin kurz ausgeführt – die Vorteile beziehungsweise eher Nachteile dieses Kombilohn-Modells.

Ja, eine heikle und schwierige Sache ist dieses Kombilohn-Modell. In Zeiten, in denen wir auch Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich verlieren, stellt das jedenfalls den Ver­such dar, Beschäftigung zu sichern. Ob das damit tatsächlich gelingen wird, ist mehr als fraglich. Wir werden dem jedenfalls unter der Voraussetzung zustimmen – und das ist vereinbart und zugesichert worden –, dass das jetzt ein Jahr begleitet und dann evaluiert wird, dass man sich das also anschaut. Generell dazu: Es liegt nicht nur im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern ebenso in jenem der Arbeitgeber, da tatsächlich saubere Lösungen zu schaffen.

Kurz eingehen möchte ich auch noch auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit. In einer Situation, in der Österreich sicherlich noch etwas besser als viele andere Länder Euro­pas beziehungsweise auch weltweit dasteht, ist die Situation dennoch als prekär zu bezeichnen. Die Ursachen für diese Jugendarbeitslosigkeit – Jugendarbeitslosigkeit wird bei uns definiert als eine zwischen 15 und 25 Jahren – sind ja nicht nur in der sehr schleppenden Konjunktur zu suchen – obwohl: Es gibt keine Form der Arbeitslosigkeit, die konjunktursensibler ist als die Jugendarbeitslosigkeit! –, sondern die Ursachen hie­für liegen auch ganz wesentlich im Bildungsbereich. Schauen Sie sich doch die Zahlen an! Man darf sich nicht nur die Zahlen all jener, die 15 Jahre alt sind und keine Lehr­stelle haben, anschauen! Nur zu sagen, das ist betrüblich und wahr, ist zu wenig! Da muss man ansetzen und dagegenwirken. Aber: Der prozentuelle Anteil der Arbeits­losen bei den 18- bis 25 -Jährigen ist wesentlich höher. Das heißt, dieses Problem wird seit Jahren dahingeschleppt. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Das ist doch ein absolutes Problem einerseits des Bildungssektors, wo massiv Maß­nahmen gesetzt werden sollten, um die Ausbildung zu verbessern. Betroffen sind ja auch wiederum Kinder und Jugendliche, die schlechtere Ausbildungsniveaus haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 88

Daher: Auch da hat Ministerin Gehrer lange genug zugeschaut, sodass sich dieses Problem immer weiter zugespitzt hat. Die prekäre Situation liegt zweifelsohne beim Übergang von der Schule zum Berufsbildungsmarkt. Da müsste man verstärkt mit Modulen zur Förderung, zur Berufsorientierung und so weiter ansetzen.

Und dann gibt es die prekäre Situation zwischen Berufsausbildung und Arbeitsmarkt. Auch hier wird zu wenig angesetzt, um tatsächlich die Jugendlichen, die aus dem Schulsystem kommen, weiter zu begleiten. Das Problem ist ja, dass jene aus der Be­rufsbildung, die keinen Lehrplatz finden auf Grund der Arbeitsmarktlage, auf Grund der eigenen persönlichen Situation, oftmals in berufsbildende Schulen gehen, danach aber erst wieder arbeitslos sind. Also jede Menge an verschleppten Problemen. Und hier eindimensional zu sagen: Gut, wir beschließen ein Paket mit flotten 285 Millionen € und schaffen uns das Problem vom Hals, vom Schreibtisch!, ist ein sehr verkürzter An­satz. (Ruf bei der ÖVP: Das hat aber auch niemand gesagt!) Ich denke, es ist wichtig, die Mittel zu erhöhen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Himmer! Ich sehe das als ersten Schritt. Aber Fakt ist auch, dass es im Be­reich der Arbeitsmarktpolitik zu einer Qualitätssicherung kommen muss. Es soll ja nicht so sein, dass ein Großteil der Mittel, der dafür aufgewendet wird, in Coaching, in Be­rufsorientierungsmaßnahmen investiert wird, um die Quoten zu haben, die man haben möchte. Wir alle wissen, wie das funktioniert. So unterbricht man beispielsweise die Langzeitarbeitslosigkeit, indem man jemanden kurz in einen Coachingkurs schickt. Dann hat man wieder die Statistik geschönt, und so weiter. – Das wollen wir doch nicht, sondern die Mittel sollen effizient eingesetzt werden, und da geht es um Berufs­ausbildung.

Zur Frau Präsidentin in der letzten Reihe muss ich sagen: Es muss ja auch das Inter­esse der Wirtschaft sein, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu haben. Und genau das ist der Punkt, wo man auch mit den Mitteln der Arbeitsmarktpolitik ansetzen muss. (Bun­desrätin Zwazl: Es würde mich freuen, wenn Sie die „Kurier“-Beilage zum Beispiel einmal durchlesen würden, denn dann ersparen wir uns die ganze Diskussion, da steht dann alles drinnen, was ...!) – Nein, mit Sicherheit nicht. Das sind Teile. Dann schau dir an, was gerade in deinem Bundesland, in Niederösterreich, in den letzten fünf Jahren passiert ist! (Bundesrätin Zwazl: Wir haben um 6 Prozent heuer mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr als voriges Jahr!) – Es geht nicht um die Lehrlinge, das war jetzt nicht das Thema. Es geht um einen effizienten Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Mittel, und speziell darum, tatsächlich Qualifikationen auf die Beine zu stellen, damit Jugend­liche einen Abschluss bekommen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrat Mag. Himmer: ... neue Ideen? Sag es uns!)

 


Präsident Peter Mitterer (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Frau Bundesrätin Lichtenecker.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (fortsetzend): Produktionsschulen, Implace­mentstiftungen sind Bereiche, wo wir die Mittel verstärken sollten, wo das in dieser Form auch wirklich gemacht wird. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Ich kenne die niederösterreichischen Zahlen. (Bundesrätin Zwazl: Wir haben eine Auswahl ...!) – Sei es, wie es sei. Ich schaue mir jetzt an, was mit diesem Paket wirklich heraus­kommt. Die letzten Jahre waren über weite Strecken enttäuschend in Bezug darauf, was bei der Arbeitsmarktpolitik tatsächlich herausgekommen ist.

Eines sei hier auch erwähnt: Bei den Lehrstellen und Ausbildungsplätzen geht es mit Sicherheit auch darum, neue Berufsbilder zu kreieren, neue Jobchancen zu ermög­lichen, auch im Gesundheits- und Sozialwesenbereich, und auch darum, generell eine Attraktivierung der Lehrberufe zu erreichen. Es ist heute noch immer so, dass der Lehr­beruf über weite Strecken eine Einbahnstraße ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 89

Zum Schluss kommend: Aus unserer Sicht ist es wichtig, die Ressourcen, die Mittel zu erhöhen, um jungen Menschen Chancen für die Arbeitswelt zu geben, zu sichern.

Generell hoffe ich, dass es nicht einfach dazu verkommt, nach der Public-Choice-Theorie: Kurz vor den Wahlen pushen wir noch einmal ordentlich die Millionen hinein, damit die Ergebnisse dann passen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.04


Präsident Peter Mitterer: Als Nächstem darf ich Herrn Bundesrat Kaltenbacher das Wort erteilen.

 


14.04.16

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute unter anderem das Beschäftigungsförderungsgesetz. Ziel dieses Gesetzes – das wurde bereits mehr­mals erwähnt – ist es, zirka 60 000 Personen in spezielle Qualifizierungs- beziehungs­weise Integrationsmaßnahmen und somit in Beschäftigung zu bringen. Vor allem spe­zielle Zielgruppen, die am häufigsten von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Frauen, Ältere und Jugendliche, sollen qualifiziert und integriert werden.

Zusätzliche Arbeitsmarktförderungsmittel sind angesichts des hohen Niveaus der Ar­beitslosigkeit in Österreich ein Gebot der Stunde. Vor allem die angesprochenen Ziel­gruppen sind überproportional von der schwachen Wirtschaftsentwicklung betroffen und ohne zusätzliche Investitionen von der Arbeitsmarktausgrenzung bedroht.

Leider – das wurde von meinen VorrednerInnen schon erwähnt – kommt das Pro­gramm relativ spät, und es löst auch das grundsätzliche Problem der Arbeitslosigkeit nicht, wenn danach nicht entsprechende Jobperspektiven bestehen.

Selbst eine leichte Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung in Österreich, aber auch in meinem Bundesland Steiermark wird keine Entspannung bei den Zahlen der Vorge­merkten bewirken.

Die Arbeitslosenquote in der Steiermark wird nach 7 Prozent im Jahr 2004 im Jah­re 2005 anwachsen. Mit knapp 29 000 Jobsuchenden lag die Vorgemerktenzahl in der Steiermark um 1 935 Personen oder 7,2 Prozent höher als der Vergleichswert des Vor­jahres.

Gerade bei der Personengruppe der Jugendlichen unter 25 Jahren ist die Situation äußerst angespannt. Bei durchschnittlich 6 000 Arbeitslosen unter 25 Jahren in der Steiermark – aber auch in Österreich insgesamt – ist das tatsächlich eines der größten arbeitsmarkt- und gesellschaftspolitischen Probleme. Da hilft es auch nichts, wenn wir immer wieder von einer im europäischen Vergleich relativ niedrigen Jugendarbeits­losenquote sprechen. Wenn junge Menschen das Gefühl haben, nicht gebraucht zu werden, und sich nicht beruflich entwickeln können, steigt die Gefahr enorm, dass sie sich destruktiven Betätigungsfeldern zuwenden.

Eine äußerst dramatische Entwicklung zeigt sich auch bei den Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren. Eine Vielzahl von Jugendlichen, die keine Lehrstelle gefunden haben, werden in diverse Orientierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen des AMS ge­schickt, um danach auf einen entsprechenden Lehrplatz vermittelt zu werden. Das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz beziehungsweise die Initiative zusätzliche Lehr­stelle hat zu einer leichten Entspannung geführt und ist absolut zu begrüßen.

Ein Problem, das sich immer stärker zeigt, wurde von Kollegin Kerschbaum angespro­chen: dass eine Vielzahl von Pflichtschulabsolventen nicht über die entsprechenden Grundfertigkeiten Lesen, Rechnen und Schreiben verfügt. Durch Einsparungen bei den Lehrern beziehungsweise bei den Stunden wurde der erforderlichen Betreuung dieser


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 90

speziellen Problemgruppen nicht Rechnung getragen oder es wurde die Notwendigkeit dieser Betreuung nicht erkannt.

Neben diesen Defiziten steigen auch die sozialen Defizite immens, wie Unpünktlichkeit, Defizite betreffend den Umgang mit anderen, Teamfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit. (Bundesrat Dr. Böhm: Da ist auch die Regierung daran schuld?!) – Entschuldigung, wenn man im Bereich der schulischen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Die Eltern haben nichts ...?) – Natürlich auch die Eltern. Keine Frage. (Bundesrat Dr. Böhm: Ah doch!)

Nur: Wenn man Stunden einspart, Lehrer einspart, wenn man diesem Aspekt keine Be­deutung beimisst, dann ist das das Ergebnis. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Dann sind sie falsch eingesetzt oder machen nicht das Richtige.

Ein Beispiel nur: Die Berufsorientierungslehrerinnen und -lehrer sollten sich zentral dem Thema Berufswahl und -orientierung widmen. Schauen Sie einmal nach, Herr Staatssekretär, was sie in den Stunden machen: Alles, nur nicht das, was sie machen sollten.

Die steigende Arbeitslosigkeit hat weitere negative Auswirkungen. Katastrophal ist die Entwicklung in der Steiermark bei den Firmeninsolvenzen, aber – und das ist noch erschreckender – auch bei den Privatkonkursen.

Waren die Personen im Jahr 2000 noch 31,5 Millionen € schuldig, so sind die Schulden im laufenden Jahr schon auf 44,7 Millionen € angestiegen. Meine Damen und Herren! Das ist eine Steigerung von 42 Prozent.

Keinen Job, keine Perspektive, einen zu bekommen, für Ältere, vor allem für Frauen mit Betreuungspflichten, aber auch für Personen mit Vermittlungseinschränkungen – das wurde heute im Zusammenhang mit dem Armutsbericht schon diskutiert. (Bundes­rat Höfinger: Kennen Sie die drei Hauptgründe für den Anstieg?) Bitte nennen Sie sie mir. (Bundesrat Höfinger: Das sind die Handys, die Versandhäuser und die Leasing­raten für Autos!) Ich komme jetzt gleich auf den Punkt zu sprechen, warum die Ver­schuldung unter anderem steigt; das wurde heute schon in der Debatte betreffend den Sozialbericht andiskutiert.

Jetzt möchte ich einmal Fakten aufzeigen: Ein männlicher österreichischer Arbeitsloser bezieht im Durchschnitt 788 €, eine Frau 628 €. Dazu kommen noch pro unterhalts­berechtigter Person 29 € als Familienzuschlag.

Noch schlechter schaut es bei der Notstandshilfe aus. Sie beträgt bei Männern durch­schnittlich 617 € im Monat, bei Frauen 476 €. – Die Armutsgrenze liegt bei etwa 780 €. Dieser Personengruppe droht absolute Armut! Sie haben auch die erwähnten Belas­tungen, die sie sich selbst auferlegen, durch Handys und so weiter, zu tragen, obwohl sie die grundsätzlichen Bedürfnisse des Lebens nicht mehr decken können: Mietrück­stände, Heizkosten, darüber wurde heute schon diskutiert.

Aber noch beschämender ist – und das müssen gerade Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mitbekommen –: Es steht der Winter vor der Tür, und die Hauptschüler fahren auf Schulschikurs. Die Eltern trauen sich den Kindern nicht zu sagen, dass sie sich das nicht leisten können. Ein durchschnittlicher Schulschikurs kostet zwischen 300 und 350 €. Das Ergebnis ist, dass die Eltern die Kinder krank melden, damit diese nicht teilnehmen müssen, weil sie es sich nicht leisten können.

Kollege Mayer, so euphorisch wie Sie sehe ich die Wirtschafts- und Beschäftigungsent­wicklung nicht. Bis 2009 wird zwar das Beschäftigungspotenzial laut Wifo – bitte, hier habe ich es – in Österreich um 0,9 Prozent wachsen – in der Steiermark wesentlich geringer, nämlich nur um 0,7 Prozent –, und somit wird es zu keiner Entspannung auf dem Arbeitsmarkt kommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 91

Wie gesagt, grundsätzlich sind wir für dieses Paket – es kommt jedoch zu spät –, aber es müssen entsprechende flankierende wirtschaftspolitische Maßnahmen gesetzt wer­den. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.13


Präsident Peter Mitterer: Herrn Bundesrat Molzbichler darf ich als nächstem Redner das Wort erteilen.

 


14.13.58

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Das Beschäftigungsförderungsgesetz ist natürlich ein wesentlicher Schritt zu einer po­sitiven Weiterentwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, keine Frage. Wir begrüßen auch die finanzielle Förderung in der Höhe von rund 285 Millionen € bis zum Jahr 2007. Insgesamt soll dieses Geld zirka 62 000 Personen helfen, sich besser zu qualifizieren und Beschäftigung zu finden.

Mit über 100 Millionen € ist ein Wiedereinstiegsprogramm für mehr als 20 000 Frauen vorgesehen. Dies sowie eine Arbeitsmarktoffensive für 33 700 Jugendliche mit rund 158 Millionen € zeigen eindeutig, dass der Schwerpunkt bei den Frauen und Jugendli­chen liegt. Dass die Regierung nun, meine Damen und Herren, für diese aktive Arbeits­marktpolitik auch ein Defizit in Kauf nimmt, Herr Staatssekretär, ist neu und weist auch darauf hin, dass die Situation äußerst prekär ist.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist jedoch auch die Frage, ob es eine Art weiteren Projektplan gibt, der zeigt, was nach 2007 geschehen soll – ich glaube, man hofft am Ballhausplatz noch immer auf ein Wunder –, zumal sich die Gesamtsituation noch mehr zuspitzen wird, da ab 2007 dem österreichischen Arbeitsmarkt – man höre und staune! – zirka 70 Millionen € aus dem Europäischen Sozialfonds nicht mehr zur Ver­fügung stehen werden. Daher wäre eine längerfristige Planung äußerst begrüßenswert!

In Österreich hat sich die Zahl der arbeitsuchenden Jugendlichen in den letzten Jahren auf über 50 000 – auf über 50 000! – verdoppelt. In nur fünf Jahren hat es der Bundes­minister für Wirtschaft und Arbeit geschafft, das Heer der Arbeitslosen um 60 000 zu vergrößern! (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso der Minister?) Im September waren mehr als 220 400 Personen arbeitslos gemeldet und rund 50 000 in Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservices; damit waren etwa 270 000 Menschen auf Arbeitsuche, meine Damen und Herren. Vor allem, und das ist alarmierend, waren es 7 Prozent der Frau­en!

Die Erhöhung der Ausgaben für eine aktive Arbeitsmarktpolitik war daher schon längst fällig, Herr Staatssekretär. Bei genauerem Hinsehen muss man auch festhalten: Es werden bei dieser – verspäteten – gesetzlichen Regelung Nachbesserungen fällig wer­den; über einige Punkte werden wir diskutieren müssen. So sollte zum Beispiel das Arbeitsmarktservice regionalspezifisch entscheiden können, welche Personengruppen und welche Schwerpunkte gefördert werden sollen.

Die Regierung spricht sich für einen Ausbau im Bereich der Pflege- und Gesundheits­berufe aus; dafür sind zirka 7 Millionen € für die Ausbildung von zirka 1 400 Personen vorgesehen. Meiner Meinung nach ein erster Schritt, aber 6,9 Millionen sind für diesen Sektor eindeutig zu wenig.

Seit längerem weisen Expertinnen und Experten darauf hin, dass dieser Dienstleis­tungssektor weiterhin gefördert werden sollte, da hier zukunftsträchtige Arbeitsplätze vorhanden wären. Jedoch soll dieser Bereich nicht nur für Wiedereinsteigerinnen, etwa nach einer Babypause, zur Verfügung stehen. Es muss darauf geachtet werden, dass damit nicht wieder so genannte typische Frauenberufe mit geringeren Löhnen und höherer Teilzeitrate, wie wir sie eben aus den Gesundheits- und Sozialberufen kennen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 92

unterstützt werden, denn dies wäre gesellschaftspolitisch sehr bedenklich. Es muss zu einer ausgezeichneten Qualifizierung mit einer entsprechenden finanziellen und gesell­schaftlichen Aufwertung des Pflege- und Gesundheitsbereiches kommen, der auch Männern offen stehen sollte.

Wir haben einerseits fast 70 000 männliche Arbeitsuchende zwischen 25 und 49 Jah­ren – das wurde von meinen Vorrednern teilweise schon erwähnt –, die keine zusätz­lichen Förderungsprogramme erhalten und weitere Qualifikationsmaßnahmen genauso benötigen. Andererseits gibt es vor allem weibliche Wiedereinsteigerinnen, die Teilzeit­arbeit oder schlechter bezahlte, schlechter qualifizierte Arbeit annehmen müssen.

Meine Damen und Herren! Hier ist die Politik gefragt. Wir müssen den Frauen und Männern in unserem Land entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, dass jede Frau und jeder Mann die Möglichkeit hat, ihr/sein Leben so zu gestalten, wie sie/er es sich vorstellt. Dass dies möglich ist, zeigen uns in vielen Bereichen vor allem die skan­dinavischen Länder. Und diese Rahmenbedingungen gelten noch immer nicht in Öster­reich, von der Kinderbetreuung angefangen bis hin zur Karenz für Frauen und Männer oder zu präventiver Arbeitsmarktpolitik, wie etwa dem Konzept des lebenslangen Ler­nens. All das funktioniert in Österreich nur teilweise oder gar nicht.

Diskriminierung in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz gibt es nach wie vor. An den verstaubten und antiquierten Vorstellungen von Frauen- und Männerberufen wird zwar gekratzt, aber da müssen durch die Gesetzgebung verstärkt gleiche Rahmenbedingun­gen für Frauen und Männer gefördert werden. Das Beschäftigungsförderungsgesetz ist ein erster kleiner Schritt in diese Richtung.

Beim Kombilohnmodell oder beim Dienstleistungsscheck scheiden sich jedoch die Geister. Wenn man tatsächlich die Schwarzarbeit in Privathaushalten eindämmen möchte, dann geschieht das sicherlich nicht mit zusätzlichen administrativen Hürden oder mit verschiedensten Ungleichstellungen.

Hier, meine Damen und Herren, benötigen wir ein gutes Modell, das für die Betroffenen mehr Vor- als Nachteile bringt. Außerdem wäre eine breit angelegte Diskussion mit Experten und selbstverständlich auch mit den Sozialpartnern angebracht.

Meine Damen und Herren! Mit weiteren 18,8 Millionen € sollen insgesamt 4 000 Perso­nen nach dem Kombilohnmodell eine Anstellung finden – also eine staatliche Förde­rung des Niedriglohnsektors. Dass wir diese speziellen Förderungen nicht goutieren können, ist natürlich klar. Wir sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse der Evalu­ierung in einem Jahr.

Die Fragen, die sich die Regierung gefallen lassen muss, sind wie folgt: Erkennt der Staat damit nicht das Lohndumping an? Ist diese besondere Förderung tatsächlich förderungswürdig? Wo ist die Kombination aus Kombilohn und Qualifizierung für Be­troffene? Hier müssen bereits jetzt, meine Damen und Herren, Maßnahmen getroffen werden und nicht erst nach einem Jahr, nach dieser Evaluierung. Auch muss verhin­dert werden, dass bereits bestehende Niedriglohnarbeitsplätze aufgelöst und durch Kombilohnarbeitsplätze ersetzt werden.

Meine Damen und Herren! Ich dachte immer, in der ÖVP sitzen so viele Wirtschafts­experten. Es liegt doch auf der Hand, dass, wenn Billiglohnpolitik unterstützt wird, die Kaufkraft der Menschen zurückgeht, und dass das unserer heimischen Wirtschaft sicherlich nicht gut tut, das erklärt sich von selbst. (Bundesrat Schennach: Das ist ja unglaublich! Was ist das für eine Anbiederung?)

Meine Damen und Herren! In Österreich gibt es schon viele erwerbstätige Arme, die so genannten working poor, die trotz Arbeitsplatz kein Einkommen erreichen, das über der Armutsgrenze liegt. Nach den jüngsten Angaben des Sozialministeriums, des Berichts


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 93

über die soziale Lage 2003–2004, waren im Jahr 2003 in Österreich 57 000 Menschen trotz Arbeit von Armut betroffen. Über eine Million Menschen – das sind zirka 13 Pro­zent der Bevölkerung – sind in Österreich armutsgefährdet, meine Damen und Herren. Die Zahl steigt weiter an. Das ist für so ein reiches Land wie Österreich sehr erschre­ckend.

Diese Entwicklung fördert zugleich die soziale Aufspaltung zwischen wenigen Men­schen, die sich viel und immer mehr leisten können, und vielen Menschen, die sich im­mer weniger leisten können. Jeder Mensch sollte jedoch das Recht auf Arbeit und auch auf eine faire Entlohnung haben.

Meine Damen und Herren! Wir benötigen aber nicht nur eine weitere verstärkte Förde­rung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, denn derzeit müssen wir damit rechnen, dass die Zahl der Arbeitslosen in den kommenden Jahren noch steigen wird, sondern wir benötigen auch alternative Modelle, die neue Arbeitsplätze schaffen, eine neue Form der Arbeit präsentieren und unser Wirtschaftswachstum voranbringen.

Im europäischen Vergleich hat Österreich derzeit ein unterdurchschnittliches Wirt­schaftswachstum. Auch da könnten wir uns ein Beispiel an den skandinavischen Län­dern nehmen, die auch beim Wirtschaftswachstum bessere Werte als Österreich erzie­len.

Meine Damen und Herren! Wir können Wirtschaftswachstum fördern, indem wir bei­spielsweise Klein- und Mitteleinkommen steuerlich entlasten, indem wir in Klimaschutz (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz) – noch mehr, Herr Staatssekretär –, in Weiterbildung und Forschung auch noch mehr investieren, indem wir den Ausbau der Infrastruktur, Bahn, Straßen und so weiter beschleunigen oder verstärken. Hiebei, Herr Staatssekretär, sind es gerade der Verkauf und die Ausgliederung der staatseige­nen Betriebe, die meiner Meinung nach in vielen Bereichen kontraproduktiv sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass immer mehr Arbeitnehmer etwa bei Bahn, Post oder auch im ASFINAG-Bereich trotz guten Kostenvergleichs und seitens der EU ausge­zeichneter Leistungen gekündigt und immer weniger nachbesetzt werden und vom „guten Willen“ – unter Anführungszeichen – der Unternehmensführung abhängig sind.

Die Einkommen werden verringert, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer werden gestutzt. Eine Fortbildung im Sinne des lebenslangen Lernens, meine Damen und Herren, findet nicht statt. (Bundesrat Kneifel: Warum findet es nicht statt?) Die Kündigungen, die befristeten Verträge, das unsoziale Modell der Zeitarbeit und so weiter – es wäre da noch vieles zu nennen – nehmen zu, Herr Kollege.

Des Weiteren kämen diese Ausgliederungen dem Steuerzahler nachweislich teurer, da im Nachhinein – dafür gibt es eine Fülle von Beispielen – die Kosten gewaltig steigen. Bereits da, werte Kolleginnen und Kollegen, muss angesetzt werden, damit schon prä­ventiv gegen Arbeitslosigkeit vorgegangen werden kann und die Betroffenen nicht erst dann, wenn es zu spät ist, von einer außerordentlichen Beschäftigungsförderung zur nächsten geschickt werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.25


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.26.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich auch hier dafür bedanken, dass alle Fraktionen angekündigt haben, dass sie diesem Beschäftigungsförderungsgesetz zustimmen wer­den.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 94

Ich möchte aber nochmals unterstreichen – Herr Bundesrat Mayer hat es ja bereits getan –, dass wir je nach Wirtschaftslage, je nach Situation immer mit verschiedensten Maßnahmen reagiert haben. Bereits im Jahr 2002 gab es zwei Konjunkturpakete. Im Jahr 2003 gab es ein Wachstums- und Standortpaket. Dann gab es die große Steuer­reform 2004 und 2005 – das Dreifache der Summe, die sich je ein sozialdemokra­tischer Finanzminister in seinen kühnsten Vorstellungen überhaupt erträumen konnte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Pehm: Ja, ja, ja!) Wei­ters der Reformdialog für Wachstum und Beschäftigung im Jahr 2005, regionale Be­schäftigungs- und Wachstumsoffensive.

Wir haben das alles von unabhängigen Experten prüfen lassen: Was ergibt das an Wachstumseffekten? Was ergibt das an Beschäftigungseffekten? Das Wifo sagt uns, der Wachstumseffekt wird 1,3 Prozent erreichen. Wir hätten also eine um 1,3 Prozent niedrigere Wachstumskurve und von den Beschäftigungseffekten her 53 000 Beschäf­tigte mehr durch all diese Maßnahmen.

Hinsichtlich des Kombilohns verstehe ich die sozialdemokratische Welt wirklich nicht. (Bundesrat Konečny: Sonst wären Sie bei uns!) Im Moment gibt es Projekte bei der Stadt Wien, wo Sozialhilfeempfänger, wenn sie bereit sind, einen Job anzunehmen, der schlecht bezahlt ist, einen Teil ihrer Sozialhilfe weiter beziehen. Diese Projekte lau­ten „ways to work“, „Generation 19+“, „Spurwechsel“. Wieso ist das bei der Gemeinde Wien gut und beim Bund schlecht? Das soll mir einer erklären! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.28


Präsident Peter Mitterer: Es liegt mir keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin, bitte, Sie haben das Wort.

 


14.28.31

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass ich da natürlich nicht ruhig sitzen bleiben und mir das alles anhören kann, ohne etwas zu sagen, das ist ja selbstverständlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.) Ruperta, ich schätze dich, weil du meistens gut informiert bist. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ich bin immer gut infor­miert!) Jetzt weiß ich nicht: Hast du das nicht gut gelesen – oder willst du es nicht lesen?

Was bringt uns denn das, wenn wir hier sitzen und uns gegenseitig die Schuld zuwei­sen? Die Praxis ist, dass wir auf der einen Seite so viele Beschäftigte haben wie noch nie (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker– lass mich ausreden! –, und auf der anderen Seite (Zwischenrufe bei der SPÖ) – schaut, ich bin ja in der Wirtschaft beschäftigt, ich schlage mich ja damit herum! – haben wir so viele Arbeitslose. Wenn man jetzt wirklich Beschäftigte sucht – da braucht ihr ja nur das AMS zu fragen –, dann seht ihr ganz genau, wie schwierig es ist, punktgenau Mitarbeiter und Unternehmen zusammenzubringen. Da gibt es gute Beispiele, Best-Practice-Beispiele, wofür wir etwa in Brüssel gelobt wurden. Aber das wird überhaupt nicht erwähnt, das wird gar nicht gesagt, denn – Gott behüte! – wir könnten ja die Situation verändern und verbes­sern. Wollen Sie denn das, bitte, nicht? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Pehm: Das ist zynisch, was Sie da sagen!) – Moment!

Und da rede ich jetzt ganz einfach von einem Projekt, und das tut mir besonders Leid, denn ich bin Sozialpartnerin, ich pflege und lebe das. Es gibt ein Projekt mit den Sozi­alpartnern, das heißt „Job konkret“. Das ist eine Initiative der Arbeiterkammer, des AMS, des Landes und der Wirtschaftskammer.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 95

Wir zahlen hier alle in einen Topf hinein, damit die Betriebe, die Arbeitskräfte suchen, diese aber auf dem freien Markt ganz einfach nicht bekommen, weil beim AMS nie­mand gemeldet ist, der diese Qualifikation hat, diese auch bekommen. Und da zahlen wir eben diese Ausbildung, damit die Betriebe diese Arbeitskräfte bekommen.

Da haben wir bis jetzt 1 258 Mitarbeiter in 805 Betrieben untergebracht. Das ist nicht nur eine Initiative für die großen Betriebe, sondern da sind auch sehr viele kleine Be­triebe dabei! Wir haben 850 Beschäftigte in Pflegeberufen in 113 Einrichtungen unter­gebracht. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Wunderbar!) – Ja, ich finde, das ist eine großartige Initiative! Ich bin sehr stolz, dass ich als Niederösterreicherin das habe, und ich bin daran interessiert, dass man diese Beispiele, die gut sind, die in der Praxis funktionieren, bekannt macht und auch die anderen das machen. Ich würde ja jedem empfehlen, dass er sich bei seinen verwandten Organisationen erkundigt: Was gibt es denn an guten Beispielen?, und das auch macht und damit etwas Positives zum Ar­beitsmarkt beiträgt.

Und wir haben bei diesen „Stiftlingen“ auch nur eine Drop-out-Quote von 7 Prozent! Als wir mit „Job konkret“ vor zwei Jahren angefangen haben, hatten wir eine Drop-out-Quote von 9 Prozent, und da waren wir schon ganz stolz, denn das ist wirklich eine ganz tolle Sache – jetzt sind wir bei 7 Prozent, und da funktioniert das!

Und wenn ich zum Beispiel höre, es wird an den Berufsbildern, sozusagen an der Infor­mation, nur gekratzt, dann muss ich sagen: Wir kratzen nicht, wir scheren und wir schreien uns wirklich die Stimme aus dem Hals! Wir sind daran interessiert, dass man endlich einmal aufzeigt, wie es wirklich ist: Unsere Jugend geht in fünf Berufe! Und warum? – Weil ihr viel zu wenig vorgestellt wird, welche Berufe es auch gibt! (Zwi­schenruf des Bundesrates Konečny.) – Aber wir machen etwas, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Professor! Wir lamentieren nicht und zeigen das auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Und jetzt hören Sie mir einmal zu! Wir haben ein Berufs ... (Bundesrat Mag. Pehm: Das stimmt einfach nicht! Ich habe Ihnen sehr gut zugehört! – Bundesrat Konečny: Vergleichen Sie die Zahlen der Jugendarbeitslosigkeit und dann wiederholen Sie den Satz, ohne rot zu werden!)

Ich kann das wiederholen und ich sage es Ihnen auch, denn es ist wichtig, dass der Einstieg unserer Jugend optimal funktioniert. Eine der wichtigsten Entscheidungen ne­ben der Partnerwahl ist nämlich die Berufsentscheidung! Und da müssen wir schauen: Wieso ist denn das so, dass unsere Jugend nur in fünf Berufe geht? – Wir müssen alle Einrichtungen, die es gibt, der Jugend, aber auch den Eltern vorstellen und auch in die Schulen bringen.

Und da macht die Wirtschaft wirklich sehr viel: Wir machen Berufseignungstests – also nicht nur den Computertest, nicht nur diese schönen Talente-Checks, denn da kann man nur das Interesse anreißen, aber nicht die Eignung, die Neigung eines jungen Menschen.

Und wir machen das in Niederösterreich ganz gezielt: Wir haben eine Internet-Platt­form gemacht – www.fragjimmy.at –, mit der sind wir jetzt on tour, wo den jungen Leu­ten in 175 ... (Bundesrat Mag. Pehm: Warum steigt dann die Jugendarbeitslosig­keit?) – Bei uns steigt die Jugendarbeitslosigkeit ja gar nicht! Wir haben – und das wollte ich euch jetzt nur ... (Zwischenruf des Bundesrates Konečny.) – Moment, Moment! Herr Professor! Wir haben um 6 Prozent mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr als voriges Jahr! Voriges Jahr haben wir ... (Bundesrat Konečny: Gut, aber trotzdem haben Sie eine höhere Jugendarbeitslosigkeit!) Die Jugendarbeitslosigkeit steigt bei diesen jungen Menschen, die leider Gottes nicht den für sie richtigen Beruf gewählt haben, die ganz einfach ... (Bundesrat Konečny: Das sind auch Menschen! –


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 96

Bundesrat Mag. Pehm: Die haben keinen Beruf! – Bundesrat Konečny: Blenden Sie nicht immer drei Viertel der Wirklichkeit aus!)

Es kann nicht – und damit müssen wir uns auch beschäftigen, und wir dürfen uns da nicht vorbeischwindeln, meine sehr geehrten Damen und Herren – jeder Jugendliche einen Lehrberuf ergreifen, weil er leider nicht die Fähigkeiten dazu hat. Und wenn ich sage: Karriere mit Lehre, dann muss ich mich auch dazu bekennen und muss ehrlich sein. Natürlich bekenne ich mich auch dazu, dass man für diese Jugendlichen auch etwas machen muss! Da gibt es die integrative Berufsausbildung, an der wir auch sehr vehement arbeiten. (Bundesrat Mag. Pehm: Die Jugendarbeitslosigkeit ist dramatisch gestiegen!)

Ich möchte Ihnen heute hier nur sagen: Wenn wir wirklich daran interessiert sind, die Situation der Jugendlichen und den Arbeitsmarkt zu entschärfen, dann sollten wir alle Beispiele, die es gibt, weitertragen – ganz egal, woher sie kommen. Und viele dieser Projekte werden eben sozialpartnerschaftlich gemacht und auch finanziert. Also warum nennen wir sie nicht?

Wir können viel dazu beitragen. Wir haben zum Beispiel einen kostenlosen Nachhilfe­unterricht für Lehrlinge in Niederösterreich, den das AMS finanziert. Das ist meine Idee gewesen, das AMS finanziert es – kommt gut an! Bis jetzt – seit 1. Jänner dieses Jah­res haben wir es – haben 121 Lehrlinge diesen Nachhilfeunterricht kostenlos bekom­men in den Gegenständen, in denen sie es brauchen – meist Mathe und technische Berufsbilder –, haben damit die Berufsschule geschafft, und seit September habe ich 30 junge Leute, die wieder diese Ausbildung, die die Zusatzmöglichkeit eines Gratis­nachhilfeunterrichts bekommen.

Bitte, jeder junge Mensch ist doch ein armer Teufel (Bundesrat Mag. Pehm: Selbstver­ständlich!), wenn ich ihm sage, auf unserem Arbeitsmarkt geschieht nichts und wir haben überhaupt keine praxisbezogenen Projekte. – Wir haben sie, wir nehmen dabei auch sehr viel Geld in die Hand, und ich lade Sie ein – den ganzen Bundesrat –: Kom­men Sie einmal zu uns nach Niederösterreich und schauen Sie sich die Einrichtungen an! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ruperta, weil du gesagt hast, Karriere ist keine Einbahnstraße: Es gibt eine Berufs­reifeprüfung. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny.) Diese kostet sehr viel. Ich habe gesagt, von einem jungen Menschen ist das ja nicht finanzierbar! Ich kann nicht sagen: Bitte schön, mach die Berufsreifeprüfung! Der junge Mensch würde mir dann sagen: Wissen Sie was, Frau Präsidentin, dann zahlen Sie mir diese auch, denn woher soll ich die 3 000 € nehmen! (Bundesrat Mag. Pehm: Stimmt ja!)

Jetzt ist es so, dass die Hälfte das Land als Förderung bezahlt, und wir zahlen, wenn jemand die Berufsreifeprüfung im Wifi geschafft hat, 400 € dazu, denn wir wollen, dass unsere Leute, unsere Jugend Chancen hat.

Meine Bitte an Sie ist, bitte keine Schuldzuweisungen zu machen. Ich stehe wirklich voll und ganz dahinter! Ich weiß, dass die ganze Wirtschaft, unsere Ausbildner – und das sind ja nicht nur die Unternehmer und Unternehmerinnen – sehr engagiert sind in dieser Richtung, und ich würde Sie wirklich bitten, dass Sie diese Einrichtungen, die wir zum Teil gemeinsam machen, auch bekannt machen, denn nur so können wir wirklich positiv auf den Arbeitsmarkt einwirken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.36


Präsident Peter Mitterer: Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das war die Praxis, jetzt kommt die Theorie!)

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 97

14.37.03

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Gerade Ihnen, Herr Dr. Kühnel, täte ein bisschen Theorie noch viel besser als irgendjemand anderem hier herinnen. – Sei es, wie es sei!

Frau Präsidentin! Eines ist auch fix: Die Zunahme der Erwerbsquoten ist zu einem guten Teil auf Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen. (Bundesrat Bieringer: Euch kann man doch nichts recht machen!) Rechne es um auf Vollzeitäquivalente, dann hast du dieses Wachstum nie! – Das ist einmal bei der Erwerbsquote fix. Das ist das eine.

Das Zweite ist: Es hat keiner hier angekreidet, welche Projekte es gibt! Das sind sehr gute Projekte – ich will das auch hier betonen –, ich habe nur festgestellt – und dazu stehe ich –, wir werden uns nach diesem Jahr noch genauer anschauen: Was heißt das? Wo gehen die AMS-Mittel hin? Gehen sie in die Qualifikation oder gehen sie aus­schließlich in Coaching und Berufsorientierungsmaßnahmen? – Darum geht es uns: um die qualitativen Ausbildungen.

Ich bin sehr stolz: Wir haben in Oberösterreich ein sehr gutes Arbeitsmarktservice, das gute Arbeit leistet, mit wunderbaren, tollen Projekten, wo alle zusammenarbeiten – nur um das auch klarzustellen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Molzbich­ler: Wir stimmen eh zu! Was wollt ihr?)

14.38


Präsident Peter Mitterer: Ich sehe keine Wortmeldung mehr. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.38.526. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und die Reisegebührenvor­schrift 1955 geändert werden (1066 d.B. und 1096 d.B. sowie 7378/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Nun kommen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist auch da Herr Bundesrat Prutsch. – Ich bitte um die Berichterstat­tung.

 


14.39.16

Berichterstatter Günther Prutsch: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Das ist der vierte Bericht meinerseits, und zwar der Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und die Reisegebührenvorschrift 1955 geän­dert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich erspare mir daher dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Ich stelle namens des Finanzausschusses den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 98

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich darf ihr das Wort erteilen.

 


14.40.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bin Pendlerin. Ich fahre regelmäßig mit dem Zug nach Wien oder nach St. Pölten. Ich fahre regelmäßig mit Zugsgarnituren, die ungefähr 30 Jahre alt sind. Mit einem so alten Auto fährt selten jemand. Ich fahre öfters mit Zü­gen, die auf der Strecke unterwegs stehen bleiben; zuletzt geschah das vorgestern we­gen Gleisbruchs irgendwo auf einem Bahnhof in Wien. Ebenso wie ich fahren tausend Pendlerinnen und Pendler aus unserem Bezirk mit der Schnellbahn nach Wien und haben immer mehr das Gefühl, dass man als Bahnkunde so ziemlich das Letzte ist: Vollgestopfte Züge, das Material ist absolut veraltet, die letzte Sanierung des Bahnhofs liegt auch ungefähr 30 Jahre zurück. In den seltensten Fällen höre ich etwas Negatives über das Personal, es sei denn, es gibt gerade keines.

Es ärgert die Leute vor allem, dass das Bahnfahren immer wieder teurer wird, obwohl die Qualität nicht wirklich steigt. Trotzdem sind die Pendlerinnen und Pendler in Kor­neuburg froh, dass es die Schnellbahn gibt. Denn abseits der Schnellbahn gibt es im Bezirk sehr wenig beziehungsweise eigentlich gar keinen öffentlichen Verkehr. Es gibt zwar den SchülerInnenverkehr in der Früh zu den Schulen, für Arbeiter und Ange­stellte, die pendeln müssen, gibt es aber keinerlei Verbindung zu den Arbeitsorten.

Man darf nicht vergessen, dass ungefähr die Hälfte der Bevölkerung in unserem Bezirk nicht an der Schnellbahn wohnt. Diese Menschen brauchen somit, wenn beide berufs­tätig sind, automatisch jeweils zwei Autos, und wenn man zwei Autos hat, entstehen entsprechende Kosten. Zunächst entstehen Kosten für die Anschaffung. Ein Großteil der Kosten für einen Pkw sind Fixkosten: Kosten für das Pickerl, für die Autobahn­vignette und für allfällige diverse Reparaturen. Die Treibstoffpreise schlagen sich auch zu Buche, wenn auch sicherlich nicht im gleichen Ausmaß.

Diejenigen bei uns, die sich einen Pkw sparen könnten, wenn sie die Möglichkeit hät­ten, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit zu gelangen, hätten einen großen Vorteil, denn das würde sehr viel billiger kommen. Das ist aber nicht der Fall, weil – wie gesagt – die Hälfte der Bevölkerung abseits einer Schnellbahnstrecke und weit entfernt von einem öffentlichen Verkehrsmittel wohnt.

Ich möchte Ihnen vorrechnen, was diese Erhöhung der Pendlerpauschale jetzt für eine Pendlerin aus unserem Bezirk bringt, die an der Schnellbahn wohnt und mit dem öf­fentlichen Verkehrsmittel Schnellbahn von Stockerau nach Wien Mitte fährt: Es sind dies 20 Kilometer, sie erhält die kleine Pendlerpauschale. Das durchschnittliche Ein­kommen im Bezirk beträgt 29 000 €, sprich: 33 Prozent Einkommensteuer. Die Er­höhung der Pendlerpauschale macht 45 € pro Jahr aus, 33 Prozent davon sind 15 €, dividiert durch zwölf ergibt das ungefähr 1 € pro Monat. Jetzt fragen Sie einmal eine Pendlerin, ob es ihr diesen Euro wert wäre, wenn sie dafür im Zug einen Sitzplatz be­käme, wenn sie in einem Wiesel fahren könnte, in dem es nicht so rüttelt und in dem man auch sitzen kann, wenn es auch ein Wartehäuschen gäbe, wo sie im Winter nicht friert, und wenn sie vielleicht auf dem Bahnhof, der modern und schön eingerichtet ist, auch einkaufen könnte.

Ich war vor kurzem in der Schweiz, und da habe ich mir auch das Verkehrssystem und die Bahnhöfe angeschaut und festgestellt: Das ist einfach unvergleichbar! Die Ticket-Preise sind bei weitem höher als bei uns, trotzdem gibt es dort einen Modal Split von 50 zu 50, bei uns beträgt er 80 zu 20.

Zweite Variante: Eine Pendlerin aus unserem Bezirk, die keine Schnellbahnanbindung hat und zirka zehn Kilometer zu ihrem Arbeitsort unterwegs ist, bekommt eine große


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 99

Pendlerpauschale für den Pkw und somit 27 € pro Jahr mehr Pendlerpauschale. 33 Prozent davon dividiert durch zwölf ergeben nicht einmal 1 €! – Fragen Sie einmal diese Pendlerin, ob sie Interesse hätte, auf diese Pauschale von nicht einmal einem Euro pro Monat zu verzichten, wenn sie dafür einen Bus vor die Nase gesetzt bekäme, mit dem sie täglich zur Arbeit fahren und sich somit einen eigenen beziehungsweise den zweiten Pkw ersparen könnte!

Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die jetzt hier vorliegt, ist ein Tropfen auf dem hei­ßen Stein beziehungsweise eigentlich nicht einmal das. Es kann mir nämlich niemand erzählen, dass die Beträge, von denen wir hier reden, die Mehraufwendungen, welche die PendlerInnen derzeit haben, in irgendeiner Form auch nur annähernd abdecken! Viel sinnvoller wäre es daher meiner Meinung nach, wenn man den PendlerInnen an­bieten würde, günstiger und auch umweltfreundlicher zu ihrer Arbeitsstätte zu kommen, indem man im Bereich der Öffis etwas unternimmt und wirklich Angebote für die Bevöl­kerung bringt.

Ein weiterer Punkt, der mich bei der Pendlerpauschale übrigens auch noch sehr stört, ist, dass das Ganze sozial unausgewogen ist. Denn in Wirklichkeit zahlen ja alle Pend­ler gleich viel, zumindest diejenigen, die öffentliche Verkehrsmittel benützen. Es be­steht vielleicht ein Unterschied, ob man mit einem Mercedes oder mit einem Daihatsu fährt, aber im öffentlichen Verkehrsmittel zahlt jeder Pendler gleich viel. Bei der Pend­lerpauschale ist es aber so, dass diejenigen, die ein niedrigeres Einkommen haben, auch weniger Einkommensteuer zahlen und daher weniger Benefit von der Pendler­pauschale haben.

Ich habe mir in den letzten Wochen auch die Medienberichterstattung zu dieser Er­höhung der Pendlerpauschale angeschaut. Da wird großartig geschrieben: Die Bun­desregierung reagiert auf die Erhöhung der Treibstoffpreise mit einer Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes. – Wir hätten halt gerne, dass die Bundes­regierung nicht nur reagiert, sondern agiert, aktiv etwas für die PendlerInnen tut und bessere Angebote für die PendlerInnen macht. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desräten der SPÖ.)

Ich habe lange überlegt, ob es politisch gesehen klug ist, einem solchen Zuckerl wie dieser Erhöhung der Pendlerpauschale nicht die Zustimmung zu geben, aber letztend­lich ist dieses Zuckerl eben eine Augenauswischerei: Nicht einmal 1 € pro Monat! Wenn man sich dagegen die Mehreinnahmen anschaut, die jetzt auf Grund der Treib­stoffpreiserhöhungen auf den Finanzminister zukommen, dann würde ich sagen: Das ist einfach kein Vergleich! (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Na si­cherlich gibt es Mehreinnahmen, weil die Treibstoffpreise gestiegen sind und dadurch auch die Umsatzsteuer! (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Ich rede von der Umsatzsteuer, und die Einnahmen aus der Umsatzsteuer sind auf jeden Fall gestiegen. (Staatssekretär Dr. Finz: Erzählen Sie keine Märchen!) Das ist kein Märchen!

Sie verteilen jetzt 28 Millionen € an Mehreinnahmen. Ich meine: Sie können mir ja vor­rechnen, wie Sie die Umsatzsteuer vom Mineralöl jetzt neu berechnen, wenn es keine Mehreinnahmen daraus gegeben hat! Meiner Meinung nach gibt es viel höhere Mehr­einnahmen, und meiner Meinung nach wären diese Mehreinnahmen zu 100 Prozent, sprich: eins zu eins, in Strukturverbesserungen zu stecken, um den PendlerInnen eben Öffis zu bieten.

Im Gegensatz dazu macht die Bundesregierung aber etwas ganz anderes: Sie spart die ÖBB kaputt, und sie kümmert sich kaum mehr um den Personenverkehr. Laut dem Statistischen Handbuch des Landes Niederösterreich ist die Verkehrsleistung ÖBB-Schienenverkehr in Niederösterreich im Personenverkehr von 193 Millionen auf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 100

183 Millionen Beförderungen innerhalb von zehn Jahren zurückgegangen. Ich finde, das ist traurig, aber es ist eine Tatsache, und es ist kein Wunder bei dieser Verkehrs­politik der letzten Jahre!

Im Bezirk Korneuburg haben die Grünen ein Konzept erstellt: Wir haben die Kosten für einen Taktverkehr im Bezirk berechnet, der für jede Gemeinde im Bezirk eine öffent­liche Anbindung im Stundentakt bietet. Die Kosten würden bei 1 Million € liegen. Die Frage ist nur: Wer bezahlt das? – Es gibt eine Nahverkehrsförderung des Bundes. Die Nahverkehrsförderung des Bundes ist im Vorjahr insgesamt gekürzt worden, und der Herr Staatssekretär Kukacka hat dann auch noch beiläufig gemeint: Nachdem es so viele neue Projekte gibt und alles so gut läuft, ist jetzt für jedes einzelne Projekt leider nicht mehr so viel da! Und der Minister reagiert nun damit, dass die Zuschüsse des Mi­nisteriums für diese Verkehrsprojekte von 50 Prozent auf 33 Prozent gekürzt werden.

Meiner Meinung nach ist der öffentliche Verkehr doch die Aufgabe des Bundes, und es kann nicht sein, dass die Gemeinden oder irgendwelche anderen Gruppierungen sich diesen Taktverkehr selbst finanzieren müssen. Das ist an und für sich eine öffentliche Aufgabe, und die Mehreinnahmen aus der Mineralöl- und der Umsatzsteuer, die es laut Ihrer Meinung nicht gibt – aber vielleicht können Sie mir noch vorrechnen, dass es diese nicht gibt (Staatssekretär Dr. Finz: Gern!), das würde ich gerne sehen! –, müss­ten eins zu eins in diese Projekte gehen, anstatt diese zu kürzen.

Es gibt viele solche Projekte, denn nicht nur in Korneuburg machen sich die Bewohne­rinnen und Bewohner Sorgen um den öffentlichen Nahverkehr. Projekte gibt es genug, und es wäre nötig, nachhaltige Verkehrspolitik für die Pendlerinnen und Pendler zu ma­chen und diese Projekte zu unterstützen, anstatt hier sozusagen ein Zuckerl von nicht einmal 1 € pro Monat in Form einer Erhöhung der Pendlerpauschale zu beschließen!

Letztendlich werden die Treibstoffpreise sicherlich weiter steigen. Vielleicht können Sie mir auch vorrechnen, dass das nicht so sein wird, vielleicht können Sie auch die Leute in China überzeugen, dass sie künftig weniger Treibstoff brauchen sollen. Ich glaube aber, dass wir die Wette abschließen können, und vielleicht können wir in einem Jahr darüber reden, ob ich Recht gehabt habe. Meiner Meinung nach werden die Preise weiter steigen, und meiner Meinung nach ist diese Art der Pendlerpauschale und des Zuschusses ein Fass ohne Boden, wenn man an der Struktur nichts ändert. Eine Ände­rung der Struktur und die Schaffung von vernünftigen und preisgünstigen Öffis wäre der richtige Weg, und diese Erhöhung der Pendlerpauschale ist ein falscher Weg, den wir so nicht mitgehen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.50


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Ich darf Sie ans Rednerpult bitten.

 


14.50.21

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Zu dem vorhin beschlossenen Beschäftigungsförderungsgesetz meine ich, dass das die richtige Ant­wort auf die derzeitige Arbeitsmarktsituation ist. Auch wenn wir seit Amtsantritt dieser Bundesregierung um 100 000 Beschäftigte mehr haben – den höchsten Beschäftigten­stand seit jeher – und unsere Arbeitslosenrate weit unter jener im EU-Durchschnitt liegt, ist nämlich trotzdem jeder Arbeitslose zuviel. Darüber sind wir uns einig. (Bundes­rat Gruber: Es hilft aber nichts, alles nur schönzureden!) Es bringt aber auch nichts, wenn wir alles schlechtreden und alle Projekte, die jetzt laufen, als schlecht darstellen, wenn sie doch sehr viel bringen. (Bundesrat Stadler: Jubeln können wir aber alle nicht!) Jubeln können wir, weil 285 Millionen im erwähnten Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit neu eingesetzt werden, und das speziell für die Jugend und für Frauen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 101

und weil es Qualifikationsmaßnahmen für 60 000 Menschen gibt. Dies zeigt, glaube ich, politischen Weitblick für unsere Bürger! Das ist sozial gerechte Politik mit Hausver­stand und mit Verantwortung!

Durch die Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes erfolgt eine Auf­wertung für jene, die es auf sich nehmen, tagtäglich zu pendeln. Flexibilität und Mobi­lität werden, glaube ich, in Zukunft immer mehr gefragt sein. Ich komme aus einem Bezirk, aus dem sehr viele Arbeitnehmer auspendeln, und die Erhöhung der Pendler­pauschale und das Kilometergeld sind für diese Pendler eine gute Sache. Wenn wir jetzt den Vergleich ... (Bundesrat Stadler: Es kommt auf das Ausmaß an!) 

Wenn Sie alles schlechtreden, möchte ich jetzt einen Vergleich zu den Maßnahmen der vorigen Regierung anstellen: Seit 1992 gab es nur eine Erhöhung der Pendlerpau­schale. Wir hingegen haben seit dem Jahr 2000 bereits vier Mal eine Anhebung vorge­nommen, zwei Mal um 10 Prozent, durch die Steuerreform 2004/2005 rückwirkend um 15 Prozent und mit dem heutigen Gesetz wieder um 10 Prozent. Das war in den letzten fünf Jahren eine Erhöhung um 45 Prozent beziehungsweise eine Entlastung im Aus­maß von 33 Millionen €. – Ist das nichts?

All das ist natürlich auch die Antwort auf die – wie wir heute schon gehört haben – enorm gestiegenen Treibstoffpreise, aber auch ein Zeichen für den ländlichen Raum, denn der ländliche Raum ist uns einfach etwas wert. (Bundesrat Stadler: Darum habt ihr alles zugesperrt!) Nein! Wir sind für den ländlichen Raum! Wir bekennen uns dazu. (Bundesrat Gruber: Daher wurden 1 000 Postämter zugesperrt!) Wir bringen auch Geld in den ländlichen Raum, das zeigen die erwähnten Maßnahmen!

Es handelt sich dabei nämlich auch um eine Stärkung der Kaufkraft unserer Bürger. Allein bei der Erhöhung der letzten zwei Jahre für Pendler waren das pro Pendler und Jahr bei der großen Pendlerpauschale für zwei Kilometer 57 €, ab 20 Kilometer 229 €, ab 40 Kilometer 441 € und ab 60 Kilometer 563 €. – Dies stellt, wie Sie gehört haben, eine Entlastung unserer Pendler dar, ebenso wie die Erhöhung des Kilometergeldes um zwei Cent auf 38 Cent pro Kilometer.

Abschließend möchte ich sagen: Wir sind einfach für unsere Pendler, wir sind für die Mobilität unserer Bürger, wir sind für den ländlichen Raum und für die steuerliche Ent­lastung, und daher stimmen wir natürlich diesem Gesetz zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Peter Mitterer: Die nächste Wortmeldung kommt vom Herrn Bundesrat Kraml. – Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.54.32

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr viele Ge­setze, die diese Regierung in diesem Haus vorlegt, kann man unter das Motto stellen: „Besser als gar nichts!“ (Heiterkeit bei der SPÖ.)

„Besser als gar nichts!“ kann man auch zur Erhöhung der Pendlerpauschale und zur Erhöhung des Kilometergeldes sagen, denn diese 10 Prozent sind einfach bei weitem zu wenig. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Das wissen Sie, Herr Staatssekretär, ganz genau! Auch da hätte es schon mehr geben müssen, als Sie dann gegeben haben! (Bundesrätin Diesner-Wais: Warum haben Sie nicht mehr ge­geben, als Sie in der Regierung am Ruder waren?!) Frau Kollegin Diesner-Wais, ist Ihnen entgangen, dass die Treibstoffkostenerhöhung in den neunziger Jahren eine ganz andere, nämlich wesentlich geringer war als jetzt in den letzten paar Jahren? Auch danach richtet sich das Kilometergeld! Diese Erhöhung um zwei Prozent von


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 102

36 Cent auf 38 Cent sind jetzt natürlich zu wenig. Es müssten mindestens 42, 43 Cent sein. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Ich weiß, wie viel das Auto kostet, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Staatssekretär! Ich weiß, was das kostet, denn ich zahle es mir selber!

Herr Staatssekretär, wenn Sie mir erklären ... (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz. – Bundesrat Konečny: Herr Staatssekretär! Von der Regie­rungsbank macht man keine Zwischenrufe! – Staatssekretär Dr. Finz: Ist Ihnen das unangenehm? – Bundesrat Konečny: Sie sind nicht im Kaffeehaus!)

Herr Staatssekretär! Wenn Sie immer wieder erklären, dass Sie keine Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer haben, dann glaube ich Ihnen das schon, denn Sie haben ein Budget zusammenbringen müssen und haben es so hoch angesetzt, dass Sie jetzt glauben, dass das ganz normale Einnahmen sind. Das sind aber keine ganz normalen Einnahmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Wir hören jetzt vom Rechnungshof, dass Sie mit der Staatsver­schuldung wieder dort sind, wo wir Ende der neunziger Jahre waren, und wir müssen in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Belastungen hinnehmen. „Reformen“ haben Sie das genannt, und es ist auch schon angeführt worden, dass Sie den ländlichen Raum ausgedünnt haben: Sie haben die Postämter zugesperrt, Sie haben die Bezirks­gerichte zugesperrt, Sie haben die Finanzämter zugesperrt (Staatssekretär Dr. Finz: Wir haben kein einziges Finanzamt zugesperrt!), Sie haben die Gendarmerieposten zu­gesperrt. All das haben Sie gemacht, und damit haben Sie den ländlichen Raum aus­gedünnt! (Bundesrat Gruber: Sie haben ihn ausgehungert!)

Es ist einfach Ihr Problem in der Bundesregierung, dass Sie jetzt kein Geld mehr für die Pendler haben. Kollegin Kerschbaum hat heute schon angeführt, dass der ländliche Raum, was öffentliche Verkehrsmittel anbelangt, einfach unterversorgt ist, worunter die Pendlerinnen und Pendler zu leiden haben. Ich brauche nur meinen eigenen Bezirk, den Bezirk Rohrbach, als Beispiel nehmen: Dort sind über 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Pendler, die in den Großraum Linz oder auch in den bayrischen Raum auspendeln. Sie alle haben die entsprechenden Kosten zu tragen, weil sie keine Mög­lichkeit haben, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zum Arbeitsplatz zu kommen.

Meine Damen und Herren! Es geht einfach um die Ungleichgewichtung bei den Belas­tungen und in der Steuerpolitik: Sie schnallen bei den Kleinen in der Bevölkerung den Gürtel enger und schütten das Füllhorn über die Großen aus! (Bundesrat Höfinger: Das ist doch überhaupt nicht wahr!) Genauso ist es, Herr Kollege! (Bundesrat Höfin­ger: Das sind doch Floskeln!)

Herr Staatssekretär! Ich glaube schon, dass Sie schön langsam frustriert sind, wenn Sie die Leistungen der Bundesregierung erklären und die Bevölkerung diese einfach nicht bemerkt! Der Herr Bundeskanzler hat – ich glaube, es war voriges Jahr – 2004 bei der Regierungsklausur gesagt: Jetzt kommt die Zeit der Ernte. – Vielleicht hat er den Oktober 2005 gemeint: Jetzt war Zeit der Ernte in der Steiermark, jetzt war Zeit der Ernte im Burgenland, und in gut einer Woche kommt die Zeit der Ernte in Wien. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Höfinger. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn diese Erntezeiten vorbei sind, dann können Sie im November das Erntedankfest feiern, meine Damen und Herren! (Beifall und ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Höfinger.) Es ist ja nicht so schlecht, wenn man ab und zu auch parteipolitisch denkt, nicht? Das soll ja keine Sünde sein, das kann ja keine Sünde sein, oder?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 103

Es ist einfach so, dass Sie für die Bevölkerung zu wenig übrig haben, und das ist auch betreffend die Pendler so, und das zeigt sich heute wieder bei diesen Erhöhungen. Wie ich aber schon eingangs gesagt habe, werden wir dem Gesetz unter dem Motto „Bes­ser als gar nichts!“ dennoch unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich noch Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.59.48

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hohe Bundesrat! Ich möchte ein für allemal – obwohl es wahrscheinlich weiterhin so behauptet werden wird – mit dem Märchen aufräumen, dass wir die zweiten Ölprinzen sind und dass wir aus den höheren Ölpreisen gewinnen. (Bundesrat Konečny: Na, wie ein Prinz schauen Sie wirklich nicht aus!) Wieso gewinnen wir nicht?

Wieso gewinnen wir nicht? – Die Mineralölsteuer ist eine Mengensteuer. Das ist also von der abgegebenen Menge abhängig. Jetzt wird auf Grund der höheren Benzinprei­se ungefähr zehn Prozent weniger Mineralöl verkauft. Daher haben wir bei der Mineral­ölsteuer Mindereinnahmen, und zwar in der Höhe von ungefähr 100 Millionen €. Jetzt gewinnen wir zwar durch den höheren Preis bei der Umsatzsteuer etwas mehr, das gebe ich zu, allerdings ist die Menge nicht so groß wie vorher. Außerdem haben wir Mindereinnahmen bei der Mineralölsteuer. Und bei der Umsatzsteuer ist es so: Wenn ein Gut teurer wird, dann fehlt mir das Geld für andere Zwecke. (Bundesrat Konečny: Das haben Sie gerade gesagt! Haben wir zwei Mineralölsteuern?) Es fehlt mir beim Konsum, es fehlt mir beim Urlaub. Wir haben dort Mindereinnahmen – und daher wie­der Mindereinnahmen bei der Umsatzsteuer. Die Leute werden ja nicht das Sparbuch plündern, damit sie sich das teurere Benzin leisten können, sondern sie geben einfach insgesamt weniger aus oder in anderen Bereichen, weil der Benzinpreis gestiegen ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Nach unserer Berechnung – und die lässt sich auf Grund der monatlichen Steuerer­folge klar beweisen – sind wir nicht Gewinner, sondern steigen ungefähr pari aus. Und wir brauchen dieses Geld, weil wir damit die Infrastruktur, die als notwendig erkannt wird, finanzieren.

Zum Kilometergeld. – Wir haben jetzt mit 38 Cent das bei weitem höchste Kilometer­geld in Europa, obwohl wir trotz steuerlicher Belastung bei weitem nicht den höchsten Brutto-Benzinpreis oder Brutto-Dieselpreis haben. Trotzdem haben wir das höchste Kilometergeld.

Die Vorgehensweise, von einer Vollkostenrechnung auszugehen, ist eindeutig falsch, denn wenn ich mir für einen privaten Zweck einen PKW leiste, dann muss ich so wie jeder die privaten Kosten natürlich auch selbst tragen. Nehmen wir an, ich fahre im ge­samten Jahr 17 000 km, und von diesen 17 000 km sind 5 000 km für den Dienstgeber gefahrene Kilometer, dann habe ich rechtlich nur einen Anspruch darauf, dass mir die durch die 5 000 km entstandenen Mehrkosten abgegolten werden. Das sind im übrigen 5,22 S nach der alten Schilling-Rechnung, also wirklich ein erheblicher Betrag.

Alles andere, also wenn ich darüber hinaus mehr abdecken würde, zum Beispiel 42 Cent, wie es von der sozialdemokratischen Opposition immer verlangt wird, würde bedeuten, dass wir hier Mehreinnahmen hätten, die auch besteuert werden müssten. Es kann also nur der tatsächliche Aufwand wirklich ersetzt werden. Alle unsere Be­triebsprüfungen beweisen – und im Finanzministerium haben wir das genau nach­gerechnet –, dass wir mit diesen 38 Prozent eine volle Kostendeckung erreichen. (Bun­desrat Konečny: Entschuldigen Sie, Herr Staatssekretär: Wovon 38 Prozent?) Bitte


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 104

um Entschuldigung: Cent habe ich gemeint! (Bundesrat Konečny: Okay, dann bin ich wieder zufrieden!)

Eines möchte ich auch noch sagen, weil heute immer wieder betont wurde, es sei zwar der richtige Ansatz, aber es sei zu wenig: Herr Abgeordneter Matznetter hat uns vor ein paar Tagen wieder wegen eines Defizits kritisiert. Die Sozialdemokratie sollte sich ein­mal einig werden: Sollen wir mehr ausgeben, ein höheres Defizit machen – oder sollen wir sparen und weniger ausgeben? (Bundesrat Konečny: Besser ausgeben, Herr Staatssekretär!) Aber dieser Zickzackkurs ist ja das Markenzeichen der Opposition. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist offenbar nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, falls Kollegin Konrad nicht aufzeigen wollte. (Ruf bei der ÖVP: Die hat geschlafen! – Bundesrätin Konrad: Ich wollte nicht aufzeigen, Herr Kollege!) Der Antrag ist angenommen.

15.04.247. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zum vom Internationalen Währungsfonds verwalteten Treuhandfonds für von Naturkatastrophen betrof­fene Entwicklungsländer mit Niedrigeinkommen (1072 d.B. und 1100 d.B. sowie 7379/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


Berichterstatter Helmut Wiesenegg: Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Staats­sekretär! Wir haben heute schon viel über Naturkatastrophen gehört, daher bringe ich nun den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines österreichi­schen Beitrages zum vom Internationalen Währungsfonds verwalteten Treuhandfonds für von Naturkatastrophen betroffene Entwicklungsländer mit Niedrigeinkommen.

Geschätzte Damen und Herren! Dieser Bericht liegt Ihnen allen vor, daher bedarf es keiner genauen Erläuterung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Die zum Wort gemeldete Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker ist nicht im Saal, die Wort­meldung verfällt daher.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 105

Liegen weitere Wortmeldungen vor? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.06.218. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (891 d.B. und 1038 d.B. sowie 7380/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Georgien zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (892 d.B. und 1039 d.B. sowie 7381/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men samt Protokoll (1061 d.B. und 1097 d.B. sowie 7382/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 8 bis 10 ist Herr Bundesrat Schimböck. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

 


Berichterstatter Wolfgang Schimböck: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Litauen zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Ich möchte den Antrag insoweit ergänzen, dass auch dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt werden soll.

Ich bitte, gleich die weiteren Berichte anzuschließen.

 


Berichterstatter Wolfgang Schimböck: Ich berichte auf Wunsch des Herrn Präsi­denten gleich auch zu den Tagesordnungspunkten 9 und 10.

Ich erstatte den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 106

und Georgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Weiters bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Protokoll.

Der Finanzausschuss stellt mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag zu Tagesordnungs­punkt 9 –, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben sowie dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Ab­satz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Auch bezüglich Tagesordnungspunkt 10 stelle ich namens des Finanzausschusses den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben sowie dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Ab­satz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Re­publik Österreich und der Republik Litauen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Auch dieser Antrag ist angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Sep­tember 2005 betreffend ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Ös­terreich und Georgien.

Auch dieser Beschluss regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, sodass er der Zustimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG be­darf.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 107

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Ab­satz 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Re­publik Österreich und der Islamischen Republik Pakistan.

Auch dieser Beschluss unterliegt dem Zustimmungserfordernis gemäß Artikel 50 Ab­satz 1 zweiter Satz B-VG.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Ich lasse weiters über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenom­men.

15.11.4211. Punkt

Bericht des Bundesministers für Finanzen zur Jahresvorschau 2005 des Bundes­ministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­grammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates (III-275-BR/2005 d.B. sowie 7299/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Johann Höfinger. Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundesministers für Finanzen zur Jahresvor­schau 2005 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahresprogrammes des Rates liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Mai 2005 den Antrag, den Bericht über den Bericht des Bundesministers für Finan­zen zur Jahresvorschau 2005 des Bundesministeriums für Finanzen auf der Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes der Kommission sowie des operativen Jahres­programms des Rates zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.13.04

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Als wir vor wenigen Monaten in diesem Hause über den EU-Verfassungsvertrag debattiert haben, haben wir alle die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 108

Friedensdividende der Europäischen Union als besonderes Plus auf unserem Konti­nent gewürdigt. Ich glaube aber, dass für immer mehr Bürger der Frieden allein als Existenzberechtigung zu wenig ist, denn die meisten Österreicherinnen und Österrei­cher von heute haben den Krieg nicht mehr miterlebt, und die Tatsache, dass Frieden herrscht, ist für viele schon eine Selbstverständlichkeit. – Gott sei Dank ist das so geworden und hat sich Europa so entwickelt.

Ich glaube, dass sich auch das überraschende Resultat der Abstimmungen, der Re­ferenden in den Ländern Frankreich und Niederlanden darauf zurückführen lässt. In beiden Ländern, aber auch in Luxemburg gehörten die Bürger über 50 Jahre zu den stärksten Verfassungsbefürwortern, während gerade die Jugendlichen bis 25 Jahre mehrheitlich gegen die EU-Verfassung gestimmt haben. Für die älteren Bürger, die teilweise noch der Kriegsgeneration oder der Nachkriegsgeneration angehört haben, ist das Asset des Friedens in Europa noch sehr wichtig und die EU ein unschätzbares Friedensprojekt. Aber die Jugendlichen wollen, dass Europa mehr leistet. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich komme schon auf das Programm, aber ich glaube, dass wir auch das Umfeld dar­stellen sollen, in dem dieses Programm, das die Bundesregierung vorgelegt hat und das ein sehr ambitioniertes Programm ist, wirken soll.

Wir müssen daher einerseits die Wünsche und Sorgen der Jugendlichen ernster neh­men, wir müssen uns aber auch bemühen, den Nutzen eines starken Europas in einer globalisierten Welt noch besser zu vermitteln. Und wenn ich sage „wir“, dann meine ich nicht nur die Vertreter der EU-Institutionen, die Vertreter der Mitgliedstaaten, die Ver­treter der Länder, der Regionen, der Gemeinden, sondern ich meine: wir alle, also auch wir selbst als Mandatare; auch die Vertreter der Wirtschaft sind hier eingeschlos­sen.

Es geht darum, auch anhand dieses Programmes, das die Regierung vorgelegt hat, den Nutzen Europas noch deutlicher darzustellen. Europa schafft ja nicht nur Frieden, sondern es nützt und schützt auf vielerlei andere Weise. Ich glaube, wir sollten uns wieder einmal diesen Nutzen vor Augen führen.

Erstens: Der Beitritt hat zu einer Öffnung der Grenzen geführt, die bis in die achtziger Jahre die Entwicklung gerade im Norden und Osten Österreichs stark behindert haben. Ich komme aus Oberösterreich: Früher war das eine tote Grenze, heute aber ist dort pulsierendes wirtschaftliches Leben, wenn ich an den Bereich der Grenze nach Tschechien und das angrenzende Mühlviertel denke.

Zweitens: Die europäische Perspektive hat einen geradezu unglaublichen Wandel un­serer Nachbarländer im Osten von einem kommunistischen Zwangsregime zu einem demokratischen, erfolgreichen und freien System ermöglicht.

Drittens: Die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit hat zu einem signifikanten Rückgang der grenzüberschreitenden Kriminalität geführt. Sicherheit ist ein Produkt und ein Vorteil der gesamten europäischen Entwicklung der letzten Jahre.

Viertens: Der Beitritt Österreichs zur EU hat zur Schaffung und zur Sicherung von mehr als 70 000 Arbeitsplätzen geführt. Wir haben das heute ja schon ausführlich darge­stellt.

Fünftens: Die Erweiterung im Vorjahr hat sowohl diesen Ländern als auch Österreich ungeahnte wirtschaftliche Perspektiven eröffnet. Im Jahr 2004 betrugen die Importe aus den Beitrittsländern zur Europäischen Union 9,7 Milliarden € und lagen damit um 12,12 Prozent höher als im Jahr 2003. Die Exporte in diese Länder betrugen 11,4 Mil­liarden €; sie stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 14,4 Prozent. Die Warenhandels­bilanz verzeichnet ein Aktivum von 1,4 Milliarden €. Die anteilsmäßig am stärksten im


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 109

Außenhandel mit Österreich involvierten Beitrittsländer waren die Tschechische Re­publik, die ich schon genannt habe, und in zweiter Linie auch Ungarn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles sind unleugbare Vorteile, die ein Land wie Österreich von der Mitgliedschaft der Europäischen Union hat, und wir sollten diese Fakten auch noch mehr unter die Leute bringen, gerade zu einem Zeitpunkt, wo wir sehr ambitionierte Programme für die Zukunft und die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union am Vorabend der Präsidentschaft Österreichs in Europa vorlegen.

Zweiter Punkt: Wir sollten auch nicht versprechen, was Europa nicht halten kann. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es ist an der Zeit, auch deutlich zu ma­chen, dass Europa nicht alles kann, und das ist auch völlig in Ordnung. Im Sinne der Subsidiarität sollte sich jede politische Ebene auf das konzentrieren, was sie am bes­ten kann, aber dort auch wirklich etwas weiterbringen.

Was meine ich damit? – Europa wird immer wieder beschuldigt, dass es nicht genug gegen die Arbeitslosigkeit oder für die Sicherung der Sozialsysteme unternimmt. Wir haben heute eine ähnliche Debatte schon geführt. Die Europäische Union trägt zwar durch die Existenz des Binnenmarktes viel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei, aber die Arbeitsmarktpolitik ist nach wie vor Sache der Nationalstaaten. Dazu haben sich alle Entscheidungsträger bekannt, und das müs­sen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Arbeitsmarktpolitik ist nicht ein Kerngeschäft der EU.

Auch in die Sozialgesetzgebung kann sich die Europäische Union nicht einmischen, weil es eben unterschiedliche Traditionen und Entwicklungsetappen des Sozialwesens in Europa gibt. Die Politik hat die Aufgabe, hier nicht mit demagogischen Forderungen hausieren zu gehen, und die Medien haben die schwierige, aber – meiner Meinung nach – wichtige Aufgabe, diesen Umstand noch deutlicher zu machen und auch dif­ferenzierter über diese unterschiedlichen Kompetenzen zu berichten. Das wäre eine wichtige Aufgabe.

Drittens glaube ich, dass wir uns auf die aktuelle gemeinsame Herausforderung kon­zentrieren sollen und auch darüber informieren sollen, wie zum Beispiel über dieses von der Regierung vorgelegte Arbeitsprogramm im Bereich der finanziellen Entwick­lung und des Lissabon-Prozesses und anderer Bereiche, die in diesem Papier genannt sind.

Europa hat schon viel bewirkt und viele Erfolge erreicht. Europa darf sich aber auf diesen Lorbeeren sicherlich nicht ausruhen, denn es gibt noch sehr viel zu tun. Wir müssen weiterhin daran arbeiten, den Standort Europa zu verbessern, ihn auch durch die Schaffung von Arbeitsplätzen zu verbessern. Dazu sind vor allem gemeinsame An­strengungen im Bereich der Forschung notwendig – Stichwort: Lissabon-Prozess, der auch einen starken Bereich dieses ambitionierten Programms der Regierung einnimmt.

Europa hat so große Kapazitäten! Das wird vor allem daran klar, wie viele europäische Wissenschafter zum Beispiel in Amerika tätig sind. Ich lese mir das immer in den Medien genau durch: Wie viele Österreicher sind auf anderen Kontinenten tätig? Es stimmt mich immer etwas traurig, dass sie nicht bei uns sind und bei uns forschen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ja, weil die Bedingungen bei uns so schlecht sind!)

Wir müssen uns noch viel mehr als in der Vergangenheit darum bemühen, den For­schern durch gemeinsame Forschungsprojekte in Europa bessere Bedingungen zu bieten. Die Flugzeugtechnologie etwa ist ein Beweis dafür, wie Europa durch Zusam­menarbeit eine Spitzenposition erreichen kann. Ich bin davon überzeugt, dass dies auch in anderen Forschungsbereichen möglich wäre. Ein Beispiel ist das Unternehmen FACC bei uns in Oberösterreich, das Lieferant für dieses große europäische Projekt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 110

ist. Also wir haben einen Nutzen einer gezielten Forschungsinitiative in diesem Be­reich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuelle Herausforderungen gibt es natürlich auch im Bereich der Sicherheit, wie die Anschläge in den europäischen Hauptstädten London und Madrid deutlich gezeigt haben. Österreich ist gemeinsam mit 14 anderen Ländern mit dem Schengen-Vertrag ein Vorreiter im Bereich der inneren Sicherheit, und ich hoffe, dass sich andere Länder diesem Beispiel noch anschließen werden.

Darüber hinaus gibt es aber auch große Aufgaben in der Welt. Hier ist die größte Her­ausforderung die Bekämpfung der wachsenden Perspektivenlosigkeit in einigen Län­dern. Europa ist heute schon führend in der globalen Entwicklungszusammenarbeit, mehr als die Hälfte der weltweiten Entwicklungszusammenarbeitsgelder kommen aus der Europäischen Union – auch aus unseren finanziellen Mitteln, die wir dort einspei­sen.

In den nächsten Jahren werden wir unseren Beitrag noch weiter erhöhen. Auch Öster­reich wird bis 2010 den Budgetanteil seiner Entwicklungshilfe auf 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens erhöhen. Das ist ein Erfolg, von dem die Bürger auch wis­sen sollen, und unsere Aufgabe ist es, das hin und wieder auch bekannt zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Entscheidungsträger sollten gemein­sam mit der Bevölkerung diese Möglichkeiten noch deutlicher gestalten und die Visio­nen der großen europäischen Vordenker und Staatslenker nach und nach mit Leben erfüllen.

Wir blicken heute auf große politische Errungenschaften zurück, die alle nur realisiert werden konnten, weil es in Europa den gemeinsamen politischen Willen, die Hartnä­ckigkeit und den Optimismus zum Gestalten gegeben hat. Rückschläge wie in der jetzi­gen Phase der europäischen Entwicklung – das sei auch am Vorabend der österreichi­schen europäischen Präsidentschaft gesagt – hat es immer wieder gegeben, aber die Zähigkeit und die Fähigkeit, die Themen anzupacken, führten schließlich immer wieder zum Erfolg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin deshalb überzeugt, dass die nächsten Monate während der österreichischen Vorsitzführung für Europa neue Kräfte freisetzen werden, dass die Phase des Nachdenkens und des Vordenkens gemeinsam mit den Bürgern Europas wichtig, notwendig und gut investiert ist – im Sinne einer ehrlichen und fairen Partnerschaft für ein Miteinander in einem gemeinsamen Europa, für das ein sehr konkretes und gutes Programm der Regierung vorgelegt wurde. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

15.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Ko­necny. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.25.05

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Kneifel für nahezu alles, was er ge­sagt hat, dankbar, weil natürlich eine Debatte dieser Art immer auch eine Auseinander­setzung mit dem Zustand des europäischen Projektes beinhalten muss. Und es ist keine Frage, dass sich die EU hier gewissermaßen in der Defensive befindet. Zu viel ist in den letzten Monaten und dem letzten Jahr schief gegangen – um es einmal so zu formulieren –, zu wenig ist man weitergekommen, und natürlich stellt der faktische Still­stand im Verfassungsprozess den gewichtigsten Faktor dar. Er hat zugleich gezeigt, dass die Europäische Union ihre Legitimation gegenüber dem europäischen Bürger


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 111

neu gewinnen muss. Da und in all dem, was er dazu gesagt hat, gebe ich dem Kolle­gen Kneifel vollinhaltlich Recht.

Die EU muss Antworten auf jene Fragen finden, die sich die Menschen heute stellen – und nicht auf ihre historischen Verdienste verweisen. Die EU ist immer noch ein großes Friedensprojekt, aber die nationalstaatliche Kriegsführung in Europa, so verhängnisvoll sie für diesen Kontinent war, liegt halt wirklich geschichtlich weit zurück und gehört nicht zu den Dingen, vor denen sich die Menschen heute fürchten.

Ich will es aber bei dem nicht bewenden lassen, sondern sehr wohl sowohl auf das Le­gislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und das Jahresprogramm des Rates – ganz kurz – als auch auf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen eingehen. Und ich sage dazu, dass ich das unter anderem deshalb tue, weil genau dort jene Punkte liegen, wo die Europäische Union nicht die richtigen Antworten findet, die die Menschen von der EU erwarten.

Wer sich ansieht, wie jene Stimmen formuliert haben, die das Nein in Holland und in Frankreich befürwortet haben, wer sich die Umfragen anschaut, die nachher gemacht wurden, der wird genau das finden: dass das anspruchsvolle Programm, das sich die EU in Lissabon gegeben hat – Kollege Kneifel hat darauf zu Recht verwiesen –, in der Praxis der Kommission nicht jenes integrierte Programm ist, das Investitionen, Förde­rung von Wissenschaft und Forschung, Ausbau der europäischen Infrastruktur, Erhö­hung der Produktivität in Europa, aber eben auch die soziale Dimension, die soziale Sicherheit für die Menschen in Europa in den Mittelpunkt stellt. Denn es ist klar, die Sozialpolitik, die ist schon Sache der Mitgliedsstaaten, nur: Den Rahmen für die Sozial­politik der EU-Mitgliedstaaten steckt die Kommission mit ab. Wir werden heute bei der Debatte über die Dienstleistungsrichtlinie auf diesen Gesichtspunkt noch mit eingehen müssen.

Wir sind der Meinung, dass die gegenwärtige Kommission nicht nur – das kommt hier sehr klar zum Ausdruck – in ihrem Programm sehr, sehr wenig ambitioniert ist. Lissa­bon hat sehr viel mehr als Horizont angeboten, als jetzt hier nachkommt. Die notwendi­gen EU-weiten Anstrengungen für mehr Wachstum und damit für mehr Beschäftigung, für die Finanzierung der Transeuropäischen Netze, für die Erreichung der Lissabon-Ziele insgesamt werden nicht durch die notwendigen konkreten und effizienten Maß­nahmen angepeilt. Das fehlt in diesem Arbeitsprogramm! Die vagen Absichtserklärun­gen, die wir darin finden, werden nicht dazu beitragen, die Situation zu verbessern.

Wir finden keine Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, das schädliche Steuerdum­ping zwischen den Mitgliedstaaten in den Griff zu bekommen, was ein ganz zentrales Anliegen wäre. – Das ist die eine Seite. Die Europäische Kommission wird hier der Größe der Aufgabe nicht gerecht.

Und wir finden, dass die österreichische Stellungnahme, die Jahresvorschau, diese Kri­tik bedauerlicherweise nicht zum Ausdruck bringt, dass sie diese geringen Ambitionen des europäischen Programms in Wirklichkeit nicht nur hinnimmt, sondern gutheißt. Und es fehlt uns jeder Hinweis darauf, dass in der künftigen oder in der zu formulierenden Haltung Österreichs zur finanziellen Vorausschau 2007 das klare Bekenntnis zur Fi­nanzierung von Zukunftsinvestitionen in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Transeuropäische Netze zum Ausdruck kommen würde – auch wenn das, und ich bekenne mich dazu, zu Lasten jener Mittel der Agrarförderung, die den großen Agro­industrien zukommt, gehen müsste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vertreter der immer noch sehr kleinteiligen österreichischen Landwirtschaft irgendeinen Grund ha­ben, diese Stoßrichtung nicht zu teilen, denn ihnen wird es mit Sicherheit nicht an den Kragen gehen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 112

Es mag Sie überraschen, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten trotz­dem diesem Punkt zustimmen werden. Ich gebe zu, wir haben lange gezögert, aber wir haben gemeint, dass es bei diesem neuen Mittel oder dieser neuen Grundlage der politischen Debatte zunächst einmal darum geht, an ihm uns zu erproben. Wir haben ja schon einige dieser Jahresvorschauen von Bundesministerien behandelt – es werden noch weitere nachkommen –, und wenn wir den Eindruck haben, dass man sich, auch mit Konsequenzen und mit Folgerungen, die wir nicht teilen, in dem betreffenden Minis­terium mit dem Thema auseinander gesetzt hat, dann sollten wir das als Informations­grundlage zur Kenntnis nehmen – nicht weniger, aber bei weitem auch nicht mehr. Ihrem Inhalt nach hätten wir uns eine ganz andere Jahresvorschau gewünscht, aber die Aufgabe, die zu erfüllen war, Herr Staatssekretär, hat das Ministerium erfüllt, und das nehmen wir so zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

15.33


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker das Wort. – Bitte.

 


15.33.48

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Staatssekretäre! Die EU hat vor einiger Zeit eine schmerzliche gemeinsame Erfahrung gemacht, nämlich die negative Bewertung des Verfassungs­entwurfes durch einige Länder, wobei das mit Sicherheit nicht als ein Nein zu Europa zu werten war, sondern als klares Nein für die Regierungen, die de facto keine Antwor­ten auf die Fragen der Globalisierung finden. Dieses Nein ist mit Sicherheit eine Frage der Armut, der Verteilung und auch der Arbeitslosenzahlen.

Nun ist diese Lissabon-Strategie eine sicher höchst ambitionierte, wenn man sich zum Ziel setzt, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“, einem Wirtschaftsraum, „der fähig ist, ein nach­haltiges Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größe­ren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“. Das heißt, diese Strategie hätte de facto drei Säulen, nämlich einerseits natürlich die Wirtschaft, andererseits Soziales und drit­tens die Umwelt.

Zunächst zur Wirtschaft. Wir werden heute noch auf ein Thema zu sprechen kommen, nämlich auf die Dienstleistungsrichtlinie, wo es einerseits um die Frage geht: Wo geht denn die Entwicklung in den Bereichen Soziales, Löhne, Verbraucherschutz, Umwelt und so weiter hin?, und andererseits um eine Bevölkerung, die damit konfrontiert ist, dass es in zunehmendem Ausmaß Arbeitslosigkeit gibt. Auch wenn, wie heute schon gesagt wurde, Österreich in einer eher privilegierteren Situation ist und die Arbeitslosig­keit bei uns nicht so extrem hoch ist wie in anderen Ländern, stellt diese trotzdem ein enormes Problem dar, auch was die gesellschaftliche Teilhabe der Bevölkerung betrifft, aber natürlich auch in Bezug auf die Kaufkraft und die weitere Entwicklung.

Im sozialen Bereich ist die Situation sehr ähnlich und ebenfalls schwierig, denn die Verteilungsfrage wird sich verschärfen, und das jetzt nicht nur global betrachtet und nicht nur auf Entwicklungsländer bezogen, sondern sehr wohl in Europa, und auch Ös­terreich muss da angesprochen werden. Immerhin hat in den letzten zwanzig Jahren die Lohnquote abgenommen, was doch auch ein entsprechendes Signal ist.

Wenn es darum geht, Europa ökologisch zu gestalten, so gibt es einiges, was in die­sem Bericht ausständig ist, was aber eine große Herausforderung an ein ökologisches, soziales und nachhaltiges Europa darstellt. Das steht unserer Meinung nach zu wenig im Mittelpunkt, zu wenig im Vordergrund, wenn es auch die richtigen Anregungen oder Ansätze gibt: eben die Stärkung des Arbeitsmarktes, die Forcierung von Forschung und Entwicklung, die Forcierung von Innovation.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 113

Auch wenn, wie Kollege Kneifel gesagt hat, die Arbeitsmarktpolitik kein europäisches Thema ist, sondern ein nationalstaatliches, so ist es doch die europäische Ebene, die die Kriterien definiert. Es gibt den Stabilitätspakt, an den sich die an der Europäischen Union teilnehmenden Länder zu halten haben. Aber genau dieser Stabilitätspakt re­duziert auch die Handlungsspielräume der Nationen. Das ist Faktum, und mit den negativen Auswirkungen haben wir alle zu kämpfen. Und daher geht es sehr wohl auch darum, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu modifizieren und neben diesem strikten Kriterium auch andere Kriterien mit einfließen zu lassen. Ansonsten wird es schwierig sein, die Binnennachfrage anzukurbeln, die Kaufkraft zu stärken, aber genauso die Mittel für Bildung, Infrastruktur, Forschung und so weiter zu haben. Das sind alles Be­reiche, die de facto unterbewertet sind.

Und wenn, wie du, Kollege Kneifel, gesagt hast, die Wissenschafter nach Amerika ge­hen, dann hat das einen Grund – du kannst ihn bei Kollegen und Kolleginnen an unse­rer Johannes-Kepler-Universität erfragen –: Die Bedingungen sind zunehmend schwie­rig geworden, nicht zuletzt in den letzten fünf Jahren, und sie sind schlechter gewor­den. (Bundesrat Kneifel: Manche kommen schon wieder zurück!) Dann können wir nur hoffen, dass sie auch bleiben. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie sind schon da!)

In diesem Sinne: Es fehlt einiges. Es ist ein weiterer Schritt. Aber für ein ökologisches, ein soziales, ein ökonomisch nachhaltiges Europa werden wir Grüne den Bericht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

15.39


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Finz.

 


15.39.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich verstehe die Kritik von Frau Bundesrätin Lichten­ecker nicht ganz. Sie hat gemeint, der Stabilitätspakt sei zu eng. – Aber gerade diesbe­züglich ist es doch jetzt zu einer Neuerung gekommen!

Was sieht der Stabilitätspakt in seiner neuen Form vor? – Er sieht eine verstärkte sym­metrische Anwendung der Fiskalregeln vor. Das heißt, in guten Jahren soll man mehr für den Haushalt machen, damit man mehr Mittel für die schlechten Jahre zur Verfü­gung hat. Und jetzt sieht der Stabilitätspakt für die schlechten Jahre vor, dass nicht mehr starr die 3-Prozent-Regel gilt, sondern es können gewisse Ausnahmen für einen längeren Zeitraum zur Konsolidierung eingeräumt werden.

Und wenn diese 3 Prozent überschritten werden, dann wird untersucht: Für welche Zwecke werden diese höheren Ausgaben verwendet? Sind diese Mittel zum Beispiel für Investitionen in Bildung und Forschung, sind sie für eine Pensionsreform vorgese­hen, dann wird das für einen längeren Zeitraum angewendet. Also genau das, was Sie jetzt fordern, sieht der neue Stabilitätspakt vor.

Nur eines muss auch sicher sein: Wenn ich einen Binnenmarkt mit einer gemeinsa­men Währung habe, so muss es eine gleich laufende, koordinierte Finanzpolitik geben, denn es kann nicht sein, dass sich ein Land – ich möchte jetzt keines nennen, aber ich schaue in den Süden – um Budgetdefizite überhaupt nicht kümmert, seinen Finanzen einfach freien Lauf lässt und die anderen das dann einsparen müssen, weil die Ge­samtbewertung bei der Aufnahme von Finanzschulden immer vom schwächsten Glied abhängig ist. Wir müssen dann für aufgenommene Kredite höhere Zinsen zahlen, weil sich ein Land überhaupt nicht an die Defizitregeln hält.

Also zu glauben, dass man sich in der Europäischen Union nicht an Finanzregeln hal­ten muss, das geht nicht. Was jetzt vorgesehen ist, sind flexiblere Regelungen, und wir werden in unserer Präsidentschaft zum ersten Mal die Möglichkeit haben, das auch


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 114

wirklich zu kontrollieren und zu sehen, ob diese neuen Regeln auch wirklich funktionie­ren. Also in dem Sinne halte ich das für gut.

Herr Professor Konečny! Wir haben zwar nicht hineingeschrieben, dass wir mehr für Bildung, Forschung und Infrastruktur wollen, aber wir vertreten schon die gesamte Zeit im ECOFIN, in dem Rat der Finanzminister, die Auffassung, dass selbst bei Einhaltung einer Grenze von 1 Prozent des europäischen Bruttosozialproduktes eine Umschich­tung der Ausgaben möglich ist und mehr für derartige Projekte, Forschungsprojekte, Interreg-Projekte, TEN-Projekte und dergleichen mehr ausgegeben werden kann. Das wäre nämlich dann möglich, wenn nach unseren Vorschlägen alle alten Mitgliedslän­der, die Nettoempfänger sind, ihre Rolle als Nettoempfänger aufgeben würden – das betrifft insbesondere Großbritannien mit seinem Britenrabatt – und diese Mittel für die neuen Mitgliedsländer zur Verfügung stellen würden. Dann wären diese Mittel frei, und man braucht nicht im Bereich der Landwirtschaft irgendetwas wegzunehmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegen­ständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

15.43.2112. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1000 d.B. und 1102 d.B. sowie 7383/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird (GGBG-No­velle 2005) (1060 d.B. und 1106 d.B. sowie 7384/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 12 und 13, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich bitte sie um die Berichte.

 


15.43.49

Berichterstatterin Christine Fröhlich: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssek­retär! Hohes Haus! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Techno­logie über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (26. KFG-Novelle), die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 11. Oktober 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 115

Auch der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gefahrgutbeförderungsgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 11. Oktober 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


15.45.37

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Erhöhung der Sicherheit aller Teilnehmer am Straßenverkehr ist und muss ein vorrangiges Ziel unserer Verkehrspolitik sein und natürlich auch bleiben. Wenn man bedenkt, dass in Österreich jährlich zirka 800 und in ganz Europa zirka 62 000 Menschen bei Verkehrsunfällen ihr Leben verlieren: Es ist jeder Einzelne zu viel, und für die Verantwortlichen besteht entsprechender Handlungs­bedarf.

Sehen und gesehen werden ist im Straßenverkehr enorm wichtig. Ob Licht auch am Tag tatsächlich einen Schritt in Richtung mehr Verkehrssicherheit bedeutet, wage ich nach Gesprächen mit mehreren Experten und auf Grund eigener Wahrnehmungen zu bezweifeln. Vielmehr sollte das Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer geschult werden, auf geänderte Bedingungen rasch zu reagieren. Ich persönlich bezweifle, dass an Ta­gen mit guter Sicht ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Abblendlicht einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Verkehrssicherheit leistet.

Wir Sozialdemokraten haben aber kein Problem damit, nach zwei Jahren noch einmal über Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme zu reden. Angestrebt werden soll unserer Meinung nach eine europäische Lösung, die sich mit dem Problem der Lichtstärke so­wie mit den dadurch entstehenden Kosten auseinander setzt.

Diese Kraftfahrgesetz-Novelle beinhaltet noch eine Reihe von Maßnahmen, wie etwa die Schaffung einer Genehmigungsdatenbank, verbesserte Sicherheitsbedingungen bei Sonderfahrzeugen, verbesserte Umweltvorschriften bei Sonderfahrzeugen sowie erhöhte Strafrahmen bei Verletzung der Helmpflicht – Punkte, denen wir ohne weiteres zustimmen können, Punkte, die wir absolut befürworten.

Nicht zustimmen können wir aber einer generellen Anhebung des Gewichtslimits bei Lkws von 38 Tonnen auf 40 Tonnen. Unverständlich für uns Sozialdemokraten auch im Zusammenhang mit Verkehrssicherheit ist die Aufrechterhaltung der bestehenden Zählregel für Schülertransporte in Omnibussen, wonach drei unter 14-jährige Kinder als zwei Erwachsene zählen und unter 6-jährige Kinder überhaupt nicht zählen. Hier spart die Bundesregierung auf Kosten der Sicherheit.

Tatsache ist, dass es durch diese Novelle zum Kraftfahrgesetz keine zusätzliche Si­cherheit für Kinder und Schüler gibt, obwohl europaweit bereits ein 1:1-Verhältnis fest­gelegt wurde.

Keine Berücksichtigung, meine Damen und Herren, im Gesetz fand die Untersuchung von ÖAMTC und ARBÖ, wonach 10 Prozent aller PKWs bei der Erstüberprüfung nach drei Jahren bereits schwere Mängel aufweisen: im Bereich Abgasverhalten und im Be­reich Verkehrssicherheit – ein Faktum, das, wenn man die Verkehrssicherheit ernst nimmt, nicht unbeachtet bleiben darf.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 116

Ein weiterer Punkt, warum wir Sozialdemokraten dieser Novelle unsere Zustimmung nicht geben, ist Ihre Haltung zu einer längst fälligen Entbürokratisierung und damit ver­bundenen Kostenersparnis für Motorradzubehör, Motorradzubehör, das in keinem Zu­sammenhang mit der Verkehrssicherheit steht. Warum Sie einer Auszeichnung lärm­armer Reifen, die bis zu drei bis vier Dezibel Lärmersparnis bringen, sowie einer ge­wünschten Initiative, die den Verkehrsminister auffordert, an die Fahrzeugindustrie mit dem Wunsch heranzutreten, Neufahrzeuge mit lärmarmen Reifen auszustatten, nicht zustimmen, ist für uns Sozialdemokraten nicht nachvollziehbar. Daher ein deutliches Nein zu dieser Novelle des Kraftfahrgesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht in dieser Debatte aber auch um den Tagesordnungspunkt 13. Ich finde, es ist fast eine Ironie – oder ist es ein Zufall? –, wenn es beim Tagesordnungspunkt 12 unter anderem um die Erhöhung der Verkehrs­sicherheit im Straßenverkehr geht und Sie unter Tagesordnungspunkt 13, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, genau das Gegenteil machen.

Es ist unbestritten, dass die Umsetzung von internationalen Vorschriften notwendig ist. Gleichzeitig hat diese Bundesregierung aber eine Reihe von Änderungen in den Gesetzentwurf eingearbeitet, die nationaler Regierungskompetenz unterliegen. Diese Kompetenzen sind in unseren Augen nicht nur problematisch, sondern gefährden in Zukunft die Sicherheit auf unseren Straßen und in deren näherer Umgebung.

Diese Novelle zum Gefahrgutbeförderungsgesetz stellt eine Aufweichung bestehender Sicherheitsstandards dar und ist daher absolut kontraproduktiv. Gleichzeitig ist sie ein Kniefall vor der Frächterlobby. Diese Scheinliberalisierung ist natürlich ganz im Sinne der Frächter. Nachteile, welche die Arbeitnehmer in der Branche durch höhere Haftun­gen treffen, sind Ihnen, meine Damen und Herren, und dieser Bundesregierung an­scheinend egal.

Sie beschließen heute keine ungebührlich langen Transportunterbrechungen bei Kon­trollen. Sie beschließen, dass trotz des Vorhandenseins von Mängeln weitergefahren werden darf. Sie stehen für die Einführung eines Strafzettels, das bedeutet eine Herab­setzung der Geldstrafen. Sie stehen dafür, dass der Zulassungsbesitzer straffrei bleibt und die volle Härte des Gesetzes den Lenker trifft. Dieses Gesetz untergräbt nach­haltig bisher geltende Sicherheitsmaßnahmen des österreichischen Gefahrengutrechts. Es werden in Zukunft mehr „rollende Bomben“ in Österreich unterwegs sein. Wenn diese „rollenden Bomben“ in Unfälle verwickelt werden, sind nicht nur viele Verkehrs­teilnehmer gefährdet, sondern auch weite Teile unserer Bevölkerung im Bereich des Unfallgeschehens. Dieses Gesetz ist genau das Gegenteil von dem, was wir wollen: Wir wollen sichere Gefahrenguttransporte und keine „rollenden Bomben“. Daher müs­sen wir auch dieses Gesetz ablehnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.52


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogens­perger zu Wort.

 


15.52.49

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Mit der 26. Novelle zum Kraftfahrgesetz soll es durch die Einführung einer Genehmigungsdatenbank, in der die fahrzeugspezifi­schen Daten gespeichert werden, zu einer Erleichterung bei den Direktimporten kom­men. Weiters werden auch die Bestimmungen über die Verwendung von Sicherheits­gurten und den Gebrauch von Sturzhelmen in das Kraftfahrgesetz eingebaut.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 117

Zu der Erweiterung auf die 40 Tonnen hat uns im Ausschuss der zuständige Beamte des Ministeriums schon erklärt, dass es schon mit vielen Ländern Verträge gibt, die es erlauben, dass sie mit 40 Tonnen bei uns durchfahren dürfen.

Zum Thema Fahren mit Licht am Tag. – Wie Sie schon gesagt haben, Herr Kollege Gruber, geht es um die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen. Fahren mit Licht am Tag bringt eine Reduktion der Unfallzahlen und eine Reduktion der Zahl der Unfalltoten auf den Straßen im Ausmaß von bis zu 30 Personen, wie das aus den Expertenhea­rings hervorgegangen ist. Es gibt überall ein Für und Wider, so auch beim Fahren mit Licht am Tag, aber es war die einstimmige Meinung beziehungsweise belegen alle Stu­dien, dass das Fahren mit Licht am Tag keine Verschlechterung, aber sicher eine Ver­besserung bezüglich der Unfallzahlen bringt. Kann man nur einen einzigen Unfalltoten damit vermeiden, so lohnt sich diese Maßnahme bereits; das ist meine Meinung. (Bun­desrat Gruber: Es geht ja auch um die Bestrafung!) Daher verstehe ich nicht, warum nicht alle Fraktionen dafür sind.

Außerdem sagt die Statistik, dass bei uns bereits 50 Prozent mit Licht am Tag fahren. Der Mehrverbrauch an Treibstoff durch diese Maßnahme ist sehr gering und daher meiner Meinung nach kein Argument, um diese Novelle abzulehnen. Eine Berechnung sagt, dass 0,1 Liter pro 100 Kilometer mehr verbraucht werden. Das wären bei durch­schnittlich 10 000 Kilometern pro Jahr zirka 10 Liter Mehrverbrauch von Treibstoff. (Bundesrat Gruber: Bei einigen Millionen Autos!)

Mit dieser Novelle wird ein erster Schritt bei der so genannten Zählregel, die von Ihnen bereits angesprochen wurde, gesetzt: Bei der Beförderung von Kindern im Gelegen­heitsverkehr, zum Beispiel Schulausfahrten, Theater- und Skikursfahrten et cetera, wird von „drei zu zwei“ auf „eins zu eins“ umgestellt.

Im Bereich der täglichen Großbusfahrten von der Schule zum Wohnort ist es derzeit noch nicht möglich, das „eins zu eins“ umzusetzen, da in den Spitzenzeiten – also in der Früh, wenn die Kinder in die Schule geführt werden, das ist ein ziemlich enger Zeit­raum, und genauso wieder bei der Nachhausefahrt – derzeit, wie die Berechnungen sagen, zusätzlich 200 Busse benötigt würden. Die Unfallstatistiken sagen aber, dass es bei den Großbussen sehr wenig Unfälle gibt. Anders ist es bei den Kleinbussen; da ist die Unfallhäufigkeit höher.

Weiters wird mit dieser Novelle die Grundlage für eine so genannte duale Führer­scheinausbildung geschaffen.

Meine Fraktion wird diesem Gesetzesantrag selbstverständlich zustimmen, da es um die Sicherheit auf unseren Straßen geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 


15.56.08

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir werden diesen beiden Gesetzen nicht zustimmen. Herr Kollege Gruber hat schon einiges vorweggenommen, was die KFG-Novelle be­trifft. Wobei: „Licht am Tag“ ist etwas, was ich an und für sich schon sehr positiv sehe, und ich denke, dass da die Vorteile überwiegen. Ich hoffe, dass die Evaluierung dann auch wirklich stattfindet und das Ergebnis „Licht am Tag“ bestärken wird.

Was mich daran hindert, der KFG-Novelle zuzustimmen, ist eindeutig die Regelung für die Schulbusse. Meine Kinder fahren mit Schulbussen. Ich selbst bin auch jahrelang mit Schulbussen gefahren, und ich weiß, wie es da zugeht. 200 Busse mehr – ja, das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 118

ist eine relative Zahl, aber ich denke, die Sicherheit unserer Kinder sollte das schon wert sein.

Ein weiterer Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist die Erhöhung der Strafrahmen. Seit 50 Jahren sind sie unverändert, und jetzt werden sie angehoben, wobei zu sagen ist: Seit 1958 ist der Verbraucherpreisindex um 506 Prozent gestiegen, das heißt, die Strafrahmen sind jetzt im Wert um ein Viertel geringer gegenüber damals. Ich hoffe, dass sich das zukünftig öfter jemand anschaut und die Strafrahmen angepasst werden, denn diese Strafen sollen ja auch Sinn machen.

Der zweite Punkt: das Gefahrgutbeförderungsgesetz. Ich denke, dass die Sicherheit gerade in diesem Bereich allen von uns wichtig ist. Für uns gibt es einige Punkte, die in der Umsetzung bedenklich erscheint. Das Erste ist die eher moderate Erhöhung der Strafsätze für schwere Vergehen. Dem gegenüber steht eine Senkung der Strafsätze für mittlere und leichte Vergehen: Bei insgesamt 19 Vergehen ist der Strafrahmen ge­senkt worden.

Ich bin der Meinung, dass gerade im Transportgewerbe ein derartiger Konkurrenz­kampf droht oder bereits stattfindet, dass die Strafen schon ein Ausmaß haben sollten, bei dem man das Gefühl hat: Ja, es zahlt sich aus, sich an die Regeln zu halten. Wenn ich erwischt und bestraft werde, dann kostet mich das mehr, als wenn ich die Regeln nicht einhalte.

Ein weiterer Punkt: Einige Pflichten, die bisher dem Zulassungsbesitzer zugeordnet worden sind, werden künftig dem Beförderer auferlegt. In Zeiten von Scheinselbstän­digkeit und Frächterskandalen habe ich da schon ein bissel Bedenken, dass da irgend­wann einmal doch der Lenker zum Handkuss kommt. Ich denke, der Lenker ist in die­sem Fall das schwächste Glied in der Kette. Er kann sich schwer dagegen wehren, wenn ihm sein Chef sagt: Du fährst jetzt 24 Stunden durch und nicht 8 Stunden!

Der letzte Punkt: Je mehr kontrolliert wird, desto effizienter ist das ganze Gesetz. Si­cherheitsvorkehrungen werden in erster Linie dann eingehalten werden, wenn regel­mäßig kontrolliert wird. Besonders wichtig ist uns das bei den Gefahrenguttransporten.

Es gibt eine AK-Studie, die sich damit beschäftigt, wie die ökonomischen Aspekte und Auswirkungen auf den Wettbewerb ausschauen. Ich zitiere: In der AK-Studie über Transportpreise und Transportkosten zeigt der Autor Max Herry auf, dass ohne illegale Praktiken die Preise im LKW-Verkehr mindestens 50 Prozent höher sein müssten.

Im Straßengütertransport sparen Unternehmen durch die Nichteinhaltung der gesetz­lichen Vorschriften im Arbeitsrecht und Verkehrsrecht einen wesentlichen Anteil der Kosten. Die Preise müssten entsprechend höher sein, würden die Gesetze zumindest annähernd eingehalten. – Zitatende.

Ich meine, dieser Punkt ist bedenklich. Ich glaube, das Einzige, das man in dieser Hin­sicht machen kann, soll und muss, sind strenge und scharfe Kontrollen. An den Kon­trollen ändert sich durch diese Gesetzesänderung aber jetzt leider überhaupt nichts. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.00


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Weil­harter das Wort.

 


16.00.32

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte 12 und 13 zielen, so glaube ich, in Summe darauf ab, die Verkehrssicherheit anzuheben. Beim Tages­ordnungspunkt 12 ist das Fahren mit Licht am Tag das Hauptthema. Dabei geht es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 119

nicht um das Sehen, sondern, wie ich meine, um das Gesehen-Werden. Es ist dies eine Maßnahme, die Schwächsten im Straßenverkehr zu schützen, indem sie ein Ge­fahrenpotential eventuell viel früher erkennen können.

Beim Tagesordnungspunkt 12 handelt es sich um eine Umsetzung einer europäischen Richtlinie. Hiezu kann man auch bemerken, dass wahrscheinlich eine nationale Rege­lung effizienter wäre, aber man muss eben auch zur Kenntnis nehmen, dass euro­päische Normen den nationalen Normen übergeordnet sind.

Werte Damen und Herren! Herr Präsident! Erlauben Sie mir, im Zusammenhang mit diesen Gedanken eine persönlichen Feststellung zu machen und zu meinem persön­lichen Empfinden zu kommen. Ich habe gesagt, dass übergeordnete Normen unterge­ordnete Normen nicht in dem Ausmaß berücksichtigen, wie wir es gerne hätten. Da ich heute das letzte Mal an diesem Rednerpult stehe, gestatten Sie mir dazu eine persön­liche Bemerkung.

Es gibt innerhalb der Europäischen Union noch viel zu tun, aber es gilt vor allem, dar­auf zu achten, dass europäische Richtlinien die nationalstaatlichen Normen und Richt­linien nicht aushebeln.

Bei diesen Gedanken, meine Damen und Herren, komme ich auch zu einer nationalen Frage. Dieselbe Sorge erfüllt mich nämlich, wenn Repräsentanten aus der Politik und aus dem öffentlichen Leben die Abschaffung der Länderkammer fordern. Auch da würde ich um mehr Sensibilität bitten, denn mit der ersatzlosen Abschaffung des Bun­desrates würde auch eine der tragenden Säulen unserer Verfassung abgeschafft.

Ich darf daher den Wunsch und die Bitte äußern, Herr Präsident: Meine Damen und Herren! Lassen Sie es dann, wenn der Bundesrat reformiert werden sollte, bitte nicht zu, dass ohne Ihre Mitsprache, dass ohne Ihre Mitgestaltung eine Reform stattfindet, weil eine Reform keine Reform ist, wenn sie lediglich darauf abzielt, die andere Ebene, die andere Instanz abzuschaffen!

Ich sage daher abschließend ein Glückauf dem Bundesrat. Alles Gute der Länderkam­mer! Es lebe auch weiterhin der Föderalismus als eine der tragenden Säulen unseres Staatsganzen, unserer Republik. Glück auf! Alles Gute! (Anhaltender allgemeiner Bei­fall. – Vizepräsidentin Haselbach, Bundesrat Konečny und Bundesrat Bieringer schütteln Bundesrat Weilharter die Hand.)

16.04


Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Kollege Weilharter! Der Beifall, die Worte und der Händedruck der Fraktionsvorsitzenden haben gezeigt, dass wir Ihre Mitarbeit hier sehr geschätzt haben. Sie waren auch als Ordner der freiheitlichen Bundesratsfraktion ein verlässlicher Partner in einer guten Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen und dem Präsidium. Dafür sagen wir Ihnen herzlichen Dank. Unsere guten Wünsche be­gleiten Sie weiterhin. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Mag. Kukacka. – Bitte.

 


16.04.59

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Helmut Kukacka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon ein wenig verwundert, dass ich gerade zum Kraftfahrgesetz so viele kritische Worte gehört habe, auch zum Thema Fahren mit Licht am Tag. Ich möchte doch dar­auf hinweisen, dass im Nationalrat genau dieser Passus einstimmig beschlossen wurde und alle Fraktionen der Meinung waren, dass das eine sinnvolle und notwendige Einführung ist. Ich hoffe doch, dass diese Meinung auch hier vom Bundesrat geteilt wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 120

Ich verweise auch darauf, dass ich mit einigen anderen Punkten, die hier kritisiert wor­den sind, nicht übereinstimme. Ich glaube, Sie sollten erkennen, dass es doch einen deutlichen Fortschritt gibt, was zum Beispiel erstens das Thema Änderung der Zähl­regel betrifft. Ja, es ist richtig, sie gilt noch nicht, auch nicht im Linienverkehr bei Groß­bussen, und zwar diese 1:1-Zählregel. Das ist vollkommen richtig. Aber wir machen einen weiteren Schritt in diese Richtung. Beim Gelegenheitsverkehr, der ja zum Groß­teil von privaten Unternehmen bedient wird, und vor allem auch bei den Kleinbussen, die im Schülertransport eingesetzt werden, gibt es diese Zählregel schon. Dort haben wir sie schon eingeführt. Nur bei den großen öffentlichen Bussen, zum Beispiel beim Postbus und beim Bahnbus, die in erster Linie für den Schülerverkehr herangezogen werden, gilt diese Regel noch nicht – eben nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für diese Unternehmen.

Das heißt, wir üben hier entsprechende Nachsicht, wir geben diesen Busunternehmen quasi noch einmal einen gewissen Zeitraum, sich darauf einzustellen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir bei einer der nächsten Novellierungen des KFG auch dieses Thema endgültig so regeln werden, dass dann auch bei Post- und Bahnbus diese Zähl­regel entsprechend umgesetzt und auch für sie eine 1:1-Regelung eingeführt wird. (Bundesrat Stadler: Dann dürfen Sie den nicht verkaufen! Sonst gibt es keinen Post- und Bahnbus! Dann ist es zu spät!)

Ich verstehe das nicht. Ich sage Ihnen nur, das geschieht nicht zuletzt aus Rücksicht auf diese Unternehmen, denn sie befinden sich in einem schwierigen Sanierungspro­zess. Der Bahnbus wird bedauerlicherweise auch heuer wieder einen sehr hohen Ver­lust ausweisen. Er kann es sich gar nicht leisten, diese umfangreichen Neuinves­titionen durchzuführen, die eigentlich notwendig wären, wenn man dieses Gesetz ent­sprechend umsetzt. Es müssten dann mehr Busse zu den Spitzenzeiten, wenn Schüler transportiert werden, eingesetzt werden. Weil sich Bahn- und Postbus in einem Sanie­rungsprozess befinden – sie haben immer hohe Verluste gemacht; der Bahnbus macht diese hohen Verluste noch heute –, nehmen wir Rücksicht darauf und sagen: Okay, lieber Bahnbus, lieber Postbus, du musst wissen, auch in diesem Bereich hast du Nachholbedarf. Bei der nächsten Novelle des KFG werden wir diesbezüglich keine Rücksicht mehr nehmen können!

Zweitens: Auch das, was Sie zum Gefahrgutbeförderungsgesetz gesagt haben, ist na­türlich nicht richtig, denn es wäre falsch, dieses Gesetz heute nicht zu beschließen, weil wir ja in erster Linie internationales Gefahrengutrecht nachvollziehen. Das heißt, es kommt zu einer Anpassung, zu einer Modernisierung und auch zu einer strengeren Auslegung und Umsetzung der Gefahrgutbeförderung. Wir erzielen einen deutlichen Sicherheitsgewinn, wenn wir dieses Gesetz beschließen. Deshalb halte ich diese Kritik, wie sie hier angeführt wurde, für wirklich ungerechtfertigt.

Zum dritten Punkt: Fahren mit Licht am Tag. Ja, meine Damen und Herren, wir wissen, dass die Experten in dieser Frage nicht einig waren. Auch ich persönlich war in all den Jahren immer skeptisch gegenüber dem Fahren mit Licht am Tag. Aber es bringt auch einige gesicherte Vorteile. Licht am Tag wird sicherlich die Situation im Winterhalbjahr verbessern – keine Frage, das ist unbestritten –, wahrscheinlich auch außerhalb von Ortschaften.

Und deshalb sagen wir: im Zweifelsfall für mehr Verkehrssicherheit und deswegen für Fahren mit Licht am Tag. Wir sagen aber gleichzeitig: Wir tun das nicht einfach, ohne uns auch Gedanken darüber zu machen, ob diese Einführung tatsächlich etwas bringt. Wir werden erstens auf europäischer Ebene dafür kämpfen, dass während unserer EU-Präsidentschaft das Tagfahrlicht europaweit eingeführt wird. Der Herr Verkehrsminister und Vizekanzler hat das zu einem Schwerpunktthema der österreichischen Präsident­schaft beim Thema Verkehrssicherheit gemacht. Und darüber hinaus werden wir eine


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 121

zweijährige Evaluierungsphase durchführen, wobei es darum geht, genau zu überprü­fen, welche Auswirkungen nun Licht am Tag hat – ob das Vorteile bringt oder ob allen­falls etwa einspurige Fahrzeuge dadurch benachteiligt werden. Das werden wir alles genau evaluieren. Nach zwei Jahren werden wir einen Bericht vorlegen und dann end­gültig entscheiden, welche Konsequenzen wir daraus ziehen – ob dieses Projekt fort­geführt wird oder ob allenfalls Ergänzungen notwendig sind. (Bundesrat Gruber: Herr Staatssekretär! Muss es gleich strafbar sein?)

Alles in allem, glaube ich, ist dieser Tag ein guter Tag für mehr Verkehrssicherheit. Sie sollten sich eigentlich vollinhaltlich dazu bekennen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 sowie die 3. und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Sep­tember 2005 betreffend eine Gefahrgutbeförderungsgesetz-Novelle 2005.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzei­chen. – Das ist wiederum Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16.13.1014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und Vertrag der Internationalen Fernmelde­union, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Kyoto 1994) und durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten (Minnea­polis 1998); Urkunde zur Änderung der Satzung und des Vertrags der Interna­tionalen Fernmeldeunion (Marrakesch 2002) samt Erklärungen und Vorbehalten (1001 d.B. und 1107 d.B. sowie 7385/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. – Ich bitte ihn um den Bericht.

 


16.13.54

Berichterstatter Ewald Lindinger: Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, In­novation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend Satzung der Internationalen Fernmeldeunion und Vertrag der Interna­tionalen Fernmeldeunion, Genf 1992, geändert durch die Konferenz der Regierungsbe­vollmächtigten (Kyoto 1994) und durch die Konferenz der Regierungsbevollmächtigten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 122

(Minneapolis 1998); Urkunde zur Änderung der Satzung und des Vertrags der Interna­tionalen Fernmeldeunion (Marrakesch 2002) samt Erklärungen und Vorbehalten.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme zum Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 11. Oktober 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

16.15.0815. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes errichtet wird (Unfall­untersuchungsgesetz) und das Luftfahrtgesetz, das Eisenbahngesetz 1957, das Schiffahrtsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden (681 d.B. und 1108 d.B. sowie 7386/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist wieder Herr Bundesrat Lindinger. Ich bitte ihn um den Bericht. (Vize­präsidentin Haselbach übernimmt wieder den Vorsitz.)

 


16.15.33

Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Sep­tember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes errichtet wird (Unfalluntersuchungsgesetz) und das Luftfahrtgesetz, das Eisen­bahngesetz 1957, das Schiffahrtsgesetz und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wer­den.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme zum Antrag:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 11. Oktober 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


16.16.27

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Unfalluntersuchungsgesetz regelt die Handhabung bei „Vorfällen“, wie es im Gesetzestext heißt, in den Bereichen Luftfahrt, Schiene, Schifffahrt und Seilbahnen.

Dabei handelt es sich um Unfälle, die Gott sei Dank nicht alltäglich, aber von großer Tragweite sind, häufig auch Situationen betreffen, die einzigartig sind – etwa eine be­stimmte Seilbahnkonstruktion oder ein bestimmtes Luftfahrzeug –, wo man also auch


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 123

international gesehen, ganz zu schweigen von Österreich, noch keine ausreichenden Erfahrungswerte hat, welche Lehren man aus solchen Unfällen zur Vermeidung künfti­ger Unfälle ziehen soll. Daher ist es angesichts dieser Fallzahlen und der damit ver­bundenen fachlichen Spezialisierung zweckmäßig, eine einheitliche Stelle einzurichten, die diese Unfälle untersucht und die auch die insbesondere in diesem Bereich notwen­dige Koordinierung mit den Einrichtungen der Europäischen Union und den anderen Mitgliedstaaten wahrnimmt.

Der Gesetzesbeschluss ist also in dieser Hinsicht wohl vollinhaltlich zu unterstützen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es im Begutachtungsverfahren zu wesentlichen Änderungen in einem Bereich gekommen ist, der die Interessen der Länder stark be­troffen hätte, und zwar ging es darum, dass ursprünglich auch Straßenverkehrsunfälle von dieser Verkehrssicherheitsbehörde, wie sie damals vorgesehen war, zu untersu­chen gewesen wären. Das sind Unfälle, die leider täglich vorkommen, häufig bestimm­ten Ereignismustern folgen, und wo es geboten ist, rasch an Ort und Stelle zu sein. Da sind in der Regel die dezentral tätigen Organe der Straßenverkehrsbehörde, die Polizei und so weiter zuständig.

Befürchtet wurde wohl zu Recht, dass es durch gleichzeitiges Tätigwerden einer zent­ralen Verkehrssicherheitsbehörde zu nicht notwendigen, ja sogar sehr hinderlichen Doppelgleisigkeiten gekommen wäre, dass man sich womöglich bei der Untersuchung des Unfalles behindert hätte, weil der eine auf den anderen warten muss und derglei­chen mehr.

Man hat diesen Einwänden des Begutachtungsverfahrens Rechnung getragen: Das, was jetzt als Regierungsvorlage und dann auch als Gesetzesbeschluss des Nationalra­tes auf dem Tisch liegt, trägt den seinerzeit vorgebrachten Einwänden der Länder aus ihrer Vollziehungserfahrung heraus und im Interesse einer praktischen Handhabung Rechnung. Es gibt daher aus meiner Sicht für die Länder überhaupt keinen Grund, diesem Gesetz jetzt noch ablehnend gegenüberzustehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.19


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lueger. – Bitte.

 


16.20.00

Bundesrätin Angela Lueger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf – wir haben es ja bereits gehört – soll diese Unfalluntersu­chungsstelle als Teil des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie geschaffen werden. Einerseits soll sie dazu dienen, eine entsprechende Richtlinie der EU umzusetzen, andererseits soll die Verkehrssicherheit erhöht werden.

Ausgangspunkt war das Bestreben, speziell die Vorfälle im gesamten Verkehrs­wesen – und das sind die Bereiche Luftfahrt, Schiene, Wasser und letztendlich auch Straße und Seilbahn, wie schon angesprochen – zu untersuchen. Verkehrsunfälle und schwere Störungen in allen Bereichen des Verkehrsgeschehens stellen, abgesehen vom menschlichen Leid jedes einzelnen Unfalls, eine wichtige Quelle der Erkenntnis für zukünftige und mögliche Verhütung dieser Vorfälle dar. Somit ergibt sich eine ein­deutige Verbesserung für die Verkehrssicherheit.

Bei den derzeitigen Auswertungen der Unfalluntersuchungen hat man einerseits immer nur das Ziel der Frage des Verschuldens und der Haftung verfolgt. Mit den Ermittlun­gen, die diese Behörde jetzt durchführen soll, sollen Untersuchungen zur Erforschung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 124

der Ursachen von Unfällen und Beinahe-Unfällen beziehungsweise von Störungen im Verkehrsgeschehen erfolgen.

Die Unfalluntersuchungsstelle hat daher primär die Aufgabe der Unfallforschung und der Unfallprävention. Genaue technische Untersuchungen sollen die optimale Ursa­chenerforschung ermöglichen und vergleichbare Vorfälle verhindern. Die Ziele dieser Stelle sind genau definiert: die Sammlung und Auswertung von Informationen, die Erar­beitung von Schlussfolgerungen sowie die Feststellung der Ursachen und letztendlich die Erstellung von Sicherheitsempfehlungen. Diese sollen zusammengefasst einmal jährlich dem Herrn Bundesminister und letztendlich auch dem Nationalrat vorgelegt werden.

Da die zu errichtende Untersuchungsstelle weisungsfrei ist, bedarf es auch einer Ver­fassungsbestimmung. Auf Grund der Abklärung unserer Bedenken, die wir in den Aus­schüssen eingebracht haben, nämlich dass es zu keinen parallelen Erhebungen und Untersuchungen kommt, werden wir diesem Entwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

16.22


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

16.23.1916. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halbleiterschutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (994 d.B. und 1077 d.B. sowie 7387/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nun kommen wir zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Professor Dr. Böhm übernommen. Ich bitte um den Be­richt.

 


16.23.41

Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich erstatte Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Septem­ber 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Verbandsverantwortlichkeitsgesetz erlassen wird und mit dem das Mediengesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Ver­braucherschutzgesetz, das Patentgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Halb­leiterschutzgesetz, das Musterschutzgesetz 1990 und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 125

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Fassung vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herzlichen Dank für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Ich bitte den ersten Redner, Herrn Bundesrat Kraml, das Wort zu ergreifen.

 


16.24.52

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit „Zahlen statt sitzen“ hat der „Standard“ seinen Bericht über das neue Unternehmens­strafrecht übertitelt. Konkret geht es dabei um das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, das künftig die Strafverfolgung der Unternehmungen regeln soll. Das vorliegende Ge­setz betrifft Aktiengesellschaften, GmbHs, Personengesellschaften sowie Verbände und gemeinnützige Vereinigungen.

Eine Katastrophe wie zum Beispiel Kaprun hätte mit dem neuen Gesetz zumindest schon ein bisschen anders abgehandelt werden können. Es ist für die Hinterbliebenen einer solchen Katastrophe nicht einzusehen, wenn man zwar weiß, dass der Heizlüfter der Schuldige war, es aber letztendlich keine Konsequenzen gibt, weil man eben den Heizlüfter nicht verurteilen kann und weil die Gesellschaft als solche nicht greifbar war. Übrig geblieben ist dann eine ganze Reihe von Bediensteten, die aber letztendlich frei­gesprochen werden mussten. Das war, alles in allem, eine unbefriedigende Situation. Jetzt weiß ich schon, dass solche Verurteilungen grundsätzlich am Unglück nichts mehr ändern können. Aber für das Gerechtigkeitsempfinden jedes Einzelnen wäre dies natürlich besser gewesen.

So gesehen, war also das heimische Strafrecht in einer gewissen Schieflage. Juris­tische Personen konnten zwar Eigentümer werden, sie konnten Geschäfte abwickeln, sie konnten Gewinne erwirtschaften und vieles andere mehr, aber sie konnten eines nicht: Sie konnten nicht Unrecht tun. Dieses „Privileg“ – unter Anführungszeichen – hatten nur die natürlichen Personen, und diese natürlichen Personen waren sehr oft kleine Mitarbeiter, die dann den Kopf hinhalten mussten. Es ist niemandem dadurch geholfen, dass dann, wenn ein Unternehmen etwas macht und zu verantworten hat, möglicherweise der Geschäftsführer oder ein Angestellter bestraft wird, aber die Ge­sellschaft selbst den Gewinn davon hat.

Meine Damen und Herren! Nun zu ein paar Kennzahlen, die uns, der Sozialdemokra­tischen Partei, an dieser Gesetzesvorlage nicht gefallen und die uns daher auch nicht zustimmen lassen. Es geht hier zunächst einmal darum, dass vom Umsatz weggegan­gen worden ist, hin zum Gewinn. Der Gewinn ist jetzt also die Größenordnung, an der beim Strafrahmen angesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, was der Gewinn eines Unternehmens be­deutet. Wir wissen auch, wie der Gewinn eines Unternehmens beeinflussbar ist, und vor allem, dass der Gewinn sehr oft eine gestaltbare Größe ist. Diese Möglichkeiten sollte es meiner Meinung nach nicht geben. Da haben sich auch die Industrie und die Wirtschaft durchgesetzt.

Ein weiterer Punkt ist die Begrenzung des Tagsatzes mit 10 000 €. Das ist eine weitere Verwässerung der ursprünglichen Vorlage. Einem Unternehmen mit einem Milliarden­umsatz letztendlich mit einem Tagsatz von 10 000 € zu drohen, das wird keine allzu abschreckende Wirkung haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 126

Was mir überhaupt fehlt, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sind die Sanktionen gegenüber den schuldigen Unternehmungen. Es kann doch nicht so sein, dass ich zwar eine Strafe ansetze, vielleicht Geld dafür kassiere, aber sonst nichts mehr tun kann und diese Vereinigung einfach fröhlich weiterwirtschaftet.

Es ist in der Gesetzesvorlage auch nicht geregelt, wohin die Strafgelder fließen. Es ist außerdem nicht geregelt, ob jene Firma, die zu einer Strafe verdonnert worden ist, diese Strafe beim Finanzamt wieder abschreiben kann.

Insgesamt gesehen, meine ich, ist es ein modernes Unternehmensstrafrecht. Es ist positiv zu sehen. Nur ist es eben so verwässert, dass wir hier nicht zustimmen können. Es ist eine bescheidene Lösung, auch wenn man es im Vergleich zu anderen europäi­schen Ländern betrachtet. Aus diesem Grund gibt es von uns keine Zustimmung. (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.29


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte. (Bundesrätin Zwazl war in ein Gespräch vertieft und erhebt sich rasch von ihrem Sitz.) Langsam, wir warten gerne!

 


16.30.09

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Das kommt vor. Aber es ist ja ganz gut, wenn man miteinander gute und so intensive Gespräche führt, wie wir es jetzt getan haben.

Frau Präsident! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Ver­bandsverantwortlichkeitsgesetz bringt einen Systemwandel im österreichischen Straf­recht. Erstmals können juristische Personen und Personengesellschaften für gerichtlich strafbare Handlungen ihrer Entscheidungsträger und Mitarbeiter mit Geldbußen belegt werden.

Unser Ziel war es dabei, die europarechtlichen Vorgaben sinnvoll und wirtschaftsver­träglich in das österreichische System einzufügen. Ich weiß, vielen von Ihnen geht diese Regelung zu wenig weit; Sie meinen, der Strafrahmen sei zu niedrig. Aber ge­rade wenn es um die Umsetzung von EU-weiten Regelungen geht, müssen wir darauf achten, dass die Inhalte mit den anderen Mitgliedstaaten konform gehen. Jede im Ver­gleich überschießende Umsetzung bringt uns ja nur Standortnachteile ein.

Ich gehe kurz auf die klare Struktur dieses Gesetzes ein.

Der Begriff des Entscheidungsträgers wurde entsprechend eng gefasst, damit die Zu­rechnung für das Unternehmen vorhersehbar und kontrollierbar ist. Für die Zurechnung einer Straftat ist es weiters erforderlich, dass die Straftat zugunsten des Verbandes be­gangen worden ist oder dass durch die Straftat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband selbst treffen. Damit ist sichergestellt, dass nicht jedwede Straftat, die von Mit­arbeitern oder Entscheidungsträgern begangen wird, automatisch zu einer Verbands­verantwortlichkeit führt.

Hinsichtlich des Strafrahmens müssen wir beachten, dass es einerseits in unserem Rechtsstaat üblich ist, Höchstgrenzen einzuziehen, und andererseits die Höhe dem europäischen Vergleich standhalten muss. Beabsichtigt war ursprünglich eine Maxi­malstrafe von 10 Prozent der Umsatzerlöse des Unternehmens. Unser Ziel war es, mit empfindlichen Strafsätzen unsere Unternehmen und ihre Mitarbeiter von Straftaten abzuhalten, aber unser Ziel ist es nicht, Unternehmen mit Strafsätzen direkt in den Konkurs zu führen. Aus diesem Grund wurde für den Tagsatz eine Höchststrafe von 10 000 € eingezogen. Das bedeutet eine Maximalstrafe von 1 Million € für Fahrlässig­keitsdelikte und von 1,8 Millionen € für Vorsatzdelikte. Bei solchen Summen kann man keineswegs davon sprechen, dass dieses Gesetz großen Konzernen entgegenkommt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 127

Zusammenfassend: Dieses Gesetz ist ein notwendiger Schritt und gleichzeitig für uns, für die Wirtschaft, ein akzeptabler Weg. Genau das müssen wir in Einklang bringen, um weiterhin ein interessanter Wirtschaftsstandort zu bleiben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen und der Grünen.)

16.33


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.33.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Auch die Grünen sind für dieses Gesetz, und sie haben sich lange darum bemüht. Früher hat man das anders genannt, früher hat man immer von der Verantwortlichkeit juristischer Personen gesprochen; jetzt heißt es Verbands­verantwortlichkeitsgesetz. Wir haben immer gesagt, das muss kommen, und das hat eine Geschichte. Ich glaube, wir haben uns zehn Jahre lang darum bemüht. Ich glaube auch, es ist auf Druck der Opposition zustande gekommen, dass wir das heute in der Weise regeln. Während andere Länder dies im Verwaltungsstrafbereich abwickeln, haben wir hier eine neue Form, eine zeitgemäße Form, eine Form der Regelung, die einfach in die Zukunft weist.

Ich sage es noch einmal – wer hat es denn schon gesagt?, ich glaube, Kollege Kraml hat es gesagt –, zwei Freisprüche bei Kaprun, oder erinnern Sie sich an Lassing: All diese Dinge werden jetzt endlich mit Verantwortlichkeiten belegt. Aber – und das wis­sen Sie natürlich, liebe Frau Bundesminister – die Schwachstelle ist Ihr Vorgänger. Als Dr. Böhmdorfer im Amt war und bis er ausgeschieden ist, hat er Widerstand geleistet – und Sie wissen es, liebe Frau Präsidentin – gegen die Höchstgrenze, die hier einge­führt wurde. Diese Höchstgrenze zahlt ein multinationaler Konzern aus der Portokasse; für Ihr Unternehmen, für jedes kleine österreichische Unternehmen, sind 1,8 Millio­nen € an Höchststrafe ein Wahnsinn. (Bundesrätin Zwazl: Aber auch für ein ...!)

Aber geh! Kommen Sie, Schauen Sie sich doch einmal Bilanzen an! Schauen Sie sich von den internationalen Konzernen die Bilanzen an! (Bundesrat Dr. Kühnel: Wir ken­nen mehr Bilanzen als Sie!) Sie wissen, dass es zum Teil große Campaignings sind, die da stattfinden und wodurch man solche Verbandsverantwortlichkeitsklagen einbrin­gen kann. Wenn ich berechnen kann, was ich zu bezahlen habe, und dem gegenüber­stelle, was ich mit einer Verletzung gewinne, so ist das erstmals berechenbar. Das ist die einzige Schwachstelle.

Aber diese Schwachstelle ist für uns nicht Anlass, diesem Gesetz keine Zustimmung zu geben, sondern wir sind sehr froh, dass wir hier nicht nur einen ersten, sondern einen sehr bedeutenden ersten Schritt gesetzt haben. Man kann ja immer hoffen, und man kann auch hoffen, dass es vielleicht weniger Druck der Wirtschaft und der Indust­rie gibt oder dass sich eine andere Konstellation ergibt, in der man sagt: Okay, versu­chen wir hier, gewisse Grundlagen zu verändern.

Aber so, wie es jetzt vorliegt, Frau Bundesminister, und so, wie Sie es in der allerersten Fassung an das Hohe Haus geschickt haben, waren wir sehr zufrieden und haben wir uns von Anfang an in diesem Gesetz wieder gefunden, weil ich einfach sagen muss – und ich bin auch schon sehr lange in diesem Haus, wenngleich nicht so lange im Bun­desrat –, es ist uns seit über zehn Jahren ein stetes Bemühen gewesen, eine solche Rechtsregelung zu bekommen. Jetzt ist sie da, und wir werden ihr zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Dr. Böhm.)

16.37



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 128

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


16.37.31

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich dem anschlie­ßen, was Herr Bundesrat Schennach soeben gesagt hat: Wir müssen uns wirklich des­sen bewusst sein, dass heute – ich habe es schon in meiner Rede im Plenum des Nationalrates gesagt, und heute möchte ich es im Bundesrat gerne wiederholen – eine historische Stunde ist. Es ist erstmals in der Geschichte Österreichs so, dass wir tat­sächlich die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen nunmehr auch legistisch umsetzen. Ich glaube, dessen sollten wir uns alle bewusst sein.

Ich weiß, es ist dies ein sehr wichtiges Gesetz. Ich bin auch sehr froh, dass meine Mit­arbeiter – Herr Dr. Zeder allen voran – es auch wirklich ausgewogen umgesetzt haben. Auf der einen Seite wird es natürlich für die Wirtschaft eine zusätzliche Belastung sein, dessen sind wir uns auch in der Regierung bewusst. Aber wir sind uns auch dessen bewusst, dass wirklich die Notwendigkeit besteht, hier eine Regelung herbeizuführen.

Ich glaube, dass dieses Gesetz, so wie es Ihnen nunmehr zur Abstimmung vorliegt, sehr ausgewogen ist. Wir haben vor allem – auch darauf bin ich sehr stolz, dass uns dies gelungen ist – diese gesamte Rechtsmaterie unter das Strafrechtsregime gestellt und nicht, wie es zum Beispiel in Deutschland, unserem unmittelbaren Nachbarland, der Fall ist, den Weg des Verwaltungsstrafrechtes gewählt. Ich denke, dass dieser Weg ein sehr guter ist und dass wir gut daran getan haben, diese Regelungen vorzu­sehen.

Ziel dieses Gesetzes ist es für uns jedenfalls auch gewesen, unabhängig von der Höhe der Tagsätze eine generalpräventive Wirkung zu erzeugen. Ich bin mir sicher, dass für jede Firma, die jetzt ein Verfahren unter diesem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hat, dieses Verfahren, per se betrachtet, schon Abschreckungsgrund genug ist. Wir wissen ja, auch wenn private Personen strafrechtlich verfolgt werden, ist dies natürlich eine psychologische Belastung, aber jetzt wird diese strafrechtliche Verfolgung von Un­ternehmen oder juristischen Personen natürlich auch im Wettbewerb einen gewissen Faktor darstellen. Dessen muss man sich ganz sicher auch bewusst sein.

Wir erwarten uns, gerade was den Bereich der Generalprävention anbelangt, sehr viel. Vor allem ist es uns auch darum gegangen, dass wir mit diesem Gesetz, wenn ein Organisationsverschulden im Unternehmen vorhanden ist, dies nunmehr, wenn es wirklich strafrechtliche Konsequenzen hat, auch strafrechtlich verfolgen können. Ich glaube, das ist ein guter Weg.

Wir müssen uns auch darüber klar sein, dass wir uns hier komplett in juristischem Neu­land bewegen werden. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass der Hohe Nationalrat einen Entschließungsantrag verabschiedet hat, wonach eine Evaluierung dieses Ge­setzesvorhabens nach vier Jahren vorgesehen ist. Ich denke, das ist der richtige Weg. Nach diesen vier Jahren werden wir dann auch sehen, wie sich diese Tagsatz-Oberbe­grenzung macht, die jetzt von der Opposition und auch vom Herrn Bundesrat Schenn­ach, er gehört auch zur Opposition ... (Bundesrat Schennach: Obwohl ich zustimmen werde!) – Ja, obwohl Sie zustimmen. – ... also von Ihnen auch kritisiert wurde. Nach Ablauf dieser vier Jahre werden wir sehen, wie sich das in der Praxis tatsächlich aus­gewirkt hat, und ich kann Ihnen aus Sicht des Justizministeriums versichern, sollte es Bedarf geben, hier das eine oder andere nachzujustieren, werden wir uns dem sicher­lich nicht verschließen.

Ich bedanke mich bei all jenen, die dem die Zustimmung erteilen. Es ist wirklich ein wichtiges Vorhaben, das wir nunmehr tatsächlich umsetzen werden. Ich bin stolz


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 129

darauf, dass es gelungen ist, nach so langer Zeit – es ist wirklich schon sehr lange am Tisch –, dass es uns also heute gelingen wird, dieses Vorhaben abzuschließen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und den Grünen.)

16.41


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

(In Richtung des Bundesrates Boden, der gerade den Sitzungssaal betritt:) Herr Kol­lege! Nehmen Sie an der Abstimmung noch teil? Dann bitte ich Sie, Platz zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.42.1317. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch in Unternehmensgesetzbuch umbe­nannt und gemeinsam mit dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, dem Aktiengesetz 1965, dem Gesetz über  Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dem Genossenschaftsgesetz, dem Genossenschaftsrevisionsgesetz, dem Fir­menbuchgesetz, dem Umwandlungsgesetz, dem Spaltungsgesetz, dem EWIV-Ausführungsgesetz, dem SE-Gesetz, dem Handelsvertretergesetz, der Jurisdikti­onsnorm, dem Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, der Zivilprozessord­nung, dem Rechtspflegergesetz, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, dem Privatstiftungsgesetz, dem Unternehmensreorganisationsgesetz, dem Ge­richtsgebührengesetz, dem Gerichtskommissionstarifgesetz, dem Wohnungs­eigentumsgesetz 2002, dem Mietrechtsgesetz, dem Versicherungsaufsichtsge­setz, dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und dem Ziviltechnikergesetz 1993 geändert wird sowie das Erwerbsgesellschaftengesetz und die Vierte Einfüh­rungsverordnung außer Kraft gesetzt werden (Handelsrechts-Änderungsgesetz – HaRÄG) (1058 d.B. und 1078 d.B. sowie 7388/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bankwesengesetz, das Börsegesetz 1989 und das Vereins­gesetz 2002 geändert werden (1079 d.B. sowie 7389/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zu den Punk­ten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung zu den Punkten 17 und 18 hat Frau Bundesrätin Lueger über­nommen. Ich bitte um die Berichte.

 


16.42.36

Berichterstatterin Angela Lueger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Justizausschusses bringen über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 130

Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch in Unternehmensgesetzbuch umbe­nannt und gemeinsam mit dem allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, dem Aktien­gesetz 1965, dem Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, dem Genos­senschaftsgesetz, dem Genossenschaftsrevisionsgesetz, dem Firmenbuchgesetz, dem Umwandlungsgesetz, dem Spaltungsgesetz, dem EWIV-Ausführungsgesetz, dem SE-Gesetz, dem Handelsvertretergesetz, der Jurisdiktionsnorm, dem Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, der Zivilprozessordnung, dem Rechtspflegergesetz, der Kon­kursordnung, der Ausgleichsordnung, dem Privatstiftungsgesetz, dem Unternehmens­reorganisationsgesetz, dem Gerichtsgebührengesetz, dem Gerichtskommissionstarif­gesetz, dem Wohnungseigentumsgesetz 2002, dem Mietrechtsgesetz, dem Versiche­rungsaufsichtsgesetz, dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz und dem Ziviltechniker­gesetz 1993 geändert wird sowie das Erwerbsgesellschaftengesetz und die Vierte Einführungsverordnung außer Kraft gesetzt werden.

Da die Einleitung so lange war, darf ich gleich zum Antrag kommen, da Ihnen der Be­richt ohnehin schriftlich vorliegt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf sogleich zum zweiten Bericht kommen über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesenge­setz, das Börsegesetz 1989 und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden sollen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor. Ich darf daher zur Antragstellung kommen.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die beiden Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Dernoscheg. – Bitte.

 


16.45.10

Bundesrat Dr. Karl-Heinz Dernoscheg (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es scheint heute der Tag der historischen Gesetze der Justizministerin beziehungsweise des Justizaus­schusses zu sein. Wenn man in der Berichterstattung gehört hat, welche Gesetze da­von betroffen sind, so scheint der Begriff „historisch“ heute einmal angebracht zu sein.

Für die österreichischen Unternehmen und auch für mich als Bundesgremialobmann des Außenhandels in der Wirtschaftskammer Österreich stellt dieses Gesetz tatsäch­lich ein denkwürdiges Ereignis dar. Man muss sagen, dass das Justizministerium hier in enger Kooperation mit den Sozialpartnern, mit Wissenschaft und Politik ein neues Unternehmensrecht geschaffen hat, das auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit leisten wird.

Unser Land verfügt jetzt mit dem neuen Unternehmensgesetzbuch über eine auch im internationalen Vergleich wegweisende Kodifikation eines wirklich modernen Wirt­schaftsrechts. Ich erwarte mir nicht nur erhebliche Erleichterungen für das Geschäfts­leben und eine erhöhte Transparenz, sondern ich rechne auch fest mit einer wirklichen Ausstrahlung, einer lebhaften Ausstrahlung auf die europäische Ebene. Auch dort sind sehr viele Reformen in Diskussion. Ich denke auch, dass Österreich während der Rats­präsidentschaft mit diesem Gesetz ein Asset hat, das wahrscheinlich ernsthaft disku­tiert werden wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 131

Warum habe ich den Begriff „historisch“ gewählt? Ich bin mir sicher, dass Herr Profes­sor Böhm als Historiker genauer darauf eingehen wird, aber die Grundzüge des alten Handelsgesetzbuches gehen auf das allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch 1861 zurück. Natürlich waren die Strukturen nun völlig veraltet. Man hat immer wieder novel­liert, geändert und so weiter, bis es wirklich unübersichtlich geworden war. Wie alle Praktiker unter Ihnen natürlich gewusst haben, war im Wirtschaftsrecht auch eine große Menge von totem Recht enthalten.

Man muss wirklich betonen, dass der österreichische Gesetzgeber gerade auch im Ge­dankenjahr 2005 mit dem Beschluss dieses Unternehmensgesetzes ein mutiges Signal eines rechtspolitischen Aufbruchs setzt. Es geht dabei meiner Meinung nach nicht nur um ein legistisches Signal. Das gegenständliche Gesetz zeichnet sich auch durch zahl­reiche Erleichterungen und eine Flexibilisierung für Unternehmen aus, insbesondere, und das ist uns ein großes Anliegen, für die kleinen und mittleren Unternehmen. Es gibt aber auch Verbesserungen für Konsumenten und Konsumentinnen. Es hat positive Auswirkungen auf die kleinen, auf die mittleren, auf die Einzel-Unternehmen, die in Entwicklung stehen, auf die so genannten kleinen Leute, die unserer Gemeinschaft, wenn ich das so sagen darf, meiner Fraktion, der ÖVP ganz besonders am Herzen lie­gen, vor allem wenn es um einen nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Kurs geht, was ja eng miteinander verbunden ist, zumindest nach unserer Auffassung.

Ich darf nur ein paar kleine Details bringen, denn wenn man hier umfassend auf das Gesetz eingehen wollte, dann würden wir wahrscheinlich wochenlang hier sitzen und diskutieren. Auch bei so einem Gesetz sollte man sich durchaus die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt vergegenwärtigen. Wir alle wissen – und ich nehme an, wir sind auch alle dieser Überzeugung –, dass nur erfolgreiche Unternehmen, vor allem erfolgreiche Klein- und Mittelunternehmen in Österreich nachhaltig Arbeitsplätze schaffen und auch sichern können. Ich erwarte mir im Zusammenhang mit dem Beschäftigungspaket, das wir heute beschlossen haben, wo es auch um viel Geld für den Arbeitsmarkt geht, auch von dieser Seite her, durch ein neues Unternehmensrecht Impulse für diesen Arbeits­markt, den Jugendarbeitsmarkt. – Ich darf da ein wenig berichtigen, denn es sind heute ein paar Horrorzahlen über die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich dargestellt worden. Diese Darstellung wurde auch schon in Redebeiträgen berichtigt, denn Österreich ist Nummer eins innerhalb der Europäischen Union, wir haben die geringste Jugendar­beitslosigkeit. (Bundesrätin Lueger: Sagen Sie, wie viele Jugendliche arbeitslos sind!)

Man muss natürlich eines dazu sagen: Jeder einzelne Jugendliche, jede einzelne Ju­gendliche, der/die keinen Arbeitsplatz bekommt, ist ein/e Jugendliche/r zu viel, das ist uns ganz klar. Nur, alles in allem, darf man schon auch die unverdächtigen internatio­nalen Vergleiche bringen. Dabei kann man feststellen, dass gerade im Beschäftigungs­paket viele Dinge enthalten sind. Ich gehe auch davon aus, dass, wenn Unterneh­mensgründungen erleichtert werden, ebenfalls mehr Leute beschäftigt werden.

Ich bin auch überzeugt davon, dass die Maßnahmen der Lehrlingsinitiative greifen, wo Ministerin und Minister, wo der Bundeskanzler es sich zur ehrenvollen Aufgabe ma­chen, mit Unternehmen zu sprechen und zu sagen: Nehmt doch Lehrlinge auf! Schon ein paar hundert neue Arbeitsplätze sind so zustande gekommen. Abgeordnete der Regierungsfraktionen laufen – von denen weiß ich das, die haben es mir gesagt –, um Jugendliche in Beschäftigung zu bringen. Das zeigt schon, dass man das ernst nimmt. Es geht nicht nur um Gesetze und nicht nur oben drüber, sondern man geht in den Kern der Arbeit.

Ich darf das, bitte, auch als steirischer Bundesrat sagen, weil heute Herr Bundesrat Kaltenbacher – ich wusste gar nicht, dass Sie in die Wirtschaftsforschung gegangen sind – Wirtschaftsdaten gebracht hat, die so etwas von falsch sind, was die Steiermark betrifft, dass ich Sie wirklich korrigieren muss. (Bundesrat Kaltenbacher: Wie viel


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 132

macht die Arbeitslosigkeit aus?) Wenn Sie ein Institut für Wirtschaftsforschung aufma­chen, dann bitte ein bisschen in den Kern gehen oder auch einfach nur nachlesen! Die Steiermark hat tatsächlich im Jahr 2004, und das ist eine unverdächtige Quelle, den Wachstumspreis bekommen mit plus 3,8 Prozent Bruttoinlandsprodukt-Wachstum, also Bruttoregionalprodukt in der Steiermark. Der Preis ist übergeben worden, ich kann nichts dafür, das ist nicht aus irgendeiner Statistik. (Bundesrat Boden: Das ist das Ver­dienst von Voves!)

Was Herr Voves von dem Preis bekommt, weiß ich nicht. Bis dahin ist er nicht durch besondere Wirtschaftsimpulse aufgefallen. Im Jahr 2004! Jetzt hat er ja dann Gelegen­heit dazu.

Da Sie das aber gerade sagen: Danke für das Stichwort! Ich wollte gar nicht darauf eingehen. Wenn wir die Daten anschauen: höchste Jugendbeschäftigung in der Steier­mark, Beschäftigungszuwachs. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das stimmt nicht! Oberösterreich liegt an der Spitze! Die Grünen haben gute Arbeit geleistet!) – Ober­österreich ist natürlich auch sehr gut. Ich habe mich nicht über Ihre Arbeit beschwert.

Ich darf dazu nur eines sagen, weil Sie Herrn Voves erwähnt haben – es ist wahr­scheinlich nicht der richtige Rahmen –: Die Daten, die die Steiermark jetzt hat, sollte man sich bitte – und nicht falsch – merken, man sollte sie sich aufschreiben. Wir mer­ken sie uns und wir werden daran erinnern. Wir merken uns, wie die Steiermark jetzt an die neuen Verantwortlichen übergeben wurde, und wenn das nicht passen sollte, werden wir es auch sagen. (Bundesrat Kaltenbacher: Vom Wifo stammt diese Pro­gnose! Das hat nicht Voves gesagt!) – Nein, darum geht es auch nicht, sondern weil der Kollege hier gesagt hat, was der Herr Voves macht. (Bundesrat Kaltenbacher: Das habe ich nicht gesagt!)

Ich darf nur bitten, die Sache einfach einmal so zu belassen. Die Daten sind so, dass man durchaus schauen muss, dass man sie auch weiterhin so beibehalten kann.

Gut! Kommen wir wieder zurück zum Unternehmensgesetz. (Bundesrat Kaltenbacher: Niemand hat das behauptet!) – Der Kollege hier in der ersten Reihe, es tut mir Leid. (Ruf bei der SPÖ: Bundesrat Boden aus Niederösterreich!) – Niederösterreich hat na­türlich auch eine tolle Wirtschaftsentwicklung. Auch mit einem ÖVP-Landeshauptmann, nicht wahr? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Irgendwo ist das Ganze bezeichnend. – Nein, bei allen Erfolgen, die auch andere Bun­desländer haben, wir respektieren alle, nur die Steiermark lasse ich mir nicht krank oder schlecht reden. Das ist das Einzige! Da lasse ich nichts Schlechtes darüber sagen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Oberösterreich ebenfalls!) Gratulation!

Zweiter Punkt: Kommen wir zurück zum Gesetz! Dieses Gesetz mit allem, was wir heute hier diskutiert haben, ist für mich – und deswegen bin ich heute auch wirklich sehr, sehr froh und sehr erleichtert über die Diskussion – ein Zeichen für die Weiter­führung des erfolgreichen Kurses der Regierung, der Sie – und heute habe ich das Wort wieder gehört und schön langsam schüttelt es mich ja schon fast – soziale Kälte unterstellen. Ich sehe das als Kurs der sozialen Verantwortung. Keine sozialen Ge­schenke, keine sozialen Versprechungen, die man nicht halten kann, aber verantwor­tungsvolle Sozialpolitik heißt auch verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik. Das sind zwei kommunizierende Gefäße.

Das neue Unternehmensrecht wird auch den internationalen Erfolg der Wirtschaft un­terstützen. Das darf ich als Gremialvorsteher des Außenhandels sagen. Wir sind schon sehr erfolgreich im Ausland – wieder schaut mich die Frau Bundesrätin an – natürlich, die Oberösterreicher sind auch sehr erfolgreich. Es könnte noch besser sein, aber wenn man einmal voller Stolz sagen kann, dass die Hälfte unseres Bruttoinlands-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 133

produkts im Ausland erwirtschaftet wird, dann sind wir tatsächlich von der Qualität und vom Können der Unternehmer und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter her auf einem ganz guten Weg.

Die neuen Mitgliedstaaten, die neuen europäischen Länder bieten natürlich auch an­sehnliche Absatzchancen für uns, und selbstverständlich wird ein neues Unterneh­mensgesetz auch dorthin Ausstrahlungen haben. Ich nehme an, dass es wahrschein­lich ein Benchmark, ein Best-Practice-Modell für viele werden kann. Ich erwarte das.

Vom Gesetzesinhalt her – wir haben ein paar Punkte bereits angesprochen – ist be­sonders zu erwähnen: Der alte ständische Begriff des Kaufmanns, andere ständische, begriffliche Unterteilungen kommen weg. Wir bekommen einen einheitlichen Unterneh­merbegriff, in den sogar die freien Berufe miteinbezogen sind. Die Firmenbildungsvor­schriften werden vereinfacht. Die Eintragung ins Firmenbuch ist nun auch für Einzelun­ternehmer offen und möglich. Personenhandelsgesellschaften können für jeden unter­nehmerischen Zweck errichtet werden. Das alles ist auch wichtig für die mittelstän­dische Wirtschaft und sicher nicht für die Großen, die ohnehin andere Möglichkeiten haben. Die Schuld- und sachenrechtlichen Sonderbestimmungen wurden vereinfacht. Überholtes – ich habe es heute schon erwähnt –, totes Recht ist im großen Stil abge­schafft worden. Gratulation auch dafür, dass man den Mut hatte, das wegzutun.

Dafür ist wirklich allen Beteiligten zu danken. Der Erfolg, da bin ich ganz sicher, wird auch in neuen Unternehmensgründungen sichtbar werden. Frau Bundesminister Gas­tinger herzlichen Dank! Herzlichen Dank auch den MitarbeiterInnen im Bundesminis­terium mit Herrn Sektionschef Dr. Hopf und Frau Dr. Bydlinski an der Spitze, sowie den Universitätsprofessoren Krejci, Schauer, Karsten Schmidt und den Justizsprechern aller Parteien.

Als Vertreter der Wirtschaft darf ich natürlich auch ein wenig stolz sein, dass wir die Ur­sprünge dieses neuen Gesetzes auch auf eine Initiative der Wirtschaftskammer Öster­reich zurückführen wollen und dürfen. Wenn Sie sich erinnern: Zu dieser tief greifenden Modernisierung ist der Anstoß bereits im Herbst 1996 gekommen, wenn ich das Datum richtig recherchiert und notiert habe, als sich Experten der Wirtschaftskammer Öster­reich in der Agenda 2000 bereits mit der Frage beschäftigt haben – es waren Dr. Hahn­reich und Dr. Harald Steindl –, was für den Standortwettbewerb und im Gesellschafts­system verbessert werden kann. Bei einer Vortragsveranstaltung im Jahr 2001 wurde dann das Ergebnis präsentiert, und das darf ich wortwörtlich zitieren: „Die Rechtspolitik steht vor einer Jahrhundertaufgabe: Kodifikation eines einheitlichen, systematisch ge­schlossenen Unternehmensrechts, das alle wirtschaftlichen Aktivitäten umfasst.“

Im Jahr 2001 wurde diese Vortragsveranstaltung publiziert: Vom HGB zum Unterneh­mensgesetz. Und heute stehen wir vor den Ergebnissen – eigentlich ohnehin relativ schnell für so ein umfassendes Gesetz. Man muss natürlich auch aufpassen, dass man solche Dinge nicht zu rasch macht, aber ich meine, das war sehr vernünftig, sehr ausgewogen.

Deswegen meine ich auch, dass wir darauf stolz sein können, was da geschehen ist. Wir können auch stolz sein auf unseren Standort. Mich würde nur noch interessieren, weil auch nach mir noch einige Redebeiträge von Seiten der Opposition kommen wer­den und Sie heute über den Standort Österreich gesprochen haben: Die Armutsgefähr­dung ist mit zwei Zahlen dargestellt worden. Ein Kollege/eine Kollegin hat gesagt, es seien 800 000 armutsgefährdet, Kollege Molzbichler war dann bereits bei einer Million oder über einer Million, 1,2 Millionen. Ich weiß nicht, welche der falschen Zahlen jetzt falscher ist. (Bundesrat Molzbichler: Ein bisschen genauer zuhören, Herr Kollege!) Eine Armutsgefährdung haben wir in Österreich sehr wohl: Die Argumentationsarmut


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 134

nimmt zu, denn ich höre immer das Gleiche. (Bundesrat Schennach: Das ist auch im Bericht der Bundesregierung nachzulesen!)

Gratulation zum Gesetzentwurf! Wir werden natürlich zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.57


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


16.57.52

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mit diesem Gesetz hat unter anderem natürlich auch der Kaufmannsbegriff im Wesentlichen ausgedient. Obwohl ich weiß, dass das nicht im unmittelbaren Zusammenhang dieser Gesetzesmaterie steht, möchte ich trotz­dem heute diese kleine Gelegenheit nützen, um eine Lanze für die Kaufmänner zu brechen, weil wir heute im Laufe dieses Tages auch mehrmals vom ländlichen Raum gesprochen haben. Ich möchte jetzt nicht polemisieren und wieder mit dem Thema „Schließen von Gendarmerieposten“ und so weiter beginnen, wie wir es heute bereits mehrmals erlebt haben, aber diese Kaufmänner, wie sie vor 30 oder 40 Jahren, Jahr­zehnten bestanden haben, waren ein wertvoller Punkt im ländlichen Raum. Dort gab es Kommunikation und vieles andere mehr.

Heute gibt es diese Kaufmänner leider nicht mehr, und ich sage das jetzt vielleicht ein­mal ein bisschen emotional, weil es in meinem familiären Umfeld solche Kaufmänner gegeben hat. Ich könnte Ihnen zwei oder drei Ordner zeigen, in denen man Presse­berichte zusammengeschnitten hat, in denen darauf hingewiesen wird, wie es jetzt – seit 30 Jahren – und in Zukunft den Kaufmännern besser gehen wird, weil seitens der Regierungen der letzten drei Jahrzehnte die eine oder andere Maßnahme ergriffen worden ist.

Abgesehen von der Kommunikation: Wir spielen heute im Radio „Hallo Nachbar“ – das hat man früher im Kaufmannsladen erlebt. Der ländliche Raum wird ausgedünnt. Mir kann niemand weismachen, dass alle diese treffenden Maßnahmen, wie ich das heute von der rechten Seite dieses Hauses wieder gehört habe, dazu geführt hätten, dass es jetzt dem ländlichen Raum besser geht.

Warum zieht die Bevölkerung vom ländlichen Raum weg? Warum schließt der Kauf­mann, warum schließen die Lagerhäuser und so weiter? (Zwischenruf des Bundes­rates Mitterer.) – Ich möchte nicht polemisieren, lieber Kollege, ich möchte das nur benennen.

Das wird vielleicht auch für die Wirtschaftskammer interessant sein, Frau Kollegin Zwazl: Wenn wir von den Gemeinden dazu aufgefordert werden, wir sollen uns in die Bundesbeschaffungsbehörde einbringen, dann kann ich Ihnen schon sagen, dass das Sterben beim Beruf der Kaufmänner hurtig weitergeht. Man bekommt natürlich das eine oder andere Produkt irgendwo in Österreich billiger, aber es muss uns dann klar sein, dass sich das Sterben im Berufsbereich der Kaufmänner beschleunigen wird. Da­mit verbunden ist natürlich der Abzug aus dem ländlichen Raum.

Dann werden wieder die in den Vordergrund gestellt, die aus meiner Sicht in Öster­reich das Sagen haben, nämlich die Großkommunen, und wir werden auf der Strecke bleiben. Noch dazu habe ich kaum gehört, dass Kaufmänner solche Steuergeschenke bekommen wie Großbetriebe.

Das heißt also, um zu dem Gesetz zurückzukommen: Wir werden diese Kaufmänner im ländlichen Raum noch suchen. Heute hat unter anderem der Kaufmannsbegriff aus­gedient, was im Wesentlichen ja nichts Negatives ist, aber wiederum einen Schritt da-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 135

hin bedeutet, dass man diese Kaufmänner in unserer Gesellschaft vielleicht nicht mehr so braucht. Ich sage, im ländlichen Raum braucht man sie sehr wohl!

Im Vordergrund steht in den letzten Jahren der Begriff des Unternehmens. Zahlreiche materielle Regelungen des HGB haben sich als überholt erwiesen, daher ist diese Re­form unbedingt notwendig geworden. Es kommt zu einer Liberalisierung des Firmen­rechts – ein Gestaltungsspielraum in erster Linie für Einzelunternehmen und natürlich auch für die Landwirtschaft –, und es kommt zu einer, aus meiner Sicht längst notwen­digen Anpassung des Regelungsrechts. Es werden auch wesentliche Bestimmungen, die den Konsumentenschutz betreffen, positiv mitgeregelt.

Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang in diesem Gesetz die Neuregelung des § 38, wonach bei der Veräußerung eines Unternehmens ein Vertragspartner die Möglichkeit hat, Widerspruch einzulegen. Im Konkreten denke ich hierbei zum Beispiel an Telekommunikationsunternehmen oder an Energieversorgungsunternehmen, denen gegenüber nun die Möglichkeit besteht, dass Konsumenten, welche einen Vertrag mit dem jeweiligen Unternehmen unterzeichnet haben, Widerspruch einlegen können und in der Folge die Möglichkeit haben, von diesem Vertrag zurückzutreten. Ich hoffe, dass alle Unternehmen in Österreich die Tragweite dieser gesetzlichen Regelung einhalten beziehungsweise auch erkennen.

Wichtig ist dabei jedoch auch die Änderung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbu­ches, wodurch mehr Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Wir alle kennen doch die Probleme, die bisher entstanden sind, wenn jemand von einem Vertrag zurücktre­ten wollte. Meistens war in den Verträgen gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingun­gen eine Konventionsstrafe vorgesehen oder es war die Frage des Schadenersatzes nicht eindeutig geklärt.

Wir schaffen mit dieser Änderung des Gesetzes mehr Rechtssicherheit, wir schaffen daher mehr Schutz auch für die Konsumenten und daher eine längst fällige Besserstel­lung für die Österreicherinnen und Österreicher. Das ist gut so, und wir werden diesem Gesetz unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.04


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

 


17.04.07

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Dieser Meilenstein der österreichischen Rechtsreform im großen Bereich des Zivilrechts – heute schon der zweite Meilenstein – sollte auch trotz der relativ vorgerückten Stunde keineswegs untergehen.

Mit der vorliegenden Neugestaltung unseres Handelsgesetzbuches, besser gesagt, seiner Umgestaltung zu einem Unternehmensgesetzbuch, machen wir nämlich einen großen Schritt voran in die Moderne des gegenwärtigen Unternehmensrechts. Weil das gefordert wurde, ganz kurz etwas Historisches:

Österreich hatte am alten Allgemeinen Handelsgesetzbuch von 1861 des Deutschen Bundes, das selbst wieder dem Napoleonischen Code de Commerce von 1806 ver­pflichtet war, nicht nur in der Monarchiezeit, sondern auch noch in der Ersten Republik festgehalten. Das Deutsche Handelsgesetzbuch von 1897 ist dann erst im Jahr 1939 in Kraft getreten und zunächst, weil es ja kein typisch nationalsozialistisches Gedanken­gut enthalten hatte, auch bis heute in Kraft geblieben.

Gewiss verabschiedet sich in meiner Person ein ehemaliger Absolvent der Alma Ma­ter Rudolphina und heutiger Universitätslehrer nicht allzu leicht und gerne von alt über-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 136

kommenen, lieb gewordenen und vertrauten Rechtsfiguren wie der Sorgfalt eines or­dentlichen Kaufmanns oder dem Kaufmannsbegriff als solchem, und zwar nicht zuletzt demjenigen Kaufmann, dessen Betrieb kein Kleinhandelsgewerbe überschreitet, also dem Minderkaufmann im Gegensatz zum Vollkaufmann, und den daran geknüpften Rechtsfolgen.

Dennoch ist im Ernst, abseits solcher Reminiszenzen, voll zu akzeptieren, dass all das nicht mehr den aktuellen Rahmenbedingungen des nationalen oder gar des internatio­nalen Handels- und Geschäftsverkehrs entspricht, der längst nicht mehr berufsständi­schen Ordnungsmustern folgt.

Deshalb stimmen wir einer Neuregelung vorbehaltlos zu, die diesen Unternehmens­begriff ganz neu definiert. Das Gelingen dieses Reformwerks hat natürlich Mütter und Väter über die Frau Bundesministerin hinaus  – und ich möchte auch ihren Vorgänger Dr. Dieter Böhmdorfer einbeziehen –. Ich möchte den Mitarbeitern ihres Ressorts, Herrn Sektionschef Dr. Hopf und Frau Dr. Bydlinski ganz ausdrücklich meinen Dank für dieses höchst gelungene Reformwerk sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist auch dem schon erwähnten Univ.-Prof. Heinz Krejci, dem Univ.-Prof. Schauer und dem Wiener Honorarprofessor, dem deutschen Professor Karsten Schmidt, einem Papst des Handels- und Gesellschaftsrechts in Deutschland, für die Mitwirkung an diesem Reformwerk gleichfalls zu danken.

Hätte es nicht schon mein Kollege Dr. Dernoscheg getan, hätte ich natürlich auch auf die Impulse der Wirtschaftskammer Österreich von Hanspeter Hanreich und meinen Freund Harald Steindl verwiesen. Das wurde aber bereits zitiert.

Schwerpunkte dieser Reform über die Vereinheitlichung des Grundtatbestandes Unter­nehmen hinaus, sind die schon erwähnte Liberalisierung der Firmenbildungsvorschrif­ten, die Öffnung des Tätigkeitsbereiches der Personenhandelsgesellschaften für jeden unternehmerischen Zweck, also nicht nur für den Handel, die Öffnung des Firmen­buchs auch für Einzelunternehmer und die Bereinigungen im Bereich der schuld- und sachenrechtlichen Bestimmungen. Insbesondere sind Bestimmungen, die ohne Not­wendigkeit parallel zum ABGB im ehemaligen Handelsgesetzbuch geregelt waren, wie beispielsweise der gutgläubige Eigentumserwerb, vereinheitlicht in das Stammgesetz, in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, zurückgeführt worden.

Wir haben allerdings auch Bestimmungen aufrechterhalten, die sich bewährt haben, zum Beispiel die laesio enormis, die Verkürzung über die Hälfte des Warenwerts, den Verlust von Gewährleistungsansprüchen bei unterlassener Mängelrüge unter Kaufleu­ten und Unternehmen, jetzt richtiger gesagt, oder Sonderbestimmungen, was Formvor­schriften für Bürgschaften anlangt, und den Ausschluss des richterlichen Mäßigungs­rechtes bei Vertragsstaaten. Das ist beibehalten worden.

Wenn von Seiten der Opposition zum Teil kritisiert worden ist, dass diese Neubewer­tung und diese Neuordnung nicht auch auf freiberufliche Unternehmer, das heißt, Frei­berufler im engeren Sinn und auch für Betriebsinhaber land- und forstwirtschaftlicher Unternehmen, voll erstreckt worden sind, so muss ich sagen: Das stimmt so nicht uneingeschränkt!

Es ist weithin eine Übertragung auch auf die freien Berufe erfolgt, nicht freilich – das räume ich ein – etwa hinsichtlich der Bilanzierungspflicht. Es lässt sich aber durchaus eine gewisse Sonderstellung der freiberuflichen Unternehmen sachgerecht begründen.

Denken Sie daran, dass Ärzte, Rechtsanwälte, Notare und vergleichbare Freiberufler zwar heute durchaus nationalen und gemeinschaftsrechtlichen betriebswirtschaftlichen Vorgaben unterliegen, die sie unter gewissen Aspekten durchaus echten Unternehmen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 137

im engeren Sinne gleichstellen, sie erfüllen aber zugleich – entschuldigen Sie meine antiquierte Begriffsbildung – auch ein nobile officium, dass ihnen standes- und berufs­rechtlich und ethisch nicht erlaubt oder auch nur nahe legt, sich als reine Unternehmer und Gewerbetreibende – wenn sie an reißerische Werbungsmethoden denken – oder im Sinne des EU-Rechts als ausschließliche Dienstleister zu begreifen, denn von ihrem Selbstverständnis her unterliegen sie ja strengeren Anforderungen, die auch ausbildungs- und berufsrechtliche Sondervorschriften rechtfertigen. Das soll nicht als Standesprivileg gesehen werden, sondern wohl auch im Interesse der Konsumenten, der Klienten oder gar Patienten unter qualitätssichernder Perspektive.

Das ist meines Erachtens auch mit dem Grundrecht der Erwerbsfreiheit durchaus vereinbar. Auch in dessen Rahmen ist nämlich zwischen der Ausbildung und den Zu­gangsvoraussetzungen einerseits und den Voraussetzungen der Ausübungsfreiheit klar zu unterscheiden. Auf die darauf bezogene Differenzierung zwischen Bürgern vor­behaltenen Grundrechten und allgemeinen Menschenrechten hat gerade meine Frak­tion stets Wert gelegt.

Da aber all diese Neuregelungen diesen unterschiedlichen Perspektiven vollinhaltlich und ausreichend gerecht werden, werde ich und wird meine Fraktion diesem Geset­zesbeschluss des Nationalrates gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


17.12.09

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Das vorliegende Handels­rechts-Änderungsgesetz sehen wir als grüne Fraktion als großen Fortschritt an, halten es für gelungen und werden dem zustimmen und hoffen, heute die Frau Ministerin nicht allzu sehr zu verwöhnen. – Danke. (Allgemeine Heiterkeit und Beifall. – Ruf bei der ÖVP: Das waren die schönsten Worte!)

17.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Fraunschiel. – Bitte.

 


17.12.43

Bundesrätin Andrea Fraunschiel (ÖVP, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Mit diesem Handels­rechts-Änderungsgesetz wird der Kaufmannsbegriff durch einen einheitlichen und umfassenden Unternehmerbegriff abgelöst.

Von meinen Vorrednern wurde schon ausgeführt, dass das zu Vereinfachung, Entbüro­kratisierung und erhöhter Transparenz führt. Ich sehe darin auch eine Chance für Frauen, und wie wir sehen können, steigt die Zahl der Unternehmerinnen. Im Burgen­land liegt sie jetzt bei 30 Prozent. Das ist noch zu wenig. Es wurde eine neue Aktion gestartet: „Alternative: Selbstständigkeit. Frauen UNTERNEHMEN“ und dieses Projekt, ein EQUAL-Projekt, das vom Wirtschaftsministerium unterstützt wird, richtet sich be­sonders an Frauen, die Verpflichtungen haben, für Kinder oder für ältere Angehörige zu sorgen.

Ich sehe darin eine große Chance für Frauen, denn dadurch können sie sich höher qualifizieren. Es wird ihnen die Betreuungspflicht für ihre Kinder oder ihre Angehörigen in dieser Zeit erleichtert. Es wird ein neues Betätigungsfeld für Frauen geöffnet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 138

Ich sehe auch Chancen für die burgenländischen Unternehmen in unseren EU-Nach­barländern, und ich bin auch davon überzeugt, dass dieses Gesetz eine Beispielwir­kung auf unsere Nachbarländer haben wird, da es ein äußerst modernes Gesetz ist.

Ich wurde im Juni des Jahres 2004 hier als Mitglied des Bundesrates angelobt, und da ich das Vorzugsstimmenmandat in meinem Wahlkreis gemacht habe, ist das heute die letzte Gelegenheit, dass ich hier sprechen kann. Ich muss sagen: Es war eine äußerst interessante Zeit mit sehr interessanten Debattenbeiträgen, von sehr ausführlich und fundiert bis zu kurz und prägnant, auf den Punkt gebracht. Es gab einen Vergleich und Wettbewerb der Bundesländer der besten Ideen, genauso Redenbeiträge, wo man sich wirklich mit der Sachfrage beschäftigt hat, und Redenbeiträge, die einen anderen Inhalt und einen anderen Schwerpunkt hatten.

Ich habe hier erlebt, wie sich hier im Bundesratsplenum drei Landeshauptleute aus­drücklich für eine Stärkung des Bundesrates und für eine Stärkung des Föderalismus ausgesprochen haben. Auch hatte mit meinem Kollegen Pehm als Vorsitzenden das Burgenland turnusmäßig den Vorsitz.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei allen ganz herzlich zu bedanken. Ich habe hier viel gelernt. Ich möchte mich nicht nur bei den Kollegen im Bundesrat be­danken, sondern auch bei den Mitarbeitern im Klub und in der Bundesratsdirektion für die Unterstützung. Es war für mich eine Ehre, mein Bundesland hier im Bundesrat zu vertreten. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen und dem Bundesrat alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

17.16


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kollegin Fraunschiel! Auch ich darf von dieser Stelle aus ein Danke sagen, und zwar ein Danke von uns allen an Sie. Sie waren eine liebenswürdige Kollegin. Sie waren eine Kollegin, die bei ihren Wort­meldungen bei allen Unterschiedlichkeiten zu anderen politischen Meinungen immer fair war, immer den richtigen Ton gefunden hat. Sie waren leider sehr kurz bei uns. Aber wir freuen uns natürlich, dass Sie einen Vorzugsstimmenwahlkampf geführt und auch gewonnen haben. Das freut mich als Frau, und ich nehme an, die Kolleginnen, die hier sind, natürlich ganz besonders, denn da muss man schon etwas darstellen, wenn so etwas gelingt, und dafür möchten wir Ihnen ganz herzlich gratulieren und Ihnen für Ihren weiteren Weg wirklich alles erdenklich Gute dann als Landtagsabgeord­nete wünschen. Und vergessen Sie uns nicht ganz! (Allgemeiner Beifall.)

Frau Bundesministerin, bitte.

 


17.17.56

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte mich diesen guten Wünschen ad hoc anschließen und auch all jenen – es wird ja einen Wechsel im Bun­desrat geben –, die ich bei der nächsten Sitzung nicht mehr sehen werde, für ihre Zu­kunft alles Gute wünschen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle auch sagen: Die Zusam­menarbeit mit dem Bundesrat macht mir persönlich sehr viel Freude – ich denke, Sie merken es auch –, ich komme sehr gerne hierher und verfolge die Diskussionen auch mit großem Interesse.

Nun möchte ich auf das Unternehmensgesetzbuch zu sprechen kommen. Es wurde heute bereits mehrfach ausgeführt, dass es ein ganz modernes, neues Gesetz ist, und ich denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass wir wirklich für die Zukunft arbeiten. Das ist mit diesem Gesetzeswerk mit Sicherheit gelungen. Es war ein längst notwendiges Reformvorhaben, und dieses Reformvorhaben ist nur deswegen gelun­gen, weil wirklich alle zusammengearbeitet haben. Es hat sehr viele Mütter und Väter


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 139

bei diesem gegeben, wie es heute schon gezeichnet wurde. Ich meine damit primär meine Mitarbeiter aus dem Ministerium, wie etwa Sektionschef Hopf und Dr. Bydlinski; diese beiden wurden schon genannt. Es hat aber auch noch andere Mitarbeiter gege­ben, die sehr viel Zeit, Energie und Hirnschmalz in dieses Gesetz investiert haben.

Wir haben hier auch wieder bewiesen, dass es sehr gut ist, mit der Wissenschaft aktiv zusammenzuarbeiten. Die Professoren, die da mitgearbeitet haben, wurden bereits genannt, und ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal hiefür herzlich danken. Es war wirklich ein sehr gutes Kooperationswerk mit der Wirtschaft, aber auch mit den Sozialpartnern.

Ich denke, das ist der richtige Weg, um notwendige Reformen tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Deswegen freut es mich ganz besonders, dass wir hier für dieses Geset­zesvorhaben die Zustimmung aller Fraktionen, so wie es sich derzeit für mich aus den Redebeiträgen meiner Vorredner dargestellt hat, bekommen werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch dafür bedanken, und ich glaube, dass wir heute hier einen wichtigen und richtigen Schritt in die Zukunft machen, indem wir nunmehr das Unternehmerdasein in Österreich doch wesentlich verbessern. – Danke vielmals. (Allgemeiner Beifall.)

17.20


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Es wird auch kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Handelsrechts-Änderungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 28. Sep­tember 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Auch da ist wieder die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit angenommen.

17.21.2019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden (1059 d.B., 525/A und 1080 d.B. sowie 7390/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zum 19. Punkt der Tages­ordnung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 140

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Winter übernommen. Ich bitte um den Be­richt.

 


17.21.47

Berichterstatter Ernst Winter: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert werden.

Da Ihnen der Bericht schriftlich vorliegt, darf ich mich auf die Antragstellung beschrän­ken.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

17.22.5320. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden (663/A und 1081 d.B. sowie 7372/BR d.B. und 7391/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nunmehr gelangen wir zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Auer übernommen. Ich bitte um den Be­richt.

 


17.23.20

Berichterstatterin Johanna Auer: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des National­rates vom 28. September 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstgesetz geändert werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich kann mich daher auf die Verle­sung des Antrages beschränken.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 11. Oktober 2005 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pehm. – Bitte.

 


17.24.08

Bundesrat Mag. Georg Pehm (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle, mit der das Bundes-Verfassungsgesetz und das Richterdienstge-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 141

setz geändert werden, ist eine sinnvolle Maßnahme, weil Verbesserungen damit ver­bunden sind.

Es geht darum, den verfassungsrechtlich zulässigen Anteil der Sprengelrichter von 2 Prozent auf 3 Prozent zu erhöhen. Damit ist einerseits gewährleistet, dass Entschei­dungen rascher fallen können als bisher und dass auch dem Recht auf eine Entschei­dung innerhalb einer angemessenen Frist besser als bisher entsprochen werden kann. Andererseits stärken wir dadurch auch die Funktionstüchtigkeit der Gerichtsbarkeit, des Gerichtsbetriebes, ohne die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden oder das Prin­zip der Unversetzbarkeit einzuschränken.

Meine Fraktion wird daher diesem Gesetz zustimmen.

Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Weilharter und die Kollegin Fraunschiel haben schon darauf hingewiesen: Mit den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland ist verbunden, dass auch aus unserer Fraktion einige Mitglieder heute an ihrer letzten Plenarsitzung teilnehmen. Es sind dies Kollegin Johanna Auer, Kollege Günther Prutsch sowie ich selbst, die wir heute die für uns letzte Plenarsitzung, zumindest in den Abgeordnetenreihen, verbrin­gen werden.

Kollegin Johanna Auer war seit dem Jahr 2000 Mitglied des Bundesrates. Sie war für kurze Zeit auch Präsidentin des österreichischen Bundesrates und ist jetzt Schriftfüh­rerin. Der Kollege Prutsch ist mit 1. März 2004 in dieses Haus gekommen und ich mit Juni 2004.

Theodor Fontane hat einmal gesagt, Abschiedsworte sollen kurz sein wie eine Liebes­erklärung. Lassen Sie uns drei in unserer Liebeserklärung an den Bundesrat sagen: Es war für uns drei eine tolle Zeit, wir haben hier viel gelernt, wir konnten uns einbringen, und ich hoffe, dass wir auch für die Republik Österreich, für die Bundesländer Steier­mark und Burgenland einiges weiterbringen konnten.

Dafür sagen wir allen Mitgliedern des Präsidiums vielen, vielen herzlichen Dank. Dafür sagen wir drei in ganz besonderem Maße unserem Fraktionsvorsitzenden Professor Konečny vielen, vielen herzlichen Dank. Wir sagen Ihnen allen vielen Dank, den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern, Herrn Bundesratsdirektor, vielen herzlichen Dank. Es wird uns der Bundesrat fehlen, es wird uns das kollegiale, gute Klima hier im Bundesrat fehlen, Sie werden uns fehlen. Vielen Dank! Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

17.27


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Lieber Kollege Pehm! Liebe Kollegin Auer! Lieber Kollege Prutsch! Auch hier kann ich noch einmal wiederholen: Es ist auch unser Dank fällig, denn dass das Klima hier so gut ist und so gut war, ist auch Ihnen dreien zu danken. Gutes Klima entsteht nur dann, wenn es auf Gegenseitigkeit beruht, und Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass hier ein gutes Klima geherrscht hat – auch in der gar nicht so leichten Zeit, Herr Kollege Pehm, in der Sie hier im Vorsitz waren. Von unten schaut das manchmal ganz leicht aus, aber so ist es nicht immer. Sie haben das souverän gemacht. Auch dafür noch im Nachhinein ganz herz­lichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Ihnen dreien, die Sie jetzt natürlich unterschiedliche Wege gehen werden, soll aber eines gemeinsam sein: dass Ihr Weg, wo immer er hinführt, von Erfolg, Zufriedenheit und viel Freude begleitet ist. Das wünschen wir Ihnen. Machen Sie es gut! (Allgemei­ner Beifall.)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 142

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist die Stimmeneinhelligkeit gegeben. Der Antrag ist somit ange­nommen.

17.30.0021. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleis­tungsrichtlinie (144/A (E)-BR/2005 sowie 7392/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nunmehr zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Dr. Dernoscheg übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


17.30.33

Berichterstatter Dr. Karl-Heinz Dernoscheg: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich erst sagen? Allen tut es so Leid, dass einige Bundesräte nicht mehr im Haus sein werden. Ich verliere eine der charmantesten Kolleginnen, noch dazu als Sitznachbarin. Also Sie können sich vorstel­len, wie es mir erst geht. (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Entschlie­ßungsantrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichischen und des Niederöster­reichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleistungsrichtlinie.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich aus der Arbeit des Aus­schusses berichten kann.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 11. Oktober 2005 in Verhandlung genommen. Berichterstatter im Ausschuss war Bun­desrat Wolfgang Schimböck. Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschlie­ßungsantrag keine Mehrheit. Auf Grund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 32 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates ist ein Ausschussbericht über den Verlauf der gegenständlichen Verhandlungen zu erstatten. Zum Berichterstat­ter für das Haus wurde ich gewählt.

Soweit der Bericht des Bundesrates.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


17.32.08

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir behandeln hier ein äußerst spannendes Thema, und wer sich von der Rathausseite her dem Parlament angenähert hat, der hat dort Zelte und große Plakate


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 143

gesehen. Dort finden nämlich die Handels- und Gewerbetage statt. Mich hat das, was dort gestanden ist, sehr betroffen gemacht. Auf ganz großen Plakaten steht da: Wiener Gewerbetage vom 13. bis 16. Oktober – Tage also des Handwerks, des Gewerbes –, und dann ist sehr nett und blumenreich erklärt, wie es dem Gewerbe geht, was das Gewerbe eigentlich kann. Klein und fein ist es nämlich, das Rückgrat der Wiener Wirt­schaft.

Da möchte ich gleich einwenden – ich glaube, da wird mir die Kollegin Zwazl zustim­men –, Handel und Gewerbe sind auch das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft insgesamt. Also ich kann jede Zeile dort nur unterstreichen.

Und dann heißt es weiter: Das sind die Wiener Handwerks- und Gewerbebetriebe: Innovative Arbeitgeber mit fachlicher Kompetenz für neue Entwicklungen. Sie setzen auf neue Impulse. Wiens spannendste Berufsgruppe.

Unterschrieben ist das von zwei sehr unverdächtigen Persönlichkeiten, wenn ich das von meiner Fraktion her so sagen darf, nämlich von Ing. Kommerzialrat Gottfried Pa­rade, einem bekannten Wirtschaftsbundfunktionär der ÖVP, und von der Präsidentin Brigitte Jank, auch Wirtschaftsbund-Vorsitzende, glaube ich, von Wien.

Wie, meine Damen und Herren, wird es denn, wenn diese Dienstleistungsrichtlinie, so wie es jetzt aussieht, in Kraft tritt, den kleinen und feinen Gewerbeunternehmen – das ist nämlich die Mehrheit der Unternehmen in Österreich – dann eigentlich ergehen und wie viel Rückgrat für die österreichische Wirtschaft werden denn diese dann noch dar­stellen?

Wie es denen ergehen wird, das kann man zum Beispiel dem heutigen „Standard“ ent­nehmen, in dem man eigentlich sehr klar analysiert, was jetzt im europäischen Raum im Rahmen der EU-Beitrittsländer im Verkehrsbereich bereits passiert ist. Dort wurde nämlich von den großen Konzernen unter exzessiver Auslegung aller EU-Bestimmun­gen beinhart „ausgeflaggt“. Dort wurde schlichtweg „ausgeflaggt“. Das heißt nichts an­deres, als dass man im europäischen Raum seine Mitarbeiter in Billiglohnländern an­heuert, dass man dort die LKWs kauft – ich schaue da zum Beispiel in die Runde, denn der eine oder andere ist ja auch im Handel tätig –, dass dort die Mitarbeiter auf der Payroll stehen, dass Billiglöhne gezahlt werden, dass unser Frächtergewerbe von den Angeboten unterlaufen wird. Das kann man heute wirklich sehr gut zusammengefasst hier lesen. Da sind hervorragende Beispiele im heutigen „Standard“ angeführt, wie EU-Bürger, die aus einem Billiglohnland wie etwa Polen stammen, als Fahrer angestellt werden, womit es natürlich zu einer Absenkung der Kosten kommt. Das geht sogar so weit, dass diese Frächter, wie hier so schön zitiert ist, schwere Transporter einsetzen, die von Lenkern mit B-Führerschein gefahren werden. Leichte LKW gibt es zum Teil nicht mehr, sondern zusehends bedient man sich für so kleine Fahrten der großen LKWs aus den EU-Beitrittsländern mit den billigen Fahrern, die dann in Polen, in Litauen, in Tschechien, in der Slowakei angestellt sind. – So schaut das dort aus.

Da hat es in diesem Ausschuss – es hat ja zuerst keinen sehr ausführlichen Bericht gegeben – ein interessantes Stimmungsbild gegeben. Der vom Ministerium entsandte Jurist hat sich wirklich redlich bemüht. Wir haben ein paar Mal nachgefragt, was denn eigentlich sein Ressortchef möchte. Und das muss man sich auch einmal auf der Zunge zergehen lassen: Bei einem Thema, das neun Landtage und die ganze Repub­lik bewegt – ich werde das dann im Detail noch verlesen –, glänzt der Herr Bundes­minister durch Abwesenheit. Es gibt nicht einmal eine Vertretung in Form eines Staats­sekretärs oder durch wen auch immer. Das muss man, glaube ich, wirklich überall ver­breiten, was sich die Menschen in dieser Republik von dieser Regierung bieten lassen müssen, nämlich dass bei so einem exorbitant wichtigen Wirtschaftsthema der Minister fehlt. Es hat einmal geheißen, der Herr Bartenstein ist zwar irgendwie bei der ÖVP, er


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 144

ist aber offensichtlich eigentlich die Partei Bartenstein. Das mag er halten, wie er will, aber dass er heute hier fehlt, ist ein starkes Stück. Und da hat der von ihm entsandte noch sehr junge Oberrat gemeint: Na ja, die Intentionen des Ressorts sind es nicht, Lohndumping zu betreiben.

Ja, meine Damen und Herren, was heißt denn das wirklich? – Gehen wir einmal zu­rück. Als die Kollegin Ruperta Lichtenecker hier einmal von der Bolkestein-Richtlinie gesprochen hat, hat damals der Herr Bundesminister gefragt, ob sie damit die Dienst­leistungsrichtlinie meine. Der Herr mit dem sperrigen Namen Bolkestein – sein Vorna­me ist Frits, allerdings mit „s“ geschrieben – war immerhin der Binnenmarktkommissar und hat diesen Vorschlag der Dienstleistungsrichtlinie kreiert. Und diesen Herrn Bolke­stein, der mit seinem Namen auch den Namen für diese Dienstleistungsrichtlinie gibt, darf ich wörtlich zitieren. Zitat: Die nationalen Vorschriften sind zum Teil archaisch und übertrieben aufwendig. Sie müssen schlichtweg verschwinden. – So schaut es aus!

Und was sind diese archaischen Vorschriften, meine Damen und Herren? – Das ist nichts anderes als unsere arbeitsrechtlichen, unsere gewerberechtlichen, unsere sozia­len Bedingungen, unter denen in dieser Republik gearbeitet wird. Und das soll jetzt praktisch verschwinden und soll ausgetauscht werden durch so eine Art von Rucksack­prinzip.

Ich stelle das jetzt ein bisschen plastischer dar, denn das so genannte Herkunftsland­prinzip – da werden auch viele nicht wissen, was das eigentlich sein soll – ist eigentlich nichts anderes als das Rucksackprinzip. Das heißt also, dass ein Unternehmen die Be­stimmungen des Landes, in dem es angeblich die Hauptgeschäftsgrundlage oder eine bloße Niederlassung oder vielleicht sogar nur eine Briefkastenfirma hat – das kann, wie gesagt, von Litauen bis Polen sein –, heranzieht.

Meine Damen und Herren! Das ist übrigens sehr konsumentenfreundlich, wenn ich mir vorstelle, dass ich irgendwelche Gerätschaften verwende und dass ich mich mit mei­nen Garantie- und Gewährleistungsansprüchen, von denen ich glaube, dass sie ir­gendwie im Konsumentenschutzgesetz geparkt sind, dann eines litauischen, polni­schen oder was immer Anwaltes bedienen kann. Also mit diesem Rucksackprinzip soll das jetzt ausgetauscht werden.

Ich möchte gar nicht ausführlich darauf eingehen – es sind ja dann auch noch einige Redner gemeldet –, was das im Leiharbeitsbereich bedeutet. Das heißt, irgendein Un­ternehmen wird da tätig mit seinen Mitarbeitern, die er von zu Hause mitnimmt. Das geht sogar so weit: Ein englischer Handelsbetrieb meldet hier einen Standort an, und in England gibt es dieses so genannte Rufprinzip. Das heißt, wenn sich da die Leute im Handelsbetrieb anstellen, weil halt viel Kundenfrequenz ist, dann wird zu Hause ange­rufen.

Das ist vielleicht das, was heute einmal angesprochen wurde, dass es so viele Arbeits­plätze mehr gibt. Sie wissen ganz genau, dass das Teilzeitarbeitsplätze sind. Eigentlich schaut es so aus und ist nur mehr in diese Richtung ausbaufähig, dass die Mitarbei­terin oder der Mitarbeiter überhaupt auf Abruf zu Hause sitzt. Also auch das steht uns hier ins Haus.

Warum ich als Wirtschaftstreibender mir hier eigentlich das Ziellandprinzip wünsche, kann ich Ihnen sagen. Wir brauchen nämlich heute Konsumenten (Bundesrätin Zwazl: Sie vergessen vollkommen, dass wir auch EU-Land sind!) – auch die Kollegin Zwazl mit dem eigenen Unternehmen –, wir brauchen im Handelsbetrieb kaufkräftige Konsu­menten. Nur so funktioniert die Wirtschaft und nicht, wenn wir unser Lohnniveau völlig nach unten fahren. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 145

Schauen wir uns einmal an (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) – ich werde nachher mit ein paar Zahlen und Daten aufwarten, Frau Präsidentin Zwazl –, was im Artikel 25 der Dienstleistungsrichtlinie steht! Ich möchte darauf etwas genauer eingehen.

Das schaut so aus: Das Land, zum Beispiel Österreich, darf vom Dienstleister, aber auch von den Arbeitnehmern, die dort beschäftigt sind, nicht verlangen, dass diese eine Einreise- oder Ausreiseerlaubnis, einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis vorlegen.

Was heißt das dezidiert? – Wie wollen wir bei einer Regierung, zum Beispiel in Polen, in Warschau, wo immer, anfragen, ob es einen bestimmten Arbeitnehmer in einem be­stimmten Unternehmen gibt, ob der dort überhaupt angemeldet ist, ob für ihn soziale Abgaben geleistet werden?

In Linz zum Beispiel gab es einen Vorfall – das muss man auf der Zunge zergehen lassen –, wo in einem Unternehmen koreanische Mitarbeiter um 2 € pro Stunde tätig waren.

Solche Zustände, meine Damen und Herren, brauchen wir schon deswegen nicht, weil es dann für die österreichischen Betriebe keinen fairen Wettbewerb mehr gibt. So schaut es aus!

Wenn man sich da jetzt auf irgendwelche Verträge, die da in Ausarbeitung sein sollen, beruft und sagt: Das ist eigentlich alles Schnee von gestern, diese vielen berechtigten Anträge der österreichischen Landtage!, dann muss ich sagen: Mir ist im Ausschuss von einer Kollegin der ÖVP erklärt worden, der niederösterreichische Antrag sei schon überholt, das alles sei veraltet, da wurde schon neu verhandelt.

Da möchte ich Sie schon davon in Kenntnis setzen – ich fange da ganz bewusst bei Wien an –, dass es in Wien bereits am 17. Dezember 2004 eine Resolution gegen das Herkunftslandprinzip gab. Danach folgten am 6. April 2005 Vorarlberg, Tirol am 3. Mai 2005, der Salzburger Landtag am 2. Februar 2005, Oberösterreich, Initiativantrag, am 14. Jänner und am 25. Jänner.

Und wegen der hohen Aktualität möchte ich besonders Folgendes anmerken: Dring­lichkeitsantrag des oberösterreichischen Landtages betreffend Beharren auf dem Ziel­landprinzip am 4. Oktober 2005, also nur wenige Tage alt.

Weiters: niederösterreichischer Antrag am 24. Februar 2005, und Burgenland am 2. Dezember 2004.

Ich erwähne noch einmal den Antrag des oberösterreichischen Landtages vom 4. Ok­tober 2005, und ich spreche da jetzt konkret den Kollegen Wolfinger aus Oberöster­reich an, wobei ich doch bemerken möchte, dass der Kollege Kneifel es anscheinend nicht für notwendig hält, bei solch einem Wirtschaftsthema hier anwesend zu sein.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns hier sozusagen als Dokumentation der föde­ralen Struktur dieser Republik fühlen, aber den Beschlüssen der Landtage, Kollege Wolfinger, die Ihre ÖVP-Kollegen mit den Grünen und mit den Sozialdemokraten be­schlossen haben, nicht zustimmen. – Die Abwesenheit des Kollegen Kneifel sei noch einmal angemerkt.

Es gibt einen Entschließungsantrag, wo ich nicht weiß, ob er auch wirklich eingebracht wird. Er ist von einigen ÖVP-Bundesrätinnen und -Bundesräten unterzeichnet. Da heißt es unter anderem – ich zitiere –:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 146

Es soll darauf hingewirkt werden, „dass ungerechtfertigte Barrieren im europäischen Dienstleistungshandel systematisch beseitigt werden und Arbeitnehmer, Unternehmer sowie Endverbraucher von der Öffnung der Dienstleistungsmärkte profitieren können.“

Die werden nach dem, wie das in der Dienstleistungsrichtlinie ausschaut, nicht profitie­ren, sondern die werden schlichtweg zu Draufzahlerinnen und Draufzahlern! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend zitiere ich noch einen Satz aus diesem Entschließungsantrag, in wel­chem es heißt:

„Gleichzeitig wird der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ersucht, sich dafür ein­zusetzen, dass österreichische Standards, vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge – insbesondere im Gesundheits- und Sozialsektor – aufrechterhalten werden.“

Was steht dem, was man anscheinend billigen würde, gegenüber? – Am 4. Oktober 2005 haben sich Grüne, Sozialdemokraten und die Österreichische Volkspartei im oberösterreichischen Landtag, Kollege Wolfinger, darauf verständigt, dass erstens das uneingeschränkte Herkunftslandprinzip entschieden abgelehnt wird und zweitens die Elemente der Daseinsvorsorge grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Dienstleis­tungsrichtlinie auszunehmen sind.

Kollege Wolfinger, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie hier gegen die eigenen Be­schlüsse im Landtag stimmen werden. Dann würden wir uns nämlich in diesem Hohen Haus ad absurdum führen.

Wir sind dazu da, dass das, was da vorne auf dem Plakat steht – das haben einige ÖVP-Wirtschaftsbündler unterschrieben – auch weiterhin gelten soll. Die kleinen und mittleren Betriebe brauchen eine Existenzgrundlage auch in der Europäischen Union. Daher sollten wir uns ganz entschieden gegen Herrn Bolkestein und sein völlig unsinni­ges und wirtschaftsfeindliches Vorhaben wenden.

Ich bitte jetzt noch einmal, stellvertretend für alle oberösterreichischen Bundesräte, den Kollegen Wolfinger ganz besonders, hier mit uns – ich nehme an, auch mit der Fraktion der Grünen – zu stimmen. Ich gebe Ihnen, Herr Kollege, ein kleines Lesezeichen, und Sie bekommen jetzt noch den Antrag von mir, der in Oberösterreich beschlossen wurde. Ich gebe Ihnen diesen Antrag mit dem oberösterreichischen Landeswappen drauf als Symbol. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrat Schimböck begibt sich zu Bundesrat Wolfinger und überreicht diesem den entsprechenden Antrag.)

17.45


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

 


17.45.56

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine sehr geschätz­ten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Herrn Bundsrat Schimböck dankbar dafür, dass er einen föderalistischen Akt gesetzt hat, indem er Entschließungen von Landta­gen zum Gegenstand eines Entschließungsantrages gemacht hat. Das ist ein ganz in­teressanter Akzent in einer Zeit, in der man den Bundesrat häufig vorwirft, alles andere als eine Länderkammer zu sein.

Wir alle bemühen uns, immer wieder auch Anliegen der Länder zu thematisieren. Ins­besondere gilt das natürlich, wenn das Landtage tun. Das halte ich für sehr gut.

Weniger gut habe ich gehalten, dass Sie sich, Herr Bundesrat Schimböck, dabei auf zwei Landtage beschränkt haben, die anderen sozusagen ausgegrenzt haben. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schimböck.) Bitte? (Bundesrat Schimböck: ... vorgele-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 147

sen!) Nein, Entschuldigung! Sie beziehen sich in Ihrem Entschließungsantrag darauf, dass der Bundesrat die Entschließungen von zwei Landtagen unterstützen soll.

Sie haben jetzt selber dokumentiert, dass es in fast allen anderen Landtagen auch ent­sprechende Entschließungen gegeben hat. Ich hätte mir schon erwartet, dass man hier die anderen Bundesländer auch mit einbezieht. Aber ich kann schon auch ein bisschen verstehen, dass damit die Diskussion – und ich werde das jetzt ausführen – für Sie etwas komplizierter geworden wäre.

Die meisten der erwähnten Landtagsentschließungen stammen aus einer Zeit vor dem 23. März dieses Jahres. Dieses Datum ist deshalb wichtig, weil zu diesem Zeitpunkt der Europäische Rat übereingekommen ist, dass die Kommission den bisherigen Richtlinienentwurf überarbeiten muss. Das heißt, er ist in der damals zu Recht kritisier­ten Form nicht mehr Gegenstand der weiteren Beratungen in der Europäischen Union gewesen. (Ruf bei der SPÖ: Das ist falsch!)

Es hat nachher natürlich auch noch entsprechende Willensäußerungen von Landtagen gegeben, namentlich in Tirol und in Vorarlberg, und zwar nach diesem Datum, als die Landtage darauf hingewiesen haben, dass die Bundesregierung weiterhin im Sinne der gemeinsamen Länderstellungnahme des Jahres 2004 – die hat es auch gegeben – tätig bleiben möge.

Der Herr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat dem Vorarlberger Landtag dann – das finde ich eine nette Geste – auch tatsächlich eine Antwort zukommen lassen, obwohl er gar nicht Adressat einer Landtagsentschließung sein kann, und er schreibt – ich zitiere hier zusammenhängend – Folgendes:

Der derzeitige Entwurf muss jedoch verbessert werden, um die österreichischen Stan­dards abzusichern. Erforderlich ist etwa eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleis­tungsrichtlinie von der Entsenderichtlinie, in deren Anwendungsbereich das Herkunfts­landprinzip nicht gilt, weiters von der Berufsanerkennungsrichtlinie. Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie für sensible Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, insbesondere im Gesundheits- und Sozialsektor, sind gleichfalls nötig. – Und so weiter und so fort.

Es wird hier also vom Wirtschaftsminister ausführlich dokumentiert, was im Sinne die­ser Landtagsentschließungen bereits erreicht wurde, nämlich: Rückziehung des ur­sprünglichen Vorschlages, Auftrag an die Kommission, das im Lichte der Stellung­nahme zu überarbeiten.

Vom Vorarlberger Landtag ist mir nicht bekannt geworden, dass er mit dieser Antwort des Herrn Wirtschaftsministers nicht zufrieden gewesen wäre.

Wir verstehen natürlich, dass die Ablehnung des Entschließungsantrages im Aus­schuss für Sie – aber auch für die Sache – unbefriedigend ist. Einiges ist noch zu tun, das ist keine Frage, und daher ist es wahrscheinlich auch für den Wirtschaftsminister hilfreich, sich bei Verhandlungen darauf berufen zu können, dass die Länder und die beiden Kammern des Parlaments eine entsprechende Einflussnahme von ihm erwar­ten. Daher haben wir uns entschlossen – auch in Anbetracht dessen, dass noch mehr Landtage als der oberösterreichische und der niederösterreichische Landtag entspre­chende Entschließungen gefasst haben, und unter Berücksichtigung dessen, was an österreichischer Position bereits erfolgreich vertreten werden konnte –, folgenden Antrag, von dem ein Exemplar bereits dem Präsidium vorliegt, hier einzubringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Jürgen Weiss, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die weiteren Verhandlungen zur Dienstleistungsrichtlinie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 148

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wird auch im Hinblick auf Entschließun­gen mehrerer Landtage ersucht, in den Verhandlungen über die Dienstleistungsricht­linie auch weiterhin aktiv daran mitzuwirken, dass ungerechtfertigte Barrieren im euro­päischen Dienstleistungshandel systematisch beseitigt werden und Arbeitnehmer, Un­ternehmer sowie Endverbraucher von der Öffnung der Dienstleistungsmärkte profitie­ren können. Gleichzeitig wird der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ersucht, sich dafür einzusetzen, dass österreichische Standards, vor allem im Bereich der Daseins­vorsorge – insbesondere im Gesundheits- und Sozialsektor – aufrechterhalten werden.

*****

Soweit der Wortlaut des Beschluss-Antrages – Herr Kollege Schimböck ist in seiner Wortmeldung schon kurz darauf eingegangen.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass natürlich die Beseitigung von Barrie­ren und auch eine im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an sich zweckmäßige Systematisierung dieses Bereiches ja beileibe kein Selbstzweck sein kann, sondern eine dienende Funktion hat, nämlich im Interesse auch der Arbeit­nehmer und Unternehmer unseres Landes einen Fortschritt zustande zu bringen.

Ich hoffe sehr, dass wir uns bei unserer Willensäußerung, bei dem, was wir von der Bundesregierung und vom Bundesminister erwarten, auf einen gemeinsamen Nenner einigen können. Das wäre gut, weil es in der Sache selbst ja keine wesentlichen Unter­schiede, sondern, wie ich denke, einfach auch noch gerne fortgeführte Missverständ­nisse gibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.52


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Jürgen Weiss, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend die weiteren Verhandlungen zur Dienstleistungsrichtlinie ist genü­gend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lichtenecker. – Bitte.

 


17.53.10

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen sind prinzipiell dafür, dass wir für eine Situation sorgen, in der wir einen stabilen, starken Binnenmarkt haben – das ist das Grundsätzliche, das wir sozusagen drüberstellen. Klar ist aber, dass wir in den Bereichen VerbraucherInnenschutz, Lohnniveau, Umwelt und Soziales europaweit sehr gute Standards haben wollen. Das ist die Grundvoraussetzung.

Es hat im Februar einen Entwurf gegeben, der dann in der ursprünglichen Form nicht zur Abstimmung gekommen ist, aber es bestehen bei den Menschen natürlich viele Ängste und Sorgen diesbezüglich. Beispiele dafür hat Kollege Schimböck vorhin schon genannt.

In Oberösterreich hat sich auch eine Plattform gegründet, wo Sorgen im Hinblick auf den alten Entwurf zum Ausdruck gebracht wurden. Ich möchte die dabei angesproche­nen Punkte hier näher ausführen. Das soll hier auch als Diskussionsgrundlage für wei­tere Entschließungsanträge dienen. Wir Grünen bringen übrigens hier ebenfalls einen Entschließungsantrag ein.

Welche Punkte betreffen die Änderungsvorschläge, die mit berücksichtigt werden sol­len?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 149

Das ist erstens einmal das Herkunftslandprinzip. Die Art und Weise, wie das diskutiert worden ist, nämlich sozusagen der Wettlauf nach unten beim Arbeitsrecht, beim Um­weltrecht und beim Konsumentenschutz, hat zu großer Sorge bei den Menschen, bei der Bevölkerung geführt. Natürlich bestand auch Sorge um die kleinen und mittelstän­dischen Unternehmungen, die dann der Billigkonkurrenz ausgeliefert werden.

Ein zentraler Punkt ist auch der zunehmende Druck auf die öffentlichen Dienstleistun­gen, was auch wir als grüne Fraktion in keinerlei Weise wollen. Im Gegenteil!

Sorge besteht auch dahingehend, dass es jetzt auf einmal mit dieser Dienstleistungs­richtlinie (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl) – auch mit dem neuen Entwurf, Frau Präsidentin – dazu kommen kann, dass wir mit 25 Rechtsordnungen konfrontiert sind. Da gibt es eine Menge Sorgen, denen jetzt in den neuen Änderungsvorschlägen Rech­nung getragen werden muss.

Ein weiterer Punkt ist, dass der Schwarzarbeit und der Steuerhinterziehung mit einem etwaigen Entwurf, der unglücklich ausgefallen ist, Vorschub geleistet wird.

Selbstverständlich zu erwähnen ist der Punkt – und da schaue ich zu Kollegin Bachner hin –, dass ArbeitnehmerInnenrechte ganz grundsätzlich untergraben werden. Stich­wort: Kündigungs- und Entlassungsschutz.

Es besteht die berechtigte Sorge, dass es auf einmal legal ist, auf verschiedenste Art und Weise LeiharbeiterInnen aus Griechenland oder Großbritannien zu holen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) Bei der Leiharbeit ist es in der Regel etwas ande­res. – Es besteht diese Befürchtung, und ich denke, dass man dem auch Rechnung tragen und die Vorschläge und Wünsche entsprechend einarbeiten muss.

Es ist in Österreich im Moment nicht einfach, den aktuellen Stand zu Gesicht zu be­kommen. Es gibt sehr unterschiedliche Auskünfte auf allen Ebenen und auch in den Ministerien darüber, was de facto vertreten wird. Aus diesem Grund werden wir heute hier auch einen Entschließungsantrag einbringen, der in die Richtung geht, dass es die Regeln des Ziellandes sein müssen – die gelten für die Dienstleistungserbringer –, dass die hohen Sozial-, Lohn-, Qualitäts- und Umweltstandards eingehalten werden müssen. Es läuft darauf hinaus, dass eine Positiv-Liste darüber erstellt werden muss, welche kommerziellen Dienstleistungen betreffend das zur Anwendung kommen kann. – In diese Richtung soll das gehen. Mein Kollege wird diesen Entschließungs­antrag dann in dieser Form einbringen.

Auch ganz kurz zur gemeinsamen Entschließung in Oberösterreich: Es haben sich sehr wohl alle Fraktionen dazu finden können, einen Antrag an die Regierung gemein­sam zu verabschieden, und zwar ein Ersuchen, all das, was ich jetzt da erwähnt habe, all die Sorgen ernst zu nehmen.

Es wundert mich sehr, dass es de facto hier in diesem Raum, in diesem Gremium, in dieser Institution Bundesrat anscheinend nicht möglich ist, dass sich ÖVP und auch BZÖ/FPÖ ein Stück bewegen und dem Antrag, der in vielen Landtagen – auch in Vor­arlberg – Zustimmung gefunden hat, zustimmen, dass er also parteiübergreifend ange­nommen wird. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


17.59.00

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr verehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Kollegen des Hohen Hauses! Herr Präsident Weiss, Sie haben die Initia­tive von Herrn Schimböck gelobt und gewürdigt in der Richtung, dass sie gleichzeitig


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 150

eine Aufwertung des Bundesrates bedeutet. Ich denke, es könnte eine Sternstunde des Bundesrates sein, wenn ein solch zentrales, fundamentales europäisches Thema wie die Dienstleistungsrichtlinie – die, wenn sie vollzogen wird, in der Lage ist, das europäische Ziel zu zertrümmern – dazu genützt würde, das föderale Prinzip, die Inter­essen der Regionen stärker zu betonen und nicht mit der zentralen Vereinheitlichungs-Keule drüberzufahren.

Es wäre eine Chance für den Bundesrat und eine Chance für den Föderalismus, hier nicht den Vorgaben des Ministeriums zu folgen. Es ist kein Zufall, dass die Landtage so massiv dagegen angelaufen sind, und es stimmt in Wahrheit nicht, dass der Ent­wurf wesentlich verbessert worden ist.

Das Kernproblem der Dienstleistungsrichtlinie ist das Herkunftslandprinzip. Solange die Richtlinie diesem Prinzip folgt, ist eine Lösung in unserem Sinne nicht möglich, denn das Herkunftslandprinzip hat Folgewirkungen. Da kann man höchstens für einige Be­rufsgruppen und Branchen Ausnahmen hineinreklamieren, so geschehen für die Ge­sundheitsberufe, aber das ist viel zu wenig! Alle anderen Bereiche werden der Deregu­lierung ausgesetzt – Arbeitnehmer wie Gewerbe-, Handeltreibende, Kaufleute.

Frits Bolkestein, der frühere Binnenmarkt-Kommissar, hat in aller Offenheit gesagt: „Die nationalen Vorschriften sind zum Teil archaisch, übertrieben aufwändig und ver­stoßen gegen das EU-Recht. Diese Vorschriften müssen schlichtweg verschwinden.“

Mit dem Herkunftslandprinzip würden 25 Rechtssysteme in Konkurrenz treten, und zwar nach unten. Es würden sich die jeweils billigsten Rechtssysteme durchsetzen. – Und das ist offensichtlich Absicht! (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Man kann jetzt – was ein Ausweg wäre, aber das ist nur eine Scheinlösung – bei Bei­behaltung des Herkunftslandprinzips Branchen hineinreklamieren. Aber was passiert? Die Branchen mit starken Lobbyisten in Brüssel werden sich durchsetzen, alle anderen bleiben übrig. Die starken Regionen, die starken Nationen setzen sich durch, die ande­ren bleiben übrig. Ein irrsinniger bürokratischer Aufwand, eine legistische Monsterauf­gabe wäre die Folge.

Die Lösung wäre nur darin zu suchen, dass das Herkunftslandprinzip in den Mülleimer geworfen wird und das Entsendelandprinzip wieder gilt. Man könnte sich auf Fristen einigen, bis der europäische Prozess so weit fortgeschritten ist und sich die Systeme so weit angepasst haben, dass man den Markt tatsächlich öffnen kann. Aber die Sys­teme sind dermaßen unterschiedlich, dass das nichts anderes bedeuten würde – was ohnehin tendenziell schon der Fall ist und auch von der Bevölkerung in Europa ent­sprechend abgelehnt wird –, als dass die Kleingewerbetreibenden, die Arbeitnehmer, die Masse der kleinen Leute den Preis bezahlen für die Steigerung des Wettbewerbs, einen Wohlfahrtsverlust erleiden.

Ich könnte die Gründe, die gegen diese Dienstleistungsrichtlinie sprechen, in einigen Überschriften zusammenfassen:

Das Herkunftslandprinzip ist abzulehnen, weil es zu einem Unterbieterwettlauf bei Arbeits-, Umwelt- und Konsumentenschutzstandards führt, weil es zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe der Billigkonkurrenz aus dem EU-Ausland ausliefert. 25 Rechts­ordnungen in einem Land führen zu einem Rechtschaos. In Österreich würden dann 25 Rechtsordnungen gelten. Bitte, stellen Sie sich das einmal vor! Wer soll da noch etwas überblicken und kontrollieren? – Eben niemand mehr!

Es herrscht pure Anarchie, weil die Kontrolle von Schwarzarbeit und Steuerhinterzie­hung vor Ort nicht mehr möglich wäre. Kündigungs- und Entlassungsschutz, Kranken­geld, die Möglichkeit, einen Betriebsrat zu wählen, ließen sich nämlich ausschließlich nach österreichischem Recht vollziehen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 151

Die Leiharbeit – ein Riesenproblem.

Abfallentsorger könnten in Österreich nach Recht des Herkunftslandes tätig werden und damit den hohen österreichischen Umweltstandard untergraben, und so weiter.

Das Herkunftslandprinzip würde den Standortwettbewerb weiter anheizen, und zwar mit einer Spirale dramatisch nach unten. Ich gebe Folgendes zu bedenken:

Mister Europa, Jacques Delors, hat, als er die Europäer für eine Zustimmung zu dem Binnenmarktprojekt gewinnen wollte, gesagt, vor einer Marktöffnung werden Rahmen­bedingungen und Mindeststandards in den einzelnen Sektoren zu harmonisieren sein. – Vor einer Marktöffnung!

Jacques Delors hat weiters gesagt, die europäischen Sozialpartner können dabei aktiv mitgestalten über einen sozialen Dialog. – Ist auch nicht erfüllt worden.

Zusammengefasst sei gesagt, hinter diesem harmlosen Wort „Richtlinie“ verbirgt sich ein Instrument, das gewaltige Auswirkungen auf das Zusammenleben, auf das Wirt­schaftsleben, auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt haben würde. Europas sozia­les Gefüge würde zertrümmert, kein Stein bliebe auf dem anderen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich dramatisiere nicht – das ist die Meinung der Experten!

Offensichtlich teilten die Landtage diese Sorge, denn sie forderten die Regierung auf, diese Richtlinie mit dem Herkunftslandprinzip zu Fall zu bringen. Der in diesem Zusam­menhang von der Österreichischen Volkspartei eingebrachte Antrag ist meines Erach­tens zu vage formuliert. Sie machen den den Markt betreffenden radikalen Intentionen von Minister Bartenstein die Mauer mit Ihren Formulierungen, dass Barrieren abgebaut werden sollen. – Was sind Barrieren? Barrieren sind immer auch Schutzmaßnahmen für inländische Märkte, egal ob Arbeitsmärkte oder Warenmärkte oder Dienstleistungs­märkte. (Bundesrat Dr. Kühnel: ... falsche Organisation!)

Sie würden dem Föderalismus einen Bärendienst erweisen, wenn Sie hier den zentra­len Vorgaben des Ministeriums folgen. Negieren Sie den Klubzwang auf Regierungs­seite, verhöhnen Sie nicht die von der Verfassung vorgesehene Aufgabe für den Bun­desrat! (Bundesrat Weiss: Also das ist schon ein starkes Stück, diese Formulierung, finden Sie nicht!) Ja, das ist ein starkes Stück, was da bevorsteht, was da geplant ist, was hier zur Debatte steht. Das ist ein starkes Stück (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck), und das verlangt wirklich eine ernsthafte Auseinandersetzung.

Das ist ein Gesetzesgebilde, das von vielen Menschen noch nicht verstanden wird. Aber ich mache darauf aufmerksam, die Leute spüren sehr wohl, was das heißt. (Bun­desrat Mag. Himmer: Wenn Sie diejenigen überzeugen wollen ...!) Die französische Bevölkerung hat nicht zufällig die Europäische Verfassung abgelehnt. (Neuerlicher Zwi­schenruf des Bundesrates Mag. Himmer. – Bundesrat Hösele: Unterstellen Sie denen, was Präsident Weiss hier vorgetragen hat?)

Es gibt ja Entschließungsanträge der Landtage. Aus gutem Grund wird dort vor allem das Herkunftslandprinzip abgelehnt. (Bundesrat Hösele: Haben Sie zugehört? – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Minister Bartenstein braucht hier offensichtlich gar nicht zu erscheinen, was ich ebenso bedauere wie mein Kollege Schimböck angesichts dieser Thematik, die eine derartige Tragweite hat. Entweder verlässt er sich auf Sie (in Richtung ÖVP), dass Sie ohnehin seine Geschäfte erledigen, oder er nimmt den Bundesrat nicht ernst, ich weiß es nicht. Man kann das interpretieren in jede Richtung.

Ich erinnere Sie, Kollege Kneifel, Kollege Tiefnig, Kollege Wolfinger, Kollege Baier, Kol­lege Spiegelfeld-Schneeburg, ich erinnere euch: Es gibt zwei einstimmige Beschlüsse des Oberösterreichischen Landtages, der letzte von voriger Woche, und der Oberös-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 152

terreichische Landtag hat sich sehr wohl auf den letzten Stand der Verhandlungen gebracht und auch mit berücksichtigt, dass die Europäische Volkspartei den Antrag gestellt hat, die Binnenmarkt-Ausschusssitzung letzte Woche abzusagen, um weitere Verhandlungen zu führen. Letzte Woche sollte schon über die Dienstleistungsrichtlinie im Binnenmarkt-Ausschuss des Europäischen Parlaments verhandelt werden. Auf Ini­tiative Ihrer Schwesterpartei auf europäischer Ebene wurde diese Ausschusssitzung abgesagt, um das Ganze noch einmal zu überlegen, weil sie nicht mehr sicher sein konnte, dass es eine Mehrheit findet.

Die Abhandlung dieser Dienstleistungsrichtlinie wird während des österreichischen EU-Vorsitzes im nächsten ersten Halbjahr erfolgen. Bedenken Sie, egal wie Sie abstim­men: Die Menschen werden sich nicht überfahren lassen! Wir waren am 19. März dieses Jahres mit 150 000 protestierenden Arbeitnehmern in Brüssel, für den 25. Okto­ber war in Straßburg eine Demonstration geplant, sollte das Europäische Parlament Ende Oktober darüber abstimmen. Die Abstimmung wurde verschoben.

Man braucht nicht zu drohen, man braucht nur die Situation zu analysieren. Die Ver­handlung eines Kompromisses fällt in die Zeit der österreichischen EU-Präsidentschaft, und ich denke, hier ist ein klarer Standpunkt des Bundesrates sicher von Vorteil, der einen Kompromiss fördern würde und der einen vielleicht nicht einsichtigen Minister doch zum Einlenken bringen könnte. Helfen Sie mit, dem Föderalismus hier im Haus zur Wirkung zu verhelfen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.13


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich darf ihm dieses erteilen.

 


18.13.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dienstleistungsrichtlinie beschäftigt wirklich ganz Europa – ganz egal, auf welcher Ebene, durch welche Parteien, durch welche Fraktionen. Es ist kein Wunder, dass die Landtage in Österreich, dass die Arbeiter­kammer, dass alle Fraktionen darin einer Meinung sind. Erinnern Sie sich an die Bolke­stein-Richtlinie, erinnern Sie sich bitte daran, dass wir alle hier fassungslos waren über die Ablehnung der Verfassung zur Europäischen Union! Was war denn da der eigent­liche Hintergrund? Das war die Bolkestein-Richtlinie! Die Dienstleistungsrichtlinie war der Hauptgrund dafür, dass Frankreich mit Nein gestimmt hat; das ist mittlerweile durch die Aufarbeitung dieses Nein herausgekommen.

Es ist aber nicht so, dass das Thema abgesagt ist (Bundesrat Konečny: Im Gegen­teil!); das ist hier irgendwie aufgekommen. Gar nichts ist abgesagt! Der Binnenmarkt-Ausschuss entscheidet im November 2005, und das Plenum ist angesetzt für Jän­ner 2006. Nichts ist abgesagt!

Was noch viel schlimmer ist: Es kann ein völlig inkohärentes Regelwerk entstehen. Es sind 1 124 Anträge zur Dienstleistungsrichtlinie im Europäischen Parlament eingegan­gen. Na servus, wenn da 30 abgelehnt und andere wieder angenommen werden, die in keiner Weise auch nur irgendwie zusammenpassen! Es droht ein Sozialdumping, eine Liberalisierung, die von der Bevölkerung in Europa so nicht mitgetragen wird. Nichts schädigt das Ansehen Europas mehr, als wenn das, was hier als Richtlinie vorliegt, auch so Realität wird. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ja, sagen wir es so, wie es ist: Der Streitpunkt – auch wenn er hier nicht ausgespro­chen wird – ist das Herkunftslandprinzip. Was bedeutet das Herkunftslandprinzip, um uns das einmal zu vergegenwärtigen? Das bedeutet, dass in Österreich 25 verschie­dene Rechtsordnungen zur Anwendung kommen und ungleiche Wettbewerbsbedin-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 153

gungen geschaffen werden, dass Unternehmen mit Sitz in einem Land mit niedrigen Standards ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile lukrieren.

Was sind die Folgen? – Verdrängungswettbewerb, Lohn- und Sozialdumping, Verlage­rung und Standortwettbewerb. Wir erkennen das bereits an der Debatte über die nied­rigen Unternehmensbesteuerungen. Die unterschiedlichen Rechtssysteme führen zu einer enormen Rechtsunsicherheit bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, bei den Konsumenten und Konsumentinnen und bei den Unternehmen selbst.

Meine Damen und Herren! Auch das Arbeitsrecht ist nach dem, was derzeit vorliegt, nur zum Teil aus dem Herkunftslandprinzip ausgenommen. Das heißt, eine Aufwei­chung des Prinzips Entgeltfortzahlung bei Krankheit, Kündigungsschutz, Versetzungs­schutz und so weiter steht hinter dieser Diskussion.

Ich lese Ihnen einmal die Liste an Forderungen, was ausgenommen werden soll – soll! –, was derzeit aber enthalten ist, vor: Leiharbeit, der gesamte Bereich der Da­seinsvorsorge, also Dienstleistungen im allgemeinen Interesse und Dienstleistungen im allgemeinwirtschaftlichen Interesse, die Bildung, Forschung und Entwicklung, Gesund­heit und alle Krankenhäuser, Pflege, die Tätigkeit der Sozialversicherungen, die Quali­tätssicherung, Sicherheitsbereiche wie das Waffenrecht, Beschussrecht, explosive Stoffe, ethisch sensible Bereiche wie die Biotechnologie, hoheitliche Aufgaben wie No­tare und Gerichtsvollzieher, nichtanwaltliche Rechtsberatung, auf Schuldverhältnisse anwendbares Recht, einschließlich des Rechts auf freie Rechtswahl, das Kartellrecht, Dienstleistungen verbunden mit dauernder oder zeitweiser Ausübung öffentlicher Ge­walt.

Geprüft werden derzeit die Verkehrsdienstleistungen, das Glücksspiel, der gesamte Bereich der audiovisuellen Medien, Zeitungen, Filmförderung, Abwasserversorgung, der gesamte Abfallbereich, Atom- und Strahlenschutz, das Steuerwesen, einschließlich der Besteuerung von Dienstleistungen.

Ich habe Ihnen jetzt die Ausnahmeanforderungen in 1 124 Anträgen vorgelesen. Diese 1 124 Anträge fordern in unterschiedlicher Weise Ausnahmen. Jetzt ist all das, was ich Ihnen aufgezählt habe, enthalten, und daran sehen Sie, was das für Auswirkungen auf das soziale, auf das Wirtschaftssystem, auf die Kontrolle und nicht zuletzt auf die ar­beitsrechtlichen Standards in unserem Land hat.

Liebe Kollegen Weilharter und Weiss! Ich habe keine polemische Rede gehalten, son­dern ich habe einfach gesagt, was Sache ist. Aber eines muss ich schon sagen: Wenn Sie beide den Bundesminister für Arbeit auffordern, weiterhin aktiv mitzuarbeiten, dann, muss ich ehrlich sagen, verstehe ich das nicht. Entweder – Kollege Weilharter, Sie sind Steirer – ist Herr Bartenstein amtsmüde oder er hat gesagt, er möchte nicht mehr mitarbeiten, dass wir ihn jetzt auffordern, weiterhin aktiv mitzuarbeiten, denn das ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Die Landtage, wo auch immer, und auch Ihre Fraktionen, auch die Fraktion christlicher Gewerkschafter in der Arbeiterkammer, wol­len eine andere Antwort als nur, dass Kollege Bartenstein weiterhin aktiv mitarbeitet.

In diesem Sinne bringen auch wir einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, bei den Ver­handlungen auf nationaler als auch auf EU-Ebene, insbesondere auch während der österreichischen EU-Präsidentschaft


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 154

den vorliegenden Vorschlag der Kommission betreffend eine Richtlinie des Europäi­schen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt abzulehnen und sich für die Vorlage eines neuen Entwurfs von Seiten der Europäischen Kommis­sion einzusetzen.

dafür einzutreten, dass, solange keine Harmonisierung stattgefunden hat, die Regelun­gen des Ziellands gelten müssen und nicht die des Herkunftslandes und dass außer­dem das Zielland für die Kontrolle der Dienstleistungserbringer zuständig sein muss.

ein „race to the bottom“ zu den niedrigsten Anforderungen für Dienstleistungserbringer zu verhindern indem sie für hohe Sozial-, Lohn-, Qualitäts- und Umweltstandards ein­treten – die mittels eines Koordinationsprozesses u. a. über Genehmigungsregeln, Anforderungen an Dienstleistungserbringer, die eine Niederlassung gründen wollen für einzelne Sektoren auf hohen Niveau harmonisiert werden.

sich für die Erstellung eines Vorschlags einer Positivliste mit ausschließlich kommer­ziellen Dienstleistungen einzusetzen, damit genau definiert ist, auf welche Bereiche die Dienstleistungsrichtlinie anzuwenden ist. Diese Positivliste darf die Leistungen der Da­seinsvorsorge, sowie weitere sensible Bereiche wie etwa Gesundheitsdienstleistungen und sonstige soziale Dienste, Bildung, Kultur und audiovisuelle Dienste nicht enthalten.

sich für die Erstellung einer EU-weiten Studie einzusetzen, in der die sozialen, recht­lichen, volkswirtschaftlichen, ökologischen, wettbewerbsmäßigen und regionalen Aus­wirkungen der geplanten Regelungen auf die einzelnen Sektoren in den einzelnen EU-Länder von unabhängigen Forschungsinstituten untersucht werden.

*****

Das ist der Entschließungsantrag, den wir einbringen. Und wir bitten Sie, diesen klei­nen Schritt gemeinsam mit uns zu gehen. Auch dieser Antrag sagt nicht, dass wir grundsätzlich gegen eine europäische Regelung bei Dienstleistungen sind, aber es kommt darauf an, welche. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.23


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Der von den Bundesräten Schennach, Kol­leginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Rücknahme des Entwurfes der Dienstleistungsrichtlinie ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Boden das Wort.

 


18.23.32

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Herr Vizepräsident Weiss, ich schätze natürlich Ihre Arbeit, die Sie immer wieder für den Föderalismus einbringen, ich verstehe es allerdings nicht, wenn Sie hier sagen, dass die Entschließungsanträge beider Fraktionen in der Sache das Gleiche sind, sie aber unserem nicht zustimmen. (Bundesrat Weiss: Habe ich ja gar nicht ge­sagt! – Bundesrat Bieringer: Wo hat er das gesagt?) Wenn sie in der Sache das Gleiche sind, dann können Sie auch unserem Entschließungsantrag zustimmen! (Zwi­schenruf des Abg. Bieringer.) – Zuerst gesagt – Herr Professor Böhm, Sie können das bestätigen –: In der Sache das Gleiche, aber wir bringen einen eigenen Entschlie­ßungsantrag ein. – Sie könnten auch unserem Entschließungsantrag zustimmen. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Verehrte Damen und Herren! Diese Dienstleistungsrichtlinie ist sehr umfangreich, und auch die Anträge dagegen beziehungsweise die Anträge, mit denen sie abgeändert werden soll, sind, wie wir schon gehört haben, sehr umfangreich.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 155

Haben Sie schon einmal den Versuch gestartet und jemanden gefragt: Was sagen Sie zur Dienstleistungsrichtlinie? (Ruf bei der ÖVP: Wahrscheinlich gar nichts, weil sie keiner kennt! – Bundesrat Konečny – in Richtung ÖVP –: Sie auch nicht, nehme ich an! Der erste richtige Zwischenruf nach neuneinhalb Stunden!) – So schaut es nämlich aus. Völlig richtig.

Man erhält meistens keine Antwort, oder wenn man Mandatare fragt, was Sie von der Dienstleistungsrichtlinie halten, so hört man immer wieder: Ich muss mir die Richtlinie erst ansehen!, oder: Ich weiß noch nicht, was drinsteht!

Wenn man sich die Abstimmungen dazu anschaut, stellt man immer wieder fest, dass EU-Abgeordnete, die in der Öffentlichkeit dagegen sind, bei der Abstimmung dann ganz einfach zustimmen.

Ich glaube, dass es in Zukunft sehr wichtig sein wird, diese Richtlinie auf einer breiten Basis zu diskutieren und dieser Richtlinie nur dann zuzustimmen, wenn eine breite Basis dieser Richtlinie zustimmt.

Ich möchte nur ein kleines Beispiel bringen. Ein Unternehmer meldet seinen Sitz oder seinen Standort im Ausland an. Für die Arbeiter, für die Angestellten offensichtlich keine Veränderung. Nur: Wenn das Herkunftslandprinzip seine Gültigkeit hat, wie viel Urlaub hat dann dieser Arbeiter? Was passiert, wenn er in den Krankenstand geht? Was ist dann mit all den sozialen Aspekten, die in Österreich gelten? Gelten die dann auch für diesen Arbeiter? – Ich glaube, da muss man sehr wohl differenzieren und überlegen.

Oder ein anderes Beispiel: Wie Sie wissen, darf man in Frankreich auch bei Rot nach rechts abbiegen. Haben Sie schon daran gedacht, welche Konsequenzen es hat, wenn ein Franzose in Wien bei Rot rechts abbiegt und einen Unfall verursacht? Wie kommen Sie zu Ihrem Recht? Ich glaube, man muss sich all diese Aspekte sehr wohl überlegen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das hat mit Dienstleistung nichts zu tun! – Bundesrat Mag. Himmer: Das hat mit der Straßenverkehrsordnung zu tun!)

Herr Vizepräsident Weiss, Sie haben es bereits angesprochen: Der Niederösterreichi­sche Landtag hat schon vor dem März, nämlich am 24. Februar, in seiner 22. Sitzung, einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, und zwar die Abgeordneten Mag. Wil­fing, Erber, Dr. Prober, Schittenhelm, Rinke und Hiller – alle keine Abgeordneten der Sozialdemokraten. Die sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Ausschuss haben sich diesem Antrag natürlich angeschlossen.

Für mich ist die Aufforderung an die Bundesregierung wichtig: Es soll in der Richtlinie der Binnenmarkt klargestellt werden. Eine durch die schrankenlose Einführung des Herkunftslandprinzips bewirkte InländerInnen-Diskriminierung soll verhindert werden. Es soll keine Maßnahme gesetzt werden, die zu einem erheblichen Verwaltungsmehr­aufwand und damit zu erhöhten Kosten führt, und einige Punkte mehr.

Sie haben es bereits erwähnt: Es sind einige Landtage, die einen Antrag ausgearbeitet und eingebracht haben. (Bundesrat Weiss: Und einen Monat später ist die Kommis­sion beauftragt worden, die Richtlinie ...! – Bundesrat Konečny – in Richtung ÖVP –: Sie hat es aber nicht getan! Das stimmt so nicht!) – Ja, beauftragt worden, aber es hat sich an der Richtlinie selbst nichts verändert. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Bundesrat Konečny: Nein, die sind jetzt im Parlament!)

Wir wollen dem Herkunftslandprinzip auf keinen Fall zustimmen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.29


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile ihr das Wort.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 156

18.29.17

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Leider ist kein Minister auf der Regie­rungsbank. Liebe Frau Kollegin Zwazl, du hast uns vorher erklärt, dieser Landtagsbe­schluss hätte sich mehr oder weniger schon erübrigt, weil er schon großteils erfüllt ist oder obsolet sei. (Bundesrätin Zwazl: Nein, ich habe gesagt, dass er veraltet ist!) – Er ist veraltet. Obsolet ist er, nicht? (Bundesrätin Zwazl: ... veraltete Voraussetzungen gegeben waren!)

Dann würde ich bitten, dass die Landesregierung, wenn ein Landtagsbeschluss obsolet wird, dies dem Landtag mitteilt. Vielleicht kannst du das weiterleiten. Es wäre eine spannende Geschichte, wenn die Landesregierung dem Landtag dann eine Rückmel­dung gäbe. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Das hat unser Klub nicht bekommen, offensichtlich also nicht der gesamte Landtag. Aber vielleicht kann man das weiterleiten und bewerkstelligen, dass das in Zukunft alle Landtagsfraktionen erhalten.

Ich weiß nicht, wie weit jetzt der Diskussionsstand ist. In der EU liegen angeblich 1 200 Abänderungsanträge; hier bei uns gibt es jetzt insgesamt vier Entschließungsan­träge. Diese habe ich verglichen – und da, muss ich sagen, fallen mir schon einige Un­terschiede auf: So zum Beispiel ist in dem Antrag, den heute Herr Kollege Weiss ein­gebracht hat, die Ausnahme für den sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge, insbeson­dere im Gesundheits- und Sozialsektor, und für Glücksspiele interessant. (Bundesrat Weiss: Dazu hat die SPÖ im Nationalrat sogar einen eigenen Entschließungsantrag gehabt!)

In unserem Entschließungsantrag geht es um eine Positivliste für die Leistungen der Daseinsvorsorge. Da gibt es sensible Bereiche wie Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienste, Bildung, Kultur und audiovisuelle Dienste. – Die Glücksspiele sind uns also nicht so wichtig, dafür aber umso mehr die Bereiche Bildung und Kultur.

Was den Niederösterreichischen Landtag betrifft, ist es so, dass so genannte Dienst­leistungen in der Daseinsvorsorge, insbesondere Gesundheits- und Sozialdienstleis­tungen – das haben wir alle in unseren Anträgen drinnen –, die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft, Bildung und Kultur ausgenommen sind.

Allein daran kann man erkennen: Was die wichtigsten Bereiche der Daseinsvorsorge sind, darüber gibt es nicht unbedingt eine hundertprozentige Übereinstimmung. Daher würde ich schon bitten, das einmal zu klären.

Zu einem weiteren Punkt im Entschließungsantrag des Herrn Kollegen Weiss, ein An­trag, den ich an und für sich sehr gern unterstützen würde, wenn man ein bisschen etwas streichen würde. Ich würde jederzeit die Formulierung unterschreiben: Der Bun­desminister für Wirtschaft und Arbeit wird auch im Hinblick auf Entschließungen mehre­rer Landtage ersucht, in den Verhandlungen über die Dienstleistungsrichtlinie daran mitzuwirken, dass Arbeitnehmer, Unternehmer sowie Endverbraucher von der Öffnung der Dienstleistungsmärkte profitieren können“. – Dazu also ein Ja, auch wenn man gleichzeitig hineinschreibt, dass ungerechtfertigte Barrieren im europäischen Dienst­leistungshandel systematisch beseitigt werden sollen.

Wenn weiter vorne im Antrag des Kollegen Weiss steht, dass die Zielsetzung durch die Implementierung des Herkunftslandprinzips erreicht werden kann, so ist das für mich einfach ein Widerspruch. Daher kann ich diesem Teil nicht zustimmen.

Genau so, wie es Kollege Schennach heute schon gesagt hat, stelle auch ich mir das vor: Wenn es bei der EU genauso zugeht – eigentlich noch viel schlimmer –, eben mit 1 200 Abänderungsanträgen, wo wir hier vier Anträge dazu haben, die völlig verschie-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 157

den sind, so nehme ich an, dass eine Reparatur dieses Gesetzes nicht möglich ist, sondern dass man einfach von vorne anfangen muss.

Und das steht prinzipiell auch in unserem Entschließungsantrag drinnen, nämlich dass man den derzeitigen Dienstleistungsrichtlinien und dem Herkunftslandprinzip nicht zu­stimmt, sondern sich künftig einfach wieder auf das Zielland konzentriert. (Beifall bei den Grünen.)

18.33


Präsident Peter Mitterer: Letzte Wortmeldung hiezu: Frau Bundesrätin Konrad. Ich darf sie zum Rednerpult bitten.

 


18.33.29

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Bieringer hat mich gebeten, mich kurz zu fassen, damit Kolleginnen und Kollegen noch das Flugzeug erreichen können. Da inhaltlich be­reits sehr viel und ausführlich diskutiert wurde, werde ich Ihnen, Herr Kollege Bieringer, diesen Wunsch erfüllen.

Die Diskussion darüber, was die Rolle der EU sein soll, ist ja eine sehr alte. Ich glaube, sie ist fast so alt wie die EU selbst. Die Frage ist jetzt: Soll sie eine soziale Union sein, soll sie eine wirtschaftliche oder eine militärische Union sein?

In der öffentlichen Diskussion wird dieser soziale Aspekt meistens groß geschrieben. Wenn man sich die öffentliche Diskussion anhört, könnte man meinen, alle sind der Meinung, die EU soll vor allem eine soziale Union sein.

Die Wirtschaft scheint elegantere, vielleicht einfachere Wege zu haben, immer wieder ihre Interessen durchzusetzen, denn in der Realität ist die EU sehr oft vor allem eine wirtschaftliche Union; die sozialen Standards bleiben dahinter zurück. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich habe nichts gegen die Wirtschaft. (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Peter Mitterer: Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

 


Bundesrätin Eva Konrad (fortsetzend): Entschuldigung, ich werde nur ein bisschen abgelenkt, wenn ich die – nicht an mich gerichteten – Zwischenrufe höre.

Klar sein muss, dass davon, worüber wir jetzt diskutieren, nicht die Klein- und Mittel­betriebe, sondern vor allem die Großbetriebe profitieren würden, wobei ich aber meine, dass diese meistens auch ohne politische Hilfe recht gut zurechtkommen.

Es passiert ja sehr oft, dass EU-Themen missbraucht werden und dass die EU quasi als Sündenbock für diverse innenpolitische Diskussionen benutzt wird, ich glaube aber, dass wir uns alle darin einig sind, dass die Dienstleistungsrichtlinie kein solches The­ma ist, sondern dass die Dienstleistungsrichtlinie tatsächlich ein Problem darstellt, das eine ganz große Gefahr für alle Bürgerinnen und Bürger sein kann, wenn sie in dieser Form kommt. Ich kann es mir nicht anders erklären, dass es eben einstimmige Resolu­tionen diverser Landtage gibt, die hiemit ihren Protest ausgedrückt haben.

Es gibt ein weiteres Phänomen, das mit der EU zu tun hat, nämlich das, dass es viele Regelungen gibt, die zwar einstimmig den Ministerrat passieren, wo dann aber die ent­sprechenden politischen Vertreter vor Ort, in ihren Heimatländern also, plötzlich dage­gen sind beziehungsweise dagegen gewesen sein wollen.

Ich hoffe, dass dieses Phänomen nicht auch hier im Hohen Haus bei unserer heutigen Abstimmung eintreten wird. Wenn Sie sich den Entschließungsantrag von uns Grünen anschauen, sehen Sie, dass darin vor allem viele soziale Punkte betont werden, Dinge, die uns sehr am Herzen liegen und die in der Diskussion um die Dienstleistungsricht­linie zu betonen und einzubringen wären.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 158

Die wirtschaftlichen Interessen werden sich durchsetzen, da habe ich keine Sorge. Die sozialen Interessen zu betonen, das wäre wichtig, diese zu stärken und zu unterstüt­zen.

Wenn auch Sie dieser Meinung sind, würde ich Sie bitten, diesem Entschließungsan­trag von uns Grünen zuzustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.36


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Ent­schließungsantrag 144/A (E)-BR/2005 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bemühungen des Oberösterreichi­schen und des Niederösterreichischen Landtages zur Verhinderung der EU-Dienstleis­tungsrichtlinie ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist dies nicht die Mehrheit. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der gegenständliche Entschließungsan­trag 144/A (E)-BR/2005 der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kolle­gen ist somit abgelehnt.

Es liegt hiezu ein Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die weiteren Verhandlungen zur Dienstleistungsrichtlinie vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich mache auch hier von meinem Stimmrecht Gebrauch und stelle fest, dass das mit Stimmen­mehrheit beschlossen wurde. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Ent­schließung ist daher angenommen. (E 194-BR/05.)

Es liegt weiters ein Entschließungsantrag der Bundesräte Schennach, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Rücknahme des Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Ich mache auch hier von meinem Stimmrecht Gebrauch und stelle fest, dass Stimmenminderheit vorhanden ist. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Die Tagesordnung ist er­schöpft.

Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gebe noch bekannt, dass in der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 23 Anfragen, 2343/J bis 2365/J, eingebracht wur­den.

*****


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
725. Sitzung / Seite 159

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Freitag, der 4. November 2005, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 2. November 2005, ab 14 Uhr vor­gesehen.

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass an diesem Tag, am Mittwoch, den 2. November 2005, um 13 Uhr eine kurze Sitzung des Bundesrates zur Wahl der Aus­schüsse in Aussicht genommen ist.

Ich bedanke mich und erkläre die heutige Sitzung für geschlossen.

18.40.00Schluss der Sitzung: 18.40 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien