Österreichisches Parlament 

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

760. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Mittwoch, 8. Oktober 2008

 

 


Stenographisches Protokoll

760. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 8. Oktober 2008: 9.02 – 17.41 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorge­gesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geän­dert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 – SRÄG 2008)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfür­sorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geän­dert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallver­siche­rungs­gesetz geändert werden

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Uni­versitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschul­ge­setz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbeihilfen und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 2

anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992) geändert wer­den

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird

11. Punkt: 31. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2007)

*****

Inhalt

Bundesrat

Trauerkundgebung anlässlich des Ablebens des ehemaligen Landeshaupt­man­nes von Kärnten Leopold Wagner ............................................................................................................................ 9

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen sowie eines Mitgliedes in den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG ......................................................... 10

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen über die materiellen Vorschriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere durch den Herrn Bundespräsidenten     ............................................................................................................................... 10

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Alfred Gusenbauer betreffend Amtsent­hebung der Bundesregierung und Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG, Betrauung der Mitglieder der Bundesregierung bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der Fortführung der Verwaltung und seiner Person mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung gemäß Artikel 71 B-VG sowie Be­trauung der Staatssekretäre bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Funktionen gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 2 B-VG durch den Bundespräsidenten ......................... 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 12

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 12

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (677 d.B. sowie 8021/BR d.B.) ....................... 13

Berichterstatterin: Monika Kemperle ........................................................................... 13


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 3

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 13

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 15

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 16

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ..... 18

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 19

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 22

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 22

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschafts­dienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Kriegsopferversorgungs­gesetz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungs­gesetz 2008 – SRÄG 2008) (889/A sowie 8013/BR d.B. und 8022/BR d.B.) ................ 23

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 23

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwalt­schafts­dienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundes­theater­pensionsgesetz geändert werden (901/A sowie 8023/BR d.B.) ........................................................................................... 23

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 23

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorge­gesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geän­dert werden (905/A sowie 8024/BR d.B.) ...................... 23

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 23

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz geändert werden (906/A sowie 8014/BR d.B. und 8025/BR d.B.)             ............................................................................................................................... 23

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 23

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny .........................................................................................           25, 47

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..    26

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 29

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 32

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 33

Bundesminister Dr. Erwin Buchinger .................................................................. ..... 34

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 36


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 4

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 37

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 41

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 42

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 43

Ludwig Bieringer .................................................................................................... ..... 45

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 48

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 49

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 51

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 52

Antrag der Bundesräte Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundes­theaterpensionsgesetz geändert werden (901/A sowie 8023/BR d.B.), gemäß § 32 Abs. 2 lit.e in Verbindung mit §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR einen begrün­deten Einspruch zu erheben – Annahme .............................  39, 52

Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienst­gesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundes­theater­pensionsgesetz geändert werden (901/A sowie 8023/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich .......................................................................................  46, 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 52

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (900/A sowie 8026/BR d.B.) ...... 52

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 52

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ..... 53

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 53

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 54

Bundesministerin Dr. Andrea Kdolsky ..............................................................  55, 60

Monika Kemperle .................................................................................................... ..... 57

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 58

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 59

Bettina Rausch ........................................................................................................ ..... 61

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 62


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 5

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d.B. und 8019/BR d.B.)                            62

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 63

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 64

Elisabeth Kerschbaum .........................................................................................  65, 77

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 67

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 68

Ing. Siegfried Kampl ............................................................................................... ..... 69

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ...........................................................  71, 80

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 74

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................ ..... 75

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 78

Ludwig Bieringer .................................................................................................... ..... 80

Antrag der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 24. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuer­ge­setz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d.B. und 8019/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Ablehnung ............................  63, 81

Antrag der Bundesräte Wolfgang Schimböck, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d.B. und 8019/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme .................................................  65, 81

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (915/A sowie 8016/BR d.B. und 8020/BR d.B.)                   82

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 82

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 82

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 83

Sonja Zwazl ............................................................................................................. ..... 85

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 86

Wolfgang Schimböck ............................................................................................. ..... 87

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 87

Staatssekretär Dr. Christoph Matznetter ............................................................. ..... 89

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Sicherung des Vertrauens der Sparer in die österreichischen Banken – Annahme (E 231-BR/08) .......................................  83, 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 92

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Uni­versitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hoch-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 6

schulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studien­beihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungs­ge­setz 1992) geändert werden (890/A sowie 8017/BR d.B. und 8027/BR d.B.) .......................................................................................................... 92

Berichterstatter: Günther Köberl .................................................................................. 92

Redner/Rednerinnen:

MMag. Barbara Eibinger ............................................................................................. 93

Albrecht Konecny ...............................................................................................  97, 121

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 99

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 100

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 103

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 105

Dr. Andreas Schnider .......................................................................................  107, 117

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 111

Bettina Rausch ........................................................................................................ ... 114

Juliane Lugsteiner .................................................................................................. ... 116

Bundesminister Dr. Johannes Hahn ..............................................................  118, 122

Antrag der Bundesräte MMag. Barbara Eibinger, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hoch­schulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studien­beihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungs­gesetz 1992) geändert werden (890/A sowie 8017/BR d.B. und 8027/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR einen begründeten Einspruch zu erheben – Ablehnung .......  95, 122

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hoch­schulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studien­beihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungs­ge­setz 1992) geändert werden (890/A sowie 8017/BR d.B. und 8027/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Annahme ..........................  113, 122

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (883/A sowie 8018/BR d.B. und 8028/BR d.B.)              ............................................................................................................................. 123

Berichterstatterin: Christa Vladyka ............................................................................. 123

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 123

Günther Molzbichler ............................................................................................... ... 125

Peter Mitterer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 128

Anneliese Junker ........................................................................................................ 128

Staatssekretärin Christa Kranzl ............................................................................... 129

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 130

11. Punkt: 31. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2007) (III-350-BR/2008 d.B. sowie 8029/BR d.B.) ............................................................................................................... 130


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 7

Berichterstatterin: Waltraut Hladny ............................................................................ 130

Redner/Rednerinnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ... 130

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 133

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 136

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ...................................................................... ... 139

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits .................................................................... ... 141

Entschließungsantrag der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Edgar Mayer, Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Peter Mitterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewerbung der Volksanwaltschaft um den Sitz des Generalsekretariats des Internationalen Ombudsmann Institut in Wien – Annahme (E 232-BR/08) .....................................................................................  132, 143

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-350-BR/08 d.B. zur Kenntnis zu nehmen             ............................................................................................................................. 143

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Entwicklung des Flugverkehrs über Vorarlberg (2644/J-BR/08)

Bettina Rausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Kosten der Zugfahrten für Schüler der bikulturellen Handelsakademie Retz (2645/J-BR/08)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nanotech­nologien 2008 (2431/AB-BR/08 zu 2637/J-BR/08)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Nanotechnologien 2008 (2432/AB-BR/08 zu 2636/J-BR/08)

des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Edgar Mayer, Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend bedarfsorientierte Mindestsicherung auch für behinderte Menschen (2433/AB-BR/08 zu 2640/J-BR/08)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der politischen Bildung (2434/AB-BR/08 zu 2639/J-BR/08)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumpl­maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der Arbeitnehmer­veranlagung (2435/AB-BR/08 zu 2634/J-BR/08)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumpl­maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der bei der Finanz­verwaltung offenen Abgabenrückstände (2436/AB-BR/08 zu 2635/J-BR/08)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Besteuerung von Flugzeugtreibstoff (2437/AB-BR/08 zu 2638/J-BR/08)

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ernennung des Donau LIMES zum Weltkulturerbe (2438/AB-BR/08 zu 2642/J-BR/08)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verletzung des Amtsgeheimnisses durch den ehemaligen Bundesminister Platter unter anderem in der Causa Arigona Zogaj (2439/AB-BR/08 zu 2641/J-BR/08)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abgeltung der Mehrdienstleistungen bei der EURO 2008 (2440/AB-BR/08 zu 2643/J-BR/08)


09.02.42


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 760. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 759. Sitzung vom 25. Juli 2008 ist aufgelegen, unbean­standet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Stefan Zangerl.

09.03.01Trauerkundgebung

 


Präsident Jürgen Weiss: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist der langjährige Landeshauptmann von Kärnten, Leopold Wagner, im 81. Lebensjahr verstorben. Leopold Wagner gehörte vier Jahre hindurch, und zwar von 1966 bis 1970, dem Bundesrat an, bis er als Mitglied der Landesregierung berufen wurde. Leopold Wagner war in weiterer Folge Landeshauptmann-Stellvertreter und von 1974 bis zu seinem durch die Umstände erzwungenen Ausscheiden im Jahre 1988 Landeshauptmann von Kärnten.

Leopold Wagner hat in dieser Funktion wie auch in seinen früheren Tätigkeiten Be­deutendes für das Land Kärnten geleistet.

Ich bitte Sie, sich zum Gedenken an ihn kurz von den Sitzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen und verharren einige Zeit in stummer Trauer.)

Ich danke Ihnen für dieses Zeichen der Anteilnahme. (Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

09.03.56Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Jürgen Weiss: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2431/AB bis 2440/AB beziehungsweise des Schreibens des Bundeskanzlers betreffend die Amtsenthebung und die gleichzeitige Betrauung mit der einstweiligen Fortführung der Verwaltung der Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre durch den Bundespräsidenten sowie des Schreibens des Bundes­kanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG betreffend Information über die Nominierung von österreichischen Mitgliedern zum Ausschuss der Regionen und Wirtschafts- und Sozialausschuss beziehungsweise des Schreibens des Generalsekretärs für aus­wärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen über die materiellen Vor­schriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 7)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Information über die Nominierung von österreichischen Mitgliedern zum Ausschuss der Regionen (AdR) und zum Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) gem. Art. 23c Abs. 5 B-VG:


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 10

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Dr. Alfred Gusenbauer

Bundeskanzler

An Herrn

Bundesratspräsident Jürgen Weiss

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 3

1010 Wien

GZ: 405.828/0011-IV/5/2008                                                                 Wien, am 20. August 2008

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident!

Gem. Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Sie, dass die Bundesregierung im Rahmen der 62. Sitzung des Ministerrates am 12. August 2008 Herrn Landtagspräsidenten DDr. Herwig van STAA zum ordentlichen österreichischen Mitglied des AdR und Herrn Landeshauptmann Günther PLATTER zum stellvertretenden österreichischen Mitglied des AdR nominiert hat. Weiters hat die Bundesregierung im Rahmen des genannten Ministerrates den leitenden Sekretär der Arbeiterkammer Niederösterreich, Herrn Dr. Christoph LECHNER, als österreichisches Mitglied zum WSA nominiert.

Herr DDr. van STAA soll wie schon bisher ordentliches Mitglied des AdR bleiben, wenngleich unter einem neuen innenpolitischen Titel (Landtagspräsident an Stelle von Landeshauptmann). Herr Landeshauptmann PLATTER ersetzt Frau Landesrätin Dr. Elisabeth ZANON als stellvertretendes Mitglied im AdR. Herr Dr. LECHNER wurde an Stelle von Frau Mag. Eva BELABED von der Arbeiterkammer Oberösterreich nominiert.

Die formelle Ernennung der genannten Kandidaten erfolgt gemäß Art. 259 EGV (bezüglich des WSA) bzw. Art. 263 EGV (bezüglich des AdR) mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU. Die Ernennung durch den Rat ist für September 2008 zu erwarten.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen“

*****

„Der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten

Dr. Johannes Kyrle

Herr

Präsident des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3

1017 Wien                                                                                                                 11. September 2008

GZ: BMeiA-AT.8.33.02/0008-I.2a/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlags der Bundesregierung vom 12. August 2008 (Pkt. 86 des Beschl.-Prot. Nr. 62) der Herr Bundespräsident am 19. August 2008 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Übereinkommen über die


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 11

materiellen Vorschriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-AT.8.19.07/0023-I.2/2008

Diplomatische Konferenz über

die materiellen Vorschriften betreffend

intermediärverwahrte Wertpapiere;                                              Genf, 1.-13. September 2008;

Verhandlungen

Vortrag an den Ministerrat

Von voraussichtlich 1. bis 13. September 2008 findet in Genf eine Diplomatische Konferenz zur Verhandlung und Annahme eines Übereinkommens über die materiellen Vorschriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere statt. Ein von UNIDROIT (Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Zivilrechts) eingesetztes Komitee nationaler Expertinnen hat in vier Arbeitssitzungen einen Übereinkommensentwurf ausgearbeitet, der auf der diplomatischen Konferenz verabschiedet werden soll.

Der immer bedeutender werdende grenzüberschreitende Wertpapierhandel erfordert eine klare, sichere und international möglichst einheitliche rechtliche Grundlage für die Übertragung und den Erwerb von Wertpapieren, die sich nicht beim Investor befinden, sondern bei einem Zentralverwahrer verwahrt werden und auf Depotkonten der Investoren, die von Intermediären (in der Regel Banken) geführt werden, verbucht sind, sowie die Besicherung durch solche Wertpapiere jeweils durch bloße Buchung.

Es ist in Aussicht genommen, eine Delegation mit folgender Zusammensetzung zu entsenden:

Richterin Mag. Ingrid Tscherner, Bundesministerium für Justiz, Delegationsleiterin

Rechtsanwalt Dr. Peter Pöch              , Syndikus der Österreichischen Kontrollbank, Stellver­tretender Delegationsleiter

Das geplante Überkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charak­ter haben und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnahme der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Justiz stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlussfassungen der Diplomatischen Konferenz über die materiellen Vorschriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere sowie die Leiterin der österreichischen Delegation, Mag. Ingrid Tscherner, und im Fall ihrer Verhinderung den stellvertretenden Leiter der österreichischen Delegation, Dr. Peter


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 12

Pöch, zur Unterzeichnung der allfälligen Schlussakte der Konferenz zu bevoll­mächtigen.

Wien, am 4. August 2008

PLASSNIK m.p.“

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der Bundesregierung und der Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Abs. 3 B-VG und gleichzeitige Betrauung mit der Fortführung der Verwaltung bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung gemäß Artikel 71 B-VG:

„REPUBLIK ÖSTERREICH

Dr. Alfred Gusenbauer

Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrates

Jürgen Weiss

Parlament

1017 Wien                                                                                             Wien, am 30. September 2008

GZ 350.000/0010-1/4/2008

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 30. September 2008, GZ. 300.000/5-BEV/2008, die in der Sitzung des Ministerrates am 30. September 2008 beschlossene Demission der Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat und die Bundesregierung und die Staatssekretäre gemäß Artikel 74 Absatz 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes vom Amt enthoben hat.

Gleichzeitig hat der Herr Bundespräsident mich und die übrigen Mitglieder der Bundesregierung, die Bundesministerin im Bundeskanzleramt Heidrun SILHAVY in dem sich aus der Entschließung vom 1. Juli 2008 ergebenden Umfang, gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bildung einer neuen Bundes­regierung mit der Fortführung der Verwaltung und mich mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung betraut.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung die Staatssekretäre Mag. Andreas SCHIEDER, Dr. Reinhold LOPATKA, Dr. Hans WINKLER, Dr. Christoph MATZNETTER, Christa KRANZL und Christine MAREK mit der weiteren Wahrnehmung ihrer Funktionen betraut.

Mit besten Grüßen“

*****

 


Präsident Jürgen Weiss: Eingelangt ist der Außenpolitische Bericht 2007, der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise jener Bericht, die beziehungsweise der jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 13

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 bis 5 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

09.05.421. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (677 d.B. sowie 8021/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

9.06.10

 


Berichterstatterin Monika Kemperle: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Sep­tem­ber 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare Ihnen daher die Verlesung und komme gleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


9.07.10

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen Bundesratssitzung werden dringende und wichtige Beschlüsse für die Menschen in unserem Land gefasst, äußerst wichtige soziale Maßnahmen, die jene Menschen unterstützen, die es auch dringend brauchen.

Mit dem heutigen Gesetzesbeschluss des Bundespflegegesetzes werden die größten Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige seit der Einführung des Pflegegeldes vor 15 Jahren erwirkt. 400 000 Pflegegeldbezieherinnen und Pflegegeldbezieher und deren Angehörige werden von der Pflegegelderhöhung und höheren Förderung der 24-Stunden-Betreuung profitieren. Die Pflegegeldbezieher


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 14

werden ab 2009 jährlich zwischen 70,80 € in der niedrigsten Pflegestufe und 1 124 € in der höchsten Pflegestufe bekommen. Es handelt sich somit um die größte Erhöhung seit Einführung des Pflegegeldes vor 15 Jahren.

Ein weiterer wichtiger Punkt in dieser Novelle ist die verbesserte Einstufung für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche sowie für demenzkranke Menschen.

Ich persönlich freue mich über die Erhöhung des Pflegegeldes, und dies gilt sicherlich für alle betroffenen Menschen in unserem Land, die von dieser Erhöhung und dieser Verbesserung profitieren werden.

Das ist Politik. Politik muss in die Zukunft blicken, Probleme erkennen und rasch handeln und helfen, denn wir wissen alle: Wer rasch hilft, der hilft doppelt. Das ist sozial, das ist verlässlich und das ist verantwortungsvoll. Und das erwarten sich auch die Menschen von der Politik.

Sehr wohl tragen auch die Bundesländer in ihrem Verantwortungsbereich dazu bei, jenen Menschen, die Pflege und Betreuung benötigen, diese auch in höchster Qualität zur Verfügung zu stellen.

In unserem Bundesland Burgenland ist derzeit der größte Anteil älterer Menschen österreichweit zu verzeichnen. Knapp 25 Prozent der Bevölkerung sind über 60 Jahre alt. Der Bundesschnitt liegt bei 23 Prozent. Wir wissen, dass rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt und betreut werden. Diese Angehörigen nehmen eine große Belastung auf sich und leisten einen äußerst wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag. Es ist daher eine Notwendigkeit, die pflegenden und die betreuenden Angehörigen bei ihrer schwierigen Aufgabe zu unterstützen.

Mit der Entlastungsoffensive für pflegende Angehörige, die sich auf verschiedenen Ebenen manifestiert, werden Angehörige bei ihrer sehr wichtigen Aufgabe unterstützt, zum Beispiel durch kostenlose Pflegeberatung zu Hause, kostenlose Unterstützungs­besuche, Gruppenangebote, Urlaubspflege, Pflege- und Angehörigenstammtische.

Damit kommt das Burgenland dem Bedürfnis der alten und hilfsbedürftigen Menschen entgegen, den Lebensabend in den eigenen vier Wänden in Würde zu verbringen.

Beispielhaft ist auch das burgenländische System des Betreuten Wohnens im Bereich psychisch kranker Menschen. Bei der Senioren-Tagesbetreuung, die nach einem halben Jahr Laufzeit evaluiert wurde, ist das Burgenland österreichweit Vorreiter. Die neuen Richtlinien nach der Evaluierung machen das Modell bedarfsgerechter und attraktiver. Für das laufende Jahr sind dafür 400 000 € vorgesehen. Landesweit bieten derzeit neun Einrichtungen 89 Plätze an. Zwei weitere Einrichtungen sind in Planung und werden in Kürze errichtet.

Im Bereich der Altenwohn- und Pflegeheime gibt es in unserem Bundesland Burgen­land 39 Häuser mit derzeit 1 872 Betten. 16 neue Einrichtungen mit 453 Betten wurden allein seit dem Jahr 2000 errichtet. Es gibt davon 176 Freiplätze, und kein einziger pflegebedürftiger Mensch muss in unserem Bundesland auf einen freien Platz warten!

Weiters sehe ich im Rahmen des Bedarfs- und Entwicklungsplans einen positiven Aspekt darin, dass unsere Sozialzentren, unsere Altenwohn- und Pflegeheime in kleinen Einheiten errichtet werden. Dadurch haben die Bewohner den Vorteil, in ihrer gewohnten Region zu bleiben, und deren Angehörige haben den Vorteil, keine weiten Anfahrtswege haben.

Auch bin ich selbst in der glücklichen Situation, dass in meiner Heimatgemeinde im kommenden Jahr ein Sozialzentrum, ein Altenwohn- und Pflegeheim errichtet wird.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 15

Unser Land Burgenland hat wie alle anderen Bundesländer in den letzten Jahren im Pflegebereich eine sehr positive, dynamische Entwicklung genommen. Sie trägt die soziale Handschrift des Soziallandesrates Dr. Peter Rezar.

Ich möchte aber heute nicht verabsäumen, mich bei allen zu bedanken, die dazu beitragen, dass unsere ältere Generation gut versorgt wird und ihren wohlverdienten Lebensabend schön und in Würde verbringen kann. Es ist auch in Zukunft wichtig, dass wir im Bereich Pflege weitere gute Angebote für die Menschen in unserem Land schaffen. Pflege muss leistbar, qualitätsvoll und vereinbar mit Familie, Beruf und Angehörigen sein.

Mit der heutigen Novellierung setzen wir dafür einen richtigen und wichtigen Schritt. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Mitterer.)

9.13


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster kommt Herr Bundesrat Saller zu Wort. – Bitte.

 


9.13.36

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Pflegepaket ist entgegen anderen heutigen Be­schlüssen einen demokratisch richtigen Weg gegangen – mit Begutachtungsverfahren oder Expertenmeinungen. Es ist sozial gerecht, nachhaltig und zielsicher.

Es geht auch um die entscheidende Frage, ob jemand in ein Heim muss oder weiter zu Hause leben kann. Wenn man die neue Studie des Sozialministeriums „15 Jahre Pflegevorsorge in Österreich – Bilanz und Ausblick“ ansieht, dann erfährt man viel Interessantes. Mit den Bundes- und Landespflegegeldgesetzen wurde ein einheitliches System geschaffen, das eine Lücke im Sozialsystem geschlossen hat.

Auch wissenschaftliche Studien bestätigen, dass der österreichische Weg der richtige Weg ist. 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause gepflegt, daher ist die Förderung in der Familie von besonderer Wichtigkeit. Neben der finanziellen Vorsorge ist auch der Ausbau der sozialen Dienste in den Ländern unverzichtbar, wobei der ambulanten Betreuung Vorrang vor der stationären Pflege eingeräumt werden soll.

Der Standard der Sozialbetreuungsberufe spielt dabei eine wichtige Rolle. Wir haben die Verpflichtung, das entsprechend voranzutreiben.

Die derzeitigen Schwerpunkte wie die Erhöhung des Pflegegeldes, Unterstützung der betreuenden Angehörigen, Verbesserung bei der Einstufung von Demenzerkrankten und Schwerstbehinderten müssen weiterentwickelt werden, um das hohe Niveau zu halten, und das gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung.

Wir stehen für eine leistbare Pflege. Immerhin stellt sich für viele Menschen die Frage: Kann ich mir das noch leisten? – Dank gebührt auch all jenen, die bis jetzt unentgeltlich in der Pflege gearbeitet haben. Sie verdienen Respekt und Hochachtung.

Viele brauchen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, und es sind selbständige oder unselb­ständige Betreuer notwendig. In vielen Ländern sind dazu Beratungsstellen eingerichtet worden, die wir sehr dringend brauchen, sei es von Amts wegen, sei es von privaten Initiativen, sei es von bestimmten sozialen Diensten. Das ist länderweise sehr verschieden, aber – wie ich persönlich glaube – sehr dringend notwendig, weil da in vielen Bereichen großer Wissensnotstand herrscht.

Um die ganze Thematik Pflege in ihrer Vielfalt zu sichern, wird es notwendig sein, künftige Maßnahmen weiterzuentwickeln und weitere Schritte zu setzen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.17



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 16

Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


9.17.08

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident, vielleicht könnte sich die Präsidiale mit einem Umstand befassen, der einige Mitglieder des Hauses betrifft, dass wir nämlich nicht immer E-Mails beantworten müssen, ob wir nun aus Fraktionen oder Parteien ausgetreten seien, dass wir nicht jedes Mal alle ans Rednerpult treten müssen und nach dem Namensaufruf sagen müssen: Wir sind noch immer Grüne. Wir werden seit der letzten Sitzung öfters gefragt, ob wir ausgetreten sind oder nicht, weil jetzt im Protokoll immer „fraktionslos“ nach der Namensnennung steht.

Wir werden das heute vielleicht bei jedem Redner so handhaben müssen, aber vielleicht könnte man das protokollarisch ändern. Also: Stefan Schennach, Grüne – für das Stenographische Protokoll. (Bundesrat Konecny: Auf der Rednerliste stehst du eh so!) – Auf der Rednerliste schon.

Meine Damen und Herren, es war ja interessant, zu sehen, was ein Kehraus im Nationalrat so knapp vor der Wahl alles zutage fördert und zutage bringt, wo über Monate und über Jahre Stillstand herrscht. Ich stehe dem, was sich in der letzten Parlamentswoche im Nationalrat ereignet hat, ehrlich gesagt mit sehr zwiespältigen Gefühlen gegenüber, einerseits aus staatsbürgerlicher Sorge, ob es tatsächlich sinnvoll ist, eine Parlamentssitzung des Nationalrates wenige Tage vor einer Wahl abzuhalten und damit fast schon an eine fragwürdige legistische Seriosität heranzukommen, und andererseits kann man natürlich auch eines sehen, nämlich dass sich ganz offen­sichtlich dort, wo Stillstand herrschte, plötzlich etwas bewegt hat. Ich bin ein Anhänger auch von wechselnden parlamentarischen Mehrheiten zu den vielen Themen­bereichen.

In diesem Fall können wir sagen: Gott sei Dank wurde in der Hektik dieser letzten Stunden die richtige Entscheidung getroffen. Herr Bundesminister, man muss aber schon auch sagen: Am Abend wird der im Gesamtpflegebereich nicht gerade so fleißige Minister auf einmal tätig. Die Debatten, die wir hier in den letzten zwei Jahren und zum Teil in den Jahren davor führten – da brauchen wir uns gar nicht in den Sack zu lügen –, waren ausschließlich auf die Anhebung des Pflegegeldes für Bezieher der 24-Stunden-Pflege um 5 Prozent abgestellt.

Wir sollten auch Folgendes nicht vergessen: Wenn das Pflegegeld jetzt erhöht wird, ist das zwar gut – wenn auch nicht einzusehen ist, dass unterschiedlich erhöht wird, nämlich zum Beispiel in der Pflegestufe 1 und 2 geringer als in den höheren Pflegestufen –, aber wir dürfen nicht übersehen, dass es zehn Jahre lang einen Valorisierungsstopp gegeben hat.

Hätten wir, so wie nach der Einführung des Pflegegeldes, jährlich valorisiert – das gab es nur zwei Jahre lang –, dann wären wir heute wahrscheinlich ohnedies bei diesem Betrag angelangt, wegen dem wir uns heute auf die Schultern klopfen. Das heißt, zehn Jahre lang hat es im Bereich des Pflegegeldes keine Valorisierung gegeben, und somit wurde das Pflegegeld Jahr für Jahr weniger wert.

Nun, es ist wichtig, dass diese Erhöhung vorgenommen wird, und es ist wichtig, dass wir diese quälende Debatte heute weiterbringen und besonders auch im Bereich der schwerstbehinderten Kinder bis zum 15. Lebensjahr sowie der Demenzkranken etwas tun.

Aber, Herr Bundesminister, es liegt ja der Bericht der Volksanwaltschaft vor, in dem eine relativ deutliche Sprache gesprochen wird: „Noch immer kein angemessenes


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 17

Pflegegeld für Kinder.“ Die Volksanwaltschaft hält fest: „Die Pflegegeldeinstufung von behinderten Kindern orientiert sich stark am Alter der Kinder und nimmt auf die speziellen Bedürfnisse von behinderten Kindern keine Rücksicht.“

Es sind nun die Schwerstbehinderten berücksichtigt, aber es gibt ja Unterschiede: „Die Pflegegeldeinstufungen geben dadurch regelmäßig bei weitem nicht den tatsächlichen Pflegebedarf wieder.“

Für die Bundesräte und Bundesrätinnen aus der Steiermark: Die Volksanwaltschaft hält fest, dass das Land Steiermark das einzige Bundesland in Österreich ist, das Ausnahmen in Härtefällen macht und eine Änderung der Einstufungsverordnung beschlossen hat. – Das macht nur das Land Steiermark!

Wir beschließen heute nur eine Erhöhung. Die Volksanwaltschaft sagt aber, dass die gesamte Rechtslage in diesem Bereich unzureichend ist und die Situation auf eine unrichtige Auslegung der rechtlichen Bestimmungen und der Judikatur durch die Pflegegeld auszahlenden Stellen und die mangelhafte medizinische Begutachtung zurückzuführen ist.

Die Volksanwaltschaft hält in diesem Bericht weiters fest: „Das Handeln und die Argumentation der Entscheidungsträger treiben diesbezüglich auch oft ungeahnte Blüten. So werden zum Beispiel von Entscheidungsträgern medizinische Sachverstän­digengutachten ohne weitere Begründung heruntergestuft oder gegen ein Gerichts­urteil, mit dem einem schwer behinderten Kind ohnehin nur ein Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt wird, Berufung eingebracht.“

Daher sind wir der Meinung, dass im gesamten Pflegebereich die politische Debatte fehlt. Es fehlt ein gesamtes Pflegepaket. Zum Bereich 24-Stunden-Pflege haben wir ein Flickwerk gehabt, und der Bundesrat hat noch zu Beginn des letzten Jahres deutlich aufgezeigt, dass wir keine Kriminalisierungen wollen. Heute stehen wir aber noch immer vor der Situation, dass das Pflegegeld zwar endlich erhöht wird, das gesamte Pflegepaket aber ein Stückwerk ist.

Zur Benachteiligung psychisch und geistig behinderter Menschen schreibt die Volks­anwaltschaft – weil ich da ein bisschen Unruhe bemerke: das macht übrigens Volks­anwalt Peter Kostelka! –:

„Psychisch oder geistig behinderte Personen werden bei der Pflegegeldeinstufung häufig benachteiligt. Die Gründe dafür liegen im Wesentlichen darin, dass psychischen Krankheiten leider immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird und nur die körperlichen Beeinträchtigungen berücksichtigt werden und keine entsprechenden Fachärzte zur Begutachtung der teilweise hoch komplexen Auswirkungen von psychi­schen Erkrankungen auf das tägliche Leben und den Pflegebedarf herangezogen werden.“

Meine Damen und Herren, das gehört alles in ein gesamtes Pflegepaket. Wir werden diesem Gesetzesbeschluss heute natürlich unsere Zustimmung geben, denn es ist notwendig, dass diese Erhöhung kommt. Um Teuerungen abzufangen wäre es aber ebenso wichtig, dass das bei der Notstandshilfe und beim Arbeitslosengeld auch passiert.

Wenn man über Würde diskutiert – und bei der Pflege geht es um Würde –, dann hätte ich mir in dieser „Kehrausnacht“ noch zwei Dinge gewünscht, die wir brauchen: dass das Recht auf Pflege und das Recht auf prinzipielle Pflegefinanzierung als Verfas­sungsgrundsatz in die Österreichische Bundesverfassung aufgenommen werden. Dafür hätte es Einstimmigkeit im Nationalrat gegeben. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 18

Folgendes will ich einfach nicht mehr: dass wir – strittig hin oder her – zum Beispiel über die Erbschaftsteuer, die Vermögenszuwachssteuer und die Spekulationssteuer diskutieren, aber zulassen, dass das kleine Sparbuch, das im Laufe eines Lebens angewachsen ist, auf ein Restvermögen zusammenschrumpft, wenn der Opa ins Pflegeheim kommt. Das ist auch eine Frage der Würde; da geht es um Würde und um Anstand. Ich denke, dieses kleine Sparbuch, das zum Schluss vielleicht nicht einmal mehr ausreicht, um die eigene Beerdigung zu finanzieren, sollten wir niemals antasten, um den Menschen ihre Würde zu belassen.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir, was die Entwicklung eines Pflege­paketes betrifft, nicht Stopp machen wie im letzten Jahrzehnt, dass wir jetzt diese notwendige Erhöhung beschließen, die Mängel in diesem System aber sehr wohl sehen, ja dass wir es dann irgendwann – wer nun immer eine Regierung bildet oder nicht – als einen Willen aller Fraktionen sehen, dass es einen in der Verfassung verankerten Grundsatz gibt, dass die Pflege ein Recht aller Menschen ist. Danke. (Beifall des Bundesrates Dönmez sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.27


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Buchinger das Wort. – Bitte.

 


9.27.29

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Herr Bundesrat Schennach hat sinngemäß formuliert, am Abend wird der Faule fleißig. Ich habe mir das in der Diskussion um die Pflegegelderhöhung auch nicht ganz verkneifen können, weil ich dieses Gesetz nach der Arbeit letztes Jahr in einer Arbeitsgruppe, die sehr breit besetzt war, nach Ostern dieses Jahres in Begutachtung geschickt habe und damals die Einwände vom Finanzminister noch waren, nein, die Erhöhung soll nicht mit 1. Jänner 2009 stattfinden, sondern könnte frühestens 2010 erfolgen, denn vorher müsste noch das Pflegegeld evaluiert werden.

Das waren vorgeschobene Begründungen, denn es gab nichts zu evaluieren. Die Menschen haben über Monate gespürt, dass insbesondere aufgrund der Teuerung eine Erhöhung des Pflegegeldes absolut erforderlich war. Aber sei’s drum. – Ich denke, darüber, was in diesen Monaten passiert ist, sollten wir nicht zu sehr rechten.

Wichtig ist, dass der Beschluss im Nationalrat einstimmig gefasst wurde und vielleicht auch hier im Bundesrat die Chance für eine einstimmige Beschlussfassung gegeben ist.

Herr Abgeordneter Schennach, ich verstehe nicht, warum sich nicht auch ein Vertreter einer Oppositionspartei hier vor diesem Hohen Haus über ein gelungenes Paket freuen kann, denn es ist tatsächlich ein gelungenes Paket, das nach einigem Ächzen und auch Würgen – das gestehe ich zu – jetzt insgesamt als Pflegepaket zur Beschluss­fassung vorliegt.

Es geht zum einen um die Pflegegelderhöhung, und zu Recht wurde vom Herrn Bundesrat Sodl darauf hingewiesen, dass es die größte Verbesserung des Pflege­geldes seit seiner Einführung im Jahr 1993 ist.

Herr Bundesrat Schennach, das Pflegegeld wurde bislang – vor dem 1. Jänner 2009  nicht zwei Mal erhöht (Bundesrat Schennach: Drei Mal!), sondern drei Mal: mit 1. Jänner 1995, 1. Jänner 1996 und 1. Jänner 2005. Die Bundesregierung, die jetzt scheidet, hat mit der fünfprozentigen Erhöhung in etwa die Inflationsrate dieser 20 Monate, die sie in Verantwortung ist, abgedeckt. Die Verantwortung einer Bun­desregierung, Versäumnisse früherer Regierungen – nicht nur der letzten, sondern der


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 19

drei letzten, muss man sagen – in 20 Monaten wettzumachen, das wäre wohl ein überzogener Anspruch.

Ich möchte auf die Verbesserungen nicht mehr im Detail eingehen. Sie wurden hier referiert, und ich denke, es sind bedeutende Verbesserungen, die auch vom Betrag her – zwischen 70 und 1 100 € im Jahr – durchaus beachtlich sind.

Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass mit diesem Pflegepaket auch im Bereich der 24-Stunden-Betreuung politisch eine Reihe von Verbesserungen akkordiert worden ist, die sich nicht im Bundespflegegeldgesetz finden, weil es da um Richtlinien des Sozialministers und um Vereinbarungen mit den Ländern geht. Auch diese Verbesserungen im Bereich der 24-Stunden-Betreuung sind in jeder Beziehung erwähnenswert, weil es nun auch da gelungen ist, ein rundes Paket zu schnüren, das nun auch in großem Ausmaß angenommen wird.

Durch die Erhöhung der Förderung ab 1. November 2008, durch den Wegfall der Vermögensbeurteilung im Bereich der 24-Stunden-Betreuung sowie durch einige andere Verbesserungen ist es gelungen, tatsächlich das größte Legalisie­rungs­projekt der österreichischen Geschichte zu realisieren.

Sie wissen, noch vor knapp einem Jahr standen tausende betroffene Menschen und deren Beschäftigte in der Illegalität. Zwischenzeitlich gibt es in diesem Bereich mehr als 13 000 legale Beschäftigungsverhältnisse – zwar überwiegend auf selbständiger Basis, das soll uns aber nicht stören, denn auch Selbständige sind voll kranken-, unfall- und pensionsversichert und damit in den Sozialschutz einbezogen. Damit ist auch 13 000 Haushalten diese Furcht vor einer möglichen Kontrolle genommen, und die Illegalität ist beendet.

Der Hinweis von Herrn Bundesrat Schennach auf die Situation von Kindern und Jugendlichen ist hier im Bundesrat zu Recht erfolgt, denn Sie wissen ja wahr­scheinlich – und wenn nicht, dann sage ich es Ihnen jetzt –, dass die Pflege­geldzuerkennung für Kinder und Jugendliche zu über 90 Prozent in der Verantwortung der Länder liegt, weil der Bund im Wesentlichen nur für Beschäftigte und für Pen­sionsbezieher und -bezieherinnen zuständig ist, was die Zuerkennung betrifft. Für alle anderen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, sind die Länder zuständig.

Richtig ist, dass die Steiermark da bereits bisher eine großzügigere Lösung hatte; freilich befristet bis 31. Dezember 2008, im Vertrauen darauf, dass bis dahin eine bundesweite Lösung zustande kommt, die ja nun tatsächlich erreicht worden ist. Alle Länder haben diese Neuregelung für Kinder und Jugendliche in hohem Einvernehmen begrüßt.

Ich meine also, die pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen haben heute allen Grund, sich auf einen guten Beschluss im Bundesrat zu freuen. Ich würde mich auch freuen, wenn dieser Beschluss einstimmig erfolgen könnte. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

9.32


Präsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


9.32.52

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Buchinger, Sie stoßen sich ein bisschen daran, dass Ihnen eine Oppositionspartei sagt, am Abend wird der Faule fleißig.

Herr Minister, wie anders soll man es bezeichnen, wenn eineinhalb Jahre an einem Pflegepaket herumgebastelt – um nicht zu sagen, herumgedoktert – wird, Sie sämt­liche konstruktiven Anträge der Opposition absolut unbeachtet lassen, und kurz vor der


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 20

Wahl fällt Ihrem neuen Parteivorsitzenden Faymann plötzlich ein, dass man so etwas wie ein Fünf-Punkte-Paket machen könnte, damit man bei der Wahl Erster wird? – Das kann man nur so bezeichnen: Am Abend wird der Faule fleißig. (Bundesrat Boden: Euch fällt nicht einmal das ein! Bundesrat Kraml: Das ist eine Win-Win-Situation!)

Ja, Herr Minister, auch eine Oppositionspartei kann sich darüber freuen, wenn für die Menschen irgendetwas gemacht wird. Allerdings muss ich Ihnen schon sagen: Diese Pflegegelderhöhung ist zwar besser als nichts, bringt den Menschen aber trotzdem nicht das, was sie seit der Einführung des Pflegegeldes an Wert verloren haben, und das sind rund 20 Prozent. Für diesen Wertverlust ist auch eine dreimalige Erhöhung kein Ausgleich.

Es ist auch nicht ganz einzusehen, dass es bei der Erhöhung eine Abstufung nach Pflegestufen gibt, weil nicht erklärbar ist, warum jemand in Pflegestufe 1 weniger dazubekommen soll als jemand in Pflegestufe 6. – Die Teuerung, die Sie ja mit dieser Pflegegelderhöhung auch ausgleichen wollten, betrifft doch letzten Endes alle gleich.

Sie haben eine Mehrheit im Nationalrat. Es hat ja diesmal wechselnde Mehrheiten gegeben, und das Parlament war nicht die Abnickmaschine der damals noch großen Koalition. – Sollten Rot und Schwarz, nachdem alle ihre Befindlichkeiten ausgetauscht haben und vielleicht auch Uneinstimmigkeiten bereinigt haben, zusammenkommen – bei diesem Wahlergebnis kann man dann ohnehin nicht mehr von einer großen Koalition sprechen –, dann wird es wieder schön koalitionär und alles wird abgenickt werden.

Bei der letzten Sitzung im September war das Parlament aber endlich einmal das, was es sein sollte, und es konnten sich verschiedene Mehrheiten zu Themen­schwer­punkten finden, wobei es einmal mit der einen Partei und einmal mit der anderen Partei größere Übereinstimmung gab. (Bundesrat Stadler: Seien Sie der SPÖ dankbar!)

Was Sie nicht geschafft haben: Sie haben die Gelegenheit ungenutzt gelassen, eine jährliche Valorisierung des Pflegegeldes einzuführen. Dafür haben Sie, Herr Minister Buchinger, sich selbst schon einmal ausgesprochen, nämlich 2006, aber Sie haben nicht den Mut und nicht die Kraft gehabt, das endlich auch einmal umzusetzen. Es war unser ständiger Kritikpunkt – und ist es bis heute noch, da sich ja noch immer nichts geändert hat –, dass es nicht sein kann, dass Pflegegeldbezieher immer wie lästige Bittsteller behandelt werden, die dann von der Großzügigkeit der Politik abhängig sind, ob ihr Pflegegeld nun erhöht wird oder nicht. Wir sind der Ansicht, dass das wirklich inhuman und auch entwürdigend ist.

Sie müssen ja das Rad nicht neu erfinden. Mein Kollege Schennach hat völlig richtig gesagt, es gehört statt des Fleckerlteppichs, den wir jetzt seit eineinhalb Jahren immer wieder neu zur Beschlussfassung vorgelegt bekommen, ein allumfassendes Pflege­paket erarbeitet

Sie können ja ruhig – ein Beispiel, das Sie sonst so gerne bemühen – über den Tellerrand schauen, und zwar nicht nur bei der Schulpolitik nach Finnland, sondern zum Beispiel auch bei der Pflege nach Dänemark: Dänemark gibt – im Gegensatz zu Österreich, das nur 1,2 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes dafür verwendet – 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Pflege aus. Dort funktioniert das ganz gut. Man muss nicht immer alles eins zu eins übernehmen, aber man kann funktionie­rende, gute Sachen durchaus herausgreifen.

Zu den schwerstbehinderten Kindern: In diesem Pflegegesetz sind ja wieder nur die schwerstbehinderten Kinder berücksichtigt. Wir gönnen es ihnen natürlich, aber warum sollen leichter behinderte Kinder nicht auch in den Genuss kommen? Da könnten Sie vielleicht einmal zum ehemaligen – oder vielleicht bald neuen – Koalitionspartner nach


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 21

Vorarlberg schauen, wo das Landesgesetz wirklich einen guten Ansatz enthält, was die Pflege von behinderten Kindern anbelangt.

Warum kann man also nicht auch dem anderen zugestehen, dass er in einem Bun­desland etwas gut macht, und durchaus auch etwas davon für die Bundespolitik übernehmen? – Ich denke, das würde niemandem wehtun, und der Republik ins­gesamt würde es guttun.

Zu den 400 000 Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen: Das ist eine sehr große Anzahl, und wir können froh sein, dass sich Angehörige finden, die das auch tun. Sie werden jedoch im Pensionsgesetz nach wie vor nicht entsprechend berücksichtigt, obwohl sie einen Dienst an der Gesellschaft leisten, der wirklich nicht hoch genug einzuschätzen ist. Da fragt man sich dann schon, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, wo denn Ihre viel gepriesene soziale Wärme ist, die Sie landauf, landab propagieren. – Davon ist überhaupt nichts zu spüren.

Noch etwas, Herr Minister: Ich würde Sie und auch Ihre Regierungskollegen – denn das betrifft die ÖVP gleichermaßen – doch um Folgendes bitten: Ich finde es wirklich unerträglich, wenn man in der Euphorie einer Wahl schon plakatiert, dass etwas beschlossen ist, wenn es tatsächlich im Parlament noch nicht beschlossen wurde. Herr Minister Buchinger, Sie haben schon plakatiert, dass diese Pflegegelderhöhung beschlossen ist, da war sie noch nicht einmal im Nationalrat beschlossen. Und ich darf daran erinnern, dass ein Gesetz erst dann wirklich Gültigkeit hat, wenn auch der Bundesrat dagegen keinen Einspruch erhoben beziehungsweise dazu seine Zustimmung gegeben hat.

Ich möchte daher dringend darum ersuchen, die Beschlüsse des Parlaments abzu­warten und das Parlament ernst zu nehmen, denn dort werden die Gesetze gemacht (Zwischenruf des Bundesrates Stadler– nicht im Ministerrat und nicht in der Sozial­partnerschaft. Es ist nett, wenn man dort miteinander redet und etwas beschließt, aber die wirkliche Beschlussfassung erfolgt im Parlament. Erst wenn ein Beschluss auch wirklich gefasst worden ist, kann öffentlich kundgetan werden, dass man sich durch­gesetzt hat, dass das beschlossen worden ist und so weiter. (Beifall der Bundesräte Herbert und Mag. Himmer.)

Auch die Schulungsoffensive für die einheimischen Pflegekräfte, die wir immer wieder einfordern, vermissen wir noch immer. Da ist nach wie vor überhaupt nichts getan worden, und es schaut auch nicht so aus, als ob da in der nächsten Zeit etwas pas­sieren würde.

Wir meinen, dass die Pflegedebatte uns alle betrifft. Das sollte sich jeder von uns immer wieder bewusst machen. Das betrifft nicht nur jene Menschen, die gerade der Pflege bedürftig sind, sondern alle Menschen, denn es kann jeder Einzelne oder dessen Angehörige einmal in eine solche Situation kommen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass Pflege leistbar ist, und zwar auch die 24-Stunden-Pflege.

Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die Pflege qualitätsvoll ist. Dazu braucht es ein allumfassendes Pflegepaket. Da sollten sich künftige Sozialminister auch einmal die Anträge der Opposition anschauen und den einen oder anderen Vorschlag auf­greifen. Dann könnten wir vielleicht sogar einstimmig ein gutes Pflegepaket be­schließen, das längere Zeit Gültigkeit hat und nicht jedes halbe Jahr, so wie wir es bei dem jetzigen erlebt haben, neu beschlossen werden muss, wo immer wieder eine zusätzliche Änderung kommt. Die Menschen wollen Sicherheit haben und wollen sich auf die politischen Maßnahmen auch verlassen können.

Wir werden der gegenständlichen Regierungsvorlage zustimmen, weil wir glauben, dass die darin enthaltenen Maßnahmen für die Menschen insgesamt doch eine Hilfe


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 22

darstellen – auch wenn sie aus unserer Sicht unzureichend sind. (Beifall bei den Bundesräten Ing. Kampl, Mitterer, Herbert und Schennach.)

9.41


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mitterer zu Wort.

 


9.41.19

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister, Sie haben in Bezug auf die vorliegende Regierungs­vorlage von Freude gesprochen und davon, dass man auch als Oppositionspolitiker über gelungene Gesetze Freude haben sollte.

Keine Freude hatte ich ursprünglich mit der Terminsetzung der so kurz vor der Wahl stattzufindenden Nationalratssitzung. Da kann man keine Freude haben, denn es kommt dabei einfach der Verdacht auf, dass da noch rasch etwas mit Schnellschüssen korrigiert werden soll. In Anbetracht der meisten Entscheidungen, die letztlich getroffen wurden, bin ich aber überzeugt davon, dass es doch richtig war, noch vor der Wahl diese Beschlüsse zu fassen und nicht zu warten, bis eine neue Regierung sich konstituiert hat und möglicherweise dann erst nach Monaten mit Maßnahmen beginnt, die jetzt schon Früchte bringen, wie zum Beispiel diese heute von uns zu behandelnde Gesetzesmaterie, nämlich die Erhöhung des Pflegegeldes. Das ist eine bereits zweijährige Forderung des BZÖ, die immer wieder in zahlreichen Gremien, auch im Parlament, erhoben wurde, aber leider Gottes hat man bis zu diesem Zeitpunkt darauf nicht reagiert. Kärnten hat in jenen Bereichen, wo es zuständig war, sehr wohl reagiert und hat gezeigt, dass man dort, wo man Hilfe benötigt, auch von Landesseite einschreiten muss.

Nun gibt es erfreulicherweise einen Beschluss, der von allen Parteien im Parlament getragen wird und der – davon bin ich überzeugt, und das haben auch alle meine Vorredner bestätigt – auch den Bundesrat einstimmig passieren wird. Betroffen davon sind Bürger, die auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Es wurde aber von allen Rednern hier die Meinung vertreten, dass im Bereich der Pflege, um sich eine immer wiederkehrende Debatte über Erhöhungen des Pflege­geldes zu ersparen, eine Valorisierung angebracht wäre. Ich freue mich, dass sich alle hier im Bundesrat dafür aussprechen. Deshalb wundert es mich eigentlich, dass das noch nicht geschehen ist. Ich hoffe, dass die neue Regierung, egal, wie sie auch aus­sehen mag, auf diesen Umstand reagieren wird.

Die stufenweise Erhöhung und die damit verbundenen Anpassungen sind ein Weg in die richtige Richtung, und deshalb werden diese Maßnahmen auch von Seiten des BZÖ mitgetragen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl.)

9.43


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 23

09.44.242. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beam­ten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pen­sionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Kriegsopferversorgungs­ge­setz 1957, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 – SRÄG 2008) (889/A sowie 8013/BR d.B. und 8022/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beam­ten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheater­pensionsgesetz geändert werden (901/A sowie 8023/BR d.B.)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorge­ge­setz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden (905/A sowie 8024/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­gesetz geändert werden (906/A sowie 8014/BR d.B. und 8025/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zu den Punkten 2 bis 5 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Reisenberger.

 


9.45.04

Berichterstatter Harald Reisenberger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, Frau Minister, ich begrüße Sie.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend das Sozial­rechts-Änderungsgesetz 2008.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Be­schluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 24

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landes- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 25

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.

Ein von den Bundesräten Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen eingebrachter Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zu Stande gekommen.

Weiters ist der vom Bundesrat Ludwig Bieringer eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, ebenfalls infolge Stimmengleichheit nicht zu Stande gekommen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Operfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.

Der von den Bundesräten Mag. Gerald Klug, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag, gegen den gegenständlichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben, wird mit Stimmeneinhelligkeit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Soziales und Konsumen­tenschutz somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz, das Opferfürsorgegesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geändert werden, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Die Begründung liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Als Nächstes bringe ich den Bericht des Ausschusses für Soziales und Konsumen­tenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss für Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


9.48.58

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Herr Bun­desminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat eine Reihe von Sprechern schon darauf hingewiesen, dass die Beschlüsse in der Nationalratssitzung vom 24. September in einer durchaus ungewöhnlichen Art und Weise zustande gekommen sind.

Ja, tatsächlich! Es hat da eine Nationalratssitzung gegeben, in der mit wechselnden Mehrheiten Beschlüsse gefasst wurden, in der das Abstimmungsverhalten der dortigen Klubs nicht von Regierung und Opposition gekennzeichnet war, sondern vom Stand­punkt der Zustimmung zu bestimmten Gesetzesinitiativen. Das ist in manchen Parla­menten Europas nicht so selten, in Österreich ist es allerdings eine Ausnahme­situation, aber es war ein wichtiger Impuls gerade für sozialrechtliche Veränderungen, aber auch für andere Maßnahmen, die dringend im Interesse der Bevölkerung notwendig waren.

Natürlich ist es ungewöhnlich, dass derartige Beschlüsse so knapp vor einer Wahl gefasst werden, aber es ist in dieser Debatte schon darauf verwiesen worden – zum Teil polemisch –, dass es sich dabei um Themen, um Anliegen handelt, die teilweise schon Monate, ja sogar bereits eineinhalb Jahre lang auf eine Erledigung warteten. Ich glaube daher, dass es gut und richtig war, dass sich die Parteien – letztlich dann alle! – entschlossen haben, eine rasche und nicht entlang der Trennungslinie von Regierung und Opposition verlaufende Entscheidung zu treffen.

Es war sicherlich – die meisten von uns haben ihn in irgendeiner Art und Weise beobachtet oder waren auch im Hohen Haus – ein spannender und dramatischer Tag, jener 24./25. September, an dem diese Beschlüsse debattiert und letztendlich gefasst wurden. Es war eine lange Sitzung. Der Nationalrat kann mildernde Umstände geltend machen, weil auch bei altgedienten, erfahrenen und gestählten Politikern ab 4 Uhr früh gewisse Ermüdungserscheinungen auftreten. Ich mache das insbesondere für meine Fraktion im Nationalrat geltend. Das soll vorkommen, aber dazu hat man ja unter anderem eine zweite Kammer.

Ich erinnere mich an eine Situation – das ist historisch –, wo eine Bundesministerin inständig den Bundesrat gebeten hat, gegen ihr Gesetz einen Einspruch zu erheben, weil darin leider ein Blödsinn drinnen stand. Wir haben ihr diesen Wunsch gerne erfüllt. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Fall bitte ich um Ihre Zustimmung für den Antrag, den der Herr Kollege Klug noch einbringen wird. Es wurde nämlich im Nationalrat ein Beschluss gefasst, der einem anderen gefassten Beschluss widerspricht – eine Doppelgesetzgebung, wenn man so will, aber eine sich widersprechende Doppelgesetzgebung, die der Bundesrat mit seinem Einspruch aus der Welt schaffen kann und muss.

Ich begrüße es, dass dort, wo ein Doppelbeschluss erfolgt ist, der keinen Widerspruch enthält, sondern wo parallel indentische Texte zwei Mal beschlossen wurden, was


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 26

auch nicht wirklich eine Meisterleistung der Legistik darstellt, der Einspruch offenbar auch problemlos und nicht kontrovers zustande kommen wird.

Meine Damen und Herren, das ändert nichts daran – nämlich diese technischen Unzukömmlichkeiten, diese Irrtümer, die um 4.15 Uhr einem widerfahren können –, dass es hierbei um notwendige und positive Veränderungen in unserem Sozialsystem geht.

Es ist wirklich nicht einzusehen, warum in einer Frage, die so breit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, nämlich bei der wirklich unglückselig genannten „Hacklerregelung“ – ich würde ja nie dazukommen, mich als Hackler zu bezeichnen, aber das Sozialrecht hat es auch nach sich gezogen, dass ich unter diese Regelung falle; allein daran können Sie sehen, dass dieser Begriff nicht wirklich treffsicher ist – nicht schon früher eine Lösung gefunden wurde. Dabei geht es nämlich um Menschen, die ein Leben lang ihre Beiträge entrichtet haben und die letztlich auch ihre Lebensplanung – und das ist im Sozialsystem eine ganz entscheidende Komponente – danach ausgerichtet haben, dass ihre Möglichkeit, in Pension zu gehen  – ich sage: keine Verpflichtung! –, mit diesen Beitragsjahren konform geht.

Ich glaube, das Schlechteste, was Politik tun kann, ist, in eine zum Teil über viele Jahre im Auge behaltene Lebensplanung von Menschen negativ einzugreifen. Letztlich geht es bei diesen Veränderungen darum, diese Lebensplanung weiterhin gültig zu machen, es den Menschen zu ermöglichen, sie aufrechtzuerhalten. Das ist für Menschen, die 45 Jahre hart gearbeitet haben, durchaus ein legitimer Anspruch, den sie an die Politik richten können.

Jetzt, wo die Wahl vorbei ist, mit Resultaten, die wir hier nicht zu kommentieren haben, ist es vielleicht möglich ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein, Herr Kollege, ich habe nicht die Absicht, die Debatten, die Sie führen müssen, und die Debatten, die wir führen müssen, in eine gemeinsame und notwendigerweise kontrovers verlaufende Debatte im Bundesrat münden zu lassen. Also: Sie führen Ihre Diskussion. Wir führen unsere Diskussion. Das Ergebnis wir möglicherweise auf die Regierungs­bildungs­verhandlungen Einfluss haben. Aber ich halte es nicht für zielführend, dass wir hier im Bundesrat nachwassern. – Genau das wollte ich sagen, Herr Kollege.

Es erscheint mir sinnvoll – und das ist auch eine Einladung –, nun, nachdem die Wahl mit dem Resultat, das sie gebracht hat, vorbei ist, hier diesen Beschlüssen, die sozial gerechtfertigt sind, die notwendig im Interesse der Menschen sind und die heute außerhalb der politischen Kontroverse stehen, in der gebührenden Art und Weise und vielleicht auch abweichend von den Mehrheiten im Nationalrat zuzustimmen.

Österreich ist ein sozialer Staat, Herr Bundesminister. Im Gegensatz zu ein paar „Anrempelungen“ beim vorigen Tagesordnungspunkt: Es ist kein Fleiß am Abend gewesen, sondern es war ein Fleiß von der ersten Stunde an, aber einer der mit beträchtlichen „Bleipatscherln“ gemindert wurde. Dass Sie diese „Bleipatscherln“ mitgetragen haben, dafür gilt Ihnen ein ganz besonderer Dank, nicht nur von der SPÖ-Fraktion hier, sondern von den Menschen, die von diesen Regelungen profitieren. (Beifall bei der SPÖ.)

9.57


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. (Bun­desrat Mag. Klug – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundesrates Mayer –: Edgar, das ist jetzt nicht ganz leicht!)

 


9.57.14

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer leicht, nach dem Herrn Profes-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 27

sor Konecny zu reden, überhaupt dann, wenn er – so wie heute – eher „faser­schmeichelnd“ mit den Themen umgeht und die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates in einer Art und Weise verniedlicht, wo ich sagen muss: Ich habe Sie noch nie so „süß“ reden gehört, Herr Professor! Ein Kompliment dafür! Unglaublich, was wir von Ihnen im Rahmen dieser Bundesratssitzung alles noch erleben dürfen!

In dieses Sozialrechts-Änderungsgesetz-Paket wurde einiges verpackt, was im Großen und Ganzen auch ich als ArbeitnehmerInnenvertreter mittragen kann, obwohl da doch noch einige Apostrophierungen anzubringen sind, insbesondere was die Finan­zier­barkeit und die Tragweite dieser Beschlüsse anbelangt.

Es geht hier um ein Volumen von insgesamt 1,53 Milliarden €. – Das ist die Summe, die das neue Pensionspaket insgesamt kostet. Es ist sozial gerechtfertigt, wie hier heute schon mehrmals gesagt wurde, und bringt vielen Menschen eine finanzielle Besserstellung – etwas, das bei anderen Gesetzen, die heute hier zur Diskussion stehen, ja bei Weitem nicht zutrifft.

Leider hat uns der Kollege Konecny schon wieder verlassen. (Bundesrat Boden: Er kommt gleich wieder! Hebe dir das auf, bis er kommt!) Ich wollte ihm sagen, dass einiges, was er hier erwähnt hat, nicht sozial treffsicher ist, zum Beispiel die Herabsetzung der Mehrwertsteuer auf Medikamente, wo wir 300 Millionen € so einfach „versieben". Das bringt den Konsumenten nur wenig oder überhaupt gar nichts. Da ist es wirklich schade ums Geld, denn das ist nicht sozial treffsicher. Aber Kom­pensationen haben, wie wir schon gehört haben, eben ihren Preis – fernab von jeder Vernunft.

Das verhält sich auch bei den Studiengebühren so; aber das ist eine andere Geschichte und ein anderes Gesetz. Wir werden heute noch ausreichend Zeit und Möglichkeit haben, über Sinn und Unsinn dieser „wechselnden Mehrheiten“ – unter Anführungszeichen –, die heute hier schon glorifiziert wurden, zu reden.

Aber mit der Pensionserhöhung – und ich sage das ganz bewusst –, deren Vorziehung wir ja schon längst im Ministerrat beschlossen haben und die nun insgesamt 3,4 Pro­zent beträgt, sowie mit den Einmalzahlungen, etwa dem Heizkostenzuschuss von Oktober bis April für Ausgleichszulagenbezieher, beschließen wir eine Menge sozialer Sonderbonifikationen, die in Europa ihresgleichen suchen. Das kann man hier in aller Deutlichkeit sagen.

Als ArbeitnehmerInnenvertreter möchte ich auf einen der ganz wesentlichen Punkte eingehen, und das ist die Änderung bei der Langzeitversichertenregel. Herr Minister Buchinger, ich gehe im Sprachgebrauch nicht von dem Wort „Hacklerregelung“ ab, obwohl der Kollege Konecny sich mit diesem Begriff gar nicht identifizieren kann. – Im Volksmund wird es eben als Hacklerregelung bezeichnet und die „einfachen“ Menschen – unter Anführungszeichen –, für die wir ja auch Gesetze machen, identifizieren sich eher mit dieser „Hacklerregelung“; und es ist auch ein Synonym für den anderen Begriff. Deshalb sollten wir auch bei dieser Bezeichnung bleiben. Politik sollte und kann einfach sein, ist es aber meistens nicht.

Deshalb sage ich auch: Für alle Menschen, die im Arbeitsprozess stehen und besonders lange in das System einbezahlt haben – „45 Jahre sind genug!“, ein Slogan, den man immer wieder gehört hat –, die also 45 beziehungsweise 40 Jahre einbezahlt haben und dann mit 55 oder 60 abschlagsfrei in die verdiente Alterspension gehen können, sollen wir auch eine Einfachheit der Begriffe umsetzen. Ich finde das so eben richtig dargestellt.

Herr Minister, wir haben in einer Diskussion in Vorarlberg vor beinahe 200 Betriebs­rätInnen unsere Meinungen ausgetauscht, unsere Standpunkte vertreten. Ich denke,


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 28

man kann da anfügen, dass wir uns jetzt auch für die ArbeitnehmerInnen gemeinsam freuen dürfen, unter welchen Umständen auch immer dieses Gesetz zustande kommt, denn insgesamt ist es eine Weiterentwicklung. Wir lagen da also nicht weit auseinan­der, aber ich hätte mir gewünscht – und das ist mir auch ein wesentlicher Punkt –, dass wir in dieses Paket auch eine sogenannte Ausschleifregelung mit hineingenommen hätten, damit dieses Gesetz abgerundet ist.

Wenn nämlich der kuriose Fall eintreten sollte, dass die nächste Regierung, aus welchen Gründen auch immer – und mich kann nach dem, was in der Zwischenzeit alles geschehen ist, eigentlich nichts mehr überraschen, Herr Kollege Klug ... (Bun­desrat Mag. Klug: Da geht es uns gleich in den letzten Jahren!) – Ja, da geht es uns gleich, Herr Kollege Klug, aber zu dieser Situation habt ihr auf jeden Fall einen größeren Anteil geleistet als wir. Wenn ich diese wechselnden Mehrheiten betrachte, dann frage ich mich: Wer hat denn da die gemeinsame Linie verlassen? Schon nicht die ÖVP, weil wir immer darüber nachgedacht haben, Herr Kollege Klug (Bundesrat Mag. Klug: Das war ein Fehler!), was daraus alles entstehen könnte. Und das ist entscheidend.

Wir sind auch bestrebt, diese Hacklerregelung ins Dauerrecht zu bekommen, aber wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht funktioniert oder wenn es uns nicht gelingt, diese Hacklerregelung zu verlängern – was passiert dann? – Dann wird der Sechzigjährige, 1954 geboren, plötzlich bis 64 Jahre arbeiten müssen, und genauso geht es der Frau, die dann vier Jahre länger arbeiten müsste. Da frage ich Sie, ob das zukunftsweisend ist, ob wir da nicht den Menschen eine Hypothek mit einem – unter Anführungszeichen – „falschen“ Gesetzesbeschluss hinterlassen. Wenn das in dieser Art und Weise kommt, ist für mich dieses ganze Gesetz verfassungswidrig. Das sage ich Ihnen so, wie ich hier stehe.

Da geht unser Modell, Herr Kollege Klug, dem ihr im Nationalrat sinnvollerweise natürlich zugestimmt habt, eben etwas weiter – „sinnvollerweise“ deshalb, weil es eben wichtig ist, dieses Gesetz abzurunden.

Deshalb waren die ArbeitnehmerInnenvertreter meiner Fraktion auch bestrebt, diese Regelung ins Dauerrecht zu bekommen. Nur, wir müssen uns schon im Klaren sein, die Entwicklung holt uns alle ein, denn wenn wir daran denken, dass 2030 wahr­scheinlich ein Beitragszahler auf einen Pensionsbezieher kommen wird, dann werden wir uns anschauen müssen, ob dieses System, so wie wir es jetzt haben – das sehr gut ist, eines der besten Systeme der Welt – noch finanzierbar ist. Herr Minister, da werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen müssen. Die Alterspyramide, die demo­graphische Entwicklung wird uns den Weg weisen, und wir wissen alle, die können wir nicht austricksen.

Ich möchte schon gar nicht, dass wir hier in Österreich deutsche Verhältnisse bekom­men. Das, was dort nämlich die Sozialdemokraten zusammen mit den Grünen im Pensionssystem angerichtet haben, ist ein Unfug. Das ist wirklich ein Unfug! Arbeiten bis 65, jetzt sogar bis 67, sieben Jahre keine Pensionserhöhung: Und was bekommen die deutschen Pensionisten in diesem Jahr? – 1,7 Prozent. Bei uns sind es 3,4 Pro­zent, also doppelt so viel. Da sind unsere Anträge wahre Faserschmeichler-Produkte, weil sie das System sichern und fernab jeder sozialen Kälte, meine sehr verehrten Damen und Herren, einfach zielgerichtet sind.

Um noch einmal auf die Ausführungen des Kollegen Konecny zurückzukommen, der das Ganze mit etwas Rückenkraulen verniedlichen wollte: Ich kann nur anfügen: Wenn man die Beschlüsse insgesamt betrachtet, ist das einer der schwärzesten Tage im Nationalrat. Es ist eine parlamentarische Schande, um es richtig auszudrücken, eine Husch-Pfusch-Partie, die wir heute hier sanieren müssen, damit wieder Rechts­sicher-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 29

heit einkehrt. – Und dafür sind wir Garant: dass wieder Rechtssicherheit einkehrt! (Bundesrat Boden: Blödsinn!) Das ist kein Blödsinn, Herr Kollege Boden. Wenn wir das Ganze betrachten, was heute zu sanieren ist, dann ist das wirklich eine parlamen­tarische Schande – in aller Deutlichkeit ausgedrückt! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Der Mayer übertreibt!)

Wie sagte der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs Karl Korinek in einem „Kurier“-Interview so treffend am 26. September? – Ich halte es im höchsten Maße für unseriös, wenn Abgeordnete, auch wenn sie sich sehr bemühen, nicht in der Lage sind zu erfassen, was sie beschließen. – Zitatende.

Außerdem, und das ist mir schon wichtig zu erwähnen  (Bundesrat Gruber: Beim Mietzins war das der Fall bei euch!) – Ganz sicher nicht, Herr Kollege Gruber. (Bundesrat Gruber: Das war genau dasselbe! Darum wundert es mich, dass Sie sich so aufregen!) In seiner Aussage ist das genau auf den Punkt gebracht. So schaut es aus!

Außerdem ist es mir schon auch wichtig zu erwähnen, dass ein Beschluss im Bereich des Pensionssystems mit einfacher Mehrheit abzuändern und wieder aufzuheben ist und dass es möglich ist, das neu zu machen. Die Hacklerregelung könnte 2012 oder 2013, wenn Sie so wollen, einfach wieder verlängert werden, also auch mit einer Ausschleifregelung, die wir heute hier mitbeschließen können. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist ja ein Widerspruch!) Dann wird das Ganze einfach adaptiert.

Wir können im Pensionsrecht mit einfacher Mehrheit Beschlüsse fassen. Ich verstehe nicht, warum wir das hier nicht einfach harmonisch abklären und einen Pensions­beschluss fassen, der den Namen auch verdient, denn das ist entscheidend. Es gilt hier einfach der alte Bibelspruch, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Kollege Klug: Fürchtet euch nicht! Das möchte ich Ihnen noch sagen. (Bundesrat Mag. Klug: Ich fürchte mich nicht!)

Ich bin auch dafür, dass wir gleichzeitig versuchen sollten, den Ausbau der zweiten und dritten Säule parallel zu unterstützen und von staatlicher Seite noch stärker zu fördern und zu forcieren. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug.) Das ist auch ein Gebot der Stunde. Wir können uns nicht nur auf das staatliche Pensionssystem ... (Bundesrat Gruber: Das ist ein Schuss ins eigene Knie, Herr Kollege! Die Beitrags­zahler sind weniger geworden, und die zweite und dritte Säule wird auch weniger!) – Herr Kollege! Wir können in einer zweiten und dritten Säule auch andere Möglichkeiten vorsehen, dann haben wir nicht nur die staatliche Pension, und wenn die Beitrags­zahler weniger werden, dann müssen wir auch da Vorsorge treffen. Das muss sogar Ihnen einleuchten, dass wir auch die zweite und dritte Säule forcieren müssen. Das ist ein wichtiger Punkt in einem Pensionssystem.

Ich werde dieser Hacklerregelung auf jeden Fall meine Zustimmung geben, weil ich als ArbeitnehmerInnenvertreter auch seit Jahren auf deren Verlängerung hingearbeitet habe. Ich werde meinen Anteil an der politischen Glaubwürdigkeit bewahren, den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen hier auf der linken Seite, offensichtlich schon längst verwirkt haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.07


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


10.08.09

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Meine Vorredner haben schon mehrmals betont, dass dieser 24. Sep-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 30

tember doch ein Tag ist, der in die Geschichte eingehen wird. In 19 Stunden ist das beschlossen worden, was in zwei Jahren Arbeit nicht möglich war. Der Zeitdruck hat einige Fehler produziert. – Irren ist menschlich, das kann passieren. Da zeichnet sich aber, wie ich meine, doch ab, dass die Oppositionsparteien offensichtlich profes­sioneller arbeiten als die Regierungsparteien. Die Änderungen, die heute zur Dis­kussion stehen, kommen jedoch nichtsdestotrotz den Österreicherinnen und Öster­reichern zugute.

Was die Pensionserhöhung betrifft, also die Erhöhung um 3,4 Prozent plus die Einmal­zahlung, so sind wir grundsätzlich damit einverstanden, aber nicht wirklich zufrieden. Natürlich müssen die Pensionen regelmäßig an die Preise angepasst werden, aber die Frage ist auch, wie wir das tun. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass eine Diskussion um die Erhöhung – ob um 3,2 oder 3,4 Prozent – entbrannt ist. Bei einer Mindestpension macht dieser Unterschied „fette“ 1,50 € aus – nicht einmal genug, um ein Sparbuch zu eröffnen, gerade genug um sich darum einen halben Laib Brot zu kaufen.

Vielleicht ist eine generelle prozentuelle Pensionserhöhung doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Wenn wir da am System nichts ändern, werden die Ungerechtigkeiten noch weiter ansteigen und das Pensionssystem wird weiter belastet werden.

Der Verlängerung der sogenannten Hacklerregelung stehen wir positiv gegenüber, glauben aber, dass sie noch immer nicht ausgereift ist. Die derzeitige Regelung endet abrupt im Jahr 2013. – Das kann es doch wohl nicht gewesen sein.

Besonders unverständlich sind die Übergangsregelungen des SPÖ-Antrages für die Zeit nach 2013. Dort ist nämlich vorgesehen, dass das Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension jedes Jahr um ein halbes Jahr hinaufgesetzt wird. Das sieht dann in der Praxis so aus, dass Menschen einfach in die Korridorpension gezwungen werden.

Ein Beispiel dazu: Wer am 31. Dezember 1955 geboren worden ist, darf mit 1. Jänner 2017 in Pension gehen. Wer nur einen Tag später, also am 1. Jänner 1956, geboren worden ist, muss bis Juli 2017 warten – und das Ganze wiederholt sich dann im Zehnjahresrhythmus. (Bundesrat Gruber: Das wollen wir nicht!) Genau. Das wollen wir auch nicht. Das ist sozusagen irrtümlich beschlossen worden, und deshalb ersuche ich Sie, diesem widersprechenden Paragraphen nicht zuzustimmen.

Auch die Reform der Beamtenbesoldung und der Beamtenpension steht uns noch ins Haus. Aber vielleicht haben die beharrenden konservierenden Kräfte in einer zukünf­tigen Regierung nicht mehr die Oberhand.

Ich möchte noch einiges zum Opferfürsorgegesetz sagen: Grundsätzlich ist einmal zu kritisieren, dass die Menschen, die den Massenmord mitorganisiert haben beziehungs­weise mittragen mussten, diese Jahre als Pensionszeit angerechnet bekommen. Ich möchte gar nicht thematisieren, ob das gerechtfertigt ist oder nicht, aber was mir persönlich wirklich sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass unschuldig verfolgte Menschen dieses Privileg noch immer nicht zugesprochen bekommen haben.

Wenn zum Beispiel Homosexuelle oder Bibelforscher im KZ untergebracht waren und das überlebt haben, bekommen sie, ganz im Gegensatz zu ihren Bewachern und Aufsehern, diese Zeit nicht für die Pension angerechnet. Das ist schon eine Unge­rechtigkeit, ein Armutszeugnis, und – Herr Bundesminister, ich möchte meinen Blick in Ihre Richtung wenden – es ist für mich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehbar, warum es diesbezüglich eine Weisung gibt.

Ich habe da eine Presseaussendung mitgenommen. Es sind in Oberösterreich 29 An­träge eingegangen, und von der zuständigen Sektion Ihres Sozialministeriums wurden diese Anträge sozusagen in Abrede gestellt. (Bundesminister Dr. Buchinger: Sie


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 31

sollten sagen, worum es geht, damit sich die Bundesräte auskennen!) – Ja, ich habe es Ihnen ... (Bundesminister Dr. Buchinger: Ich kenne es schon, aber die hier Anwesenden wissen es nicht!)

Es geht darum, dass das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz sich geweigert hat, eine Auszahlung der geregelten Mindestpension von wenigen 100 € an die Hinterbliebenen der ermordeten Opfern vorzunehmen. In einer Weisung vom Jänner dieses Jahres werden die Beamten der zuständigen Sozialabteilung angewiesen, diese Ansuchen – das waren ungefähr 30 – nicht zu bearbeiten, obwohl wir gerade ein Gedenkjahr begangen haben, obwohl in den Gedenkveranstaltungen tolle Reden geschwungen worden sind. – Das waren anscheinend nur Lippen­bekennt­nisse.

Diese Menschen fallen noch immer um ihre Rechte um. Es sind ohnehin nur mehr einige wenige, und es ist nicht die große Menge an Geld, aber es geht für mich und für meine Kollegen und Kolleginnen um die Anerkennung eines Unrechts. Anscheinend sind wir noch immer nicht dazu bereit, dieses Unrecht zu beseitigen und wieder gutzumachen. Das war die Kritik. (Bundesminister Dr. Buchinger: Da kennt sich niemand aus bei dem, was Sie jetzt erklärt haben!) – Ich habe es Ihnen heraus­gestrichen. Vielleicht können Sie dann dazu Stellung nehmen.

Was sich im Zuge der Finanzkrisen abgezeichnet hat, hat von Amerika her letztendlich auch Europa und auch Österreich erreicht. Weder ÖVP noch SPÖ haben dagegen Maßnahmen ergriffen beziehungsweise sind sie erst nach der Wahl auf diesen Zug aufgesprungen. Wir von den Grünen fordern schon seit Monaten und Jahren eine ökosoziale Steuerreform, die die Einkommen entlastet, die die großzügigen Steuer­geschenke zurücknimmt, sowie die Einführung der Vermögenssteuer, der Erbschafts­steuer und der Schenkungssteuer. Man kann mit einem großzügigen Freibetrag eine hohe soziale Treffsicherheit erzielen. Wir müssen so schnell wie möglich mit einer mutigen Steuerreform die Inlandsnachfrage ankurbeln und mit einem Investitions­programm von Bund und Ländern die notwendigen Impulse setzen.

Über die soziale Treffsicherheit der einzelnen Maßnahmen, die wir heute verab­schieden, möchte ich mich nicht verbreitern. Ein grünes Entlastungspaket wurde geschnürt, das einerseits Mittel- und KleinverdienerInnen wirklich entlastet, gleichzeitig die Inlandsnachfrage ankurbelt und das Klima schont.

Zwei Beispiele: Öffentliche Verkehrsmittel gratis für Kinder und SchülerInnen, für Lehrlinge und StudentInnen. Die Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel bringt auch eine Entlastung für die PendlerInnen.

Der zweite Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist der Gratiskesseltausch. Raus aus Öl und Gas bedeutet runter mit der Heizkostenrechnung. Der Staat schießt 100 Pro­zent der Investitionskosten beim Tausch des Ölkessels auf alternative Energie vor, und die BürgerInnen sparen die Hälfte der Heizkosten. Mit den ersparten Kosten zahlen sie dann 50 Prozent der getätigten Investitionen in Raten zurück.

Das sind nur einzelne Maßnahmen, die den Menschen in Österreich sowohl jetzt als auch langfristig wirklich etwas bringen.

Zum Schluss möchte ich noch Folgendes festhalten – da wende ich meinen Blick in Ihre Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ –: In den Vorwahlzeiten wurde seitens der FPÖ kolportiert, ein differenziertes Sozialversicherungsmodell vorzu­schlagen. Für mich verbirgt sich ein klar rassistisches Konzept dahinter. Wir können doch, bitte, nicht In- und Ausländer differenzieren. Diese Zeiten haben wir schon einmal gehabt.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 32

Ich ersuche alle Kollegen und Kolleginnen in diesem Haus, diese Bestrebungen ganz klar in die Schranken zu weisen und diese Ansätze im Keim zu ersticken. Diese undifferenzierte Herangehensweise der Kriminalisierung von Ausländern ist in die Schranken zu weisen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist wirklich nichts Neues! Das ist nur an Ihnen vorübergegangen!) Ich bitte Sie, diese Dinge nicht zu unterstützen. – Danke. (Beifall von Bundesrätin Kerschbaum und Bundesrat Schennach.)

10.17



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 33

Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl.

 


10.17.26

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzter Herr Bundes­minister! Geschätzte Frau Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Bun­desrates! Man könnte so anfangen, wie es auch die Presse schreibt: Die lange Nacht hat sich gelohnt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! 18 Monate lang hat man die sozialen Probleme in Österreich vor sich hergeschoben. Die Politikerverdrossenheit bei den Bürgern ist gestiegen. Die Gesetze vom 24. und 25. September haben eine große, positive Breitenwirkung. Die politische Willensbildung war unterschiedlich. Dazu sollte in den Ausschüssen beraten werden. Das sind die Gepflogenheiten, Herr Bundesminister, die in einer Demokratie immer wieder die Grundvoraussetzung sein sollten.

Viele Entscheidungen vom 24. September beinhalten eine große soziale Komponente für die österreichischen Bürger, und das ist auch gut. Trotzdem waren die Anträge aller Fraktionen im Nationalrat unterschiedlich. Der Wille der österreichischen Bürger war, dass sie vom Warten genug haben.

Sehr positiv war, dass es für die Studienförderung 50 Millionen im Jahr gibt, für die Pensionserhöhung 1,275 Milliarden, für die Einmalzahlung für Pensionen 170 Mil­lionen, für die Hacklerregelung 810 Millionen auf drei Jahre, für den Heizkosten­zuschuss 15 Millionen pro Jahr, für Familienbeihilfe 250 Millionen, für Pflegegeld 120 Mil­lionen pro Jahr, für Medikamente 350 Millionen – was wir heute noch zur Diskussion haben –, für die Autobahnvignette 8,4 Millionen, für die Steuerbefreiung 150 Millionen pro Jahr. – Das sind insgesamt 2,8 Milliarden für die österreichischen Menschen.

Die österreichische Bevölkerung hat angesichts der Verschleppung dieser Anträge, die man schon längst beschließen hätte sollen, gestöhnt. Die österreichische Bevölkerung, sehr geehrte Frau Bundesminister, hat auf eine Besserstellung in vielen Bereichen gewartet. – Am Wahltag hat sie auch dementsprechend reagiert.

Nun zum Punkt 4: Aufgrund der Preissteigerung ist eine Versicherungsanpassung not­wendig. Die neue Regelung gilt auch im Rentenbereich. Das Gesetz tritt mit 1. November 2008 in Kraft. Das neue Gesetz trägt zu einer Entlastung bei und hilft, Armut zu verhindern.

Die Kosten dafür betragen 1 Million €. Gemeinsam sollten wir für eine zeitgemäße Regelung eintreten. Wir sollten mehr Respekt haben vor Personen, die in Not geraten sind – nicht durch eigene Schuld – und die auf die Schattenseite des Lebens geraten sind. Die SPÖ-Fraktion und die grüne Fraktion waren im Nationalrat für ein Nein.

Ich appelliere an Sie, dass wir heute gemeinsam für ein Ja stimmen. Bei einem Haushaltsplan und einem Budget 2008 von 65,88 Milliarden € sollte es möglich sein, ein Gesetz, bei dem es um 1 Million € geht, einstimmig zu beschließen. – Ich danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

10.21


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


10.21.58

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Herr Minister! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Offensichtlich befindet sich Kollege Dönmez noch im Wahlkampf. Ich darf Ihnen aber mitteilen, Herr Kollege: Auch wenn Sie versuchen, unsere im Wahlkampf verwendeten Argumente in dieses Forum zu bringen – Ihre falschen Ausführungen, mit denen Sie die Rassismuskeule schwin­gen, werden dadurch nicht wahrer. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich gehe aber mit Ihnen d’accord, wenn Sie meinen, dass dieser 24. September wahr­lich kein Ruhmestag für den österreichischen Nationalrat war, wobei ich auch fest­stellen muss, dass dazu die SPÖ-Fraktion im Nationalrat einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet hat. Ihr ist es nämlich gelungen, bei den Pensionsregelungen in Bezug auf die sogenannte Hacklerregelung nicht nur ihrem eigenen Antrag, der gemeinsam mit der FPÖ-Fraktion im Nationalrat eingebracht wurde, zuzustimmen, sondern auch einem divergierenden Antrag der ÖVP die erforderliche Mehrheit zu verschaffen – was wir heute als Kuriosum wahrnehmen können, da heute im Bun­desrat beide Anträge auf der Tagesordnung und daher zur Disposition stehen.

Ich glaube, es wird Sie wohl wenig überraschen, wenn ich eher dem Antrag in Tages­ordnungspunkt 2 meine Zustimmung geben werde – nicht nur deswegen, weil er viele seitens der FPÖ lange geforderte Inhalte mit einschließt, sondern weil er meiner Meinung nach auch den weiter gehenden und für die Sicherung der Pensionen auch nachhaltigeren Vorschlag beziehungsweise Beschluss darstellt.

Er stellt nämlich sicher, dass nicht nur die Hacklerregelung bis zum Jahr 2013 ver­längert wird, sondern dass es auch eine Erweiterung im Zugangskatalog durch die Anrechnung von Krankenstandszeiten und sogenannten Ausübungsersatzzeiten gibt.

Darüber hinaus wird darin festgehalten, dass die Aufhebung der sogenannten verzögerten erstmaligen Anpassung und eine Valorisierung der Rentenleistungen in der Sozialentschädigung erfolgt.

Zusätzlich zu diesen Pensionsmaßnahmen birgt dieser Beschluss auch wesentliche Maßnahmen für die Pensionisten in sich, die gerade nicht über ein üppiges Ein­kommen verfügen, quasi um die Kaufkraft der Pensionisten zu stärken und hier einen Teuerungsausgleich zu schaffen.

Ich darf hinweisen auf die Einmalzahlung für Pensionsempfänger, auf adäquate Pen­sionsanpassungen und Vorsorgeleistungen und auch auf den Heizkostenzuschuss für Ausgleichszulagenbezieher, der einen wesentlichen Beitrag dazu sicherstellt, dass gerade Mindestrentner und Bezieher niedriger Pensionen in diesen schwierigen, finanziell unsicheren Zeiten einen Ausgleich erhalten und damit ihr Lebensauslangen besser finden werden können.

Alles in allem: Es handelt sich hier meiner Meinung nach um den – gegenüber dem unter Tagesordnungspunkt 3 angeführten Vorschlag – besseren Vorschlag zur Hacklerregelung. Aus diesem Grund werde ich auch, wie gesagt, dem Antrag in Tages­ordnungspunkt 2 zustimmen.

Noch ein Wort zu den unter Tagesordnungspunkt 4 angeführten Bestimmungen hin­sichtlich der Hinterbliebenenregelung: Da wurde im Ausschuss der Vorschlag eingebracht, einen Einspruch gegen diese Bestimmungen zu erheben, da sie wort­identisch mit den im Tagesordnungspunkt 2 festgehaltenen Bestimmungen sind. Auch diesem Einspruch werden wir zustimmen, da wir auf diese Weise einen legistischen


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 34

Fehler verhindern und einen Doppelbeschluss, der eigentlich zu vermeiden ist, nicht zustande kommen lassen.

Auch der Tagesordnungspunkt 5, nämlich die Erhöhung der Unfallrenten, wird unsere Zustimmung finden, weil unser Ansatz jener ist, dass auch für diese Unfallrenten­bezieher, ebenso wie für die Pensionsempfänger, mit 1. November 2008 eine An­passung erfolgen soll, damit keine Schlechterstellung erfolgt und damit sichergestellt ist, dass wir beide Leistungsbezieher mit ins Boot genommen haben. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

10.26


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Buchinger das Wort. – Bitte.

 


10.26.57

Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Kolle­ginnen auf der Regierungsbank! Herr Bundesrat Dönmez hat – vielleicht in Verkennung der Tagesordnung – eine Anfrage an den Bundesminister gestellt, die mit der Tages­ordnung nichts zu tun hat, auch nicht mit der Erhöhung der Pensionen. Ich glaube auch, dass sich niemand von den Kolleginnen und Kollegen hier ausgekannt hat bei dem, was er gesagt hat beziehungsweise gemeint hat. Ich denke, man soll trotzdem jede Möglichkeit nutzen, aufklärend tätig zu sein. Ich möchte das tun.

Das Problem, das er angesprochen hat, ist, dass die Oberösterreichische Landes­regierung aufgrund einer telefonischen Information der Steirischen Landesregierung über eine vermeintliche mündliche Auskunft des Sozialministeriums alle Hinter­bliebenen nach Opfern in Oberösterreich angeschrieben hat, dass nunmehr die Hinter­bliebeneneigenschaft als Waise nicht – wie überall sonst – mit dem 24. Lebensjahr endet, sondern auch darüber hinaus dauern kann.

Das war voreilig und inhaltlich falsch. Und aufgrund dieser voreiligen und inhaltlich falschen Aufforderung sind 29 Begehren eingelangt, wo dann natürlich vom Sozial­ministerium aufgeklärt werden musste, dass die Waiseneigenschaft, die Hinterbliebe­neneigenschaft in allen entsprechenden Sozialgesetzen mit dem 24. Lebensjahr endet. Es handelt sich also nicht um die Opfer selbst, sondern um Kinder, Waise, die jetzt vielleicht 40, 50, 60 Jahre alt sind und für die der bestehende Rechtszustand weiter gilt.

Lassen Sie mich aber zum eigentlichen Inhalt der Debatte Stellung nehmen und mit der Langzeitversichertenregelung, vulgo Hacklerregelung, beginnen. Ich freue mich aufrichtig, dass es dieser Regierung in dieser nunmehr auslaufenden Legislaturperiode gelungen ist, zwei Mal diese Langzeitversichertenregelung zu verlängern: zum Ersten im Sommer 2007 bis Ende 2010, nunmehr – wenn der Bundesrat heute zustimmt, vielleicht auch einstimmig – bis Ende 2013.

Da darf ich schon darauf hinweisen: Gäbe es nicht diese sozialdemokratisch geführte Bundesregierung, gäbe es nicht diese Mehrheiten im Parlament, in den beiden Hohen Häusern, dann könnte in Österreich bereits heute niemand mit 45 Beitragsjahren zum 60. Lebensjahr abschlagsfrei in Pension gehen!

Das ist gelungen, und ich bedanke mich bei allen Kräften, die hier über die Partei­grenzen hinweg an dieser Lösung mitgewirkt haben, weil es eine gerechte Lösung für die Menschen ist. Warum? – Sie ist deswegen gerecht, weil ältere Beschäftigte, über 60-Jährige, heute auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie Beschäftigung suchen, de facto keine Chance haben und in vielen Unternehmen auch bereits 50-, 55-Jährige mit massiven Abbauprogrammen aus der Beschäftigung gedrängt werden.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 35

Solange das so ist, werden und dürfen wir in unserer Verantwortung für die Bür­gerinnen und Bürger nicht zulassen, dass für Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, wenn sie dann arbeitslos sind, die Alternative ist: Arbeitslosengeld, Notstands­hilfe oder Sozialhilfe. Das haben sich diese Menschen nicht verdient, daher ist die Verlängerung der Langzeitversichertenregelung auch richtig und gerecht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Wolfinger.)

Ich freue mich, dass zwei wichtige inhaltliche Verbesserungen über die Verlängerung der Langzeitversichertenregelung heute zur Abstimmung stehen – die insbesondere wirklich den Begriff „Hacklerregelung“ auch rechtfertigen, weil es hier um Gleich­stellung von Arbeitern und Arbeiterinnen geht –, nämlich die Einbeziehung von Kran­kenstandszeiten in die Beitragszeiten und auch die Anerkennung von Ausübungs­ersatz­zeiten. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Worum handelt es sich hier? – Es handelt sich dabei darum, dass heute Arbeiter, Arbeiterinnen einen zeitlich geringeren Entgeltfortzahlungsanspruch haben und daher bei Arbeitsunfähigkeit, bei längeren Krankenständen aus den Beitragszeiten für die Langzeitversichertenregelung herausfallen, oder, bei den Ausübungsersatzzeiten, dass Menschen, die in ihrer Jugend in der Landwirtschaft oder in Gewerbebetrieben gearbeitet haben, wobei es damals aber nicht möglich war, sie sozialver­sicherungs­rechtlich anzumelden, dann um diese Jahre „sterben“, auch wenn sie in der Folge viele Jahrzehnte gut gearbeitet haben. Sie beseitigen dieses Unrecht heute mit Ihrem Beschluss, und da gibt es auch wenig Differenzen zwischen den Parteien.

Ich darf dem geschätzten Bundesrat Mayer hier recht geben. Die Differenz besteht in zwei Punkten: Das eine ist die Auslauf- oder Ausschleifregelung, und das Zweite ist, ob hier bei den Ausübungsersatzzeiten eine Nachkaufsmöglichkeit geboten werden soll oder ob diese gleich ohne Weiteres als Beitragszeiten bewertet werden sollen.

Wir sind nach reiflicher Diskussion, auch mit den Sozialpartnern, zu dem Entschluss gekommen, nicht nachzukaufen, sondern hier gleich ohne Weiteres eine Anerkennung als Beitragszeiten vorzunehmen. Warum? – Aus Gründen der Verwaltungsökonomie. Hier handelt es sich ja im Regelfall um wenige Monate, mit einem durchschnittlichen Nachkaufsvolumen von 10, 20, 30, 40 €. Und da wäre der Verwaltungsaufwand größer als die Anerkennung dieser Leistung in der Jugend. Daher sollte diese Differenz hier keine große Rolle spielen.

Bei der Ausschleifregelung teile ich auch die Meinung von Herrn Bundesrat Mayer inhaltlich, denn wenn wir die Ausschleifregelung nach dem ÖVP-Vorschlag be­schließen würden, dann wäre das doch ein Signal dahin gehend, dass diese Langzeitversichertenregelung ab 2014 ausläuft.

Dieses Signal wäre aber verfrüht, denn, meine sehr geschätzten Damen und Herren im Hohen Haus, wenn sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht bessert, dann wäre ein Auslaufen der Langzeitversichertenregelung 2014 genauso ungerecht wie ein Auslaufen 2011. Daher: Beschließen Sie diese Verlängerung! Und wir sollten uns alle Möglichkeiten offen halten, in der kommenden Legislaturperiode auch eine weitere Verlängerung nach 2013 zu beschließen – wohl wissend, dass das abgestimmt werden muss mit der Schwerarbeiterregelung, mit der Regelung der Invaliditäts- und Berufs­unfähigkeitspension, mit der Regelung der Korridorpension, weil es hier tatsächlich Ungereimtheiten gibt, die in einem größeren Paket in der nächsten Legislaturperiode auch beseitigt werden sollen. Ich bin zuversichtlich – „fürchtet euch nicht!“ –, dass das die kommende Regierung, welcher Couleur auch immer, gut erledigen wird.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Einige kurze Sätze zur Pensions­erhöhung: Das, was hier Regierung und Parlament in Bezug auf die Erhöhung der Pensionen für die Aufbaugeneration beschließen, ist wirklich europaweit vorbildlich! Da


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 36

macht uns der Vergleich sicher: Deutschland 1,1 Prozent Pensionserhöhung; Frank­reich 1 Prozent Pensionserhöhung; Österreich 3,4 Prozent plus Einmalzahlung, plus – auch das ist Anlass zur Freude –: Wir ziehen einen der letzten – der Ausdruck „Giftzähne“ ist demagogisch, aber einer der letzten Ungerechtigkeiten der Pensions­reformen von Schwarz-Blau werden Sie heute ein Ende bereiten, wenn Sie zustimmen, nämlich dieser unsäglichen Wartefrist von bis zu 23 Monaten (Beifall bei der SPÖ), wodurch Menschen, die in Pension gehen, so lange bislang keine Erhöhung bekommen haben. Auch das ist ein ganz, ganz wichtiger Beschluss.

Ganz zum Schluss, meine sehr geschätzten Damen und Herren: In den Vereinigten Staaten ist vor wenigen Tagen beschlossen worden, für die großen Unternehmen, für die Banken, für die, die an der Finanzkrise viele Millionen als Manager verdient haben, 700 Milliarden Dollar an Stützung zur Verfügung zu stellen. Dafür ist Geld da. In Deutschland ist vor wenigen Tagen beschlossen worden, 50 Milliarden € für die Stützung einer Bank bereitzustellen, die auch für die eigenen Vorteile der Manager, für den Verdienst von vielen Vermögenden in die Nähe des Konkurses geschlittert ist. – Ich bin froh darüber, dass im österreichischen Parlament beschlossen wird, etwa 2 Milliarden € an Sozialleistungen für Menschen bereitzustellen, die das brauchen. Das macht auch einen Unterschied, der uns freudig stimmen kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie der Bundesrätin Mühlwerth.)

10.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


10.35.23

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Regierungsmitglieder! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny, Sie haben in Ihrem ersten Redebeitrag die Situation des heutigen Tages auf den Punkt gebracht, indem Sie gesagt haben, die Wahl ist vorbei. Aber den Schluss, den Sie daraus gezogen haben, möchte ich so nicht stehen lassen. Sie haben mit besonderer Freundlichkeit so in Richtung „Seien wir wieder nett!“ argumentiert. Die Schlussfolgerung müsste aber im Abstimmungsverhalten zum Ausdruck kommen: in der Korrektur von Beschlüssen, die passiert sind und die nicht im Sinne des Gesamten sind.

Diese heutige Debatte findet vor dem Hintergrund einer dramatischen weltwirt­schaft­lichen Situation und Entwicklung statt. Ich brauche das nicht im Detail auszuführen, die Zeitungen sind voll davon: Möglicher Staatsbankrott Islands oder aberwitzige Milliar­denbeträge, die notwendig sind, um unsere Volkswirtschaft vor schwersten Schäden zu schützen. Es wäre daher dringend geboten, dass wir unsere Leistungskraft, unsere Wirtschaft, unser Budget zusammenhalten. Daher frage ich Sie schon, vor allem die Kollegen von der SPÖ, wie es Ihnen mit Teilen der heutigen Beschlüsse geht (Rufe bei der SPÖ: Gut! Gut!), wo Sie doch wissen, dass Sie damit eigentlich das Gegenteil von dem bewirken, was jetzt staatspolitisch (Bundesrat Konecny: Ui!) angesagt wäre. (Bundesrat Konecny: Menschen hungern lassen, damit wir uns die Banken leisten können!)

Es werden ja die Studiengebühren heute noch auf der Tagesordnung stehen. Aber Sie wissen ganz genau, dass wir da einen dramatischen Fehlbeschluss vorliegen haben, und ich höre uns in diesem Hause schon die nächsten zehn Jahre lang über die Finanzierung der Bildungspolitik im Bereich der Universitäten diskutieren, weil einfach hier dringend sehr viel Geld notwendig ist und es beides gebraucht hätte, sowohl die budgetäre Leistung als auch die Studienbeiträge. (Zwischenruf des Bundesrates Gruber. – Bundesrat Boden: „Jetzt können wir uns das alles nicht mehr leisten!“)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 37

Auch das noch zu dieser Situation: Die Wahl ist also vorbei. Der Weg zurück zur Vernunft wäre angesagt (Bundesrat Gruber: Das gilt aber für dich auch!), aber möglicherweise bleibt das eine Illusion. (Bundesrat Gruber: Das gilt aber für dich auch!) Wir stehen vor einer Neuorientierung einer ganzen Legislaturperiode. Und da, glaube ich, ist es wichtig, dass man die Dinge einfach auch anspricht, so wie sie sind. (Bundesrat Schennach: So wie die ÖVP „ins Lot bringt“!)

Nun auch zur Hacklerregelung. – Es herrscht diesbezüglich einigermaßen Konsens. Es hat sich auch hier die Frage gerade im Hinblick auf die Ersatzzeiten gestellt. Die Volkspartei hat vorgeschlagen, den begünstigten Nachkauf von Zeiten zu ermöglichen. Die Frage ist, ob das Signal, das man da insgesamt aussendet, wenn alles freigestellt wird, im jetzigen Moment, in der jetzigen Zeit das Richtige ist.

Wir sind – und das möchte ich ganz bewusst betonen – selbstverständlich für eine starke Sozialpolitik, für eine gezielte, treffsichere Politik für jene, die es brauchen. Wir sind für die Verlängerung der Hacklerregelung. Wir sind für eine Einschleifregelung bis 2024, um für die Menschen die Planbarkeit und Rechtssicherheit herzustellen. Wir sind für die Erhöhung der Unfallrenten ab 1. November. Wir sind für eine Pensions­erhöhung – und wie weit sich der österreichische Staat da engagiert, sieht man anhand der angesprochenen Beispiele, wie etwa jenem der Bundesrepublik Deutschland mit 1,7 Prozent Pensionserhöhung. Wir bekennen uns dazu, dass auf alle Fälle eine Inflationsabdeckung stattfindet. Wir wären aber für eine flexiblere Vorgangsweise gewesen, um insgesamt eine Anpassung zu ermöglichen an das, was im gesamten Umfeld passiert.

In Summe stehen wir vor der wirklich großen staatspolitischen Bewährungsprobe, ob wir in der Lage sind, so Maß zu halten, dass wir ein geordnetes Staatswesen, geord­nete Staatsfinanzen haben, um die bestmögliche Ausgangssituation für die Bewäl­tigung der anstehenden beziehungsweise drohenden Probleme der Weltwirtschaft zu haben.

Wir bewegen uns auf einem Risikolevel, das wir in den letzten Jahrzehnten nicht gekannt haben. Und trotzdem wird die Korrektur falscher Beschlüsse eine Illusion bleiben. Es wird durchgezogen werden, auch wenn manche Beschlüsse nicht dem entsprechen, was notwendig wäre; es wird auch der heutige Tag nicht das Notwendige an Korrektur bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile ihm dieses.

 


10.41.00

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn ehrlicherweise zugeben, dass es immer eine besondere Herausforderung darstellt, als sechster oder siebter Redner zu einem Verhandlungsgegenstand einen bereichernden Beitrag für die politische Debatte leisten zu wollen. Und auch wenn sich unser sehr sachkundiger geschätzter Herr Bundesminister inhaltlich schon geäußert hat, werde ich trotzdem vielleicht den einen oder anderen Punkt besonders strapazieren, Punkte nämlich, die aus meiner persön­lichen politischen Einschätzung zu den nun in Verhandlung stehenden Tagesordnungs­punkten 2 bis 5 aus meiner Sicht eine gewisse Überraschung dargestellt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich mit der ersten Überraschung, die bereits im Zuge der politischen Debatte aufgetreten ist, beginnen! Wenn wir uns heute in der Früh alle maßgebenden österreichischen Tageszeitungen zu Gemüte geführt


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 38

haben (Ruf bei der ÖVP: Die „Kronen Zeitung“!) – selbstverständlich auch die „Kronen Zeitung“ – und vor dem Hintergrund dessen, was in diesen Minuten für die Sparerinnen und Sparer unserer Republik hoffentlich Gemeinsames gelingen wird, und damit natürlich auch vor dem Hintergrund der sich entwickelnden weltweiten, europäischen und hoffentlich nicht zu schlimmen nationalen Finanzmärkte ist zu sagen, sich heute hier im Bundesrat zum Thema Pensionsrecht für die weitere Stärkung der zweiten und dritten Säule stark zu machen, ist völlig inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit. – Bundesrat Schimböck: Aufpassen, Kol­lege Mayer! – Bundesrat Perhab: Wer hat die BAWAG ...? – Rufe bei der SPÖ: Na geh!) – Das war jetzt zum Thema Pensionen die zweite Überraschung. Ich komme jetzt zur dritten Überraschung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ganz offen sagen, ich weiß, dass es in der ÖVP-Fraktion nicht ganz einfach ist, sich zum Thema Langzeitversichertenregelung, Hacklerregelung und der politischen Botschaft: 45 Jahre sind genug!, inhaltlich durchzusetzen, aber es wäre viel Sprengstoff zu diesem Thema gut geeignet, ihn heute zu bringen. Ich kann mich noch gut erinnern: Ganz hinten ist er gesessen, Herr Kollege Schöls, und er ist aufgesprungen und hat gesagt: 45 Jahre sind genug! Das war immer unser Thema, dafür haben wir uns immer stark gemacht! – Kollege Schöls ist heute nicht mehr hier, aber fest steht, dass mit der vorliegenden Verlängerung zum Sozialrechts-Änderungsgesetz die sozialdemokratische Fraktion heute hier in diesem Haus ein deutliches Zeichen setzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte aber auch ganz bewusst, nämlich vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Zukunft, die Gelegenheit nutzen und ein bisschen aus den Erfahrungen aus der Vergangenheit an uns alle appellieren, den gemein­samen Nenner zu suchen und, wenn wir ihn gefunden haben, daran zu arbeiten, diesen gemeinsamen Nenner auch umzusetzen. Die Österreicherinnen und Öster­reicher erwarten sich von uns, dass die Politik die aktuellen Probleme unseres Landes löst und daher inhaltlich etwas weiterbringt. Wir sollten aus der Vergangenheit gerade das lernen, weil auch im Pensionsrecht – es ist zum Teil schon angeschnitten wor­den – viele Probleme noch vor uns liegen.

Im Zuge der inhaltlichen Debatte zum Thema Verlängerung der Hacklerregelung und Langzeitversichertenregelung sind einige soziale Schieflagen zutage getreten, die meines Erachtens dringend sanierungsbedürftig sind. Ich möchte mich daher auch ganz herzlich und aufrichtig bei dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, für die Ein­setzung jener Arbeitsgruppe bedanken, die sich mit diesen „Randproblemen“ – ich möchte sie jetzt als solche titulieren – beschäftigt, die soziale – erlauben Sie mir, das unter Anführungszeichen zu sagen – „ungustiöse“ Einzelbeispiele liefert, die meines Erachtens sozialpolitisch für die Zukunft nicht weiter Bestand haben sollten. Du hast dich an dieser Stelle sehr bemüht und engagiert, Herr Minister, bedauerlicherweise ist es durch das vorzeitige Ende der Legislaturperiode nicht zum Abschluss – ich sage das jetzt auch nicht anders – dieser Arbeitsgruppe gekommen. Das bedauern wir alle sehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das schon so allgemein formuliere, darf ich Sie herzlich einladen, mit mir gemeinsam ein Bespiel – eines nur! – gedanklich mitzutragen: Wenn wir im Jahr 2009, liebe Kolleginnen und Kollegen – und ich nehme ein männliches Beispiel –, wenn wir im Jahr 2009 einen 60-jährigen Mann mit 45 Versicherungsbeitragsjahren dankenswerterweise abschlagsfrei in Pension gehen lassen können und dieser 60-jährige Mann einen Arbeitskollegen hat, mit dem er seit 40 oder 45 Jahren gemeinsam die gleiche Tätigkeit ausübt, auch das gleiche Ein­kommen hat, wenn jetzt beispielsweise der 60-Jährige mit 1 500 € brutto in Pension geht und sein Arbeitskollege mit 59 Jahren oder 59,5 Jahren einen Herzinfarkt erleidet


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 39

und mit 59 oder 59,5 Jahren aufgrund seines Herzinfarkts aus gesundheitlichen Grün­den in Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension gehen muss, dann nehmen wir diesem Mann 12 Prozentpunkte von seiner Pension weg. Das sind – natürlich weiß ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir im Euro-Zeitalter leben – rund 1 466 S pro Monat!

Ich möchte anhand dieses Beispiels die von dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, und der Arbeitsgruppe angeschnittenen Randprobleme im Zuge dieser Debatte her­vorheben, weil ich ganz felsenfest der Überzeugung bin, dass wir im Bereich der Invaliditätspensionen, im Bereich der Berufsunfähigkeitspensionen, im Bereich der derzeit in Kraft stehenden Schwerarbeiterregelung einen gemeinsamen intensiven sozialpolitischen Arbeitsbedarf und Aufholbedarf haben. Ich glaube, dass das Beispiel gezeigt hat, dass wir viel Arbeit vor uns haben, und deshalb appelliere ich noch einmal, das Gemeinsame zu suchen – auch für die Zukunft.

Unter den Tagesordnungspunkten 2 bis 5, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, finden sich aus unserer politischen Einschätzung einzelne Bereiche, die mit sozialer Treffsicherheit nach unserer politischen Bewertung nicht in Einklang zu bringen sind. Ich darf daher, nach den Beratungen im Ausschuss wahrscheinlich nicht zu Ihrer Überraschung, an dieser Stelle folgenden Antrag stellen:

Antrag

„der Bundesräte Mag. Klug, Kolleginnen und Kollegen gem. § 32 Abs. 2 lit. e iVm §§ 20 Abs. 2 und 43 GO-BR

auf Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozial­versicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienst­rechts­gesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landes­lehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienst­rechts­gesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geän­dert werden (901/A)

Die unterzeichneten BundesrätInnen stellen im Sinne der zitierten Gesetzes­bestim­mungen den Antrag, gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (901/A), einen Einspruch zu erheben.“ – Ich möchte mich an dieser Stelle schon für die gehörige Aufmerksamkeit bis zum Ende recht herzlich bedanken.

„Der gegenständliche Antrag wird gem. § 43 Abs. 1 GO-BR wie folgt begründet:

Der Nationalrat hat in seiner Sitzung vom 24. und 25. September 2008 einerseits den Antrag der Abgeordneten Renate Csörgits, Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, das Opferfür­sorge­gesetz, das Heeresversorgungsgesetz und das Verbrechensopfergesetz geän­dert werden (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 – SRÄG 2008) (889/A), unter


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 40

Berücksichtigung von weiteren Abänderungsanträgen in 3. Lesung einstimmig be­schlossen (konsolidierte Fassung des Beschlusses 8013 d.B. BR).

Andererseits hat er auch den Antrag der Abgeordneten Werner Amon, MBA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­ver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­sicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (901/A), in 3. Lesung mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen.

Die beiden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates decken sich in Bereichen inhaltlich, widersprechen sich aber in maßgeblichen Punkten. Hier ist insbesondere zu nennen, dass mit Abänderungsantrag in den Antrag 889/A die Pensionsanpassung 2009, der Energiekostenzuschuss und die Pensionseinmalzahlung für das Jahr 2008 aufge­nommen wurden.

Widersprüchlich sind darüber hinaus die Bestimmungen über die Verlängerung der Langzeitversichertenregelung und über die Anrechnung von Ersatzzeiten wegen Krankengeldbezuges und sogenannter Ausübungszeiten als Beitragszeiten.

Im Antrag 889/A wird die Langzeitversichertenregelung, das heißt die Möglichkeit, mit 40 beziehungsweise 45 Beitragsjahren abschlagsfrei mit 55 beziehungsweise 60 Lebensjahren in Pension gehen zu können, bis 31.12.2013 verlängert.

Im Antrag 901/A wird zwar diese Möglichkeit ebenfalls bis 31.12.2013 verlängert, allerdings mit der Maßgabe, dass diese Regelung dann jedenfalls beendet wird und ab 1.1.2014 eine Jahrgangsregelung zur Erhöhung des Anfallsalters vorgesehen ist. Jahrgänge ab 1954 bei Männern und 1959 bei Frauen müssen auch mit Erreichen der erforderlichen Beitragsjahre jedenfalls länger arbeiten. Zu beachten ist dabei auch die verfassungsrechtliche Komponente der Anhebung des gesetzlichen Pensionsantritts­alters bei Frauen, welche in diesem Antrag keine Berücksichtigung findet, sehr wohl aber mitbedacht werden müsste.

Die Anrechnung von Ersatzzeiten als Beitragszeiten ist ebenfalls widersprüchlich geregelt. Es sollen zwar in beiden Anträgen die Ersatzzeiten des Krankengeldbezuges und die Ausübungszeiten als Beitragszeiten für die Langzeitversichertenregelung angerechnet werden, jedoch mit dem Unterschied, dass im Antrag 889/A diese Zeiten beitragsfrei anerkannt werden und im Antrag 901/A diese Zeiten analog den Schulzeiten nachgekauft werden können. Somit bedeutet die Regelung im Antrag 901/A eine deutliche Schlechterstellung für die Betroffenen.

Ein weiterer Dissenspunkt ist der Entfall der Wartefrist bei erstmaliger Pensions­anpassung.

Im Antrag 889/A ist dieser Entfall enthalten, im Antrag 901/A überhaupt nicht vor­gesehen, sodass Pensionistinnen und Pensionisten auf die erstmalige Anpassung ihrer Pension weiterhin bis zu 23 Monate warten müssten. Auch dies bedeutet eine wesentliche Schlechterstellung für NeupensionistInnen.

Bezüglich der beschlossenen Abänderungsanträge zu Antrag 889/A ist entscheidend, dass mit diesen Anträgen die Pensionsanpassung 2009 in der Höhe von 3,4 Prozent vorgenommen wurde.

Im Antrag 901/A ist keine Pensionsanpassung enthalten und könnte diese daher nicht zeitgerecht vorgezogen, wie in BGBL Nr 92/2008 beschlossen, mit 1.11.2008 vorge­nommen werden.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 41

Weiters von sozialpolitisch enormer Wichtigkeit ist die Auszahlung einer Einmalzahlung und des Heizkostenzuschusses an PensionsbezieherInnen. Vor allem auf Grund der hohen Teuerung von Lebensmitteln und Energie, die in diesem Jahr eingetreten ist, bedeuten diese Leistungen einen gewissen Ausgleich und bringen vor allem BezieherInnen von niedrigen Pensionen oder AusgleichszulagenbezieherInnen eine nicht unbedeutende finanzielle Erleichterung.

Durch diese Beschlussfassungen wird daher nicht der wahre Wille des Nationalrates ausgedrückt, sondern es liegen Widersprüche vor. Der wahre Wille des Nationalrates ergibt sich aus der Vorlage 889/A, die ja auch einstimmig beschlossen wurde. Die Beschlussfassung von 901/A erfolgte daher irrtümlich.

Der Bundesrat hat für solche Fälle die Möglichkeit, vorliegende Widersprüche durch die Fassung eines Einspruches zu beheben. Die antragstellenden BundesrätInnen wollen daher dieses Instrumentarium nutzen, um den Widerspruch in den Gesetzes­beschlüs­sen aufzuheben.

Es wird daher der Antrag gestellt, gegen den im Titel angeführten Gesetzesbeschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.“

*****

Ich danke nochmals für die gehörige Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesrätinnen und Bun­desräten Mag. Klug, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhand­lungsgegenstand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


10.58.16

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einige Dinge zur Pensionsanpassung sagen.

Die Pensionserhöhung von 3,4 Prozent, keine Wartefrist mehr für Neupensionisten und die Einmalzahlungen als Teuerungsabgeltung sind in dieser Form schon eine gewaltige Sache, das muss man offen sagen. Das gemeinsame Vorgehen der Seniorenorganisationen und auch im Seniorenrat hat sich offensichtlich bezahlt gemacht. Für manchen sind aber diese prozentuelle Erhöhung und alles andere zu viel, und daher möchte ich doch einiges ins richtige Licht rücken.

Seniorinnen und Senioren sind in der Regel sparsam und zielsicher im Umgang mit ihrem Geld. Man sagt immer, die Wirtschaft gehe jeden an, und vergisst dabei ganz, dass die ältere Generation ein wichtiges Segment in der Wirtschaft ist. Der demographische Wandel wirkt sich zunehmend auf die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen aus.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Konsumausgaben von älteren Menschen überproportional gestiegen und werden auch noch weiter steigen. Haushalte von Seniorinnen und Senioren verfügen bereits heute über einen großen Anteil der Kaufkraft. Die Wirtschaft wird und muss daher weiterhin stärker mit der Wirtschaftskraft Alter rechnen und sich mit ihrem Angebot auf die älteren Menschen einstellen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 42

Die Pensionserhöhung in dieser Größe bedeutet jedoch keine Last für die junge Gene­ration, sondern vielmehr ergeben sich durch den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld auch viele positive Effekte und neue Möglichkeiten.

Es ist hier ein Wandel eingetreten: Die ältere Generation gönnt sich berechtigterweise selbst etwas mehr, nach dem Motto: Gesund älter werden. Andererseits – sicher von wenigen Ausnahmen abgesehen – unterstützt die ältere Generation durchwegs die Kinder oder Enkelkinder, je nachdem.

Finanzielle Ressourcen, Kaufverhalten und Unterstützung sowie Hilfe hängen unmittel­bar zusammen. Es werden hier keine Barrieren aufgebaut beziehungsweise Lasten für die nachkommende Generation geschaffen, sondern die Möglichkeit zur Hilfe für die junge Generation.

Man hat ja schon öfters den Eindruck, höhere Pensionen wären ein Almosen. Man wird ja an und für sich schon sehr oft als Bittsteller abgestempelt. Für „lebenslange“ Arbeit und Einzahlung der Pensionsbeiträge muss eine entsprechende Pensionsanpassung eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Maßvoll, sozial und wirtschaftlich vertretbar, diese Maßstäbe müssen künftig auch für die Pensionsanpassung gelten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


11.01.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Protokoll: Kerschbaum, Grüne, Niederöster­reich. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Bundesrat Gruber: Das haben wir nicht gewusst!) Ja, aber das steht im Protokoll blöderweise nicht mehr drinnen, und deshalb haben mich schon Leute gefragt, ob ich jetzt fraktionslos geworden bin und keiner Partei mehr angehöre. Darum habe ich beschlossen, das jetzt immer vor der Rede gleich klarzustellen.

Herr Minister, zu Ihrer Antwort auf die Anfrage meines Kollegen möchte ich nur kurz anmerken: Es wäre halt das Problem gewesen: Hätte er die Anfrage schriftlich gestellt, hätte er von Ihnen voraussichtlich keine Antwort mehr bekommen; so geht es doch ein bisschen schneller und unkomplizierter.

Dem Kollegen Klug möchte ich, insbesondere was die zweite und dritte Säule betrifft, inhaltlich völlig recht geben: Ich bin auch der Meinung, wenn man sich die Finanz­märkte jetzt anschaut, dass das der wohl denkbar ungünstigste Zeitpunkt ist, eine Stärkung der zweiten und dritten Säule lauthals zu verlangen.

Auch was die nötigen Feinarbeiten betrifft, nehme ich einmal an, kann man dir, Kollege Klug, vollinhaltlich zustimmen. Das geht für mich auch schon aus der Verlesung des Langtextes hervor, die du jetzt ein paar Mal hast vornehmen müssen, wie viele verschiedene Varianten es da gibt. Dass man da hin und wieder einmal drüberschauen muss, ist ganz klar, und ich hoffe, dass das in der nächsten Regierungsperiode der Fall sein wird.

Über den einen Abstimmungsunfall im Nationalrat haben wir ja schon viel geredet. Für mich gibt es in diesem Gesetz aber noch einen zweiten Unfall, und dieser Unfall ist die Einmalzahlung. Also dass es überhaupt eine Zahlung gibt, ist kein Unfall, aber dass es sich um Einmalzahlungen handelt und diese Einmalzahlungen immer beliebter werden. Denn diese Einmalzahlungen – wie der Name schon sagt – bekommt man eben nur einmal und wirken sich auf die laufenden Pensionen leider nicht aus. Wahrscheinlich


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 43

sind sie auch deshalb so beliebt bei den Regierungsparteien, weil man sich über ein „Geburtstagsgeschenk“ von 60 € üblicherweise mehr freut, als wenn man monatlich 5 € dazubekommt. Nur, die Inflation ist eben auch keine einmalige Belastung, und darum ist es wichtig, dass die Pensionen – und gerade die niedrigen Pensionen – dauerhaft erhöht werden und nicht immer nur Einmalzahlungen beschlossen werden.

Was noch dazukommt, ist, dass gerade die Menschen mit niedrigen Pensionen, mit besonders niedrigen Pensionen auch eine besonders niedrige Einmalzahlung, also ein besonders kleines „Geburtstagsgeschenk“, erhalten, weil diese Einmalzahlung in Prozenten des Pensionseinkommens angegeben ist. Auch wenn dieser Prozentsatz mit der Höhe der Pension sinkt, so ist es doch so, dass die Bezieher von ganz niedrigen Pensionen die geringste Einmalzahlung bekommen.

Ein Heizkostenzuschuss ist schon eine nette Sache, und wir werden natürlich mitstimmen, aber es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Und es muss uns bewusst sein, dass man gerade in dem Bereich, bei den Menschen mit niedrigen Einkommen, auch bei den PensionistInnen, die ja sehr häufig niedrige Einkommen haben, andere Maßnahmen setzen muss, damit diese aus der Falle der hohen Heizkosten herauskommen, dass man da neben einem Heizkostenzuschuss auch Investitionen fördern muss, damit hier künftig andere Möglichkeiten eröffnet werden.

Zusammengefasst: Meine Conclusio aus den Vorgängen im September war, dass jeder egoistische Pensionist und jede egoistische Pensionistin eigentlich hoffen muss, dass es möglichst bald wieder einen Regierungsbruch und eine Neuwahl gibt, weil es vor Neuwahlen offenbar einfacher ist, eine Pensionsanpassung, wenn auch nur in der Höhe der Inflationsrate, zu bekommen. Das ist ein Zustand, den man künftig ändern sollte, indem man eine Anpassung laufend ermöglicht – und nicht immer nur, wenn Wahlen sind. Aber nichtsdestotrotz, auch wenn es diesmal vor den Wahlen passiert ist und vielleicht auch mit dem Wahlkampf zu tun hatte: Es ist gut so, dass die Pensionen angepasst werden, und wir stimmen natürlich zu. (Beifall des Bundesrates Schennach sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.06


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile ihm dieses.

 


11.06.30

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Kerschbaum, ich gebe Ihnen natürlich selbstverständlich völlig recht, auch dem Herrn Saller, wenn Sie sagen, dass Pensionistinnen und Pensionisten selbstverständlich einen ordentlichen Teue­rungs­ausgleich bekommen sollen, dass sie keine Almosen brauchen. Das stimmt schon. Nur, in den Zeiten der Bundesregierung, die aus ÖVP und FPÖ bestanden hat, sind genau diese Dinge eingerissen, dass die älteren Menschen eben diese Abgeltung nicht in entsprechendem Ausmaß bekommen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe am 1. August dieses Jahres meine neue Funktion als Bundessekretär des Pensionistenverbandes angetreten. Ich habe mir nicht gedacht, dass in den zwei Monaten es zu derartigen Änderungen für die älteren Menschen kommen wird. Ich freue mich, dass es am Ende dieser Legislaturperiode, die ja vorzeitig durch Ausrufung von Neuwahlen beendet wurde – ein Umstand, der nicht von der sozialdemokratischen Regierungshälfte verursacht wurde –, zu einer Situation gekommen ist, die für ältere Menschen ganz wesentliche Verbesserungen gebracht hat.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 44

Bundesminister außer Dienst Karl Blecha, der Chef des Pensionistenverbandes, und Andreas Khol vom Seniorenbund haben immer wieder auf die berechtigten Forderun­gen der Pensionistinnen und Pensionisten hingewiesen. Sie haben sich dafür einge­setzt, dass es hier zu ganz, ganz wesentlichen Verbesserungen kommt. In stunden­langen Verhandlungen haben die beiden für die älteren Menschen sehr, sehr viel erreicht.

Ein paar Punkte: Die Pensionsanpassung 2009 erfolgt, und das ist ganz wichtig, nach dem Pensionistenpreisindex in der Höhe von 3,4 Prozent und ist bereits wirksam ab November 2008. Das heißt, die älteren Menschen bekommen ab November 2008 eine kräftige Pensionserhöhung.

Wesentlich für uns ist auch, dass der Deckel der Pensionsanpassung von 55 Prozent der Höchstbeitragsgrundlage auf 60 Prozent angehoben wird. Das heißt, Pensionen bis 2 412 € erhalten die volle 3,4-prozentige Anpassung; darüber liegende Pensionen erhalten einen Fixbeitrag von 82 €.

Darüber hinaus gibt es eine gestaffelte Einmalzahlung; Kollegin Kerschbaum hat es an sich beklagt, dass diese Einmalzahlung kommt. Es gibt jetzt eine kräftige Pen­sionserhöhung, die es in diesem Ausmaß nicht gegeben hätte, waren doch „nur“ 3,2 Prozent vorgesehen. Jetzt gibt es 3,4 Prozent, das ist um einiges mehr – und die Einmalzahlung ist nichts anderes als ein Teuerungsausgleich. (Bundesrätin Kersch­baum: Die Teuerung wird auch länger halten als ein Jahr!) Natürlich. Nur hätte man das auch erst ab 1. Jänner nächsten Jahres machen können. Man macht es aber bereits jetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

BezieherInnen von Pensionen bis zu einer Ausgleichszulage von 747 € bekommen einen Teuerungsausgleich von 20 Prozent, von Pensionen in der Höhe von 747 € bis 1 000 € 150 €. BezieherInnen von Pensionen höher als 1 000 € bis 2 000 € erhalten einen Teuerungsausgleich von 150 bis 50 € abfallend, denn diese haben ja schon eine höhere Pension. BezieherInnen von Pensionen höher als 2 000 € bis zur ASVG-Höchstpension von 2 800 € bekommen 50 € an Teuerungsausgleich.

Von dieser Einmalzahlung ist kein Krankenversicherungsbeitrag zu entrichten. Leider, muss ich sagen, wird der Finanzminister bei diesem Teuerungsausgleich auch noch einmal zuschlagen, wird von diesem Teuerungsausgleich einiges zu versteuern sein, weil das natürlich zusammengerechnet wird. Das ist leider so. Da wir hier nicht in der Lage sind, entsprechende Änderungen an diesem Gesetz durchzuführen (Bundesrat Konecny: Einkommensteuergesetz!), und das Einkommensteuergesetz nicht ändern können, müssen wir das leider zur Kenntnis nehmen, dass das so ist. (Ruf bei der ÖVP: Das habt ihr versäumt, gell?) – Kollege Saller hat ja auch darauf hingewiesen, wie wichtig und gerecht es ist, dass man hier etwas tut. Auch ihr hättet an diese Dinge denken können.

Vor allen Dingen ist ja niemand von der SPÖ Finanzminister, sondern der Finanz­minister heißt bekanntlich noch immer Molterer, der jetzt gerade über die Sicherung der Sparbücher nachdenkt, was natürlich richtig und auch wichtig ist, aber er hätte auch daran denken können, dass man den Pensionistinnen und Pensionisten bei der Einmalzahlung die Steuer erlassen könnte.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abschaffung der sogenannten Wartefrist, die zur Folge hatte, dass Pensionen im ersten Jahr nach der Pensionierung nicht angepasst werden. Nun erhalten alle Neupensionisten die beschlossene Anpassung bereits im ersten Pensionsjahr. Das ist auch wichtig, denn es hat Menschen gegeben, die sehr, sehr lange darauf warten mussten, dass ihre Pension entsprechend angepasst wird. Diese Ungerechtigkeit ist damit auch beseitigt.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 45

Wesentlich ist auch die Verlängerung der sogenannten Hacklerregelung bis 2013: abschlagsfreier Pensionseintritt mit 55 beziehungsweise mit 60 Jahren bei 45 und 40 Versicherungsjahren. (Bundesminister Dr. Buchinger: Beitragsjahren!) Wichtig ist auch, dass der Krankengeldbezug als Beitragszeit anerkannt wird.

Auch ein sehr, sehr wichtiger Beitrag ist, dass ein Heizkostenzuschuss von Oktober 2008 bis April 2009, sieben Monate, für die Bezieher von Ausgleichszulagen gewährt wird. Das sind im Monat 210 €. (Bundesminister Dr. Buchinger: 30 im Monat!) 30 € pro Monat, Entschuldigung, danke für den Hinweis. Insgesamt sind es 210 €.

Im Übrigen haben auch die Bundesländer, was sehr erfreulich ist – auch Wien hat das jetzt gemacht –, den Heizkostenbeitrag entsprechend angehoben. Damit wurde hier eine sozialpolitische Maßnahme gesetzt, die für die Pensionistinnen und Pensionisten sehr wichtig ist.

Die heutige Beschlussfassung dieses Pakets, mit den entsprechenden Anträgen, die gestellt wurden, stellt einen der größten sozialpolitischen Erfolge für Pensionistinnen und Pensionisten der letzten Jahrzehnte dar. (Beifall bei der SPÖ.)

11.14


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

 


11.14.45

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es wurde heute schon viel gesagt. Dennoch meine ich, dass insbesondere zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung noch einige Ergänzungen notwendig sind.

Meine Damen und Herren, ich halte nichts von dem Vergleich USA – Deutschland – Österreich. Ich bin froh und bin stolz, Österreicher zu sein und in einem Land zu leben, in dem man auch auf jene schaut, die nicht die größten Einkommen haben. Ich denke dabei immer daran, und das hat mich elektrisiert, als der Chef der Deutschen Bank, Ackermann, erklärt hat, er könne heute den höchsten Gewinn, denn diese Bank jemals hatte, 61,3 Milliarden €, den Gesellschaftern beziehungsweise dem Aufsichtsrat präsentieren. Dieser Mann sagte gleich im nächsten Satz dazu: Aber wir müssen in Hinkunft 10 000 Arbeitsplätze einsparen.

Meine Damen und Herren, in welcher Welt leben wir? – In einer Welt, in der Spekulanten, Manager, die jegliches Gefühl für die Menschen, die jegliches Gefühl für die arbeitenden Mitbürgerinnen und Mitbürger verloren haben, nur mehr eines vor Augen haben: den sattesten Gewinn einzufahren – den sattesten Gewinn einzufahren, damit sie sich selber bereichern können, damit sie selber vor ihren Aktionären gut dastehen! – So kann es doch nicht sein! Was dabei herauskommt, hören wir jetzt laufend, bei jeden Nachrichten eine neue Horrormeldung. Und diese Spekulanten gehen aus dem Ganzen förmlich noch als Sieger hervor. Sie selber verlieren nichts, werden nicht einmal mit einem nassen Fetzen davongejagt. Das ist meine feste Überzeugung. Und wenn sich hier nicht etwas ändert, dann wird es in Zukunft sehr schwierig sein, dieses Gesamtgefüge aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren, ich bin hier nicht der Meinung des Kollegen Klug, den ich an und für sich sehr schätze. Das, was er hier zur Einschleif- oder Ausschleifregelung gesagt hat, wie immer man das nennen mag, halte ich gerade im Lichte des vorher Gesagten nicht für zielführend.

Mir ist es lieber, wenn ich weiß, wie es 2013 weitergeht, weil ich heute nicht weiß, welche Regierung wir 2012 haben, wenn der Beschluss zur Verlängerung der Hacklerregelung ausläuft. Ich stehe hundertprozentig zu dieser Hacklerregelung und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 46

habe diese als Arbeitnehmervertreter der ÖVP auch immer gefordert, aber da ist mir eine Einschleifregelung, wenn Sie so wollen, lieber. Da habe ich lieber den Spatz in der Hand als die Taube am Dach.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Antrag

der Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemäß § 43 Abs. 1 BR-GO wird beantragt, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundestheaterpensionsgesetz geändert werden (901/A sowie 8023/BR d.B.) keinen Einspruch zu erheben.

*****

Zum Tagesordnungspunkt 4: Meine Damen und Herren, wir werden dem Antrag der SPÖ-Fraktion, das habe ich auch schon im Ausschuss begründet, die Zustimmung erteilen, weil dieser Gesetzesbeschluss wortident im Punkt 2 behandelt und beschlos­sen wird.

Folgendes kann ich mir nicht verkneifen: Eine Sternstunde des Parlaments – ich sage bewusst: des Parlaments – war der 24./25. September mit Sicherheit nicht! Möge Gott geben, dass es niemals mehr so etwas gibt (Bundesrat Kraml: Gott wird damit relativ wenig zu tun haben!), dass Gesetze ohne Vorbegutachtung, dass Gesetze ohne ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich habe niemanden – niemanden! – angegriffen! Ich nehme auch niemanden aus.

Das, was da beschlossen wurde, welches Ausmaß an Geld hier transferiert wurde, werden wir noch sehen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und ich sage immer wieder, Anlassgesetzgebung ist das Schlechteste, was es diesbezüglich in diesem Lande geben kann. Und da hat – ganz gleich, von welcher Seite – nur Anlass­gesetz­gebung stattgefunden. Der Anlass war die Wahl! (Bundesrat Stadler: Weil ihr zwei Jahre blockiert habt!) – Nicht, weil wir zwei Jahre blockiert haben. (Bundesrat Mag. Klug: Nein, die Teuerung!) Wir haben uns an das Regierungsprogramm gehalten, an das Sie sich nicht mehr gehalten haben! (Bundesrat Stadler: Wozu denn?) Das möchte ich ausdrücklich sagen, da kann man nicht von Blockade sprechen. Wir wollten das, was im Regierungsprogramm gestanden ist, verwirklichen. Wenn Sie denjenigen suchen, der es nicht verwirklichen wollte, müssen Sie sich selbst an der Nase nehmen.

Ich halte überhaupt nichts davon, hier von Schuldzuweisungen (Bundesrat Mag. Klug: Gut!) und dergleichen zu sprechen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so ein Tag wie der 24./25. September soll in diesem Haus nie mehr vorkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.22


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 47

11.22.31

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich möchte zunächst einmal das Angebot des Kolle­gen Bieringer zur Bildung einer breiten antikapitalistischen Front mit großer Zustim­mung begrüßen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Kollege Bieringer hat vollkommen recht: Für jeden normal, hart arbeitenden Menschen ist das, was er heute beobachten muss, eine unglaubliche Provokation. (Bundesrätin Zwazl: Da gehören die Unternehmer aber auch dazu, bitte!) – Okay, ich bin bereit, die antikapitalistische Front auch um die hart arbeitenden Unternehmer zu erweitern. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Meine Damen und Herren! Es zeigt sich – das muss in diesem Zusammenhang schon gesagt werden –, dass es kaum einen weniger irreführenden Slogan in der österreichischen Politik und weltweit in der Politik gegeben hat als jenen törichten, der da lautete: weniger Staat, mehr privat.

Es ist der Staat, der amerikanische Staat, der deutsche Staat, der österreichische Staat, der jetzt eingreifen muss (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau!), um ein Weg­schmelzen der Finanzmärkte, um den Zusammenbruch der Geldinstitute zu verhin­dern. Es ist der Staat – und wir tun es! –, der die Auswirkungen einer weltweiten Teuerung – das war die vorherige Welle – auf die Menschen zu mildern hat; das machen nicht jene, die die Gewinne kassieren.

Die Erfolgsprämien für die Manager der großen Geldkonzerne, die noch vor wenigen Monaten ausgezahlt wurden, sind natürlich eine Provokation. Die Geschäfte, die da gemacht wurden und die zum Schluss nicht einmal mehr jene verstanden haben, die sie angeboten haben, geschweige denn jene, die diese Produkte gekauft haben – die Österreichischen Bundesbahnen mit eingeschlossen –, haben nur noch den Charakter einer Wette gehabt und haben mit der realen Wirtschaft nichts mehr zu tun gehabt. Aber alle haben veranlagt, denen, die die Gewinne gemacht haben, zugejubelt und die Prämien gerne gezahlt, weil sie auch, nachdem der große Verlust kam, einen schein­baren Gewinn einstreifen durften.

Meine Damen und Herren, es geht nicht um eine augenblickliche Entgleisung, sondern da hat sich ein Systemfehler manifestiert, und es ist der Staat, es sind die Staaten aufgerufen, die Steuerungsinstrumente, die leichtfertig abgebaut und aufgegeben wur­den, wieder in die Hand zu nehmen. Wir werden das auch in unserem Staat machen müssen.

Es ist das nicht die Sitzung, in der es ein detailliertes Programm für die erforderlichen Maßnahmen geben kann und soll, aber es ist der Staat, der – nicht als Feind der Menschen, sondern als Ausdruck unserer großen Gemeinschaft von Bürgern – im Interesse der Bürger handeln muss.

Es schien mir notwendig, das an dieser Stelle anzumerken. Ich habe in meinem Eingangsstatement meine absolute Abstinenz im Hinblick auf die Fortführung des Wahlkampfes verkündet. Ich werde von diesem Vorsatz nicht abgehen. Zu dem Thema, wer wann die Regierung und das Regierungsprogramm beiseite geschoben hat, werde ich mich daher nicht äußern, aber Kollege Bieringer weiß das ohnehin. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez, Kerschbaum und Mitterer.)

11.27


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bevor ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort erteile, stelle ich fest, dass der von den Bundesrätinnen und Bundesräten Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungs­gegen­stand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 48

des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, genügend unterstützt ist und demnach mit in Verhandlung steht.

Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


11.27.15

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Ich möchte an die Ausführungen meiner beiden Vorredner Bieringer und Konecny in höchst unterschied­licher Weise anknüpfen.

Ja, lieber Kollege Bieringer, auch ich habe heute schon in meiner ersten Stellung­nahme gesagt, dass es eine solche Nationalratssitzung wenige Tage vor einer Wahl nie wieder geben darf, denn hätten alle Anträge, die in der vorherigen Sitzung eingebracht wurden, durch irgendwelche Zufälle eine Mehrheit erhalten, dann hätten wir bei einem Gesamtstaatshaushalt von 69 Milliarden € bei über 26 Milliarden nicht nur SOS rufen, sondern wahrscheinlich den Untergang der eigenen Finanzen mit betrachten können.

Zum Zweiten ist das, was wir als zweite Kammer heute hier machen müssen, unerträg­lich, nämlich dass wir der Putztrupp einer Kehrausparty sein müssen. Genau das sind wir! Kollege Klug oder Kollege Konecny hat zwar gesagt, dass das passieren könne, und hat das auf die Uhrzeit, 4 Uhr in der Früh, und die Ermattung altgedienter Abge­ordneter zurückgeführt, aber das hat dazu geführt, dass wir jetzt in einer Zwangslage sind, und zwar aufgrund schwacher Legistik und mangelhafter Gesetze, die wir heute hier auch bei anderen Tagesordnungspunkten vorfinden. So enthält ein Gesetz zum Beispiel Rechenfehler – es geht um einen Monat, nur einen Monat. Aber dadurch befinden wir uns heute in einem wirklichen Gewissenskonflikt, nämlich der Grundidee eines Gesetzes zuzustimmen, wissend, welche Mängel das Gesetz beziehungsweise die Gesetze beinhalten und welche Folgekosten sie heute aufgrund ihrer mangel­haften, „gepfuschten“ Legistik auslösen. Ich halte das für unerträglich, und ich finde ... (Zwischenruf des Bundesrates Kalina.)

Lieber Kollege Kalina, ich halte das für unerträglich. Ich fühle mich heute den ganzen Tag über in einer Zwangslage, denn was immer wir heute einspruchsmäßig machen, kommt einem absoluten Veto gleich; das muss uns klar sein. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist schön! Herrlich!) Und deshalb sind wir heute im Grunde immer wieder auf­gefordert, unser Abstimmungsverhalten neu zu überdenken.

Ja, wir beteiligen uns heute am Putztrupp (Bundesrat Mag. Klug: Das ist doch etwas Schönes!) und werden bei widersprüchlichen Gesetzen, die hier zur Abstimmung vorliegen, Einspruch erheben.

Zu den Ausführungen des Kollegen Konecny: Dazu, dass der Staat jetzt als der große Retter dasteht, wenn die Blasen platzen, muss man schon Folgendes sagen: dass die Gewinne und die Spekulationen wunderbar privatisiert wurden und die Verluste jetzt eigentlich sozialisiert werden (Bundesrat Konecny: Ja!), sodass letztlich jene diese Kosten zu tragen haben, die sie nicht verursacht haben – wir erleben gerade die Absurdität, dass die USA den Staatskapitalismus wieder einführen –, und das ist schon das Schmerzliche an dieser Debatte. Es ist wichtig, den Banken jetzt zu helfen, aber was ist mit jenen, die spekuliert haben, die noch rechtzeitig ihre Gewinne ins Reine gebracht haben? Wir hatten auch einen Finanzminister, der einmal zur rechten Zeit mit seinen privaten Dingen die richtige Option getroffen hat.

Daher wundere ich mich schon, dass in derselben Kehrausparty im Nationalrat wenige Tage vor den Nationalratswahlen zum Beispiel die SPÖ die Finanztransaktionssteuer abgelehnt hat. Das wundert mich zutiefst! Man sagt zwar, man möchte im Bereich der


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 49

Spekulationen, im Bereich der Blasen, im Bereich der Steuergerechtigkeit etwas tun, lehnt aber dann die Finanztransaktionssteuer ab.

Ja, wir haben immer wieder die Notwendigkeit einer effizienten Bankenaufsicht, die Notwendigkeit effizienter Kontrolle diskutiert. Die EU beginnt jetzt langsam, den Karren ein bisschen ins Laufen zu bringen. Und wir in Europa müssen uns überlegen, die Spekulationsgewinne zu versteuern, um solche Blasen, wie sie heute in der gesamten Weltökonomie platzen, zu verhindern; um zu verhindern, dass im Bereich der dritten Säule solch großer Schaden angerichtet wird, durch welchen letztlich auch wieder nicht nur der Staat als Gesamtwesen, sondern jeder Einzelne im Rahmen seiner privaten Pensionsversicherung Zores hat.

Ich habe bereits Belege gesehen, wonach Leute, die eine private Pensionsvorsorge der dritten Säule haben, letzte Woche eine Nachzahlung aufgrund der Aktienschwan­kungen und der Marktsituation von 2 800 € bekommen haben. Das war letzte Woche. Und im nächsten Monat bekommen sie die nächste Ausgleichszahlung vorge­schrieben, die sie leisten müssen. – Das zu der großen Predigt, dass wir davon nicht betroffen sind, dass die dritte Säule ohne Sicherheiten der wunderbare Weg ist.

Insofern, lieber Kollege Konecny, sollten wir uns rasch neuerlich über die Finanz­transaktionssteuer unterhalten.

Im Übrigen wird es, Kollege Bieringer, auch an uns allen liegen, darauf zu achten, dass es einen 24./25. September in dieser Republik nicht mehr geben wird, auch zum Wohlergehen der Republik. – Danke. (Beifall bei den Bundesräten Dönmez, Kersch­baum und Ing. Kampl sowie der ÖVP.)

11.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Himmer. – Bitte.

 


11.33.35

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Buchinger! Frau Bundesministerin Kdolsky! Frau Staatssekretärin Marek! Hohes Haus! Ich möchte nur etwas zurechtrücken, weil doch recht „tolle“ Worte gefallen sind.

So wurde die Volkspartei willkommen geheißen in der „antikapitalistischen Front“. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Also du trittst aus?!) – Ich möchte sehr darum bitten, die Kirche im Dorf zu lassen.

Ich weiß nicht, wer das vielleicht übersehen hat, aber: Die Österreichische Volkspartei, deren Ideologie Ihnen offensichtlich doch nicht so bekannt ist, wie Sie manchmal vorgeben, hat sich immer zur sozialen Marktwirtschaft bekannt. (Bundesrat Beer: Seit wann?) Es hat nie einen Zweifel daran gegeben, dass wir uns zur sozialen Markt­wirtschaft, zu einer ökosozialen Marktwirtschaft bekennen. Und ich weiß nicht, was daran so verwundert, dass wir das verurteilen, was an den Börsen passiert, dass Spekulanten diese Summen an Boni kassieren. Ich habe gehört, in New York hat 800 Millionen € Bonus die Nummer zehn bekommen; die Nummer zehn von denen, die tolle Boni bekommen haben – sie haben dafür sicherlich viel gearbeitet.

Und für jene, die glauben, man müsse Sozialdemokrat sein, um da dagegen zu sein, möchte ich schon das Mickymaus-Bild ein bisschen korrigieren.

Es ist nicht richtig, darüber hinaus auch gleich den Umkehrschluss zu ziehen: Jetzt reißen wir dann auch gleich die dritte Säule nieder! (Bundesrat Gruber: Verbessern!) Es wird in Zukunft kein Weg daran vorbeiführen, dass wir, was das Geld betrifft – wir haben die Lektionen hoffentlich gelernt –, auf stabilerer Basis Ansparungsformen


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 50

unterstützen, in jedweder Form, nicht nur für die Pensionen, sondern insgesamt. Wir können jetzt nicht sagen, dass jegliche Eigenvorsorge gescheitert ist und wieder nur der Vater Staat alles übernehmen kann: Dritte Säule pfui, Kapitalmärkte insgesamt pfui – weg damit. (Bundesrat Mag. Klug: Aber er ist sehr verlässlich!)

Ich bitte, nicht falsche Umkehrschlüsse zu ziehen und nicht zu vergessen, was mit der Voest und ähnlichen Unternehmen passiert ist, als man geglaubt hat, der Staat sei ein solch toller Unternehmer. Es wäre schon sehr toll, wenn wir zu einer differenzierten Betrachtungsweise kämen. Deswegen bin ich auch allergisch gegen Begriffe wie „antikapitalistisch“, zumindest in Bezug darauf, dass eine Partei mit der Tradition der Volkspartei da mit hineingezogen werden soll, denn es wird auch kein Weg daran vorbeiführen, dass dieses Land und die Weltwirtschaft insgesamt immer Unternehmer brauchen. Es wird immer Leute geben müssen, die mehr Risiko übernehmen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es wird Leute geben müssen, die Kapital ... (Bundesrat Beer: Was für ein Risiko übernehmen die? Der Staat übernimmt das Risiko, aber nicht die Unternehmer!) – Jetzt wiederhole ich es, weil es mir wirklich wichtig ist, dass es zumindest zu einem kleinen Prozentsatz verstanden wird, auch wenn das je nach Auffassungsgabe unterschiedlich schwierig ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe nicht von den Spekulanten gesprochen, sondern ich habe davon ge­sprochen, dass es immer Unternehmer geben wird. (Bundesrat Kraml: Das ist aber eh nicht neu, oder? Das ist ja nicht neu!) Lösen Sie sich von dem Gedanken, dass ich jetzt von den Börsenspekulanten spreche. Es wird immer Unternehmer geben müssen, und die tragen ein Risiko. (Bundesrat Beer: Erstes Semester!) Ja. Okay, aber wenn wir schon so weit sind, dann brauchen Sie keinen Zwischenruf zu machen (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Klug), wenn ich nur feststelle, dass es immer Unternehmer geben wird, die auch mehr Risiko tragen als andere, die auch Kapital investieren.

Jetzt gebe ich es auf, Ihnen von der SPÖ das zu erklären, und wende mich an den Rest des Plenums. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich möchte betonen, dass daran auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen wird und dass man deshalb sehr vorsichtig sein sollte, generell Unternehmer, die Kapital einsetzen – und das ist ja wohl mit „antikapitalistisch“ auch gemeint –, in Bausch und Bogen zu verdammen, denn diese Spekulanten haben ja nicht einmal hauptsächlich ihr eigenes Kapital eingesetzt (Bundesrat Schimböck: Das von der dritten Säule, Kollege! Die Pensionskassen haben sie eingesetzt!), sondern die „leveragen“ Summen, die bei Weitem nicht sozu­sagen ihr Eigenkapital darstellen.

Es ist einfach an dem Punkt wirklich wichtig, dies festzustellen, und damit habe ich auch schon das abgerundet, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Wir vonseiten der Österreichischen Volkspartei verurteilen selbstverständlich Vorgänge, die im Spekulan­tentum vorhanden sind. Es wäre blind, diese Entwicklung nicht zu sehen. Die Ent­fernung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft als Politik nicht auf die Agenda zu nehmen, wäre absolut fahrlässig.

Aber ich möchte auch alle herzlich dazu einladen, nicht zu einer antiunter­nehmeri­schen Grundhaltung zu gelangen, denn: Unternehmer braucht das Land genauso wie die Arbeitnehmer. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit. – Bundesrat Mag. Klug: Wir wollten uns zurückhalten! – Bundesrätin Mühlwerth: Das hat man gemerkt: mit wenig Erfolg!)

11.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 51

11.41.03

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Der Grund dafür, dass ich mich jetzt zu Wort melde, ist der, dass ich hoffe, aus der Stellungnahme zu dieser antikapitalistischen Mehrheit, die Bundesrat Konecny jetzt plötzlich gesehen hat, nicht herausgehört zu haben, dass Sie plötzlich wieder damit beginnen, der Planwirtschaft das Wort zu reden. Wie sich diese bewährt hat und wie gut sie war, hat man nämlich spätestens beim Zusammenbruch des Kommunismus gesehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ja, es soll Unternehmer geben, das ist auch richtig so. Dazu bekennen uns auch wir von den Freiheitlichen, diese soll es geben. Was Kollege Bieringer angesprochen hat, ist – wenn ich dich richtig interpretiere – mehr die soziale Verantwortung, die Unter­nehmer auch haben, große Konzerne, die nicht nur dazu da sind, ihren Aktionären die höchste Rendite zu geben, sondern auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung für ihre Arbeitnehmer und damit für die Gesellschaft insgesamt haben.

Daran muss man sie nicht nur erinnern, da muss man sie auch in die Pflicht nehmen, und damit sind wir natürlich beim Staat. Selbstverständlich hat der Staat auch Auf­gaben! Er hat seine Kernaufgaben, die er wahrzunehmen hat, er hat aber auch die Aufgabe, Kontrolle auszuüben und notfalls Beschränkungen aufzuerlegen.

Das wäre auch bei den Finanzmärkten die Aufgabe der Staaten inklusive der USA gewesen. Diese haben dort nicht nur versagt, sondern waren gar nicht vorhanden; erst so war das möglich. Wenn man den Analysen und auch Experten wie Stiglitz glaubt, die schon vor Jahren gesagt haben, dass eine laufende Zinssenkung das Ganze auch noch anheizt, dass das Geld dann irgendwo – ich sage es jetzt salopp – „verbraten“ werden muss, dann braucht man sich nicht zu wundern.

Jetzt springt der Staat ein, das ist gut so. Es ist auch gut so, wenn der Staat dann sagt: Aber das Geld schenke ich dir nicht, da will ich wieder etwas zurückbekommen!

Gerade der SPÖ, die jetzt ein bisschen ihrer Empörung freien Lauf gelassen hat, sei es ins Stammbuch geschrieben: Es waren die BAWAG-Leute, die an der Zockerei total beteiligt waren und die BAWAG fast in den Ruin gebracht haben! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Das ist ja ein Lercherl gegen das, was jetzt passiert! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Und es sind die ÖBB, die in der Verantwortung eines sozialistischen Ministers liegen, die mit einer faulen Kreditvereinbarung mit der Deutschen Bank nahe dran sind, 600 Millionen in den Sand zu setzen. Das war eine Transaktion, die in einer Stunde von einem subalternen Mitarbeiter bestätigt worden ist. Also nehmen Sie sich bei der eigenen Nase!

Sagen wir ja zum Unternehmertum, aber sagen wir auch ja zu Kontrollen und zur Aufsicht dort, wo es um Spekulationen geht! (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 52

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­versiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und weitere Ge­setze geändert werden.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Mag. Klug, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Ludwig Bieringer, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kriegsopferver­sorgungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 25. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und ein weiteres Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

11.46.446. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (900/A sowie 8026/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesord­nung. – Ich verabschiede den Herrn Bundesminister. (Bundesminister Dr. Buchinger verlässt den Sitzungssaal.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Tiefnig. Ich bitte um den Bericht.

 


11.47.00

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme gleich zum Antrag.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 53

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht. – Zu Wort gemel­det ist Frau Bundesrätin Hladny. Ich erteile ihr dieses.

 


11.47.56

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Beitrag zur Inflationsabgeltung und zur Unterstützung der durch die Teuerung belasteten Familien soll die Familienbeihilfe für den Monat September für alle rund 1,8 Millionen anspruchsberechtigten Kinder ein 13. Mal ausbezahlt werden.

Obwohl Bundesminister Dr. Erwin Buchinger und die ehemalige Frauenministerin Doris Bures bereits im Februar und März darauf hingewiesen haben, dass die Familien­beihilfe seit dem Jahr 2000 nicht erhöht wurde, war eine Anpassung bisher nicht möglich. Umso glücklicher sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ein Umdenken stattgefunden hat und Sie mit unserem Antrag, die 13. Familienbeihilfe für alle Kinder zu beschließen (Ruf bei der ÖVP: Frau Kollegin, das war unser Antrag!), also auch für Kinder ab der Geburt bis zum sechsten Lebensjahr, mitgehen können.

Junge Familien brauchen sowohl in Zeiten der Familiengründung als auch bei Schul­eintritt der Kinder massive Unterstützung. Sie können mir glauben, dass ich aufgrund meiner Tätigkeit als Sozialarbeiterin weiß, wovon ich rede. Gerade vor Schulbeginn kommen vermehrt Alleinerzieherinnen und Familien mit geringem Einkommen zu uns ins Sozialamt, um einen Antrag auf einmalige Unterstützung zu stellen, weil der Schulbeginn eine besondere finanzielle Belastung darstellt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die 13. Familienbeihilfe im September wird diesen Engpass im Budget sehr vieler Familien abfedern und einen wertvollen Beitrag zur Entlastung bringen. Dieser Be­schluss ist ein wichtiger und richtiger Schritt in die richtige Richtung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.49


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


11.50.09

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Heute ist ein Tag, an dem wir Milliardenbeträge beschlossen haben oder auch noch beschließen werden, die wahrscheinlich unsere Kinder noch zahlen müssen. Daher ist es, glaube ich, auch wichtig, für unsere Familien einen Beitrag zu leisten.

Ich selbst bin Mutter und bin froh darüber, denn Kinder sind eine große Bereicherung in unser aller Leben. Uns von der ÖVP ist die Familie stets etwas wert gewesen, natürlich auch die Kinder, und uns ist auch bewusst, dass unsere Familien Unterstützung brauchen. Wir sind auf dem Weg, Österreich zu einem kinderfreundlichen Österreich zu machen.

Frau Kollegin, da Sie angeführt haben, wer eigentlich den Antrag dazu gestellt hat, möchte ich erwidern, dass es unser Vizekanzler Wilhelm Molterer war, der die Initiative


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 54

zur 13. Familienbeihilfe gestartet hat. Es freut mich, dass wir heute diese Initiative gemeinsam beschließen können.

Sie haben schon angeführt, dass gerade der September jener Monat ist, der speziell für die Familien von vielen Ausgaben geprägt ist. Daher ist die doppelte Familien­beihilfe, die wir mit diesem Gesetz für den September gewähren, meiner Ansicht nach eine gute Sache, denn damit können wir die Mehrbelastungen zum Schulbeginn abfedern. Wir beschließen das natürlich rückwirkend, sodass der heurige September auch schon mit dabei ist.

Besonders begrüßen können wir es an dieser Stelle auch, dass die zusätzlichen Zahlungen wie die Altersstaffelung, die Geschwisterstaffelung und die erhöhte Familienbeihilfe für behinderte Kinder auch in die Verdoppelung mit einbezogen werden. Dadurch haben wir auch eine soziale Treffsicherheit.

Ich glaube, es ist eine zukunftsweisende Investition für unsere Familien und für die alleinerziehenden Mütter. Wir sprechen hier von einem Betrag von 250 Millionen € für unsere Familien aus dem Familienlastenausgleichsfonds, der ja schon große Defizite aufweist. Wir wollen aber unseren jungen Familien Rahmenbedingungen schaffen, damit wieder vermehrt die Entscheidung für das Kind gefällt wird.

Die ÖVP steht immer zu den Familien – das habe ich schon angeführt –, sie ist eine Familienpartei. Es hat auch in der letzten Zeit schon viele Akzente dahin gehend gegeben, etwa die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes für alle, egal, ob Arbeit­nehmerinnen, Unternehmerinnen, Bäuerinnen oder Studentinnen, den Entfall von Bundesgebühren bei der Geburt, damit das Kind einen guten Start ins Leben hat, und im heurigen Jahr auch die Erhöhung der Geschwisterstaffel für Mehrkinderfamilien.

Wir nehmen uns aber auch für die Zukunft noch einiges vor. So heißt es, Kinder­betreuungseinrichtungen verstärkt auszubauen und zu fördern, damit in der Familie und vor allem auch für die Frau die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser vonstatten gehen kann. Es geht darum, das letzte Kindergartenjahr verpflichtend und kostenlos zu machen nach dem Modell Niederösterreich, wo es ja alle Kinder­garten­jahre vormittags kostenlos gibt, und um die steuerliche Absetzbarkeit von Kinder­betreuungskosten.

Wir setzen auf die Zukunft, wir setzen auf die Familien, wir setzen auf unsere Kinder. In diesem Sinne beschließen wir mit Freude die 13. Familienbeihilfe. (Beifall bei der ÖVP.)

11.54


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


11.54.16

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Kollegin Diesner-Wais, keine Frage, das war mehr als notwendig – aber das Schulterklopfen könnte etwas leiser sein, wenn wir bedenken, dass die Familienbeihilfe seit 2000 nicht valorisiert worden ist! Wenn wir die Statistik Austria hernehmen, dann bedeutet die Inflation seither 14,6 Prozent (Zwischenrufe bei der ÖVP); damit tun wir also nicht irgendwie ein großes Dreizehntes dazu, sondern wir gleichen jetzt, nicht ganz in der Höhe der Inflation, eigentlich aus.

Frau Kollegin Diesner-Wais, die ÖVP ist die Partei der Kinder und der Familien, sagten Sie – da hat es allerdings schon einen sehr stotternden Motor gegeben, wenn ich Sie an die Position der ÖVP in dieser gesamten Debatte erinnere, etwa daran, dass die 13. Familienbeihilfe erst ab der Schulpflicht und nicht im Kindergarten gilt. (Zwischen-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 55

rufe bei der ÖVP.) Es geht ums Geld, ja, natürlich geht es ums Geld – aber genau dort kostet der Kindergarten viel, der Kindergarten, der bis zu 300 € kostet. Und das sind die Jungen ... (Bundesrätin Diesner-Wais: Nur in Wien ...! – Bundesrat Perhab: In Wien kostet der Kindergarten ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist aber ganz interessant, dass Sie der Meinung sind, dass Kinder unter sechs Jahren nichts kosten. Ich bin nur froh, dass Sie keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Kindern erreicht haben, dass Sie über diese Grenze hinübergesprungen sind und draufgekommen sind, dass eigentlich jedes Kind, in welcher Altersperiode es sich auch befindet, Geld kostet, und dass wir hier keine willkürlichen Grenzen mit unter sechs und über sechs einziehen.

Wo ich ganz bei Ihnen bin – aber da haben sich ÖVP und Grüne nicht durchsetzen können –, ist, dass wir ein einkommensabhängiges Kindergeld brauchen, um nämlich nicht mehr in den Wald rufen zu müssen: hallo, Väter, wo seid ihr?, sondern dass wir gerade durch ein einkommensabhängiges Kindergeld die Väter viel stärker in die Kinderbetreuung hereinbekommen.

Wenn wir schon davon sprechen, Teuerungen abzufedern, und jetzt sagen, hier federn wir mit der 13. Familienbeihilfe eine Teuerung ab, wir federn sie beim Pflegegeld ab – man kann froh sein, dass der Versuch, den Einzelhandel mit 1 Milliarde € zu sponsern, nicht durchgegangen ist und das Geld jetzt sinnvoller eingesetzt wird, nämlich dort, wo man im Grunde zumindest Valorisierungen nachzieht –: Das wäre dann – vielleicht auch noch eine Anregung – bei der Notstandshilfe und beim Arbeitslosengeld ebenfalls wichtig.

In diesem Sinne tragen wir diese Erhöhung und die Einführung des Dreizehnten, wobei dies sogar für heuer rückwirkend gelten wird, gerne mit. – Danke. (Beifall bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.57


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminis­terin Dr. Kdolsky. – Bitte.

 


11.57.37

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Das Familienminis­terium hat sich in den letzten zwei Jahren sehr bemüht, in Kooperation mit allen Betroffenen nächste Schritte zu setzen, um den Kampf gegen die zugegebenermaßen schlechte Position Österreichs in der Demographie wieder weiter voranzutreiben. Sie wissen, wir haben durch die Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärker in den Raum gestellt. Wir haben aber natürlich auch durch die Erhöhung von Mehrkindzuschlägen einiges getan.

Wir haben in unserer Verantwortung den Bundesländern auch angeboten, einen ver­stärkten Ausbau der Kinderbetreuungsplätze in Angriff zu nehmen. Nur möchte ich schon auf etwas hinweisen, und da ich jemand bin, der immer sehr gut mit allen zusammengearbeitet hat, bin ich da, glaube ich, fern von jedem Verdacht. Eines ist natürlich klar, wir müssen die Kirche im Dorf lassen: Die Kinderbetreuungsplätze sind Ländersache! Der Bund hat hier Angebote gegeben und hat im Rahmen der 15a-Vereinbarung angeboten, Geld zu geben; er hat dieses Geld angeboten und den Ländern angeboten, die entsprechenden Verträge zu unterzeichnen. Es ist uns nach vielen Diskussionen auch geglückt.

Ich möchte nur eines hier auch sehr klar sagen: Der Bund kann nicht immer dann herbeigerufen werden, wenn in den Ländern in ihren Verantwortlichkeiten die letzt­endlich notwendigen Schritte nicht möglich sind. Das möchte ich auch einmal sagen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 56

Der Bund hat hier – nach dieser Diskussion halte ich es jetzt für notwendig, das zu sagen – auch eine Verantwortung. Ich als zuständige Bundesministerin habe vor allem eine Verantwortung auch in der wirtschaftlichen Aufsicht über Steuergelder – das sind letztendlich auch Ihre und unser aller Gelder –, nämlich den Familienlastenaus­gleichsfonds.

Es wird hier immer sehr locker über zusätzliche Gelder gesprochen, auch – ich weiß es, Herr Bundesrat Schennach – über eine nicht stattgefundene Valorisierung. Ich darf Ihnen aber sagen, ich war eine der Ersten, die eine klare Aufdeckung dieses Familienlastenausgleichsfonds entsprechend angeregt hat. Ich verweise auf minus 3 234,839 Millionen, also minus 3 Milliarden €, die dieser Familienlastenausgleichs­fonds aufzuweisen hat!

Ich glaube schon, dass wir versucht haben, durch diese kleinen ersten, einzelnen Schritte eine Situation zu schaffen, die letztendlich dazu führt, dass Familien geholfen wird. Es war Vizekanzler Molterer, der gesagt hat: Wir haben eine Inflation, wir haben eine Teuerung, die vor allem Familien betrifft, und daher versuchen wir, schnell und direkt Hilfe zu leisten. Er hat daher diese 13. Familienbeihilfe zur Diskussion gestellt.

Dass es ursprünglich – und das ist richtig – Schulkinder betroffen hat, ist nach­vollziehbar. Ich habe in meinem gesamten Umfeld, bei all meinen Patenkindern und den entsprechenden Familien, schon den Eindruck gewonnen, dass gerade Kinder, die in die Schule gehen, im September mehr Geld brauchen und dass es daher dann, wenn wir eine akute Hilfestellung gäben, natürlich auch um diese Kinder ginge. Aber – und ich glaube, man soll sich das nicht immer negativ vorrechnen – wir waren absolut bereit, aus der Berechnung der 250 Millionen € heraus zu sagen, dass wir das ausweiten.

Ich glaube nur nicht, dass man das irgendjemandem oder irgendeiner Situation zurechnen sollte, sondern wir haben das gemacht, was in der Verantwortung von uns Politikerinnen und Politiker ist. Wir haben gesagt, wir müssen diesen Familien, vor allem Familien mit mehr Kindern, Rechnung tragen. Daher glaube ich nicht nur, dass es notwendig ist, diese Familienbeihilfe zu verdoppeln, sondern ich glaube auch, dass es notwendig ist, dies so zu beschließen, dass wir es schon für diesen September ausbezahlen können, damit jetzt, genau in dieser schwierigen Situation, den Familien geholfen wird.

Wesentlich erscheint mir, darauf hinzuweisen, dass diese Verdoppelung der Familien­beihilfe nicht nur den Grundbetrag und die Altersstaffelung, sondern auch die Ge­schwisterstaffelung und die erhöhte Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder betrifft. Denn genau dort ist bei einer Teuerung und bei einer höheren Inflationsrate natürlich eine zusätzliche Problematik zu finden.

250 Millionen €, die nun mehr ausbezahlt werden sollen, das ist ein spürbarer Betrag für die Familien. Wenn Sie sich anschauen – wir haben ein paar Beispiele berechnet –, dass bei vier Kindern im Alter von vier, neun, elf und neunzehn Jahren – absichtlich ist auch ein älteres Kind, ein junger Mensch dabei – 606,80 € zusätzlich an Familien­beihilfe oder bei zwei Kindern im Alter von zwölf und vierzehn Jahren ein zusätzlicher Betrag von 274,60 € ausgeschüttet werden, dann ist das, so meine ich, schon etwas, was spürbar ist. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube auch, dass wir noch lange nicht am Ende sind. Ich hoffe sehr, dass eine nächste Bundesregierung die von mir einmal angesetzte Evaluierung des Familien­lasten­ausgleichsfonds und die daran geknüpften Neuordnungen dieses Familienlasten­ausgleichsfonds inklusive der notwendigen Valorisierung vornehmen wird. Aber auch die von Frau Bundesrätin Diesner-Wais angesprochene steuerliche Absetzbarkeit und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 57

nächste Schritte vor allem auch zu dem Zweck, die Väterbeteiligung zu steigern, werden für die österreichischen Familien etwas Zusätzliches sein.

Ich bitte Sie aber wirklich auch im Sinne der Fairness und der Ehrlichkeit, nie zu ver­gessen, dass wir mit diesen minus 3 Milliarden € im Familienlastenausgleichsfonds entsprechend umgehen müssen. Wahrscheinlich wird man sich in der nächsten Legislaturperiode einmal Gedanken machen müssen, ob wirklich alles daraus bezahlt wird, was daraus zu bezahlen ist, respektive ob alles dort hineinfließt, wo es auch hineinzufließen hat. Darauf sollte man Rücksicht nehmen.

Ich glaube, dass wir in der vergangenen Legislaturperiode eine gute Grundlage geschaffen haben, auf der aufbauend eine neue Regierung meines Erachtens notwen­digerweise die nächsten Schritte setzen muss. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Kemperle. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.04.59

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Wertes Präsidium! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Einiges zur Familienbeihilfe ist ja bereits gesagt worden. Einiges regt mich jetzt auch dazu an, es zu beantworten, obwohl ich das vorab nicht vorgehabt habe. Gerade was zum Beispiel den Familien­lastenausgleichsfonds betrifft, sind natürlich Wahrnehmungen sehr unterschiedlich.

Nichtsdestotrotz zuerst zur Entscheidung, die Familienbeihilfe tatsächlich ein 13. Mal auszuzahlen: Wir wissen, es war eine wichtige Entscheidung, es war eine gute Entscheidung. Was mich im Vorfeld allerdings etwas irritiert hat, war das Schauspiel dahin gehend, wie es dazu gekommen ist und wer denn jetzt was und in welcher Höhe gefordert hat.

Was mich in dieser gesamten Vordebatte auch irritiert hat, war die Einschränkung auf das sechste Lebensjahr. Ich selbst bin Mutter eines Kindes und weiß, dass es nicht nur im sechsten Lebensjahr zu einem erhöhten Aufwand kommt, sondern dass es, wenn ein Kind auf die Welt kommt, auch schon besondere Belastungen gibt und ein Kind bestimmte Voraussetzungen braucht, um überhaupt ins Leben starten zu können. Gerade auch in dieser Hinsicht ist es wichtig, weil die Familienbeihilfe nicht zur Existenzsicherung der Eltern dient, sondern den Kindern. Es ist ausdrücklich fest­gelegt, dass die Familienbeihilfe ein Geld ist, das den Kindern zusteht und das im Grunde genommen auch einklagbar ist, wenn Kinder es nicht erhalten.

Das heißt, da muss man schon von den Grundintentionen des Gesetzes ausgehen, und daher kommt, wie gesagt, meine Verwunderung über diese Unterscheidung, wann denn wie viel und in welcher Form zusteht oder wie den Kindern die Förderung zu geben ist. Das heißt, es gibt für mich keine Debatte darüber, dass auch Kleinkindern unter sechs Jahren ein erhöhter Bedarf zugesprochen werden muss. Daher bin ich froh darüber, dass es diese Debatte nicht mehr gibt, und auch über die Entscheidung, dass die 13. Familienbeihilfe jetzt tatsächlich „unabhängig“ – unter Anführungszeichen – vom Kindesalter ausbezahlt wird.

Ich möchte keine neuerliche Diskussion darüber anfachen, allerdings schon einen Satz zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld im Zusammenhang mit dem Familienlastenausgleichsfonds sagen, weil immer wieder gesagt wird, dass der Fonds ausgeräumt worden ist. Ich weiß, dass es dieses Minus gibt, Frau Bundesministerin; nichtsdestoweniger war ich bei der ursprünglichen Debatte dabei, als noch Geld im Fonds war. Ich erinnere schon an die Entscheidungen, welche zwischen 2000 und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 58

2006 gefällt wurden, und daran, dass wir von der Sozialdemokratischen Partei immer davor gewarnt haben, dieses Kindergeld in der Form, wie es gekommen ist, einzuführen. Wir haben davor gewarnt, dass mit dieser Entscheidung der Familien­lasten­ausgleichstopf ausgeräumt wird. Es hat andere Lösungen gegeben, es hat Lösungsansätze gegeben, die weitaus effizienter, günstiger und in einer anderen Form möglich gewesen wären.

Nichtsdestoweniger steht hier unsere Entscheidung fest, und dass wir von der sozialdemokratischen Fraktion unsere eigenen Intentionen unterstützen werden, ist klar. Wir werden dieser 13. Familienbeihilfe die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke, Frau Kollegin. – Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


12.09.11

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätztes Präsidium! Werte Frau Bundesministerin! Wir haben einen Antrag zur Schaffung einer 13. Familien­beihilfe, der im Prinzip Einstimmigkeit hier in diesem Haus hat. Ich bin froh darüber, dass das ein Antrag der Österreichischen Volkspartei ist, und ich bin auch froh darüber, dass es ein Antrag ist, der für alle Kinder und nicht erst für jene über sechs Jahren gilt, weil es, glaube ich, für die Familien ein klares Zeichen ist, wie es auch ein Zeichen war, dass wir die bei der Geburt entstehenden Gebühren abgeschafft haben.

Für die Österreichische Volkspartei steht die Familie im Fokus der Politik, weil sie durch gesellschaftliche Veränderungen sehr stark bedroht ist. Wir wissen, wie hoch die Scheidungsrate ist: mittlerweile annähernd 50 Prozent. Wir wissen, dass die Geburten­rate bisher – ich glaube, im Jahr 2008 gibt es sogar eine leichte Trendwende – immer stärker gesunken ist. Und wir wissen, dass wir aus demographischen Gründen möglicherweise Probleme bekommen werden bei der Aufrechterhaltung unseres Sozialsystems.

Für mich war beeindruckend – und das zeigt vielleicht als Beispiel, wo die Probleme heute liegen –, als sich in einer Diskussion um gestiegene Lebensmittelkosten, gestiegene Lebenshaltungskosten und gestiegene Energiekosten ein junger Akademi­ker zu Wort gemeldet und gesagt hat: Als ich mit meiner Frau eine Familie gegründet habe, habe ich geglaubt, es geht mir gut, und es ist mir auch gut gegangen. Das Einkommen war bei zwei Berufstätigen nicht allzu schlecht, mit jedem Kind sank allerdings das verfügbare Geld für die Familie. Mit jedem Kind war weniger da, das man für die angenehmen Dinge ausgeben konnte. Mit dem dritten Kind war es dann auch nicht mehr möglich, dass die Frau berufstätig war, und damit mussten wirklich entscheidende Einschränkungen hingenommen werden.

Genau dem wollen wir entgegenwirken, und dazu muss man, wie ich meine, letztlich auch das Steuersystem überdenken. Ich denke, dass die 250 Millionen €, die diese 13. Familienbeihilfe kostet, gut angelegtes Geld sind. Es sind nicht einmal 10 Prozent der 3 Milliarden € an Ausgaben, die an einem Tag oder eigentlich an zwei Tagen beschlossen wurden. Es bedarf sicherlich auch noch weiterer Schritte in Richtung Familienfreundlichkeit unseres Staates.

Wir in Niederösterreich können einige positive Beispiele vorweisen: Gratiskindergarten, ab heuer Kindergarten gratis auch für alle Zweieinhalbjährigen. Hier wird ein klarer Weg vorgezeichnet.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 59

Ich bin natürlich dafür, gegen dieses Gesetzesbeschluss keinen Einspruch zu erhe­ben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.12.25

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Manchmal muss man schon schmunzeln, wenn man sich die Debattenbeiträge anhört. Den ganzen Vormittag höre ich mir schon an, was nicht wie viel Geld kostet, wie schlimm nicht alles ist, was hier beschlossen wird, und dass man so etwas nie wieder haben will. Das ändert sich spätestens dann, wenn es um einen Bereich geht, für den man sich selbst für prädestiniert hält oder zuständig fühlt. Ich meine damit nicht Sie, Frau Minister, im Speziellen, sondern ich meine die ÖVP im Besonderen. Die ÖVP, selbsternannte Familienpartei, will da natürlich schon auch ein Stück vom Kuchen haben und sagen: Darf ich da jetzt auch ein Eckerl davon haben? – Ich finde es irgendwie schon erheiternd, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Darum geht es mir!

Ja, die 13. Familienbeihilfe, wer will denn da dagegen sein? Wer will jetzt wirklich sagen: Wir wollen den Familien kein zusätzliches Geld geben!? Soweit ich weiß, findet sich niemand. Die Zustimmung erfolgt einstimmig. Das ist auch gut so. Wir begrüßen das auch. Wir haben immer gesagt: Die Familien müssen unterstützt werden, die Familien müssen auch entlastet werden.

Meine Kritik geht natürlich in die Richtung, dass von einer Valorisierung der Familien­leistungen weit und breit nichts zu sehen ist. Das heißt, es war ein Wahlzuckerl, denn ohne Wahl wäre die 13. Familienbeihilfe nie oder zumindest lange nicht gekommen. Es handelt sich natürlich auch nicht um denselben Wert, der angedacht war oder von uns allen auch gewünscht wird. Es ist im Grunde genommen das Gleiche wie beim Pflegegeld: Schön, dass die Familien mehr bekommen, aber es entspricht eben nicht dem tatsächlichen Wertverlust, den die Familienleistungen über die Jahre, konkret gesagt seit 2003, schon hinnehmen mussten.

Alles zusammengenommen – die Teuerung, die Inflation, die Nicht-Valorisierung – hat die Familien 1 000 € gekostet. Das muss man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen und sich vorstellen, was 1 000 € für eine Familie bedeuten. Zu sagen, dass wir da leider nicht genügend Geld im Familienlastenausgleichsfonds haben, wird nicht ausreichen. Das wird nicht haltbar sein, auch wenn ich weiß, dass man rechnen muss.

Wir müssen vor allem auch beachten, dass Alleinerzieherinnen – das sind immer die am meisten Betroffenen – und Familien generell als armutsgefährdet gelten, und zwar bereits ab dem zweiten Kind. Kollege Preineder hat das gerade ausgeführt. Laut Studien gelten Familien bereits ab dem zweiten Kind als armutsgefährdet. Mit jedem Kind wird es natürlich schlimmer, und da ich selbst auch vier habe, weiß ich, wovon Kollege Preineder gesprochen hat, als er gesagt hat: Mit jedem Kind erhöhen sich die Kosten dann auch entsprechend.

Das heißt: Hier muss mehr getan werden! Vom Familiensteuersplitting hat sich die ÖVP aber schon so etwas von verabschiedet wie nur irgendetwas. Das wäre schon auch ein Schritt, die Familien steuerlich zu entlasten. Das heißt nicht Frauen zurück an den Herd. Frankreich zeigt es uns vor. Dort ist die Beschäftigungsquote der Frauen sehr hoch. Keine Rede also davon, dass ein Familienausgleich bei der Steuer auch ein Zurück-an-den-Herd für Frauen bedeutet.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 60

Wir sollen auch die Familien nicht zu Bittstellern machen, genauso wie wir das auch bei Pflegenden nicht tun sollen, die vom Wohl und Wehe einer Koalition abhängig sind oder davon, ob gerade eine Wahl ansteht oder nicht und der Staat ihnen dann großzügig einen Zuschuss oder eine Erhöhung gewährt. Sie sollten sich schon auch insofern auf die Familienleistungen verlassen können, als dass die nicht Jahr für Jahr sinken, weniger wert werden. Auch die Familien zahlen ja Steuern, auch die Familien tragen zum Steuerertrag bei, und daher glauben wir, man kann ihnen auch etwas davon zurückgeben. (Beifall der Bundesräte Herbert und Ing. Kampl sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desminister Dr. Kdolsky. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


12.16.46

Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend Dr. Andrea Kdolsky: Geschätztes Präsidium! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte nur eine Klarstellung vornehmen. Bei allem Verständnis für Positionierung gemäß der eigenen ideologischen Struktur und dem Kampf zur Durchsetzung der eigenen Ideen möchte ich schon Folgendes klarstellen ... (Bundesrätin Mühlwerth: Für Sie gilt das doch auch!) – Ich bin hier als Fachministerin, und daher kann ich hier auch nur die Inhalte bringen.

Klarstellung: Tatsache ist, dass genau das ein gemeinsamer Beschluss aller Familien­organisationen – und ich betone: aller Familienorganisationen! – zusammen mit der Familienministerin war. Frau Bundesrätin, ich habe ja nicht gesagt, wer in den Familienlastenausgleichsfonds hineingegriffen hat, ich habe nur festgestellt, es ist hineingegriffen worden und es wird falsch ausgezahlt.

Ich möchte schon auch einmal eine klare Diskussion darüber führen, dass wir, wie wir das auch im wirtschaftlichen Bereich zu machen haben, zuerst einen Ist-Stand erheben, uns anschauen müssen, was fließt rein, was fließt raus. Das Familien­minis­terium hat das in der letzten Legislaturperiode zum ersten Mal gemacht und hat eine riesig angelegte Studie in Auftrag gegeben, die innerhalb der nächsten sechs Wochen vorliegen wird. Die Fragen: Wie sieht die die Situation aus? Wie schaut die Entwicklung aus? Wer zahlt ein? Wer bekommt heraus? Was muss auch auf Grund der gesetz­lichen Lage unabdingbar gemacht werden, und wie machen wir die Familien nicht zu Bittstellern?

Daher habe ich auch gesagt: Eine Valorisierung ist etwas, das absolut im Bereich unserer Wünsche liegt, aber eine Valorisierung kann erst stattfinden, und das halte ich für den besten Weg, wenn auch entsprechend klargestellt ist, wie das zu finanzieren ist, denn sonst stimmen wir jetzt bloß in den Gesamttenor ein, dass wir Geld ausgeben, das wir nicht haben und das letztendlich unsere Kinder – genau um die geht es hier dann nämlich – zu zahlen haben werden.

Wesentlich ist mir aber auch, Folgendes zu sagen: Ich finde es falsch, in diesem Zusammenhang von Wahlzuckerl zu sprechen. Der Vorschlag einer 13. Familien­beihilfe kam genau zu einer Zeit – und wir können das genau parallelisieren –, als eine große Diskussion über die Teuerung und die Problematik für Familien stattgefunden hat. Und diese Beihilfe soll auch zu einem Zeitpunkt ausbezahlt werden – und des­wegen komme ich noch einmal auf den Schulbeginn zu sprechen –, zu dem ich schon den Eindruck habe, und ich weiß das aus persönlicher Erfahrung, und jeder, der Kinder hat, weiß das aus persönlicher Erfahrung, dass sich die Kosten dramatisch erhöhen. Die Kinder kommen fast jeden Tag – zumindest meine Patenkinder, um die ich mich kümmere – und lassen mich unterschreiben, 14 € für das, 16 € für das und 90 € für


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 61

jenes. Das bedeutet also, dass genau der Schulbesuch einen deutlichen Teuerungs­schub verursacht.

Unabhängig davon haben wir natürlich die Verpflichtung, Familien ganz allgemein zu helfen, aber hier, in diesem konkreten Fall ging es nicht um Wahlzuckerl, sondern um eine akut aufgetretene Teuerungssituation und darum, vor allem im Herbst Familien mit schulpflichtigen Kindern zusätzlich zu entlasten.

Das muss man schon immer wieder richtigstellen, sonst wird hier jedes Mal wieder gesagt, wer angeblich welches Recht darauf hat. Wir haben gemeinsam eine Entscheidung für die Familien getroffen, Herr Bundesrat Kalina, und ich glaube, dass wir diese gemeinsame Entscheidung auch entsprechend umsetzen werden.

Die nächsten Schritte müssen sein, dass wir eine Valorisierung angehen, und genau das ist auch vorgesehen und ist keine neue Idee, die jetzt hier aufgebracht worden wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

12.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Rausch das Wort. – Bitte.

 


12.21.02

Bundesrätin Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, wenn Einstimmigkeit herrscht, wenn es um Kinder und Familien geht.

Ich möchte trotzdem sagen, weil das für mich auch ein Beitrag zur politischen Bildung und Aufklärung ist, damit das auch klar gemacht wird: Ich war nicht dabei, als 1967 das Familienlastenausgleichsgesetz geschrieben wurde, und ich kann mich nicht erinnern, wer das damals gemacht hat, aber ich habe sehr wohl mitbekommen, wer in den letzen Jahren, vor allem in den letzten Monaten Verantwortung für den Bereich Familie und Jugend in Österreich getragen hat. Das waren Sie, das warst du, liebe Frau Bun­desministerin! Dafür herzlichen Dank. Und ich habe sehr wohl auch mitbekommen, wer die Initiative ergriffen hat, als es um die 13. Familienbeihilfe gegangen ist. Bei all der Diskussion, die danach noch gekommen ist, die Initiative ging von der Volkspartei aus, und dafür noch einmal dir, Frau Ministerin, und auch an das ÖVP-Regierungsteam herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Die Familienbeihilfe ist nicht der einzige, aber ein ganz wesentlicher Bestandteil der Familienförderung in Österreich. Das weiß ich nicht deswegen, weil ich Kinder habe, sondern weil ich bis vor Kurzem selbst ein Kind war, das von den Eltern betreut wurde, und weil ich Geschwister habe und daher weiß, wie wichtig das ist. Es ist eine Maßnahme zur Unterstützung der Eltern zugunsten der Kinder – auch das wurde heute schon gesagt –, damit die Kinder bei ihrem Aufwachsen auch entsprechend ausge­stattet werden können.

Warum sage ich das? – Wie ein Kind zum Aufwachsen nicht nur eine Ausstattung braucht – Windeln, Kleidung, Schulsachen –, sondern natürlich vor allem die Zuwen­dung seiner oder ihrer Eltern und seines oder ihren Umfeldes, genauso ist Geld auch nicht ausschlaggebend dafür, ob sich Menschen, junge Menschen, junge Paare für Kinder entscheiden. Dass man jedoch weiß, dass man sich auf finanzielle Unter­stützung von Seiten der öffentlichen Hand, von Seiten der Gesellschaft verlassen kann, das gibt Sicherheit. Und letztlich ist die finanzielle Unterstützung durch die Familien­beihilfe ein Zeichen und aus meiner Sicht auch ein ganz wichtiges Signal dafür, dass Kinder und Familien uns allen und der Gesellschaft insgesamt etwas wert sind. (Präsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 62

Auch wenn man diesen Wert insgesamt natürlich nicht beziffern kann, ab diesem September oder eben November sind es etwa 250 Millionen € mehr, mit denen wir zeigen, dass wir verstehen, wann Familien ganz besonders Unterstützung brauchen, gerade zu Schulbeginn nämlich, wo man sich so mancher Ausgabe nicht entziehen kann.

Wie gesagt, Geld allein ist es nicht, aber vielleicht, und ich hoffe das sehr stark, geben wir damit und mit vielen weiteren Signalen jungen Menschen mehr Mut zu Kindern, Mut zur Gründung einer Familie. Ich denke, das ist nicht nur schön für jeden und jede Einzelne, das ist vor allem gut für unsere Gesellschaft. Das meine ich nicht nur, weil es darum geht, soziale Sicherungssysteme zu erhalten und zu sichern, sondern auch, weil es darum geht, mehr Zukunftsoptimismus für unsere Gesellschaft zu haben. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

12.23


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

12.24.137. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d.B. und 8019/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte.

 


12.24.40

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 6. Oktober 2008 in Verhandlung genommen.

Ein Beschluss über den Antrag von Bundesrat Mag. Harald Himmer, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.

Ein Beschluss über den Antrag von Bundesrat Wolfgang Sodl, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmen­gleichheit ebenfalls nicht zustande gekommen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Vizepräsident Mag. Himmer.

 



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 63

12.25.45

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja heute bereits einiges darüber diskutiert worden, dass wir eine Nationalratssitzung hatten, über die es sehr unterschiedliche Auffassungen gibt, die vom Enthusiasmus über Sternstunden des Parlamentarismus bis hin zu Skepsis reichen, ob es eigentlich legitim ist, am Ende einer Legislaturperiode den Spielraum für diejenigen, die frisch in den Nationalrat gewählt werden, gleich so massiv einzuschränken. Darüber kann man unterschied­licher Meinung sein, und da ist man ja auch ganz offensichtlich unterschiedlicher Meinung.

Einiges davon ist in den Diskussionen bereits angesprochen worden. Dazu kommt, was natürlich in der Geschwindigkeit auch passiert, so zumindest die Auffassung unserer Fraktion, dass auch einiges an Pfusch gemacht worden ist.

Der Herr Berichterstatter hat ja bereits darauf hingewiesen, dass wir im Ausschuss Stimmengleichheit hatten. Ich erlaube mir daher, hier gemäß § 43 Abs. 1 der Bun­desratsgeschäftsordnung in meinem Namen und im Namen des Kollegen Schennach, Kolleginnen und Kollegen folgenden Antrag zu stellen:

Antrag

der Bundesräte Mag. Harald Himmer, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 BR-GO, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 24. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d. B.), begründet Einspruch zu erheben

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemäß § 43 Abs. 1 BR-GO wird gegen den Beschluss des Nationalrates vom 24. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (924/A sowie 8015/BR d. B.), aus folgenden Gründen Einspruch erhoben:

Begründung:

Ein Einspruch des Bundesrates gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 zur Senkung der Umsatzsteuer auf Medikamente geändert wird, gründet auf den folgenden drei wesentlichen Einwänden:

Durch diesen Gesetzbeschluss unterliegen nicht nur – wie in der Begründung zum Initiativantrag 924/A der Abgeordneten Westenthaler, Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen explizit angeführt – „Arzneimittel“ sondern auch „Kunstgegenstände“ im Sinne der Z 44 der Anlage zum Umsatzsteuergesetz dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 10 %. Die Erweiterung um die Kunstgegenstände ist auf Grund eines offensichtlichen Irrtums des Gesetzgebers durch einen Schnellschuss-Abänderungsantrag, der einen anderen legistischen Fehler korrigieren sollte, eingeführt worden. Da weder ein Redner in der Zweiten Lesung im Nationalrat noch der Antrag selbst auf diese Erweiterung hingewiesen haben, handelt es sich um einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates, der in dieser Form offensichtlich nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht und daher vom Bundesrat zwecks Richtigstellung zu beeinspruchen ist.

Die Erweiterung um die Kunstgegenstände ist weiters EU-richtlinienwidrig, weil gemäß Art. 103 der MwSt-RL (genauso wie schon nach der 6. MwSt-RL) wohl die Einfuhr von Kunstgegenständen generell dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden darf; die


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 64

Lieferung von Kunstgegenständen darf hingegen nicht generell ermäßigt werden, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Durch den im Antrag gewählten weiten (Ober-)Begriff „Arzneimittel“ – ohne diesen bestimmter zu definieren – unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz nicht nur für Menschen bestimmte Medikamente, sondern auch jene für Tiere (siehe Z 3 des Anhangs III der MwSt-RL: „3. Arzneimittel, die üblicherweise für die Gesundheits­vor­sorge, die Verhütung von Krankheiten und für ärztliche und tierärztliche Behandlungen verwendet werden, einschließlich ...“).

Möglicherweise wurde diese unpräzise Formulierung bewusst gewählt, da im Initiativantrag 893/A der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen, der aber in der Nationalratssitzung vom 24. September keine Mehrheit fand, explizit nur „Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes für die Anwendung am oder im menschlichen Körper“ verwendet wird.

Die Erweiterung der Umsatzsteuerreduktion auf Tierarzneimittel ist überschießend, hat keinen Bezug zur aktuellen Teuerungsdebatte und ist daher abzulehnen.

Darüber hinaus ist mit den Finanzausgleichpartnern ein Einvernehmen über einen Ausgleich der erwarteten Mindereinnahmen aus der Senkung der Umsatzsteuer für die Länder in Höhe von 77,1 Mio. und bei den Gemeinden in Höhe von 38,5 Mio. zu erzielen.

*****

In dieser Frage das Einvernehmen zu erzielen, sollte wohl auch ein Anliegen einer Länderkammer sein. Aus diesem Grund unser bereits gestellter Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates einen Einspruch, und zwar einen wirklich begründeten Einspruch, zu erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.31


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


12.31.51

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorab Kollegen Bieringer gratulieren, der hier heute eine umfassende Er­klärung für eine soziale Politik sowie ein Bekenntnis zur Realwirtschaft abgelegt hat. – Das, Kollege Bieringer, hat mich persönlich bewegt und eingenommen, denn da sieht man: Da spricht ein Bürgermeister, dem die Bürgerinnen und Bürger vor Ort gesagt haben, wo die Probleme wirklich liegen.

Dazu, wie mein Vorredner Himmer das Thema Senkung der Mehrwertsteuer auf Medi­kamente angesprochen hat: Da möchte ich die Kirche wieder ins Dorf holen und sagen: 2,9 Milliarden € ... (Bundesrat Schennach: Wie viele Kirchen werden denn heute noch ins Dorf geholt! So viele Kirchen gibt es ja gar nicht, wie da hin und her geschoben werden! Und überhaupt: Warum wird eigentlich nicht auch einmal eine Moschee ins Dorf geholt?) 2,9 Milliarden € sind die Kosten, die aktuell von den Sozial­versicherungsträgern für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Medikamen­ten aufzubringen sind. – Ich meine daher, dass es ein ganz richtiger Schritt war, da Konsequenzen zu ziehen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Hinweisen darf ich darauf, dass das übrigens auch eine langjährige Forderung von Teilen der ÖVP-Fraktion, des ÖAAB, war, eine Forderung, die immer wieder gestellt wurde – deshalb bin ich ein bisschen verwundert, dass sich Kollege Mayer als FCG-ler


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 65

hiezu nicht zu Wort gemeldet hat –, die Kosten der Sozialversicherungen zu senken, indem man diese Ausgabenbereiche von der Mehrwertsteuer befreit.

Wie gesagt: Um 2,9 Milliarden €, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es hier. Da hier auch ein bisschen abzulenken versucht wurde in Richtung Veterinärmedizin, ist es schon wichtig, hier einmal festzustellen, was in diesem Zusammenhang wirklich wichtig ist.

Zum zweiten Block, zum Bereich Lebensmittel: Ich meine, dass es ganz, ganz drin­gend ist, da etwas zu tun, auch einen Impuls zu setzen für eine entsprechende Nachfrage. Um wen geht es denn da? – Ich habe mir hiefür extra noch einmal das Median-Einkommen angesehen. – Die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher hat ein Bruttoeinkommen von 1 700 € – und vor allen Dingen – oder eben auch weniger.

Schauen wir uns einmal auch Folgendes an – es wurde ja heute hier auch viel von den Pensionistinnen und Pensionisten gesprochen –: Die Durchschnittspensionen bei den Arbeiterinnen und Arbeitern liegen bei 995 €, und bei den Pensionistinnen sind es lediglich 790 €. Durch die Senkung der Mehrwertsteuer wird es zu einer spürbaren Entlastung für diese Menschen kommen.

Da gerade hier im rechten Teil dieses Saales viel von der Familie gesprochen wurde: Schauen wir uns doch einmal eine Familie mit zwei Kindern an! Diese wird sich nicht nur freuen, dass jetzt endlich die Studiengebühren abgeschafft werden, sondern diese Familien werden auch froh darüber sein, wenn sie sich in Bezug auf die Lebens­mittelkosten in Zukunft mehrere hundert Euro ersparen; eben bis zu 400 € im Jahr. (Bundesrat Perhab: Die Rechnung möchte ich sehen!)

Gerade hier bei uns im Bundesrat (in Richtung des Bundesrates Perhab) haben wir einen Gastronomen, einen Hotelier, der jeden Tag einkauft, der weiß, was da alles im Lebensmittelbereich passiert ist. Du wirst das ja merken bei jedem Einkauf für den eigenen Betrieb, wie das jetzt aussieht.

Ich stelle daher namens unserer Fraktion folgenden Antrag:

Antrag

der Bundesräte Schimböck, Kolleginnen und Kollegen

Die unterzeichneten BundesrätInnen stellen den Antrag, gegen den Gesetzes­be­schluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird, keinen Einspruch zu erheben.

*****

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, sich diesem Antrag anzuschließen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Kollege Schimböck, könnten Sie uns diesen Antrag auch schriftlich hier zum Präsidium bringen.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.35.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Gratulation übrigens zum zusätzlichen „e“– ich habe das irgendwann einmal in „YouTube“ gesehen, also wir dürfen jetzt „Matzenetter“ sagen, oder? (Staatssekretär Dr. Matznetter: Finanzminister


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 66

Molterer war nicht bereit, sich künftig „Moleterer“ nennen zu lassen!) – Okay, dann bleiben wir eben bei Matznetter, dann passt das ohnehin.

Sehr geehrte Damen und Herren, wieder für das Protokoll: Elisabeth Kerschbaum, Grüne Niederösterreich. Ja? (Staatssekretär Dr. Matznetter: „Kerschebaum“!) – Nein, ohne „e“ und ohne „er“ hinten dran, nur Kerschbaum.

Der Bericht des Finanzausschusses beginnt mit dem Satz „Der vorliegende Beschluss des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, dass im EU-Schnitt die Umsatzsteuer auf Medikamente bei 10 Prozent liegt.“

Die Debatte, die ich bis jetzt dazu wahrgenommen habe, legt die Vermutung nahe, dass der vorliegende Beschluss eher darauf beruht, dass man gesagt hat, man möchte die Teuerung abfedern. Das war die offizielle Begründung, warum jetzt die Medika­mente nur mehr mit 10 Prozent Mehrwertsteuer belastet werden sollten. Zumindest medial ist es so verkauft worden. Dass es auch eine Anpassung an das EU-Niveau wäre, das steht hingegen, glaube ich, nur im Bericht des Finanzausschusses.

Die Debatte, die mit der Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel und alle möglichen anderen Dinge angestoßen wurde, hat sich zumindest im Hinblick auf die Lebensmittel bereits im Nationalrat erübrigt. Übrig geblieben ist jetzt diese Debatte über die Mehr­wertsteuersenkung bei den Medikamenten. Wie sinnvoll die ist, darüber lässt sich streiten. Meiner Meinung nach – oder das ist, glaube ich, nicht nur meine Meinung – entspricht gerade bei Medikamenten und Arzneimitteln der Preis nicht unbedingt dem Wert, und deshalb bezweifle ich auch sehr stark, dass da eine Verringerung der Mehrwertsteuer auch wirklich eine Preissenkung mit sich bringen würde. Es gibt ganz bestimmt keine Garantie dafür, dass diese Mehrwertsteuersenkung dann auch im Preis weitergegeben würde.

Was ganz offensichtlich und klar ist, ist, dass die Formulierung im Gesetzestext nicht wirklich deutlich genug ist. Man könnte Arzneimittel zumindest etwas näher definieren. So wie es jetzt drinnen steht, gibt es höchstwahrscheinlich einige Streitfälle vor Gericht, was denn alles unter Arzneimittel fällt. Das bedeutet dann auch weitere zusätzliche Kosten.

Was auch noch klar ist: Bund, Länder und Gemeinden müssten 300 Millionen € Ein­nahmenverringerung unter sich aufteilen. Darüber ist auch noch nicht wirklich diskutiert worden, wer das dann einsparen muss und wie das eingespart werden kann.

Was nicht klar ist, ist, wie viel sich die Haushalte durch diese Mehrwertsteuersenkung wirklich ersparen würden. (Bundesrat Perhab: Gar nichts ist klar!)

Was ganz sicher auch noch unklar ist, ist die soziale Treffsicherheit dieser Maßnahme. Ich bin zum Beispiel nicht sicher, ob gerade teure Medikamente, die ja dann sehr viel billiger werden würden, insbesondere von den sozial Schwachen genommen werden oder vielleicht doch von den sozial nicht so Schwachen. Also: Soziale Treffsicherheit sehe ich bei dieser Maßnahme in Wirklichkeit keine.

Wie wir jetzt gehört haben, ist ja mit diesem Beschluss im Nationalrat auch noch irrtümlicherweise der Beschluss der Mehrwertsteuersenkung auf Antiquitäten mitbe­schlossen worden. Das ist ganz sicher kein Zeichen in Richtung soziale Absicherung und Teuerungsausgleich, denn ich denke, gerade Menschen, die Antiquitäten kaufen, fallen normalerweise nicht in die Gruppe der Menschen, die sozial dringendst eine Absicherung benötigen. Eine Reichenförderung ist in Zeiten wie diesen jedoch sicher nicht angebracht. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Ich kann schon verstehen, dass die SPÖ das trotzdem gerne heute beschließen würde. Ich denke allerdings, dass es wenig Sinn macht, jetzt ein Gesetz zu be-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 67

schließen, von dem wir jetzt schon wissen, wo sozusagen seine Pferdefüße sind, und somit damit rechnen, dass vielleicht in zwei, drei Monaten im Nationalrat dieses Gesetz zu ändern sein wird, und wo es einfach hingenommen wird, da inzwischen einen rechtsunsicheren Raum zu bekommen und dadurch ein Chaos par excellence zu verursachen.

Ich denke, es ist vernünftiger, dass man, wenn man schon unbedingt eine Mehr­wert­steuersenkung auf Medikamente will – ich bin nicht dafür, aber wenn man das will –, das vielleicht in der nächsten Regierungsperiode noch einmal auf den Tisch bringen und vernünftig machen sollte, und nicht so „husch-wusch“ und mit verschobenen Zahlen, sodass dann auch Antiquitäten mehrwertsteuerbegünstigt sind.

Ich denke, es wäre prinzipiell wichtig, dass wir in Österreich Einkommen haben, die es den Menschen ermöglichen, zu überleben, ohne dauernd auf irgendwelche Steuer­zuckerl der Regierung zu hoffen. Denn eines steht fest: Mehrwertsteuersenkungen, egal ob auf Medikamente oder auf Lebensmittel oder was auch immer einem sonst noch in Zukunft einfallen mag, bedeuten auch, dass weniger Geld in der Staatskasse vorhanden ist und damit auch weniger Geld für Maßnahmen da ist, die den sozial Schwachen helfen und die die sozial Schwachen wirklich unterstützen. (Beifall des Bundesrates Schennach sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Werner Herbert. – Bitte.

 


12.40.57

Bundesrat Werner Herbert (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundes­rates! Ich stimme mit Herrn Präsidenten Himmer darin überein, dass wir hier neuerlich einen Fall vor uns haben, bei dem der Bundesrat aufgerufen ist, quasi „Feuerwehr“ – unter Anführungszeichen – für den Nationalrat zu spielen; wo ich allerdings nicht mit ihm d’accord gehe, ist der Umstand, dass man dem Beschluss des Nationalrates bezüglich dieses Tagesordnungspunktes in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen sollte.

Ich sehe diesen Beschluss des Nationalrates sicherlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich hätte mir gewünscht, dass der in dieser Sache weiter gehende Antrag der FPÖ, der in der Nationalratssitzung am 24. September ebenfalls eingebracht wurde, aber keine Zustimmung fand, und der neben der hier vorliegenden Senkung der Umsatzsteuer auch eine Steuersenkung auf medizinische Geräte und Hilfsmittel im gleichen Ausmaß und auch eine entsprechende Steuersenkung für Kfz-Kindersitze beinhaltet hätte, durchgegangen wäre, denn dieser Antrag wäre wohl der bessere, weil treffsicherere und auch umfassendere, gewesen, weil in diesem Zusam­menhang natürlich viel mehr davon Betroffene anspruchberechtigt gewesen wären und gerade auch junge Familien mit kleinen Kindern einen weiteren Zuschuss im Sinne eines Teuerungsausgleichs, wenn auch in indirekter Art und Weise, erhalten hätten. So gesehen ist diese Version der Umsatzsteuersenkung mit 1. Jänner 2009 eine Minimal­variante, der man sich aber trotzdem nicht verschließen kann und der wir auch, wie gesagt, mit einem weinenden Auge von unserer Fraktionsseite her zustimmen werden.

Der vorliegende ÖVP-Antrag betreffend Beeinspruchung des Nationalratsbeschlusses findet unsererseits keine Zustimmung. Obwohl es nicht gerade eine glückliche Art war, wie Kunstgegenstände in die Ziffernbezeichnung hineingekommen sind, haben wir die Rechtsauskunft erhalten, dass es hier eine Lex specialis gibt, sodass diese Regelung nicht schlagend wird. Hinsichtlich der Medikamente für Tiere, wo man ebenfalls von dieser Steuersenkung profitieren würde, kann ich einerseits nicht verstehen, warum


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 68

gerade die ÖVP, die sich ja als Vertreterin der Bauernschaft sieht, ihre eigene Klientel derart im Regen stehen lässt, und zum anderen ist es auch aus medizinischer Sicht argumentierbar, dass man diese Vergünstigungen für Tier-Medikamente zulässt. Ich denke an die vielen Möglichkeiten, bei denen Tiere im Zuge von Heilbehandlungen eingesetzt werden, in sozialpädagogischem Zusammenhang, als Blindenhunde oder auf vielen anderen Gebieten mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Daher sehen wir keinen Widerspruch zur geltenden Fassung, wie sie der Nationalrat vorgelegt hat, und wir werden ihr in dieser Form auch unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

12.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Bundesrat Perhab zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.44.49

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Herbert von der FPÖ, ich glaube, du hast jetzt eine Chance gehabt, die du, nicht nur weil du in den Nationalrat wechselst, sondern wahrscheinlich auch im Bundesrat nur einmal gehabt hättest, nämlich die historische Chance, heute hier im Bundesrat Dinge zu reparieren, die am 24. September im Nationalrat verpfuscht worden sind. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) – Namhafte Kommentatoren unserer Tageszeitungen und Medien haben ja vom vorweihnachtlichen Basar geschrieben, der jedem alles verspricht, nur nicht danach fragt, wer diese Summen in Zukunft finanzieren und bezahlen wird.

Ich appelliere wirklich auch an die Kollegen des BZÖ: Reißt euch heute am Riemen, zeigt Rückrat und stimmt gemeinsam mit uns bei diesen zwei Tagesordnungspunkten gegen diesen unseligen SPÖ-Vorschlag, gegen diesen Nationalratsbeschluss, durch den wir den österreichischen Kurs der Budgetkonsolidierung wieder endgültig verlas­sen. (Bundesrat Schimböck: Wir wollen Kaufkraft, Kollege! Kaufkraft! – Zwischenruf des Bundesrates Kalina.)

Herr Kollege Schimböck, wenn Sie als Wirtschaftsvertreter des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes hier Themen anschneiden, die mit der freien, mit der unter­nehmerischen Wirtschaft eigentlich nichts mehr zu tun haben, und ihre Rede genauso gut eine auf dem österreichischen Gewerkschaftskongress sein könnte, dann frage ich mich, wie Sie in Zukunft in der Wirtschaftskammer agieren wollen. (Bundesrat Schim­böck: Kaufkraft!)

Letzten Endes wissen Sie doch sehr genau, dass diese Mehrwertssteuersenkung, vor allem jene auf Lebensmittel – und da muss ich Herrn Professor Van der Bellen voll­kommen Recht geben – volkswirtschaftlich der absolute „Super-GAU“ gewesen wäre. Gott sei Dank wurde das noch dank der Kollegen des BZÖ verhindert, und ich hoffe, dass ihr heute vielleicht ebenso Flagge zeigt und diesen wirtschaftlichen Unsinn repariert, der in einer vorweihnachtlichen Basarstimmung im österreichischen National­rat als Wahlkampfzuckerl verteilt wurde. (Bundesrat Kalina: ... ÖVP mitgestimmt bei diesem Basar?!)

Herr Kollege Kalina und Herr Kollege Schimböck, vielleicht können Sie mich über Folgendes aufklären – ich glaube, diesbezüglich sind wir uns einig; der Herr Staats­sekretär sitzt ja hier –: Ich habe eine vorläufige Kostenschätzung des Bundesminis­teriums für Finanzen über die gesamten Maßnahmen, die am 24. September beschlossen wurden. Da steht, dass diese Maßnahmen, die am 24. September im österreichischen Nationalrat beschlossen worden sind, 3,35 Milliarden € kosten. (Bun­desrat Kalina: Und bei wie viel hat die ÖVP zugestimmt?! – Weitere Zwischenrufe bei


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 69

der SPÖ.) – Jetzt frage ich Sie: Wie sollen wir eine zukünftige Steuerreform mit Schwerpunkt Entlastung des Mittelstandes finanzieren, die in etwa 2,5 Milliarden € zusätzlich kosten würde? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Kalina.)

Ich gebe Ihnen gleich die Antwort, wie Sie sie finanzieren wollen: Ich wage zu behaupten, dass jeder Partner, der mit Ihnen in eine Koalition geht, in Zukunft fünf neue Steuern, neue Schulden und ein Abgehen von jeder Budgetkonsolidierung in Österreich wird mitbeschließen müssen. (Bundesrat Schimböck: Kaufkraft! – Bun­desrat Kalina: ... mitgestimmt!) – Das kann nicht der Weg der Österreichischen Volkspartei sein, das kann nicht der Weg verantwortungsvoller Budgetpolitik sein und das ist auch kein Zukunftsweg für unsere nächsten Generationen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Jetzt kritisieren Sie auch das, was sie selbst beschlos­sen haben!)

12.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Mag. Himmer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung zum Verhandlungsgegenstand, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Ebenso ist der von den Bundesräten Schimböck, Kolleginnen und Kollegen unter­zeichnete Antrag, gegen das Bundesgesetz keinen Einspruch zu erheben, genügend unterstützt und steht somit ebenfalls in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Kampl zu Wort. – Bitte.

 


12.49.12

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Bundes­rätinnen und Bundesräte! Tagesordnungspunkt 7 betrifft die Änderung des Umsatz­steuergesetzes 1994. – Nach 24 Jahren des Bestehens dieses Gesetzes ist eine Reform notwendig.

Ich möchte aber vorerst nicht wie Kollege Perhab von der Wahl und von Weihnachten sprechen, sondern ich möchte wirklich zu den Fakten kommen: Wovon reden wir überhaupt?

Im Jahr 2007 betrugen die Gesamtausgaben für Versicherungsleistungen in Österreich 12,4 Milliarden: für Medikamente 2,8 Milliarden, für Spitalsaufenthalte 3,4 Milliarden und für ärztliche Leistungen 3,2 Milliarden. Im Jahr 2008 werden die Krankenkassen ein Minus, also ein Defizit, von 285 Millionen € erwirtschaften.

Es ist sehr interessant, wenn man sich ansieht, wie das in den Bundesländern ausschaut – ich habe das heute in der Früh im „Kurier“ gelesen; die Zeitungen gibt es ja schon um halb fünf Uhr –, und da macht man sich schon Gedanken über den Beitrag der Versicherungen.

Wir haben nämlich im Durchschnitt bei den teuersten Patienten in Österreich drei Kategorien, die von 564 133 € in Niederösterreich bis zu 133 051 € in Vorarlberg rangieren. So sieht die Situation aus, und da fragt man sich als Nichtfachmann schon, wie so etwas denn überhaupt möglich ist. Warum gibt es diesen großen Unterschied von 300 Prozent?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Nationalrat gab es zu diesem Thema Stimmengleichheit; auch musste ich erleben, dass es vor zwei Tagen im Bundesrat dieselbe Situation gab. – Dänemark zum Beispiel hat mit 25 Prozent die höchste Mehrwertsteuer auf Medikamente aller EU-Staaten, auf Platz zwei ist Österreich mit


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 70

derzeit 20 Prozent; der europäische Durchschnitt beträgt 10 Prozent. Die berechtigte Forderung lautet daher, sie in Österreich auf 10 Prozent herabzusetzen.

Die Aufbringung der etwa 600 Millionen €, die das Steuervolumen ausmacht, zahlen die Rezeptfreien und die Rezeptpflichtigen, die Entlastung kommt den Bürgern und den Krankenversicherungsträgern zugute. (Bundesrat Perhab: Und stabilisiert das Defizit!) – Liebe Kollegen! Natürlich wird ein großer Teil für die Sanierung der Kran­kenkassen verwendet werden, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Landwirte und die 560 000 Hundebesitzer in Österreich werden davon profitieren.

Nun zur Ziffernbezeichnung: 43c, bei dem ein Fehler unterlaufen ist, wurde im Parla­ment richtiggestellt. Der Fehler konnte unterlaufen, meine Damen und Herren, weil vier Tage vor der Wahl solche Gesetze wirklich durchgepeitscht wurden. Ich glaube, Herr Staatssekretär, da ist die Verantwortung der Bundesregierung in Zukunft sicher mehr gefordert.

Es kann nicht so sein, dass gute Gesetze – oder teilweise gute Gesetze – nicht richtig ausdiskutiert werden können, Fachleute nicht beigezogen werden und daraus resul­tiert, dass man heute innerhalb der ÖVP kopflos ist. Ich verstehe das, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Pflicht, für die Menschen in Österreich etwas zu tun, und diesbezüglich ist auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente möglich. – Betroffen sind die vielen Medikamentenabhängigen, das sind ja Bürger unseres Landes, meine Damen und Herren! (Bundesrat Perhab: Die sind ja von den Rezeptgebühren ...! Die haben ja nichts davon!)

Liebe Kollegen, wenn auf der anderen Seite die Werbeausgaben der Ministerien in Österreich im ersten Halbjahr dieses Jahres 12 587 180 € betragen, regt ihr euch da nicht auf? Ist das nicht zu viel? – Herr Staatssekretär! Das ist ungeheuerlich, und die österreichische Bevölkerung wird erfahren, dass die Minister eine so teure Werbung finanzieren.

Für mich ist es unverständlich, dass sich die ÖVP bei kleinen Einkommensbeziehern immer zurückzieht und in der Versenkung verschwindet. Das ist nämlich sehr inter­essant: Argumente ... (Bundesrat Perhab: Weil wir für den Mittelstand etwas tun müssen! Der Mittelstand erhält das Ganze!)

Lieber Herr Kollege Perhab, für die Landwirtschaft seid ihr noch nie in die Bresche gesprungen! Draußen sagt ihr zwar, Ihr seid für die Bauern (Zwischenrufe bei der ÖVP), aber ist ein Antrag von euch für die Bauern gekommen? Bitte, ist ein Antrag von der ÖVP für die Bauern gekommen? – Es hat keinen gegeben! Die ÖVP hätte auch 100 Stunden vor der Wahl einen Antrag einbringen können.

Schaut euch die Getreidebauern an! Schaut euch die Maisbauern an! Momentan verlieren sie bis zu zwei Drittel ihres Einkommens! – Wo ist denn da die ÖVP? Wo ist da die bauernsoziale Einstellung der ÖVP? – Von der hört man nichts mehr! (Bun­desrat Perhab: ... 5 Milliarden für den ländlichen Raum!)

Meine Damen und Herren, dann gibt es auch noch den Aufschrei bei der Caritas. Die Caritas sagt, immer mehr Menschen schlittern in die Armutsfalle. – Freunde, das alles sind Dinge, die wir berücksichtigen müssen! Mit der Rezeptgebühr können wir sicherlich nur einen kleinen Teil bewegen, wir können nur etwas in die Wege leiten, was pro Monat zwischen 25 und 35 € pro Patienten ausmacht, aber für die Bezieher kleiner Einkommen ist das schon etwas!

Ich war gestern zufällig in einem Kaffeehaus, da habe ich Folgendes gehört – ich habe das Kollegem Bieringer schon erzählt –: Eine Frau, die einkaufen ging und ihr Geld vergessen hat, sagte, sie geht hinüber zur Bank, sie muss dort 20 € abheben. – Ich


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 71

glaube, sie hat keine 100 oder 150 € Euro, um sie abzuheben, sie hat wahrscheinlich nicht viel mehr als 20 €.

Das ist die Sorge vieler Menschen in Österreich, und wir alle wissen um diese Sorgen, daher sollten wir auch diesem Gesetzesbeschluss die Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Hunderttausende Österreicher sind frustriert, und es wird bald 1 Million sein, die unter der Armutsgrenze lebt. (Bundesrat Mag. Klug: Ganz genau so ist es! – Ruf bei der ÖVP: Was ist mit dem Finanzausgleich? – Bundesrat Dr. Kühnel: ... aber du als Bürgermeister ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Meine Damen und Herren, da gibt es natürlich sehr, sehr viele Möglichkeiten. Wir vom BZÖ sind gegen eine Erhöhung der Politikergehälter eingetreten. Wir haben den Mut, dass wir sagen, die Politiker bekommen jetzt einmal weniger und die anderen sollen ein bisschen mehr bekommen.

Ich habe versucht, etwas aufzuzeigen, und ich möchte allen Folgendes ins Stammbuch schreiben, meine Damen und Herren, vor allem jenen von der ÖVP: Ich glaube, Sie sind hier auf dem falschen Dampfer, nicht die anderen! (Bundesrat Molzbichler: Bravo, Siegi, bravo!) – Ich möchte Sie um eines bitten: Denkt an die Hundebesitzer! Denkt nur an sie! Und sie werden euch schon zeigen, wo es langgeht. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die nächste Wahl wird kommen, ihr werdet es schon sehen! – Herr Staatssekretär, danke. (Beifall der Bundesräte Mühlwerth und Mitterer sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

12.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Matz­netter. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


12.58.17

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, einige Anmerkungen zu machen, um ein bisschen zur Versachlichung der Diskussion beizutragen.

Anmerkung Nummer eins: Sie wissen, dass, wenn der Bundesrat heute eine Rück­verweisung beschließt, jenes Gesetz nicht zustande gekommen ist. Es müsste dann der neu gewählte Nationalrat das noch einmal beschließen – übrigens waren die Wahlen am 28. September, und die Wahllokale wurden um 17 Uhr geschlossen, dieser Teil kann jetzt also als beendet betrachtet werden –, und das würde heißen, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer, so wie sie die Mehrheit des Nationalrates in seiner Beschlussfassung wollte, nicht mehr zustande kommt.

Feststellung Nummer zwei: Es ist richtig, dass ein Abänderungsantrag, der zum Gesetzesantrag einer Fraktion eingebracht wurde, nur eine Berichtigung in der Ziffer 2 hinsichtlich der Zitierung des Anhanges vornimmt, nämlich auf Ziffer 43a anstelle der vorher dort stehenden Ziffer 44 sowie in der Anlage die Berichtigung auf 43a anstelle von 44, sodass bei der Ziffer 1, nämlich bei der Anwendung des verminderten Satzes, und in der Ziffer 3, bei den Inkrafttretensbestimmungen, Zweifel vorhanden sein können, ob nicht Kunstgegenstände, die in der Ziffer 44 angeführt sind, ebenfalls der Begünstigung anheimfallen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass es unter den Juristen des Bun­desministeriums für Finanzen insbesondere die Befürchtung gibt, es könnte in einer höchstgerichtlichen Judikatur die Lex lata die Lex specialis – das spätere Gesetz, das jetzt kommt –, die in den Literae b und c des Gesetzes festgeschrieben ist, derogieren, sprich: an deren Stelle kommen. – Es gibt de facto keine oder wenig höchstgerichtliche Judikatur, die so etwas überhaupt denkbar macht.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 72

Ich darf an dieser Stelle – ich sage das bewusst – sozusagen beruhigend darauf hin­weisen, dass es um die Umsetzung einer entsprechenden Richtlinie der Europäischen Union geht und nach einheitlicher Rechtsprechung des EuGH die Auslegung nationaler Gesetze in der Umsetzung von Richtlinien jedenfalls im Sinne der Richtlinien zu erfolgen hat, weshalb klar ist, dass, selbst wenn dieses redaktionelle Versehen bestehen bliebe, im Zweifelsfall eine richtlinienkonforme Judikatur Platz greifen würde.

Punkt drei: Es ist richtig, dass der Begriff „Arzneimittel“ relativ weit gefasst ist und daher auch veterinärmedizinische Medikamente, erkennbar in der Apotheke an dem Zusatz „ad us. vet.“, hineinfallen könnten. Der Umsatz dieser Medikamente in den Apotheken ist nicht sehr groß, da der wesentliche Teil von den Tierärzten abgegeben wird und dort Teil der Gesamtbehandlung ist.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es im Zuge der Diskussion, die es im Vorfeld der Beschlussfassung im Nationalrat gab, auch einen anderen Antrag gab, in dem ausdrücklich nur Medikamente für die Anwendung beim Menschen vorgesehen waren, und möchte an dieser Stelle den Damen und Herren Bundesräten auch meinen persönlichen Kommentar nicht verschweigen: Auf diesem Markt gibt es das Problem, dass ein wesentlicher Teil der veterinärmedizinischen Behandlungen mit menschlichen Präparaten erfolgt.

Das heißt, eine Differenzierung zwischen Medikamenten „ad us. vet.“ und jenen, die an sich nur für die Anwendung am menschlichen Körper gedacht sind, würde dazu führen, dass zwar ein kleiner Teil dann weiter mit 20 Prozent Mehrwertsteuer verkauft würde, aber ein wesentlicher Teil der Medikamente, die tatsächlich Tieren verabreicht werden, gleichfalls unter die Begünstigung fallen würde, selbst wenn das berichtigt würde, das heißt, dieser Teil der redaktionellen Präzisierung vorgenommen würde, weil die Tiere Medikamente verschrieben bekommen und diese auch in der Apotheke gekauft und den Tieren dann verabreicht werden.

Punkt vier, der die Frage der Summen und der Kosten betrifft: Unsere aktuelle Schät­zung sieht vor, dass wir bei Inkrafttreten dieses Antrages mit Ausfällen von 283 Millionen € im Jahr 2009 rechnen müssen. Für die Frage des Maastricht-relevanten Defizits ist allerdings zu beachten, dass ein wesentlicher Teil davon, nämlich, wenn das System voll greift, zirka 250 Millionen €, den Kranken­versiche­rungsträgern direkt zugute kommt, also zu einer Verminderung des Maastricht-relevanten Defizits führt, und zwar dadurch, dass die im Maastricht-Geltungsbereich befindlichen Krankenkassen, die ein Defizit haben, ein um diesen Teil vermindertes Defizit haben, sodass im Sinne des öffentlichen Defizits der Maastricht-Kriterien nur die Differenz, die im Maximalfall in den Folgejahren auf 90 Millionen bis 100 Millionen € geschätzt wird, tatsächlich wirksam wird.

Wofür fallen diese 90 Millionen bis 100 Millionen € an? – Der eine Teil sind Arznei­mittel, die nicht von der Krankenkasse refundiert werden. Die Gründe dafür können sein:

Erstens: Die betreffende Person ist nicht versichert. Es gibt einen kleinen Teil der Österreicherinnen und Österreicher, die keine Krankenversicherung haben und daher auch die Medikamente privat bezahlen müssen.

Möglicher Fall zwei: Es handelt sich um Arzneimittel, die seitens der Krankenkasse nicht ersetzt werden – bei den einzelnen Gebietskrankenkassen gibt es Unterschiede, in welchem Ausmaß bestimmte Medikamente zulässig sind. Sie wissen wahrscheinlich aus der Erfahrung Ihrer eigenen Bundesländer, dass es Länder gibt, in denen man mit homöopathischen Medikamenten Schwierigkeiten hat, dass es eine Reihe auf natürlichen Wirkstoffen basierenden Heil- und Arzneimittel gibt, die nicht ersetzt


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 73

werden, beziehungsweise dass es vor allem bei der äußerlichen Anwendung eine Reihe von Mitteln gibt, die nicht ersetzt werden.

Fall drei sind Arzneimittel, die billiger sind als die Rezeptgebühr, denn es ist klar, dass jeder Versicherte bei einem Arzneimittel, das weniger als die Rezeptgebühr kostet, dieses selbst und direkt an der Apothekenkasse bezahlt.

Die Entlastung findet daher für Kranke – und zwischen Klammer: und in dem Ausmaß, das ich vorher erwähnt habe, auch für die Behandlung von Haustieren – in vielfältiger Art und Weise statt. Eine ernst zu nehmende seriöse Einschätzung, wie sich das sozial verteilt, ist gar nicht möglich, behaupte ich einmal, denn die Frage, wer im Regelfall selbst bezahlen muss, wird nicht sehr stark von den Einkommensverhältnissen abhängen, da eine Vollversicherung bei uns – zum Glück, muss ich sagen – auch im Bereich der Freiberufler, im Bereich der Selbständigen und im Bereich der Bauern besteht. Wir haben also im Unterschied zu anderen Ländern einen relativ weiten Versicherungsschutz, da sind die Unversicherten eher zufällig daraus Herausfallende.

Die Frage, ob hier besonders luxuriöse Arzneimittel begünstigt werden, vermag ich nicht zu beantworten. Ich halte es aber moralisch für doch etwas problematisch, einem Menschen, wenn er der Auffassung ist, dass er ein bestimmtes Arzneimittel unbedingt zu seiner Genesung braucht, dieses vorzuhalten, da es sich um ein Gut handle, für das eine Begünstigung nicht in Frage käme. Böse Zungen behaupten, dass die Hälfte der Wirksamkeit von Arzneimitteln sowieso ein sogenannter Placebo-Effekt ist, der darauf basiert, dass man daran glaubt.

Für uns im Bundesministerium für Finanzen bedeutet ... (Bundesrat Schennach: Das ist für einen Staatssekretär ... gesundheitliche Aussage!) – Herr Bundesrat Schennach, das Finanzielle bewirkt immer, dass man in sehr weiten Bereichen angesprochen ist, das ist nicht zu vermeiden.

Ich möchte an dieser Stelle mitteilen, dass es bereits Vorgespräche zwischen den Regierungsfraktionen und der mit der provisorischen Weiterführung der Geschäfte beauftragten Bundesregierung gibt, eine entsprechende redaktionelle Korrektur vor­zunehmen, soweit sie notwendig ist, wenn kein Einspruch stattfindet und damit das Gesetz heute hier beschlossen wird. Wir haben bei diesem Tagesordnungspunkt die Frage der Zitierung und allenfalls der Präzisierung der Arzneimittel vorzunehmen. Wir haben im Bereich des nächsten Tagesordnungspunktes, nämlich betreffend das Einkommensteuergesetz, Inkrafttretensbestimmungen, wenn ich es richtig im Kopf habe, anzupassen. Und – ich möchte das an dieser Stelle nicht verhehlen – aus budgetären Gründen wäre es aus der Sicht des BMF sehr wünschenswert, wenn auch das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz adaptiert würde, weil nach Auffassung der Beamten meines Hauses zu dem Zustand, dass die Gebiets­kranken­kassen und die anderen Krankenversicherungsträger einen zu geringen Ersatz für die weggefallene Vorsteuer bei den Medikamenten bekommen haben, mit dem Inkraft­treten dieses Bundesgesetzes eine Überkompensation stattfindet.

Ich möchte hier und jetzt die politische Problematik diesbezüglich nicht verschweigen: Nachdem die Krankenversicherungsträger jahrelang weniger bekommen haben zu sagen: Wir lassen aber nicht zu, dass es einmal mehr ist!, ist Thema einer Diskussion, die eher politischer Natur ist und im Schoße des neuen Nationalrates und letztlich dann auch des Bundesrates zu führen ist.

Ich wäre, das sei diesbezüglich angemerkt, nicht unglücklich darüber, dass wir uns zusätzlich zu all den Problemen, die wir auf den Finanzmärkten haben, nicht in Kürze auch noch mit der Frage von möglichen Zahlungsschwierigkeiten oder einer drohenden Insolvenz von Sozialversicherungsträgern befassen müssten und auf diese Art und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 74

Weise einmal gesichert haben, dass diese ausreichend zahlungsfähig sind. – Ich möchte das an der Stelle nicht verschweigen.

Was die Frage der Reparatur des Passus der Arzneimittel betrifft, möchte ich noch darauf hinweisen, dass es abgesehen von dieser Abgrenzung der Veterinärmedizin zur Nicht-Veterinärmedizin natürlich auch die Schwierigkeit gibt, wie weit wir die Einschränkung gegenüber der kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union hinsichtlich der Einfuhr anders beschreiben können.

Ich möchte diesbezüglich nicht verhehlen, dass die Abgrenzung zwischen Arznei- und Genussmittel immer heikel ist. Sie kennen diese Diskussionen, die bei den Tees anfangen, sich über bestimmte Präparate, die dem Muskelaufbau dienen, fortsetzen und bei einer durchaus moralischen Diskussion enden, wenn es um Mittel wie Kontra­zeptiva geht, bezüglich derer die Mehrheit in Österreich zwar der Meinung ist, das seien Arzneimittel, wo es aber entschieden politische Gründe gegen empfängnis­verhütende Mittel gibt. Ich möchte auch die Problematik von Produkten wie zum Beispiel Viagra nicht verschweigen, die sehr wohl medizinisch indiziert sein können, die aber umgekehrt oft genug als etwas kritisiert werden müssen, was quasi dem Privatvergnügen dient und nicht förderungswürdig ist.

Mit all dem müssen Sie sich dennoch auseinandersetzen, meine Damen und Herren, denn im Zuge dieser redaktionellen Reparatur werden wir auch die notwendigen Abgrenzungen vornehmen müssen. Ich hoffe, das funktioniert dann wieder auf der Ebene einer Regierungsvorlage oder zumindest eines akkordierten Initiativantrages.

Es würde mich freuen, wenn wir die Diskussion dann ein zweites Mal hier führen können. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


13.09.35

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Als Bundesrat haben wir – Herr Kollege Konecny hat heute schon darauf hingewiesen – verschiedene Aufgaben, die uns von den Ländern, die uns entsandt haben, überantwortet wurden, nämlich Gesetze zum einen auf ihre Länderverträglichkeit, zum anderen aber auch auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen und Fehler, wenn welche passiert sind, entsprechend zu korrigieren.

Bei der vorliegenden Materie – der Herr Staatssekretär hat das schon ausgeführt – sind Fehler passiert; das steht außer Zweifel und außer Diskussion. An diesem nicht glücklichen Tag und in dieser Nacht vom 24. auf den 25. September, die im Prinzip mehr einem Bazar als einer Nationalratssitzung glichen, wurden – Gott sei Dank, muss ich sagen – die Idee einer fünfprozentigen Mehrwertsteuer auf Lebensmittel hintan­gehalten, weil es eine sehr teure und absolut nicht treffsichere Variante gewesen wäre, den Bürgern das Leben zu verbilligen.

Übrig geblieben ist eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente. Wir wissen, dass auch dies einen politischen Kompromiss darstellt, nämlich mit dem Ziel, Kranke und Bedürftige zu unterstützen. Dieses Ziel ist durchaus positiv zu sehen, nur, geschätzte Kollegen im Bundesrat, wer sind in diesem Fall die Kranken und die Bedürftigen? – Die Bedürftigen sind in diesem Fall die Krankenkassen. Ich wundere mich über Kollegen Kampl, denn er ist eigentlich jemand, der immer sagt, bei den Krankenkassen gehöre etwas verändert, und damit etwas verändert wird, bräuchten diese Krankenkassen entsprechende Motivation und entsprechenden Druck. Wenn ich


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 75

aber sehe, dass hier 250 Millionen € in die Krankenkassen fließen, so kommen drei Viertel davon den Krankenkassen zugute und nur ein Viertel direkt den Bürgern.

Ich glaube, wenn Gesetze so schnell, ohne Begutachtung beschlossen werden, sind Probleme legistischer Natur vorgezeichnet. Einen Teil davon finden wir in dieser Vorlage. Da geht es um Medikamente, inklusive Tiermedikamenten. Da könnte ich als Landwirt durchaus zustimmen, die Frage ist aber auch, ob dies so gewollt war. Die Frage ist, ob die Reduktion bei Tiermedikamenten letztlich auf dem Umweg über den Tierarzt beim Landwirt ankommt.

Herr Kollege Herbert, es wurde darauf hingewiesen, dass diese Materie wieder in den Nationalrat kommen wird, weil einige Reparaturen zu vollziehen sind. Dann können wir uns anschauen, ob Sie auch dann noch einmal dafür eintreten werden, dass in diesem Bereich die Kosten für die Bauern entsprechend reduziert werden.

Wir wissen, dass hier vieles in ein Gesetz eingearbeitet wurde, was so nicht im Sinne des Gesetzgebers gewollt war. Ich glaube, in diesem Fall haben wir als Bundesrat, als Bundesräte die verdammte Pflicht, entsprechend aktiv zu werden. Wir haben die Pflicht, entsprechend entgegenzuwirken. Wir werden von der Öffentlichkeit auch daran gemessen, ob wir hier Einspruch erheben und unsere Möglichkeiten entsprechend nützen.

Letztlich ist das auch eine Frage, wofür der Bundesrat steht, welche Aufgaben er wahr­nimmt und ob er seine Möglichkeit, Gesetze zu beeinspruchen, entsprechend wahr­nimmt. Eine Veränderung auf Nationalratsebene muss herbeigeführt werden, das hat der Herr Staatssekretär schon angeführt. Die Frage ist, ob wir als Bundesrat dazu beitragen oder ob wir aufgrund parteipolitischer Interessen hier wieder durchwinken. Wissentlich Fehler bestehen zu lassen hat etwas mit Fahrlässigkeit zu tun. Ich glaube, es ist eine Frage des Selbstverständnisses und des Selbstbewusstseins als Bundesrat und als Einzelner dieses Hauses, hiezu einen entsprechenden Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

13.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Gumpl­maier. – Bitte.

 


13.14.07

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Werter Herr Präsident! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Während wir hier debattieren, verlieren Millionen Menschen, die auf private Krankenversicherung oder gar auf private Pensionsversicherung angewiesen sind, ihre soziale Absicherung, weil stündlich  (Ruf bei der ÖVP: Nicht in Österreich!) – Nicht in Österreich, weltweit, eben. Ich komme schon auf den Punkt, nur Geduld. – Weil sie in Ländern leben, in denen die Regierung auf eine neoliberale Doktrin gesetzt hat und sie keine staatliche soziale Absicherung haben.

Volkswirtschaften verlieren weltweit enormes Vermögen. Es sind nicht nur einzelne Personen, die es trifft, sondern es ist dies eine globale Wohlstandsvernichtung, die vor allem die ärmeren Menschen am Ende der Kette ausbaden müssen. Das Hundertfache jenes Betrages, um den wir heute sozialpolitisch ringen, wird hier stündlich vernichtet. Wir sollten eigentlich stolz darauf sein, worum wir hier ringen. Wir ringen um die soziale und finanzielle Stabilität unseres sicheren Krankenversicherungssystems. Das ist nämlich die Kernfrage.

Die Hauptfrage, um die es hier geht – mein Vorredner hat es angeschnitten, aber in einer eher zynischen Art und Weise –, ist die der Senkung der Mehrwertsteuer. Lieber Kollege, Sie reden hier von der Krankenversicherung, als wäre das nur so ein


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 76

feindlicher bürokratischer Moloch, dabei geht es hier um die Absicherung im Krank­heitsfall, um die Finanzierung unseres Gesundheitssystems! Wir haben dank der selbstverwaltenden Krankenversicherung eines der besten und sichersten, aber auch billigsten Gesundheitssysteme der Welt. Ich denke, das sollte man sich vergegen­wär­tigen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer. – Bundesrat Preineder: Billig für wen? – Bundesrat Mag. Klug: Na für die Versicherten!) – Für den Bürger, für den Steuerzahler, auch für dich. Vergleichen Sie einmal mit dem amerikanischen System!

Das selbstverwaltende staatliche Krankenversicherungssystem ist der Garant für unser im Vergleich weltweit wirklich gut funktionierendes Gesundheitssystem. Wir sollten uns bemühen, aus den tagespolitischen Differenzen heraus diese Finanzierung des Gesund­heitssystems außer Streit zu stellen.

Nun zur Ausgangslage: Ich möchte in Erinnerung rufen, dass im Frühjahr des heurigen Jahres die Sozialpartner ein Konzept zur Kassensanierung vorgelegt haben. Fälsch­licherweise wurde das als „Gesundheitsreform“ bezeichnet – was es nicht war. Die Bundesregierung hat in einer Regierungsvorlage dieses Konzept übernommen und ist letztlich auch an der Nichteinigung darüber gescheitert.

Damit kommen wir zum Thema Senkung der Umsatzsteuer auf Medikamente. Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungsvorlage zur Kassensanierung ein Finanzie­rungspaket in der Höhe von 1,5 Milliarden € zur Entlastung der Krankenkassen geschnürt. Teil dieses Pakets war die Eins-zu-eins-Abgeltung der nicht abziehbaren Vorsteuer an die Sozialversicherungsträger. Leider wurde diese Vorlage nicht mehr beschlossen, wie erwähnt. Nunmehr soll die Senkung der Umsatzsteuer auf Arznei­mittel den Kassen eine Teilentlastung bringen.

Die Maßnahme bewirkt eine Verbesserung der finanziellen Situation der Kranken­kassen, da diese bisher zirka 130 Millionen € mehr an Mehrwertsteuer bezahlt haben, als ihnen vom Bund refundiert wurden. Die pauschale Refundierung der Mehrwert­steuer bleibt unverändert, wodurch die Krankenversicherungsträger in Zukunft etwa 120 Millionen € mehr refundiert bekommen, als sie an Mehrwertsteuer für Medika­mente bezahlen. Sie werden somit um insgesamt 250 Millionen € pro Jahr entlastet. Die Pauschalrefundierung basiert auf einer Verordnungsermächtigung im Finanz- und Gesundheitsministerium. Es wird in Zukunft darauf zu achten sein, dass diese Refundierung aufrecht bleibt.

Bei dieser Gelegenheit muss einmal mit dem politischen Märchen oder mit der Lüge aufgeräumt werden, dass es gut und schlecht wirtschaftende Kassen gäbe – dement­sprechend falsch fallen die Rezepte aus. Wenn man nämlich genau hinschaut und sachlich bleibt, bemerkt man, dass es demographische, regionale Unterschiede gibt. Tüchtiges Management mit Optimierungsmethoden kann im Promillebereich etwas bewirken. Wenn ich zur Entzauberung dieses Märchens einige Tatsachen beschreibe und die Realität entgegenhalte, dann ist der Rechnungshof eine sehr unverdächtige Instanz, von der ich hoffe, dass Sie sie akzeptieren können.

Der Rechnungshof hat in seinem Bericht vom Februar 2008 in einem Vergleich der Wiener Gebietskrankenkasse mit der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse festgestellt – ich zitiere –: „Die gesetzlichen Regelungen, die zu einer erheblichen Belastung der KV-Träger führten, sollten evaluiert werden.“ – Es sind nämlich die Maßnahmen der Politik der letzten Bundesregierungen, die letztendlich dazu geführt haben, dass die Kassen in ein Defizit geschlittert sind.

Wenn man jetzt ein politisches Geschäft daraus machen möchte, dann ist das eindeutig und leicht durchschaubar.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 77

Insgesamt werden zu den vom Rechnungshof untersuchten Auswirkungen gesetzliche Maßnahmen vorgeschlagen, die für die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse 71,7 Millionen und für die Wiener Gebietskrankenkasse 107,1 Millionen bringen würden.

Ich zitiere die Auswirkungen der gesetzlichen Maßnahmen – ein Beispiel –: Seit 1997 sind die Gebietskrankenkassen nicht mehr vorsteuerabzugsfähig. – Zitatende. Das ist nämlich der Punkt um den es geht, Kollege Perhab.

Die Ausgleichszahlungen vom Bund decken nicht den gesamten Verlust. Das macht für die Wiener Gebietskrankenkasse 19,6 Millionen € im Jahr aus und für die Ober­österreichische Gebietskrankenkasse 8,2 Millionen €.

Mindereinnahmen aufgrund der Neuregelung der Krankenversicherung der Arbeits­losen: Oberösterreich: 29,3 Millionen €; Wien: 41,6 Millionen € an Verlust. Der Wochengeldaufwand wird zu 70 Prozent vom Familienlastenausgleichsfonds ersetzt, der Rest bleibt als Belastung bei den Krankenkassen. Auswirkungen: Oberösterreich: 15,5 Millionen €, Wien: 26,7 Millionen €.

Neuregelung im Spitalsbereich: 10 Millionen und 12 Millionen. Herauslösen der Gruppe der Vertragsbediensteten aus den Gebietskrankenkassen: Oberösterreich: 8 Mil­lionen €; Wien: 7 Millionen €. In Summe: 71,7 Millionen € im Jahr bezogen auf die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und 107 Millionen € bezogen auf die Wiener Gebietskrankenkasse. – Soweit der Bericht des Rechnungshofes. Wobei es aus sozialdemokratischer Sicht höchst unwahrscheinlich ist, dass dieser hier einseitig Gutachten abgegeben haben könnte.

Zusammengefasst heißt das: Ein klügeres, geschickteres, professionelleres Manage­ment könnte einen Sanierungsbeitrag lediglich im Promillebereich liefern – aber auch dieser muss ausgenützt werden, das ist völlig klar. Es muss für die Deckung der vom Gesetzgeber beschlossenen Maßnahmen gesorgt werden. Die Absenkung der Um­satzsteuer ist ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt – mit der Forderung verbunden, dass zur Gänze die Rückerstattung der Mehrwertsteuer folgen muss. Darüber hinaus werden viele Menschen direkt davon betroffen sein, nämlich die, die auf Heilbehelfe und rezeptfreie Medikamente angewiesen sind. Vor allem ältere Menschen und Familien, die sozial schwachen Gruppen, werden darüber hinaus entlastet.

Alles, was hier diskutiert wurde, sind eigentlich Nebenfragen. Die Kernfrage ist soziale Entlastung, die finanzielle Entlastung der sozial schwachen Gruppen, der Familien und der Gebietskrankenkassen. Alles in allem viele wichtige und gute Gründe, um die Maßnahme, nämlich die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente, als kluge und richtige Maßnahme zu begrüßen und sich darüber zu freuen. Ich bitte um Beschlussfassung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.24.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Nochmals für das Protokoll: Kerschbaum, Grüne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich musste jetzt, nach deinen Aus­führungen, Kollege Preineder, noch einmal herauskommen, weil es mir zutiefst zuwider wäre, wenn unsere Ablehnung dieser Vorlage jetzt mit dem, was du gesagt hast, in diesem Punkt übereinstimmen würde. Es hat sich nämlich so angehört, als würdest du meinen, man müsste jetzt die Krankenkassen zuerst ein bisschen „kranksparen“ und


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 78

ein bisschen austrocknen lassen, damit man dann eine Reform zusammenbekommt. – Das ist nicht Sichtweise der Grünen, das wollte ich nur richtigstellen.

Ich bin auch nach wie vor nicht der Meinung – davon konntet ihr mich nicht über­zeugen –, dass diese Mehrwertsteuersenkung eine übermäßig sinnvolle Maßnahme sei. Meiner Meinung nach gehört eine Gesundheitsreform gemacht, die sehr viel mehr umfassen muss. Diese Mehrwertsteuersenkung wäre vielleicht eine Geldspritze. Dann verstehe ich aber auch nicht, warum im Antrag steht, das sei EU-Richtlinie oder das sei deshalb, weil wir EU-konform sein wollen. Ich verstehe auch nicht, warum zuerst darüber geredet wird, dass Teuerung abgefedert werden soll – und dann geht es um die Rettung der Krankenkassen oder zumindest um eine Geldspritze für die Krankenkassen. Das ist eine andere Geschichte. – Das ist meiner Meinung nach auch nicht das Gelbe vom Ei.

Wir werden trotzdem nicht zustimmen. Aber ich will auch nicht unbedingt dieser Seite recht geben, die meint, man müsse die Krankenkassen zuerst aushungern, bevor sie sich „zusammenstreiten“ oder irgendwie reformiert werden. (Beifall der Bundesräte Dönmez, Schennach und Konecny.)

13.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kalina. – Bitte.

 


13.26.28

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich jetzt zu Wort gemeldet, weil ich heute von vielen Kollegen aus der ÖVP etwas höre, das man in den letzten Wochen auch immer wieder in der Zeitung liest. Ich glaube, dem muss man entgegentreten, weil sonst ein argumentativer Schiefstand zu entstehen droht.

Das Erste, das hier ununterbrochen argumentiert wird – und das man noch nachsehen kann, weil es schon vor der Wahl war –, ist, die Ergebnisse der letzten National­ratssitzung, die heute enderledigt werden, als Wahlzuckerln abzutun.

Jetzt geht die Argumentation der ÖVP aber noch weiter: Jetzt lesen wir in den Zeitun­gen – auch heute wieder –, die Steuerreform sei gefährdet. Manche haben sogar gesagt – ich glaube, Kollege Perhab hat es gesagt –, die Steuerreform würde dadurch unmöglich. (Bundesrat Perhab: Das stimmt ja auch!) – Dazu kommen wir noch. Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet. – Irgendwie wird sogar ein bisschen in Richtung des Staatsbankrotts argumentiert hinsichtlich dessen, was da jetzt los ist. Schuld sind natürlich die SPÖ, die Grünen, die Blauen, die Orangen. Sie sind alle schuld. Es gibt aber einen Sparmeister in dieser Republik, und das ist die ÖVP. – Das sagt Kollege Perhab.

Jetzt möchte ich zwei Dinge tun. Das Erste: Ich habe mir als einzige Unterlage unsere heutige Tagesordnung hergenommen. Ich möchte Ihnen sagen, welche Dinge wir heute hier beschließen, die Sie ununterbrochen als Unsinn, Geldverschwendung und so weiter abtun.

Als ersten Tagesordnungspunkt haben wir beschlossen: Pflege. Als zweiten bis fünften haben wir beschlossen: die Pensionserhöhung und die sogenannte Hacklerregelung. (Bundesrat Edgar Mayer: Einstimmig!) – Dazu kommen wir noch. Achtung, nicht schneller sein, als ich es bin! (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Zum Rechnen kommen wir noch. Das ist ernst.

6. Tagesordnungspunkt: Familienbeihilfe erhöhen. Jetzt sind wir dabei, Mehrwertsteuer zu senken – ein wesentlicher Beitrag zur Sanierung unseres Gesundheitssystems. Danach geht es um die Besserstellung, gerechte Stellung bei den Nächtigungsgeldern,


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 79

und danach geht es um die Abschaffung der Studiengebühren. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kollege Perhab – und das ist ja jene Argumentation seitens der ÖVP, die jetzt die ganze Zeit in den Medien herumgeistert, und auch heute hier wieder – hat uns ein imaginäres 3,2-Milliarden-Paket hier in die Luft gestellt. Jetzt können wir gemeinsam rechnen. (Bundesrat Herbert: 3,35!) – Okay, 3,35, dann wird es noch mehr. Dann sind wir näher bei den 90 Prozent. (Bundesrat Konecny: 3,35 – amtlich festgestellt!) 3,35 nehmen wir hiermit sozusagen, Euer Ehren, zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten! (Der Redner klopft dreimal auf das Rednerpult.)

Jetzt gehen wir das durch: Erster Tagesordnungspunkt, Pflege: Einstimmig, oder? ÖVP geht mit, wunderbar.

Zweiter bis fünfter Tagesordnungspunkt, Hacklerregelung: Bis 2013 seid ihr auf jeden Fall mitgegangen. Da sind die Kosten nicht anders als in dem Antrag, den hier die Mehrheit im Haus mit Blau, Orange, Grün und Rot beschließt. Da seid ihr also auch dabei, zumindest bis 2013.

Nächster Tagesordnungspunkt, Familienbeihilfe: Auch da seid ihr dabei, ihr habt ihn sogar mit beantragt.

Nächster Tagesordnungspunkt: Okay, da seid ihr dagegen, weil die Krankenkassen ja kein Geld brauchen, das wissen wir. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber im Kdolsky-Paket, das vorher von der Frau Ministerin vorgelegt wurde – die uns vorher schon beehrt hat –, war sogar die volle Refundierung der Mehrwertsteuer enthalten, das möchte ich in Erinnerung rufen. Aber – seien wir fair – da geht ihr nicht mit. Kostenpunkt dieses Pakets: 300 Millionen €. So viel habe ich auf meiner Rechnung. Wie viel haben Sie? (Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.) Gut, es sind 300 Millionen, wir nehmen es zur Kenntnis. Es sind 300 Millionen €, und die ÖVP geht nicht mit.

Nächster Tagesordnungspunkt, Nächtigungsgelder, 226 Millionen €: Da werdet ihr wie­der mitgehen – aller Voraussicht nach, wenn die Abstimmung dieses Mal richtig über die Bühne geht.

Übernächster Punkt, Punkt 9, Studiengebühren abschaffen: Da werdet ihr nicht mit­gehen. Kosten nach meiner Rechnung: 150 Millionen.

Also, wir nehmen zur Kenntnis: 3,35 Milliarden stehen in der Luft. 3,2 hätte ich gesagt, und er (der Redner deutet in Richtung des Bundesrates Herbert) hat 3,35 gesagt. Haben wir das jetzt? Genau.

Davon geht die ÖVP – die Staatsretter- und Sparmeisterpartei – bei 450 Millionen € nicht mit, hingegen bei 2,8 Milliarden €  – Jetzt noch einmal, damit im Protokoll kein Rechenfehler steht: 3,35 Milliarden € Gesamtpaket, daher Übereinstimmung zwischen Kollegen Perhab, mir und den Fraktionen. Davon trägt die ÖVP 450 Millionen € nicht mit. Damit bleiben 2,8 Milliarden € über.

Ich möchte jetzt Folgendes zu Protokoll geben und auch den Leuten draußen sagen: Was bleibt daher über von dieser Argumentation? – Da möchte ich an Sie appellieren: Der Wahlkampf ist vorbei! Sie machen teilweise Maßnahmen im Bereich der Pflege, Pensionserhöhung, Hacklerregelung und Familienbeihilfe schlecht und bezeichnen das als Wahlzuckerln oder als Geldverschwendung; Sie sprechen vom Staatsbankrott. Sie verunsichern die Leute, indem Sie sagen, die Steuersenkung, die wir gemeinsam planen und hoffentlich für den Mittelstand bald machen, wird unmöglich. Dabei tragen Sie selber über 90 Prozent dieser Kosten mit – und sagen, alle anderen Fraktionen würden da Geld verschwenden. Das ist eine unsaubere Argumentation, von der ich Sie bitte, künftig Abstand zu nehmen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

13.32



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 80

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

 


13.32.32

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde keine staatstragende Rede halten, ich werde auch nicht Schuldzuweisungen machen, sondern ich meine nur – und jetzt spreche ich als Bürgermeister –: Umsatzsteuer ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Berechnung der Ertragsanteile, die bekanntlich die Gemeinden und die Länder vom Bund zugewiesen bekommen. Jede Änderung der bisher im Finanzausgleich paktier­ten Vereinbarungen wurde vorher, vor Beschlussfassung im Nationalrat, mit den Vertragspartnern des Finanzausgleichs ausgehandelt.

Ich halte fest: Es trifft beim Tagesordnungspunkt 7 sowohl die Länder als auch die Gemeinden ein Einnahmenverlust, der nicht unbeträchtlich ist; denn zirka 100 Mil­lionen € sind schließlich kein „Lercherl“. Ich weiß, es gibt verschiedene Berech­nungsarten, auch im Finanzministerium: die eine, die vom Finanzminister kommt, und die andere, die vom Finanzstaatssekretär kommt. Sie sind nicht gleich, aber dennoch, wenn wir uns irgendwo in der Mitte einigen, sind es immerhin noch 100 Millionen €, die den Ländern und den Gemeinden vorenthalten werden.

Das alleine ist für mich ein Grund, dem die Zustimmung zu verweigern. Wenn es eine Zurückstellung gäbe, dass mit den Ländern und Gemeinden verhandelt wird, dann hätte ich nichts dagegen. Da es dies aber nicht gibt, ist es für mich als Mandatar, der auch Bürgermeister einer Gemeinde ist und weiß, wie schwierig es bei Finanz­verhandlungen normalerweise zugeht, nicht möglich, dem zuzustimmen. Da werden den Ländern und den Gemeinden mit einem Schlag zirka 100 Millionen € vorenthalten. Ich bin kein Zähler, aber 100 Millionen sind nach meinem Dafürhalten kein „Lercherl“.

Ich würde daher eindringlich bitten – auch jene, die wie Siegi Kampl bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den Finanzausgleich hinweisen, und darauf, dass die Gemeinden benachteiligt sind –, sich genau zu überlegen, ob dem zugestimmt werden kann; denn es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite immer jammern und dann mit einem Federstrich den Ländern und Gemeinden100 Millionen € vorenthalten. (Beifall bei der ÖVP.)

13.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Sind weitere Wortmeldungen gewünscht? – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.35.58

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident, ich möchte nur klarstellen: Es wäre eine wirklich unangenehme Situ­ation, wenn zwischen Bund, Ländern und Gemeinden als Finanzausgleichspartnern darüber keine Gespräche geführt würden. Es ist formal richtig, dass, wenn es keine Regierungsvorlage, sondern ein Initiativantrag im Parlament ist, es nicht erforderlich wäre, dass die Aussprache stattfindet. Allerdings haben wir selbstverständlich – und zwar sehr kurzfristig – auf ein Schreiben des Präsidenten der Landeshaupt­leutekon­ferenz, des Herrn Landeshauptmannes Sausgruber reagiert und ganz formell diese Aussprache mit allen Finanzausgleichspartnern – auch mit dem Vorsitzenden des Gemeindebundes und mit der stellvertretenden Vorsitzenden des Städtebundes – durchgeführt.

Ich möchte auch nicht verschweigen, meine Damen und Herren, dass wir an dieser Stelle nicht nur über diese Maßnahmen, sondern auch über die nicht beschlossene Senkung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel gesprochen haben. Ich durfte in der


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 81

Besprechung daran erinnern, dass wir bei Abschluss des Finanzausgleiches – es wurde auch von der Vertragsseite seitens der Länder und Gemeinden richtig in der Erinnerung zugestimmt – von einer Steuerreform mit einem Volumen zwischen 3 und 4 Milliarden € ausgegangen sind, meine Damen und Herren; daher: das Mehr an Mitteln, die es für Länder und Gemeinden gibt – insbesondere für kleine und ertrags­schwache Gemeinden –, wurde bewusst schon in der Höhe über die Laufzeit von sechs Jahren angesetzt und in einem Berechnungstableau berücksichtigt, wissend, dass es im Zuge der Reduktion von Steuern zu einem Abfall am Bruttoanteil kommt.

Ich will das bewusst an dieser Stelle sagen und nicht stehen lassen, dass der Bund an dieser Stelle unverantwortlich und einseitig zu Lasten der nachgeordneten Gebiets­körperschaften Vereinbarungen schließen würde oder zulassen würde, dass es dort zu ernsthaften Einschränkungen kommt: 3 bis 4 Milliarden, und es wird Aufgabe des Gesetzgebers auch bei der noch durchzuführenden Lohn- und Einkommensteuer­reform für den Mittelstand sein, dass dieser Gesamtrahmen nicht überschritten wird. Solange wir das nicht tun, sind wir ordentliche Finanzausgleichspartner, da wir unter den Rahmenbedingungen verhandelt haben, es klar vereinbart haben, dort mehr gegeben haben, wo es natürlich aufgrund der Aufgaben mehr Ausgaben gibt, aber versucht haben, es zu halten.

Geht die Konjunktur hinunter, dann leiden alle gleichzeitig mit. Wir haben einen ein­heitlichen Schlüssel über alle Abgaben. Haben wir weniger Steuereinnahmen über die Steuerreform hinaus, dann trifft das alle gleichermaßen. Das möchte ich an dieser Stelle sagen. Ich wünsche mir auch, dass Sie dieses faire Verhältnis zwischen den Finanzausgleichspartnern auch über die gesamte Laufzeit durchführen, damit weniger Politik machen und eher schauen, dass wir unsere Vereinbarungen einhalten. Wie gesagt: Das wurde berücksichtigt. Es ist kein Anschlag, der hier stattfindet, der sozusagen entgegen den Vereinbarungen erfolgen würde. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

13.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich frage noch einmal, ob Wortmeldungen vorliegen. – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Es liegt mir hiezu ein Antrag der Bundesräte Himmer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beige­gebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Ich komme somit zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Schimböck, Kolle­ginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 82

13.40.148. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (915/A sowie 8016/BR d.B. und 8020/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. – Ich bitte um den Bericht.

 


13.40.30

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird. (Präsident Weiss übernimmt wieder den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.41.16

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Fürs Protokoll: Kerschbaum, die Grünen, Niederösterreich. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Unruhe im Saal.)

 


Präsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, der Rednerin Auf­merksamkeit zu schenken!

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (fortsetzend): Wir haben schon 2007 dieser Reisekosten-Novelle nicht zugestimmt. Durch diese Änderung, die jetzt vorliegt, wird die Reisekosten-Novelle unserer Meinung nach verfassungsrechtlich auch nicht weniger bedenklich.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes bezüglich der Reisekosten waren dahin gehend, dass das Gesetz auf andere Lohn gestaltende Vorschriften wie Betriebs­vereinbarungen oder Kollektivverträge Bezug genommen hat und dieser Bezug eine Ungleichbehandlung darstellt, was an und für sich meiner Meinung nach eine nachvollziehbare Bewertung des Verfassungsgerichtshofes ist. Der Verfassungs­gerichtshof wollte deshalb, dass die Reisekosten einheitlich im Gesetz geregelt werden.

Wie gesagt: Durch die Novelle, die jetzt vorliegt, passiert das wieder nicht. Und deshalb gibt es für uns keinen Grund, dieser Änderung zuzustimmen, noch dazu, wo die Befristung bis 2009, die beim Beschluss im Vorjahr noch enthalten war, durch die jetzige Änderung wegfällt. Das heißt, es fällt möglicherweise auch der Wille weg, einmal eine endgültige und vernünftige Lösung für alle Sparten zu finden, anstatt regelmäßig an diesem Gesetz herumzuzimmern.

Wir fänden es nicht richtig, wenn man einen verfassungsrechtlich bedenklichen Gesetzestext hier im Bundesrat beschließt. Wir sind dafür nicht zu haben, und es würde mich freuen, wenn andere das auch so sehen. Immerhin ist es ja so, dass, wenn es dann doch wieder zu einer Aufhebung dieses Gesetzes käme, nicht nur die Gerichte


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 83

damit beschäftigt wären und eine finanzielle Belastung des Bundes erfolgen würde, sondern es würde die Belastung auch in erster Linie zulasten der betroffenen Arbeit­nehmerInnen gehen. Und das wollen wir schon gar nicht. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

13.43


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


13.43.46

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die heutige Sitzung des Bundesrates steht sozusagen unter zwei Leitmotiven: auf der einen Seite unter dem Leitmotiv der Nationalratssitzung vom 24. und 25. September 2008 und zum Zweiten unter dem Leitmotiv einer weltweiten Finanzkrise.

Wir haben über diese schwere Krise, über den Heuschrecken-Kapitalismus – der selbstverständlich nicht der des Gewerbetreibenden ist – gesprochen. Wir haben das alle in dem Wissen getan, dass es im Kreise der Bundesregierung heute eine Vor­bereitung geben wird, um die Einlagensicherung bei den österreichischen Kredit­instituten über die vorläufig bestehende Grenze von 20 000 € – rückwirkend, wie ich hinzufügen darf, ab 1. Oktober 2008 – in unbegrenzter Höhe auszudehnen.

Ich bin – und ich sage das ganz ehrlich – ein bisschen stolz auf den Bundesrat, dass ich hier einen Entschließungsantrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Schennach, Mitterer und Mühlwerth einbringen darf, weil das über alle Polemiken, die wir uns auch heute gegenseitig geliefert haben, hinaus unterstreicht, dass wir in einer so zentralen Frage wie einerseits der Stabilisierung der österreichischen Bankenstruktur, aber ins­besondere der Sicherung der Einlagen der Sparer einig sind.

Ich füge in Klammern hinzu, dass ich den auf der Tagesordnung stehenden Gegen­stand nicht gering schätze, es aber trotzdem für richtig gehalten habe, in dieser ersten Wortmeldung meiner Fraktion diesen Entschließungsantrag, der von allen Fraktionen und Gruppen – oder wie immer ich das sagen soll – dieses Hauses mitgetragen wird, einzubringen. Ich füge keinen weiteren persönlichen Kommentar hinzu, aber ich muss naturgemäß den Entschließungsantrag auch formgerecht einbringen. Also:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Albrecht K. Konecny, Ludwig Bieringer, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Monika Mühlwerth, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherung des Ver­trauens der Sparer in die österreichischen Banken, eingebracht im Zuge der Debatte im Bundesrat am 8. Oktober 2008 zu TOP 8) 915/A sowie 8016/BR d.B. und 8020/BR d.B. zum Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (915/A sowie 8016/BR d.B. und 8020/BR d.B.)

Mit dem gegenständlichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates werden Änderungen im Einkommensteuergesetz vorgenommen. Die Finanz- und Steuerpolitik ist eine zentrale Frage für unsere Bürgerinnen und Bürger. So ist die Sparquote in Österreich überdurchschnittlich hoch. Dies dokumentiert, dass das Vertrauen der Österreicher in unser Bankensystem beträchtlich ist. Dieses Vertrauen soll auch in Zukunft gewähr­leistet bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 84

Allerdings haben sich die Wirtschaftsaussichten global in Europa und in Österreich stark verschlechtert. Ausgehend von den „Sub-Prime“-Turbulenzen in den USA ab dem Sommer 2007 macht sich die von den Wirtschaftsforschern und den internationalen Organisationen vorhergesagte Eintrübung der Wirtschaftslage nunmehr auch in Öster­reich bemerkbar.

Verstärkt wurden diese Tendenzen durch die aktuellen Entwicklungen in den USA. Das US-Finanzsystem wurde in den letzten Wochen von massiven Turbulenzen erschüttert. Anfang September 2008 kam es zur Verstaatlichung von Fannie Mae und Freddie Mac, um eine Insolvenz der beiden größten Hypothekenfinanzierer mit unabsehbaren Auswirkungen für die Gesamtwirtschaft abzuwenden.

Mit der Mitte September 2008 erfolgten Insolvenz von Lehman Brothers hat sich die globale Situation weiter verschärft: Merrill Lynch wurde durch die Bank of America über­nommen, und der größte amerikanische Versicherungskonzern American Inter­national Group (AIG) wurde um 85 Milliarden US-Dollar verstaatlicht. Die viertgrößte US-Bank Wachovia war in den USA ebenso in Turbulenzen geraten und musste einen großen Teil ihres Geschäftes an die Citigroup verkaufen.

Die amerikanische Regierung hatte zuvor ein 700 Milliarden-US-Dollar-Paket zur Ret­tung der krisengeschüttelten Banken beschlossen, um den Banken und Versicherun­gen problematische Kredite und Wertpapiere abzukaufen und somit weitere Turbulen­zen auf den Finanzmärkten zu verhindern.

Auch Europa bleibt nicht von der Finanzkrise verschont. In Großbritannien übernimmt die Bank Lloyds TSB den Baufinanzierer Halifax Bank of Scotland (HBOS) für 15 Mil­liarden €; Bradford and Bingley, ein Unternehmen, das stark in der Hypothekar­finan­zierung engagiert ist, wird zerschlagen, die unveräußerbaren Teile verstaatlicht. In Kontinentaleuropa haben zuletzt die Schieflagen der belgisch-niederländischen-luxem­burgischen FORTIS-Gruppe, der belgisch-französischen DEXIA und auch der Hypo Real Estate AG in München für Schlagzeilen gesorgt. Letztere konnte nur durch eine rasche, konzertierte Hilfe der Bundesrepublik Deutschland und der Kommerz­banken, verbunden mit einer hohen Staatsgarantie, abgesichert werden. Darüber hinaus sind einige Staaten dazu übergegangen, Garantiezusagen für die Absicherung aller Bank­einlagen abzugeben. Hervorzuheben sind wegen der besondern Relevanz für den österreichischen Markt Deutschland, aber auch Irland. Andere Länder haben wiederum nationale Sanierungskonzepte vorgeschlagen oder sind dabei, diese umzusetzen, wie beispielsweise die Niederlande oder Dänemark.

Besondere Verunsicherung ist durch die Finanzkrise bei den Sparern eingetreten. Dem muss seitens der Bundesregierung entgegengetreten werden. Weiters muss alles unternommen werden, um Standortnachteile gegenüber anderen Staaten zu ver­meiden. Aus all diesen Erwägungen stellen die nachstehenden unterzeichneten Bun­desräte und Bundesrätinnen folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, alle Maßnahmen zu ergreifen, dass die Einlagen von natürlichern Personen bei österreichischen Banken mit Wirkung vom 1. Oktober 2008 in voller Höhe abgesichert werden.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 85

Dies kommt den Sparern zu Gute, sichert Vertrauen in die österreichischen Banken und vermeidet Standortnachteile gegenüber anderen Staaten, insbesondere gegen­über Deutschland.

*****

Angesichts der Unterzeichnervielfalt unter diesem Entschließungsantrag kann ich mir den üblichen Appell, dass alle Mitglieder dieses Hauses diesem Antrag zustimmen mögen, sparen. Ich halte es aber für richtig und notwendig, dass wir diesen gemein­samen Beschluss fassen und damit klar demonstrieren, dass wir bei allen Auffassungs­unterschieden in so zentralen Fragen der Verteidigung des Finanzstandortes Öster­reich und der Einlagen unserer Sparer einer Meinung sind. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

13.51


Präsident Jürgen Weiss: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist genü­gend unterstützt und steht in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte.

 


13.51.51

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über den gemeinsamen Entschließungsantrag.

Ich rede jetzt zum Einkommensteuergesetz. Die Nationalratssitzung vom 24. Septem­ber haben wir ja heute schon sehr oft kommentiert. Bei der Fülle an Initiativ-, Ent­schließungs- und Abänderungsanträgen konnte man ja kaum glauben, dass hier auch nachhaltig gute Entscheidungen getroffen werden.

Eine dieser guten Entscheidungen ist die Änderung des Einkommensteuergesetzes in drei Punkten, die alle ab dem 1. Jänner 2009 gelten. Die Änderung stellt zunächst einmal sicher, dass Nächtigungsgelder aus Anlass von Dienstreisen, die vom Arbeit­geber nach dem Kollektivvertrag zu zahlen sind, ohne zeitliche Befristung steuerfrei sind.

Bisher war das ja bei den pauschalen Nächtigungsgeldern umstritten. Die Regelung sagt: Ohne Nachweis der Höhe der Nächtigungskosten sind bei den Inlandsdienst­reisen 15 € als pauschale Abgeltung für den Nächtigungsaufwand einschließlich Frühstück steuerfrei. Werden die konkreten Nächtigungskosten sowie die Kosten des Frühstücks nachgewiesen, so können diese vom Arbeitgeber in voller Höhe steuerfrei ersetzt werden.

Bisher wurde allerdings diese Regelung so gehandhabt, dass bei einer länger dauern­den Dienstreise, also zum Beispiel bei Großbaustellen, ab Beginn des siebenten Monats die pauschalen Nächtigungsgelder zur Gänze abgabenpflichtig werden.

Diese unterschiedliche Behandlung der tatsächlichen und der pauschalen Nächti­gungskosten ist vollkommen ungerechtfertigt. Da diese zeitliche Abgrenzung überhaupt nichts mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu tun hat, haben wir von der Wirtschaft uns immer gegen diese Ansicht ausgesprochen. Die neue Regelung wird von uns daher uneingeschränkt begrüßt.

Das gilt genauso bei der Änderung bei den Fahrtkosten. Die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienstort sind pauschal durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten, bei größeren Entfernungen durch die Pendlerpauschale.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 86

Fährt ein Mitarbeiter allerdings von zu Hause nicht zu seinem Dienstort, sondern auf eine Baustelle, liegt eine Dienstreise vor, für die der Arbeitgeber steuerfreie Kilometer­gelder bezahlen darf. Bis Ende 2009 spielt es keine Rolle, wie lange die Baustelle dauert. Ab 2010 müsste der Arbeitgeber die Fahrtkostenvergütung für die Fahrten zur Baustelle ab dem zweiten Monat versteuern.

Diese Befristung wird mit der gegenständlichen Novelle aufgehoben, sodass sicher­gestellt ist, dass auch ab 1. Jänner 2010 die kollektivvertraglichen Fahrtkostenver­gütungen für Bauarbeiter, Service- und Montagepersonal weiterhin steuerfrei aus­bezahlt werden können. Auch das ist zu guter Letzt eine langjährige Forderung sowohl von den Arbeitnehmern als auch von der Arbeitgeberseite.

Wir brauchen uns nichts vorzumachen, es ist eine Tatsache, dass viele Menschen weit mehr als fünf Überstunden pro Monat machen. Die Ursachen sind sehr unterschiedlich. Sicherlich ist es wünschenswert, dass sich die Anzahl der Überstunden in Grenzen hält. Es ist uns aber allen bewusst, dass die Grenze der Belastbarkeit auch bei zehn Überstunden, also im Schnitt bei zweieinhalb Überstunden pro Woche, nicht über­schritten ist.

Umso erfreulicher ist es sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmerseite, dass mit dieser Regelung die Grenze von fünf auf zehn Stunden pro Monat angehoben wird. Das ist einer der notwendigen Ansätze, dass Leistung auch vom Staat anerkannt wird.

Aus all diesen Gründen bitte ich Sie um Zustimmung zu dieser Novelle zum Ein­kommensteuergesetz. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.56


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


13.56.16

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Eingangs möchte ich betonen, dass es mich gefreut hat, dass ich von Herrn Professor Konecny eingeladen wurde, den Entschließungsantrag mitzutragen. Umso mehr Bedeutung hat er, weil ja alle fünf Parlamentsparteien, die es im Nationalrat gibt, jetzt auch im Bundesrat diesen Entschließungsantrag mittragen. Ich hoffe, dass er auch in den Medien entsprechend dargestellt wird.

Was die Änderung des Einkommensteuergesetzes anlangt, hat Frau Präsidentin Zwazl sehr ausführlich die Details erläutert. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, dass ich sage, dass diese Änderung des Steuergesetzes BZÖ-Handschrift trägt und von diesem mit ausgehandelt wurde. Es ist eine lange Forderung von uns gewesen, dass nun diese Berufsgruppe, die erschwerte Bedingungen wie zum Beispiel die Familienfeindlichkeit zu tragen hat, mit eingeschlossen ist und dass es nun für Men­schen jener Berufe, in denen auswärts gearbeitet werden muss, eine Rechtssicherheit gibt, die bisher nicht gegeben war, dass die steuerfreie Auszahlung von Reisediäten erfolgen kann.

Was die Überstundenzuschläge anlangt, ist zu sagen, dass es viele Menschen gibt, die gar keine Überstunden machen wollen, aber gezwungen sind, solche zu machen. Ich denke dabei an meinen gelernten Beruf als Tourismusbetreiber. Die Grenze wird jetzt von fünf auf zehn Stunden angehoben. Ich glaube, dass davon viele Berufe betroffen sein werden.

Zumal ja die Lohnsteuerreform, die längst fällige, noch immer nicht da ist und es in dem Bereich immer noch zu einer „kalten Progression“ kommt, ist das eine kleine


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 87

Erleichterung vor allem für jene, die nach wie vor Überstunden in einem geringen Maß machen müssen.

Ich freue mich, dass bei dieser Gesetzesänderung zumindest vier von fünf Parlaments­fraktionen zustimmen werden. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

13.58


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


13.58.38

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in Anbetracht dessen, was Kollegin Zwazl bereits ausgeführt hat, darauf beschränken zu sagen, dass bisher in den Kollektivverträgen festgelegte Beträge, die steuerfrei waren, nicht sozialversicherungspflichtig waren und vom Verfassungs­gerichtshof entsprechend beeinsprucht wurden und dass die vorliegende Neuregelung die Nächtigungsgelder im Gesetz explizit anführt und diese dann weiter steuerfrei ausbezahlt werden können. Weiters wird die befristete Steuerfreiheit für Fahrten zu Baustellen, zu Montagetätigkeiten generell im Gesetz verankert.

Ich möchte dazu noch eines sagen: Die Wirtschaft, vor allem kleinere und mittlere Betriebe sind heutzutage nur mehr wettbewerbsfähig, wenn sie flexibel sind, wenn sie reagieren können. Es geht nicht darum, dass aus Jux und Tollerei die Betriebsstätten flexibel sind und man vielfach weitere Strecken zurücklegen muss. Ich denke, wenn gerade bei kleineren und mittleren Betrieben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmungen an einem Strick ziehen, dann passiert das ganz einfach, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das ist daher, wie ich meine, von allen Fraktionen weitestgehend zu begrüßen. Eine Fraktion war da etwas anderer Meinung, aber ich denke, wir sollten dem im Sinne unserer kleinen und mittleren Betriebe zustimmen.

Ich möchte aber noch ein paar Worte zu dem sagen, was Kollege Konecny vor­gebracht hat. Ich finde es auch sehr erfreulich, dass sich alle Fraktionen dieser Einlagensicherung anschließen, denn ich möchte gerade aus der Sicht der kleinen und mittleren Unternehmungen sagen: Wir alle wissen, dass unsere Wirtschaft vorwiegend von Klein- und Kleinstbetrieben getragen wird, und diese Unternehmungen sind weitestgehend von einer Bankenfinanzierung abhängig. Daher ist es, wie ich meine, besonders wichtig, dass Österreich eine solide Bank- und Finanzwirtschaft hat.

Ich weiß schon, wir leben nicht unter einem Glassturz, aber es ist wichtig, dass Österreich etwas tut, um ein sicheres Fundament für Klein- und Kleinstunternehmen zu bieten, die in der Regel alle bankenfinanziert sind. Wir wissen genau – es sind ja etliche Touristiker im Saal –, wie es mit der Eigenkapitaldecke ausschaut, gerade in bestimmten Wirtschaftszweigen, im Dienstleistungssektor. Und da ist eine solide Finanz- und Bankwirtschaft wirklich die ganz wichtige Grundlage.

Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass dieser Antrag von allen mit­gezeichnet wurde. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

14.01


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


14.01.31

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon auf das eine oder andere Argument und auf die eine oder andere Ursache hingewiesen worden,


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 88

warum wir diesen Entschließungsantrag heute in diesem Hause verhandeln und auch beschließen. Die Ursachen, warum es dazu gekommen ist, sind meiner Meinung nach vielschichtig.

Wenn vor 100 Jahren in der reinen Agrargesellschaft ein Bauer, ein Landwirt einen Fehler gemacht hat, dann hat das ausschließlich Konsequenzen für seinen eigenen Hof und für sein eigenes Haus gehabt. Wenn heute ein Manager eines weltumspan­nenden Konzerns – und das Bankenwesen ist ja weitgehend internationalisiert – einen „Fehler“ – unter Anführungszeichen – macht, dann hat das weltweite Folgen und globale Auswirkungen. „Fehler“ ist hier zu gelinde gesagt. Es handelt sich nicht um den Fehler eines Systems – hier ausschließlich der staatliche Sektor, dort ausschließlich der private Sektor, der eine ist der Gute, der andere der Böse –, sondern es handelt sich hier um Lug und Trug und um Verbrechen. Und diese Verbrechen sind sowohl in einem staatlichen System möglich als auch in einem privaten System, weil es sich um menschliche Probleme handelt.

Wenn jemand bewusst Bilanzen fälscht, wenn jemand bewusst faule Kredite in ein anderes Paket umwandelt und anderen Banken auf einem anderen Kontinent verkauft, dann ist das kein Fehler – oder nicht nur ein Fehler –, sondern Betrug und ein Verbrechen. Unter diesen Problemen leiden wir, und unter diesen Prämissen haben wir unsere staatspolitische Verantwortung wahrzunehmen.

Unsere Bundesregierung ist dabei, wie ich meine, mit gutem Beispiel vorangegangen, wobei man sagen muss, dass wir in Europa lediglich von den Ausläufern dieses Vulkanausbruchs in den Vereinigten Staaten betroffen sind. Wir bekommen hier sozu­sagen nicht die unmittelbaren Eruptionen zu spüren, sondern uns treffen nur noch die ausrollenden Steine. – Ich hoffe, es bleibt dabei.

Anders geht es bereits Ländern, die nicht der Europäischen Union angehören, wie zum Beispiel Island, das wegen der Unfinanzierbarkeit der Risken, die sich in Island befin­den, den Staatsnotstand ausgerufen hat. Das soll uns nur auf die Dramatik und auf den Ernst der Situation, vor der wir stehen, aufmerksam machen.

Wenn der Kreislauf des Geldes nicht mehr funktioniert – Kollege Schimböck hat dieses Thema bereits am Beispiel der Klein- und Mittelbetriebe gestreift –, dann können Inves­titionen nicht mehr getätigt werden, dann ist kein Geld mehr da für Auftragserledigun­gen, denn die Einnahmen kommen bei vielen Betrieben ja immer erst einige Wochen oder Monate später, vor allem, wenn die Eigenkapitaldecke gering ist, was ja bei sehr vielen Betrieben der Fall ist.

Wenn es uns also nicht gelingt, den Kreislauf des Geldes in Gang zu halten und das Vertrauen in die Banken, in unser Kreditsystem, in unser Geldmarktsystem wiederher­zustellen, dann könnte diese Entwicklung ein schlechtes Ende nehmen, wobei nicht vergessen werden darf, dass auch dieses Netz des Staates Grenzen hat. (Bundesrat Gruber: Das glaub’ ich!) Wir stehen vor der Situation einer nicht unerheblichen Staatsverschuldung, und wer glaubt, dass der Staat eine Kuh ist, die auf der Erde gemolken und oben gefüttert wird, der irrt und glaubt an das falsche Rezept.

Ich denke, wir sollten uns auch vor Augen führen, dass unsere Möglichkeiten be­schränkt sind und dass die Haftungen und die Haftungsübernahmen in Anbetracht unserer staatlichen Verschuldungssituation ebenfalls nicht unbeschränkt sind.

Trotzdem möchte ich zuversichtlich schließen und betonen, dass unsere Regierung heute das Richtige beschlossen hat: eine Erhöhung der Haftungen auf mindestens 100 000 € pro Sparer und Bankinstitut. Darüber hinaus werden wir, glaube ich, keine besonderen Garantien brauchen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 89

In diesem Sinne geben wir diesem gemeinsamen Entschließungsantrag auch gerne unsere Zustimmung – in der Hoffnung, dass möglichst wenig Haftungsübernahmen wirklich schlagend werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

14.08


Präsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Matznetter das Wort. – Bitte.

 


14.08.03

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter: Herr Präsident! An erster Stelle möchte ich den Entschließungsantrag aller Fraktionen begrüßen. Wir haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Es wurde von meinen Vor­rednern und Vorrednerinnen bereits angesprochen, dass wir weltweit vor einer Finanzmarktkrise stehen, wie wir sie in diesem Ausmaß in den letzten Jahrzehnten – die meisten zu ihren Lebzeiten – nicht erlebt haben.

Es ist, denke ich, unbestritten, dass Folgendes dafür jedenfalls nicht die Ursache ist: Es haben weder die österreichischen Banken noch österreichische Firmen oder österreichische Anleger von sich aus durch ihr Verhalten in irgendeiner Form Anlass dafür gegeben, in einen solchen Zustand zu geraten.

Wir haben anständige Institute, wir haben einen funktionierenden Einlagenmarkt mit einer hohen Sparquote, und wir haben ein funktionierendes Bankwesen, das bisher die notwendigen Kredite im erforderlichen Ausmaß bereitstellen konnte und das ein hohes Ausmaß an Sicherheit auch für die Einlegerinnen und Einleger in der österreichischen Bevölkerung gewährleistet.

Es ist aber klar: Jeder, der täglich beim Aufschlagen der Zeitung mit einer neuen Meldung konfrontiert wird, dass Banken mit unvorstellbaren Summen gerettet werden müssen, wird verunsichert. – Heute hat die britische Regierung de facto das gesamte systemrelevante Bankennetz teilprivatisiert (Bundesrat Molzbichler: Teilverstaat­licht!), teilverstaatlicht – danke für die Berichtigung, die ist wichtig (Bundesrat Gruber: Ja, das ist ein elementarer Unterschied!) –, und es besteht keine andere Möglichkeit, ansonsten ein Funktionieren zu gewährleisten.

Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die derzeitige weltweite Entwicklung keine war, die im Himmel passiert ist – so wie die Kuh aus dem vorigen Beispiel nicht im Himmel gefüttert worden ist –, sondern dass es dafür profunde Ursachen gibt. Offen­sichtlich ist die menschliche Zivilisation nicht in der Lage, so wie jedes Kind, das sich einmal an der Herdplatte verbrannt hat, zu lernen, dass man auch nach einiger Zeit kein zweites Mal draufgreift.

Immer wieder wird eine Lehre gezogen – zum Beispiel die Erkenntnis minimaler Natur, dass man Märkte nicht ohne Verkehrsregeln stattfinden lassen kann –, und nach ein paar Jahrzehnten kommen dann mit hoher Brisanz die Forderungen, ja nicht einzu­greifen, nur ja keine Verkehrsregeln aufzustellen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass bei jedem der Bereiche, in dem menschliche Schicksale davon abhängen, ob es Regelungen gibt, die gesamte Politik gefordert ist, dafür zu sorgen, dass diese Regeln vorliegen.

So, wie wir im Luftverkehr nicht zulassen können, dass jeder starten und landen kann, wann er will, mit welchem Flugzeug er will, egal, ob er genug Kerosin hat oder nicht, ob er einen Landeslot hat oder nicht, so, wie wir dort haarklein vorschreiben müssen, dass nur zugelassene Flugzeuge starten und Passagiere aufnehmen dürfen, dass sie nicht hinfliegen können, wo es ihnen gerade einfällt, und dass sie auch nicht das eine vortäuschen und etwas anderes tun dürfen, so werden wir auch bei den Finanzmärkten Regeln aufstellen müssen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 90

Österreich war kein Anlass dafür. Wir haben ein ordentliches System. Die österreichi­sche Bundesregierung hat heute die notwendigen Maßnahmen beschlossen, dass wir dieses Signal auch geben können, dass wir dazu stehen.

Erstens: Die österreichische Einlagensicherung hält und wird ausgebaut. Für natürliche Personen wird – zumindest solange die Krise anhält – ein unbeschränkter Einlagen­schutz gewährleistet. Niemand muss Angst um sein Sparguthaben haben.

Zweitens werden wir gesetzlich die notwendigen Instrumente schaffen, um zu verhin­dern, dass bestimmte Spekulanten die Situation nützen, um an den Börsen mit Leerverkäufen von Aktien in der Krise bewusst dafür zu sorgen, dass die Kurse hinuntergehen. Wir werden uns zu wehren wissen, und wir werden solche Geschäfte zukünftig verbieten können. Die FMA wird in die Lage versetzt zu sagen, ab heute bis dann kannst du nur verkaufen, wenn du dieses Papier auch besitzt. – Das können wir derzeit nicht.

Drittens werden wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um, falls sich das Prob­lem verstärkt, das in Amerika sehr stark vorhanden ist und in Europa bereits spürbar ist, nämlich dass die Vertrauenskrise zwischen den Instituten so groß wird, dass die Banken untereinander nicht für die notwendige Liquidität sorgen, durch eine ent­sprechende Einrichtung für diese Liquidität zu sorgen, wobei wir uns noch nicht festgelegt haben, ob sie bei der österreichischen Kontrollbank, bei der Nationalbank oder woanders angesiedelt sein wird. Wir werden dafür Sorge tragen, dass wir, falls der soeben beschriebene Zustand auch bei uns eintritt, in der Lage sind, diesen Teil zu ersetzen, beziehungsweise werden wir eine entsprechende Clearing-Stelle einsetzen, die innerhalb der österreichischen Banken dafür sorgt, dass ein solcher Zustand nicht eintreten kann.

Viertens ist klar: Wir werden keine österreichische Bank, deren Zusammenbruch das Gesamtsystem gefährden würde, in Konkurs gehen lassen. Man muss sich nur im Klaren darüber sein, was das heißt, meine Damen und Herren. Diese Banken sind dermaßen entscheidend für den Fortbestand unserer Volkswirtschaft, dass das Bekenntnis, das auch alle Finanzminister gestern beim ECOFIN in Luxemburg abge­geben haben und das auch wir in Österreich abgegeben haben, bedeutet, dass wir mit dem Geld der Steuerzahler, für das wir alle verantwortlich sind, dafür geradestehen, dass ein solcher Konkursfall nicht eintritt, weil der Schaden für die Bevölkerung noch größer wäre.

Aber Folgendes ist auch klar und steht auch extra im Vortrag des Ministerrats: Sollte man zu solchen Maßnahmen greifen müssen, kann es nicht der Steuerzahler sein, der allein für den Schaden aufkommt, und danach werden wieder frisch und munter Gewinne gemacht und eingesteckt. Wir werden so etwas nicht zulassen, und wir werden auch dafür Sorge tragen, dass allfällige daraus entstehende Gewinne wieder bei denen landen, die jetzt dafür sorgen, dass das System funktioniert, und das sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Wir werden es auch nicht akzeptieren, dass Zustände eintreten, wie wir sie in Deutschland erlebt haben, wo die deutsche Pfandleihanstalt, wenn Gewinne gemacht werden, im Rahmen einer Steueroasenregelung woanders hingeht und keine Steuern zahlt, während hingegen der deutsche Steuerzahler dann einspringen muss, wenn Verluste gemacht werden.

All das kann aber bitte nur dann funktionieren, meine Damen und Herren, wenn wir alle unabhängig von der Fraktion das klare Bekenntnis dazu abgeben, dass an erster Stelle der Steuerzahler steht, der dafür sorgt, dass es überhaupt möglich ist, einzuschreiten, und der kommt vor allen Partikularinteressen irgendwelcher Spekulanten. Geld ver-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 91

dienen ist schön, das sollen sie gerne tun, aber sie sollen nicht im Nachhinein die Verluste der Gesellschaft übertragen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich nehme zur Kenntnis, dass der österreichische Nationalrat – und ich nehme auch an, der Bundesrat – mit breiter Mehrheit die Fortsetzung einer Verbesserung vor allem für die Bauarbeiter und Montagearbeiter beschließt. Ich möchte an dieser Stelle aber ein Problem nicht verschweigen, das wir bereits bei der Reparatur voriges Jahr hatten. Ich habe es damals gesagt und möchte das an dieser Stelle erneuern: Der Verfas­sungsgerichtshof hat unsere bisherige Regelung als nicht gleichheitskonform aufge­hoben, und zwar, weil bestimmte Berufsgruppen eine besondere Situation haben: Wenn sie länger an einem Ort sind, bekommen sie steuerfrei Gelder, die andere Berufsgruppen, bei denen das nicht so ist, nicht bekommen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sowohl ein Anliegen der Bundesregierung als auch der Mehrheit der Fraktionen war, dass Menschen, die eine Steuerfreiheit als Teil ihres Einkommens betrachtet haben, diese nicht plötzlich entzogen wird. Das Problem ist nur, und ich muss diese Warnung aussprechen: Mit der Beschlussfassung dieses Gesetzes bewegen wir uns nicht in Richtung verfassungs­konformer Regelung, sondern eher in die andere Richtung. Das soll jedem bewusst sein.

Wir brauchen, unabhängig von dieser Regelung, eine langfristige Regelung, die hält. Ich sage das bewusst so. Es wird Aufgabe der neuen österreichischen Bundes­regie­rung sein, sich auch darüber Gedanken zu machen. Bei all dem, was man natürlich der Notlage, die gerade im Montagebereich herrscht, wo ja wirklich Reallohnverluste ent­standen sind, entgegenhält, richte ich trotzdem einen Appell an die Sozialpartner, und dort vor allem an jenen Teil einer Kammer, der ich auch lange Zeit in führender Funktion angehören durfte: Es müssen die Kollektivvertragspartner miteinander eine Lösung finden, die uns graduell aus der Situation herausführt, dass bestimmte Steuer­vorteile Lohnbestandteile ersetzen.

Frau Präsidentin, ich habe das damals gesagt, und das war ernst gemeint: Wir müssen mittelfristig eine diesbezügliche Lösung finden. Der Verfassungsgerichtshof wird uns nämlich das wahrscheinlich nicht als verfassungskonform durchgehen lassen.

Ein kleiner Nachtrag noch zu den Nächtigungskosten: Es ist richtig, bis sechs Monate können Nächtigungskosten – die 15 € – derzeit steuerfrei ausbezahlt werden. Ich möchte aber zur Beruhigung für jene, die nicht unter diese Kollektivverträge fallen und nicht in diesen Branchen tätig sind, hinzufügen: Nachgewiesene Nächtigungskosten sind auch über diese sechs Monate hinaus und unabhängig von der Höhe bis zu ihrer tatsächlichen Höhe abrechenbar.

Oft wird das so dargestellt, dass den Leuten die Nächtigungskosten weggenommen werden. Das stimmt natürlich nicht. Die Pauschale kann ja nur wirkliche Nächti­gungskosten abgelten. Wer keine Nächtigungskosten hat, genießt – seien wir ehrlich! – zwar die Pauschale, aber eigentlich nicht ganz gesetzeskonform.

Zum letzten Punkt, der Frage der Überstundenentlohnung: Das betrachte ich, muss ich sagen, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. – Als Verantwortlichen für ein Ministerium, das auch für das Budget zuständig ist, rinnen uns natürlich die Tränen herunter. Es war ein mühsamer Kampf dieses Ressorts, diese Steuerfreiheiten  vor allem in der Steuerreform 1988/1989 – einzuschränken. Ich denke an die Mühsal des damaligen Finanzministers Lacina zurück, das den Gewerkschaften klarzumachen, sodass sie dazu auch Ja sagen. – Jetzt haben wir zehn steuerfreie Überstunden.

Ich begrüße aber auch, dass gerade im Bereich der ÖVP-Fraktion diesbezüglich ein Umdenken stattgefunden hat. Ich hoffe nur, dass das nicht zu einer weiteren nachbörs-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 92

lichen oder, wie man hier sagen würde, Nach-Wahltermin-Lizitation führt, sodass sich andere Gruppen auch weitere Vorteile herausholen werden.

Je mehr Steuerfreiheit wir im System zulassen, meine Damen und Herren, desto höher sind die nominellen Steuersätze. Wir haben Steuerreformen immer erfolgreich durch­geführt, indem wir wenige Durchlöcherungen weggenommen haben und dafür mit den Steuersätzen heruntergegangen sind.

Vorschreiben kann man es den Damen und Herren Abgeordneten, auch den Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräten natürlich nicht. Das ist nur ein Rat­schlag, diese Richtung doch wieder einzuschlagen, wenn der Wahlkampf vorbei ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.19


Präsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Konecny, Bieringer, Schennach, Mitterer, Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Siche­rung des Vertrauens der Sparer in die österreichischen Banken vor.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der genannten Entschließung ist angenommen. (E 231-BR/08.)

14.20.249. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbei


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 93

hilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992) geändert werden (890/A sowie 8017/BR d.B. und 8027/BR d.B.)

 


Präsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Köberl.

 


14.20.37

Berichterstatter Günther Köberl: Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Sep­tember 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bun­desgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbei­hilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992) geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Ich darf eine Richtigstellung hier anbringen: In jenem Absatz, wo es heißt: „Die Zugangsbeschränkungen sollen für alle Studien außer dem der Medizin, Tiermedizin und Zahnmedizin mit 30. September 2009 außer Kraft treten ...“, soll auch der Bereich der Psychologie eingefügt werden.

Ich darf aus dem Ausschuss Folgendes berichten:

Ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates begründeten Einspruch zu erheben, ist infolge Stimmengleichheit nicht zu Stande gekommen.

Ebenso ist ein Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, infolge Stimmengleichheit nicht zu Stande gekommen.

 


Präsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Mag. Eibinger. – Bitte.

 


14.21.51

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier über eine Gesetzesvorlage, die primär aus wahltaktischen und parteipolitischen Gründen und auch aus ideologischen Gründen beschlossen wurde, und zwar in jener Sitzung, die heute schon mehrmals genannt und kommentiert wurde, weshalb ich hier gar nicht mehr darauf eingehen möchte. Jedenfalls ist diese faktisch nicht nachvollziehbar. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundes­rates Stadler.) Zu den Fakten komme ich gleich.

Faktum ist, Herr Kollege, dass die Studienbeiträge sinnvoll und akzeptiert sind. Im Gegensatz zu dem, was hier gerne behauptet wird, halten die Studiengebühren niemanden vom Studium ab. Das ist auch ganz einfach zu belegen: Die Zahl der Studienanfänger ist so hoch wie nie zuvor. Ungefähr ein Drittel jedes Altersjahrganges beginnt ein Studium. Und seit der Einführung der Studienbeiträge ist die Zahl der Studienanfänger um fast 40 Prozent gestiegen – ich glaube, da sind wir uns einig, dass das stimmt –, und zwar von 31 500 auf 43 500 Studierende.

Weiters ist die Studienförderung ausgebaut worden, und zwar im Sinne der sozialen Treffsicherheit, denn diejenigen, die es sich leisten können, können und sollen einen Beitrag leisten. Im Gegenzug dazu soll man jenen, die es brauchen, verstärkt unter die Arme greifen. Das ist soziale Umverteilung. Aber dieser Gesetzesbeschluss, der hier heute vorliegt, würde eher eine soziale Schieflage hervorrufen, denn wer würde denn von dieser Gesetzesvorlage profitieren? Es würden die finanziell Bessergestellten profitieren.

Experten – und das wird Ihnen jetzt auch nicht gefallen – halten es sogar für aus­gewogener, wenn man die Studienbeiträge anheben würde und stattdessen das Stipendiensystem weiter ausbauen würde. (Bundesrat Gruber: ÖVP-Experten!) Lachen Sie nur gerne über diese Expertenmeinungen! (Bundesrat Gruber: „Super“-Experten!)

Ich möchte beim Stichwort „sozial“ bleiben und in diesem Zusammenhang auf den sehr guten „Bericht zur sozialen Lage der Studierenden“ eingehen, der vom Ministerium erstellt worden ist. Laut diesem Bericht haben nach eigener Einschätzung 80 Prozent


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 94

der Studierenden angegeben, dass sie mit ihren finanziellen Mitteln auskommen. 10 bis 15 Prozent der Studierenden kommen damit schlecht aus. Ich denke, genau um diese Gruppe sollte man sich verstärkt kümmern. Und wenn man sich wirklich um eine Hürde bei Studienanfängern kümmern möchte, dann müsste man sich um die bildungsfernen Schichten bemühen. Das haben wir in der Bildungs-Enquete dieses Hohen Hauses sehr ausführlich besprochen, die ich noch sehr gut in Erinnerung habe und bei welcher auch sehr viele Kollegen von Ihnen anwesend waren.

Um die aus dem Ausschuss und auch sonst bekannten Zwischenrufe und Speku­lationen gleich vorwegzunehmen: Ich selbst habe auch studiert, und zwar an der Universität Graz. Ich habe die erste Hälfte meines Studiums kostenlos, ohne Studien­beiträge zu entrichten, studiert und die zweite Hälfte meines Studiums sehr wohl mit meinen Studienbeiträgen mitfinanziert. Ich kenne niemanden von meinen Kollegen, der deshalb zu studieren aufhören musste, weil Studienbeiträge eingeführt worden sind, und ich kenne auch niemanden von meinen Kollegen, der das Studium aus diesem Grund nicht begonnen hat. (Bundesrat Mag. Erlitz: Weil 60 Prozent arbeiten gegangen sind!) Auf die berufstätigen Studierenden zu sprechen komme ich noch, lieber Wolfgang. (Bundesrat Mag. Erlitz: Weil sie in der Nacht arbeiten gehen!)

Ich darf berichten, was unter den Studierenden und unter den Schülern die herr­schende Meinung ist, die mir aus zahlreichen Diskussionen bekannt ist. Die herr­schende Meinung ist nämlich die, dass man gerne einen Beitrag leistet, wenn man dafür auch eine entsprechende Gegenleistung erhält. Den Menschen ist es immer mehr bewusst, dass Bildung etwas kostet, dass Bildung ein hohes Gut ist. (Bundesrat Gruber: Ein hohes Gut, wo es keine Barrieren geben soll!)

Wenn man bedenkt, dass ein monatlicher Kostenbeitrag von 60 € eingehoben wird, dann muss man sagen: Das ist ein relativ geringer Kostenbeitrag! Wissen Sie eigentlich, was ein Student pro Jahr kostet? Wissen Sie, in welcher Höhe der Betrag liegt? Der liegt zwischen 12 000 € und 14 000 €. Bei 60 € im Monat an Kostenbeitrag sind das etwa 5 bis 6 Prozent, die der Student dazu leistet. Und wenn man bedenkt, dass das die zukünftige Elite unseres Landes ist, dass das unsere Großverdiener von morgen sind, dann muss man sagen: Das ist ein geringer Kostenbeitrag, den man sehr wohl vertreten kann! Und wenn man bedenkt, dass die Kindergärten zwei bis drei Mal so teuer sind und dass sehr wohl auch Leute, die die Meisterprüfung ablegen, sehr viel zu zahlen haben, dann meine ich, dass das sehr in Ordnung ist.

Wie kann man den Studenten wirklich helfen? – Damit komme ich zu dem Zwischenruf betreffend die berufstätigen Studierenden. – Die Studierenden sollen Berufserfahrung nachweisen, wollen das auch neben dem Studium machen und wollen auch dazu­verdienen. Daher sollte man für die Vereinbarkeit von Beruf und Studium weitere Maßnahmen setzen. Die schon begonnenen sollte man noch weiter ausbauen.

Ein weiterer Punkt dieser Gesetzesvorlage ist die weitgehende Abschaffung der Zugangs­beschränkungen. Momentan sind ungefähr 15 bis 20 Prozent der Studieren­den ausländische Studierende. Das zeigt, dass unsere Universitäten im internationalen Vergleich ganz gut bestehen können. Und wenn Sie heute, werte Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzesvorlage zustimmen, dann wird Österreich das einzige Land in Europa, wenn nicht sogar weltweit sein, das weder Zugangsbeschränkungen hat, noch Studiengebühren einhebt.

Abgesehen davon, dass den Universitäten damit wichtige Einnahmen entgehen werden, wird auch die Qualität der Ausbildung unweigerlich sinken, und österreichische Massenuniversitäten werden dann im internationalen Umfeld nicht mehr so gut dastehen wie heute. Nicht umsonst gibt es da einen Aufschrei der Universitäten.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 95

Ich spreche jetzt bewusst die steirischen Bundesrätinnen und Bundesräte an. Ich hoffe, Sie alle haben die persönlich adressierten Stellungnahmen unserer Rektoren erhalten, Herr Kollege Erlitz, und zwar der Rektoren der Universität Graz, der TU Graz und der Medizinischen Universität Graz. Diese Stellungnahmen sind alle an uns ergangen, und aus diesen geht klar hervor, dass der Grazer Universitätsstandort wirklich vor massiven Problemen stehen würde. Der Rektor der Technischen Universität Graz Dr. Hans Sünkel bezeichnet diese Maßnahmen sogar als „Schubumkehr“ für die bis jetzt so erfolgreiche Technische Universität Graz. Ich meine – und ich erinnere Sie daran –, dass wir hier auch die Interessen unseres Landes zu vertreten haben.

Lassen Sie mich kurz auf die immer wieder zitierte Akademikerquote eingehen, die in Österreich zu niedrig wäre. Ich finde, die Studienbeiträge dafür verantwortlich zu machen geht eher nach hinten los, denn die Studienbeiträge haben eher geholfen, die Akademikerquote zu steigern, denn es gibt, wie gesagt, mehr Studienanfänger. Dazu kommt noch, dass die Studierenden seit Einführung der Studiengebühr mit ihrem Studium schneller fertig werden. Die Durchschnittsstudiendauer hat sich von 14 auf 12 Semester verringert. Außerdem ist die Erfolgsquote gestiegen, und zwar von 65 auf 71 Prozent. – So viel zum Inhaltlichen.

Nun möchte ich zu den formalen Dingen kommen. – Das Zustandekommen dieses Gesetzes ist eine undurchdachte Husch-Pfusch-Aktion. Es wurden wesentliche Stellungnahmen nicht eingeholt, es wurden wesentliche Beratungen nicht gemacht. Dazu darf ich aus dem Ausschuss den Experten des Ministeriums zitieren – das sind nicht meine Worte –: Vieles passt vorne und hinten nicht zusammen. Die Leute, die wirklich etwas davon verstehen, wurden nicht gefragt.

Aus all diesen Gründen bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Barbara Eibinger, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gemäß § 43 Abs. 1 BR-GO wird gegen den Beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädagogischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungs­ge­setz 1992) geändert werden (890/A sowie 8017/BR d.B.), aus folgenden Gründen Einspruch erhoben:

Begründung

Die Abschaffung der Studienbeiträge sowie die weitgehende Abschaffung der Zugangs­beschränkungen in ausgewählten Fächern stellen die einzelnen Universitäts­standorte in den Bundesländern vor massive strukturelle Probleme. Abgesehen von den einzelnen Einnahmenausfällen wird die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten einerseits gegenüber den Fachhochschulen, andererseits gegenüber anderen Ländern massiv gefährdet, da Österreich das einzige Land im Bologna-System sein wird, das weder Studienbeiträge einhebt noch Zugangsbeschränkungen vorsieht.

Allein für das Jahr 2009 führt die Abschaffung der Studienbeiträge für die Universitäten zu einem Einnahmenausfall von rund 160 Millionen €. Der in Aussicht genommene Kostenersatz durch den Bund wird den Steuerzahler für die Leistungsvereinbarungs-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 96

periode 2010 bis 2012 rund 500 Millionen € kosten. Dieses Geld wird den Universitäten und dem Ausbau des tertiären Bildungssektors insgesamt allerdings angesichts der Budgetspielräume für einen weiteren Ausbau fehlen.

Die Abschaffung der Studienbeiträge an den Universitäten bei gleichzeitiger Beibehal­tung der Beiträge an den Fachhochschulen verursacht eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Fachhochschulen. Jene Bundesländer mit Universitäts- und/oder Fach­hoch­schulstandorten engagieren sich sehr am Auf- und Ausbau von tertiären Bildungs­einrichtungen. Zu befürchten ist eine weitere finanzielle Abwälzung von Bundesagen­den zu Lasten der Länderbudgets im tertiären Bereich.

Durch den gesetzlich neu festgelegten Ausbau der Medizineranfängerplätze von 1 500 auf 2 400 Anfängerplätze ist die Qualität – nach übereinstimmenden Aussagen der Medizinischen Universitäten an den drei Medizinunistandorten Wien, Graz und Innsbruck – gefährdet. Eine Beeinträchtigung der medizinischen Ausbildung ist für die Länder als Träger der Krankenanstalten nicht akzeptabel. Weiters ist die sogenannte „Medizinerquote“ – die Sicherstellung von 75 Prozent der Medizinerplätze für Inhaber österreichischer Reifezeugnisse – gefährdet. Wie auch der Innsbrucker Europarechts­experte Walter Obwexer festgestellt hat, „fällt der Hauptrechtfertigungsgrund für die geltende Quotenregelung weg“ und wäre „die ,Reservierung’ von 75 Prozent der Studienplätze für Inhaberinnen und Inhaber in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse EU-rechtlich nicht mehr haltbar“. Österreich entledigt sich damit mit einem Federstrich des wichtigsten Arguments gegenüber der Europäischen Kommission.

Es ist nicht einsichtig, warum auf Kosten des österreichischen Steuerzahlers (zusätz­liche Kostenbelastung gerechnet auf die Leistungsvereinbarungsperiode 2010 bis 2012 von rund 260 Millionen €) zu Lasten der österreichischen Versorgungssicherheit der deutsche oder europäische Medizinernachwuchs ausgebildet werden soll. Zudem gibt es eine moralische Verpflichtung der politisch Verantwortlichen, den ausreichenden Zugang von Österreichern zum Medizinstudium sicherzustellen.

Das Wegfallen der Zugangsbeschränkungen in den sogenannten „Numerus Clausus-Fächern“ und der Wegfall der Studienbeiträge werden zu einer massiven Belastung der einzelnen Studienstandorte durch Studenten vor allem aus dem deutschen Raum führen.

Auch seitens der Universitäten wurde vor den Auswirkungen dieser Maßnahmen gewarnt. („Fataler ist die Kombination des Erlasses der Studiengebühren mit der Aufhebung der Zugangsbeschränkung in allen Fächern. Diese wird – besonders in einer grenznahen Universität wie der Innsbrucker – zu einer Vermehrung der Massen­fächer führen“ – so Rektor Töchterle, Universität Innsbruck. Für die Rektoren der medizinischen Universitäten Wien und Graz ist die geplante Ausweitung der Studien­plätze für Medizin „nur über die Neugründung einer zusätzlichen Universität in der Größe der heutigen Med-Uni Wien“ machbar. „Eine massive Erhöhung der Zahl der Studierenden wird unweigerlich zu einer Verschlechterung der Ausbildungsqualität führen, wenn nicht alle notwendigen personellen, räumlichen und finanziellen Voraus­setzungen neu dafür geschaffen werden“ – so Betriebsräte der medizinischen Univer­sitäten. „Die Abschaffung der Studiengebühren ist sozial wenig treffsicher und kontra­produktiv. Der Antrag hat miserable legistische Qualität. Damit fährt man die Univer­sitäten an die Wand“ – so Prof. Berka, Mitglied des Wissenschaftsrates.)

Die Aussage des Abgeordneten Broukal: „Die Politik wird immer grundsatzloser ... Bauern, Familien, Pensionisten und Studenten, jeder kriegt noch schnell ein Wahl­geschenk, eine langfristige Perspektive kann ich nicht erkennen“ („profil extra“, Sep­tember 2008) untermauert in eindrucksvoller Offenheit, dass der vorliegende Beschluss des Nationalrates von SPÖ, FPÖ und Grünen lediglich aus wahltaktischen Gründen


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 97

zustande kam und eben keine längerfristige Perspektive für die Universitäten beinhal­tet.

Dass die legistische Ausfertigung des Initiativantrages fragwürdig ist, zeigt sich auch an der Formulierung der neuen Bestimmung des § 124b Abs. 5. Darüber hinaus ist es völlig unverständlich, dass Konventionsflüchtlinge bei der Befreiung von Studien­gebühren nun schlechter gestellt sind als auf Grund der derzeit noch geltenden Gesetzes­lage, die einen Rechtsanspruch für Konventionsflüchtlinge auf Entfall der Studiengebühren vorsieht. Das ist in Zukunft nicht mehr der Fall. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das stimmt ja nicht! Das ist überhaupt nicht wahr!)

Dies sind nur zwei Beispiele der undurchdachten legistischen Qualität. Es ist unverant­wortlich, lediglich aus wahltaktischen Gründen mit einem unbedachten Schnellschuss den Universitätsstandort Österreich und damit auch die Interessen der Studierenden aufs Spiel zu setzen (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das stimmt nicht!), wider besseres Wissen die Universitäten im Stich zu lassen und einen Qualitätsverlust der univer­sitären Ausbildung in Österreich zuzulassen. (Bundesrat Gruber: Haben wir eine Lese­stunde?) – Das ist der Antrag, liebe Kollegen! (Bundesrat Konecny: Papier ist bekann­tlich geduldig!)

Einer Gesetzeswerdung von dieser Komplexität und außerordentlichen Tragweite ohne Einbindung der Betroffenen und unter Missachtung von vitalen Länderinteressen kann im Bundesrat nicht zugestimmt werden.

*****

Ich appelliere daher – speziell an die Fraktion der Grünen –, heute Vernunft vor Partei­politik zu stellen und diesem Einspruch zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

14.35


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


14.35.57

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wer sich wie ich die Nacht vom 24. auf den 25.September in diesem Haus sozusagen um die Ohren geschlagen hat, hat erlebt, dass die Aufhebung der Studiengebühren nicht einfach einer unter unzähligen Beschlüssen in einer Nationalratssitzung war, sondern ein Beschluss von ungeheurer symbolischer und, wie ich freimütig bekenne, auch emotionaler Bedeutung.

Man muss das miterlebt haben: dass nicht nur die Nationalratsabgeordneten jener drei Parteien, die diesen Beschluss gefasst haben, wie erleichtert aufgesprungen sind und applaudiert haben, sondern dass auch – ich weiß schon, das ist gegen die Haus­ordnung dieses Parlaments – Hunderte junge Menschen auf der Galerie aufgesprun­gen sind und gejubelt haben. (Ruf: Aber organisierte!) – Ach ja, Herr Kollege! Alles, was Ihnen nicht passt, ist „organisiert“. Schließen Sie nicht von sich mit ein paar „Jubelpersern“ bei Ihren Kundgebungen auf andere! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesrätin Eibinger – und ich muss mich jetzt umdrehen, denn wenn ich meine Vorrednerin ansprechen will, geht das nicht anders, weil sie am Präsidium sitzt –, nach dieser beckmesserischen Lesestunde muss ich Ihnen sagen: Die Beistrichsetzung haben Sie nicht kritisiert, und das enttäuscht mich in diesem Antrag!

Bei dieser Gesetzesmaterie geht es um eine bildungspolitische Grundsatz- und Symbol­frage, und das waren die Gründe dafür, warum es eine Mehrheit für diesen


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 98

Antrag gegeben hat: weil es nicht sein kann, dass jene, die versuchen, höhere Bildung zu erwerben, und die gerade aus den bildungsfernen Schichten kommen, wo es vielleicht bei ihren Eltern für Studiengebühren nicht die notwendige Akzeptanz gibt, zur Kassa gebeten werden.

Frau Kollegin, ich bin so alt, dass ich Studiengebühren gezahlt habe, als ich an der Universität war. Ich habe übrigens auch im Gymnasium noch Studiengebühren gezahlt. Ich kann mich noch sehr gut an dieses System erinnern, das bedeutet hat, Anträge zu stellen, wenn, was bei meiner Mutter der Fall war, das Einkommen unter einer bestimmten Grenze lag. Ich habe es auch nicht als besonders würdevoll empfunden, wenn am Beginn des Schuljahres der Klassenvorstand mit einem Packen Bücher in die Klasse getreten ist, mit dem stereotypen Satz: Wer sind jetzt unsere Armen, für die haben wir Bücher aus der „Schülerlade“. – So hieß das gute Ding.

Sehen Sie, das ist ein System der Vergangenheit, und zwar wirklich der Vorver­gangenheit. Und es waren die siebziger Jahre – in aller Bescheidenheit gesagt: die von der Sozialdemokratie geprägten siebziger Jahre –, die mit diesem Schrott der Ver­gangenheit Schluss gemacht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Herbert.– Wie meinen, Herr Kollege? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Herbert.) – Zum Beispiel mit Gratisschulbüchern; selbstverständlich mit der Beseitigung des Schulgel­des in den Höheren Schulen; und auch mit der Abschaffung der damaligen Studien­gebühren.

Meine Damen und Herren, wir haben das als Fortschritt betrachtet. Der explosions­artige Anstieg der Studentenzahlen wurde dadurch möglich, die Steigerung der Bildungsquote in diesem Land. – Es war der Beschluss über die Studiengebühren im wahrsten Sinn des Wortes eine bildungspolitische Konterrevolution.

Frau Kollegin Eibinger, ich habe bei Ihren Ausführungen ein paar Mal fassungslos den Kopf geschüttelt. (Bundesrat Mayer: Das sind wir gewöhnt!) – Okay, wenn Sie mir recht geben, bin ich ja auch sehr einverstanden, wenn Sie das gewöhnt sind. – Die österreichischen Studenten von heute als die Großverdiener von morgen zu bezeich­nen, ist ein Verständnis, das niemand, der selbst gerade ein Studium absolviert hat, nachvollziehen kann. Die „Generation Praktikum“, wie sich das als Begriff eingebürgert hat, als „Großverdiener“ zu bezeichnen, ist, mit Verlaub gesagt, eine Frechheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben eine Umfrage zitiert, dass 80 Prozent der Studenten angeblich mit ihren finanziellen Mitteln auskommen. Um welchen Preis? – Um den Preis einer hoch­gradigen Einschränkung, aber auch um den Preis einer Berufstätigkeit, die nichts mit der Vorbereitung auf ihren künftigen Beruf zu tun hat. Wenn Sie glauben, dass unsere Studenten alle in Zukunft Kellner oder Schankpersonal werden, dann sollte man das als Studienrichtung einführen. Vielleicht würde das der österreichische Fremden­verkehr begrüßen. (Bundesrat Perhab: Das hat schon der Kreisky gesagt, ...!) Was hat Kreisky gesagt? Dass die Studenten kellnern sollen? – Herr Kollege, bitte machen Sie bessere Zwischenrufe! Ich bin gerne bereit, Ihnen ein paar Ezzes zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nein, die Studenten müssen arbeiten – miserable Arbeiten, schlecht bezahlte Arbei­ten –, um über die Runden zu kommen und dann bei der Umfrage des Herrn Ministers sagen zu können, ja, ich komme mit meinen finanziellen Mitteln aus. – Das ist die zweite Ungeheuerlichkeit.

Sie haben einen dritten Vorwurf erhoben – und den betrachte ich als Ehrenzeichen, das Sie uns verliehen haben –: Wir hätten aus ideologischen Gründen für die Abschaf­fung der Studiengebühren mitgestimmt. – Jawohl, verdammt nochmal! Das ist die Ideologie des Fortschrittes, für die wir stehen, und der Gleichheit und der Gleich-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 99

berech­tigung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Köberl: Nicht aufregen!) – Bitte? (Bundesrat Köberl: Nicht aufregen!) – Herr Kollege, ich rege mich mit meinem eigenen Herzen auf. Das hält es schon noch eine Weile aus. Machen Sie sich keine Sorgen!

Ich rege mich allerdings auch über den Herrn Bundesminister auf. Herr Bundesminister Hahn hat uns via „Standard“-Interview einen Appell zukommen lassen: „Uni-Paket stoppen“. – Gut, das steht ihm zu. Er hat in der Debatte im Nationalrat im Plenum laut und für das Protokoll gesagt, dass er diesen Beschluss für einen „Schwachsinn“ hält. – Herr Bundesminister, freie Meinungsäußerung in allen Ehren, aber das geht zu weit. Ich muss Sie jetzt ganz offen fragen: Kein Mensch weiß, wie das nach irgendeinem Tag X ist, aber Sie sind der ressortzuständige Minister, der diesen Beschluss, wenn er auch im Bundesrat Bestand haben wird, vollziehen muss, und ich frage Sie ganz offen: Sind Sie bereit, im Sinne des Eides, den Sie auf die Verfassung und alle anderen Gesetze geleistet haben, ein Gesetz, das Sie offenbar für einen „Schwachsinn“ halten, auch zu vollziehen, loyal und korrekt? – Ich erwarte mir in dieser Sitzung eine Antwort darauf. (Bundesrat Bieringer: Schwachsinn bleibt aber Schwachsinn!) – Bitte? (Bun­desrat Bieringer: Schwachsinn bleibt aber Schwachsinn!) Was soll ich daraus schließen? Dass Stimme nicht Stimme bleibt? – Da blieb dir der Atem weg, lieber Ludwig Bieringer.

Meine Damen und Herren, dieses Thema ist viel zu ernst dafür. – Es ist ein richtiger Beschluss des Nationalrates. Er gibt eine Richtung an, die klar sagt, wir wollen niemanden von der höheren Bildung ausschließen. Das kann man über Stipendien allein nicht gewährleisten. Man muss ein Signal setzen. Gerade, wenn wir um die bildungsfernen Schichten werben, die auch in ihrem Informationsverhalten nicht so akribisch und intensiv sind, müssen wir dieses Signal gewissermaßen weit sichtbar vor uns hertragen: Jawohl, Österreich braucht mehr Akademiker, und der Weg dorthin ist mit viel Mühe, viel Einsatz und trotzdem mit vielen Kosten gepflastert, aber nicht mit einer faktischen Zugangsbeschränkung in Form der Studiengebühren! – Dieses Signal bitte ich Sie alle, auch im Bundesrat aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

14.45


Präsident Jürgen Weiss: Ich füge noch hinzu, dass der vorhin eingebrachte Antrag, einen begründeten Einspruch zu erheben, ausreichend unterstützt war und mit in Verhandlung steht. – Ich sehe jetzt eine schlüssige Handlung dahin gehend, dass Herr Professor Konecny auch einen Antrag einbringen wollte. (Der in den Reihen der SPÖ-Fraktion mit Fraktionskollegen sprechende Bundesrat Konecny – auf das Präsidium weisend –: Oben liegen sollte er! – Das wird seitens der Parlamentsdirektion bejaht. – Bundesrat Konecny: Dann wird ihn der Kollege Einwallner verlesen! – Bundesrat Bieringer – in Richtung Bundesrat Konecny –: Der „Schwachsinn“ hat dich so aus dem Konzept gebracht, dass du gar nicht mehr ...!)

Wir setzen in der Rednerliste fort: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


14.46.29

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzen­der Professor Konecny! Sie haben die Frage der Abschaffung der Studiengebühren zur Symbolfrage erklärt. Ja, Sie wollten auch ein Signal setzen. Hundert Stunden vor der Wahl war dieses Signal nichts anderes als der Versuch zur Beseitigung des Umfaller-Images, das in dieser Frage die SPÖ – und damit auch der noch immer amtierende Bundeskanzler Gusenbauer – bis zu diesem Zeitpunkt hatte.

Ich habe dafür Verständnis, dass man wenige Stunden vor der Wahl alles versuchen muss, um dieses schlechte Image loszuwerden. Ich habe allerdings am Wahlabend


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 100

keine zählenswerten Ergebnisse dieser Vorgangsweise herausgelesen, denn immerhin haben Sie Zigtausende Stimmen verloren. Ich verstehe auch die Grünen nicht, denn auch sie konnten durch ihr Mitgehen bei diesem Beschluss nicht gewinnen. Sie haben ebenfalls Stimmen verloren. Noch weniger Verständnis habe ich natürlich für die Haltung der FPÖ in dieser Frage, denn sie hat zwar Stimmen gewonnen, aber, wie ich glaube, nicht aus dieser Klientel, sondern sie ist da eigentlich in ihrer Ideologie fremd­gegangen und hat ihre Grundsätze in einer ganz wichtigen Frage über Bord geworfen.

Wir vonseiten des bürgerlichen Lagers haben das anders gesehen. Das hat auch Frau Mag. Eibinger hier sehr deutlich dargelegt, und der Herr Minister wird da sicherlich noch nachstoßen, denn das sind die Fachleute. Ich selbst habe keine Universität besucht, deshalb werde ich nur drei Punkte aufzählen, warum wir glauben, da mit der ÖVP einer Meinung zu sein, dass mit dieser Abschaffung der Studiengebühren das falsche Signal gesetzt worden ist.

Erstens ist das als soziale Lenkungsmaßnahme unbrauchbar und zielt in die falsche Richtung. – Damit ist in kurzen Worten das ausgeführt, was die Frau Magister sehr ausführlich erzählt hat.

Zweitens: Da alle anderen europäischen Länder Studiengebühren einheben, bieten wir damit Anreize, in Österreich zu studieren, und schaffen dabei auch einen Verdrän­gungswettbewerb für unsere österreichischen Studenten.

Und drittens – als Unternehmer ist das für mich ein ganz wichtiger Punkt –: Was die Frage einer Gleichbehandlung von Studierenden und Personen in Facharbeiteraus­bildung betrifft, so klafft die Schere damit wieder weiter auseinander. Anreize für Lehrlingsausbildung durch Förderung und „Lehre mit Matura“ werden mit der Ab­schaffung der Studiengebühren ad absurdum geführt. Das ist das, was mich betroffen macht. Unsere Lehrlinge – und ich bilde selbst Lehrlinge aus, zurzeit vier an der Zahl – zahlen vom ersten Tag an Sozialabgaben. Sie verdienen nichts, sondern Sie bekom­men eine Lehrlingsentschädigung, also einen geringen Betrag, aber bezahlen dabei schon ihre Sozialabgaben, zahlen in den österreichischen Steuertopf und Versiche­rungs­topf ein, während eben andere gratis studieren möchten.

Dort, wo es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, dass man studieren kann, dort gibt es ja die Stipendien und die soziale Hilfe des Landes und des Staates. Das ist also nicht der Grund für die Abschaffung dieser Gebühren. Und das haben Sie auch richtig erwähnt: Wir haben ja jetzt, seit wir die Gebühr eingeführt haben, nicht weniger Studierende! Wir werden aber nach der Abschaffung wesentlich mehr Andrang haben.

Dem Antrag, den Herr Professor Konecny einbringen wollte – er wird ja noch einge­bracht werden –, kann ich natürlich nicht zustimmen, und auch Siegi Kampl nicht, sondern wir werden dem Antrag der Volkspartei, Einspruch zu erheben, selbstver­ständlich unsere Zustimmung geben. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie der ÖVP.)

14.51


Präsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


14.51.21

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kollegen und Kollegin­nen! Wir haben da eine weitere Materie vorliegen, einen weiteren Gesetzesbeschluss jener Nacht, in dem Freude und Schatten gleichermaßen vorhanden sind.

Ich verstehe die emotionale Rede von Professor Konecny, denn immerhin waren die Studiengebühren – und das kann man positiv auch sehen – ein Symbol: ein Symbol für eine falsche Weichenstellung in der gesamten Bildungspolitik Österreichs. Frau Kolle-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 101

gin Eibinger, die ich als sehr kluge Frau schätze – und ich bin dankbar, dass das Land Steiermark sie auch in den Bundesrat entsandt hat –, war so klug, die Studie so zu interpretieren, dass ich jetzt auch die andere Seite dieser Studie ein bisschen beleuch­ten muss.

Sie haben gesagt, liebe Frau Kollegin Eibinger, ein Drittel eines Jahrganges studiert in Österreich. – Diese Aussage ist richtig. Aber man sollte dieser Aussage auch hinzu­fügen, dass es im OECD-Durchschnitt 50 Prozent eines Jahrganges sind.

Sie haben gesagt, dass wir 23 Prozent Studienbeihilfe-BezieherInnen haben. – Das ist richtig, eine völlig korrekte Aussage. Aber man sollte vielleicht auch dazusagen, dass es in Finnland 71 Prozent sind. Das gar so kaltherzige Großbritannien hat sogar 85 Prozent! Frankreich hat 53 Prozent. Und die Niederlande, ein in etwa mit Österreich vergleichbares Land, haben 62 Prozent Studienbeihilfe-BezieherInnen.

Frau Mag. Eibinger, Sie haben auch gesagt, dass wir dann das einzige Land ohne Studiengebühren seien ... – Nein, Sie haben es ganz korrekt gesagt, aber Kollege Mitterer hat es nicht ganz korrekt gesagt: Wir seien das einzige Land, das keine Studiengebühren mehr hat. – Nun, das stimmt nicht, denn: Dänemark hat keine Studiengebühren, Schweden hat keine Studiengebühren, Finnland ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Ich sage ja, Frau Mag. Eibinger hat es richtig gesagt, nur in der Diskussion ist es plötzlich in diese Richtung gegangen. – Finnland hat keine, Norwegen hat keine, Schweden hat keine.

Was nun die soziale Lage der Studierenden betrifft, so kenne auch ich den Bericht, aus dem Sie zitiert haben: Er besagt doch, dass drei Viertel jener, die berufstätig sind, diese Berufstätigkeit benötigen, damit es für sie möglich ist, in Österreich zu studieren.

Und wenn wir uns die Studienbeihilfe in Österreich anschauen, dann vergessen wir doch bitte nicht, was wir heute diskutiert haben: Wir haben die Familienbeihilfe vor dem Hintergrund der Teuerung diskutiert, und wir haben die Pflegeleistungen, das Pflege­geld vor dem Hintergrund der Teuerung diskutiert. – Aber es gibt natürlich auch im studentischen Leben Teuerungen, denn auch die Studierenden müssen essen, sie müssen fahren, wohnen und sich Bücher besorgen. Da fällt jedoch auf, dass vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2006 die durchschnittliche Studienbeihilfe pro Student von 341 € auf 316 € gefallen ist. Das heißt, die Studienbeihilfen sind gesunken.

Es ist richtig, Frau Mag. Eibinger, wir sind heute wieder auf jenem Stand, auf dem wir waren, als die Studiengebühren eingeführt wurden. Aber wir sind nur auf jenem Niveau von damals. Tatsache ist, dass sich nach der Einführung der Studiengebühren der Anteil der Studierenden um 20 Prozent zurückentwickelt hat!

Folgendes ist, glaube ich, eines der wichtigsten Dinge, Kollege Mitterer: Es ist dieses Wort „gratis“, das stört. Das stört enorm, denn „gratis“ hat irgendwie so eine Konnotation von „nichts leisten“ oder was auch immer. – Wer studiert, erbringt eine Leistung – eine Leistung für die Gesellschaft, eine Leistung für die Wirtschaft, eine Leistung für die Gesamtentwicklung des Staates –, genauso wie jemand, der eine FacharbeiterInnen-Ausbildung macht, der ein Lehrling ist. Auch diese Menschen erbringen eine Leistung.

Nur – und jetzt kommen wir in den Bereich, wo ich sage, wir haben ein legistisch mangelhaftes ... (Bundesrat Kneifel: Aber die Meisterprüfungskurse muss sich einer selbst zahlen!) – Das ist schon richtig, nur: Die Dauer eines Studiums ist mitunter länger als eine Lehrlingsausbildung, das wissen wir auch. Und das Einkommen, das ein Lehrling durch die Lehrlingsentschädigung bekommt, ist vom ersten Tag seiner Tätigkeit oder ihrer Tätigkeit an bereits eine Entlohnung für die Tätigkeit. Das sollte


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 102

man nicht übersehen, denn es gibt eine Lehrlingsentschädigung, und das ist eine finanzielle Leistung für die Arbeit, die man erbringt.

Der oder die Studierende bekommt für die Tätigkeit des Studierens, des Erwerbens von Wissen, jetzt einmal vorderhand noch keine Leistung als Gegenwert ausbezahlt. – Ich möchte das nur von der Tonlage her ein bisschen entemotionalisieren.

Ja, wir haben da eine Situation, die legistisch nicht wirklich ein Höhepunkt ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Jetzt wartet einmal! – Und trotzdem – ich denke, Herr Minister Hahn, Sie gehören ja zu den „jungen Wilden in der ÖVP“ (Heiter­keit des Bundesrates Gruber) – sollten Sie sich echt einmal Gedanken machen – und ich weiß, dass es Leute wie meinen Freund Andreas Schnider gibt, die sich lange Zeit auch gegen die Parteilinie Gedanken gemacht haben –, ob nicht dieser Verlust von 17 Prozent Marktanteil in Österreich prinzipiell etwas mit der Bildungspolitik insgesamt zu tun hat.

Wenn man über Jahrzehnte die Ohren und die Augen verschließt vor einer notwen­digen Reform im Schulsystem, die Notwendigkeit einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen negiert, die Warnungen einer allzu frühen sozialen Segre­gation der jungen Menschen nicht hört, wenn man das alles immer wegschiebt und letztlich eine Klientelpolitik vom Kindergarten bis zur Uni fährt, dann bleibt irgendwann einmal das Resultat oder die Rechnung über: 17 Prozent Marktwertverlust.

Und das ist eines unserer Hauptprobleme. Deshalb ist das Diktat der Studiengebühren auch so ein Symbol für eine falsche Weichenstellung geworden.

Aber ich sage Ihnen auch Folgendes ehrlich: Wenn es um die Prioritätensetzung bei der Entlastung der Familien in der Bildung geht, würde ich sofort eine andere Priorität setzen, nämlich dort, wo die Belastung am schmerzhaftesten ist: wo die jungen Familien, die sich gerade setteln und Kinder kriegen, diese enormen Kindergarten­beiträge zu zahlen haben. Ich halte das für noch stärker prioritär in der Entlastung im Bildungsbereich beziehungsweise in der Entlastung des Bildungsbereiches. Deshalb wäre mir da ein Linkage wesentlich wichtiger gewesen.

Aber diese Studiengebühren sind eben ein Signal für diese falschen Weichen­stellun­gen, die Ihre Partei, die ÖVP, in diesen letzten Jahrzehnten – leider!, sage ich, leider!, obwohl Sie auch Leute in Ihren Reihen haben, die eine andere Politik Ihrer Partei vorgeschlagen haben –, insbesondere in der Zeit der Vorgängerin von Herrn Minister Hahn, eine nach der anderen vorgenommen hat.

Meine Damen und Herren! Trotz der legistischen Mängel – da wird noch einiges an Arbeit erforderlich sein; allein der Aufwand dafür, dass man die Studiengebühren-Abschaf­fung mit 1. Jänner 2009 textiert hat und die Verwaltung jetzt wahrscheinlich ein Monat der Studiengebühren an alle Studierenden zurückzahlen muss, ist, glaube ich, nicht bedacht worden; ich weiß nicht, wie das passiert, dass da einige extrem schwere Rechenfehler enthalten sind; ein Volksschüler könnte das bewältigen, Abgeordnete des Nationalrates schaffen das offensichtlich nicht – ist es wichtig, dass wir heute die Abschaffung der Studiengebühren als eine neue Weichenstellung in eine richtige Richtung beschließen, denn die Akademikerrate in Österreich liegt bei 18 Prozent, in der OECD bei 25 Prozent, in Finnland und Schweden bei 34 Prozent, und – kommen wir in das irgendwie gefährlichste aller gefährlichen Länder – im komplett multikulturel­len Kanada bei 44 Prozent. 44 Prozent, meine Damen und Herren! (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Die Studiengebühren in Österreich haben nicht nur 2001 zu einem Rückgang der Studierendenzahlen geführt, sie haben nicht nur zu einer Form sozialer Ausgliederung geführt, sondern sie haben bis heute nur jenen Stand aufholen lassen, der 2001 ge-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 103

herrscht hat. Es gibt in Europa nur zwei Länder, meine Damen und Herren, und zwar Österreich und Frankreich, die im Jahr 2003 weniger Studierende hatten als 1995 – und das sollte uns wirklich alarmieren!

Deshalb, liebe Frau Mag. Eibinger, muss ich Sie heute, was Ihre Hoffnungen, die Sie an die grüne Fraktion gerichtet haben – so gerne ich Hoffnungen auch erfüllen und nicht immer enttäuschen möchte –, leider enttäuschen, hoffe aber, dass wir in anderen Fragen weiterhin eine gute Zusammenarbeit haben. (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

15.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


15.02.50

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Konecny ist nun auch wieder im Plenum. Ich bin sehr froh darüber, denn er hat nach seinen burgtheaterreifen Reden doch oft die Usance gepflegt, sofort hinauszugehen (Bundesrat Konecny: Eröffnen Sie mir eine zweite Karriere?), das Plenum sofort zu verlassen und die übrigen Bundesräte ihrer Diskussion zu überlassen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Konecny.) Herr Professor, ich glaube, Sie brauchen sich bei Bundesminister Hahn keine Sorgen zu machen, ob er das Legalitätsprinzip in seiner Vollziehung einhalten wird.

Herr Professor Berka, Ihnen auch kein Unbekannter, hat nicht minder deutlich geäußert: „Die Abschaffung der Studiengebühren ist sozial wenig treffsicher und kontraproduktiv. Der Antrag hat miserable legistische Qualität.“

Bitte, Herr Bundesminister, Sie dürfen das aufarbeiten, und ich glaube, bei Ihnen ist das auch in besten Händen. Die Kritik ist völlig fehl am Platz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Bezug auf die Studienbeiträge ist Öster­reich nach der Beschlussfassung im Nationalrat das einzige Land unter 46 Industrie­ländern, die sich dem Bologna-Prozess angeschlossen haben, das weder einen Numerus clausus noch fachliche Zugangsbeschränkungen bei einzelnen Studien haben wird. Was das für die Qualität des Studiums bedeutet, kann sich jeder aus­malen. Die Universitäten sind damit auf dem Weg zur Spitze entscheidend zurück­geworfen worden, und ich denke da nicht nur an die Medizinuniversitäten in Graz, Wien und Innsbruck. Wir haben das Problem schon gehabt, und Experten sagen auch voraus, dass die Safeguard-Lösung nicht halten wird, dass wir die Quoten an deutschen Studenten, die wir bis jetzt gehabt haben, nicht werden halten können. Die Erweiterung medizinischer Ausbildungsplätze muss erst organisatorisch und finanziell im Budget abgedeckt werden, um auch in Zukunft eine Qualitätssicherung garantieren zu können. Daran hege ich besonders Zweifel.

Insgesamt kann man, wenn man Pro und Kontra abwägt, doch behaupten, dass die Studienbeiträge ein sinnvolles Steuerungsinstrument waren, das den Universitäten Geld gebracht hat. Wenn nicht vorgesorgt wird – und ich bezweifle angesichts der Budgetsituation, dass diese 500 bis 600 Millionen für die nächsten Jahre tatsächlich bereitgestellt werden –, dann haben wir es in den nächsten Jahren wahrscheinlich mit einem krassen Abfall in der Qualität zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt einen – wie ich sagen möchte – Zeugen dieser Problematik, der, wie ich meine, von unserer Seite aus nicht angreifbar ist, nämlich den Abgeordneten – bald Ex-Abgeordneten Josef Broukal, der im „profil“, Beilage September, auf die Frage: „Warum ist der SPÖ die Abschaffung der Studiengebühren wichtiger als Gratis-Kindergärten?“, geantwortet hat – Zitat –: „Zum


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 104

einen, weil sie schon immer für den freien Uni-Zugang war. Zum anderen haben Studenten im Gegensatz zu Kindergartenkindern einen großen Vorteil: Sie sind Wählerinnen und Wähler. 200 000 Studierende, dann noch deren Eltern: Die SPÖ verdankt ihrer Forderung sicher ein bis zwei Mandate bei der Nationalratswahl 2006.“

„profil“: „Das hört sich aber nicht nach sonderlich hehren Beweggründen an, Herr Broukal. Warum haben Sie die Studiengebührenabschaffung so verteidigt?“

Broukal: „Es war Parteilinie. Ich habe einmal versucht, das intern anzudiskutieren: höhere Stipendien, kostenlose Kredite, bessere Studienbedingungen. Unmöglich. Da wird man sofort zurechtgestutzt. Dabei glaube ich, viele Studierende sagen, sie zahlen lieber 360 Euro pro Semester, wenn sie dafür sicher einen Seminarplatz bekommen. () Die Politik wird immer grundsatzloser ...“ – Originaltext Josef Broukal, für den die Abschaffung der Studiengebühren, wie ich glaube, ein Hauptbeweggrund dafür war, dass er überhaupt ein Nationalratsmandat angenommen hat.

Nach seinem Rücktritt als Wissenschaftssprecher bezeichnet Josef Broukal jetzt die Debatte um die Studiengebühren als bloße Ideologie, wundert sich über seine Partei und bezweifelt, dass Alfred Gusenbauer je Nachhilfe gab. – Zitatende.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann die Diskussion über Studien­beihilfe auch so führen. – Die Fakten schauen natürlich noch dramatischer aus. Seit Einführung der Studienbeiträge ist die Anzahl der prüfungsinaktiven Studenten von 40 Prozent im Jahr 2001 auf 15 Prozent im Jahr 2007 gesunken. Die durchschnittliche Studiendauer wurde schon erwähnt. Der Trend zu höherer Bildung dauert an. Noch nie gab es so viele Erstzugelassene zum Studium, noch nie gab es so viele Absolventen.

Herr Kollege Schennach, der Sie immer die OECD-Quote an Akademikern in Öster­reich anzweifeln: Unsere Zahlen sind natürlich statistisch nicht geschönt wie in anderen Ländern, wo sämtliche Lehrer in der Akademikerquote enthalten sind. Bei uns sind, wie wir alle wissen, die Pflichtschullehrer nicht in der Akademikerquote enthalten; vielleicht ist das eine Zukunftssituation. Aber in einem bereinigten Vergleich steht Österreich bei Gott nicht schlechter da als andere europäische Industrieländer. (Bundesrat Konecny: Bei Gott vielleicht ja, in der Bildung nein!)

Die Aufwendungen des Bundes für die Studienförderung wurden in diesem Jahrzehnt beinahe verdoppelt. 2000 waren es 105 Millionen €, 2008 stehen wir bei 200 Mil­lionen €. Die Mittel für Leistungs- und Förderstipendien wurden von zirka 2 Millionen auf rund 8 Millionen vervierfacht. Im Jahr 2007 erhielten rund 48 000 Studenten aus sozialen Gründen eine Studienförderung; 2001 waren es 34 000. – Und da behaupten Sie, die Studiengebühr verhindert eine höhere Zahl an Studenten an der Universität aus finanziellen, materiellen Gründen?! (Bundesrat Konecny: Ja!) Also das ist damit, glaube ich, eindeutig widerlegt. (Bundesrat Konecny: Nein!)

Es gibt kein Hindernis, das Studienfördersystem auch in Zukunft weiter auszubauen. Österreich ist aufgrund der Qualität des Angebotes, Herr Professor, aber auch wegen der moderaten Studienbeiträge bis jetzt ein attraktives Land für ausländische Studie­rende. Rund 50 000 – etwa 21 Prozent der zirka 234 000 Studenten – kommen aus dem Ausland. Dass jene aus den EU-Ländern in Zukunft keine Studienbeiträge mehr bezahlen und vielleicht mit dem Steuergeld des „kleinen Mannes“, den Sie so oft in Anspruch nehmen, steuerfinanziert gratis in Österreich studieren, das müssen Sie mit Ihrer Klientel in Zukunft klären. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Werden wir machen!)

15.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 105

15.10.16

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Perhab, ich bin mir nicht immer sicher, ob es gut ist, das „profil“ als Zeugen anzurufen. Ich habe jetzt wenig Grund, Kollegen Broukal zu verteidigen, aber wir wissen aus eigener Erfahrung: Nicht immer stimmt alles, was im „profil“ steht! Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir der SPÖ im Laufe der letzten zwei Jahre mehrmals die Gelegenheit gegeben haben, der Abschaffung der Studiengebühren zuzustimmen, und das letzte Mal hat Kollege Broukal, weil das wieder nicht zustande kam, das zum Anlass genommen oder zumindest als Grund vorgegeben, nicht mehr für den Nationalrat zu kandidieren. Das heißt, wir haben hier zwei einander wider­sprechende Seiten ein und derselben Person, und jetzt können wir uns ausschnapsen, welche davon die richtige ist; aber der Kollege wird es ja wohl selber wissen.

Bei der ÖVP hat sich jetzt offensichtlich so ein bisschen der Nebel des Vergessens oder der Schleier des Vergessens über das Jahr 2002 gelegt, denn die Einführung der Studiengebühr im Jahr 2002 war eine rein budgetäre Maßnahme. Man hat vorgehabt, den Unis Geld wegzunehmen, das Budget zu kürzen. Irgendwoher – da das Geld nicht auf Bäumen wächst – musste das Geld kommen, also ist man auf die Idee verfallen, Studiengebühren einzuheben. So wie Sie das jetzt darstellen, nämlich das wäre eine ideologische Festlegung, das hätten Sie immer schon so gesehen, dass das richtig ist, stimmt das nicht. Erinnern Sie sich: Es war eine Maßnahme rein für das Budget!

Kollegin Eibinger muss ich fragen, woher sie das hat, dass jeder Uni-Absolvent ein potenzieller Großverdiener ist. (Bundesrat Perhab: Besserverdiener! – Bundesrat Konecny: Sie hat „Großverdiener“ gesagt!) Schauen Sie sich bitte die Uni-Absolventen an, schauen Sie sich deren Gehaltszettel an, sie bekommen wirklich sehr wenig. Einige davon – und das ist auch gut so, wenn jemand Leistung erbringt und sich engagiert – werden irgendwann zu Großverdienern. Wir beglückwünschen jeden dazu, wir missgönnen es niemandem, aber es ist nicht so, dass dann, wenn man ein Uni-Studium abgeschlossen hat, auch gleich das Geld zu fließen beginnt – nicht sofort und auch nicht übermorgen. (Bundesrätin MMag. Eibinger: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Selbstverständlich ist es auch so, dass mittlerweile viele neben ihrem Studium arbeiten müssen. Wir reden nicht mehr von jener Gruppe, die ihr Taschengeld aufbessern will und nebenbei ein bisserl kellnern geht. Ich habe natürlich nichts dagegen, auch gegen die Kellnerei nicht, meine Tochter hat das auch gemacht. Es sind zwar Dinge, die mit dem Studium nichts zu tun haben, aber durchaus auch lebensbildend sein können. Es schadet nicht, wenn man auch einmal eine Leistung mit der Hände Arbeit erledigt und selbst am eigenen Leib verspürt, wie es anderen geht, weil dann später einmal vielleicht auch das Verständnis dafür ein größeres ist, aber es sollte nicht die Regel sein, dass man sich Geld verdienen muss, um die Studiengebühren überhaupt zahlen zu können.

Für uns schon auch ein Grund, für die Abschaffung der Studiengebühren zu plädieren, war, dass es 2002 bei deren Einführung eine Nebenabsprache gab, wonach es keine Zugangsbeschränkungen geben wird. Das, wie wir mittlerweile ja wissen, hat sich grundlegend geändert. In sehr vielen Bereichen haben wir heute Zugangs­beschrän­kun­gen. Die Tests, gerade im medizinischen Bereich, sind kein Garant dafür, dass jemand tatsächlich ein guter Arzt oder eine gute Ärztin wird, nur weil er oder sie die Tests gut bestanden hat. Da scheint es mir doch wesentlich sinnvoller zu sein, dafür einzutreten, dass jemand, der etwas Bestimmtes studieren möchte, das auch tun kann. Manche kommen im Laufe ihres Studiums drauf, und zwar relativ bald, dass das nicht


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 106

das Geeignete für sie ist. Das weiß man aber nicht, wenn man einen Test bestanden hat, auf den man womöglich auch noch hintrainiert hat. Wir haben ja gehört, dass es jetzt schon Trainingseinheiten gibt, um den Aufnahmetest für die Medizin-Uni zu bestehen. Das geht ja nun wirklich völlig am Sinn der Sache vorbei.

Auch die Angst des Herrn Bundesministers, dass dann die Qualität bei den Medizinern sinken würde, kann ich nicht nachvollziehen. Erstens ist im Uni-Paket durchaus auch dafür Sorge getragen worden, dass es auch mehr Vorziehprofessoren gibt, und zweitens ist das ein Ruf, den ich von den Lehrern kenne. Jahrelang hat man, vor allem in Wien, den künftigen Lehrern oder solchen, die es werden wollten, gesagt: Werdet ja nicht Lehrer, macht ja kein Lehramtsstudium, wir brauchen keine Lehrer, ihr bekommt keinen Job! – Was ist jetzt? 1 600 – da schwanken die Zahlen ein bissen, je nachdem, wie man sie sehen will – bis 2 000 Lehrer werden gebraucht, weil viele in Pension gegangen sind. Jetzt steht Wien vor der Situation – so schön es auch ist, dass auch Leute aus den Bundesländern kommen, aber eigentlich wollen auch die bei sich daheim unterrichten können –, die Lehrer von anderswo herzuholen, weil wir nicht für Nachwuchs gesorgt haben.

Das, sage ich Ihnen, wird über kurz oder lang bei den Ärzten genau das Gleiche sein. Wir werden noch mehr Ärzte brauchen, es werden nicht weniger werden. Wir haben die Problematik der Pflege, wir haben die Problematik der Alten, die auch kränker werden, wir haben die Zuwanderung, also wir haben wirklich genug zu tun. Meine Sorge ist wirklich, dass wir irgendwann zu wenig Ärzte ausgebildet haben werden und dass das alles ganz furchtbar werden wird.

Auch gut an diesem ganzen Paket – es geht ja nicht nur um die Studiengebühren – ist, dass sich in Bezug auf das Dienstrecht des Uni-Personals jetzt endlich auch einmal etwas bewegt, denn das Dienstrecht, das ein Übergangsdienstrecht war, sollte in einen Kollektivvertrag übergeleitet werden. Dieser Kollektivvertrag ist jetzt schon seit längerer Zeit zwischen den Sozialpartnern, wie das auch geplant war, ausverhandelt, aber bis jetzt ist der Finanzminister auf der Bremse gestanden und hat gesagt: Nein, dafür gibt es kein Geld! Ich glaube, das Uni-Personal kann froh sein, dass damit jetzt auch eine gewisse Rechtssicherheit stattfindet.

Bei den Fachhochschulen finde ich es auch gut, dass man pro Studierenden erhöht, denn auch hier hat es keine Wertanpassung gegeben. Die Fachhochschulen können Studiengebühren einführen, müssen es aber nicht tun. Das heißt, wir können jenen Maturanten oder auch jenen, die sich erst später dazu entschließen, helfen, auf eine Fachhochschule zu gehen, weil es eben keinen Zwang gibt, Studiengebühren einzu­heben.

Dass wir in Zukunft auch auf ein Uni-Budget kommen wollen, das 2 Prozent des BIP betragen soll – dazu gibt es übrigens einen Fünf-Parteien-Antrag, da war also auch die ÖVP dabei –, dazu kann ja wohl jetzt niemand sagen, dass das nicht gut ist, wenn man den Unis Geld gibt, denn eines ist trotz der Studiengebühren nicht eingetreten, das ist Ihnen nicht gelungen: Die Situation der Studenten ist nicht überall verbessert worden, und es standen viele Studenten nach wie vor vor dem Problem, zwar Studiengebühren zu bezahlen, aber immer noch Schwierigkeiten mit den Prüfungsterminen zu haben. Mit dem Besuch eines Seminars, das man unbedingt braucht, um zu einer Prüfung antreten zu können, hapert es nach wie vor. Mit dem Baulichen ebenso, an der Hauptuni hängen noch teilweise die Kabel von der Decke. – Und dafür zahlt der Student beziehungsweise dessen Eltern 363 € pro Semester? Das kann es wirklich nicht sein!


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 107

Daher sagen wir: Es ist gut, dass die Universitäten jetzt Geld in die Hand bekommen. Sie werden dann hoffentlich auch für einen geregelten, ordentlichen und für jedermann zugänglichen Studienbetrieb insgesamt sorgen. (Beifall des Bundesrates Herbert.)

15.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schnider. – Bitte.

 


15.18.54

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich gebe Herrn Kollegem Konecny recht: Es handelt sich hiebei auf der einen Seite um ein Symbol, und auf der anderen Seite – da hat er wohl recht – geht es um ideologische Gründe. Ich denke, dass es in einer Demokratie auch sehr wichtig ist, dass wir unterschiedliche Meinungen haben und dass wir diese unterschiedlichen Meinungen auch da oder dort – das ist ja nichts Schlechtes – über bestimmte ideologische Diskussionen austragen.

Sie sagen hier, Ihnen und Ihrer Fraktion ist es wichtig, dass im Grunde alle alles be­kommen sollen, alle studieren können sollen – jawohl, das ist auch unsere Meinung –, alle ohne Studienbeitrag studieren könne sollen – das ist Ihre Meinung –, alle, egal, ob das ein Kind ist von jemandem, der ein Besserverdiener ist, oder von jemandem, der wirklich Unterstützung braucht. Ich sage das jetzt einmal so, wie ich darüber denke, wie ich das vorhin gehört habe.

Unsere Meinung – wenn man das schon ideologisiert – ist jene, dass wir hier einen Unterschied machen wollen, nämlich zwischen denjenigen, die es sich in diesem Staate leisten können, dass sie selbst für ihre Kinder einen Beitrag leisten, und denjenigen, die das nicht können. Und hören wir bitte endlich auf, von Studien­gebüh­ren zu reden! Es handelt sich, so wie es überall im Gesetz steht, um Studienbeiträge. Das heißt, es trägt jemand etwas bei. Und ich sage jetzt ganz ideologisch: Jawohl, ich bin der Meinung und wir sind hier der Meinung, dass, wenn jemand es sich leisten kann, er dann bitte – ich sage es jetzt als Theologe – um Himmels willen auch einen Beitrag leisten soll.

Für diejenigen, die sich diesen Beitrag zu entrichten nicht leisten können – und da muss ich jetzt schon auch etwas sagen, und das haben auch meine Vorrednerinnen und -redner schon sehr deutlich gemacht; ich brauche das nur mit ein paar Stichworten zu wiederholen –, muss dieser Beitrag von woandersher gezahlt werden. Und da ist in den letzten Jahren sehr viel passiert.

Ich möchte Ihnen hier auch ganz ehrlich sagen: Es war auch für uns Steirer, um das einmal so zu sagen, ganz selbstkritisch, nicht ganz einfach, als im Jahr 2000, eine Woche vor der Landtagswahl, über Studiengebühren beziehungsweise Studienbeiträge diskutiert wurde, aber es hat damals Landeshauptfrau Waltraud Klasnic sofort gesagt: Wenn Studienbeiträge eingeführt werden, dann ist es aber wichtig, dass wir einen Fonds oder etwas Adäquates anbieten, damit wirklich jeder, der studieren will, auch studieren kann!

Genau durch solche Impulse aus unserer Fraktion heraus sind es dann im Grunde acht Jahre geworden, in denen die Studienförderungen um das Doppelte erhöht worden sind, das heißt von 100 Millionen auf 200 Millionen. Wie ich vom Ministerium höre, werden gar nicht alle Studienförderungen, die eigentlich möglich wären, genützt. Das ist das eine.

Das Zweite ist Folgendes, und das scheint mir schon ganz wichtig zu sein, weil es auch angesprochen worden ist, etwa von Stefan Schennach: Ich glaube, wir sollten


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 108

wirklich mit den Zahlen so umgehen, dass wir uns nicht selber vorhalten müssen: Ich glaube nur an die Statistik, die ich selber gefälscht habe!, denn wir wissen ganz genau, dass das mit den Akademikerquoten in anderen Ländern von der Zählung her ein bisschen anders läuft. Da werden die HTL-Abschlüsse dazugerechnet, da sind auch die Fachhochschulen schon früher eingeführt worden. Also ich bitte schon darum, dass wir da ehrlich sind und die Zahlen korrekt zusammenrechnen, denn gerade jetzt sind wir da auf einer unwahrscheinlich großen Aufholjagd, wenn ich das so sagen darf, was Fachhochschulen betrifft, was die tertiären Abschlüsse betrifft. Diesbezüglich ist in den letzten Jahren in diesem Ministerium sehr, sehr viel geschehen.

Zu einem weiteren Punkt, und das wundert mich ein wenig bei uns allen hier, ich bin wirklich verwundert – das hat auch Franz Perhab angesprochen; ich habe die Briefe von den Rektoren ebenfalls bekommen, und ich kenne alle diese Rektoren persönlich, das sind wirklich sehr ehrenwerte Personen, denen es wirklich nicht darum geht, irgendwelche Parteipolitik zu betreiben –: Wir alle haben gemeinsam die Hochschulen, die Universitäten in die Autonomie entlassen, und jetzt gehen wir her, ohne dass wir diejenigen, die quasi autonom sind, als Betroffene in gewisse Entscheidungsprozesse mit hineinnehmen, und entscheiden über ihre Köpfe hinweg. Das halte ich demo­kratiepolitisch – da geht es mir jetzt gar nicht um für oder wider Studienbeiträge und was auch immer; und wir haben schon öfter hier darüber diskutiert, gerade wir als Länderkammer –, also das halte ich demokratiepolitisch für äußerst problematisch, noch dazu, wenn uns die Rektoren Briefe schreiben, in denen sie wirklich klar und deutlich auf die Folgen dieser Beschlussfassung hinweisen.

Die Folgen für die Studierenden an den Medizinischen Universitäten beispielsweise sind schon angesprochen worden. Da bin ich sehr dankbar dem Herrn Ministerialrat Stangl, der uns im Ausschuss wertvolle Informationen gegeben hat, und ich bin wirklich seit vorgestern noch mehr ins Denken gekommen und habe mich gefragt: Wie wird denn das jetzt weitergehen?

Es sind hier Zahlen gebracht worden, zu denen schon etwas gesagt werden muss. Herr Kollege Kalina hat das aufgelistet und die Kosten mit rund 2,3 Milliarden € beziffert und gesagt: Wir stimmen da auch bei dem und dem zu!

Ich möchte hier nur klarstellen: Was wir heute hier beschließen, bedeutet nicht nur die 2,35 Milliarden €, sondern wesentlich mehr, denn wenn es stimmt, dass dann allein aufgrund der Ausweitung der Studienplätze an der Medizinischen Fakultät 900 Studie­ren­de mehr da sein würden und wir quasi noch einmal so eine große Fakultät bräuchten wie die in Wien, dann bedeutet das Einrichtungskosten von ein paar Millionen oder sogar Milliarden.

Warum ich „Milliarden“ gesagt habe: weil das angeblich, nach den Papieren, die mir hier von Rektoren vorliegen, und zwar unter anderen von Herrn Professor Smolle aus Graz, Rektor der Medizinischen Universität, im Jahr weitere 300 Millionen € kosten wird. Ich betone: Im Jahr! Rechnen wir das jetzt mal fünf oder mal sechs, sind wir schnell bei der nächsten Milliarde! Ich bitte hier wirklich – wobei ich manchmal sehr dafür bin, dass man die Kirche auch aus dem Dorf hinausträgt – die Kirche im Dorf zu lassen, denn das würde für uns in Zukunft einen wirklich unglaublichen Mehrbedarf bedeuten.

In Richtung der Freiheitlichen möchte ich jetzt Folgendes sagen: Sie machen sich mit Ihren Mandataren zurzeit besonders stark, immer zu betonen, es seien viel zu wenig Studierende aus Deutschland da, und, und, und. Jetzt frage ich Sie: Wie schaut das konkret aus? (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat niemand gesagt! Wer soll das gesagt haben?) Von Ihrer Seite kommt stark, es würden bei uns zu wenig Deutsche studieren und da müsste man die Studienplätze erweitern. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 109

niemand gesagt!) Das haben Sie jetzt hier nicht gesagt, aber zum Beispiel Ihre Kollegen im Nationalrat haben das sehr deutlich gesagt.

Sie von der FPÖ haben doch großartig plakatiert, dass Österreich zuerst kommt. Smolle äußert – nicht parteipolitisch – in seinem Schreiben an uns steirischen Bundes­rätinnen und -räte, dass das Problem gegeben sein wird, dass wir, wenn wir so eine Fakultät nicht einrichten, wenn es mehr Studierende gibt, wenn es eine Aufstockung der Studienplätze gibt, dann den Bedarf an Ärzten in Zukunft für Österreich nicht mehr decken können.

So, und jetzt sage ich noch etwas, was das Studium betrifft, weil hier immer geredet wird von den letzten Jahrzehnten ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Frau Kollegin Mühlwerth, Sie werden schon bemerkt haben, dass ich immer alle Redner ausreden lasse, und ich bin immer froh, wenn sich jemand danach zu Wort meldet. – Ich möchte hier nur festhalten, dass das Medizinstudium – und das sollten wir hier auch bedenken; wir haben es im Ausschuss angesprochen – sich gerade in den letzten Jahren, seit 2000, wesentlich verändert hat, und zwar genau in Richtung Praxisorien­tierung: das ist heute schon einmal angesprochen worden. Selbstverständlich stimmt das, was vorhin hier gesagt worden ist, nämlich, dass noch lange nicht gesagt ist, dass, wenn einer die Aufnahmsprüfung geschafft hat, er ein guter Mediziner wird.

Was haben jetzt die Medizinischen Fakultäten gemacht? Sie haben sehr viele Praxis­teile im Studienverlauf nach vorne geholt. Sie brauchen also dementsprechend viele Praxisplätze, und dieser Bedarf an Praxisplätzen bedeutet bei einer Aufstockung der Studienplätze lange Wartelisten. Und da kommen dann schon ein paar Fragen dazu, was die Legistik, die legistische Formulierung in diesem Gesetz betrifft. Ja, bitte, wie schaut denn das jetzt aus? Was ist mit denen, die auf einen Praxisplatz warten müssen und ein, zwei Semester versäumen? Müssen die dann trotzdem den Studienbeitrag zahlen, oder zahlen die dann nicht? Und so weiter. – Lauter Fragen, die nicht von mir jetzt aufgeworfen werden, sondern die effektiv aus den Verwaltungsinstitutionen der jeweiligen Fakultäten und Universitäten kommen. Und da frage ich mich schon: Wie gehen wir in Zukunft damit um?

Bei der Einführung der Studienbeiträge wurde von unserer Seite sofort und ganz klar gesagt: Wir brauchen dazu Förderungen, die garantieren, dass wirklich jeder studieren kann! Ich möchte mich da Barbara Eibinger anschließen und Sie jetzt konkret fragen: Können Sie mir ein paar Beispiele bringen, wo in Österreich ein junger Mensch aufgrund der Studienbeiträge nicht studieren konnte, weil alle sozialen Abfederungen und Förderungsmöglichkeiten für ihn effektiv nicht zum Tragen gekommen sind, er davon also nicht erfasst wurde?

Das würde mich jetzt wirklich interessieren. Ich wäre nämlich sehr erstaunt, wenn dem so wäre, denn das Ergebnis einer GfK-Umfrage besagt, dass selbst diejenigen, die von den Studienbeiträgen betroffen sind – im Grunde über 60 oder 70 Prozent –, sehr einverstanden damit sind, dass es diese gibt, und auch das elterliche Umfeld damit sehr einverstanden ist, und dass auch diejenigen, die kein Studium machen, und zwar gerade diejenigen, die sich ganz der Lehre verschrieben haben – was ganz wichtig ist; und ich möchte auch sagen, dass ich es sogar für sehr wesentlich halte, dass ein Student kellnert, denn dabei kann er wesentliche soziale Kompetenzen erwerben, viel mehr als in zehn Jahren an der Universität, und deshalb halte ich es für gar nicht so unwichtig, dass man auch so etwas bedenkt –, zu über 81 Prozent sagen, dass Studienbeiträge sehr wohl gerechtfertigt sind, weil sie ihre Meisterprüfung – Gottfried Kneifel hat es angesprochen – auch selber finanzieren müssen.

Nun komme ich zu einem Punkt, bei dem ich mich insbesondere an die Grünen wenden möchte: Ich bin ein bisschen verwundert, warum aus diesem Gesetz so


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 110

manches herausgefallen ist. Wahrscheinlich ist das in der Schnelligkeit, in der es zustande gekommen ist, passiert. Daher sage ich: Ich kann schon alleine deswegen da nicht mitgehen, weil für mich alles auch ein bisschen von der Formulierung abhängt. Sie sagen, dass ich kein Jurist bin, aber ich habe Sie schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass manche Dinge schon etwas merkwürdig formuliert sind, vor allem nicht nur grammatikalisch nicht stimmen – weil Kollege Konecny von Beistrichen gesprochen hat –, sondern auch Fallfehler und Ähnliches enthalten. Das möchte ich jetzt nicht extra vorlesen, weil ich schon meine Redezeit überschritten habe.

Aber, und das sage ich hier in aller Deutlichkeit: Wenn das Flüchtlingskommissariat hier in Österreich ähnliche Appelle richtet wie der schon angesprochene Appell von unserem Herrn Bundesminister und wenn im alten Gesetz eindeutig steht, dass die Konventionsflüchtlinge studienbeitragsbefreit sind – das steht dort wortwörtlich drinnen –, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum steht das im neuen Gesetz nicht mit diesen Worten drinnen? (Bundesrat Ing. Einwallner: Das stimmt nicht! Das haben wir im Ausschuss schon diskutiert!) – Ja, das haben wir schon diskutiert. Nur, darf ich es hier noch einmal sagen? – Ich habe mich da jetzt wirklich erkundigt. Lieber Herr Kollege, ich würde Sie bitten, dass Sie mich dann nachher aufklären. Ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür, denn nach meinen Recherchen hat sich Folgendes ergeben – und der Verfassungsrechtler Mayer hat nicht nur einen Kom­mentar darüber verfasst, sondern hat dazu auch etwas gesagt –, und das ist schon interessant: Wenn man die zwei Gesetzestexte miteinander vergleicht, dann sieht man, dass in einem Gesetz eindeutig drinnen steht, dass nach Punkt 4 im § 92 (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Einwallner) – Entschuldigung, darf ich ausreden, damit ich nicht noch länger meine Zeit beanspruche!; Sie kommen ja dann ohnehin zu Wort – die Konventionsflüchtlinge eindeutig vom Studienbeitrag befreit sind, dass aber im neuen Gesetz nur drinnen steht: Alle, die aufgrund eines völkerrechtlichen Ver­trages befreit sind.

Es ist dort offensichtlich die Genfer Menschenrechtskonvention angesprochen; das meint auch der Vertreter vom Flüchtlingskommissariat. Es ist ein ganz bestimmter Artikel angesprochen, nämlich Artikel 17. Und genau dieser Artikel 17 ist zwar von Österreich ratifiziert worden, aber mit Vorbehalt. Das heißt, wenn man dem jetzt juristisch genau auf den Grund geht, könnte man unter Umständen daraus interpre­tieren, dass bestimmte Konventionsflüchtlinge unter bestimmten Bedingungen Studien­beiträge zahlen müssen, weil das Wort „Konventionsflüchtling“ nicht im gleichen Zusam­menhang im neuen Gesetz steht. Jetzt haben wir noch den großen Mangel in diesem Gesetz, dass nicht geklärt ist, wer das praktisch exekutieren soll, nämlich ob diese Gruppe befreit ist oder nicht. Der Rektor, das Rektorat! – Jetzt fragen die sich natürlich – und das steht auch in den Briefen drinnen –, wie sie das alles verwalten sollen, wie sie das alles machen sollen.

Da frage ich mich jetzt schon und auch Sie alle, gerade Sie von der Fraktion der Grünen, weil ich genau weiß, dass Sie in der Richtung sehr hellhörig und aufmerksam sind: Warum wollen Sie einem Gesetz freien Lauf lassen – mehr haben wir jetzt hier ja nicht zu tun –, in dem eine Gruppe von Menschen, die wirklich da und dort benach­teiligt ist, nicht wortwörtlich im Gesetz steht. Ich möchte wissen, warum das in dem Gesetzesvorschlag, der hier vorliegt, über den wir heute hier debattieren, nicht mehr steht, während es im alten Gesetz sehr wohl steht.

Das heißt, das geht weit über die Studienbeitragsdiskussion hinaus und betrifft auch andere komplexe Themen, über die wir uns hier unterhalten müssten. Wenn wir dem aber jetzt einfach freien Lauf lassen und nicht sagen: Man hat sich in der neuen Legislaturperiode ordentlich und vernünftig damit auseinanderzusetzen, vor allem mit


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 111

den Betroffenen!, dann dürfen wir uns in einigen Jahren nicht fragen, warum das so ist. Ich möchte dann nicht erleben, dass dann hier jemand sagt: Na ja, das war so und so!

Nichts ist so und so! Ich glaube, wir haben uns heute gegenseitig aufgeklärt. Wie jeder hier abstimmt, das ist seine eigene Sache, aber seine Meinung sollte sich wohlweislich nicht nur auf ein Ja oder ein Nein zu den Studienbeiträgen reduzieren, denn dieses Thema ist komplexer. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


15.35.09

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Anders als Herr Schnider, der hier dunkle Wolken zeichnet, finde ich diesen Beschluss natürlich sehr erfreulich, und es ist wenig überraschend, dass ich mich über den heutigen Tag beziehungsweise über die Änderung des Studienförderungsgesetzes sehr freue, denn aus unserer Sicht wird eine Maßnahme zurückgenommen, die wir von Beginn an abgelehnt haben, die wir nie wollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich zu Beginn auch all jenen danken, die diese Maßnahme von Anfang an außerparlamentarisch bekämpft haben: den Jugendorganisationen, den Studentin­nen und Studenten. Ein herzliches Dankeschön für Ihre Unterstützung in den letzten Jahren! Ich bin froh, dass wir heute diesen Beschluss fassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch, damit ich es nicht vergesse, gleich zu Beginn dem Kollegen Schnider nochmals – und ich sage: nochmals, weil ich gedacht habe, wir hätten das schon im Ausschuss geklärt – sagen: Ich habe Ihnen das Gesetz schon im Ausschuss vor­gelesen! Aber es ist kein Problem, ich lese es Ihnen noch einmal vor. Schön wäre es gewesen, wenn Sie die letzten 48 Stunden dazu genutzt hätten, selbst nachzulesen, Herr Kollege Schnider. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dann schauen wir halt jetzt nach! Es steht drinnen unter „Erlass und Rückerstattung von Studienbeiträgen“, und zwar unter dem Punkt betreffend „Konventionsflüchtlinge“: „Über den Antrag auf Erlass des Studienbeitrages entscheidet das Rektorat.“

Weil Sie gefragt haben, warum die Konventionsflüchtlinge nicht drinnen stehen, darf ich Ihnen Folgendes vorlesen:

„Studierende, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, EU-Bürger sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages (wie z.B. der Kon­vention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl.Nr. 55/1955) “ – Es steht drinnen, Herr Kollege Schnider, Sie müssen sich um diese Gruppe keine Sorgen machen. (Bundesrat Weiss: Aber dieser Vertrag hat einen österreichischen Vorbehalt gehabt! Das wissen Sie doch!) Ich halte es für nicht richtig, wenn Sie hier wiederholt etwas schüren, was dann tatsächlich nicht zutreffen wird. (Bundesrat Weiss: Und wie ist das mit dem Vorbehalt? Erklären Sie das einmal!) – Im Ausschuss hat die ÖVP ja schon versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass die Universitäten an die Wand gefahren werden. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie fahren die Universitäten an die Wand! – Bundesrat Weiss: Wie ist das jetzt mit dem Vorbehalt?)

Meine Damen und Herren, es würde sich heute wahrscheinlich kein anderes Thema besser eignen, die Wahlkampfrhetorik, die es in den letzten Wochen gegeben hat, vorzuführen. Ich habe es nicht vor, meine Damen und Herren, aber ein Bild zu zeichnen, wie es von Seiten der ÖVP gemacht wurde, halte ich für unverantwortlich. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 112

Meine Damen und Herren, Sie wissen ganz genau, dass den Unis der Entfall der Studiengebühr ersetzt wird. Der Studienbeitragsersatz entwickelt sich nach der Zahl der Studierenden. Den Universitäten werden zusätzlich auch die Mehrkosten rück­erstattet, die sich durch die Aufhebung der Zugangsbeschränkungen ergeben. (Ruf bei der ÖVP: Hoffentlich!) Also, es kommt hier nicht zu der von Ihnen skizzierten Lage, wie Sie sie hier so gerne aufzeigen.

Herr Schnider, Sie haben die Fachhochschulen angesprochen. Die Mittel für die Fach­hochschulen werden um 34 Prozent erhöht. Das haben Sie leider in Ihrer Rede zu erwähnen vergessen. Ihre Rede war lang, aber auch Sie haben die positiven Aspekte dieses neuen Gesetzes zu erwähnen vergessen.

Es handelt sich hier um eines der größten Ausbau- und Finanzierungsprojekte für unsere Universitäten, meine Damen und Herren. Die Universitäten werden in den nächsten Jahren räumlich und auch hinsichtlich der technischen Ausstattung fit gemacht, um international zu den besten Universitäten zu gehören. (Bundesrat Dr. Schnider: Steht das im Gesetz?)

Herr Kollege Schnider, es steht im Gesetz (Bundesrat Konecny: Herr Kollege Schnider, es gibt Zwischenrufe, die unter Ihrer Würde sind!), dass es zusätzliche Mittel geben wird, es steht drinnen, dass es einen Ersatz geben wird, genau so, wie ich es jetzt gesagt habe. Und es wird unsere Verantwortung sein, die Verantwortung von uns allen, dass diese Finanzierungsprojekte und auch der Ausbau und die Modernisierung der Universitäten durchgeführt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Position, meine Damen und Herren, war in dieser Frage immer ganz klar. Und ich bin froh, dass Frau Kollegin Eibinger hier heraußen gesagt hat: Das ist ja eine ideologische Frage! Um Gottes willen, das ist ja eine ideologische Frage! – Ja, es ist eine ideologische Frage, und unser Standpunkt ist: Wir sind für einen freien Zugang zu den Universitäten!

Wir werden die Studiengebühren deshalb abschaffen, weil sie seit einigen Jahren tatsächlich – und da sind wir ganz unterschiedlicher Meinung – eine Barriere beim Zugang zu den Hochschulen darstellen (Bundesrat Dr. Kühnel: Waren Sie je auf einer Universität, Herr Kollege? – Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar nicht nur für die unteren sozialen Schichten, nein, auch tief in den Mittelstand hinein. Lassen Sie mich das mit der einen oder anderen Zahl unterlegen.

26,7 Prozent der Studierenden aus mittleren Schichten – Frau Kollegin Eibinger, das kommt aus genau dem Bericht, den Sie im Ausschuss schon zitiert haben und den Sie auch hier wieder gebracht haben – bekommen die Studienbeiträge teilweise refundiert. Das bedeutet, für drei Viertel des so oft zitierten Mittelstandes stellen die Studien­gebühren ganz klar eine Belastung dar. Die Studiengebühren für drei studierende Kinder betragen über 2 000 € pro Jahr. Man kann natürlich sagen, dass das keine Belastung für eine Familie ist, aber ich meine: Genau daran erkennt man die Unterschiedlichkeit des ideologischen Standpunktes!

Wir sagen natürlich, weil wir die Situationen kennen, dass das unsere Familien belastet. Wenn jemand drei Kinder hat, die studieren, und 2 000 € an Studiengebühren beziehungsweise Studienbeiträgen zu zahlen sind, dann ist das ganz klar eine Belastung. (Bundesrat Edgar Mayer: Wie viele haben drei Kinder, die studieren?) Das entspricht einem mittleren Nettoeinkommen einer Familie, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.)

Es ist auch so, dass 60 Prozent der Studierenden arbeiten müssen. 80 Prozent dieser 60 Prozent, die arbeiten, geben in der Studie zur sozialen Lage der Studierenden in Österreich an, dass sie deswegen arbeiten müssen, damit sie ihr Leben positiv


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 113

gestalten können. (Bundesrat Dr. Kühnel: Haben Sie das alles schon erlebt, Herr Kollege?) Ja, genau, nicht persönlich erlebt, aber erlebt.

Diese Studie belegt also unsere Bedenken und zeigt auch auf, dass es da wirklich einen Bedarf gibt, zu handeln. Und wir setzen mit der Abschaffung der Studienbeiträge oder Studiengebühren – wie auch immer Sie wollen – einen wichtigen Schritt. Leider ist es bis heute so, dass die ÖVP diese Tatsachen negiert und nicht akzeptieren möchte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Edgar Mayer schreit immer besonders laut dazwischen; er ist immer einer der Lautesten. (Bundesrat Mag. Klug: So wie jetzt!)

Lieber Edgar Mayer, es wundert mich, dass du noch keine Vorarlberger Familie getroffen hast, die dir auch diese Problematik geschildert hat; so, wie mir oft und immer wieder berichtet wird. Für die Vorarlberger Familien sind nicht nur die Studiengebühren ein Thema, sondern unsere Familien sind, wie du ganz genau weißt, noch einmal belastet, da sie für ihre Kinder auch einen Wohnraum in Innsbruck, in Wien oder in Salzburg schaffen müssen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und das belastet die Familien zusätzlich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Kollege Perhab, eine kurze Replik auf Ihren Debattenbeitrag – lesen wir es nachher im Stenographischen Protokoll nach –: Die Studiengebühren waren eine sinnvolle Steue­rungsmaßnahme! – So Perhab. – Ja, dann gratuliere ich. Was wollen Sie denn steuern? – Wir wollen den Zugang zu den Universitäten für alle jungen Menschen, Sie jedoch wollen ihn nur für Eliten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres „Schmankerl“ von Frau Eibinger war, dass die Studienbeiträge eigentlich erhöht gehörten. – Na bravo! Da „freue“ ich mich auch, wenn Sie mit dieser Meinung herausgehen (Zwischenruf der Bundesrätin MMag. Eibinger), dass man die Studien­beiträge eigentlich erhöhen könnte, weil sie ja ohnehin niemanden belasten. (Bun­desrat Bieringer: Sie hat da einen ... zitiert! Unterstellen Sie nicht etwas, was sie gesagt haben soll!)

Im Ausschuss wurden und auch hier in der Debatte werden, meine Damen und Herren, die unterschiedlichen Haltungen klar. (Bundesrat Bieringer: Bleibt doch ein bisschen am Boden!) Ich bin froh, dass sie so klar sind, denn es ist eindeutig: Die ÖVP will den Zugang zu den Universitäten beschränken und Eliten fördern, wir hingegen sind für den Zugang zu den Universitäten für alle jungen Menschen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, zum Schluss meines Debattenbeitrages bringe ich folgen­den Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen

Die unterzeichneten BundesrätInnen stellen den Antrag, gegen den im Gesetzes­beschluss des Nationalrates vom 24. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002), das Bundesgesetz über die Organisation der Pädago­gischen Hochschulen und ihre Studien (Hochschulgesetz 2005) und das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992) geändert werden, keinen Einspruch zu erheben.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 114

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesrätinnen und Bun­desräten Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag zum Verhandlungsgegenstand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rausch. – Bitte.

 


15.47.32

Bundesrätin Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar noch nicht Weihnachten – und es war auch vor der Wahl nicht Weihnachten –, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es schön ist, Geschenke zu machen und auch Geschenke zu bekommen. (Bundesrat Schimböck: Investitionen in die Zukunft, Kollegin!) Ich meine jedoch, dass ein Geschenk nur dann „etwas kann“, wenn es nicht nur schön aus­schaut, sondern auch etwas bringt. (Bundesrat Gruber: Ja, das bringt etwas! Das ist eine Investition in die Zukunft! Eine sinnvolle Investition!)

Die Abschaffung der Studienbeiträge aber ist unnötig, unrichtig und ungerecht. Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich dieser Meinung bin.

Die Abschaffung ist unnötig, weil, wer in Österreich studieren möchte, auch studieren kann. (Bundesrat Schimböck: Wer es sich leisten kann!) Das, was von den Befür­wortern dieser Abschaffung betrieben wird, ist eine bewusste – nennen wir es so – politische Unbildung, wenn gesagt wird, es gäbe in Österreich keinen freien Bildungs- und Uni-Zugang. – Das Gegenteil ist der Fall!

Wir haben keinen Numerus clausus. – Kollege Schennach hat vorhin Finnland als Para­dies dargestellt, aber dort gibt es zum Beispiel einen Numerus clausus und Zugangsbeschränkungen. – Wir haben das nicht. Und grundsätzlich haben wir auch, bis auf kurzfristige kapazitätsbedingte Ausnahmen, keine Aufnahmeprüfungen. Es gibt in Österreich den freien Bildungszugang. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Bundesrat Schimböck: In der Medizin?)

Die Zahlen zeigen es: fast 40 Prozent mehr neue Studierende seit Einführung der Studienbeiträge.

Unnötig ist diese Abschaffung auch aus dem Grund, da – weil Sie das immer wieder strapazieren –, wer sich die Studienbeiträge nicht leisten kann, unterstützt wird. Man kann das durch Zahlen belegen. Und das, was Sie sagen, wird nicht wahrer, nur weil Sie es öfter sagen; die Zahlen bestätigen das Gegenteil. Im Jahr 2007 waren es rund 48 000 Studierende, also um 40 Prozent mehr als im Jahr davor, die unterstützt wurden, weil sie sich die Studienbeiträge nicht leisten konnten. Denen wird geholfen, auch wenn Sie immer das Gegenteil behaupten.

Es gibt jetzt auch – und ich bin dem Herrn Minister sehr dankbar dafür, dass es da Veränderungen gegeben hat, mit der Anpassungen an die Praxis vorgenommen wurden – die „mitdenkende Studienbeihilfe“, durch die, wie wir erwarten, um 4 000 bis 4 500 Studierende mehr profitieren werden.

Wenn es irgendwo Nachholbedarf gibt, dann bin ich die Letzte, die sagt: Reden wir nicht darüber! Ich bin mir sicher, auch der Herr Minister ist da zugänglich, das haben wir auch in der Vergangenheit gesehen. Dann justieren wir dort nach, wo Hilfe gebraucht wird, anstatt, wie Sie das gerne machen, die Gießkanne zu füllen und den Inhalt über alle drüberzuschütten. Das ist nicht sozial gerecht.

Die Abschaffung der Studienbeiträge ist auch unrichtig, das heißt, nicht die richtige Maßnahme, um Studierende wirklich zu entlasten, denn wer einmal studiert hat, vor


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 115

allem in Wien, aber auch anderswo, weiß, welche die großen Brocken an Kosten sind. Das sind dank der Unterstützung vieler Bundesländer – auch Wien und Nieder­österreich gehören dazu – nicht mehr die Öffis am Studienort – da hat man geholfen –, sondern zum einen die Mobilität am Wochenende, wenn man nach Hause fahren will – da muss man etwas tun, aber das gehört nicht hierher –, und das Wohnen. Es sind also nicht die Studienbeiträge, sondern die Mobilität und vor allem das Wohnen, denn man gibt dafür in einem Monat gut und gerne deutlich mehr aus, als die Uni im Semester kostet; und da lebt man noch nicht im Luxus.

Wenn man helfen möchte, dann sollte man meiner Ansicht nach auch beim Wohnen etwas machen. Da ist zum Beispiel auch die Stadt Wien gefordert, jene Stadt Öster­reichs, die in Form von Steuereinnahmen am meisten von den Studierenden profitiert, nämlich nicht nur während des Studiums, sondern auch danach, wenn die Absolventen in Wien bleiben, einen Job haben und viel verdienen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Abschaffung der Studienbeiträge ist jedoch nicht nur unnötig und unrichtig, sie ist auch ungerecht. Wenn man jenen – vor allem Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ – zuhört, die der Abschaffung das Wort reden, dann könnte man glauben, dass es in Österreich nur Studierende gibt. Sehr viele junge Menschen schlagen aber andere Bildungswege ein. (Bundesrat Gruber: Wenn man Sie reden hört, glaubt man, Sie sind 80 Jahre alt!) Die ärgern sich zu recht, wenn sie mit ihren Steuerleistungen jene finanzieren dürfen, die studieren, sie selbst aber tief in die Tasche greifen müssen, wenn sie sich weiterbilden wollen.

Dazu nur ein Beispiel: Wenn zum Beispiel eine Friseurin nach ihrer Lehre die Meister­prüfung machen möchte, legt sie 5 000 € hin, grosso modo; ich habe mit ein paar Friseurinnen gesprochen, und das war die Quintessenz. Das kostet fast schon so viel wie fast 14 Semester Studium, also ohnehin schon mehr, als die meisten Studierenden an Beiträgen gezahlt haben oder hätten. Also 5 000 €, wenn man eine Meisterprüfung machen möchte. Sagen Sie mir bitte, ob diese weniger oder mehr wert ist als ein Studium.

Wenn ein Maturant oder ein Büroangestellter nebenbei Kurse macht, um sich weiter­zubilden – auch wir alle in diesem Haus beschwören immer, wie wichtig das Lifelong Learning ist –, wenn er sich nicht nur für die Firma, sondern für sich selbst, für künftige Jobs weiterbilden möchte, muss er das in den meisten Fällen selbst bezahlen.

Und was ist zum Beispiel mit denen – Sie tun immer so, als müssten alle arbeiten –, die nach der Matura arbeiten gehen – auch ich bin diesen Weg gegangen –, sich dann für ein Studium entscheiden und, weil sie Arbeit und Studium unter einen Hut bringen wollen, mehr als zwei Toleranzsemester länger brauchen, aber nicht deshalb, weil sie „owezaht“ haben, wie das oft gesagt wird, sondern weil sie einfach länger brauchen. Die werden zur Kasse gebeten, wenn es nach Ihnen geht, und die anderen nicht.

Also: Die Friseurin, der Angestellte und die Werkstudentin müssen zahlen, nur die Studierenden zahlen nichts. Ich halte das für sehr ungerecht und nicht besonders gescheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Was passiert denn dadurch? – Es werden nicht nur jene begünstigt, die studieren, sondern es wird jenen, die einen anderen Bildungsweg einschlagen, signalisiert, dass ihr Bildungsweg und ihr Lebenskonzept dem Staat, der Öffentlichkeit weniger wert ist. Das ist das Signal, das ankommt. Reden Sie einmal mit den jungen Leuten, die eine Lehre machen. Offenbar sind auch die GewerkschaftsvertreterInnen vonseiten der SPÖ weniger bei den jungen Leuten, von denen sie immer sagen, dass sie sie vertreten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Luftblasen! Luftblasen! Luftblasen! – Bundesrat Gruber: Sie reden wie eine 60-Jährige, nicht wie eine junge Abgeordnete! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 116

Ich rede mit den jungen Leuten, wenn ich unterwegs bin. Sie sagen den Jugendlichen, dass sie weniger wert sind. (Bundesrätin Kemperle: Eine bodenlose Frechheit ist das!)

Was ist das Signal, das Sie geben? – Sie geben das Signal, als wären nur die Studen­ten etwas wert. (Bundesrätin Kemperle: Wo kommt denn das alles her als von den Gewerkschaften – für die jungen Leute!) – Genau. Und was hat ein Lehrling davon, wenn es viele Akademiker gibt? Wir brauchen mehr Facharbeiter und mehr Fach­arbeiter als Akademiker. (Bundesrat Gruber: Sie reden gegen die jungen Leute!)

Ich wünsche mir einfach nur, dass niemand von Ihnen, der diese Maßnahme forciert hat, in Zukunft in Sonntagsreden darüber redet, dass das Image der Lehre verbessert werden soll, denn Taten sagen mehr als Worte. Das merken sich die Jungen. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass wir als Vertreter der Menschen in den Bundesländern – da spreche ich vor allem für die jungen Menschen (Bundesrat Gruber: Das merkt man aber heute nicht!) – das tun sollten, was sich die jungen Menschen von uns erwarten.

Eine Studie, die nicht ich durchgeführt habe, sondern die ich zitieren darf, sagt: 71 Pro­zent der Befragten sind für eine Beibehaltung der Studienbeiträge. (Bundesrat Todt: Sagen Sie mir die Quelle der Studie? – Ruf bei der SPÖ: Junge ÖVP!) Und für mich ist entscheidend: Fast zwei Drittel der bis 29-Jährigen sind für die Beibehaltung und auch fast zwei Drittel der Studierenden. Entscheidend ist vor allem: 85 Prozent der Nichtstudierenden – und für die sollte man auch etwas tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, man braucht keine Studien zu lesen, sondern man muss nur, ich habe es schon gesagt, mit den Leuten reden. Die meisten wissen, was sie von dieser Husch-Pfusch-Abschaffung zu halten haben, die auf Kosten aller nur einige wenige entlastet. (Bundesrat Mag. Klug: War das jetzt der Schluss? – Bundesrat Gruber: Junge Dame, speed kills!) Ich bezweifle, dass das bei den jungen Menschen das Image der Politik hebt, aber die werden sich ihren Reim darauf machen. (Bundesrat Stadler: Wenn sie das hören, schon!)

Ich plädiere dafür, den Antrag der Kollegin Barbara Eibinger zu unterstützen und diese Abschaffung heute nicht durchgehen zu lassen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Kaltenbacher: Ich glaube, diese Rede hat der Missethon geschrieben! – Ruf bei der SPÖ: Seine letzte Rede!)

15.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. – Bitte.

 


15.56.23

Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­si­dentin! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Die Studiengebühren sind weg. Ich gehe einmal davon aus, dass wir das heute feiern werden. Die Barrieren für einen freien Bildungszugang sind weg. Den Universitäten wird auch kein Schaden zugefügt, denn der Entfall wird ersetzt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Universitätsbudgets werden jährlich um 200 Millionen € erhöht, bis 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht sind. Die Zugangsbeschränkungen werden eingeschleift.

Weiters werden endlich die Fachhochschulen besser ausgestattet. Seit dem Jahr 2000 sind da keine Erhöhungen mehr vorgenommen worden. Ziel ist es, die Fachhoch­schulen so zu entlasten, dass keine Studiengebühren mehr eingehoben werden müs­sen und dass sich die Fachhochschulen dies auch leisten können.

Die österreichischen Fachhochschulen können auf eine beeindruckende Erfolgs­ge­schichte zurückblicken. Von 2001 bis 2008 hat sich die Zahl der Studentinnen und Stu-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 117

denten mehr als verdoppelt. Es werden zurzeit 281 Fachhochschul-Studienlehrgänge angeboten.

Weiters wurde im Nationalrat auch ein Entschließungsantrag betreffend Anhebung der Finanzierung der Fachhochschulen um 34 Prozent beschlossen; das sind 68 Mil­lio­nen €.

Da von der ÖVP angeführt wird, dass es nicht notwendig sei, auf die Studiengebühren zu verzichten: In meinem Umfeld – ich selbst bin keine Maturantin – gibt es sehr viele Leute, die die Matura neben dem Job gemacht haben und dann ein Studium absolviert haben. In einem Fall haben dann gleichzeitig Vater, Mutter und Sohn studiert, was mit Studiengebühren nicht funktioniert hätte, denn der Vater – Alleinverdiener – war ein gewöhnlicher Schalterbeamter bei der Post.

Mein Bruder macht zurzeit ein berufsbegleitendes Studium; er hat zwei kleine Kinder. Seine Frau ist Diplomkrankenschwester, hat die Matura gemacht und möchte auch gerne studieren. Für diese Familie wäre es ist eine große Ersparnis, wenn der Studienbeitrag wegfällt.

Ein Freund meines Sohnes studiert an der Uni Wien Jus, wurde krank und schaffte die nächste Prüfung nicht – Stipendium weg, Studiengebühren müssen bezahlt werden. Er hat inzwischen das Jusstudium abgebrochen und überlegt jetzt, ein neues Studium zu beginnen.

Man kennt die Situation, wenn man sich umhört und auch mit den Jungen spricht. Frau Rausch hat gesagt, dass wir uns nicht mit den Jungen abgeben, aber das ist nicht der Fall. Ich weiß, die jungen Leute wollen sich weiterbilden, wollen auch die Berufs­reife­prüfung machen. Durch meinen Sohn bin ich sehr viel mit Jugendlichen zusammen, und die sind sehr daran interessiert, dass der Zugang frei ist. (Bundesrat Perhab: Berufsmatura kostet auch etwas!) – Jetzt nicht mehr. (Bundesrätin Grimling: Jetzt nicht mehr!) Jetzt berufsbegleitend mit der Lehrlingsausbildung nicht mehr.

Ich bitte auch all jene, die bisher nicht dafür waren, um Zustimmung, damit unsere Jugend eine große Chance hat. Das ist ja auch die Chance für Österreich, wenn man sich die Wirtschaftskrisen anschaut: Wenn wir gut ausgebildete Jugendliche haben, dann wird es mit diesem Staat sicherlich vorangehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schnider. – Bitte.

 


16.00.18

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss da schon noch etwas dazusagen, weil ich das früher auch als eine unserer wesentlichen Säulen aufgebaut habe, gerade, was die Studienförderung betrifft. Ich möchte da ein bisschen die Zahlen vergegenwärtigen, damit wir nicht über irgendetwas reden. Wer anspruchs­berechtigt ist – das ist nämlich genau das, was du angesprochen hast –, ist ja nicht ganz unwichtig. Vielleicht darf ich das kurz zur Erklärung vorbringen: Der Bezug der Studienförderung hängt von solchen Fragen ab: Wie hoch ist das Familieneinkommen? Wie viele Kinder hat der Haushalt? Wie viele Kinder studieren? Wird auswärts studiert?

Jetzt bringe ich ein Beispiel: Wenn jemand einen Bruttoverdienst von 4 400 € oder weniger hat, dann bekommt er nicht nur einen Betrag, dass ihm der Studienbeitrag finanziert wird, sondern auch noch zusätzlich Studienbeihilfen. Wenn jemand einen Bruttoverdienst von 4 600 € hat und zwei studierende Kinder, dann bekommen beide Kinder mit dem, was sie pro Jahr und pro Kopf bekommen, umgerechnet ihren Studienbeitrag ersetzt. – Das dazu.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 118

Die zweite Sache ist nur: Ich möchte es trotzdem noch einmal wissen. – Vielleicht bin ich so begriffsstützig. Sie können gerne nach Hause gehen und sagen, der Schnider ist sehr begriffsstützig (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck), aber dann müssen Sie auch Herrn Professor Mayer als begriffsstützig betrachten, denn dieser schreibt in seinem Buch eindeutig und klar: Es muss darum gehen – und das ist in dem Gesetz nicht mehr festgehalten! –, dass für diese Gruppe der Konventionsflüchtlinge dieser Studienbeitrag verpflichtend zu erlassen ist.

Wo steht das drin? – Im alten Gesetz steht: Es ist insbesondere zu erlassen – und dann stehen die vier aufgezählt. Denn das mit dem Rektor steht schon im nächsten Artikel, aber nicht mehr in dem, in dem es um das Erlassen der Studienbeiträge geht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Hahn. – Bitte.

 


16.02.35

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Frau Prä­sidentin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Ausführungen ein paar Anmerkungen und Richtigstellungen, von denen ich hoffe, dass zumindest diese außer Streit stehen.

Zunächst einmal: Wir diskutieren hier über die Abschaffung von Studienbeiträgen und nicht von Studiengebühren. Sonst hätte es im Laufe der Zeit auch Valorisierungen gegeben.

Zweitens: Es ist in der Debatte – gestatten Sie mir, das zu sagen – manchmal die Diskussion über Gesetzesbeschlüsse und die Diskussion über Entschließungsanträge, die es gegeben hat, durcheinandergebracht worden. Im heute zu bestätigenden Ge­setz sind verschiedene Passagen enthalten, die in der Tat den Gesetzgeber dazu auffordern, finanzielle Ersatzleistungen zu leisten. Auf der anderen Seite hat es Entschließungsanträge – oder einen Entschließungsantrag – gegeben, in dem unter anderem eine Aufstockung etwa des Fachhochschulbudgets festgehalten wurde. Das war ein Entschließungsantrag, das steht meines Wissens nicht im Gesetz, weil wir hier ja von einem Universitätsgesetz und nicht vom Fachhochschulgesetz reden.

Zweite Information: Wir haben an sich mit der Fachhochschulkonferenz vereinbart, dass ab dem Studienjahr 2009/2010 die Studienplatzfinanzierung im Schnitt um 13,7 Prozent angehoben wird. Das ist seit Einführung der Fachhochschulen im Jahre 1993/1994 erstmalig der Fall. Es hat in dieser ganzen Zeit keine Anhebung der Studienplatzfinanzierung gegeben, also nicht erst seit 2000.

Im Übrigen wäre noch Folgendes festzuhalten – das ist vielleicht auch nicht ganz uninteressant –: Wir sind ja im Nationalrat einer Meinung darüber gewesen – das wurde auch durch einen Entschließungsantrag im, glaube ich, November vergangenen Jahres einstimmig dokumentiert und zum Ausdruck gebracht –, dass wir das gemein­same Ziel haben, dass im Jahr 2020 der Anteil des Budgets für den tertiären Bereich 2 Prozent am BIP haben soll. Da sind wir uns einig. Die Frage ist nur: Was sind die strukturell klugen und zielführenden Maßnahmen, die da hinführen?

Ich sage ganz offen: Vieles von dem, was heute beschlossen oder bestätigt werden soll, hat sogar – da muss ich fast sagen: zynischerweise – das Potenzial beziehungs­weise den Inhalt, dieses 2-Prozent-Ziel zu erreichen. Es ist aber meines Erachtens strukturell der falsche Weg, wenn wir etwa darüber nachdenken, die Zahl der Studien­plätze für Medizin dramatisch zu erhöhen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 119

Da komme ich gleich zu dem, was Sie mich gefragt haben, Herr Professor Konecny. Ja, ich habe im Parlament den Begriff „Schwachsinn“ verwendet. Die Frau Präsidentin hat mich dafür gerügt, ich habe das dann korrigiert und habe gesagt, es handelt sich um eine intellektuelle Minderleistung. Ich bitte auch um weiterführende Hinweise, wie man den Umstand, dass eine Mehrheit des Parlaments sich selbst bestätigt hat, nicht die Grundrechnungsarten zu beherrschen, anders bezeichnen soll denn als eine intellektuelle Minderleistung. (Bundesrat Gruber: Genauso beleidigend wie das andere!)

Wir haben es schwarz auf weiß im Gesetz stehen, und Kollege Schennach hat auch in anderem Zusammenhang schon auf die eine oder andere Rechenschwäche hinge­wiesen. Es steht darin, dass in drei Etappen die Zahl der Studienplätze in der Medizin pro Jahr um mindestens 350 anzuheben ist, von jetzt 1 500 auf dann 2 400. Nach Adam Riese ist 3 x 350 = 1 050, und wie, ausgehend von 1 500, um 1 050 mehr nur 2 400 sind, das möge man mir irgendwie nahebringen. Dann tue ich mir vielleicht auch – um die Frage zu beantworten – im Vollzug leichter, das gegebenenfalls umzu­setzen. Nur konnte mir bis jetzt noch niemand diese Frage beantworten.

Da komme ich gleich zum Wesentlichen: Ehrlich gesagt, ich habe in diesem Kreis kein Interesse mehr, mit Ihnen eine ideologische Debatte abzuführen, das ist hinreichend geklärt. Ich habe auch nichts dagegen, dass es ideologische Entscheidungen gibt; ich meine, Gott sei Dank sind wir alle hier wertgetrieben, und da kann es schon unter­schiedliche Positionen geben. Ich für meinen Teil darf nur festhalten – und das klang ja auch in den Redebeiträgen durch (Bundesrat Kraml: Wofür sind Sie dann da?) –, dass es sich dabei für mich um ideologische Restposten aus den siebziger Jahren handelt. Meines Erachtens hat sich die Welt in den letzten 40 Jahren weiterbewegt, sodass man vielleicht da und dort auch zu anderen Einschätzungen kommen könnte, wie das in vielen anderen europäischen Ländern passiert ist.

Aber worum es mir geht – und deswegen habe ich im Vorfeld auch die Einladung zu einer „Sternstunde des Bundesrates“ ausgesprochen –, ist, dass dieses Gesetz in der Tat dermaßen schwere legistische Mängel in sich birgt, auch konzeptionelle und struk­turelle, die man korrigieren muss, und zwar jenseits – da sind wir ja durchaus unter­schiedlicher Auffassung – der ideologischen Unterschiedlichkeit.

Wenn ich noch einmal zum Thema Medizin kommen darf: Es geht nicht nur darum, dass Sie ohne nähere Begründung die Zahl der Studienplätze ausdehnen. Ich darf daran erinnern, dass wir im Vorjahr eine intensive Diskussion mit Brüssel um die Sicherstellung der medizinischen Ausbildung in Österreich hatten. Wir haben zu diesem Zweck umfangreiche Studien erstellt, die unter anderem den vermuteten Ärzte­bedarf bis 2030 zum Ausdruck gebracht und dokumentiert haben.

Wir haben all diese Unterlagen allen Wissenschaftssprechern – es sind nur Sprecher, nein, mittlerweile haben wir in der ÖVP eine Sprecherin, und die hatten wir auch vorher schon, Entschuldigung! –, also allen Sprechern und Sprecherinnen zur Verfügung gestellt. Aus diesen Unterlagen, die wir damals auch gemeinsam diskutiert haben, wird deutlich, dass wir bis zum Jahr 2030 bei den Ärztinnen und Ärzten einen durch­schnitt­lichen Pensionierungsanfall zwischen 800 und 1 100 pro Jahr haben.

Davon ausgehend haben wir uns seinerzeit zu einer bestimmten Größenanzahl von Studienplätzen verständigt, die wir dann auch gemeinsam festgelegt haben. Wenn Sie nun diese Zahl einseitig ausdehnen, dann wird auch unsere ganze Argumentation in Brüssel etwas fragwürdig, weil dann von Seiten der Kommission natürlich mit Recht die Frage gestellt wird, ob die Österreicher nicht schon wieder augenzwinkernd mit ihren Zahlen unterwegs sind.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 120

Ich darf nur darauf hinweisen, es ist uns – und das ist im Rahmen der Europäischen Union erstmalig der Fall gewesen – ein Moratorium zugestanden worden, wonach wir fünf Jahre lang die Verpflichtung haben, jährlich mit Zahlen zu belegen, dass unsere seinerzeitige Entscheidung, die Quotenregelung einzuführen, eine richtige ist. Es müssen jetzt im Oktober erstmalig die vereinbarten Zahlen geliefert werden, und es wird im Dezember von Seiten österreichischer Beamtinnen und Beamter in Brüssel dieses Zahlengebäude zu argumentieren sein.

Wenn Sie nun einseitig sozusagen eine drastische Zunahme der Studienplätze verord­nen, dann leisten Sie auch – das muss ich ganz offen sagen – Vorschub, dass unsere Argumentationsbasis, die noch vor einem Jahr hier im Haus eine einheitliche, eine einhellige war, so nicht aufrechtzuerhalten ist.

Hinzu kommt noch etwas, was ebenfalls interessant ist und was, ehrlich gesagt, auch zeigt, wie husch-pfusch-mäßig dieses Gesetz zustande gekommen ist; da kann man wirklich sagen: Viele Köche verderben den Brei. Ich weiß schon, die SPÖ und auch die Grünen wollten die Abschaffung der Studienbeiträge, und dafür waren sie bereit, Konzessionen in Kauf zu nehmen. Aus dem Paket ist etwas geworden, was, ehrlich gesagt, diese Bezeichnung von mir gefunden hat, zu der ich stehe.

Warum stehe ich dazu? – Es hat zum Beispiel Professor Vitouch von der Uni Kla­genfurt, ein durchaus anerkannter Psychologe, Senatsvorsitzender, erfolgreich bei Kollegen Broukal interveniert, mit der Folge, dass die Psychologie – ohne nähere Begründung, im Gegensatz zu den Kommunikationswissenschaften und der Betriebs­wirtschaft – jetzt plötzlich doch wieder eines jener Studien geworden ist, die einer Zugangsbeschränkung zu unterwerfen sind.

Okay, aber was ist jetzt passiert? – In der Hitze des Gefechtes und in der Vermeidung von Begutachtungen und Konsultierungen haben wir jetzt eine Gesetzesformulierung, die es den Psychologen erlaubt, auch für ihren Bereich genau die gleiche Quoten­regelung einzuführen, wie wir sie bei der Medizin haben. Die Uni Salzburg hat schon angekündigt, diese Quotenregelung mit Wintersemester 2009 einzuführen.

Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin: Wir waren in Brüssel mit der Quotenregelung bei der Medizin deswegen erfolgreich, weil wir nachweisen konnten, dass wir, wenn es diese Quotenregelung nicht gibt, eine Gefährdung der medizini­schen Versorgung in Österreich gewärtigen müssten. Jetzt könnte ich sagen, auf Grund verschiedener Ereignisse brauchen wir vielleicht auch eine gewisse Basisver­sorgung an Psychologen in diesem Land. Aber das wird in Brüssel trotzdem schwer argumentierbar sein, und damit bieten wir Brüssel wieder alle Möglichkeiten. Ich kann Ihnen schon sagen, der Europäische Gerichtshof wird uns in der Frage „verknacken“, und unsere Argumentationsbasis in der Frage ist eine nicht besonders gute. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Veterinärmedizin.

Wir haben jetzt im Gesetz festgeschrieben, dass diese vier Studienrichtungen – Humanmedizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin und Psychologie – aus Gründen der Versorgungssicherheit einer Quotenregelung unterworfen sind. Damit werden wir nicht erfolgreich sein. Wenn dann die gesamte Quotenregelung zusammenbricht, dann werden wir das hier diskutieren – aber dann erinnern Sie sich, bitte, meiner Worte!

Ein zweiter Punkt, der vor allen Dingen jenen, die immer sehr ideologisch argumen­tieren, vielleicht auch sauer aufstoßen wird: Es ist dem Vorsitzenden der Univer­sitätskonferenz, Rektor Badelt, gelungen, Herrn Abgeordneten Broukal quasi in letzter Sekunde – aus seiner Sicht, wie ich meine, durchaus vernünftigerweise – klarzu­machen, dass es für fremdsprachige Studien Zugangsbeschränkungen geben muss, weil natürlich fremdsprachig üblicherweise englischsprachig bedeutet.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 121

Die Sorge von Badelt und anderen Rektoren war: Wenn wir fremdsprachige Studien ohne Zugangsbeschränkungen und ohne Studienbeiträge anbieten, dann sind wir natürlich ein extrem interessantes Land für viele Studierende. Das ist aufgenommen worden, und wir haben jetzt im Gesetz eine Passage, die da sinngemäß lautet: Es kann für fremdsprachige Studien eine Zugangsbeschränkung erlassen werden.

Im seinerzeit und jetzt noch immer sozusagen in der Lade befindlichen Entwurf einer Novelle des Universitätsgesetzes, wie ich das mit allen Stakeholdern ein Jahr lang diskutiert habe, haben wir diese Frage auch releviert. Wir haben aber – durchaus vor dem Hintergrund, dass ja insbesondere die Sozialdemokratie dem freien Hoch­schul­zugang immer sehr das Wort redet – eine Formulierung, eine Regelung eingebaut, dass maximal 10 Prozent der Studien an einer Universität fremdsprachig sein dürfen. Wahrscheinlich ist der Wert sogar zu gering, er müsste 20 oder 25 Prozent lauten.

Im jetzt von Ihnen zu bestätigenden Gesetz ist diese Passage allerdings nicht ent­halten. Das heißt – unsere Rektoren und unsere Rektorin sind ja durchaus gewitzte Interpreteure von Gesetzesbestimmungen –, wenn jetzt eine Universität sagt, wir bieten unsere Studien insbesondere im Master- und PhD-Bereich nur noch fremd­sprachig an – und die Kollegen von der Med-Uni Wien haben mir schon gesagt, dass ihnen das sogar lieber ist –, dann gibt es nur noch Zugangsbeschränkungen, meine Damen und Herren!

Sie führen also mit der heutigen Bestätigung in einer Art und Weise, wenn es so sein soll, Zugangsbeschränkungen ein, die Sie zu keinem Zeitpunkt haben wollten und die Ihnen eigentlich auch ideologisch widersprechen, aber Sie bestätigen das heute mit Ihrem Beschluss. Vielleicht sind die Germanisten und die Juristen ausgenommen, aber sonst kann man das ziemlich lückenlos durchziehen. Von meiner Warte sage ich, dies ist eine zwar unerwartete, aber durchaus gewünschte Propagierung der Internationali­sierung unserer Studierenden, wenn sie dann nur noch englisch studieren.

Das sind die Dinge, die ich mit „Husch und Pfusch“ gemeint habe: wenn man die Dinge nicht ein bisschen „behirnt“, darüber nachdenkt und sich die eine oder andere Facette anschaut. Deswegen habe ich vor einigen Tagen gemeint, ich würde mir wünschen, dass es hier im Bundesrat zu einer Sternstunde kommt. Ich sage Ihnen, es ist gar keine ganze Sternstunde notwendig, es würde einfach eine simple Reparaturminute genügen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

16.17


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Professor Konecny. – Bitte.

 


16.17.24

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich habe darauf gewartet, dass Sie meine Frage, die ich Ihnen am Beginn gestellt habe, explizit beantworten. Das haben Sie geflissentlich vermieden, aber Sie haben sie implizit beantwortet. Was Sie uns hier erzählt haben, hat schlicht und einfach geheißen: Ich werde alles tun und jeden unterstützen, der dieses Gesetz sabotiert.

Wir nehmen das zur Kenntnis, Herr Minister. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wer – im Gegensatz zu manchen von Ihnen – die Rede des Herrn Ministers nicht verschlafen hat, hat genau diesen Eindruck gewonnen. (Ruf bei der ÖVP: Und wir nicht!)

Herr Minister, besonders originell habe ich Ihre ziemlich am Anfang stehende Bemer­kung gefunden, dass Österreich einst augenzwinkernd Zahlen nach Brüssel gemeldet hat und diese zurückgewiesen wurden. Dieses „einst“ war in der Amtszeit einer gewissen Frau Gehrer, von der Sie sich jetzt wieder einmal implizit distanziert haben –


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 122

was mich nicht kratzt. Aber, bitte, die Tradition des Augenzwinkerns ist nicht unsere, das ist die der ÖVP-Minister in diesem Ressort! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, ich halte das, was Sie heute als Resümee dieser Debatte zu sagen versucht haben, für im höchsten Maße problematisch – nicht, weil es das Gesetz ist, das problematisch ist, sondern weil es Ihre Einstellung zu einem Gesetz ist, auf das Sie implizit – nicht explizit – auch vereidigt worden sind. Das ist die Stern­schnuppe, Herr Bundesminister. – Die Sternstunde folgt jetzt gleich. (Beifall bei der SPÖ.)

16.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­minister Dr. Hahn. – Bitte.

 


16.19.43

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Dazu zwei Anmerkungen: Erstens einmal hat sich „augenzwinkernd“ nicht retrospektiv auf etwas bezogen, sondern ... (Bundesrat Konecny: Oja! Sie haben es ausdrücklich gesagt!) Ja, dann haben Sie das (Bundesrat Konecny: Ausweislich des Protokolls!) – Wir werden uns das anschauen. Dann stelle ich es aber eindeutig klar: Ich will nicht, dass man uns zukünftig in Brüssel den Vorwurf macht, wir gehen mit unseren Zahlen augenzwinkernd um. Ich beziehe mich also auf die Zukunft. – Das stelle ich klar. (Bundesrat Konecny: Das haben Sie nicht gesagt! Aber wir nehmen es jetzt zur Kenntnis!)

Zweitens möchte ich Folgendes festhalten: Auch wenn ich mit diesem Gesetz nicht glücklich bin – und wir werden sehen, was die Zukunft zeigt –, verwahre ich mich gegen den Vorwurf, ich würde explizit ein Gesetz sabotieren. – Das möchte ich schon festhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Nur zur Semantik: Explizit nicht – implizit, Herr Minister!)

16.20


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Mag. Eibinger, Kolle­ginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Bundesrätinnen und Bun­desräte Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 123

erheben, ist somit angenommen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

16.21.5010. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird (883/A sowie 8018/BR d.B. und 8028/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Vladyka. Ich bitte um den Bericht.

 


16.22.12

Berichterstatterin Christa Vladyka: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 25. September 2008 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 geändert wird, bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kom­men. (Unruhe im Saal. – Vizepräsidentin Mag. Neuwirth gibt das Glocken­zeichen.)

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober 2008 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


16.23.20

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Fürs Protokoll: Kerschbaum, Grüne, Niederösterreich. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! (Bundesrat Boden: „Grüne“ nicht vergessen!) – Habe ich ohnehin gesagt: Grüne, Niederösterreich – natürlich!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für mich handelt es sich bei diesem Tagesord­nungspunkt auch um eine ideologische Entscheidung, die in diesem Fall ich und wir nicht mittragen können. Mit dieser Gesetzesvorlage verzichten wir auf 30 Millionen € pro Jahr an Mauteinnahmen: 8 Millionen an Pkw-Mauteinnahmen, ungefähr 22 Mil­lionen € pro Jahr an Lkw-Mauteinnahmen. Es ist dabei nicht so, dass wir ein Mal auf diesen Betrag verzichten, sondern wir vergessen eine Indexanpassung, sprich: das zieht sich so fort, wie wir es bei der Pensionserhöhung gerne gehabt hätten. Auch bei der Maut wird es so sein, dass eben in Hinkunft jährlich auf diesen Betrag verzichtet wird.

Dass das wirklich diametral zu jeder Absicht steht, eine Kostenwahrheit insbesondere im Güterverkehr herbeizuführen, ist selbstredend. Dass mit dieser Maßnahme insbe­son­dere PendlerInnen entlastet werden, kann ich auch nicht sehen. Es geht da um ungefähr 2 €, die sonst die Vignette wahrscheinlich mehr gekostet hätte. Das wird jetzt nicht der große Effekt sein, um PendlerInnen zu entlasten.

PendlerInnen könnte man auf andere Art und Weise viel besser entlasten. Da komme ich mit meinem üblichen Anliegen, aber vielleicht spricht es sich doch einmal durch, wie man PendlerInnen wirklich entlasten könnte: indem man ihnen ein vernünftiges Alternativangebot bietet, ein vernünftiges Alternativangebot im Bereich des öffentlichen


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 124

Verkehrs, sodass PendlerInnen, die jetzt vielleicht noch zum großen Teil, zu einem sehr großen Teil auf den Pkw angewiesen sind, insbesondere auf dem Land, dann auf ein sparsameres oder günstigeres Verkehrsmittel umsteigen könnten, wenn es diese Verkehrsmittel gäbe. Die gibt es in vielen Bereichen nicht.

Es gibt ja auch bei den ÖBB eine Schienenmaut. Mich würde interessieren – das hat man mir im Ausschuss nicht beantworten können –, ob diese Schienenmaut auch ausgesetzt wird. Es ist natürlich eine interne Kostenumstrukturierung bei den ÖBB, aber rein vom Prinzip her würde es mich interessieren, ob diese Schienenmaut-Indexanpassung heuer auch entfällt oder nicht.

Es gibt bei den ÖBB Spekulationsverluste, diese gehen auf Kosten der ÖBB und dann indirekt auf Kosten der Pendler. Es hat heuer keine Tariferhöhungen gegeben, das ist schön und gut und super-nett, es werden aber auch die ÖBB einsparen müssen. Dass die ÖBB mehr Geld bekommen – mehr Aufträge, mehr Geld –, davon habe ich bisher noch nichts gehört. Letztendlich wird es dann so ausschauen, dass, wenn zu wenig Geld vorhanden ist, die ÖBB ihr Angebot werden kürzen müssen. Soviel ich weiß, gibt es auch schon einige Ansätze und Überlegungen, wo diese Kürzungen künftig wieder stattfinden können. Das ist eben genau das Gegenteil dessen, was wir jetzt in Wirklichkeit brauchen: einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs!

Ich möchte Ihnen (in Richtung Staatssekretärin Kranzl) etwas weitergeben, was wir vorige Woche im Gemeinderat von unserem Herrn Bürgermeister vorgelesen bekom­men haben; es hat mir so gut gefallen, darum ist es mir ein dringendes Anliegen, Ihnen das jetzt noch in Kopie zu überreichen. Es geht darum, dass es im Bezirk Korneuburg das Projekt „Die Neue Landesbahn“ gibt, welches Ernstbrunn an Korneuburg, an die Schnellbahn und weiter an Wien anbinden würde. Es gab diesbezüglich einen Resolutionsantrag des Gemeinderates an den Herrn Bundesminister, er möge doch diesen Ausbau der Landesbahn und die Öffnung für den Personenverkehr unter­stüt­zen.

Herr Bundesminister Faymann hat die Antwort nicht direkt unterschrieben – für den Herrn Bundesminister hat eine Dame unterschrieben, ich weiß nicht, ob er sie selbst kennt –, aber die Formulierung habe ich so faszinierend gefunden, dass ich sie hiermit vorlesen möchte:

Die zwischen Korneuburg und Ernstbrunn verkehrenden beiden Kraftfahrlinien der ÖBB Postbus GesmbH sowie der Firma Bajer Postbus bedienen den Einzugsbereich der betreffenden Bahnlinie ideal und fahren jeden Ort zu beiden Seiten dieser Bahn­strecke an. – Zitatende.

Ich habe dann den Fahrplan dieser Bajer-Buslinien und ÖBB-Buslinien ausgedruckt. Die Busse fahren genau acht Mal pro Tag in eine Richtung, am Sonntag fährt ein Bus! Ob das die ideale Bedienung ist, die sich ein Verkehrsminister vorstellt für eine Strecke, an der doch ungefähr 20 000 bis 30 000 mögliche Benutzer öffentlicher Verkehrmittel wohnen, sei dahingestellt. Für mich ist das keine ideale Bedienung, und ich würde doch um Aufklärung darüber bitten, was die ideale Bedienung einer Buslinie für das Verkehrsministerium darstellt.

Kurzum: Wir werden dieser Nicht-Erhöhung der Maut, dieser Index-Auslassung natür­lich nicht zustimmen. Denn es ist im Prinzip eine Augenauswischerei, zu sagen, dass es um die PendlerInnen geht. In Wirklichkeit erspart sich die Transportwirtschaft dadurch sehr viel an Maut, auch der Transitverkehr erspart sich dadurch sehr viel an Maut. Das alles geht in Wirklichkeit zu Lasten der regionalen Wirtschaft, was die Wirtschaftstreibenden betrifft, weil sie eine andere Konkurrenz bekommen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 125

Die PendlerInnen brauchen in Wirklichkeit etwas ganz anderes: Die PendlerInnen brauchen ein gutes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, so ähnlich wie in der Schweiz. Wenn wir davon ausgehen, dass die Benzinpreise in den nächsten Jahren nicht wieder sinken werden – und ich denke, davon gehen die meisten von uns hier im Saal aus, ich glaube, alles andere wäre sehr naiv –, dann muss man davon ausgehen, dass sich das Verkehrssystem in Österreich irgendwann einmal auch wird ändern müssen, und zwar von einem motorisierten Individualverkehr, von einem sehr Fossil­energie-lastigen motorisierten Individualverkehr hin zu einem öffentlichen Verkehr, der für alle leistbar und vorhanden sein muss. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

16.29


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


16.29.42

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Frauen Staats­sekretärinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe auch ein bisschen Bauchweh bei dieser Zustimmung, werde dem aber zustimmen. Ich möchte jedoch einige Bei­spiele aufzählen, warum ich zu diesem Tagesordnungspunkt meine Bedenken äußern werde. 

In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation, vor allem auf Grund der erhöhten Inflationsrate, soll es ausnahmsweise zu keiner Preiserhöhung bei der Autobahn-Vignette kommen. Die Valorisierung des Vignettenpreises soll daher um ein Jahr ausgesetzt werden. Somit gibt es die nächste Erhöhung des Vignettenpreises nicht vor Dezember 2009. Auch der Termin der Valorisierung der Lkw-Maut soll vom 1. Mai auf 1. Jänner verschoben werden, damit die Transportunternehmen sich auf die kom­menden Erhöhungen entsprechend vorbereiten können. Weitere Ausnahmeregelungen sollte es jedoch nicht geben.

Werte Kolleginnen und Kollegen, dies bedeutet natürlich auch: keine Erhöhung der Einnahmen der ASFINAG. Das dürfte jedoch kein nennenswertes Problem für das Unternehmen sein, das genug mit sich selbst zu kämpfen hat. Seit geraumer Zeit hat es den Anschein, als ob die ASFINAG nicht nur finanziell ein Fass ohne Boden wäre: Neben den unglaublichen Abfertigungen bei der vorzeitigen Ablöse des ehemaligen Vorstands-Dreiergespanns geht es dabei auch darum, was uns die letzten Jahre Kukacka und Gorbach eingebrockt haben, nämlich 2,6 Millionen €. Erschreckend sind für mich auch die Währungs-Swaps, die mit einem Minus von 113 Millionen € zu Buche schlagen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Dazu kennzeichnen auch noch ein nicht nachvollziehbarer Umgang mit Bauprojekten sowie Personalkürzungen das ASFINAG-Geschehen.

Um konkret zu werden, im Folgenden einige Beispiele: Die finanziellen Lockversuche der ASFINAG gegenüber Landesbediensteten vor zwei Jahren mit Personalkürzungen im Gefolge ergeben für mich keinen Sinn. Wie von mir schon berichtet, sind damals nur wenige für einen Betrag von 5 000 € freiwillig vom Landesdienst zur ASFINAG gewechselt. Das Angebot wurde von 10 Mitarbeitern angenommen. Viele würden wieder gerne in den Landesdienst zurückkehren, da dort Arbeitsplatzsicherheit und Zukunft weitaus eher gegeben sind als bei der ASFINAG.

Interessant ist auch die Handhabung unterschiedlicher Kollektivverträge für die Ange­stellten der ASFINAG, die für Neueinsteiger immer schlechter werden und arbeitsrecht­lich meiner Meinung nach einmal entsprechend überprüft werden sollten. Allein der


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 126

extreme Wechsel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeugt schon von einem schlech­ten Arbeitsklima in der ASFINAG.

Ich wundere mich auch darüber, dass bei politischem Druck sofort eine nicht immer notwendige hohe Summe in Lärmschutzmaßnahmen gesteckt wird. Es werden exor­bitant teure Unterführungen und Tunnels gebaut, die, wie Experten meinen, in dieser Form nicht erforderlich wären. Andererseits müssen erst Bürgerinitiativen gegründet werden, um Lärmschutzwände einzufordern, die den BürgerInnen von der Lärmbeläs­tigung her sowieso zustehen würden – und das nötige Geld dafür fehlt.

Mittlerweile gibt es wieder Umstrukturierungen in der Gesellschaft. So sollen etwa die verschiedenen Servicegesellschaften wieder zusammengelegt werden. Ich habe damals vor zwei Jahren vor dieser Umstrukturierung gewarnt.

Auch die ISO-Zertifikationen zeugen schon seit Jahren davon, dass die Arbeit der Landesbediensteten effizient und qualitativ hochwertig ist und wir den Vergleich mit dem privaten Unternehmen nicht zu scheuen brauchen. Im Gegenteil, werte Kollegin­nen und Kollegen!

Ein Highlight, das man in diesem Zusammenhang erwähnen muss, ist ein Brücken­objekt in Kärnten, die mittlerweile berühmte Wackelbrücke im Liesertal. Frau Staats­sekretärin, die Kosten sind bis dato exorbitant gestiegen, wie Sie wissen. Die Brücke ist immer wieder gesperrt und muss überprüft werden. Dies hätte sich die ASFINAG damals – unter Gorbach und Kukacka wohlgemerkt – ersparen können, wenn sie den Experten des Landes sowie den kritischen Meinungen mehr Beachtung geschenkt hätte. (Bundesrat Ing. Kampl: Unter Landeshauptmann Haider wird es gut gehen!)

Damals schlugen wir vor, Kollege Kampl, länger dauernde Baumaßnahmen zu planen. Dein Straßenreferent in Kärnten, Gerhard Dörfler, hat gesagt: Das ist nicht möglich, wir schaffen das in kurzer Zeit. Wenn du mir das schon ankreidest und vorwirfst, dann möchte ich mich schon vergewissern, dass du auch weißt, dass Landeshauptmann Haider da überhaupt keinen Beitrag geleistet hat. Da muss ich dir schon sagen: Ich glaube, das ist an den Haaren herbeigezogen. (Bundesrat Ing. Kampl: Zum Wohle von Kärnten!)

Zum Wohle von Kärnten. Genau, ja! Und wenn der Himmel über Kärnten blau ist, dann müssen wir wohl dafür auch dem Herrn Landeshauptmann danken, so wie du das siehst, Kollege Siegi Kampl.

Frau Staatssekretärin, ich könnte noch unzählige Beispiele aus meiner Praxis anfüh­ren, möchte jedoch auch noch auf ein anderes Thema eingehen, das im Zusam­menhang mit dem einmaligen Nichtanheben der Vignettenpreise steht, und zwar auf die zukünftige Konzentration auf den öffentlichen Nahverkehr.

Die Einführung eines Österreich-Tickets, das für alle leistbar sein sollte oder muss, ist eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft. Und es ist unabdingbar und dringend erforderlich, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Solange aber die öffentlichen Verkehrsmittel für viele Menschen keine Alternative sind, braucht es uns nicht zu wundern, dass etwa – lieber Siegi Kampl, hör mir zu! – Landeshauptmann Haider in Kärnten für die Billigtankstellen bejubelt wird, die nebenbei bemerkt zur Gänze von Kärntner Steuerzahlern bezahlt werden. (Bundesrat Ing. Kampl: Daher auch der Wahlerfolg in Kärnten!) Da gibt es den berühmten Spruch ... (Bundesrat Ing. Kampl: Daher auch der Wahlerfolg in Kärnten, weil wir diese Aktion durchgeführt haben!)

Das ist dasselbe wie mit dem Müttergeld als Almosenverteilung, für das sie sich anstellen müssen. – Da gibt es den Spruch: Wir „Kärntner tanken billiger“. (Bundesrat Ing. Kampl: 4 Millionen € hat das den Kärntnern gebracht!) Bei diesen Landestank-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 127

stellen, die wir Kärntner mit unserer Steuer finanzieren, tankt aber jeder, ob er nun von Irland kommt, ein Afrikaner oder sonst irgendwer ist. Normalerweise müsste da stehen: „EU-Bürger tanken billiger, und wir Kärntner zahlen!“ – Das ist ein Faktum. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

Wenn man sich das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel beispielsweise in Kärnten, in meinem Heimatbezirk, im oberen Mölltal ansieht, dann darf es einen nicht wundern, wenn Eltern ihre Kinder am Wochenende zum Beispiel von Winklern zirka 45 Kilometer zum Bahnhof Mallnitz bringen müssen, da die öffentlichen Verkehrsmittel sonntags nur viermal täglich fahren, und dann auch noch nicht von Winklern nach Mallnitz, sondern über meine Heimatstadt Spittal. Und dieser Umweg dauert doppelt beziehungsweise teilweise dreimal so lange wie diese Verbindung unter der Woche.

Wenn ich höre, dass Busse in verschiedenen ländlichen Regionen den Betrieb am Wochenende überhaupt einstellen, frage ich mich schon, was hier falsch läuft. Das kannst du auch dem Herrn Landeshauptmann einmal berichten, damit er da auch einmal tätig wird. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Kampl.) – Da haben wir sehr viel gehört davon!

Werte Kolleginnen und Kollegen, solange wir das Angebot nicht besser ausbauen, wird das Österreich-Ticket für viele Menschen in Österreich nicht nutzbar sein, da sie keine reale Option haben, vom eigenen Pkw auf die öffentlichen Verkehrsmittel umzusteigen.

Dies wäre aber nicht nur aus Klimaschutzgründen wünschenswert, sondern auch wegen der uns drohenden Strafzahlungen aufgrund der nach wie vor zu hohen CO2-Emissionen in Österreich. Auf Grundlage des von Österreich unterschriebenen Kyoto-Protokolls, werte Kolleginnen und Kollegen, drohen uns nach derzeitigen Schätzungen Strafzahlungen in Höhe von 1 bis 1,5 Milliarden €. (Bundesrätin Kerschbaum: Und was hat das mit dem Verzicht auf die Maut-Erhöhung zu tun?)

Wir waren nicht in der Lage, unsere CO2-Emissionen zu verringern. Im Gegenteil! Im Vergleich zu 1990 erhöhte sich der Ausstoß in Österreich um 18 Prozent, anstatt um 13 Prozent zu sinken. Noch dramatischer zeigt sich die Steigerung der Emissionen des Verkehrs in Österreich. Hierbei geht es um eine umfassende Steigerung um 94 Pro­zent, auch EU-weit gesehen ein katastrophales Ergebnis. Somit weist Österreich aufgrund des Transitverkehrs im europäischen Vergleich eine der stärksten Zunahmen bei den Treibhausgasen auf. (Bundesrat Ing. Kampl: Und was ist in den 18 Monaten unter Minister Faymann dagegen unternommen worden?)

Wer war denn davor sechs Jahre lang in der Regierung? Wer hat denn sechs Jahre lang die Möglichkeit dazu gehabt, das zu erledigen und zu regeln, Siegi Kampl? (Bundesrat Ing. Kampl: 18 Monate! – Bundesrätin Kerschbaum: Und wie erreichst du mit einem Einfrieren der Maut hier eine Besserung?)

Hier geht es nicht um die Frage, ob der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel aus budgetärer Sicht derzeit finanzierbar ist, sondern vor allem darum, wie viel uns das Nicht-Einhalten des Kyoto-Protokolls an Geld, Umweltbelastung und auch an inter­nationalem Ansehen kosten wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Mitterer zu Wort gemeldet.

Herr Kollege, Sie sind mit den Bestimmungen für eine tatsächliche Berichtigung vertraut. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 128

16.40.01

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ich melde mich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort, weil der Herr Bundesrat aus Kärnten, den ich sonst sehr, sehr schätze, gemeint hat, dass die Steuerzahler aufzukommen hätten für das, was sich die Kärntner ersparen.

Dazu halte ich fest, dass die Billigtankstellen kostendeckend kalkulieren und somit also die 4 Millionen €, die sich die Kärntner ersparen, nicht zu Lasten der Steuerzahler gehen.

Im Übrigen meine ich, dass in Kärnten bei Wahlen derjenige honoriert wird, der etwas tut, und nicht derjenige, der ständig über Kärnten schimpft und jammert. (Beifall und Bravorufe des Bundesrates Ing. Kampl. – Bundesrat Molzbichler: Wenn das die Wahrheit ist!)

16.40


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


16.40.50

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Das vorliegende Bundesgesetz, mit dem das Bundes­straßen-Mautgesetz 2002 geändert wird, ist ein Anti-Teuerungspaket, das den Betrof­fenen punktgenau hilft.

Erstens: Die Valorisierung der Vignettenpreise erst mit Wirkung 1. Dezember 2009 und nicht schon mit 1. Dezember 2008, somit mit einer einjährigen Verspätung durchzu­führen, ist eine Entlastung für die Straßenbenützer und damit eine direkte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Zudem kostet die Umsetzung der Administration keinen Euro.

Und zweitens: Dass der Termin der Valorisierung der Tarife der fahrtabhängigen Lkw-Maut vom 1. Mai auf 1. Jänner verlegt worden ist und zugleich in einer Gleichstellung mit der Erhöhung der Vignettenpreise erst mit 1. Jänner 2010 in Kraft treten wird, bedeutet für die Frächter Kalkulationssicherheit. In der Vergangenheit sind bei den Transportunternehmen durch den stark gestiegenen Treibstoffpreis, den die Unterneh­mer im Rahmen langjähriger Verträge nicht einarbeiten konnten, auch Arbeitsplätze verloren gegangen, und die Unternehmer wurden geschwächt. Dieses Gesetz gibt den Unternehmern eine gewisse Sicherheit der Kalkulation, obwohl es noch viele unbekannte Variable gibt, die für Sein oder Nicht-Sein eines Unternehmens ent­scheidend sind und so auch für Sein oder Nicht-Sein von Arbeitsplätzen.

Ich hoffe doch, dass die Mehrheit diesem Gesetz die Zustimmung erteilt, denn es bedeutet eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. (Bundesrätin Kerschbaum: Der Autofahrer!) Wenn wir bedenken, dass der Frachtkostenanteil bei Gütern des täglichen Bedarfs nicht unerheblich ist, bedeutet es, wenn die Tarife nicht erhöht werden, auch, dass das tägliche Leben entlastet wird, also eine Entlastung der Bevölkerung.

Nun zu Ihren Ausführungen, Frau Kollegin Nussbaumer. (Bundesrätin Kerschbaum: Kerschbaum! – Bundesrat Bieringer: Kirschbaum!) Kerschbaumer! – Die Nüsse wer­den jetzt reif, die Kirschen sind schon verzehrt.

Die Einführung des Österreich-Tickets ist sicher ein erster Schritt, um die Bevölkerung von der Straße auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen zu lassen. In Tirol können die Pendlerinnen und Pendler, denen ein Pendlerpauschale zusteht, zwölf Monate im Jahr fahren, müssen dafür aber nur acht Monate im Jahr zahlen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 129

Das ist sicherlich nur ein erster Schritt. Eine Verbesserung des Taktverkehrs im ländlichen Raum muss sicher noch verstärkt erfolgen, aber das ist auch eine Heraus­forderung für die zukünftige Bundesregierung. Und wir Bundesräte und Bundesrätinnen aus dem Land Tirol werden besonders dahinter sein, dass es auch da zu einer Verbesserung kommen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

16.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Kranzl. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


16.44.35

Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Christa Kranzl: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte nur kurz zu den Ausführun­gen von Frau Bundesrätin Kerschbaum Stellung nehmen.

Selbstverständlich sind öffentliche Verkehrsmittel auch mir ein ganz besonderes Anlie­gen, auch Herrn Bundesminister Werner Faymann. Es sind bereits Initiativen gesetzt worden, und zwar einerseits die Bereitstellung von Mitteln, wie sie sich im General­verkehrsrahmenprogramm widerspiegeln. Es sind das größte Mittel von fast 11 Milliar­den €, wobei der überwiegende Teil für den Ausbau der Schieneninfrastruktur vorge­sehen ist. Auf der anderen Seite handelt es sich aber auch um Mittel für den öffentlichen Nahverkehr, die aus Mitteln des Klima- und Energiefonds bereitgestellt werden.

Ich bin jedoch vollkommen Ihrer Meinung, dass es noch vieler Anstrengungen bedarf, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen, um vor allem Verkehr von der Straße wegzubringen und den Pendlerinnen und Pendlern eine tatsächliche Alternative bieten zu können.

Man muss allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Ganz im Gegenteil! Hiezu braucht es ganz einfach Zeit. Die Maßnahmen, die mit dem heutigen Paket gesetzt werden, die Sie hier auch einhellig mittragen, sind aber Antworten, um vor allem auch der Teuerung zu begegnen. Sie kommen jenen Pendler­innen und Pendlern, die regelmäßig auf das Verkehrsmittel Pkw angewiesen sind, besonders aber auch der Frachtwirtschaft durchaus entgegen und sind daher, wie ich glaube, ein geeignetes Mittel.

Ihre Frage zur Schienenmaut kann ich in aller Kürze so beantworten: Die Ausnahme betrifft ausschließlich die Straßenmaut.

Was die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs betrifft, ist ja mittlerweile auch bekannt, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wurde, die sich mit der Erarbeitung eines Österreich-Tickets auseinandersetzt. Ziel ist, zirka bis Herbst nächsten Jahres ein solches auch anbieten zu können. Ich persönlich halte das für einen richtigen Weg, der durchaus der Intention entspricht, die Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel zu erhö­hen, weil dadurch auch die Nutzung einer Kombination unterschiedlicher Verkehrs­mittel erleichtert werden soll.

Wie immer auch die kommende Regierung aussehen wird, hoffe ich, dass es gelingt, bis Mitte nächsten Jahres, spätestens Herbst nächsten Jahres dieses Österreich-Ticket anbieten zu können. Dass so etwas auch angenommen wird, hat sich ja auch während der Fußball-Europameisterschaft sehr erfolgreich gezeigt. Da haben viele öffentliche Verkehrsmittel angenommen.

Betreffend den Antrag, den Sie mir überreicht haben, bin ich jetzt nicht informiert. Ich darf Ihnen aber eine Auskunft zukommen lassen. – Ich habe ihn in der Kürze der Zeit nur überflogen und dabei festgestellt, dass ein Bus immerhin acht Mal verkehrt. Das ist


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 130

nicht so schlecht, sage ich einmal. Ich kenne allerdings die näheren Details nicht. Ich erlaube mir, hiezu Informationen einzuholen. Es gibt einen bestimmten Berechnungs­schlüssel – Kosten, Nutzung, Anzahl der Passagiere und so weiter. Die genaue Information darf ich Ihnen dann zukommen lassen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. (Mitarbeiterin der Parlaments­direktion: Die Grünen haben nicht mitgestimmt!) Verzeihung: die Stimmenmehrheit. – Ihr (in Richtung Bundesrätin Kerschbaum) habt nicht mitgestimmt? (Bundesrätin Kerschbaum: Nein, wir sind extra mit verschränkten Armen dagesessen!) – Okay, dann die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.48.1211. Punkt

31. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2007) (III-350-BR/2008 d.B. sowie 8029/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tages­ord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Hladny. Bitte um den Bericht.

 


16.48.23

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen über den 31. Be­richt der Volksanwaltschaft vom 1. Jänner bis 31. Dezember liegt Ihnen schriftlich vor, sodass ich mich auf den Antrag beschränken darf.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 6. Oktober den Antrag, den 31. Bericht der Volksanwaltschaft zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf unsere beiden Volksanwältinnen sehr herzlich willkommen heißen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Einwallner. – Bitte.

 


16.49.25

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Volksanwältinnen! Meine Damen und Herren! Der Volksanwaltschaftsbericht ist eigentlich, wenn man sich die Berichte über die Jahre hin anschaut, immer ein Highlight, und ich möchte gleich zu Beginn meines Redebeitrages einen Dank aussprechen, einen Dank aussprechen den Volksanwältinnen und natürlich auch einen ganz besonderen Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 131

für diesen sehr übersichtlichen und wie immer sehr interessanten Bericht über die Tätigkeit der Volksanwaltschaft.

Dieser Bericht ist eine Leistungsbilanz der drei Volksanwälte und von deren Mitar­beitern und legt gleichzeitig Fälle offen, von denen wir alle Jahr für Jahr aufs Neue überrascht sind. Es gibt in Österreich in den verschiedensten Bereich nach wie vor erhebliche Missstände, die immer wieder aufgezeigt werden.

Die Volksanwaltschaft ist eine sehr wichtige Institution. Das zeigt sich auch darin, dass sie sehr gut angenommen wird, allein wenn man sich die Anzahl der Anliegen, die an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, anschaut. Das ist wirklich ein Beweis dafür, dass die Bevölkerung Vertrauen in die Volksanwaltschaft hat und diese Institution annimmt.

Die Anzahl der Anbringen an die Volksanwaltschaft war zwar im Berichtsjahr 2007 etwas rückläufig, aber es ist nach wie vor eine beachtliche Zahl von Anliegen, die vorgebracht werden. Es sind über 15 000 Anbringen im Jahr, wofür die Volksanwalt­schaft dann schlussendlich nicht in allen Fällen auch tatsächlich zuständig ist. Für ein Drittel der Fälle ist sie nicht zuständig.

Immer wieder – wir haben das im Ausschuss wieder ganz kurz behandelt, und ich werde dazu auch eine Frage formulieren – sieht man die unterschiedliche Häufigkeit der Fälle je nach Bundesland. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob es in Tirol und Vorarlberg viel weniger Fälle gäbe. Tatsächlich wissen wir, dass wir dort Landes-Volksanwälte haben, die natürlich einen Großteil oder Teil der Fälle direkt erledigen. Daran schließt sich die Frage: Würde es Sinn machen, in mehreren Bundesländern solche regionalen Strukturen aufzubauen und vielleicht einen regionalen Volksanwalt zu verankern?

Vielleicht können Sie mir dazu in Ihrer Replik kurz Auskunft geben, welche Erfahrung Sie bei den von Ihnen durchgeführten Sprechtagen machen, ob es Sinn machen würde, in mehreren Bundesländern einen Landes-Volksanwalt, wie es ihn in Vorarlberg gibt, zu installieren. Vorarlberg sollte da eigentlich Vorbild sein, denn der Tiroler Volksanwalt ist etwas schlechter gestellt als der Vorarlberger Landes-Volksanwalt.

Ich werde in meinem Debattenbeitrag jetzt nicht auf den einen oder anderen Fall eingehen. Ich glaube, fast alle werden sich diesen Bericht durchgeschaut und über einzelne Fälle gelesen haben. Ich möchte aber auf zwei, drei Punkte eingehen, die auch im Ausschuss angesprochen wurden.

Zum einen gibt es das selbstverständliche Anliegen der Volksanwaltschaft im Hinblick darauf, dass es für sie eine Benachteiligung oder eine Schlechterstellung oder gar keine Stellung mehr in den in den letzten Jahren ausgegliederten Gesellschaften gibt, ob das jetzt die ASFINAG oder eine andere Gesellschaft ist. Da haben die Volks­anwälte keine Zuständigkeiten mehr, und da finden eben auch die kritischen Stimmen ihre Bestätigung, die immer wieder vor diesen Ausgliederungen gewarnt haben. Es gibt auch den Hinweis, dass man in Zukunft eigentlich darauf achten sollte, wenn es wieder zu Ausgliederungen kommt, dass wir nicht vergessen, dass in den entsprechenden Gesetzen dann auch verankert sein sollte, dass sie trotzdem noch in die Prüf­zuständigkeit und in die Kompetenz der Volksanwaltschaft fallen.

Ein weiterer Punkt, nunmehr im Bereich der Volksanwältin Stoisits – ich habe mir das sehr genau angeschaut –, ist der Bereich des Innenministeriums. Als eine der kriti­schen Stimmen damals bei der Behandlung des Fremdenrechtspaketes fällt mir da natürlich auch auf, dass es sich bei beinahe 40 Prozent aller Fälle, die an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, um Auswirkungen des Fremdenrechts-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 132

pakets handelt. (Bundesrat Schennach: Sie haben zugestimmt! – Bundesrat Dönmez: Erst seit dem Antritt der Volksanwältin Stoisits liegt der Fokus dort!)

Ich habe nachgefragt: Ja wie schaut es damit nun im Jahr 2008 aus? Das ist der Bericht aus dem Jahr 2007, da waren es 40 Prozent, und leider, muss ich sagen, hat es die Bestätigung gegeben, dass es auch im ersten Halbjahr 2008 nach wie vor zu so einer starken, wenn nicht noch stärkeren Beschwerdehäufigkeit genau aus diesem Bereich gekommen ist.

Jetzt weiß ich schon, wir haben vereinbart, dass wir das Fremdenrechtspaket evalu­ieren und schauen werden, wie dessen Auswirkungen sind. Wenn wir nicht nur einmal im Jahr schöne Worte für den Bericht hier finden wollen, wenn wir ihn hier diskutieren, sehe ich uns gerade da gefordert: Wenn erkennbar ist, dass es im Vollzug des Gesetzes Probleme gibt, erhebt sich die Frage, ob wir dann nicht schon früher evaluieren sollten. Aus meiner Sicht würde es Sinn machen, früher, ja gleich zu handeln.

Der Bericht ist ja nicht nur übersichtlich und interessant, sondern er ist auch sehr umfangreich. Und gerade dieser Umfang sollte uns zu denken geben. Im Ausschuss gab es dazu die Bemerkung der Frau Volksanwältin Brinek: Es wäre schön, wenn dieser Bericht ausschließlich aus weißen Seiten bestünde. Das war die Darstellung eines Idealzustandes. Wir alle wissen, dass das wahrscheinlich nie der Fall sein wird. Dieser Wunsch wird sich wahrscheinlich nie erfüllen, aber wir als Gesetzgeber sollten doch die Anregungen der Volksanwaltschaft ernster nehmen und uns auch in dieser Hinsicht wieder unserer Verantwortung klar werden.

Ein wesentlicher Teil dieses Berichts sind die legislativen Anregungen der Volks­anwälte, und da wird unsere Verantwortung tatsächlich schlagend. Wenn man noch dazu sieht, dass die Liste der legislativen Anregungen doch recht umfangreich ist – und es sind gar nicht alle aufgelistet in diesem Bericht –, heißt das aus meiner Sicht, dass wir auch als Bundesräte Verantwortung übernehmen und zeigen, uns auf allen Ebenen für entsprechende Änderungen einsetzen und stark machen müssen. Ein noch viel stärkeres Zeichen des Bundesrates wäre, unsere parlamentarischen Mittel, die uns ja zur Verfügung stehen, zu nutzen, um diesen Änderungen auch Nachdruck zu verleihen.

Ich komme jetzt auf einen Punkt zu sprechen, der ganz erfreulich ist, und zwar geht es dabei um die internationalen Kontakte der Volksanwaltschaft. Die Bemühungen, die internationalen Kontakte zu verstärken – es geht da um die internationale Institution des Ombudsmann-Wesens –, wurden in den letzten Jahren intensiviert und verstärkt. Die Volksanwaltschaft hat sich auch um den Sitz des Generalsekretariats der weltweit tätigen internationalen Ombudsmann-Vereinigung beworben, und wenn ich die Aus­führungen im Ausschuss richtig interpretiert habe, stehen die Chancen, dass Öster­reich den Zuschlag bekommt, sehr, sehr gut.

Aus diesem Grund möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen, um diesen Wunsch auch von Seiten des Bundesrates zu unterstützen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ing. Reinhold Einwallner, Edgar Mayer, Stefan Schennach, Monika Mühlwerth, Peter Mitterer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung der Bewer­bung der Volksanwaltschaft um den Sitz des Generalsekretariats des Inter­nationalen Ombudsmann Institut in Wien


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 133

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die Bewerbung der Volksanwaltschaft um den Sitz des Generalsekretariats des Internationalen Ombudsmann Institut (I.O.I.) in Wien und ersucht daher die Bundesregierung, im Falle der erfolgreichen Bewerbung die notwendigen finanziellen, personellen und sachlichen Ressourcen zu gewährleisten, damit das bei der Volksanwaltschaft angesiedelte Generalsekretariat des I.O.I. (gemäß der internationalen Ausschreibung zumindest für 8 Jahre) seine Aufgaben wahrneh­men kann.“

*****

Abschließend noch einmal ein Dankeschön, und ich bitte, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. Ein Dankeschön an die Volksanwaltschaft und an die Volks­anwäl­tinnen und ein Dankeschön an die Mitarbeiter der Volksanwaltschaft. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Ing. Reinhold Ein­wallner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Unterstützung der Bewerbung der Volksanwaltschaft um den Sitz des Generalsekre­tariats des Internationalen Ombudsmann Institut in Wien ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


16.59.39

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Volksanwältinnen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf und kann mich der Gratu­lation und dem Dank meines Vorredners anschließen und diesen 31. Bericht der Volksanwaltschaft auch entsprechend würdigen.

Der Dank gilt natürlich nicht nur den Volksanwältinnen und dem Volksanwalt für ihr Engagement, sondern natürlich auch deren MitarbeiterInnen für dieses hervorragende und ausführliche Werk.Ich komme jetzt in die eigenartige Situation, meinen Kollegen Einwallner loben zu müssen (Ruf: Das tut weh! – Zwischenruf des Bundesrates Schimböck), das ist nach seinem mehr oder weniger einfachen Auftritt heute Nachmittag gar nicht so leicht, aber ich sehe gerne darüber hinweg. Außerdem möchte ich schon auch zu dem Gesetz und zu dem, dass du anregst, gleich heute zu evaluieren, und zu den Vorschlägen, was man alles im Bereich des Innenministeriums evaluieren sollte, Folgendes anmerken: Wir haben heute so viele Gesetze beschossen, da wird es bald Handlungsbedarf geben, und zwar massiven Handlungsbedarf! Da kannst du dann evaluieren, dass nur so „die Schwarte kracht“!

Das ist ein typisch Vorarlberger Ausdruck, Herr Kollege: „Die Schwarte kracht“ sagt man! Du als gelernter Vorarlberger müsstest ja wissen, was es bedeutet, wenn „die Schwarte kracht“: Da muss man arbeiten, und ihr werdet hier ganz massiv arbeiten müssen!

Und jetzt noch zu deinem cholerischen Anfall vorher hier am Rednerpult, was meine Person anlangt: Es ist irgendwie logisch, dass man dann, wenn man nicht in Vorarlberg studieren kann, weil wir eben keine Universität haben, sondern nur eine Fachhoch­schule, nach Innsbruck fahren muss und zusätzlich auch noch Wohnungskosten hat. –


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 134

Ich denke, logischer kann etwas nicht sein, und da musst du dich nicht so aufplustern, Herr Kollege. (Bundesrat Ing. Einwallner: Was die ... betreffen!)

Und jetzt zurück zur Sache, Herr Kollege! Wir gehen jetzt ganz einfach wieder in die sachliche Debatte ein. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ing. Einwallner.) – Du musst jetzt zuhören, denn ich möchte dich loben, und wenn man gelobt wird, sollte man zuhören! Außerdem: Wenn es um Zwischenrufe geht, könntest du ja vielleicht einen kleinen Nachhilfekurs bei Kollegem Gruber nehmen, den könnte ich dir da empfehlen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

So, und jetzt zum Lob. Herr Kollege Einwallner! Ich darf deinen Entschließungsantrag befürworten und auch die Initiative loben, dass wir die Volksanwaltschaft mit unserem Entschließungsantrag unterstützen. – Es wäre sehr schön, wenn es uns gelingen würde, das Generalsekretariat des IOI nach Österreich zu bringen. Da können wir sehr gut mit. Danke für die Initiative, Herr Kollege Einwallner. (Bundesrat Ing. Einwallner: Danke für die Unterstützung!)

Zurück zur Volksanwaltschaft: Die Arbeit der Volksanwälte für unsere Bürgerinnen und Bürger zum Schutz vor staatlicher und behördlicher Willkür hat ja wirklich unglaubliche Dimensionen erreicht, es ist eine imposante Leistungsbilanz. Ich wiederhole mich hier auch gerne: Dass in einem derart hoch entwickelten Rechtssystem wie dem von Österreich 5 204 Anbringen an die Volksanwaltschaft gerichtet werden, das ist wirklich gigantisch. – Die anderen Zahlen wurden ja von Kollegem Einwallner bereits ausgeführt, ich brauche sie nicht zu wiederholen.

Für viele BürgerInnen ist der Weg zur Volksanwaltschaft die einzige Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen beziehungsweise Unterstützung in einem Verfahren zu erhalten. Sie wird insbesondere, wie ja auch im Ausschuss schon besprochen, von der Wiener Bevölkerung stark in Anspruch genommen, weil hier die Volksanwaltschaft sozusagen „ums Eck“ liegt, hingegen nimmt die Häufigkeit der Kontakte ab, je mehr man nach Westen kommt. Dazu tragen natürlich auch, wie von dir bereits erwähnt, die beiden Volksanwaltschaften in Tirol und Vorarlberg mit einer etwas anderen Rechtspersönlichkeit beziehungsweise einer anderen Rechtskonstruktion bei.

Ich möchte aus diesem riesigen Bericht – er umfasst 473 Seiten; es ist wirklich ein imposantes Werk, das muss man hier anmerken – einige Bereiche genauer beleuch­ten, und zwar insbesondere etwas aus dem Bereich der Behindertenarbeit, in dem hervorragende Unterstützung geboten wird. Dazu sei vielleicht noch dieser eine Satz erwähnt, der von Frau Volksanwältin Brinek, was die Behindertenarbeit in Österreich anlangt, gesagt wurde: Wir sind in Österreich gut in der Behindertenarbeit, aber nicht sehr gut.

Das ist, so glaube ich, auch ein Auftrag für uns, diesbezüglich sehr intensiv an Gesetzen und insgesamt an diesem großen Bereich Behindertenarbeit in Österreich weiter zu arbeiten.

Einige Headlines aus diesem Bericht betreffen die Pflegevorsorge. Die Beschwerden betrafen hauptsächlich die Pflegegeldeinstufung, die medizinische Begutachtung des Pflegebedarfes – ein Sorgenkind –, die Dauer der Verfahren, dass es noch immer kein angemessenes Pflegegeld für Kinder gibt, die Benachteiligung psychisch oder geistig behinderter Personen bei der Pflegegeldeinstufung, das lange Warten auf Pflegegelder oder den Verbesserungsbedarf bei der Begründung von Pflegegeldbescheiden, also eine Fülle von Tatbeständen, die in diesen Pflegebereich hineinreichen.

Im Bereich des Bundesbehindertengesetzes kritisiert die Volksanwaltschaft, dass behinderte Menschen zur Erlangung von Zuschüssen zu behindertengerechten An­schaffungen mit unterschiedlichen Stellen in Kontakt zu treten haben. Diese Situation


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 135

führt zu sehr langen Verfahren und ist gerade für behinderte Menschen besonders belastend. – Hier fordert die Volksanwaltschaft berechtigterweise, und diese Forderung sollten wir Parlamentarier wirklich intensiv unterstützen, eine zentrale Anlaufstelle für die Anliegen von behinderten Menschen, wie sie etwa für Personen, die ein Gewerbe betreiben, bereits besteht.

Zum Thema Behindertenpässe: Aufgrund einer Gesetzesänderung ist dem Finanzamt die Behinderung grundsätzlich mit einem Behindertenpass nachzuweisen, wodurch es zu einem Anstieg der Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses gekommen ist. An den Behindertenpass sind nämlich, und das ist wichtig, eine Reihe von Begüns­tigungen geknüpft. Daher hat die Bearbeitung der Anträge unbedingt innerhalb einer angemessenen Zeit zu erfolgen.

Diesbezüglich bedanke ich mich aus Vorarlberger Sicht für die Unterstützung, denn im Bereich der Ausstellung von Behindertenpässen gab es bei uns Engpässe. Die Leute mussten mehr als sechs Monate und länger auf Behindertenpässe warten, und gerade im Hinblick auf die vorher zitierten neuen gesetzlichen Bestimmungen war das natür­lich eine enorme Belastung. So hat die Volksanwaltschaft auf die Behörden in Vorarlberg Druck ausgeübt, um wenigstens vorübergehend rascher zu diesen Behin­dertenpässen zu kommen. Es gab die Möglichkeit, auf den ärztlichen Dienst anderer Landesstellen zurückzugreifen, und das hat sich sehr, sehr positiv auf die Situation ausgewirkt.

Zum großen Bereich Gesundheit: Die Österreichische Ärztekammer wurde gemäß dem Ärztegesetz dazu verpflichtet, einen Solidarfonds einzurichten, welcher Leistungen an Patientinnen und Patienten zu erbringen hat, wenn diese aufgrund des schuldhaften Handelns eines freiberuflichen Arztes Schäden erlitten haben und in absehbarer Zeit keine Aussicht auf Durchsetzung einer angemessenen Entschädigung besteht.

Die große und mächtige Ärztekammer, die ja an und für sich gleich nach dem Herrgott kommt, erblickte in dieser Norm einen Eingriff ins Eigentumsrecht. Der Verfassungs­gerichtshof wurde mit dem Fall betraut und hat in einem Erkenntnis festgestellt, dass dieser gesetzlichen Regelung ein weiter Ausgestaltungsspielraum eingeräumt wird und sie verfassungskonform ist, weil Entschädigungszahlungen in solchen Fällen der Wiedererlangung des Vertrauens in die Ärzteschaft dienen und keinen Schadenersatz darstellen.

Die Volksanwaltschaft hat sich aus Anlass mehrerer Beschwerden von Frauen, die durch das vorsätzliche Fehlverhalten eines Kärntner Gynäkologen geschädigt wurden, nachdrücklich dafür eingesetzt, diesen Härtefonds einzurichten. Fünf Beschwerde­führerinnen haben dadurch vier Jahre nach Rechtskraft des Straferkenntnisses gegen den Arzt, welcher für schuldig befunden wurde, es rechtswidrig und schuldhaft in Kauf genommen zu haben, dass seine langjährigen Patientinnen schwere Gesundheits­schäden erlitten haben, je 7 500 € aus dem Solidarfonds erhalten – eine kleine Anerkennung, wenn man die Tragödien kennt, die dahinterstehen. Aber es gebührt auch hier der Volksanwaltschaft ein großer Dank, dass sie sich massiv für diese Beschwerdeführerinnen eingesetzt hat, und vor allem auch dafür, dass die Ärzte­kammer verpflichtet wurde, diesen gesetzlich verankerten Solidarfonds entsprechend einzurichten.

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote, die man auch unter dem Thema „Heiteres Bezirksgericht“ beziehungsweise „Heiteres Magistrat“, wenn Sie so wollen, einordnen könnte, mit dem Titel: „Magistrat Salzburg kennt eigene Bescheide nicht“.

„Die Nachbarin einer gewerblichen Betriebsanlage wandte sich mit dem Vorwurf einer Säumigkeit des Magistrates Salzburg als Gewerbebehörde an die VA“, also die Volksanwaltschaft, „nachdem sich der Lärm, der über ein ständig offen gehaltenes


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 136

Hallentor in ihren Wohnbereich drang, nicht gebessert hatte. Im Prüfungsverfahren war festzustellen, dass die Anzeige der Einschreiterin zwar zum Anlass für die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens genommen wurde, dieses jedoch mit der unrichtigen Begründung eingestellt worden war, dass keine behördliche Auflage zum Geschlos­senhalten dieser bestimmten Tür vorgeschrieben worden sei.

Erst eine Durchsicht aller gewerbebehördlichen Bescheide durch die VA ergab, dass eine solche Auflage sehr wohl rechtskräftig in einem Verfahren zur Erteilung zusätz­licher Auflagen erteilt worden war. Diese Unterlage war jedoch dem Strafamt des Magistrates nicht zur Verfügung gestellt worden.

Nach Hinweis auf diesen Fehler erfolgte eine unangesagte Überprüfung der Betriebsanlage, anlässlich derer der [...] erfolglos angezeigte Verstoß gegen diese Auflage festgestellt werden konnte. Die verwaltungsstrafrechtlichen Schritte wurden daraufhin ergriffen.“

Die Volksanwaltschaft hat also sogar dem Magistrat Salzburg auf den Weg geholfen, seine eigenen Bescheide richtig zu lesen.

Es gäbe noch sehr vieles zu berichten. Der Bericht ist, wie gesagt, sehr umfassend.

Nochmals herzlichen Dank für Ihre Leistungen und diesen großartigen Bericht. Ich darf mich im Namen meiner Fraktion sehr herzlich dafür bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Dönmez und Boden.)

17.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


17.10.33

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Volksanwältinnen! Lieber Kollege Mayer, wenn „die Schwarte kracht“ – um bei diesem Bild von dir zu bleiben –, dann ist es ja so, dass etwas abnimmt: Die Aggression nimmt ab, oder, wenn die Fettschwarte kracht, nimmt vielleicht auch die Figur etwas ab. (Zwischenruf des Bundesrates Edgar Mayer.) – Warte! Ich stimme dir zu, und meine Kritik bezieht sich auf den ganzen heutigen Tag, dass wir durch dieses legistische „Durchturnen“ durch sehr viele Minderleistungen für die Volksanwaltschaft am heutigen Tag für die Zukunft wahrscheinlich einiges an Arbeit produziert haben.

Ich möchte mich bei den beiden Volksanwältinnen dafür entschuldigen, dass wir den heutigen Termin festgelegt haben, nachdem wir einen ganzen Tag sozusagen die Putztruppe zur Kehrausfeier des Nationalrates gespielt haben und dem Bericht der Volksanwaltschaft vielleicht nicht jene Aufmerksamkeit schenken, die wir ihm in der Vergangenheit durch eine sehr intensive Diskussion geschenkt haben. – Nichtsdesto­trotz auch von meiner Seite, von unserer Seite ein herzliches Dankeschön an die Mitglieder der Volksanwaltschaft, an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ja, es sind weniger Fälle geworden! Bisher gab es ja immer die Diskussion, dass die Zahl der Fälle steigt und steigt, aber wir verzeichnen erstmals einen Rückgang, wenn auch nicht in den Materien selbst. Und da, lieber Kollege Einwallner, die Landes­volksanwälte von Tirol und Vorarlberg in einem Atemzug zu nennen, das tut immer ein bisschen weh, weil der Vorarlberger Volksanwalt immerhin einen ähnlichen Aufbau wie die Bundesvolksanwälte hat, der Tiroler Volksanwalt in dem Sinne jedoch nicht einmal eine Idee eines Volksanwaltes ist. Das heißt, alle Versuche, hier eine echte Landes­volksanwaltschaft zu kreieren, sind bisher am Unwillen der Tiroler Landesregierung gescheitert. – Diese beiden Volksanwälte sind also in ihrer Funktion und in ihren Kompetenzen einfach nicht zu vergleichen.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 137

Lieber Edgar Mayer, wir haben heute neue Fälle produziert, und – da komme ich mir jetzt schon wie ein Drehleierspieler vor – bei vielen Gesetzen, und gerade haben wir ein ganzes Bündel von Gesetzen beschlossen, wissen wir, dass wir Fälle um Fälle produzieren, und diese Gesetzesbereiche sind eigentlich klar identifizierbar. Dazu gehört der gesamte riesige Block des Fremdenrechts mit all seinen Facetten, ob das das Niederlassungsrecht ist oder jenes betreffend den Aufenthaltstitel, während der zweite große Block, der damit im Grunde, wenn auch nicht ganz, unter einem betrachtet werden kann, jener des Fremdenrechts ist.

Und es ist wiederum so: Wir haben hier einen extremen Zuwachs an Fällen, und bei jeder Diskussion über das Fremdenrecht, über Verschärfungen des Fremdenrechtes, weisen wir immer wieder darauf hin, dass hier soziale Härtefälle, dass hier Recht, das nicht gleich Recht ist, geschaffen wird. Und trotzdem, wider besseres Wissen, finden diese Gesetze eine Mehrheit – eine Mehrheit, lieber Kollege Mayer, die du heute bei anderen Punkten, bei denen du einmal in der Minderheit warst, beklagt hast.

Eines fällt schon auf: Zuerst haben wir, auch mit der Gründung des Asylgerichtshofes, den Verfassungsgerichtshof lahmgelegt, jetzt legen wir den Verwaltungsgerichtshof lahm, aber gleichzeitig wirkt die Behinderung des Verfassungsgerichtshofes weiter, weil dort ja noch riesige Rucksäcke voll abzuarbeiten sind, und zusätzlich wird die Volksanwaltschaft gestürmt. – Da kann doch etwas im System des Fremdenrechtes, wie wir es gesetzlich implementiert haben, nicht stimmen!

Es kann auch etwas im Zusammenhang mit einer Rechtsordnung nicht stimmen, wenn, um Recht zu bekommen, pausenlos Höchstgerichte angerufen werden müssen oder Instrumente der rechtlichen Kontrolle des Staates ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Müssen?! ... Entscheidung!) – Müssen! Ja, lieber Herr Kühnel! Sie wissen, dass Sie, um Ent­scheidungen, die Sie hier vollen Herzens mitgetragen haben, durchzusetzen und um den Rechtsstaat zu wahren und auch dessen Rechte einzufordern, nur diese Vorgangsweise haben.

Ein Umstand kommt mir immer wieder besonders „pervers“ vor, und ich habe das auch im Ausschuss gesagt, nämlich dass wir Menschen, die sich im Inland befinden, sogar über den großen Teich zurückschicken, damit sie dort den Antrag stellen, weil eine Antragstellung im Inland nicht möglich ist. Ich habe das erst letzte Woche bei einer Studentin aus Kolumbien gesehen, die bei den Salesianerinnen lebt, ein „Kloster­mädel“: Sie muss nach Bogotá zurück, nur um an der dortigen österreichischen Bot­schaft einen Antrag abzugeben! Das kostet Geld, das verursacht Verzweiflung, und es ist ein Unsinn, weil sie sowieso das Recht hat, danach hier herzukommen!

All diese Dinge zeigt die Volksanwaltschaft auf, und ich frage mich, wann diese vielen Vorschläge der Volksanwaltschaft auch gehört werden.

Edgar Mayer hat etwas gesagt, was ich mir erlaubt habe heute schon beim ersten Tagesordnungspunkt, jenem betreffend das Pflegegeld, anzureißen. Ja, dieser Bericht nimmt in großen Bereichen explizit zum Pflegegeld Stellung, und zwar insbesondere – und ich danke dir, lieber Edgar, dass du das gemacht hast, weil Vorarlberg dies­bezüglich eine Vorreiterrolle hat – was das Pflegegeld für die psychisch Kranken, für die geistig Behinderten und für die Kinder anlangt. Hier lesen wir es, und obwohl wir heute eine Änderung des Pflegegeldgesetzes beschließen, werden genau jene Be­reiche, die die Volksanwaltschaft als gravierendes Problem aufzeigt, auch heute nicht gelöst!

Meine Damen und Herren, in Österreich ist etwas enorm unterentwickelt, und deshalb erlaube ich mir, einmal mehr auf jenen Teil des Berichtes der Volksanwaltschaft hinzuweisen, der, wie ich finde, für das Rechtsbewusstsein und für die demokratische Kultur in diesem Land von ganz besonderer Bedeutung ist: Das ist der Grundrechtsteil,


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 138

der seit einigen Jahren dem Bericht der Volksanwaltschaft beiliegt und meiner Meinung nach beispielhaft ist und Bewusstsein schafft. Er schafft das Bewusstsein, dass es in vielen Fällen um Grundrechte geht, um die Bürger- und Bürgerinnengrundrechte, die einmal in Massachusetts und im Paris des 18. Jahrhunderts und danach 1848 in Wien erkämpft wurden, dass wir bürgerliche Grundrechte haben und dass wir diese immer wieder beschneiden beziehungsweise dass es Jahr für Jahr Menschen gibt, die in ihren Grundrechten beschnitten werden. – Deshalb ist dieser Grundrechtsteil der­maßen wichtig.

Noch zur einen oder anderen Kleinigkeit: Meine Aufregung über die Blindgänger kann ich mir sparen, Edgar Mayer weiß es, obwohl ich mir denke, da kann man nicht länger herumspielen. Die abgetretene Regierung hat in dieser Frage versagt, denn nicht einmal der Stadt Salzburg ist es gelungen, Klarheit betreffend die Frage zu bekommen, wer diesbezüglich haftet und wer was bezahlt.

Etwas, was in letzter Zeit heftig diskutiert wird, vor allem, was das Gericht betrifft, ist die medizinische Begutachtungspraxis beziehungsweise die Begutachtungspraxis ge­nerell. Ohne es jetzt hier in die Länge ziehen zu wollen, empfehle ich jenen Kollegin­nen und Kollegen, die es interessiert, das auch nachzulesen. Es finden sich Mängel bei einem öffentlichen Fall bei der gerichtlichen Begutachtungspraxis, es finden sich Mängel im Bereich der Zuerkennung von Pflegegeld, bei der Einstufung der Pflege­stufen – der Kollege nickt; ich danke –, es finden sich aber auch Mängel im ganzen Bereich der Sozialversicherungen, und deshalb brauchen wir hier Standards, denn so, wie es derzeit gehandhabt wird, bekommt die Volksanwaltschaft Arbeit! Das ist zwar nett, das ist aber nicht der Sinn eines Gesetzes.

Und es gibt noch einen zweiten Bereich. Ich habe mir erlaubt – obwohl fachlich nicht zuständig, aber manchmal ärgert einen etwas, und zwar habe ich diesbezüglich mit Arztpraxen aus allen neun Bundesländern Kontakt aufgenommen –, die Lücken und Tücken der e-card in den Praxen der praktischen Ärzte minutiös nachzuzeichnen.

Hier haben wir wieder diese e-card-Fälle, und Frau Ministerin Kdolsky hat gesagt, sie ist entsetzt, weil es stimmt, was ich aufgezeigt habe, nämlich – und gerade jetzt passiert es wieder – dass viele junge Leute, Studierende übrigens, heuer im Sommer Ferialjobs hatten und jetzt, in diesen Wochen, nicht versichert sind. Sie kommen vielleicht erst im November drauf, wenn sie nicht selbst aktiv sind, weil diese ganzen Ummeldungen nicht funktionieren. Und selbst wenn sie sich ummelden, hängen sie sechs Wochen lang in der Luft!

Machen wir zum Beispiel einen Blick nach Tirol oder in die Steiermark, dort werden in Kürze Liftangestellte aufgenommen. Diese waren vielleicht bei der Bauernversicherung oder bei der Gebietskrankenkasse und kommen jetzt in die Eisenbahnerversicherung. Wenn so jemand am Ersten bei einem Liftbetrieb angestellt wird und am 15. Dezember krank wird, dann wird er als bei der Gebietskrankenkasse versichert ausgeworfen, und es dauert mehr als drei Tage – und wir reden jetzt von dieser wichtigen Zeit –, bis die Rückmeldung kommt: Er ist bei uns nicht versichert. – Nun bedarf es wieder dreier Tage oder länger, bis er bei der nächsten Versicherung gemeldet ist, und so manchem entgeht damit das Krankengeld.

Und wenn der Lift zusperrt, der Schnee weg und der Frühling da ist, dann stellt sich wieder dasselbe Problem! (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Das stimmt, mein Lieber! Deine eigene Ministerin hat geschrieben, dass das stimmt und dass man versuchen wird, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen.

Es ist in vielen Fällen so! Wir könnten weitere Fälle anführen! – Die e-card wurde hier ausdrücklich erwähnt.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 139

Meine Damen und Herren, es war ein langer Tag. – Ich möchte den beiden Volks­anwältinnen noch genügend Zeit geben, zu diesem Bericht Stellung zu nehmen. Noch einmal: Ich glaube, der Dank des ganzen Hauses gebührt Ihnen und Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für Ihre Tätigkeit.

Die Volksanwaltschaft ist nicht einmal, sondern viele hundert Male in Österreich ein Hoffnungsschimmer der Bürger, bei einem gefühlten Unrecht doch noch gehört zu werden, und in dem einen oder anderen Fall macht die Volksanwaltschaft auch durch ihre populäre Sendung etwas möglich. Aber wir als gesetzgebende Versammlung sollten mehr denn je die Vorschläge der Volksanwaltschaft beherzigen, die wir in ihrem Bericht lesen und diese nicht ad acta legen. Ihre Arbeit ist wichtig. – Danke. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Dönmez sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

17.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich bedanke mich bei all jenen, die sich an die freiwillige Redezeitbeschränkung halten.

Nun erteile ich Frau Volksanwältin Brinek das Wort. – Bitte.

 


17.23.58

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Geschätzte Kollegin Stoisits! Ich möchte jetzt die Gelegenheit nützen, einerseits den Dank, der von Ihnen ausgesprochen wurde, entgegenzunehmen, ihn gerne an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Volksanwaltschaft weiterzuleiten, und mich besonders bei unseren Quasi-Generalsekretären, den Leiterinnen und Leitern des Geschäfts­bereiches, bedanken. Sie sind ganz wichtige Clearingstellen und letzte Entscheidungs­instanzen, die uns helfen, schnell zu Antworten und zu Hilfen zu kommen.

Ich möchte meinen Dank Ihnen gegenüber ausdrücken für das Interesse, für die sehr konzentrierte Diskussion im Ausschuss und die konzentrierte Diskussion auch hier. – Einige Aspekte sind gegenüber dem Ausschuss sogar noch dazugekommen, und ich möchte auf ein paar von mir als wesentlich erachtete von Ihnen angesprochene Punkte Bezug nehmen.

Die Frage der Landesvolksanwaltschaften ist eine Frage der Landesverfassungs­gesetze. Meine Wahrnehmung und meine Erfahrung aus den Begegnungen in den Bundesländern bei den Sprechtagen – Sie können nachlesen, wir haben im Jahr 2007 fast 200 Sprechtage absolviert – ist, wie schon angesprochen, dass es einen Unter­schied gibt zwischen dem Vorarlberger Landesvolksanwalt, der in einem höheren Maße wie ein Bundesvolksanwalt ausgestattet ist, als es bei jenem in Tirol der Fall ist, und ebendiesem.

Meine Erfahrung ist, dass wir als Bundesvolksanwälte, gerade was meinen Geschäfts­bereich betrifft, Kenntnisse in sieben Ländern sammeln können, etwa was die Bau­ordnung oder was landesgesetzliche Bestimmungen anlangt. Wir können uns einen Überblick verschaffen und wir können hiezu auch Anregungen geben.

Meine Erfahrung ist auch, dass es den Bürgerinnen und Bürgern vielfach ein Anliegen ist, mit dem Problem nicht in unmittelbarer Nähe zu sein, wenn ich die Stelle aufsuche, von der ich Hilfe erwarte. Diese Trennung, aber auch die Frage der Befangenheit, der Betroffenheit zu trennen, ist also in vielerlei Hinsicht ein positiver Effekt.

Meine praktische Wahrnehmung ist – natürlich ist es den Ländern und Ihnen, der Ge­setzgebung im weitesten Sinne, überlassen, darüber anders zu befinden –, dass die Erfahrungen gut sind, je nachdem, wie sich, wie gesagt, Länder und Bund dazu verhalten. Wir kommen mit der jetzigen Regelung gut zurecht, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass es ganz laute Rufe geben würde, wir müssten hier eine Änderung bewirken.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 140

Zum Thema Häufigkeit und Anzahl der Fälle: In der Tat – es gab auch eine dies­bezügliche Diskussion im Ausschuss – bedeutet das West-Ost-Gefälle von der Beschwerdeentwicklung her nicht, dass im Westen alles in Ordnung ist und im Osten nicht, wenn ich allein davon ausgehe, wie offen unser Tor in der Singerstraße ist und dass man da, was die regionale Zugänglichkeit anlangt, seine Beschwerde, seine Sorge natürlich leichter anbringen kann, als wenn ich trotz Sprechtagen weitere Anreisewege habe – wie gesagt, wir fahren auch zu den Bürgerinnen und Bürgern.

Ich möchte auch auf die erfreulicherweise steigende Zahl von Internet-Anfragen und die Nutzung der Online-Beschwerdeformulare hinweisen, und ich möchte bei der Gelegenheit auch eine Werbedurchsage für die Gratis-Telefonnummer 0800 223 223 machen: Unter dieser Nummer können Bürgerinnen und Bürger aus ganz Österreich, Menschen – Frauen und Männer – aus ganz Österreich anrufen und unsere Hilfe in Anspruch nehmen. Kostenlos ist der Anruf natürlich, weil wir alle als Steuerzahler das tragen und Sie als Gesetzgeber und Gesetzgeberin das wollen. Das wird natürlich bezahlt! Wir arbeiten nicht gratis, sondern unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können diese Dienste anbieten, weil sie natürlich auch ein ordentliches Gehalt bekommen.

Angesprochen wurde in diesem Zusammenhang die Frage Prüftätigkeit und ausge­lagerte Unternehmungen: In der Tat geht es uns nicht darum, zu bewerten, ob Aus­lagerungen sinnvoll oder nicht sinnvoll sind, aber es ist relativ eindeutig, dass es, wenn wir einzelne Fälle ansehen, auch eine Verankerung der Prüfzuständigkeit der Volks­anwälte geben könnte. Es ist Ihnen anheim gestellt, diese zu machen, ähnlich wie es mit dem Rechnungshof meistens der Fall ist.

Dass ich persönlich Ihnen als Gesetzgeber das ans Herz lege, da verschweige ich mich nicht, denn sonst kommt es zu einem anderen Zugang zum Recht – wir können durchaus von einem ausgedünnten Rechtsschutz sprechen. Es ist eine Sache, wenn ich im Namen eines Bürgers an die Friedhofsverwaltung in Wien ein Ersuchen richte und dann eine freundliche Auskunft bekomme, aber es ist etwas anderes, wenn ich im Namen des anfragenden Bürgers oder der Bürgerin quasi ein Recht darauf habe. Und es gibt immer mehr Bereiche, die bis in die – ich sage es jetzt einmal unter Gänse­füßchen – „Daseinsvorsorge“ hineinreichen. Das als Anmerkung dazu.

Ich bedanke mich für die Entschließung, die das IOI betrifft – das International Ombudsmann Institute. Ich darf Ihnen sagen, dass wir dank auch der Unterstützung des Nationalrates vom Frühsommer dieses Jahres davon ausgehen dürfen, dass bei den im November dieses Jahres stattfindenden internationalen Board Meetings die Chancen für Österreich steigen werden. – Ich darf an dieser Stelle Volksanwalt Kostelka entschuldigen; er ist noch nicht dorthin unterwegs, wird es aber bald sein. Die Chancen steigen beziehungsweise sind sie so, dass wir hoffen dürfen, dass wir dann schließlich bei der Generalversammlung im Juni 2009 in Schweden die Chance haben, den Zuschlag zu bekommen.

Ihre Unterstützung, Ihre Entschließung, trägt sicher auch dazu bei, denn eines muss natürlich noch gewährleistet sein: Das Ganze muss nicht nur bei uns in der Singer­straße organisatorisch eingerichtet werden, sondern auch budgetär. Ich habe die Ehre, diese Budgetverhandlung als Vorsitzende – noch mit Ihrer Unterstützung – zu führen.

Ich möchte noch ein paar Worte an den Kollegen Edgar Mayer richten und dabei auf die von ihm angesprochenen Themen Bezug nehmen. Edgar Mayer, Schennach und Einwallner – Sie alle haben heute im Bereich der Pflege eine Verbesserung erreicht. Ja, es ist meine Bitte, die ich auch im Namen der Volksanwälte Stoisits und Kostelka anspreche. Sie produzieren Gesetze, die die Verwaltung umsetzen beziehungsweise


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 141

einlösen oder zur Praxis werden lassen muss. Wenn diese Gesetze einen großen Spielraum lassen, ist damit eine große Fehlerhäufigkeit verbunden.

Dann werden die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer wahrscheinlich als Fälle bei der Volksanwaltschaft landen – und zwar weil sie ungleich behandelt werden, sich nicht genügend informiert und nicht genügend betreut fühlen. So ist es. Ich habe im Ausschuss gesagt: Idealtypisch wäre das ein Bericht mit vielen leeren Seiten. Ich denke, das wird noch nicht der Fall sein.

In Behindertenangelegenheiten hat die Volksanwaltschaft empfohlen – gerade aus dieser besonderen Betroffenheit heraus –, so etwas wie ein One-Stop-Shop-Prinzip einzurichten; was ich für wichtig erachte, weil gerade in diesem Fall die Beschwer­lichkeit, mit der man zu seinem Recht kommt, besonders gegeben ist.

Zu einem Punkt möchte ich noch Stellung nehmen. Kollege Schennach – Ent­schul­di­gung: Herr Bundesrat Schennach; ich fühle mich hier im Parlament noch immer als Kollegin (Bundesrat Schennach: Kein Problem!) – hat die Gutachterlage ange­sprochen. Ja, wir sehen das, und zwar nicht nur in meinem Prüfbereich, sondern in vielen anderen auch. In Wirklichkeit bräuchten wir mehr, rascher, mit sehr viel Sorgfalt zur Verfügung stehende Gutachter. Das ist eine Sache, die wir sicher gemeinsam verbessern müssen und können.

In so heiklen Dingen wie Unterhalt, Sorgerecht und Pflegestufe ist es vielleicht ge­boten, eine zweite oder dritte Stellungnahme einzuholen. Mit einer ordentlichen Honorierung wird das möglich sein, denn wie Sie wissen, hängt am Sachverständigen- beziehungsweise am Gutachterurteil die Entscheidung, wohin sich dann die jeweilige Stelle neigt. Am Ende sollten der Bürger und die Bürgerin die Chance haben, nicht nur durch ein zufälliges Gutachterurteil eine Nachricht zu bekommen, ob abschlägig oder nicht abschlägig beschieden wird.

In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal. Ich hoffe, dass ich die wesentlichsten Punkte aufklärend kommentieren und beantworten konnte. Ich hoffe auch, dass wir auch weiterhin im Dienste der Bürgerinnen und Bürger gut unterwegs sein können und unsere Öffentlichkeitsarbeit weiter ausbauen werden. Auch das ist eine Chance. Wir haben gewissermaßen Mitbewerber, wenn Sie an die vielen Ombudsmänner in den Medien und so weiter denken, nur können diese nicht helfen. Sie zeigen auf, sie erzählen eine Geschichte in den Blättern, aber helfen können sie nicht.

Manchmal gibt es mit ihnen eine Kooperation. Auch da haben wir noch viel Arbeit, denn Reden gehört zu dem, was wir dann auch verkaufen, Klappern gehört zum Handwerk. Wenn wir da weiter ausbauen können, dann geht es nicht darum, ob wir mehr oder weniger Fälle haben, sondern darum, dass wir möglichst oft helfen kön­nen. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

17.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volks­anwältin Mag. Stoisits. – Bitte, Frau Volksanwältin.

 


17.33.47

Volksanwältin Mag. Terezija Stoisits: Dobar dan! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihre Zeit nicht mehr lange in Anspruch nehmen, aber ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nutzen, Sie hier im Bundesrat als Lobbyistinnen und Lobbyisten für unsere Anliegen zu gewinnen. Es geht um zwei Dinge, die sich aus meiner einjährigen Erfahrung, aus der langjährigen Erfahrung des Kollegen Kostelka sowie aus der noch kurzen, aber intensiven Erfahrung der Kollegin Brinek ergeben haben.


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 142

Die Wahlen bringen es ja mit sich, dass irgendwann die alte Bundesregierung durch eine neue abgelöst wird. In dieser Phase möchten wir VolksanwältInnen Sie bitten, sich für das schon seit langem bestehende Anliegen der VolksanwältInnen einzusetzen – nämlich für die Möglichkeit der VolksanwältInnen, Sonderberichte zu erstellen und sie dem Nationalrat und demzufolge auch dem Bundesrat vorzulegen. In diesem Zusam­menhang ersuchen wir Sie um Ihre Sympathie und um Ihre Einflussnahme bei den jeweiligen EntscheidungsträgerInnen.

Wir tun das deshalb, weil es nicht Selbstverständnis der Volksanwaltschaft ist, ein­seitige Parteienvertretung zu machen und denen, die zu uns kommen, zu sagen: Jetzt sind wir eure Anwälte! Als ich Volksanwältin wurde, habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass in der Volksanwaltschaft alles passt, nur der Name ist irreführend. So glauben Menschen, die sich an uns wenden, wir seien Anwalt oder Anwältin in dem Sinne, wie man das ja von den RechtsanwältInnen kennt. Das sind wir nicht! Wir stehen in der Mitte zwischen unseren BeschwerdeführerInnen und der öffentlichen Verwaltung und versuchen zu vermitteln. Wir sind im Wesentlichen mehr MediatorInnen, aber mit viel mehr Kompetenzen – und nicht ParteienvertreterInnen.

Für diese Aufgabe, die wir haben, wäre eine Darstellung von Problembereichen über den jährlichen Bericht hinaus äußerst hilfreich. Es geht ja letztendlich nicht darum, dass die Volksanwaltschaft in dicken Berichten – irgendwann können es 700 Seiten sein – darstellt, wie schlecht die österreichische Verwaltung ist. Ich sage Ihnen: Nein, das ist sie nicht. Sie ist sogar sehr gut, nur hat sie Probleme. Jene, die in der Ver­waltung tätig sind – auch viele von Ihnen sind im öffentlichen Bereich tätig –, werden ja vielfach allein gelassen.

Das ist eine Auswirkung der Tatsache – Kollege Schennach hat es schon ange­sprochen und wir haben auch schon im Ausschuss darüber diskutiert –, dass sich Beschwerden in manchen Bereichen massiv häufen. Das ist etwa im Bereich des Innenministeriums so, besonders was den Themenkomplex Fremdenrecht anbelangt. Das sind Auswirkungen von Gesetzen, die im Jahr 2005 beschlossen wurden und 2006 in Kraft getreten sind. Im Jahr 2007 haben wir dann die Auswirkung, dass BeamtInnen und MitarbeiterInnen nicht wissen, woran sie sind. Leidtragende sind immer jene, die ein Recht in Anspruch nehmen wollen.

Ich komme zum letzten Satz – das ist ein kleines Resümee meiner jetzt einjährigen Tätigkeit: Es gibt keine bessere Stelle, die die Auswirkungen von Gesetzen evaluiert, als die unsrige, denn wir sind ständig mit den Menschen und mit den Folgen der Auswirkungen von Gesetzen, an denen Menschen zu tragen haben, konfrontiert. Dabei haben wir VolksanwältInnen – ich möchte Ihnen jetzt etwas aus meiner Erfahrung mit auf den Weg geben – nicht immer das Gefühl, dass das, was die Volksanwaltschaft in die Berichte schreibt – Stichwort: legislative Anregungen –, dort, wo wir Hilfsorgan sind, nämlich hier im Parlament, auch ankommt. Machen Sie deshalb bitte Ihren Einfluss geltend, damit das, was der öffentlichen Verwaltung und im weitesten – was heißt im weitesten? –, ja sogar im engeren Sinn der Politik und dem Zusammenleben am meisten dient, problemlos, reibungslos und im Dienste der Bevölkerung in Österreich umgesetzt wird.

An die Volksanwaltschaft kann sich ja – wie es in der Verfassung so schön heißt – jedermann wenden, unabhängig von Staatsbürgerschaft, Nationalität, Alter, Ge­schlecht, der von der Verwaltung betroffen ist. Das ist unser Ziel, und dafür bitten wir Sie um Unterstützung – und zwar nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern.

Verwaltung geschieht immer dort, wo die Menschen sind – am wenigsten in Wien, am meisten in der BH, in der Gemeinde und im Land. Damit sind auch Sie konfrontiert, wenn die Leute sich bei Ihnen – das habe ich 17 Jahre lang selbst erlebt – beschwe-


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 143

ren. Wenn sie dann zu uns kommen, können wir helfen. Sie haben dann hier wieder die Möglichkeit, das zu korrigieren. Das muss man in Anspruch nehmen, und das wünschen wir uns. – Danke herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

17.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

*****

Bevor wir zur Abstimmung kommen, denke ich, im Namen aller zu sprechen, wenn ich sage, dass die Arbeit der Volksanwaltschaft unsere außerordentliche Wertschätzung hat. Niemand versteht besser, was bei Gesetzen passieren kann, als wir Parlamen­tarier.

*****

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Einwallner, Mayer, Schennach, Kolleginnen und Kollegen zur Fassung einer Entschließung betreffend die Unterstützung der Bewer­bung der Volksanwaltschaft um den Sitz des Generalsekretariats des Internationalen Ombudsmann Institut in Wien vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 232-BR/08.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.40.37Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass in der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung zwei Anfragen, und zwar 2644/J-BR und 2645/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Berichte und Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem


BundesratStenographisches Protokoll760. Sitzung / Seite 144

Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unter­liegen.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen noch eine gute Heimreise.

Die Sitzung ist geschlossen.

17.41.11Schluss der Sitzung: 17.41 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien