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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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771. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Freitag, 5. Juni 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

771. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 5. Juni 2009

Dauer der Sitzung

Freitag, 5. Juni 2009: 9.01 – 15.37 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 und das Konsulargebühren­gesetz 1992 geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsge­setz 2004, das Volksgruppengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz, das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, das Urkundenhinterlegungsgesetz, die Zivilprozessordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Jugend­gerichtsgesetz 1988, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Bundesgesetz über die Refinanzierung von Tätigkeiten der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung, das Finanzmarktsta­bilitätsgesetz, das Poststrukturgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Stiftungseingangssteuer­gesetz, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, das Versiche­rungssteuergesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzge­setz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversiche­rungsgesetz, das Bundes-Seniorengesetz, das Altlastensanierungsgesetz, das Um­weltförderungsgesetz, das KMU-Förderungsgesetz, das Postgesetz 1997, das For­schungs- und Technologieförderungsgesetz, das Österreichische Forschungsförde­rungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Luft­fahrtsicherheitsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Bundestheaterorganisa­tionsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrerge­setz 1996, das Gehaltsgesetz 1956 und das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz geändert sowie ein Bundesgesetz zur Teilnahme an internationaler Zahlungsbilanz­stabilisierung (Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – ZaBiStaG), ein Bundesgesetz


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über die Einrichtung und den Betrieb eines Unternehmensserviceportals (Unterneh­mensserviceportalgesetz – USPG), ein Bundesgesetz über einen Kassenstrukturfonds für die Gebietskrankenkassen (Krankenkassen-Strukturfondsgesetz), ein Bundesge­setz betreffend den Verzicht auf Bundesforderungen gegenüber Gebietskrankenkas­sen und ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung weiterer Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie genehmigt wird, erlas­sen werden (Budgetbegleitgesetz 2009)

3. Punkt: Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

5. Punkt: Wahl des Vizepräsidenten und der Vizepräsidentin sowie der Schriftfüh­rer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2009

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ......................................................................................................................... 7

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über Instrumente zur vorläu­figen Anwendung von Teilen des Protokolls Nr. 14 zur EMRK durch den Herrn Bundespräsidenten ........................................................................................................ 34

5. Punkt: Wahl des Vizepräsidenten und der Vizepräsidentin sowie der Schrift­führer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2009 ......................................................................... 101

Schlussansprache des Präsidenten Harald Reisenberger .................................... 103

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 7

Fragestunde (142.)

Inneres ............................................................................................................................ 7

Mag. Michael Hammer (1676/M-BR/09); Erwin Preiner, Efgani Dönmez

Reinhard Winterauer (1679/M-BR/09); Friedrich Hensler, Elisabeth Kerschbaum

Stefan Zangerl (1675/M-BR/09); Anneliese Junker, Ing. Hans-Peter Bock, Mag. Walter Ebner

Günther Köberl (1677/M-BR/09); Ing. Reinhold Einwallner, Stefan Schennach

Josef Kalina (1680/M-BR/09) (gemäß § 63 Abs. 3 GO-BR); Mag. Michael Hammer

Stefan Schennach (1682/M-BR/09); Josef Kalina, Dr. Franz Eduard Kühnel, Jo­hann Ertl

Kurt Strohmayer-Dangl (1678/M-BR/09); Christa Vladyka, Monika Mühlwerth

Wolfgang Sodl (1681/M-BR/09); Reinhard Jany, Peter Mitterer


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Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union .......................................................  33, 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 36

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 32

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 und das Konsulargebührengesetz 1992 ge­ändert werden (204 d.B. sowie 8111/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 37

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 37

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 37

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 38

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 39

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 41

Entschließungsantrag der Bundesräte Elisabeth Grimling, Edgar Mayer, Kol­leginnen und Kollegen betreffend vergünstigte Reisepässe für Kinder und Ju­gendliche unter 12 Jahren – Annahme (E 234-BR/09)      40, 41

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ............................................................................................... ..... 41

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Volksgruppengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Außer­streitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gebührenanspruchsgesetz, das Ge­richtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz, das Allgemei­ne Grundbuchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, die Jurisdik­tionsnorm, das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, das Urkundenhinterle­gungsgesetz, die Zivilprozessordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessord­nung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Bundesgesetz über die Refinanzierung von Tätigkeiten der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung, das Finanzmarktstabilitätsgesetz, das Poststrukturge­setz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundes­abgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Gebührengesetz 1957, das Grunder­werbsteuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, das Versiche­rungssteuergesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Ge­sundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Ge­werbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bundes-Seniorengesetz, das Altlas­tensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das KMU-Förderungsgesetz, das Postgesetz 1997, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das


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Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Luftfahrtsicherheitsgesetz, das Bundesmu­seen-Gesetz 2002, das Bundestheaterorganisationsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hoch­schulen, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz 1996, das Gehalts­gesetz 1956 und das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz geändert sowie ein Bundesgesetz zur Teilnahme an internationaler Zahlungsbilanzstabilisierung (Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – ZaBiStaG), ein Bundesgesetz über die Einrichtung und den Betrieb eines Unternehmensserviceportals (Unternehmens­serviceportalgesetz – USPG), ein Bundesgesetz über einen Kassenstrukturfonds für die Gebietskrankenkassen (Krankenkassen-Strukturfondsgesetz), ein Bun­desgesetz betreffend den Verzicht auf Bundesforderungen gegenüber Gebiets­krankenkassen und ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung weiterer Vorbelastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nologie genehmigt wird, erlassen werden (Budgetbegleitgesetz 2009) (113 d.B., Zu 113 d.B. und 198 d.B. sowie 8112/BR d.B.) ............................................................. 41

Berichterstatter: Wolfgang Sodl ................................................................................... 42

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 42

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 45

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 48

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 50

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 53

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ................................................................... ..... 54

Sonja Zwazl ............................................................................................................  56, 92

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 60

Johann Kraml .......................................................................................................... ..... 63

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 66

Dr. Magnus Brunner ............................................................................................... ..... 69

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 71

Wolfgang Schimböck, MSc ................................................................................... ..... 75

Mag. Walter Ebner .................................................................................................. ..... 77

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 79

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 81

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 84

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 87

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 89

Mag. Harald Himmer .............................................................................................. ..... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 93

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundes­verfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (610/A und 209 d.B. sowie 8113/BR d.B.) ................................................................................. 93

Berichterstatter: Franz Perhab ...................................................................................... 93

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 94

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................... 95

Efgani Dönmez ............................................................................................................. 95


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Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustim­mung zu erteilen ................................................................. 97

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (203 d.B. sowie 8114/BR d.B.) ................ 97

Berichterstatter: Georg Keuschnigg ............................................................................ 97

Redner/Rednerinnen:

Mag. Susanne Neuwirth .............................................................................................. 97

Edgar Mayer .................................................................................................................. 98

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 99

Mag. Walter Ebner .................................................................................................. ... 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 101

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Qualitätssicherung des (nieder)österreichischen Trinkwassers (2684/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2685/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2686/J-BR/09)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Oberösterreich (2687/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leis­tungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2688/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2689/J-BR/09)

Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Förderungen, Aufwendungen, Projekte und sonstige Leistungen des Ressorts für das Bundesland Vorarlberg (2690/J-BR/09)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Doppelstaatsbürgerschaften Österreich-Türkei (2458/AB-BR/09 zu 2662/J-BR/09)


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 6

der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abendschulen des Bundes (2459/AB-BR/09 zu 2663/J-BR/09)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ed­gar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnah­men gegen Folsäuremangel in der Schwangerschaft (2460/AB-BR/09 zu 2664/J-BR/09)


09.01.25


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich eröffne die 771. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 770. Sitzung des Bundesrates vom 8. Mai 2009 ist aufgele­gen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Dr. Erich Gumplmaier, Monika Kemperle und Josef Saller.

Einlauf

 


Präsident Harald Reisenberger: Eingelangt ist ein Schreiben des Vorarlberger Land­tages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl eines Ersatz­mitgliedes:

„Gebhard Halder

Landtagspräsident

Zl. LTD-54.00                                                                                                   Bregenz, am 13.05.2009

Herrn

Harald Reisenberger

Präsident des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Betrifft: Neuwahl eines Ersatz-Mitgliedes des Bundesrates

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,

es wird mitgeteilt, dass der XXVIII. Vorarlberger Landtag in seiner 4. Sitzung in diesem Jahr am 13.05.2009 Herrn Nationalrat a.D. Norbert Sieber, Fluh 37, 6900 Bregenz, Jg. 1969, als Ersatzmitglied im Bundesrat für Bundesrat Dr. Magnus Brunner gewählt hat.

Mit freundlichen Grüßen

Gebhard Halder

Präsident des Vorarlberger Landtags“

*****

09.02.27Fragestunde

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur Fragestunde, und ich stelle fest, dass Frau Ministerin Dr. Fekter soeben eintrifft. – Guten Morgen!

Bevor ich nun – um 9.02 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um


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die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten er­strecken kann.

Bundesministerium für Inneres

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an die Frau Bun­desministerin für Inneres.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Hammer, um die Verlesung der An­frage.

 


Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, meine Frage lautet:

1676/M-BR/2009

„Wie hat sich die Zahl der Dublin-Überstellungen seit Inkrafttreten des Fremdenrechts­pakets 2005 in den letzten Jahren verändert?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Seit Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 hat sich die Zahl der Dublin-Überstellungen erhöht, sehr positiv entwickelt. Im Jahr 2008 wurden 4 369 Konsultationen durchgeführt, wovon 3 928 Zustimmungen seitens der Partnerländer der Europäischen Union erfolgten. In den ersten vier Monaten heuer haben wir bereits 1 747 Konsultationen eingeleitet, wo­bei 1 405 Zustimmungen erfolgten. Bei einer derartigen Weiterentwicklung könnten wir bis zu 5 000 Fälle bearbeiten, und das ist eine sehr positive Entwicklung.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Welche Maßnahmen pla­nen Sie zur Verbesserung der Effizienz des Dublin-Systems im innerstaatlichen Be­reich?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben immer dann Probleme bei den Dublin-Überstellungen, wenn uns die Betreffenden in die Illega­lität abtauchen oder wenn sie ihre Identität verschleiern und wir dadurch keine konkre­ten Konsultationen mit den Herkunftsländern aufnehmen können, weil wir gar nicht wis­sen, aus welchem Land die betreffenden Personen kommen.

Daher werden wir genau in diesen beiden Bereichen Maßnahmen setzen, nämlich einerseits dahin gehend, zu verhindern, dass mit Dublin-Überstellungen konfrontierte Personen vorher in die Illegalität untertauchen, andererseits werden wir es auch unter­binden, wenn Dublin-Fälle durch einen zusätzlichen Antragsmarathon versuchen, im Land zu bleiben, und wir werden außerdem die Identitätsfeststellung intensivieren und die Identitätsbetrügereien hintanhalten.

Es ist so, dass wir international intensiv zusammenarbeiten. Das geht über die Frontex-Agentur, durch internationale Charter. Das ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch effizient. Das gilt speziell im Bereich der Charter, die eine etwas fernere Destination haben – denken Sie an die westafrikanischen Länder. Da arbeitet Europa insgesamt intensiv zusammen, um diese Flüge durchführen zu können.

Aber auch die regelmäßigen Bus-Charter werden wir intensivieren. Wir haben insbe­sondere mit unseren Nachbarländern gute Transitabkommen, sodass wir mit den Bus-


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 9

sen beispielsweise auch durch Tschechien durchfahren dürfen, wenn wir Tschetsche­nen nach Polen bringen – weil diese ja meist über Polen eingereist sind und Polen-Dublin-Fälle sind.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Preiner.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Frau Bundesminister, es ist bekannt, dass trotz positiver Dublin-Entscheidung nur ein Teil der betroffenen AsylwerberInnen in den tatsächlich zuständigen Staat abgeschoben werden kann.

Meine Frage ist daher dahin gehend: Woran liegt das prinzipiell? Und wie kann diese Quote zukünftig entsprechend erhöht werden?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wie erwähnt liegt das Problem darin, dass sie vor dem eigentlichen Überstellungsvorgang in die Illegali­tät untertauchen. Das heißt, ein relativ großer Prozentsatz verschwindet einfach. Daher intensivieren wir diesbezüglich die Schubhaft. Das heißt, da ist es gerechtfertigt, sie in Verwahrung zu bringen und zu sammeln, damit sie gemäß Dublin-II-Verordnung über­stellt werden können.

Zum Zweiten können wir Dublin-Überstellungen dann nicht durchführen, wenn die Identität der betreffenden Personen nicht ganz geklärt ist beziehungsweise das ent­sprechende Transitland oder Dublin-Land nicht kooperativ ist. Die Länder in der Euro­päischen Union sind unterschiedlich kooperativ. Ich muss sagen, dass die neuen Mit­gliedsländer alle sehr kooperativ sind – da haben wir eine gute Zusammenarbeit –, dass beispielsweise aber Italien nicht kooperativ ist.

Ich habe gestern ein Gespräch mit Präsident Maroni von der Lega Nord geführt, und ich habe ihn darauf angesprochen, dass Italien beziehungsweise sein Innenminister diesbezüglich nicht kooperativ ist. Er hat gemeint, na ja, da müsse man wieder einmal intensiver sprechen, aber eine Zusage hat er nicht machen können.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Frau Mi­nisterin! Wie viele Beamte sind derzeit in Österreich mit der Dublin-Abwicklung be­traut? Und wie hoch war der Saldo zwischen den Dublin-Überstellungen aus und nach Österreich in den Jahren seit 2005?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Mit den Dublin-Über­stellungen ist die Fremdenrechtspolizei betraut. Diese habe ich um zirka 150 Personen aufgestockt, weil wir effizienter werden müssen, damit wir diese Verfahren rascher ab­wickeln können. Wir brauchen aber auch noch eine legistische Nachrüstung, damit uns diese Folgeanträge und dieser Antragsmarathon nicht behindern.

Sie müssen sich das ungefähr so vorstellen: Derzeit ist es möglich, dass jemand, der bereits ein rechtskräftig entschiedenes Dublin-Verfahren hinter sich hat, beim Abschie­bevorgang wieder „Asyl“ sagen kann, dann geht es wieder von vorne los. Es hat zwar dann die Behörde nur fünf Tage Zeit, aber der Betreffende hat 21 Tage Zeit. Das ist ein Monat. Da ist der Charterflieger, der Abschiebeflieger längst wieder weg. Und diese kontinuierlichen, immer wieder und wieder erfolgenden Antragstellungen, um zu verhin­dern, dass man abgeschoben wird, dass man in einen Dublin-Staat überstellt wird, werden wir mit der Rechtsnovelle, die wir ins Parlament bringen, noch vor dem Som­mer unterbinden.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 10

Es gibt in der juristischen Ebene eine res judicata, das heißt entschiedene Sache. Das kennen wir für alle Österreicherinnen und Österreicher im Verwaltungsbereich, das kennen wir auch im Strafrechtsbereich. Daher ist es auch im Fremdenrechtsbereich gerechtfertigt.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Winterauer, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, meine Frage lautet:

1679/M-BR/2009

„Welches Maßnahmenbündel werden Sie als Innenministerin, aber auch gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler und anderen Mitgliedern der Bundesregierung setzen, um die besorgniserregende Steigerung der Kriminalität in Österreich wirksam zu be­kämpfen und gleichzeitig die Aufklärungsquote zu erhöhen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Die Formulierung „besorgniserregende Steigerung der Kriminalität“ muss ich relativieren. Wir hatten in den Jahren 2003 und 2004 eine unvergleichlich höhere – nämlich wirklich signifikant höhere – Kriminalität. Wir befinden uns derzeit auf dem Niveau von 2002.

Es ist so, dass wir ab 2004, als wir den höchsten Punkt in der Kriminalität erreicht hat­ten, kontinuierliche Senkungen zu verzeichnen hatten: 2005 ist die Kriminalität gesun­ken, 2006 ist sie gesunken, 2007 ist sie gesunken. 2008 ist sie insgesamt auch gesun­ken, aber von der monatlichen Betrachtungsweise her gab es ab Herbst 2008 einen Anstieg. Dieser hatte von Februar bis Mitte März seinen Höhepunkt erreicht, aber jetzt haben wir bereits wieder rückläufige Zahlen. Daher: Wir sind noch weit von der Krimi­nalität der Jahre 2003 und 2004 entfernt – aber wir wollen gar nicht so hoch hinauf­kommen, daher haben wir sofort massive Maßnahmen gesetzt.

Es ist so, dass wir im Hinblick auf die Kriminalitätsbekämpfung ganz neue Strategien entwickelt haben, denn man kann die modernen Phänomene der Kriminalität nicht mit den Antworten des vorigen Jahrhunderts lösen. Wir haben Schwerpunktaktionen ge­setzt, damit die Bevölkerung auch ein Sicherheitsgefühl bekommt, was der Fall ist, wenn Schwerpunkt-Fahndungsmaßnahmen gesetzt werden. Wir waren da sehr erfolg­reich im Hinblick auf die Festnahmen, auf die illegalen Einreisen, auf die Beute, die wir entdeckt haben, wir haben einen Terrorverdächtigen festnehmen können, und wir ha­ben 17 gestohlene Kfz beispielsweise bei den Schwerpunktmaßnahmen unmittelbar vor Ostern sichergestellt. Die Schwerpunktmaßnahmen werden durchgeführt, ohne medial entsprechend begleitet zu werden, aber das ist notwendig, weil man damit die Logistik der kriminellen Energie stört.

Wir haben weiters neue Strategien in der Spurensicherung und in der Tatortarbeit auf­gesetzt. Wir haben 120 Beamte zusätzlich in der Spurensicherung geschult. Wir haben eigene Ausbildungen im Hinblick auf die Kfz-Verschiebungen aufgesetzt, damit die Be­amten ganz gezielt gefälschte Fahrgestellnummern und gefälschte Dokumente erken­nen und damit sie auch die Logistik der Täter im Hinblick auf die Kfz-Verschiebungen kennen und damit auch stören und die Täter schnappen können.

Weiters haben wir die Tatort-Offensive „Kein Tatort ohne Spur!“ gesetzt, das heißt, wir nehmen inzwischen auch DNA-Analysen bei Wohnungseinbrüchen, bei Wohnhausein­brüchen. Wir haben das DNA-Budget um 238 Millionen € aufgestockt.


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Wir haben auch eigene Grenzraumsicherungsschwerpunkte gesetzt. Ab 1. Juli werden wir 400 zusätzliche Beamte in die Ausgleichsmaßnahmen geben. Wir haben eigens eine Koordinationsstelle Ost für die Ausgleichsmaßnahmen eingerichtet und können mit den Ausgleichsmaßnahmen 300 zusätzliche Streifendienste fahren – zusätzlich zu den bestehenden Polizeistreifendiensten –, und wir haben auch im Hinblick auf das Personal Aufstockungen vorgenommen. Es hat ja das Parlament dankenswerterweise beschlossen, dass wir eine Personalaufstockung bekommen.

Wir haben auch im Hinblick auf die Prävention Maßnahmen gesetzt, denn jede verhin­derte Tat ist besser als eine, die durchgeführt worden ist. In der Prävention sind wir ins­besondere bei den Einbrüchen tätig, bei der Jugendprävention und bei der Senioren­prävention, damit wir unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger „aufrüsten“ und sie informieren, wie sie sich besser schützen können.

Wir haben die Best-Practice-Modelle jener Bundesländer, die unvergleichlich erfolgrei­cher sind als beispielsweise die Bundeshauptstadt, nun auch in Wien eingeführt, damit wir die Aufklärungsrate erhöhen. Wir haben nämlich beispielsweise in Linz oder auch in Graz wirklich signifikant höhere Aufklärungsraten, und auch das sind Ballungszentren mit hohem Ausländeranteil an Hauptverkehrsrouten. Und wenn die das können, dann – davon bin ich überzeugt – können das auch die Wiener.

Bezüglich der künftigen gesetzlichen Maßnahmen werden wir aber noch eine Nachrüs­tung brauchen. Wir müssen der kriminellen Energie die Ressourcen entziehen. Es ist nicht abschreckend genug, wenn wir die Täter auf freiem Fuß anzeigen. Das war viel­leicht nach dem Krieg der Fall, dass sich jemand durch eine Anzeige und ein nachfol­gendes Justizverfahren hat abschrecken lassen. Heute ist das nicht mehr ausreichend. Wir müssen daher den Tätern die Ressourcen entziehen, indem wir ihnen eine Sicher­heitsleistung aufbrummen, damit das Verfahren gesichert ist und damit im Hinblick auf die Opfer auch für das Geld eine Entschädigung vorhanden ist (Bundesrat Boden – in Richtung des Bundesrates Winterauer –: Hast du das wirklich alles wissen wollen?), damit wir auch ein Verfahren in Abwesenheit durchführen können und damit sie unser Land nicht als Aufmarschgebiet attraktiv finden.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Ruf bei der SPÖ: Gott bewahre!) – Bitte.

 


Bundesrat Reinhard Winterauer (SPÖ, Oberösterreich): Frau Ministerin, Sie haben schon eine Reihe von Maßnahmen, Präventionsmaßnahmen angeführt. – Gibt es in diesem Bereich noch irgendwelche Maßnahmen, um die Kriminalität schon im Vorfeld zu verhindern, um das subjektive Sicherheitsgefühl, wie Sie es genannt haben, in der Bevölkerung zu erhöhen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Beispielsweise diese Präventionsmaßnahmen, im Rahmen derer wir sehr wohl intensiv zusammenarbeiten, auch mit der Wirtschaft, im Hinblick auf eine Verbesserung der technischen Möglichkei­ten, im Hinblick darauf, dass die Menschen sich mit Sicherheitseinrichtungen schützen, die von den Ländern auch gefördert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber auch beispielsweise der Einsatz der Präsenzdiener im Grenzbereich ist eine präventive Maßnahme. Wir haben die Erfah­rung gemacht, dass gerade überall dort, wo beispielsweise im Rahmen dieses Assis­tenzeinsatzes patrouilliert wird – bei Einkaufszentren, bei Fachmärkten, bei entlegene­ren Objekten –, keine Einbrüche stattfinden. Allein diese Maßnahme gibt auch der Be­völkerung ein Sicherheitsgefühl, und daher werden wir uns ganz genau anschauen, wie wir damit weiter umgehen.

 



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Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hensler.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Als jemand, der im Grenzbereich lebt, frage ich Sie: Welche Wirkung hat der weitere Einsatz des Bundesheeres in Grenznähe?, aber gleichzeitig auch: Wie stehen Sie zu einer Verlängerung des Assistenzeinsatzes?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es ist ja laut Koali­tionsübereinkommen vorgesehen, dass wir eine Evaluierung durchführen, nämlich dass wir uns ganz genau anschauen, wie das historisch gewachsen ist oder wie die Logistik der beiden Ministerien aufgebaut worden ist, damit wir dieses gute Instrument zu dem machen konnten, wie es sich derzeit darstellt.

Wir werden auch die Bevölkerung fragen, inwieweit sie diesen Assistenzeinsatz schätzt oder umgekehrt als überflüssig empfindet. Wir werden auch uns anschauen, wie sich beispielsweise in den Grenzregionen die Kriminalität entwickelt hat und, im Verhältnis dazu, was es nützt, wie viele Fälle wir gehabt haben und wo ein präventiver Effekt ge­geben ist.

Es ist so, dass das beim Kollegen Darabos, im Verteidigungsressort, budgetiert ist. Wir haben in der Verordnung 1 500 Soldaten als Maximalzahl verankert. Derzeit ist nur in etwa die Hälfte davon im Einsatz. Es ist so, dass wir medialen Berichten zufolge aber sehr wohl spüren, dass die Bevölkerung diese Präsenz schätzt. Wir werden mit dieser Evaluierung, nämlich der historischen Aufbereitung des Stimmungsbildes in der Bevöl­kerung und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses, im Herbst fertig sein und dann erst die Entscheidung treffen, ob wir das verlängern werden oder nicht. Da sich aber der Herr Bundeskanzler diesbezüglich schon relativ klar geäußert hat – ich bin nur Ministerin –, werden wir eben auf den Bundeskanzler hören müssen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin, Ihren Ausführungen und Ihren lobenden Worten über den Einsatz des Militärs an der Grenze zur Sicherheitsüberwachung haben wir jetzt gerade gelauscht.

Am Städtetag haben Sie mit Ihrer Danksagung an die Bürgermeister, die sich eine Stadtwache leisten, einigermaßen viel Aufruhr erregt.

Meine Frage: Sehen Sie die Wahrung der inneren Sicherheit und die polizeiliche Auf­gabe der Kriminalitätsbekämpfung noch als Hauptaufgabe des Innenministeriums, oder ist es Ihr größter Wunsch, da möglichst viele Aufgaben abzuschieben?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Weil eben die Krimi­nalitätsbekämpfung die Hauptaufgabe der Bundespolizei ist, muss man die Bundespo­lizei von Verwaltungstätigkeiten entlasten. Das haben wir beispielsweise bei der Park­raumüberwachung schon getan. Da kann ich mich noch an die heiße Diskussion erin­nern, in der es geheißen hat, das muss die Polizei machen, das kann niemals jemand anderer machen!

Trotzdem funktioniert die Parkraumüberwachung jetzt hervorragend, obwohl sie nicht mehr von der Bundespolizei durchgeführt wird. Wenn man jetzt das Inkasso dieser Strafzettel beziehungsweise dieser Mandate, die ja der Magistrat ausstellt, wieder der


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Bundespolizei überträgt, dann sehe ich das als nicht gerechtfertigt an. Ich glaube, dass sich der Magistrat dieses Inkasso selber organisieren kann, wie das beispielsweise auch die Bezirkshauptmannschaften oder andere Magistrate tun.

Oder denken Sie beispielsweise an das Fundbüro! Früher hat man, wenn man etwas gefunden hat, das bei der Polizei abgegeben. Das wurde schon längst im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit in die Verwaltungsebenen ausgelagert.

Genauso sehe ich das mit den Stadtwachen. All die Ordnungsmaßnahmen, die durch Landesgesetze, durch Gemeindeverordnungen von Stadtwachen durchgeführt werden können, entlasten die Bundespolizei, und die Bundespolizei kann sich dafür der Krimi­nalitätsbekämpfung widmen. Jede Entlastung, die durch eine Stadtwache erfolgt, be­grüße ich. Ich habe damit überhaupt keine Probleme, weil damit Verwaltungstätigkeit und Ordnungsdienste durch Verwaltungsbeamte erledigt werden und somit die Polizei damit nicht belastet wird. Daher habe ich am Städtetag ein diesbezügliches Lob ausge­sprochen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Zangerl, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrte Frau Mi­nisterin, meine Frage lautet:

1675/M-BR/2009

„Welche Schritte werden von politischer Seite unternommen, um das Problem der ille­gal in Innsbruck aufhältigen Straftäter aus dem nordafrikanischen Raum – vorwiegend aus Marokko – einer befriedigenden Lösung zuzuführen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Mein Gespräch mit Maroni gestern ging in diese Richtung, nämlich dass er jene, die über die Brennergren­ze zu uns kommen, zurücknehmen muss.

Wir haben die Kontrollen in den Transitzügen intensiviert. Das funktioniert sehr, sehr gut. Es gibt in den Transitzügen gemeinsame Kontrollen der italienischen und der ös­terreichischen Polizei, sodass wir den Migrationsdruck hintanhalten können.

Wir haben uns auch in der Identitätserkennung professionalisiert. Ein Großteil dieser Personengruppe erzählt uns bezüglich ihrer Identität permanent Geschichten, die nicht stimmen. Es ist eigentlich Marokko gegenüber unfair, dass so vieles landläufig „Marok­kanerszene“ genannt wird, weil ein Großteil dieser Personen keine Marokkaner sind, sondern Mauretanier, oder sie stammen aus Burkina Faso, aus Algerien oder aus den Grenzbereichen dort und nicht direkt aus Marokko.

Ich habe bereits mit dem Botschafter Marokkos Kontakt aufgenommen und ihm mitge­teilt, dass wir davon ausgehen, dass sie diese Personen rückübernehmen müssen, weil es ja ein Rückübernahme-Übereinkommen mit der EU dahin gehend gibt – die Verhandlungen laufen da derzeit intensiv –, dass es nicht gerechtfertigt ist, dass Ma­rokko diese Leute nicht übernimmt.

Tatsache ist: Marokko hat ein sehr, sehr gutes Dokumentensystem, sprich, sie haben ein gutes Meldewesen, und Marokko hat auch bereits Pässe mit Chips, anhand wel­cher die Personen tatsächlich erkannt werden können. Daher kann Marokko mit gutem Recht sagen: Wir nehmen nur Marokkaner zurück, aber die anderen nicht! Ehrlich ge­sagt verstehe ich Marokko diesbezüglich. Daher müssen wir uns erstens besonders rüsten, etwa auch mit Verbindungsbeamten, damit wir die Identitätserkennungen bes-


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ser zuwege bringen. Zweitens müssen wir den Identitätsbetrug als Delikt im Strafge­setz verankern, damit wir uns dann bei den Abschiebemodalitäten bei solchen Perso­nen leichter tun, die uns sozusagen auf der Nase herumtanzen.

Mir ist das ein großes Anliegen, weil wir nur dann jenen effizient helfen können, die wirklich Hilfe brauchen, und damit verhindern können, dass jene hier bleiben, die sich durch Dokumentenschwindeleien, durch falsche Angaben, in Wirklichkeit durch Er­schleichung der Leistungen in unserem Land einnisten wollen, aber nicht hier bleiben dürfen.

Unangenehm ist die Szene in Innsbruck wegen der hohen Kriminalität. Dort hat das Landespolizeikommando dankenswerterweise massive Anstrengungen unternom­men – bereits vor Weihnachten, im Herbst –, hat aufgerüstet, hat Schwerpunktfahn­dungen durchgeführt und hat schon einige Personen dingfest gemacht. Ich glaube, dass wir damit diese Szene in den Griff bekommen können.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundes­rätin Junker, bitte.

 


Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Werte Frau Ministerin! Gibt es Pläne, die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft im Interesse einer Effizienzsteigerung und Verringerung von Umgehungsmaßnahmen legistisch zu ändern?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Danke für diese Fra­ge. – Ja, es gibt auf europäischer Ebene Pläne, die Schubhaft zurückzudrängen. Gott sei Dank haben die ÖVP-Abgeordneten im Europäischen Parlament dem eine Absage erteilt. Andere Abgeordnete haben dafür bei ihrem Stimmverhalten jedoch leider kein Verständnis gezeigt.

Ich habe auch auf europäischer Ebene klargemacht, dass das ein Eingriff in das Subsi­diaritätsprinzip ist, weil Haftregelungen und Gewahrsamsregelungen Landessache sind und nicht Sache der EU.

Kollege Mölzer war da beispielsweise überhaupt nicht anwesend. Kollege Martin hat dafür gestimmt, dass die Schubhaft eingeschränkt wird. Das Abstimmungsverhalten der Sozialdemokratie war uneinheitlich. Die Grünen haben natürlich dafür gestimmt, dass weniger Schubhaft verhängt werden kann.

Ich erteile diesen europäischen Vorschlägen eine absolute Absage – weil Europa da keine Kompetenz hat; das müssen wir innerstaatlich regeln.

Innerstaatlich werden wir genau das Gegenteil tun: Wir werden die Möglichkeiten, Schubhaft zu verhängen, unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, unter Wahrung der Menschenwürde, aber mit Effizienz nutzen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass bei­spielsweise Personen, die wir in ihr Herkunftsland abschieben wollen, oder Personen, hinsichtlich derer wir eine Dublin-Überstellung durchführen können, in die Illegalität ab­tauchen und wir sie dann zu suchen beginnen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich beim Parlament sehr herzlich dafür, dass es gelungen ist, mit dem Budgetbegleitgesetz jetzt eine Effizienzsteigerung hinsichtlich jener Personen zu erzie­len, die aus der Haft entlassen werden. Diese fremden Täter, die eine Gefängnisstrafe bei uns verbüßen, brauchen wir überhaupt nicht in unserem Land. Das heißt, da wer­den wir lückenlos von der Haftentlassung gleich in die Schubhaft übergehen, damit auch da ein Untertauchen verhindert wird.

Wir werden rechtzeitig von der Justiz informiert, dass eine Haftentlassung ansteht, und daher sofort ein Fremdenrechtsverfahren einsetzen, damit das schon abgeschlossen


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ist, wenn die Gefängnistüren aufgehen, und wir diese Personen dann sofort in Schub­haft nehmen und abschieben können.

Das ist ein Wunsch der Bevölkerung, dem wir Rechnung tragen werden. Das Parla­ment hat die gesetzlichen Voraussetzungen dafür bereits geschaffen.

Ein großes Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehe ich derzeit auch im Hinblick auf die freie Mobilität sowohl in Bezug auf die Dublin-Fälle als auch auf die Asylwerber. Wir haben da eine unheimlich große Mobilität, einen starken Transit, und zwar speziell dann, wenn es zu größeren Konflikten kommt. Wenn es zum Beispiel zu einer Rauferei zwischen Tschetschenen und Afghanen kommt, dann kommen von weit her plötzlich Vertreter der jeweiligen Ethnien zu Hilfe und bringen den Konflikt zum Es­kalieren.

Eine Gebietsbeschränkung würde ich mir wünschen – bedauerlicherweise ist das je­doch bei der letzten Novelle nicht zustande gekommen. Eine Gebietsbeschränkung auf das Gemeindegebiet wäre aus meiner Sicht gerechtfertigt. Gemeindegrenzen kann man schon anhand der Ortstafeln erkennen; Bezirksgrenzen hingegen erkennt ein Fremder nicht. Daher ist es ausgesprochen schwer, das auf die Bezirksgrenzen einzu­schränken. Ortsgrenzen kann man, eben aufgrund der Ortstafeln, in fast jeder Straße erkennen.

Vom Parlament würde ich mir daher sehr wohl wünschen, dass diesbezüglich die Mo­bilität eingeschränkt wird, damit ein Untertauchen in die Illegalität – das kann ja in nie­mandes Interesse sein – hintangehalten und das nicht weiter forciert wird.

Bedenken Sie, meine Damen und Herren, wir bekommen nur etwa 40 Prozent der ab­gewickelten Dublin-Fälle tatsächlich außer Landes. Diesen Prozentsatz müssen wir er­höhen. Ich tue alles dazu und hoffe, das Parlament unterstützt mich dabei. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Bock.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Frau Bundesminister, was unternimmt Ihr Ressort zur Bekämpfung jener Form der organisierten Kriminalität, die unter ande­rem zur Verfolgung ihrer Ziele, wie Drogenhandel, auch mit minderjährigen Asylwer­berInnen arbeitet?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Bundesrat, wir haben ein ganz dichtes Netz in der Polizeikooperation aufgebaut, speziell in den West-Balkanstaaten, zwecks Bekämpfung der Kriminalität entlang der Transitrouten, wobei es da drei Schwerpunkte gibt: Drogenhandel, Menschenhandel – also Schlepperei – und illegale Migration. Vor Ort haben wir 23 Verbindungsbeamte in diesen Ländern. Seit Beginn dieses Systems haben wir gute Kontakte zu Polizeistellen und Ministerien entlang der Balkan-Route.

Wir versuchen, bereits vor Ort Maßnahmen zu setzen, um den Druck, der andernfalls in unser Land käme, sozusagen an Ort und Stelle einzudämmen. Wir haben eine eige­ne Task Force den Kinderhandel betreffend, und zwar mit Sitz im Außenministerium, wobei auch da die betreffenden Ministerien interministeriell zusammenarbeiten. Diese Task Force hat vor Ostern ihren Aktionsplan, der jeweils zwei Jahre gilt, vorgelegt.

Weiters finanzieren wir, und zwar in sehr großem Maße, internationale Organisationen, die sich genau diesem Thema widmen. Ebenso arbeiten wir im Innenministerium ganz eng mit Organisationen wie beispielsweise der „Drehscheibe“ zusammen. Dies ist eine


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NGO in Wien/Augarten, die sich besonders um unbegleitete Minderjährige kümmert, damit diese wieder in ihr Herkunftsland zurückkommen.

Weiters haben wir seit Jahren – in Kooperation mit den jeweiligen Botschaften – ein Projekt laufen, das sowohl vom UNHCR als auch von der UNO als Best-Practice-Mo­dell weltweit ausgerollt wird. So sind beispielsweise auch indische Experten bei uns ge­wesen, die sich bezüglich dieses Rückführprogrammes für unbegleitete Minderjährige bei uns erkundigt haben, denn in Indien gibt es dieses Phänomen mit minderjährigen Kindern aus Pakistan.

Dieses Modell funktioniert so, dass unbegleitete Minderjährige, begleitet von Vereins­betreuern – beispielsweise Betreuern der Caritas –, vor Ort von der Botschaft sozu­sagen übernommen werden, dort aber nicht irgendwo „hingestellt“ werden und dann möglicherweise wieder Schleppern in die Hände fallen, sondern diese Kinder werden ein halbes Jahr lang nachbetreut, müssen in die Schule gehen und so weiter, sodass eine Integration im Heimatland halbwegs gesichert ist, eben durch die Organisationen vor Ort.

Was den Drogenbereich anlangt, intensivieren wir natürlich die internationale Koope­ration. Einerseits müssen Drogenrouten und Dealer kontrolliert werden, andererseits aber natürlich auch die Konsumsituation in unserer Stadt. Ich habe kein Verständnis dafür, dass der Karlsplatz so ausschaut, wie er ausschaut. Auch da müssen wir im Hin­blick auf die Drogenszene, die sich dort etabliert hat, durchgreifen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Vladyka und Zangerl.)

Kein Verständnis habe ich für Ideen – das muss ich ganz ehrlich sagen –, den Drogen­konsum zu liberalisieren und sozusagen eigene Drogenabgabeplätze im Zusammen­hang mit Substitutionsprodukten, also so eine Art „Junkie-Zentren“, zu schaffen, weil das einen enormen Pull-Faktor erzeugt. Wir haben registriert, dass dann, wenn libera­lere Tendenzen angegangen werden, um die Szene – angeblich – beobachten zu kön­nen, das entsteht, was eben am Karlsplatz entstanden ist. Und das begrüße ich nicht.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Ebner, bitte.

 


Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesminister, lassen Sie mich zurückkommen auf Innsbruck und auf die dorti­gen nordafrikanischen Straftäter. Frau Minister, Sie haben in Ihrer Antwort auf die hohe Kriminalitätsrate hingewiesen, ebenso aber auch darauf, dass es Kontakte mit der Bot­schaft Marokkos gibt.

Meine Frage: Gibt es nunmehr auch auf polizeilicher Ebene eine entsprechende Zu­sammenarbeit mit Marokko beziehungsweise anderen nordafrikanischen Staaten, um gefährliche Straftäter rechtzeitig identifizieren zu können?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ja, das gibt es, aber nicht nur polizeiliche Zusammenarbeit; da sind wir schon viel weiter. Wir arbeiten dies­bezüglich ganz intensiv mit einem schwedischen Spracherkennungsinstitut zusammen und haben da ganz moderne Strategien in Anwendung. Dieses schwedische Institut hat wissenschaftlich erarbeitet, wie man anhand von Spracherkennung feststellen kann, woher ein Straftäter tatsächlich kommt.

Im Hinblick auf Staatendokumentation haben wir eigene Standards entwickelt, damit wir auch die Konfliktsituation erkennen, also ob es diese Konflikte, wie sie uns geschil­dert werden, tatsächlich gibt. Bedauerlicherweise gibt es in Nordafrika große Konflikte und eben leider auch Verfolgungsszenarien, sodass ein Teil der Asylwerber sehr wohl


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zu Recht bei uns Asyl bekommt, aber wir haben kein Verständnis dafür, wenn Asylwer­ber diesen Schutz im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen missbrauchen. In solchen Fällen gibt es ein hartes Durchgreifen.

Gemeinsam mit der Europäischen Union haben wir im Hinblick auf Rückübernahme-Übereinkommen Aktivitäten gesetzt, und ich werde in diesem Zusammenhang, um ein entsprechendes Memorandum zu unterfertigen, wahrscheinlich im Herbst nach Marok­ko reisen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 4. Anfrage, und ich ersuche Herrn Bundesrat Köberl um deren Verlesung.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Bundesminister, mei­ne Frage lautet:

1677/M-BR/2009

„Wie bewerten Sie die erst kurz zurückliegenden Ereignisse in Ebensee sowie den Vor­fall in einem Wiener Gebetshaus?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Bedauerlicherweise müssen wir, was die Vorfälle in Ebensee anlangt, zur Kenntnis nehmen, dass bei Ju­gendlichen eine sehr mangelhafte Sensibilität, was die Geschichte unseres Landes in der NS-Zeit betrifft, zu finden ist. Diese Vorfälle in Ebensee sind nicht entschuldbar, sind auf das Tiefste zu verurteilen und strafrechtlich relevant. Die Täter konnten ohne­dies sehr, sehr rasch ausgeforscht werden.

Ich möchte aber auch dazusagen, dass wir im Hinblick auf Taten wie Schmieraktionen, ungute Pamphlete et cetera zur Kenntnis nehmen müssen, dass darin Jugendliche in­volviert waren, die nicht dem traditionellen, bekannten rechtsextremistischen Täter- oder Verdächtigenkreis zuzuordnen sind.

Ich habe im Bundesamt für Verfassungsschutz eine Aufstockung eigens dafür veran­lasst. Diese befasst sich mit diesen Phänomenen, befasst sich mit der Zunahme der extremistischen Artikulation und der Taten, die dabei im Hintergrund stehen, und sie arbeitet diese auch auf, weil wir doch erkennen, dass da eine mangelnde Sensibilität bei jenen vorhanden ist, die die Kriegszeit natürlich nicht mehr erlebt haben, deren El­tern sie aber gleichfalls schon nicht mehr erlebt haben, und die in ihrem geschichtli­chen – ich sage es einmal so – Ausbildungsstand die Dramatik dessen, was sie da an Taten setzen, nicht haben abschätzen können. Das Unrechtsbewusstsein hat gefehlt, und daher müssen wir neben den Maßnahmen bei der Polizei und der Justiz auch im schulischen Bereich nachrüsten, um mehr Unrechtsbewusstsein bei den jungen Leuten zu schaffen.

Der Vorfall im Gebetshaus der Sikhs ist sehr, sehr bedauerlich und er befremdet mich enorm, da das eine Art von Religionskrieg zwischen zwei – lassen Sie es mich so sa­gen – unterschiedlichen Sekten oder Ausprägungen der Sikh-Religion ist: zwischen den sehr traditionellen und konservativen, radikalen Sikhs, die eher in der Oberkaste angesiedelt sind – obwohl das Kastenwesen abgeschafft wurde – und jener liberaleren und moderateren Gruppierung, die dann zum Opfer geworden ist, die in den breiten Bevölkerungsteilen der Unterprivilegierten ihre Anhängerschaft hat.

Wenn man sich vor Augen führt, dass in Wirklichkeit die moderateren Gurus – nicht die „Problem-Gurus“, die moderateren Gurus! – die Gäste waren und die „Radikalinskis“ schon bei uns in Österreich waren, dann ist das für mich als Innenministerin schon


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sehr befremdlich, weil wir uns da anschauen müssen, wie jene Personen, die unter an­derem Asylwerber waren, hier ihre Zellen aufbauen, um radikale Taten zu begehen.

Wir haben daher auch eine eigene Arbeitsgruppe für die Analyse der religiös-ethni­schen Konfliktsituationen eingerichtet. Wir haben dort Gott sei Dank einen sehr – ich sage das jetzt einmal so – erfolgreichen Polizeieinsatz durchgeführt, und ich bedanke mich bei der Wiener Polizei diesbezüglich. Sie war enorm rasch vor Ort – das war selbstverständlich auch dem Umstand zu verdanken, dass es Beamte gab, die schon Kontakt hatten –, es waren die richtigen Polizeieinheiten dort, und diese in ausrei­chender Zahl: also rasch, die entsprechende Einsatzstärke und die entsprechende Einsatzeinheit. – Dafür ein herzliches Dankeschön!

Es konnte dadurch Schlimmeres verhindert werden – wäre die Polizei nicht so schnell vor Ort gewesen, hätte es unter Umständen mehr Tote gegeben –, aber Religionskon­flikte aus dem Punjab bei uns hier, auf österreichischem Boden ausgetragen, das ist etwas, weswegen ich mich wirklich sorge. Das müssen wir uns anschauen, damit das nicht weiter eskaliert.

Es ist uns durch eine gute Kommunikationsstrategie, durch Deeskalation auch in der Sprache, durch Kontaktaufnahme mit den diplomatischen Stellen – Bundesminister Spindelegger hat ja sofort mit dem indischen Außenminister Kontakt aufgenommen – gelungen, weitere Konflikte weltweit zu verhindern, denn Sie dürfen Folgendes nicht vergessen: Der Anschlag als solcher war tatsächlich dazu angetan, so etwas wie bei den Mohammed-Karikaturen zu erzeugen. Es ist uns durch eine Deeskalationsstrate­gie gelungen, auch mit einer Intensivierung der Kommunikation im Polizeibereich, im diplomatischen Bereich, mit den religiösen Gruppierungen und mit unseren Nach­barstaaten, dass das nicht weiter eskaliert ist und als Punjab-Konflikt dort zu lösen ist.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin, wie hat sich die Zahl der dem politischen Extremismus – welcher Richtung auch immer – zuzurech­nenden Straftaten in den letzten Jahren verändert?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es ist so, dass wir im Verfassungsschutzbericht ja immer auch die Situation der Extremistenszene betrach­ten, auch die der religiösen Fanatiker, und wir werden die jüngeren Ereignisse selbst­verständlich in den Verfassungsschutzbericht 2009 aufnehmen. – Aber lassen Sie mich die Zahlen nennen:

Wir hatten 2003 27 Linksextremismustathandlungen, 2004 waren es 15. Das stieg dann rapide auf 57 im Jahr 2005 an, hat 2006 mit 144 linksextremen Tathandlungen den Höhepunkt erreicht und ist 2007 wieder auf 72 gesunken.

Beim Rechtsextremismus gab es wesentlich mehr Anzeigen, beispielsweise gab es 2006 419 Anzeigen und 240 Tathandlungen; 2007 gab es 343 Tathandlungen.

Wir hatten aber auch einen Tierrechtsextremismus mit Tathandlungen, denn da sind
ja Taten gesetzt worden: 2006 gab es 42 Tathandlungen – nicht nur Anzeigen, son-
dern Tathandlungen! –, 2007 waren es 24 Tathandlungen, und im derzeitigen Endbe­richt des BVT werden wir einen leichten Anstieg dieser militanten Tathandlungen ver­zeichnen.

Es ist so, dass beim Linksextremismus ein Abnehmen der Tathandlungen zu ver­zeichnen ist, beim Rechtsextremismus hingegen ein Ansteigen der Tathandlungen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Einwallner.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 19

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Meine Frage bezieht sich wieder auf die Konflikte innerhalb der Religionsgemeinschaften.

Was konkret werden Sie in Zukunft tun, um Gewalttaten innerhalb von Religionsge­meinschaften und Kirchen zu verhindern?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 20

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir werden mit den jeweiligen Religionsgruppierungen – also nicht nur mit den anerkannten Religionsge­meinschaften, sondern auch mit den Religionsgruppierungen, weil wir in Österreich zum Beispiel die Sikhs nicht als eine anerkannte Religionsgemeinschaft führen, auch nicht die Hindus, beispielweise auch nicht die unterschiedlichen islamischen Gruppie­rungen, denn da haben wir nur ein Oberhaupt – den Dialog breiter führen, auch hin­sichtlich jener Gruppierungen, bei denen wir immer wieder Manifestationen spüren, die aus Konflikten im Heimatland resultieren – denken Sie an die kurdischen Gruppierun­gen, denken Sie etwa an die Situation der Christen in der Türkei oder im Irak, denken Sie auch an die orthodoxen Glaubensgemeinschaften und unterschiedlichen Gruppie­rungen wie syrische Armenier –, um ihre Situation besser kennenzulernen: einerseits, wie es ihnen mit ihren Konflikten im Heimatland geht, und andererseits, wie es ihnen hier bei uns geht.

Ich glaube, dass dieser interkulturelle Dialog der unterschiedlichen Gruppierungen drin­gend intensiviert werden muss – ohne mediales Begleitgetöse, sondern wirklich in Richtung einer ernsthaften Maßnahme –, um zu verstehen, wie es diesen Gemein­schaften hier bei uns geht. Das fördert auch die Integration, und daher werden wir das intensivieren.

Bezüglich der polizeilichen Arbeit habe ich eine Aufstockung im BVT veranlasst, um eine klare Analyse dessen durchführen zu können, ob es da auch andere Gruppie­rungen gibt, die ihre ethnischen Konflikte – es gibt ja nicht nur religiöse Konflikte; den­ken Sie an die Tschetschenen! – von zu Hause hier, auf unserem Territorium austra­gen, weil sie diese – ich sage jetzt einmal so – Konfliktaustragungs-Kultur – oder las­sen Sie es mich Unkultur nennen – mitbringen.

Wir müssen dann bei der Integration im Hinblick auf diese Unkultur, unseren Rechts­staat nicht zu beachten, die Dinge weiter massiv angehen: Es geht nicht an, dass Selbsthilfe an der Tagesordnung steht, sondern man muss sich bei Konflikten unserer rechtsstaatlichen Institutionen bedienen. Das wird bedauerlicherweise noch nicht wirk­lich in allen Ethnien gelebt.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, zuerst einmal ein Dankeschön für die klaren Worte zu Eben­see. Ich glaube, sie sind in aller Klarheit und Deutlichkeit auch richtig angekommen.

Nun zum Vorfall in der Sikh-Gemeinde – ich begrüße den interkonfessionellen Dialog, wobei es da möglicherweise weniger auf ethnische als auf soziale Probleme hinaus­läuft –: Sie selbst haben vorhin in der Beantwortung der Frage gesagt, dass die Polizei sehr rasch dort war und Schlimmeres verhindert hat, aber in den ersten Stellungnah­men war doch immer zu hören, dass man bei den Sikhs und bei einem Gebetstempel so etwas nicht erwartet hätte. Deshalb meine konkrete Frage an Sie:

An welche Dienststelle und zu welchem Zeitpunkt wurde eigentlich diese Vorwarnung gegeben, aufgrund derer dann die Polizei – obwohl ja kein Gefahrenpotenzial zu er­warten war – so rasch vor Ort war?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es war eine Veran­staltung, die beim Magistrat angemeldet war. Der Magistrat hat dann die betreffende zuständige Polizeidienststelle informiert und hat gesagt, dass dort eine Veranstaltung stattfinden wird, die im Rahmen der Polizeistreifen mitzubetreuen ist – und das ist dann vor Ort geschehen. Die direkte Polizeianforderung kam dann während des Attentates, aber da man vorinformiert war, dass dort etwas stattfindet, hat das relativ rasch ge­klappt.

Die genauen Hintergründe im Hinblick darauf, wer wann mit wem welchen Kontakt in welcher Causa mit welchem Szenario und mit welcher Message hatte, sind Teil der Er­mittlungen; das wird dann der Bericht zeigen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur 5. Anfrage, gestellt durch Frau Bundesrätin Monika Kemperle. Sie hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis bekannt gegeben, dass Herr Bundesrat Josef Kalina in das Fragerecht eintritt.

Ich bitte daher Herrn Bundesrat Kalina um Verlesung der Anfrage.

 


Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1680/M-BR/2009

„Werden Sie das vom Mauthausen Komitee Österreich präsentierte Maßnahmenpa­ket – 35 zusätzliche Guides, antirassistische Planspiele für Lehrlinge oder das Zivilcou­rage-Training – offensiv unterstützen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben betreffend die Gedenkstätte Mauthausen ein größeres Projekt vor.

Man muss Folgendes wissen: Wir haben die Guides dafür hauptsächlich aus Zivildie­nern rekrutiert, die das Ministerium bezahlt. Es gab dann ein zusätzliches Ausbildungs­projekt, das dankenswerterweise von Frau Dr. Schätz, einer Beamtin des Innenministe­riums, entwickelt wurde, das besagt, dass es sinnvoll ist, wenn auch Lehrkräfte, Frei­willige für derartige Führungen ausgebildet werden, damit diese die offiziellen Guides besser unterstützen können, damit wir sozusagen auch „Zivilguides“ haben, wenn sie das durchführen wollen. – Dieses Projekt ist durchgesetzt und über mein Haus finan­ziert worden und hat zusätzlich eine Fülle von ausgebildeten Personen hervorgebracht, denen es auch im zivilen Bereich möglich ist, diese Führungen in Mauthausen abzu­halten.

Aufgeweckt durch dieses gute Projekt des Innenministeriums ist dann eine andere Gruppe an uns herangetreten und hat gemeint, sie wolle auch Geld dafür haben, dass Guides ausgebildet werden. – Dem haben wir dann nicht nahetreten können, weil ja ohnehin das Projekt des Innenministeriums mit der zusätzlichen Ausbildung gelaufen war.

Die zweite Problematik bei den Guides, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist, dass sich die Besucherzahlen auf März, April und Mai konzentrieren: Alle wollen im März, im April oder im Mai kommen, es ist aber für die Gedenkstätte an sich unpas­send, dort Massenbesuche zuzulassen. Das heißt, wir arbeiten derzeit an einer Strate­gie, mit der wir diese Spitzen der Besuchswünsche entzerren und Schulen bitten, im Herbst zu kommen, wodurch wir das besser über das ganze Jahr verteilen. – Daher ist es nicht zielführend, noch mehr Guides auszubilden, die dann gleichzeitig im März, April und Mai kommen, sondern es ist zielführender, die bestehenden Führungen über das Jahr zu verteilen.


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Bezüglich der anderen Projekte ist es so, dass es ein ganz klares Konzept gibt, nach dem wir die Gedenkstätte modernisieren und das Museum auch im Hinblick auf die zeitgemäße Betrachtungsweise von Mauthausen umbauen. Sie dürfen ja nicht verges­sen, dass wir ab Mitte der neunziger Jahre in unserem zeitgeschichtlichen Bild doch einen Wandel erlebt haben: Während wir uns noch von der Nachkriegszeit bis in die achtziger Jahren als reines Opfer gesehen haben, haben wir ja seit den neunziger Jah­ren sehr wohl unsere Mitschuld anerkannt – im Hinblick auf die gesamtgeschichtliche Betrachtung ist das, glaube ich, Konsens in der Republik.

Das muss sich natürlich auch in den Dokumenten des Museums, in der Aufbereitung dieser Frage wiederfinden. Daher ist es vorrangig, dass dieses Projekt vorangetrieben wird, nämlich die Umbaumaßnahmen, die zeitgemäße Präsentation, die zeitgemäße museale Darstellung und, ganz wichtig, die Erhaltung dieser – ich nenne sie jetzt ein­mal so – Barackeninfrastruktur, also die Erhaltung der Gedenkstätte als solche, die nicht dem Verfall preisgegeben werden darf.

Ich weiß schon, dass es eine Fülle von Wünschen der Opferorganisationen gibt. So­weit es budgetär möglich ist, werden wir uns das anschauen, aber ich kann nicht alle Wünsche erfüllen, weil es da einen klaren Prioritätenkatalog im Hinblick auf die Ge­denkstätte gibt. – Ausbildungs- und Bildungsmaßnahmen müssten dann eventuell doch in Kooperation mit dem Schulbudget geschaffen werden.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Hammer.

 


Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Was tut Österreich im internationalen Gedenkdienst im Sinne des Anti­faschismus?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Das Innenministe­rium ist ja für die Gedenkstätten zuständig, und zwar für jene, die sich im Inland befin­den. Da haben wir insbesondere den Schwerpunkt Mauthausen mit seinen 40 Außen­lagern; das habe ich schon erwähnt.

Wir sind zwar nicht für die Auslandsgedenkstätten zuständig – wir können also nicht in Auschwitz oder in Buchenwald tätig werden –, aber wir haben da ein großes Verant­wortungsgefühl, und wir unterstützen diese Gedenkstätten mit Zivildienern. Es gibt einen eigenen Auslands-Gedenkdienst, das heißt, Trägerorganisationen können Zivil­diener für Gedenkstätten im Ausland beantragen. Das ist dann möglich, wenn diese Trägerorganisationen ihren Sitz im Inland haben, nicht auf Gewinn ausgerichtet sind, wenn sie Gewähr dafür bieten, dass der Einsatz der Zivildienstpflichtigen im Interesse der Republik ist und wenn sie sozusagen aufgrund dieser Entsendung eine vertragliche Verpflichtung abgeschlossen haben, Zivildienern im Hinblick auf die Gedenkstättenpfle­ge im Ausland auch entsprechende Unterstützung zukommen zu lassen.

Das Innenministerium hat keine Rechtsbeziehung zu den Zivildienern für die Auslands­gedenkstätten, sondern wir bedienen uns hier derselben Struktur wie bei den anderen Zivildienern: Eine Trägerorganisation hat diese Zivildiener unter Vertrag und wir unter­stützen das.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Schennach, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich darf wieder zu dem Thema, das wir eingangs dieser Frage­stunde hatten, zurückkehren.

Meine Frage lautet:


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 22

1682/M-BR/2009

„Auf welche strukturellen und organisatorischen Mängel bei der Kriminalpolizei führen Sie die niedrige Aufklärungsquote“ – ich glaube, sie liegt zwischen 4 und 6 Prozent –, „insbesondere in Wien bei Wohnungseinbrüchen, zurück und was werden Sie dagegen unternehmen?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Herr Bundesrat Schennach, die organisatorischen und strukturellen Mängel sind durch die Reform der Kriminalpolizei schon beseitigt! Das heißt, diese Reform wurde im Herbst abgeschlos­sen, und ich will jetzt keine neuerliche Reform, auch wenn das manchmal durch die Medien geistert. Es wäre ein Unsinn, die Mannschaft noch einmal zu beunruhigen. – Jetzt soll gearbeitet werden!

Die derzeitige Struktur ist ja so, dass die Kompetenzen gebündelt und dann in Schwer­punkt-Kriminalämter in Wien aufgeteilt wurden, die jetzt konkret gemeinsam mit den Dienststellen und den Beamten vor Ort helfen, die Kriminalität aufzuklären.

Wir haben jetzt einen eigenen Tatortschwerpunkt gesetzt: Tatortarbeit, Spurensiche­rung. Das habe ich vorhin schon erwähnt, auch die DNA-Analyse. Nicht erwähnt habe ich, dass wir den Kriminaldienst auch mit 50 Fahrzeugen neu ausgestattet haben. Das heißt, es muss der Kriminalbeamte nicht mit der Straßenbahn zum Tatort fahren, son­dern die Kriminalpolizei hat 50 neue Fahrzeuge alleine in Wien zur Verfügung, um die Fahndungsarbeiten, also die kriminalpolizeilichen Arbeiten effizienter durchführen zu können.

Das heißt, wir haben eine neue Strategie. Das hängt auch mit der neuen Führung des Bundeskriminalamtes zusammen. Mit 1. Dezember 2008 hat ja General Franz Lang seinen Dienst im Bundeskriminalamt operativ angetreten und dort sofort all diese neu­en Strategien aufgesetzt. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir dadurch auch die Aufklärungsrate in Wien steigern können.

Es ist richtig, Wien ist ein Sorgenkind von mir. Daher haben wir einen Wien-Schwer­punkt gesetzt. Wir kümmern uns um die Kriminalität in Wien besonders, und zwar auf zwei Schienen: Wir kümmern uns einerseits darum, sie einzudämmen, denn jede nicht­begangene Tat ist das beste Ergebnis, aber wenn eine Tag begangen worden ist, dann kümmern wir uns andererseits darum, die Taten auch besser aufzuklären.

Bezüglich der Maßnahmen – Tatortschwerpunkt, Fahndungsschwerpunkte, Best-Prac­tice-Modelle, Mannschaft aufrüsten, Mannschaft mit Equipment verstärken – haben wir bereits Strategien aufgesetzt. Wir haben ja nicht erst reagiert, als in den Medien davon die Rede war, sondern aufgrund unserer guten Prognoseinstrumente, die gemeinsam mit dem JOANNEUM RESEARCH entwickelt wurden, haben wir bereits im Herbst er­kannt, dass es eine Zunahme geben wird, was dann auch tatsächlich eingetreten ist. Wir verfeinern diese Prognoseinstrumente jetzt, um auch die Logistik der Täter ent­sprechend stören zu können. Und das greift auch, wie die Zahlen sowohl im April als auch im Mai – die werden nächste Woche bereitstehen – zeigen werden.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Ich spreche als jemand, dem innerhalb von acht Wochen zweimal das Haus ausgeplündert und einmal das Auto ausgeplündert wurde: Ihre Beamten sind sehr schnell, sehr hilfsbereit und auch sehr zuvorkommend, das kann ich Ihnen bestätigen. (Bundesministerin Dr. Fek­ter: Ich werde das an die Beamtenschaft weiterleiten!) Ich habe auch nicht das Ver­trauen in die Beamtenschaft verloren, weil ich wirklich das Gefühl habe, dass sie sich sehr bemühen.


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Meine Frage ist: Planen Sie, da es ja ganz offensichtlich auch um organisierte Gangs geht, auch Maßnahmen im Undercover-Bereich?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir sind derzeit ziemlich intensiv dabei, die Modi operandi der Tätergruppierungen zu analysieren. Das ist ganz unterschiedlich. Es ist ja so, dass wir allein aufgrund der Kriminalstatistik überhaupt keine Aussagen darüber bekommen, ob das jetzt eine Beschaffungskrimina­lität eines Junkies war, ob das eine organisierte Kriminalität einer ausländischen Bande war oder ob das ein Gelegenheitstäter war, ob das Opfer gezielt aufgrund der Situation ausgesucht wurde oder ob das Opfer zufällig am falschen Ort war. Das heißt, diese modernen neuen Strategien sind im Bundeskriminalamt entwickelt und gemeinsam mit den Landeskriminalämtern auf operative Maßnahmen ausgelegt worden, und wir ha­ben derzeit eben ein System, wonach wir diese modernen Strategien hinunterbrechen wollen bis in die Streifenwagen.

Selbstverständlich kommt es natürlich gerade im Drogenbereich zu Undercover-Ein­sätzen, zum Beispiel auch in der Straßenkriminalität, im Hinblick auf die Handtaschen­diebstähle in der U-Bahn, an den Hotspots, wo die Touristen sich aufhalten. Da sind immer mehrere Beamte in Zivil Undercover unterwegs. Ich habe das selber erlebt. Ich habe geglaubt, es findet am Graben eine Rauferei statt, aber nein, es waren zwei Be­amte, die einen Täter in flagranti erwischt und fixiert haben, dann ist ein Streifenwagen gekommen und hat ihn abgeholt. Aus meiner Warte haben die Beamten aber genauso ausgeschaut wie der, den sie da erwischt haben.

Das heißt, da gibt es sehr, sehr gute Arbeiten, die aufgesetzt werden. Wir müssen die Logistik der Täter stören. Sie möchten nicht kontrolliert werden, daher müssen wir auch den Kontrolldruck erhöhen, aber wir müssen auch – und das mittels Undercover-Ermitt­lungen – wissen, wie sie operieren und wie sie vorgehen. Im Drogenbereich geht es nur so.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Kalina.

 


Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Ressort un­ter dem Titel „Team 04“ eine Polizeireform zwar nicht selber gemacht, aber zu verwal­ten gehabt. Ich nehme an, dass Sie die schon bewertet haben, dass Sie evaluiert ha­ben, wie das funktioniert, denn eines der Probleme dieser Reform war ja, dass das Gendarmeriesystem auch auf Ballungszentren übertragen wurde.

Meine Frage daher: Gibt es Evaluierungsergebnisse und sehen Sie da angesichts der dramatischen Entwicklungen einen Änderungsbedarf?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Der Unterschied zwi­schen der Gendarmerie und der Polizei war, grob gesprochen, folgender: Ein Gendarm war ein Generalist, der alles machen hat müssen. Er musste auf Streife gehen, am Tatort aufnehmen, dann den Akt selber schreiben, er war im Hinblick auf die Aktenfüh­rung selber für das Aufnehmen dessen verantwortlich, was am Tatort passiert ist, wer die Täter sind et cetera.

Die Arbeit der Polizei in den Städten war arbeitsteiliger. Das waren nicht Generalis­ten, sondern da hat es jene gegeben, die Streife gehen haben „müssen“ – sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen –, das waren im Sozialprestige diejenigen am un­teren Ende. Sie kennen die Redewendung „strafversetzt zum Streifendienst“. Das heißt, in der Karriere bei der Polizei hat man angestrebt, so rasch wie möglich weg von der Straße an einen Schreibtisch zu kommen. Daher hatten wir in der Polizeiarbeit


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 24

in der Beamtenschaft einen Überhang an Verwaltungs- und Schreibtischbeamtinnen
und -beam­ten und wenige auf der Straße.

Der Sinn und Zweck von „Team 04“ war, mehr auf die Straße zu bringen, weniger in den Wachstuben zu haben. Dieses System hat auch dazu geführt, dass mehr Polizis­ten auf der Straße tätig sind, und hat auch dazu geführt, dass die Polizisten in Wien verstärkt Generalisten sind. Die Kompetenz hat sich erhöht.

Wir stehen derzeit an dem Punkt, wo wir dieses System in Hinblick auf den Kommuni­kationsfluss optimieren, sodass wirklich jeder Beamte, wenn er in der Früh den Dienst antritt, weiß, was heute schwerpunktmäßig zu tun ist. Die Aussage so nach dem Motto: „Na, was tun wir denn heute? Schauen wir einmal!“, das ist etwas, was nicht mehr zeit­gemäß ist. Das ist keine Strategie. So kann man die Kriminalität nicht bekämpfen. Das heißt, die entwickelten Strategien müssen hinuntergebrochen werden, nicht nur bis zum Kommandanten, sondern es muss jeder Beamte und jede Beamtin wissen, was heute die Schwerpunkte beim Streifendienst sind.

Weiters: Wir intensivieren derzeit nicht nur die Kommunikation in der Linie, sondern auch die Kommunikation mit den Kriminalämtern vor Ort. Das bedeutet, dass wir spe­zielle Schwerpunktbeamte in den Dienststellen haben, damit wir der Generalistenpoli­zei, die ja auch als Erste am Tatort ist und daher auch die Tatortsicherung perfekt be­herrschen muss, nicht nur das Know-how durch Schulung beibringen, sondern auch die Kommunikation intensivieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das gelingen wird.

Wir haben zwei Dinge, die noch nicht umgesetzt sind. Es haben ja die Gendarmerie und die Polizei unterschiedliche Dienstzeitsysteme gehabt, und im Koalitionsüberein­kommen ist die Reform eines Dienstzeitmanagements enthalten. Das ist aber ein mit­telfristiges Projekt, das gemeinsam mit der Personalvertretung aufgesetzt werden muss. Ich werde der Polizei nicht erklären, sie muss zwei Stunden länger arbeiten – das werde ich ihr nicht erklären, schon gar nicht über die Zeitung –, sondern das ist et­was, was man als Reform behutsam erarbeiten muss, gemeinsam mit der Personalver­tretung. (Bundesrat Gruber: Sie können es nicht lassen! Manche können es nicht las­sen, auf den Regierungspartner hinzuhauen!) Aber das soll helfen, dass die Mann­schaft dann im Einsatz ist, wenn wir sie brauchen, und dort im Einsatz ist, wo wir sie brauchen. Das wird ein Projekt sein, das dann wahrscheinlich 2011, 2012 operativ um­gesetzt wird.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kühnel.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Bundesministerin, ich kom­me jetzt zu etwas anderem, und zwar: Wie waren die Erfolge im letzten Monat bei den durchgeführten Schwerpunktmaßnahmen im Raum Wien und in anderen Teilen Ostös­terreichs?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Vor Ostern hat es eine ganz massive Fahndungsserie in Kooperation mit anderen Bundesländern, gege­ben, mit dem Burgenland, mit Niederösterreich und mit Wien. Da haben wir fünf Tage hindurch massiv Fahndungen an unterschiedlichsten Ausfallstraßen durchgeführt, die Standorte der Fahndungsmaßnahmen täglich mehrmals gewechselt. Es war diese Fahndung enorm erfolgreich. Wir konnten der Justiz eine Reihe von Tätern zuführen, nach denen gefahndet wurde, die aber illegal untergetaucht sind. Wir haben beispiels­weise über 30 Täter nach dem Strafgesetzbuch festgenommen. Es gab Festnahmen der Fremdenpolizei, wo wir 11 Personen sofort in Schubhaft genommen haben. Es gab Aufgriffe von 21 Illegalen, die wir gefunden haben. Es gab Anzeigen von 27 Tätern, wo


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wir aufgrund der Tatwerkzeuge und der Beute Verdacht geschöpft haben. Es gab ins­gesamt 17 Kfz-Sicherstellungen. Das heißt, allein ein Fahndungsschwerpunkt hat Der­artiges zutage gefördert.

Wir haben dann im Sicherheitsmonitor erkennen können, dass an den Tagen danach die Kriminalität sofort rückläufig war. Wir haben daraufhin sofort festgelegt, diese Fahn­dungsschwerpunkte mehrmals zu wiederholen, und zwar nicht nur gemeinsam mit den benachbarten Bundesländern, sondern auch mit den benachbarten Staaten. Das heißt, es wird in Zukunft auch Schwerpunktaktionen mit der Slowakei und mit Ungarn geben im Hinblick auf die Zufahrtsrouten. Wir werden da nicht nachlassen, denn das stört die Täter, das mögen sie nicht, und wir wollen sie abhalten, nach Österreich zu kommen. Vor allem erhöhen solche Fahndungsmaßnahmen auch das Sicherheitsgefühl der Be­völkerung.

Tatsache ist, dass wir auch schwere Kaliber erwischt haben. Unter jenen Tätern, die wir im Rahmen dieser Maßnahmen verhaften konnten, waren auch ein Mörder und ein gesuchter Terrorist.

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Minister, die Exekutive im Wechseldienst muss Journaldienststunden leisten. In­nerhalb eines 24-Stunden-Dienstes müssen Beamte acht Stunden minderbezahlten Journaldienst leisten, obwohl die Beamten volle Diensttätigkeiten verrichten müssen. Das drückt auf die Motivation. 6,50 € pro Stunde Journaldienst bekommt ein Beamter und muss Nachdienst machen; eine Reinigungskraft bekommt 7,50 € die Stunde und braucht keinen Nachtdienst zu machen. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wir haben den Beruf verfehlt, nicht? (Bundesrat Gruber: Wenn man sich’s verbessern kann!)

Meine Frage: Ist seitens des Innenministeriums vorgesehen, diese ungerechte Bezah­lung der Exekutivbeamten zu ändern und insbesondere die Journaldienststunden als Überstunden abzugelten?

 


Präsident Harald Reisenberger: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Im Koalitionsüber­einkommen – das habe ich schon erwähnt – ist ein neues Dienstzeitmanagement vor­gesehen, und wir werden eine Reform im Hinblick auf das Ziel angehen, dass wir die Mannschaft dann im Einsatz haben, wenn wir sie brauchen, und dort im Einsatz haben, wo wir sie brauchen. Dafür ist im Koalitionsübereinkommen auch eine Reform im Hin­blick auf die Verteilung nach objektiven Belastungskennzahlen vorgesehen, dass also jene Dienststellen aufgerüstet werden, die wirklich Belastungskennzahlen vorweisen können, und dass wir Dienststellen dort entlasten, wo keine Belastung stattfindet.

Dieses System ist ein mittelfristiges Projekt. Dafür werden wir den verfügbaren Ku­chen, den wir im Ressort haben, den das Parlament uns zur Verfügung gestellt hat – dafür bedanke ich mich sehr herzlich, wir haben ja gut abgeschnitten im Budget –, ver­teilen und mehr Gerechtigkeit einführen. Es ist in Wirklichkeit gerecht, jene Beamtinnen und Beamten am besten zu bezahlen, die die meiste Belastung haben.

Wir werden aber das Geld nicht jetzt – sage ich einmal – als Wahlzuckerl zur Personal­vertretungswahl ausgeben können, sondern diese Reform ist ein mittelfristiges Projekt. Ich werde im Hinblick auf die mittelfristige Sicht so ein Gesamtpaket schnüren, und es bleibt abzuwarten, ob das, was Sie erwähnt haben, im Gesamtpaket als sinnvoll erach­tet wird. Wir werden es jedenfalls in die Beratungen mit einfließen lassen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, und ich ersuche den Anfragsteller, Herrn Bundesrat Strohmayer-Dangl, um deren Verlesung.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 26

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Minister – wir ha­ben heute schon sehr viel über Personal gehört –, meine Frage lautet:

1678/M-BR/2009

„Wie sieht das Budget des Innenministeriums insbesondere im Bereich Personal aus?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesminister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir haben ein Ge­samtbudget für das Jahr 2009 in der Höhe von 2 343,5 Millionen € bekommen, also es steht mir ein Milliardenbudget zur Verfügung. Die Personalausgaben sind mit 1 589,6 Millionen € dotiert. Also auch da habe ich ein Milliardenbudget zur Verfügung. Das ist um insgesamt 200 Millionen € mehr als im Vorjahr, und es steigt dann 2010 noch einmal um 219 Millionen €.

Das heißt, wir haben nicht nur mehr Köpfe – sprich tausend Ausbildungsplätze pro Jahr; mit dem zu erwartenden natürlichen Abgang sind das in etwa 200 zusätzliche, in einer Legislaturperiode wären das plus tausend –, also ich habe nicht nur eine Perso­nalaufstockung im Innenressort erfahren, sondern es sind im Personalbudget auch die strukturellen Effekte berücksichtigt. Bezüglich der Biennalsprünge beispielsweise ist auch eine moderate Erhöhung, die aber noch zu verhandeln ist, drinnen.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Parlament, dass es uns gelungen ist, einerseits diese mittelfristige Personalplanung, nämlich eine mittelfristige Planung bezüglich der Ausbildungsplätze, angehen zu können, und dass es uns andererseits erlaubt ist, den Flexipool umzusetzen, damit wir flexibler im Einsatz für die Beamten sind. Auch die Zu­teilungsgebühren, die damit verbunden sind, sind gedeckt.

Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich sehr froh, dass wir auch im Verwaltungsbereich eigentlich nur ganz moderat einsparen müssen. Ich glau­be, wenn man eine Mannschaft von über 30 000 Personen hat, dann ist die Einsparung im Verwaltungsbereich von heuer null, nächstes Jahr 65 und übernächstes Jahr auch 65 machbar.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Wir haben heute schon von der hochqualifizierten Ausbildung der Polizei und von dem guten Ruf der Polizei gehört. Dazu meine Zusatzfrage: Wie viele Personen sind derzeit in Polizeiausbildung?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Minister.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich kann ja die Poli­zistinnen und Polizisten weder beim Arbeitsmarktservice bestellen, noch kann ich sie durch einen Headhunter womöglich bei den Deutschen, Italienern oder Polen abwer­ben, das ist nicht möglich, sondern die Polizei muss von uns selbst ausgebildet wer­den. Das macht das Innenministerium. Daher ist es nicht ganz schlüssig, nur einfach nach mehr Polizei zu rufen, sondern man muss sich auch darum kümmern, wie die Ausbildung ausschauen muss, damit man mehr Polizei bekommt. Da habe ich immer gesagt, der Ruf nach 1 000 mehr, 3 000 mehr oder was auch immer – ich habe 5 000 auch schon gehört – ist ein populistischer Hüftschuss. Als Ressortverantwortliche kann man diese Fragen seriös nur mit mittelfristigen Ausbildungsplanungen angehen.

Das heißt, die Ausbildung der Polizei dauert eineinhalb Jahre; es gibt dann Praxiszei­ten. Und wir haben jetzt geregelt, dass die jungen Leute nach der Ausbildung in den Flexipool kommen, um flexibel einsetzbar zu sein, und nach dem Flexipool in den Bal­lungszentren und entlang den Hauptverkehrsrouten eingesetzt werden.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 27

Derzeit haben wir in ganz Österreich Ausbildungsplätze. In der Polizeiausbildung, näm­lich in der Grundausbildung, befinden sich derzeit 1 141 Exekutivbeamte, davon sind 752 männlich, 389 weiblich. Diese Beamten teilen sich wie folgt auf die Bundesländer auf: Niederösterreich 102, Oberösterreich 98, Salzburg 120, Steiermark 101, Tirol 132, Vorarlberg 50 und Wien 538. So viele befinden sich derzeit in Ausbildung.

Wir nehmen aber noch einen Großteil auf. Von den 1 000, die wir heuer aufnehmen dürfen, sind 325 schon in der Schule. Insgesamt teilen sich die 1 000, die wir aufneh­men, folgendermaßen auf: Wien 450, Vorarlberg 50, Tirol 100, Steiermark 75, Salz­burg 100, Oberösterreich 125, Niederösterreich 50 und Kärnten auch 50.

Von den 1 000 sind, wie gesagt, 325 schon in Ausbildung – und sukzessive rüsten wir jetzt mit den Aufnahmen auf; einerseits können wir dadurch, dass jetzt im Juli schon welche aus der Schule kommen, im Herbst wieder Personen für einen Kurs, für mehre­re Kurse aufnehmen, andererseits werden wir aber auch zusätzliche Ausbildungsinfra­struktur brauchen. Das heißt, wir kommen mit den 1 000 – genau 1 141 – Ausbildungs­plätzen, die wir derzeit haben, nicht aus; wir rüsten ja auf. Wir haben vor, beispiels­weise in Niederösterreich in der Schule in Traiskirchen, die liegt nämlich unmittelbar neben dem Erstaufnahmezentrum, auch die Schülerausbildung der Polizei aufzurüs­ten, weil es dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung dort guttut, wenn dort „viel Uni­form“ gesehen wird. Daher halte ich es für gerechtfertigt, die Infrastruktur dort aufzu­bauen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Vladyka.

 


Bundesrätin Christa Vladyka (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin, wir haben ja heute schon gehört, dass es zusätzliches Personal geben wird, speziell auch für den Grenzraum. Für mich als jemand, der auch in einem Grenzraum beheimatet ist (Bundesrat Hensler: Meine Kollegin!) und erst vor Kurzem von einem grauenhaften Kriminalfall betroffen wurde, ist es ganz besonders wichtig, für mehr Personal Sorge zu tragen.

Meine Zusatzfrage lautet daher: Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um noch mehr Frauen für den Beruf einer Polizistin zu gewinnen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Der Anteil der Frauen in der Polizei steigt kontinuierlich an; Gott sei Dank ist das so.

Wir haben derzeit einen Anteil an Frauen von in etwa 12 Prozent – je nach Bundesland ein bisschen unterschiedlich –, aber in den Schulen sind es schon fast 40 Prozent; das ist gut so. In Oberösterreich gibt es schon einen Kurs mit 13 Mädchen und 12 Bur­schen. Der Anteil an Frauen steigt also kontinuierlich an.

Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Mädchen aber auch so gestalten, dass sie ihren Dienst auch als Mütter leisten können. Ich habe daher in Salzburg den ersten Polizeikindergarten geschaffen. In Salzburg wird ein eigener Kindergarten für die Be­diensteten zur Verfügung stehen, der auf die Dienstzeit der Polizistinnen und Polizisten Rücksicht nimmt, denn die Öffnungszeiten der öffentlichen Kindergärten nehmen überhaupt keine Rücksicht beispielsweise auf den Schichtwechsel um 19 Uhr. Der Kin­dergarten für die Bediensteten in Salzburg ist das erste Modell, das das berücksich-
tigt. Wir schauen uns an, ob dieses Pilotprojekt funktioniert, und wenn es funktioniert, werden wir schauen, ob wir nicht auch in anderen Ballungszentren so etwas zustande bringen.

Zweitens wurde eine Regelung für diesen Flexipool, der auch als Karenzpool dient, ge­schaffen. Primär gilt es, aus dem Flexipool die Mütter- und Väterkarenzen abzudecken.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 28

Bisher war es immer so, dass jeder Kommandant gleich einen Schock bekommen hat, wenn ihm eine Polizistin gesagt hat, dass sie schwanger ist, weil das für den Komman­danten bedeutet hat, dass die Polizistin in Karenz geht und er zwei Jahre streiten muss, bis er wieder eine Besetzung bekommt. Jetzt ist es gesetzlich so geregelt, dass dieser Posten sofort nach Ausscheiden aufgrund von Karenz aus dem Flexipool nach­besetzt wird. Das heißt, die Mütterkarenz ist da privilegiert – selbstverständlich auch die Väterkarenz, aber so viele Väter haben wir nicht, die das in Anspruch nehmen. Es geht um die Väter-Baby-Karenz, überhaupt um die Baby-Karenz, und nicht um jene 39-Stunden-Teilzeitregelung, nur damit man keine Überstunden machen muss – jene Variante sehe ich nicht als privilegiert an, sondern als Entsolidarisierung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen; manchmal wird es gerechtfertigt sein, in sehr häufigen Fällen aber nicht.

Das heißt, wir verstärken das; wir bewerben es auch gezielt. Am Girls’ Day bei­spielsweise hat es in ganz Österreich bei allen Landespolizeikommanden Girls’-Day-Veranstaltungen gegeben, um die Mädchen sozusagen zu motivieren, zur Polizei zu gehen. Die Arbeit im Innenministerium besteht für Mädchen beispielsweise nicht nur aus der Arbeit bei der Polizei allein. Wir haben die Polizei im klassischen Sinne, den Exekutivdienst, wir haben Polizeijuristinnen, wir haben Präventionsarbeit, wir haben Verbindungsbeamte im Ausland – das ist fast wie beim Diplomatischen Dienst –, wir haben Kriminalbeamte und -beamtinnen. Die Arbeit des Innenressorts ist also wesent­lich breiter als nur der Exekutivdienst.

 


Präsident Harald Reisenberger: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sind offensichtlich die einzige Ministerin dieser Bundesregierung, die mit ihrem Budget zufrieden ist. Es hat zumindest so geklungen. (Ruf bei der ÖVP: Sie muss zufrieden sein!) Es ist doch mehr Zufriedenheit durchgeklungen als beispiels­weise im Unterrichtsministerium oder im Justizministerium.

Frau Ministerin, Sie haben also ein etwas größeres Stück vom Kuchen bekommen. Welche budgetären Mittel sind 2009 für Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf Schen­gen vorgesehen?

 


Präsident Harald Reisenberger: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Als Unternehmerin habe ich gelernt, wie man mit Geld umgeht. Für mich ist das Geld der Steuerzahler kein Selbstbedienungsladen. Daher bin ich sehr, sehr sorgsam, wenn es darum geht, das Budget, das das Parlament beschlossen hat, entsprechend einzusetzen.

Gott sei Dank habe ich – und daher meine Zufriedenheit – dieses Stück vom Kuchen; das steht mir zur Verfügung. Damit kann ich die Arbeiten und die Prioritäten bei der Ar­beit wirklich gut umsetzen. Für Zusatzwünsche muss ich eben Freiräume schaffen, was jetzt durch das Globalbudget möglich ist. Ich halte es für sehr, sehr gut, dass man innerhalb des Ressorts selbst umschichten kann. Beispielsweise habe ich, wie schon erwähnt, voriges Jahr, als ich in diese Funktion gekommen bin, am zweiten Tag den Umbau des Kabinetts stoppen lassen und habe das Geld in die DNA-Analyse ge­schaufelt. So stelle ich mir Ressortführung vor: dass man das Geld dorthin gibt, wo man es braucht, und das im Hinblick auf die Prioritäten festlegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Bezüglich der Ausgleichsmaßnahmen ist es so, dass diese zum Teil in die Landes­budgets gehen, weil ja die Beamtinnen und Beamten von den Landeskommandanten dort budgetiert sind, wo die Ausgleichsdienststellen sind. Das ist im Hinblick auf das gesamte Budget nicht extra ausgewiesen als Ausgleichsbudget, denn wir müssen ja die Ausgleichsmaßnahmen einerseits durch Beamte abwickeln – das sind derzeit über 2 000, die auch noch auf Grenzdienststellen tätig sind –, weiters durch eigene Aus-


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gleichsmaßnahmendienststellen – davon haben wir in etwa 80 – und dadurch, dass wir ein Koordinationszentrum der Ausgleichsmaßnahmen im Osten geschaffen haben, da­mit die koordiniert vorgehen.

Das heißt, wir haben das Geld über Zuteilungen, über die jeweiligen Einsatzplanungen aus dem Gesamtbudget der Polizistinnen und Polizisten dotiert. Aber wir haben dies­bezüglich einen Schwerpunkt.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen zur 8. Anfrage, und ich bitte den Anfra­gesteller, Herrn Bundesrat Sodl, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

1681/M-BR/2009

„Wie haben sich bei Einbruchsdiebstählen im Burgenland im ersten Quartal des Jah­res 2009 die Zahl der angezeigten Fälle und die Aufklärungsquote zum Vergleichszeit­raum 2008 entwickelt?“

 


Präsident Harald Reisenberger: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Zum Burgenland: Von Jänner bis März 2008 gab es im Burgenland 1 900 angezeigte Fälle, davon wur­den 1 061 geklärt. Das entspricht einer Aufklärungsquote von 55,84 Prozent. (Vizeprä­sidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Von Jänner bis März 2009 ging die Zahl der angezeigten Fälle um 6 Prozent auf 1 783 zurück; geklärt wurden jedoch nur 845. Das heißt, die Aufklärungsquote ging um 6,21 Prozent zurück auf etwa 49,64 Prozent.

Es ist bedauerlich, dass die Aufklärungsquote rückläufig war, aber bei einer Aufklä­rungsquote von 49 Prozent muss ich den burgenländischen Beamtinnen und Beamten ein großes Lob aussprechen und danke sagen. Auch wenn die Zahl der Fälle, sage ich jetzt einmal, im Burgenland ausgesprochen niedrig ist ... (Ruf bei der ÖVP: Die höchs­te !) – Nein, die höchste nicht, die höchste haben wir schon in Linz. Aber trotzdem ist es erfreulich, dass die Aufklärungsquote so hoch ist.

Zu den Einbruchsdiebstählen: Einbruchsdiebstähle hat es im Burgenland von Jänner bis März des Vorjahres 259 gegeben, diese Zahl ist im heurigen Jahr um 38 Fälle auf 297 gestiegen. Bedauerlicherweise ist die Aufklärungsquote bei Einbruchsdiebstäh­len im Burgenland massiv gesunken, nämlich von 32 Prozent auf 11,8 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich aber Folgendes sagen: Wenn beispielsweise ein burgenländisches Einsatzkommando eine Tätergruppe schnappt, die ihre Taten im Dezember und im November begangen hat, und diese Fäl­le dann im Jänner und Februar aufgeklärt werden, dann findet sich das nicht in der Sta­tistik, weil das ja noch ins Vorjahr gehört. Die Vorjahresstatistik ist aber schon abge­schlossen – und im neuen Jahr sind sie nicht drin. Das heißt, die Aufklärung von Ver­brechen, die im Vorjahr stattgefunden haben, ist in der Statistik nicht erfasst. Das wer­den wir ändern, denn damit wird eigentlich das Bild verzerrt, was ich für nicht gerecht­fertigt halte. Die Beamtinnen und Beamten haben gut gearbeitet, und nur, weil die Tat im Dezember und die Aufklärung im Jänner stattfand, findet sich die Aufklärung nicht in der Statistik. Das kann nicht sein!

Daran können Sie sehen, dass unterschiedlich gezählt wird, denn in Deutschland wird das mitgezählt. Daher kann es sein, dass in Deutschland im Jänner eine Aufklärungs­rate von 120 Prozent herauskommt – das ist bei uns nicht möglich, aber in Deutsch­land wäre das möglich. Wir werden die Kriminalstatistik diesbezüglich umstellen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Sodl.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 30

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Auch von meiner Seite wird den Kolle­ginnen und Kollegen der Exekutive im Burgenland natürlich ein Kompliment ausge­sprochen.

Trotzdem meine Zusatzfrage: Welche Organisationsänderungen haben Sie vor, damit die Exekutive im Burgenland schlagkräftiger und die Aufklärungsquote erhöht wird?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Ministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Es ist so, dass wir die Ausgleichsmaßnahmen verstärken werden, und somit die Grenzraumsicherung – wobei der Grenzraum nicht mit dem Grenzbezirk oder der Grenzgemeinde endet, son­dern sich entlang der Hauptverkehrsrouten bis in die Ballungszentren zieht.

Das heißt, wir werden von der Grenzbalkenkontrolle zur Grenzraumkontrolle kom­men. Wir werden durch die Ausgleichsmaßnahmen also nicht nur personell verstärken, sondern auch durch Dienststellen. Wir setzen derzeit auf die Freiwilligkeit der BeamtIn­nen, die jetzt noch in den Grenzgemeinden Dienst tun, obwohl dort keine Grenze mehr ist. Wir werden uns dann anhand der Belastungskennzahlen überlegen, wie wir optimal vorgehen sollen.

Für die Ausgleichsmaßnahmen erfolgt eine Aufstockung um 400 Personen, und diese Aufstockung, die es ab Juli geben wird, erfolgt auf freiwilliger Basis und nicht aufgrund von Zwangsversetzungen. Wenn wir in zwei Jahren ein neues System entwickeln, ein Konzept im Hinblick auf Dienstzeitmanagement und Belastungskennzahlen, halte ich es nämlich für nicht gerechtfertigt, die BeamtInnen jetzt zwangszuversetzen und in zwei Jahren womöglich schon wieder. Das tut man einer Mannschaft nicht an, sondern man erarbeitet gemeinsam mit der Mannschaft, mit der Personalvertretung ein Ge­samtpaket, ein Konzept, das nicht nur Verlierer produziert, sondern in dem sich alle wiederfinden und durch das wir die Mannschaft besser im Einsatz haben als derzeit – nämlich dort, wo wir sie brauchen, und dann, wenn wir sie brauchen.

Alle, die nach wie vor im Grenzraum tätig sind, werden wir an den Grenzbalken nicht mehr brauchen, aber das weiß die Mannschaft sehr, sehr genau. Es kommen sehr gu­te Vorschläge aus den betroffenen Dienststellen, wie man das effizienter organisieren könnte. Ich hoffe, dass dann die politischen Funktionäre, die Bürgermeister und Land­tagsabgeordneten, aber auch die Landeshauptleute, die Abgeordneten zum Nationalrat und die Bundesräte aller Fraktionen – bitte, aller Fraktionen – auf die Mannschaft hö­ren und nicht sozusagen Dinge trommeln, die der Effizienz nicht entsprechen und die eigentlich auch der Mannschaft nicht zuträglich sind.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Jany.

 


Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wie hat sich die Kriminalität seit der Schengen-Erweiterung im Burgenland entwickelt?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Ich habe da einen Chart, meine sehr verehrten Damen und Herren, den ich Ihnen zeige. (Die Rednerin zeigt eine Graphik.) Das können Sie erkennen.

Wir hatten den höchsten Anstieg in den Jahren 2002 und 2003, das habe ich schon er­wähnt. Danach ist die Kriminalität sukzessive gesunken und hat dann voriges Jahr im Herbst wieder einen leichten Anstieg erlebt. Damit die Zahlen nicht auf das Niveau
von 2002/2003 explodieren, haben wir gleich Gegenmaßnahmen gesetzt.

Da erfolgte der EU-Beitritt der neuen Länder – das ist der rote Strich –, das zeigt, dass es nach diesem Beitritt sukzessive sicherer geworden ist und wir durch den Beitritt der Ostländer eigentlich mehr Sicherheit bekommen haben.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 31

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Strich bedeutet Schengen, die Änderung im Zusammenhang mit den Schengen-Grenzen. Sie können daraus wirklich leicht erkennen, dass mit Schengen kein exorbitanter Anstieg verbunden war, sondern dass sich das irgendwie kontinuierlich weiterentwickelt hat. Das heißt, Schengen hat uns durch die Maßnahmen, die wir gesetzt haben, weil wir natürlich im Hinblick auf die Herausforderungen für die Sicherheit massive Anstrengungen unternommen haben – das Schengener Informationssystem, die gemeinsamen Polizeistreifen, die Koopera­tion mit unseren Nachbarländern, Staatsverträge et cetera –, keine Nachteile gebracht. Da haben wir wirklich Quantensprünge in der Polizeiarbeit geleistet. Meine Vorgänger haben das alles entwickelt und aufgesetzt.

Das heißt, es gibt jetzt eine intensive Polizeikooperation und -zusammenarbeit. Wir können die Täter über die Grenze verfolgen. Wir haben gemeinsame Streifen; Nach­barpolizisten und unsere Polizisten sitzen gemeinsam in einem Auto und schnappen diese Täter. Früher sind sie am Grenzbalken angestanden – und dann war gar nichts. Auch der internationale Datenaustausch von DNA-, Kfz- und Fahndungsdaten hat sich enorm intensiviert. Und daher hat es mit Schengen keinen exorbitanten Anstieg gege­ben.

Es hat aber in den letzten Monaten und Wochen bei der Einbruchskriminalität ein Phä­nomen gegeben. Es kann aber niemand – niemand! – mit Sicherheit sagen, ob diese moldawischen Banden schon vorher im Schengen-Raum waren, oder nicht. – Sprich: Sind sie über Italien gekommen? Es hat nämlich vorher auch im norditalienischen Raum solche Phänomene gegeben; derzeit gibt es dieses Phänomen eher im Münche­ner Bereich, ich habe mit dem Polizeipräsidenten diesbezüglich gesprochen. Aber was wir sehr wohl wissen, ist, Tätergruppierungen sind mobiler geworden, und daher müs­sen wir auf diese Mobilität auch entsprechend reagieren.

So ist es uns beispielsweise gelungen, eine Einbruchsbande aus Moldawien zu fassen, die in Slowenien ihr Unwesen trieb, in Graz die Bunkerhallen zur Lagerung ihrer Beute hatte, wo auch die Dealer und Hehler waren, aber ihren Standort in Prag hatte. Das heißt, für diese Phänomene müssen wir gerüstet sein, und wir müssen uns das ganz konkret anschauen.

Dass die Erweiterung und Schengen das Problem nicht verschärft haben, sei an einem Phänomen verdeutlicht, das Sie alle kennen und das allen bauchgefühlsmäßig irgendwie bewusst ist. Die Polen sind seit der Schengen-Öffnung nicht mehr unser Sorgenkind. (Bundesrat Schennach: Das stimmt!) Polnische Täter sind nicht mehr die, die bei uns in der Statistik ganz oben rangieren, und dies trotz Schengen-Erweite­rung – bei den Vergehen, nicht bei den Verbrechen! Das heißt, die Polen sind ein Be­weis dafür, dass trotz Schengen-Öffnung die Kriminalität durch Bewohner der neuen Schengen-Länder nicht plötzlich enorm angestiegen ist. Ganz im Gegenteil, Polen war schon einmal ein großes Sorgenkind, speziell nach der Ostöffnung, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, das weiß jeder, und jeder von Ihnen kann wahrscheinlich entspre­chende Geschichten erzählen, aber das haben wir jetzt nicht mehr! Das ist ein Beweis dafür, dass es in Wirklichkeit ein sehr dumpfes Bauchargument ist, wenn man sagt: Grenzbalken herunter, denn Schengen ist schuld!

Die Lebensqualität, den wirtschaftlichen Aufschwung, den wir in den Grenzbezirken, in den Regionen erlebt haben – Österreich hat keine tote Grenze mehr, sondern befindet sich mitten in Europa –, müssen wir uns erhalten, die dürfen wir nicht gefährden, denn das wäre zu unserem eigenen Schaden. Wir wären ja schön blöd, wenn wir das Rad sozusagen wieder zurückdrehten. Aber wir müssen den Herausforderungen, die über diese größere Mobilität entstanden sind, auch gerecht werden.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bun­desrat Mitterer.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 32

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich befürworte jede Art der Grenzsicherung in Österreich, aber als Wirtschafter hinterfrage ich auch die Kosteneffizienz. Deshalb meine Zusatzfrage: Steht die Zahl der angezeigten Straftaten im Burgenland im Jahr 2008 auch nur in einem annähernd vertretbaren Verhältnis zum Kostenaufwand der von Ihnen befür­worteten Verlängerung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres in der derzeitigen Form?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Ministerin.

 


Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: In Ihrer suggestiven Frage – Sie bringen subtil die Zahl der angezeigten Fälle in ein Verhältnis zum Einsatz der Präsenzdiener – ignorieren Sie komplett jegliche präventive Maßnahme, denn wenn ein Delikt durch Prävention verhindert wird, dann gibt es auch keine Anzeige. Mit Ihrer suggestiven Frage würden Sie unterstellen, man darf überhaupt keine Prävention machen, weil diese etwas kostet, obwohl es keine angezeigten Fälle gibt.

Das heißt, niemand kann sagen, was wir an Delikten durch den Präsenzdienst an der Grenze verhindert haben, wie viele Einbrüche in Firmen und Häuser dort, wo die Prä­senzdiener patrouilliert haben, nicht geschehen sind. Wenn man Prävention ernst nimmt, Abschreckung ernst nimmt und die Verhinderung von Delikten einem auch et­was wert ist, darf man also nicht mit dieser Kosten-Nutzen-Analyse argumentieren.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Frau Ministerin, ich bedanke mich für die ausführliche Beantwortung sämtlicher Fragen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der SPÖ.)

Die Fragestunde ist beendet.

10.44.55Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2458/AB bis 2460/AB beziehungsweise je­ner Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen, sowie der Mitteilungen des Ministerratsdiens­tes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner am 4. und 5. Juni 2009 beziehungsweise der Bundes­ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied vom 4. bis 7. Juni 2009 in einem anderen Mitgliedstaat der EU und des Schreibens des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG über die Vollmacht zur Auf­nahme von Verhandlungen über Instrumente zur vorläufigen Anwendung von Teilen des Protokolls Nr. 14 zur EMRK verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mittei­lungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenogra­phischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlich Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 5)

*****

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2009 bis 2012 und das Bundesfinanzrahmenge­setz 2010 bis 2013 erlassen werden (110 und 199/NR der Beilagen)


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 33

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2009 (Bundesfinanzgesetz 2009 – BFG 2009) samt Anlagen (111 und 200/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2010 (Bundesfinanzgesetz 2010 – BFG 2010) samt Anlagen (112 und 201/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundes­regierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                    Geschäftszahl: BKA-350.200/0094-I/4/2009

                                                                                                                 Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

An den                                                                                              Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

Präsidenten des Bundesrates                                    Pers. eMail: Ingeborg .heim@bka.gv.at

Parlament                                                                                                            Telefon: 01/53115/2217

1017 Wien                                                                                                               Datum: 28. Mai 2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesminis­terin für Justiz Mag. Claudia BANDION-ORTNER am 4. und 5. Juni 2009 in Luxemburg aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Leitner“

*****

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST                                    Geschäftszahl: BKA 350.200/0099-I/4/2009

                                                                                                                 Abteilungsmail: mrd@bka.gv.at

An den                                                                                              Sachbearbeiterin: Ingeborg HEIM

Präsidenten des Bundesrates                                      Pers. eMail: Ingeborg.heim@bka.gv.at

Parlament                                                                                                          Telefon: 01/531 15/2217

1017 Wien                                                                                                               Datum: 29. Mai 2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bundesminis­terin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia SCHMIED innerhalb des Zeitraumes vom 4. bis 7. Juni 2009 in Venedig aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Leitner“

*****


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 34

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Harald Reisenberger                                                                                                            14. Mai 2009

Parlament, Dr. Karl Renner Ring 1-3                         GZ: BMeiA-E1.8.33.02/0003-I.2a/2009

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom
5. Mai 2009 (Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 17) der Herr Bundespräsident am 6. Mai 2009 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über Instrumente zur vorläufigen An­wendung von Teilen des Protokolls Nr. 14 zur EMRK erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Johannes Kyrle

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-E1.8.19.07/0008-I.7/2009

Konferenz der Vertragsstaaten der Konvention zum

Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

(EMRK), Madrid, 12. Mai 2009; Verhandlungen über

Instrumente zur vorläufigen Anwendung von Teilen

des Protokolls Nr. 14 zur EMRK;

österreichische Delegation

V o r t r a g an den M i n i s t e r r a t

Am Rande der 119. Tagung des Ministerkomitees des Europarates (EuR) am 12. Mai 2009 in Madrid soll eine Konferenz der Vertragsstaaten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) stattfinden, bei der die Voraussetzungen für eine vorläufige Anwendung von Teilen des Protokolls Nr. 14 zur EMRK geschaffen werden sollen.

Österreich ist Vertragsstaat der EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 i.d.g.F., und hat auch Pro­tokoll Nr. 14 bereits am 23. Jänner 2006 ratifiziert. Dieses Protokoll, das Maßnahmen zur Beschleunigung der Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschen­rechte (EGMR) vorsieht, erfordert zu seinem Inkrafttreten die Ratifikation durch alle Vertragsstaaten der EMRK. Die einzige noch ausstehende Ratifikation ist seit gerau­mer Zeit diejenige der Russischen Föderation, und auch in absehbarer Zukunft ist nicht


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 35

mit einer Ratifikation des Protokolls Nr. 14 durch die Russische Föderation zu rechnen. Um die dringend erforderliche Reform des EGMR (derzeit sind beim EGMR mehr als 102.000 Beschwerden anhängig) dennoch durchführen zu können, wurde im Rahmen des EuR überlegt, wie die zentralen verfahrensbeschleunigenden Reformelemente des Protokolls auf andere Weise zur Anwendung gebracht werden können. Diese Elemente sind die Zulässigkeitsentscheidung durch Einzelrichter, sofern diese Entscheidung oh­ne weitere Prüfung eines Falles erfolgen kann, sowie die Entscheidung über die Zuläs­sigkeit und Begründetheit einer Beschwerde durch einen Dreiersenat in Fällen, deren Rechtsfrage bereits durch die etablierte Rechtsprechung des EGMR geklärt wurde.

Für die vorläufige Anwendung von bestimmten verfahrensbeschleunigenden Teilen des Protokolls Nr. 14 nach Art. 25 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK), BGBl. Nr. 40/1980, ist eine diesbezügliche Vereinbarung der Ver­handlungsstaaten des Protokolls Nr. 14 erforderlich. Bei der bevorstehenden Konfe­renz sollen die Rahmenbedingungen für eine vorläufige Anwendung definiert werden. Dabei ist vorgesehen, dass Staaten, die einer vorläufigen Anwendung der Bestim­mungen in den gegen sie anhängigen Beschwerdeverfahren zustimmen, diesbezüglich eine ausdrückliche Erklärung an den Generalsekretär des EuR richten können.

Gleichzeitig soll bei der Konferenz – als weitere Option – auch der Text eines neuen Protokolls zur EMRK („Protokoll 14bis“,) angenommen werden, das dieselben Bestim­mungen des Protokolls Nr. 14 zum Inhalt hat, die auch von den Erklärungen zur vorläu­figen Anwendung nach Art. 25 WVK erfasst sind. Um eine möglichst rasche Anwen­dung dieses Zusatzprotokolls zu ermöglichen, soll für das Inkrafttreten dieses neuen Zusatzprotokolls die Ratifikation durch nur drei Staaten ausreichen.

Diese parallele Vorgangsweise wurde gewählt, um sicherzustellen, dass die schon jah­relange verzögerte Reform des EGMR nicht im Fall des Einspruchs einzelner Staaten gegen eine vorläufige Anwendung nach Art. 25 WVK scheitert.

Für die österreichische Verhandlungsdelegation bei der Konferenz ist folgende Zusam­mensetzung in Aussicht genommen:

Botschafter Dr. Johannes Kyrle                                                  Generalsekretär für auswärtige

Delegationsleiter                                                                  Angelegenheiten, Bundesministerium

                                                                                                            für europäische und internationale

                                                                                                                                               Angelegenheiten

Botschafter Dr. Thomas Hajnoczi                                  Ständiger Vertreter Österreichs beim

stv. Delegationsleiter                                                                                        Europarat in Straßburg

Botschafterin Dr. Ulrike Tilly                                                      Österreichische Botschafterin in

                                                                                                                                                                Spanien

Ministerialrätin Dr. Brigitte Ohms                                   Leiterin des Referates Internationaler

                                                                                                              Menschenrechtsschutz, EMRK-

                                                                                                                          Beschwerden und sonstige

                                                                                                      Angelegenheiten, Bundeskanzleramt

Gesandter Dr. Wolfgang Spadinger                                    Österreichische Botschaft Madrid

Legationsrat Mag. Martin Botta                                                   Abteilung für Menschenrechte,

                                                                                                                      humanitäres Völkerrecht und

                                                                                                                  Volksgruppenangelegenheiten,

                                                                                               Bundesministerium für europäische und

                                                                                                                  internationale Angelegenheiten

1. Botschaftssekretärin Brigitte Pfriemer                          Österreichische Botschaft Madrid


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 36

Die Reise- und Aufenthaltskosten der Delegationsmitglieder werden aus dem Budget des jeweiligen Ressorts bedeckt. Die Beschlüsse der Konferenz haben keine unmittel­baren finanziellen Auswirkungen.

Die geplante Erklärung über die vorläufige Anwendung von bestimmten Teilen des Pro­tokolls Nr. 14 zur EMRK beziehungsweise das geplante neue Protokoll werden gesetz­ändernd bzw. gesetzesergänzend sein und daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 B-VG sowie – im Hinblick auf den Verfassungsrang der EMRK – einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung bedürfen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler stelle ich daher den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung

1. zur Teilnahme an den Beratungen und Beschlussfassungen der Konferenz der Ver­tragsstaaten der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den Leiter der österreichischen Delegation, Botschafter Dr. Johannes Kyrle, und im Fall seiner Verhinderung den stellvertretenden Leiter der österreichischen Delega­tion, Botschafter Dr. Thomas Hajnoczi, zur Unterzeichnung der allfälligen Schlussakte der Konferenz, und

2. zu Verhandlungen über Instrumente zur vorläufigen Anwendung von Teilen des Pro­tokolls Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

zu bevollmächtigen.

Wien, am 28. April 2009

SPINDELEGGER m.p.“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt ist der 32. Bericht der Volksan­waltschaft – 1. Jänner bis 31. Dezember 2008 –, der dem Ausschuss für BürgerInnen­rechte und Petitionen zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Weiters eingelangt ist der Tätigkeitsbericht des Asylgerichtshofes für das Jahr 2008, der dem Ausschuss für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände beziehungsweise die Wahl des Vizepräsidenten und der Vizepräsidentin sowie der Schriftführerinnen und Schrift­führer und der Ordnerinnen und Ordner für das zweite Halbjahr 2009 auf die Tagesord­nung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 37

10.46.571. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 und das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wer­den (204 d.B. sowie 8111/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte.

 


10.47.32

Berichterstatter Christoph Kainz: Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 und das Konsulargebüh­rengesetz 1992 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Es geht im Wesentlichen um eine An­passung aufgrund einer EU-Verordnung. Demnach sollen auch Kinder ein persönliches Reisedokument besitzen. Um Dokumentensicherheit besser zu gewährleisten, sollen auch Pässe von Kindern mit einem Chip ausgestattet sein. In besonders dringlichen Fällen soll auch ein Ein-Tages-Expresspass angeboten werden.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Ju-
ni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich darf Sie ersuchen, sollten Wortmeldungen vorlie­gen, in die Debatte einzugehen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in diese Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


10.48.48

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Maßnahme ist richtig. Wenn man zwei Dinge der widerlichsten Art bekämpfen will, dann ist das eine der Frauenhandel und das andere der Kinderhandel. Ich glaube, es gibt nur mehr wenige Tage die Möglichkeit, dass Kinder in die Pässe eingetragen werden. Das bietet eine Möglichkeit für Missbrauch. Eigene Kinderpässe sind sicherlich eine sehr effiziente und zielorientierte Maßnahme und bieten die Möglichkeit, gegen den Kinderhandel zumin­dest etwas in der Hand zu haben, wobei es etwas fraglich ist, ob ein Pass ab zwölf Jahren zehn Jahre gültig sein soll. Wenn ich meinen Sohn betrachte, dann muss ich sagen, dass er mit 13 und heute mit 21 total unterschiedlich aussieht und daher auf einem Passfoto kaum zu erkennen wäre. Aber gut.

Der Grund dafür, dass eigentlich alle Oppositionsparteien dagegen Sturm gelaufen sind, ist, dass genau in einer Situation, in der es den Familien ohnedies in dieser ange­spannten Wirtschaftslage nicht gut geht ... (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) – Wir haben hier schon ein paar Mal darüber diskutiert, wer denn diese Förderung be­kommt, aber wir können jetzt gerne noch einmal darüber zu reden beginnen. Ich meine aber, das wollen jetzt nicht unbedingt alle erörtert haben, denn jetzt geht es um die Kosten für einen Pass.

Jetzt müssen Kinder praktisch vom Baby-Alter an eigene Pässe haben, und da werden die Preise noch erhöht, obwohl Pässe für Kinder bis zum 12. Lebensjahr mehrfach ausgestellt werden müssen. Die nächste Stufe wäre ja dann logischerweise bereits mit


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 38

zwei Jahren, sozusagen nach dem Baby-Pass. Dass man das auch noch mit einer Er­höhung verbindet, das halten wir für sozial nicht gerechtfertigt, da es ja ohnedies durch die Einführung der Kinder-Pässe innerhalb des Elementarschulzeitrahmens zu mehreren Ausstellungen von Pässen kommt. Da jetzt die Preise auch noch zu erhö­hen, das ist wirklich eine übertriebene Härte! – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

10.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Küh­nel. – Bitte.

 


10.51.25

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schennach hat – obwohl er gegen diesen Gesetzesbeschluss ist – überra­schend kurz gesprochen; eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Und daher werde ich mich auch wesentlich kürzer fassen als ursprünglich geplant; ich habe ja erwartet, dass ich hier irgendwelche weiteren Argumente des Kollegen Schennach zu erwidern hät­te. – Das ist nun nicht der Fall.

Beim Bundesgesetz betreffend Änderung des Paß- und Konsulargebührengesetzes geht es darum, den Grundsatz „eine Person – ein Pass“ durchzusetzen. Das wird al­so jetzt geschehen. Was die Kosten für die Pässe für Kinder betrifft, wird im Innen­ausschuss – bei dem ich zwar nicht anwesend war, aber in der Zwischenzeit habe ich mich informiert – ein Antrag eingebracht, wo es darum geht, zu überlegen – auch im Hinblick auf die Kinderfreundlichkeit dieser Bundesregierung –, ob man in diesem Falle die Kosten nicht nur reduzieren, sondern erlassen könnte, weil eben Kinder öfters einen Pass brauchen. „Normale“ Pässe gelten zehn Jahre, jene für Kinder allerdings nur fünf Jahre.

Das Zweite ist – Kollege Schennach hat das schon erwähnt; ich brauche jetzt nicht nä­her darauf einzugehen –: Es geht hier im weitesten Sinne auch um Kriminalitätsbe­kämpfung, um die Bekämpfung von übelsten Delikten, die sich schlechte Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes, nur erdenken können.

Aus diesem Grund befürwortet meine Fraktion auf jeden Fall, dass dieses Gesetz in Kraft tritt; ein Gesetz, das im Grunde genommen auf eine EU-Richtlinie zurückzuführen ist. Daran erkennt man auch, wie gut die EU arbeitet, dass man eben versucht, im ge­samten EU-Raum zu einer Regelung zu kommen, weil eben im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität eine nur nationale Bekämpfung der Kriminalität nur sehr schwer möglich ist.

Das Nächste ist die Fälschungssicherheit. Diese soll erhöht werden, indem eben auch die Kinder-Pässe einen Chip bekommen. Folgendes muss uns nämlich schon auch klar sein: In gewissen Ländern, vor allem in Ländern, von denen man sagen muss, dass die Staatsgewalt in Mitleidenschaft gezogen ist, werden immer mehr Druckereien eingerichtet, in denen gefälschte Pässe produziert werden.

Was es da alles an Fälschungen gibt, sollte man sich einmal im Bundeskriminalamt an­sehen: geradezu eine „Bibliothek“ an Fälschungen. Und natürlich wird es so sein, dass, wenn diese neuen Pässe kommen, dennoch gewisse kriminelle Gehirne nach Abhilfe suchen werden, indem sie eben auch diese neuen Pässe nachzumachen versuchen werden. Daher sage ich schon jetzt voraus – die Frau Ministerin wird mir da sicherlich zustimmen –, dass wir irgendwann, um dem dann Einhalt gebieten zu können, eine weitere Novelle brauchen werden, denn die Kriminellen sind uns ja sozusagen immer einen Schritt voraus.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 39

Daher sei noch kurz erwähnt, dass es eben auch Staaten ohne Staatsgewalt gibt, und weil es dort keine Staatsgewalt gibt, ist dort die organisierte Kriminalität zu Hause. Wel­che Formen organisierter Kriminalität? – Das kann Piraterie sein, das können aber na­türlich auch Druckereien zur Herstellung gefälschter Pässe sein. Langfristig gesehen wird es daher notwendig sein, diesen Staaten zu helfen. Dabei handelt es sich aber si­cherlich um Projekte, die über Generationen gehen. Und damit eben die Welt im wahrsten Sinne des Wortes sicherer wird, muss auch eine Prävention gegeben sein.

Um wieder zum Thema Pässe zurückzukommen: Fälschungssicherheit muss gegeben sein und damit natürlich entsprechende Trefferquoten bei der Aufklärung von Delikten.

In diesem Sinne wird meine Fraktion diesem Gesetzesbeschluss zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.55


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grim­ling. – Bitte.

 


10.55.43

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Auch ich werde versuchen, es relativ kurz zu machen, möchte aber dennoch ein biss­chen die Genesis dieser Gesetzesänderung darlegen.

Die bereits verabschiedete Novelle zum Paß- und Konsulargebührengesetz, mit der die Fingerprintpässe eingeführt wurden, beruht auf einer entsprechenden Verordnung der EU. Die Fingerabdrücke werden bei den erfassenden Behörden zwei Monate lang ge­speichert und dann gelöscht. Die Produktion der Dokumente übernimmt die Staatsdru­ckerei. Alte Reisepässe bleiben bis zum Ablaufdatum gültig. Das Gesetz regelt auch, wer die digitalen Zertifikate erhält, die es ermöglichen, auf die verschlüsselten Passda­ten auf dem Chip zuzugreifen.

Aufgrund der Änderung dieser EU-Verordnung gilt ab Mitte Juni 2009 der Grundsatz: „eine Person – ein Pass“. Demnach sollen auch Kinder ein persönliches Reisedo­kument besitzen, sodass ihre Identität zuverlässig überprüft und folglich Kinderhandel und Kindesentführung nachhaltig begegnet werden kann.

Um Dokumentensicherheit und Kinderschutz besser gewährleisten zu können, sind auch Pässe für Kinder mit einem elektronischen Datenträger, also einem Chip, auszu­statten. Bei Kindern unter zwölf Jahren sollen allerdings keine Fingerabdrücke gespei­chert werden.

Miteintragungen von Kindern dürfen demnach nicht mehr vorgenommen werden; für bestehende Miteintragungen gibt es eine Übergangsfrist von drei Jahren. In diesem Zeitraum können Kinder, die im Reisepass ihrer Eltern mit eingetragen sind, mit diesen reisen, wenn der Ziel- oder Durchreisestaat nicht ohnehin schon auf den Grundsatz „eine Person – ein Pass“ besteht.

Ferner soll in Ergänzung zu dem bereits jetzt möglichen Expresspass für besonders dringliche Fälle ein Ein-Tages-Expresspass angeboten werden. Dieser wird wie der herkömmliche Expresspass in einem vorgezogenen Verfahren hergestellt und zuge­stellt werden. Mit einem solcherart erstellten Reisepass wird es dem Antragsteller er­möglicht, bereits am nächsten Arbeitstag seinen Reisepass ausgehändigt zu bekom­men. Dies scheint insbesondere deshalb geboten zu sein, weil bestimmte Zielstaaten Notpässe – etwa weil diese über keinen Chip verfügen – bei Einreise nicht mehr ak­zeptieren.

Im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates möchte ich jedoch auf einen Umstand aufmerksam machen, der bereits im Ausschuss


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 40

diskutiert wurde: Es werden zwar auch für Kinder und Jugendliche unter zwölf Jahren Reisepässe mit einem Chip als Sicherheitsmerkmal eingeführt, es fehlen jedoch die flankierenden Bestimmungen im Gebührengesetz 1957, damit bei der Ausstellung eines solchen Passes nicht die Kosten für die Ausstellung eines gewöhnlichen Reise­passes anfallen, sondern eben ein reduzierter Tarif vorgesehen wird.

Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge zwar gegen die vorliegende Novellierung keinen Einspruch erheben, bringe aber gleichzeitig folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Elisabeth Grimling, Mayer, Beer, Dr. Kühnel, Kolleginnen und Kollegen betreffend vergünstigte Reisepässe für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 1: Beschluss des Nationalra­tes vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Paßgesetz 1992 und das Konsulargebührengesetz 1992 geändert werden

Mit dem gegenständlichen Gesetzesbeschluss des Nationalrates werden auch für Kin­der und Jugendliche unter 12 Jahren Reisepässe eingeführt, die mit einem Chip als Si­cherheitsmerkmal versehen sind. Es fehlen jedoch bei diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates flankierende Bestimmungen im Gebührengesetz, damit bei der Ausstel­lung eines solchen Passes nicht die Kosten für die Ausstellung eines gewöhnlichen Reisepasses in der Höhe von beinahe 70 € anfallen.

Die Ausstellung von Reisepässen für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren zu einem vergünstigten Tarif vorzusehen, ist nicht nur eine familienpolitische Maßnahme, sondern auch dahingehend gerechtfertigt, da die Gültigkeitsdauer eines solchen Pas­ses nur fünf Jahre beträgt und nicht zehn Jahre, wie dies bei Erwachsenen der Fall ist.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, umgehend eine No­velle des Gebührengesetzes mit dem in den Erläuterungen dargestellten Ziel vorzube­reiten.

*****

(Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.02


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Der von den Bundesrätinnen und Bundes­räten Grimling, Mayer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend vergünstigte Reisepässe für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren ist ge­nügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Fekter. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 41

11.02.51

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Wir unterstützen selbstverständlich dieses Bemühen, wiewohl ich hier aber auch gleich erwähnen möch­te: Wir werden diesbezüglich selbstverständlich alles vorbereiten, damit das aber rasch und nicht womöglich erst im Herbst beschlossen werden kann, müssen wir, glaube ich, auch ins Auge fassen, ob es nicht eine parlamentarische Initiative dafür geben könnte. Das heißt, ich betrachte den Entschließungsantrag, der sich an die Bundesregierung wendet, nicht als Auftrag zu einer Regierungsvorlage, sondern nur als Auftrag für die Vorbereitungsarbeiten und denke, dass das unter Umständen über einen Initiativantrag des Nationalrates rascher in Ihrem Sinne erledigt werden kann. – Danke. (Bundesrat Konecny: Wir werden das den Kollegen von nebenan ausrichten!)

11.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesrätinnen und Bundesräte Grimling, Mayer, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend vergünstigte Reisepässe für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 234-BR/09.)

11.04.202. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Volks­gruppengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gebührenanspruchsgesetz, das Gerichtliche Ein­bringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz, das Allgemeine Grund­buchsgesetz 1955, das Grundbuchsumstellungsgesetz, die Jurisdiktionsnorm, das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, das Urkundenhinterlegungsge­setz, die Zivilprozessordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessord­nung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Staatsanwaltschaftsgesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Strafvollzugsgesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundeshaushaltsgesetz, das EUROFIMA-Gesetz, das Bundesgesetz über die Refinanzierung von Tätigkeiten der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mit beschränkter Haftung, das Finanzmarktstabilitätsgesetz, das Poststrukturgesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Um­satzsteuergesetz 1994, das Stiftungseingangssteuergesetz, die Bundesabgaben­ordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, das Versicherungssteu-


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 42

ergesetz 1953, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz 1994, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz, das Lebensmittelsicherheits- und Verbrau­cherschutzgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bundes-Seniorengesetz, das Altlastensanie­rungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das KMU-Förderungsgesetz, das Postgesetz 1997, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Öster­reichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Bun­desbahn-Pensionsgesetz, das Luftfahrtsicherheitsgesetz, das Bundesmuseen-Gesetz 2002, das Bundestheaterorganisationsgesetz, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrergesetz 1996, das Gehaltsge­setz 1956 und das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz geändert sowie ein Bundesgesetz zur Teilnahme an internationaler Zahlungsbilanzstabilisierung (Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – ZaBiStaG), ein Bundesgesetz über die Einrichtung und den Betrieb eines Unternehmensserviceportals (Unternehmens­serviceportalgesetz – USPG), ein Bundesgesetz über einen Kassenstrukturfonds für die Gebietskrankenkassen (Krankenkassen-Strukturfondsgesetz), ein Bun­desgesetz betreffend den Verzicht auf Bundesforderungen gegenüber Gebiets­krankenkassen und ein Bundesgesetz, mit dem die Begründung weiterer Vor­belastungen durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nologie genehmigt wird, erlassen werden (Budgetbegleitgesetz 2009) (113 d.B., Zu 113 d.B. und 198 d.B. sowie 8112/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Sodl. Bitte um den Bericht.

 


11.05.00

Berichterstatter Wolfgang Sodl: Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 zum gegen­ständlichen Bundesgesetz liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Juni 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


11.05.14

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Ich habe sie nicht gezählt, aber es sind viele gemeinsame Anträge, die wir unter der Federführung unseres Altpräsidenten Jürgen Weiss immer wieder erörtert und hier alle zusammen beschlossen haben, nämlich: Derartige Post des Nationalrates nicht mehr anzunehmen, mit der uns auf 188 Seiten, quer durch alle Gesetzesmaterien – an die 70 –, ein Sammelgesetz vorgelegt wird, zu dem man „Teufel, friss oder stirb!“ sa­gen muss.

In dieser Legislaturperiode, in der letzten Legislaturperiode und in den Legislaturperio­den davor hat der Bundesrat einstimmig – einstimmig! – seinen Aufschrei erhoben, und


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 43

nun kommen wir zur Karl-Heinz-Grasser’schen Budgetlogik zurück?! Das hat nichts mehr mit Demokratie zu tun, und das hat auch nichts mehr damit zu tun, dass sich der Bundesrat selbst ernst nimmt. Ich war gestern im französischen Senat, und der wird ganz anders ernst genommen, wenn er konkludent in jenen Handlungen bleibt, die er zuerst setzt. Die Nationalversammlung weiß, dass sie sich mit dem Senat in jedem Mo­ment auseinandersetzen muss.

Aber der Nationalrat kann die Post des Bundesrats gern in Empfang nehmen, selbst wenn die Anträge noch so streng formuliert wurden, wie Jürgen Weiss sie formuliert hat, denn der Bundesrat selbst bleibt tatenlos, wenn dem nicht entsprochen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Budgetbegleitgesetz enthält natürlich sinnvolle Dinge, aber es ist ein schrecklicher Wiesengarten: von den Bundesmuseen, vom Volksgruppengesetz, Hilfe für Osteuropa, von den Gefängnissen bis hin zu den Schu­len, alles wird da hineingetan, auch das, was zum Teil überhaupt nichts mit dem Bud­get zu tun hat. Erinnern Sie sich, was wir in der Vergangenheit alles an politischen Ma­terien hineingeschwindelt bekommen haben, weil man sich damit eines der wichtigsten Dinge entledigt hat, nämlich der Begutachtung! Mit dem Budgetbegleitgesetz entfällt genau diese Begutachtung; etwas, das zum Beispiel die Kollegen von der sozialdemo­kratischen Fraktion an den schwarz-blauen und schwarz-orangen Regierungen so hef­tig kritisiert haben; sie haben in diesem Zusammenhang sogar Dringliche Anfragen noch und nöcher gestellt. – Jetzt geschieht das in Ihrer Verantwortung genauso!

Zum Budgetbegleitgesetz fällt mir ein Fluch der Chinesen ein, und dieser chinesische Fluch lautet: Du mögest in interessanten Zeiten leben! – Ja, das ist ein Fluch. Die Chi­nesen sind höflich, somit fallen auch Flüche höflich aus; Flüche, die im Chinesischen allerdings einer Verwünschung gleichkommen.

Die Zeiten, in denen wir derzeit leben, die Zeiten nach Lehman Brothers, sind in der Tat interessant. „The Economist“ hat unlängst getitelt: „Three trillion dollars later ...“ – Zitatende.

Es ist interessant, wofür man eigentlich in kollektiver Anstrengung Geld aufbringen kann, ohne dabei zugrunde zu gehen. Allerdings stellt sich natürlich auch die Frage, wer das zu bezahlen hat. Letztlich bezahlen es all jene, die Steuern zahlen. Die einzel­nen Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen und Wirtschaftstreibenden werden das zu bezahlen haben. (Bundesrat Mag. Klug: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer auch!) Das habe ich gerade gesagt, das waren die ersten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehören zu jenen, die Steuern zahlen, Sozialabgaben zahlen; etwas mehr Sozialabgaben als Steuern.

Das Budgetdefizit, das im Jahr 2013 auf 250 Milliarden € geschätzt wird, geht davon aus – und das ist ein Risiko, das der Herr Finanzminister eingeht –, dass wir 4 Prozent Zinsen haben. Im Augenblick muss man sagen, das ist eine sehr gewagte These die­ses Budgets, denn bereits jetzt sehen wir, dass die Zinsen steigen. Wir haben eine Si­multanität der Rezession. Das heißt, wir haben überall einen noch nie erlebten staatli­chen Kapitalnachfragebedarf, und die OECD sagt selbst, im Jahr 2009 werden die Zin­sen um ein Drittel höher sein als im Jahr 2007. Wenn wir diese Entwicklung an­schauen, dann stehen wir im Jahr 2013 nicht bei besagten 250 Milliarden € – eben ausgehend von 4 Prozent Zinsen –, sondern dann wird – weil ja das Geld, das wir jetzt ausborgen, auch zurückbezahlt werden muss; und das ist eine sehr spannende Frage, die nachfolgende Regierungen zu klären haben werden – die Rückzahlung nicht 10 Milliarden ausmachen, sondern, wenn wir davon ausgehen, dass es möglicherweise 5 Prozent Zinsen sind, dann liegt die Summe schon fast bei 13 Milliarden, und das bei diesem Gesamthaushalt. Das bedeutet, dass wir eigentlich ganz heftige Einschnitte haben.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 44

Als Beispiel nehme ich jetzt einmal by the way zwei Bereiche her, die ich sehr gut ken­ne, zum einen etwa die Entwicklungszusammenarbeit. Wenn wir hier bei Rückzahlun­gen von den gleichen Ansätzen ausgehen, dann fragt man sich: Wo werden die für die Zinszahlungen notwendigen Gelder, da wir auch hier solche Bereiche in der Finanz­rückzahlung haben, denn herkommen? – Von den Zielen, denen wir uns alle verpflich­tet haben, sind wir weit entfernt. Eine Delegation unter der Leitung der Frau Parla­mentspräsidentin war bei einer Konferenz in Afrika. Die Auswirkungen dieser Wirt­schaftskrise zeigen sich vor allem in den ärmsten, insbesondere den afrikanischen Ländern. Auch sogenannte Pyramidenspiele, die es im Norden, in der industrialisierten Welt gegeben hat, haben verheerende Auswirkungen auf jene, denen gegenüber wir uns alle verpflichtet haben. Wenn dann auch noch die Budgetzahlen dramatisch dahin­schmelzen, ist das eine Katastrophe.

Gleiches gilt in der Kultur. Im Wesentlichen sind alle Kulturbudgets seit sechs, sieben Jahren eingefroren, und bei der Rezession und bei den Kosten sind die heutigen Bud­gets nicht einmal mehr beim Ansatz von 1999 – bei gleichzeitig steigenden Personal­kosten.

Kommen wir zum vorliegenden Budgetbegleitgesetz, das wirklich eine absolute – ich unterstreiche das drei Mal – Unsitte auf 188 Seiten ist. Was kommt denn da zur Hinter­tür herein? – Wir haben eine totale Krise im Justizbereich. Eine totale Krise! Es fehlt in diesem Bereich an Vereinfachungen, Umstrukturierungen, Personal, Flexibilisierung. – Jetzt, über dieses Budgetbegleitgesetz, beschließen Sie, die Sie heute hier die Mehr­heit geben, Gebührenerhöhungen. Das ist für mich so wie: Loch auf, Loch zu! Irgend­wie wird herumgedoktert, um irgendwie diese blubbernden Dinge halbwegs in den Griff zu bekommen.

Psychosoziale Prozessbegleitung? – Bei diesem Budget gibt es das irgendwo auf einem Papier, aber nicht in der Realität. – Ein Punkt.

Das andere – und dagegen sind alle Sturm gelaufen – sind die Sachwalter. Alle haben gemeint: Was ist denn das für ein Unfug, der durch dieses Budgetbegleitgesetz herein­geschneit kommt? In Fällen, in denen es um Sachwalterschaft geht, gibt es dreimal so hohe Gerichtsgebühren, aber man kann Anträge stellen – als ob die Justiz personell nicht ohnehin schon am Plafonds angelangt wäre –, die dann abgearbeitet werden, um zu der Erkenntnis zu kommen: befreit! Ich habe nicht gehört, dass es der Justiz an Ar­beit mangelt! Wir warten derzeit monatelang auf Urteilsausstellungen. Die Diakonie, die Caritas, die Volkshilfe, sie alle schreien. – Also ich weiß nicht. Es kann ja nicht sein, dass das die Tat eines rabiaten Einzelbeamten war – die soll es im Staatsdienst ja gar nicht geben –, das Ganze ist auf jeden Fall ein Unfug.

Das Nächste, weil ein Kollege von der SPÖ, der ja ein Spezialist für den Bildungs­bereich ist, lacht: Diese Stundung der Mieten im Schulbereich an die BIG, die dann ja nur als unfassbare Keule zurückkommen, ist nichts anderes als ein Budgetschwindel.

Die nächste kleine Überraschung – immer interessant für die Opposition, aber auch für die Sozialdemokraten war das acht Jahre lang voll interessant, diese Budgetbegleitge­setze zu lesen; jetzt vielleicht nicht mehr so interessant –: Plötzlich sind die 10 Milliar­den Osteuropahilfe darin verpackt. Die EU war ein bisschen taub, also kommt das jetzt dort hinein. Immerhin haben die österreichischen Banken im Jahr 2008 8 Milliarden aus Osteuropa an Gewinn verzeichnet. Jetzt kommen halt auch einmal Zeiten, in denen man auch etwas von diesen Gewinnen zurückgeben muss. Ich verstehe schon, dass eine Absicherung notwendig ist, aber, bitte, doch nicht über ein Budgetbegleitgesetz, doch nicht über das Instrument einer geschwindelten Abstützung, noch dazu in der Hö­he dessen, was wir in einem Jahr an Gesamtzinsbelastung in Österreich zurückzahlen! Das, was wir in einem Jahr zurückzahlen, schwindeln Sie einfach in ein Budgetbegleit­gesetz?! Jeder fragt sich, wie wir die allgemeine Zinsenlast bewältigen können.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 45

Es gibt Dinge im Budgetbegleitgesetz – und jetzt darf ich mich direkt an Herrn Staats­sekretär Ostermayer wenden –, die ich auch selbst immer gefordert habe, und ich bin auch froh darüber, aber ein ordentliches Mediengesetz, Herr Staatssekretär, sieht an­ders aus als das, was man in einem Budgetbegleitgesetz versteckt.

Ja, es ist super. Die Freien, Nichtkommerziellen bekommen jetzt einen Förderansatz. Ich habe immer gefordert: In einem kleinflächigen Land mit den sich daraus ergeben­den Marktgegebenheiten müssen auch die privaten Sender eine Förderung bekom­men. – Warum aber kann man das nicht ordentlich machen? Warum versteckt man das in einem Budgetbegleitgesetz?

Bei dieser Gelegenheit: Dort – das hat die Sozialdemokratie übrigens immer gefor­dert –, dort, wo Sie einen Auftrag gegeben haben, nämlich Österreicherinnen und Ös­terreicher aufgrund ihrer sozialen Lage von den Gebühren des ORF zu befreien – das ist eine Bestellung, die Sie aufgegeben haben –, bezahlt der Staat nicht mehr. Das heißt, Sie bestellen eine Gebührenbefreiung von einer Stiftung, und wenn die Stiftung dann so und so vielen Menschen das von Ihnen bestellte Produkt liefert – ohne Rech­nung –, bezahlt derjenige, der bestellt hat, die Rechnung nicht, weil er meint, das sei eine politische Frage, er bezahle nicht. – Ich halte das in der Situation, in der sich das wichtigste Medienunternehmen dieses Landes befindet, für fahrlässig.

Die Umschichtungen, die Sie vorgenommen haben, sind in Ordnung, aber generell kann man sagen: Wenn alle Fraktionen dem treu sind, was sie hier in Treu und Glau­ben mehrfach und immer wieder beschlossen haben, so müssten sie heute, so wie wir es tun, dieses Budgetbegleitgesetz an den Absender zurückschicken. (Beifall der Bun­desräte Dönmez, Kerschbaum, Mag. Ebner und Mitterer.)

11.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile ihm dieses.

 


11.20.03

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das Bud­getbegleitgesetz beraten und schlussendlich auch beschließen, implementieren wir da­mit die Bundesbudgets für 2009 und 2010 in eine große Zahl von Bundesgesetzen. Diese Budgets sind die in Zahlen gegossene Politik. In ihnen schlägt sich die dahinter­stehende Wertehaltung nieder, und auch, wie die soziale Verantwortung gegenüber Familien, Behinderten, älteren Menschen oder Pflegebedürftigen wahrgenommen wird. Es schlägt sich in diesen Budgets auch nieder, wie wir mit der Zukunft unseres Landes umgehen – mit der Ausbildung unserer Kinder und mit Forschung und Entwicklung als Grundlage für die Arbeitsplätze von morgen –, zum Beispiel ob wir in Infrastruktur in­vestieren.

Diesmal hat das auch eine ganz andere Dimension, weil sich auch die Frage stellt, wie wir in einer Zeit, in der Hunderte und Tausende Betriebe um ihre Existenz ringen und in der Abertausende Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren oder zu verlieren drohen, mit dieser Wirtschaftskrise umgehen. – Ich darf später auch noch auf das zurückkommen, was mein Vorredner Kollege Stefan Schennach diesbezüglich gesagt hat.

Ich glaube, dass da eine Politik gemacht wird, in der ein hohes Maß an Verantwortung und sehr viel Augenmaß, vor allem aber auch Entschlossenheit an den Tag gelegt wird, eine Politik, die mit dem richtigen Mix von Maßnahmen auf die größte wirtschafts­politische Herausforderung der letzten achtzig Jahre reagiert.

Sehr wichtig ist auch, dass ein großer Teil der Maßnahmen, die man angesichts der großen und internationalen Bedrohung auch als „Feuerwehrmaßnahmen“ bezeichnen


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 46

kann, so angelegt ist, dass wir die Chance haben, gestärkt aus dieser Krise hervorzu­gehen, da wir nicht nur die Konjunktur stärken und den Wirtschaftskreislauf ankurbeln, sondern gleichzeitig auch zukunftsorientiert investieren.

Respekt also vor dem, was hier vorgelegt worden ist. Es wird konsequent und punkt­genau auf das eingegangen, was die schwierige wirtschaftliche Lage erfordert, und das wird sehr zielstrebig und rasch umgesetzt. Was war die Herausforderung? – Die He­rausforderung war und ist, gleichzeitig Gas zu geben – für die Arbeitsplatzsicherung, für die Stabilisierung der Wirtschaft, für die Sicherung der Spareinlagen, für die Steige­rung der Kaufkraft – und zu bremsen – für die Zukunft, damit die Schulden zu bewälti­gen sind.

Darum war ich jetzt schon ein bisschen erstaunt über das, was mein Vorredner hier präsentiert hat. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Grünen in den Jahren nach 2000, in denen man versucht hat, die Budgets zu sanieren und eine Ausgangsla­ge zu schaffen, mit der wir die Zukunft bestmöglich bewältigen können, mitgestimmt haben. (Bundesrat Schennach: Die SPÖ aber auch nicht!) Da haben wir ungeheure Auseinandersetzungen ausgefochten.

Was sagt Schennach jetzt mit seinen Äußerungen zu diesem Thema? Sagt er damit, wir sollen in dieser Krise nicht gegensteuern? Er sagt, wir sollen keine höheren Zins­zahlungen für die Zukunft riskieren. Was sagt er damit? Wenn wir dann in den Jah-
ren 2011, 2012, 2013 wieder darüber reden – und das wird das Nächste sein  (Der Redner deutet auf Bundesrat Schennach, der in
der letzten Reihe auf einem der Besu­chersessel sitzt.) – Jetzt habe ich schon geglaubt, Sie sind hinausgegangen, aber Sie sind ja ein aufmerksamer Zuhörer! (Bundesrat Schennach: Nein, ich habe ! Ich bin ein aufmerksamer Zuhörer! Bundesrat Konecny: Dann darfst du aber nicht zurückre­den von da hinten!) Wenn in den Jahren 2011, 2012, 2013 wieder der Konsolidierungs­kurs angesagt sein wird – und das kommt wie das Amen im Gebet –, wie werden sich die Grünen dann verhalten? Sie haben ja heute schon gesagt, was dann sein wird.

Sie haben jetzt schon Hinweise auf das Kulturbudget gegeben und so weiter. Wir wer­den sparen müssen, und es wird wehtun, wenn wir sparen müssen (Bundesrat Schen­nach: Bei den Banken!), und Sie werden mit uns hoffentlich das mittragen, was not­wendig ist, damit das alles nicht auf die Rücken unserer Kinder abgewälzt wird.

Ich wollte das eigentlich gar nicht verwenden, aber vor zwei Tagen ist in der „Kronen Zeitung“ Folgendes gestanden – das muss jetzt nicht überbewertet werden, aber das ist ein bisschen ein Ausdruck dessen, wie die Allgemeinheit, die Öffentlichkeit diese Debatte wahrnimmt –, ich darf zitieren:

„Die rot-schwarze Regierung versucht nun gegenzusteuern, doch das ist, weil die Krise eben global ist, gar nicht so leicht. Leicht macht es sich hingegen die grün-blau-orange Opposition“ – da sind Sie in einer schönen Gemeinschaft (Bundesrat Schennach: Re­genbogen!) –, die „selber aber nicht einmal ansatzweise ein Rezept“ haben, „wie man gegensteuern könnte“, weil das sehr schwierig ist und weil dieses Rezept international ja noch niemand gefunden hat. (Bundesrat Schennach: Bauernbundzeitung, oder was ist das? Bundesrat Dönmez: „In den Wind gereimt“? Heiterkeit der Bundesrätin Kerschbaum sowie bei Bundesräten der SPÖ.) Ich werde den Grünen, glaube ich, kein Abonnement der „Kronen Zeitung“ spendieren müssen, sondern Sie werden das selber finden können.

Aber zurück zur Sache: Wir werden das zurückzahlen müssen, wir können das nicht unseren Kindern aufbürden. Ich sage es Ihnen ganz offen: Wenn ich lese, dass in den USA, um die Lage zu stabilisieren, in einem Jahr 13 Prozent der gesamten Wirtschafts­leistung an Neuverschuldung eingegangen wird, dann sage ich, es lebe der Unter­schied zu dem, was wir hier an Budgetvorlage haben, denn es übersteigt wirklich mei-


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ne Vorstellungsgabe von politischer Verantwortung, wenn ich mir ausmale, wie das in der Zukunft bewältigt werden kann. Das ist eine unglaubliche Hypothek, die da für die Zukunft aufgenommen wird, in einer nie da gewesenen Dimension, und wenn wir nur ein Drittel davon an Abgängen produzieren, dann, glaube ich, hat man das richtige Augenmaß gefunden, um den notwendigen Beitrag zur Bewältigung der Zukunft zu leisten.

Zurück zu den Budgetbegleitgesetzen und zur Grundsatzdebatte, die ich hier führen möchte. Ich möchte ganz bewusst auf die soziale Dimension dieser Politik eingehen. Österreich hat in Summe eine Sozialquote von in etwa plus/minus 30 Prozent. Das al­leine besagt, auf welchem Niveau wir hier Maßnahmen diskutieren. Nur ganz wenige Zahlen: Nach dieser Steuerreform zahlen 2,7 Millionen Menschen keine Steuern. Das heißt also, auf jeden, der Steuern zahlt, kommt einer, der keine Steuern zahlt. Wir ge­ben im Jahr 2009 für den Arbeitsmarkt 5,8 Milliarden € aus und für die Pensionen 8,4 Milliarden €. Wir valorisieren jetzt das Pflegegeld mit durchschnittlich 5 Prozent – plus 182 Millionen € für das Jahr 2009. Wir geben 500 Millionen € zusätzlich für die Kinder, für die Familien aus. – Das ist in Zahlen gegossene soziale Verantwortung, die wir hier mit diesen Gesetzen diskutieren und dann auch beschließen!

Das alles – ich habe schon darauf hingewiesen – kommt nicht von ungefähr. Wir haben hier in diesem Haus auch im Nationalrat in den Jahren nach 2000 in der Frage der Budgetsanierung harte Debatten ausgetragen. Ich erinnere an die Pensionsreform, an die Polizeireform, die heute auch schon wieder diskutiert worden ist, an die Universi­tätsreform, vor allem aber auch an die Budgetsanierung, auch an die ÖBB-Reform – da wäre in Zukunft noch einiges vorstellbar, da müssen wir noch einiges tun.

Heute sagen wir, Gott sei Dank waren wir in der Lage, diese Konflikte zu führen, denn auf Dauer kann nur der sozial sein, der es sich leisten kann, und jeder Euro – da sind wir wiederum mit Herrn Kollegen Schennach einer Meinung –, der in Zinsen geht, fehlt bei den Sozial- und Zukunftsbudgets. Wir sind mit den derzeit geplanten Maßnahmen also gut beraten. Wir haben heute, so glaube ich, eine solide Ausgangslage. Wir sind das drittreichste Land Europas. Wir haben eine Steuerquote, die im Laufe der Jahre auf etwa 41 Prozent heruntergedrückt worden ist. Sie steigt jetzt wieder an, weil es not­wendig ist, aber wir haben jetzt in dieser Situation darstellbare Budgets, wir haben dar­stellbare Krisenprogramme, und ich glaube, wir sind in Summe auf einem guten Kurs, den wir hier nur unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir sind also gut beraten, auch jetzt schon alles zu tun, um die Grundlagen für die Zeit des Wirtschaftsaufschwunges zu legen, jetzt schon die Konsolidierung für die Phase danach einzuleiten, jetzt Geld auszugeben, aber auch jetzt schon zu wissen, wie wir mit den Schulden umgehen. Ich bin ganz besonders froh darüber und auch ein biss­chen stolz darauf, dass die zukunftsorientierten Aufgabenpositionen Bildung und Schu­le, aber vor allem auch Forschung und Entwicklung sehr gut dotiert sind.

Ich weiß, wir haben jahrelang darum gekämpft, dass wir die Forschungs- und Entwick­lungsquote auf den Zielwert von 3 Prozent bringen. In diesen Budgets sind wir erstmals dort angelangt. Das ist, glaube ich, eines der besten Dinge, die man zu diesem Budget sagen kann. Das ist das High Tech von morgen, das sind die Arbeitsplätze von mor­gen, das ist der Wohlstand von morgen und – noch viel wichtiger – das sind die Steuer­einnahmen von morgen, mit denen wir die Schulden und die Zinsen abbezahlen, die wir heute – in Wahrnehmung unserer politischen Verantwortung – aufnehmen.

Man könnte jetzt noch viele Details nennen, aber ich werde Ihnen das ersparen. Ent­scheidend ist, so glaube ich, die große Linie. Wir haben in den letzten Jahren unsere Basis entscheidend verbessern können – wir stehen im europäischen Vergleich ein-


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fach deutlich besser da –, wir haben in der Krise mit ruhiger Hand, aber auch ent­schlossen, sozial und zukunftsorientiert gehandelt, und wir konzipieren jetzt schon die Zeit danach, wir versuchen die Grundlagen für den nächsten Aufschwung zu legen.

Diese beiden Budgets und deren Umsetzung, die wir mit dem Budgetbegleitgesetz heute debattieren, sind eine stabile Grundlage für die Bewältigung der Herausforderun­gen der Gegenwart und der Zukunft, und wir werden sie mit voller Überzeugung mittra­gen und unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.31


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth zu Wort. – Bitte.

 


11.31.15

Bundesrätin Monika Mühlwerth (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Kollege Keuschnigg, Sie haben gesagt, dass die Regierung Gas geben musste. Dazu darf ich anmerken, dass wir auf das Budget – in einer Krisenzeit – schon relativ lange warten mussten. Die Kritik der Opposition, nicht nur der FPÖ, war ja auch, dass es ein Doppel­budget gibt, obwohl man überhaupt nicht weiß, wie sich die Krise weiterentwickeln wird. Da gibt es diverse Prognosen, aber diese sind immer schon am nächsten Tag Geschichte geworden, und Sie sind bei dem Budget von einer Prognose ausgegangen, in der mit etwa 2 Prozent Konjunktureinbruch gerechnet wurde.

Heute haben die Oesterreichische Nationalbank und auch die EZB gesagt, dass es für Österreich 4,2 Prozent sein werden, Tendenz steigend. Das heißt, dass die Zahlen – und damit auch das Budgetbegleitgesetz – eigentlich schon jetzt nicht stimmen, und da hat das Budget noch nicht einmal alle Ebenen des Parlaments durchlaufen.

In Österreich lebt 1 Million Menschen an der Armutsgrenze. Die viel gepriesene Steu­erreform – die wir ja Tarifanpassung genannt haben – gibt den Menschen zwar ein bisschen etwas, hat aber nicht das gebracht, was diese eigentlich bräuchten, und wird sie keinesfalls aus der Armutsfalle herausholen. Stattdessen hat schon vor der Erstel­lung des Budgets und seiner Begleitgesetze eine Diskussion über neue Steuern statt­gefunden, nämlich über die Vermögensteuer. Angezettelt wurde sie vom sozialdemo­kratischen Landeshauptmann der Steiermark, der diese Diskussion völlig unnötigerwei­se vom Zaun gebrochen hat, und pikanterweise hat sich dann herausgestellt, dass jene steiermärkische SPÖ ihr Geld sehr wohl steuerschonend in einer Stiftung unterge­bracht hat, die übrigens auch ein Sozialdemokrat – nämlich Ferdinand Lacina – nicht ganz ohne Grund gegründet hat. (Bundesrat Dönmez: Auch Oberösterreich!)

Auch Oberösterreich ist da ganz gut unterwegs. Wie wir aus einer Anfragebeantwor­tung wissen, hat der Heimbauverein seit 1996 1,8 Millionen € an Förderungen bekom­men. Der Heimbauverein gehört wiederum zu einer sozialdemokratischen Stiftung na­mens L 36, die, wie aus der „Presse“ vom 2. Mai hervorgeht, aber kein gemeinnütziger Verein ist, sondern ein auf Gewinnmaximierung ausgerichteter. Das heißt, da lassen sich jene Teile der SPÖ, die so groß für die Vermögensteuer plädieren, vom Steuer­zahler auch noch ihre Gewinnmaximierung bezahlen. Das ist schon ein sehr starkes Stück, vor allem, wenn man diese Gewinnmaximierer immer wieder als Heuschrecken bezeichnet – wo ich Ihnen ja recht gebe, aber wenn man mit dem Finger auf die ande­ren zeigt, muss man vielleicht zur Abwechslung auch einmal bei sich selbst anfangen.

Es ist heute schon gesagt worden, dass wir die Schulden, die wir jetzt machen – und es bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, da bin ich ja ganz bei Ihnen –, irgendwann mit Zins und Zinseszins zurückzahlen werden, und da ist uns der Finanzminister bis­lang die Antwort schuldig geblieben, wie er das zu tun gedenkt. Ich sage Ihnen gleich,


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 49

über neue Steuern wird es ganz sicher nicht mehr gehen, denn wir haben jahrzehnte­lang erlebt, dass der Mittelstand ausgepresst worden ist wie eine Zitrone und jedes Mal herhalten musste, weil er die Menge ausgemacht hat. Das heißt, dass wir sparen wer­den müssen, auch bei uns selbst.

Vielleicht wird man sich doch einmal über eine Verwaltungsreform Gedanken machen, bei der sich dann nicht wieder die Besitzstandwahrer von ÖVP und SPÖ – je nachdem, um welches Bundesland es sich handelt – sofort einbunkern und sagen: Bei mir wird ganz sicher nicht angefangen! Auch in einer Länderkammer muss gesagt werden – bei aller Befürwortung des Föderalismus und obwohl wir dazu stehen, dass die Politik möglichst nahe am Bürger sein soll –: Man muss natürlich auch von den Ländern ein­fordern, dass sie bei sich sparen und anfangen, zum Beispiel Doppelgleisigkeiten und Parallelitäten abzubauen.

Da können wir uns am besten gleich die leidige Diskussion um die Krankenkassen an­schauen, das Krankenkassenpaket. Da wäre eine Gesetzesnovelle förderlich gewesen, jetzt findet es sich versteckt im Budgetbegleitgesetz. Natürlich ist die Wiener Gebiets­krankenkasse diejenige, die die meisten Schulden hat.

Seit 1999 – also nicht die von Ihnen immer als so schlimm dargestellte blau-schwarz-orange Regierung hat das gemacht, sondern seit 1999, also Rot-Schwarz! – hat
die Wie­ner Gebietskrankenkasse ein negatives Betriebsergebnis gehabt. (Bundesrat Mag. 
Klug: Das wart’s eh ihr! Rechnungshof! Keine Ahnung!)

Es ist schon klar, dass Wien als Metropole ein wenig andere Aufgaben als beispiels­weise Oberösterreich oder Vorarlberg hat, weil Teile Niederösterreichs und auch des nördlichen Burgenlandes mitversorgt werden und weil die Metropole immer ein größe­rer Anziehungspunkt ist und sich dort daher auch mehr tut. Das ist schon klar, aber der Rechnungshof hat in seinen Prüfberichten jedes Mal darauf hingewiesen (Bundesrat Mag. Klug: Ja?), dass ungeachtet der Unterschiedlichkeiten, die zweifellos gegeben sind – trotzdem der Verwaltungsaufwand der Wiener Gebietskrankenkasse enorm ge­stiegen ist, obwohl sie zum Beispiel 15 Jahre davor besser war als die Oberösterrei­chische, nur hat sich die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse die Kritik des Rechnungshofes offensichtlich ein bisschen zu Herzen genommen und war dadurch in der Lage, Reformen umzusetzen.

Der Rechnungshof sagt auch, dass ein Sanierungskonzept der Krankenkassen kurz-, lang- und mittelfristig völlig fehlt! (Bundesrat Mag. Klug: Im Rechnungshofbericht ist mehr gestanden!) Im Rechnungshofbericht können Sie  (Bundesrat Konecny: Keine Halbsätze! Bundesrat Mag. Klug: Nur halbe Sätze noch weniger!) Ich kann ja nicht den ganzen Rechnungshofbericht vorlesen, das ist nicht der Sinn der Sache, aber im Rechnungshofbericht kann man das ganz genau  (Bundesrat Konecny: Sie ha­ben keine Ahnung, worüber Sie reden!) Der Rechnungshof hat dann auch keine Ah­nung, oder wie? Der weiß es auch nicht? (Bundesrat Konecny: Nein, der hat eine Ah­nung, aber über diese 3 Promille seines Textes zu zitieren hinaus!)

Trotzdem ist die Quintessenz des Rechnungshofberichtes eine Auflistung, wo gespart werden kann: bei der Kostenrückerstattung und auch bei den Verwaltungsaufwendun­gen. (Bundesrat Konecny: Da steht mehr drinnen!) Das listet er absolut alles auf, und es nützt Ihnen nichts, wenn Sie das jetzt hier in der üblichen Weise – die Opposition habe sowieso keine Ahnung, das stimme alles nicht – bestreiten. Das ist ja Ihr übliches Credo, zu mehr reicht es ja offensichtlich nicht. (Bundesrat Mag. Klug: Frau Kollegin, was sagt der Rechnungshofbericht zu den Finanzen?)

Sie haben sich ja mittels eines Reformpaketes selber verordnet, dass die Kranken­kassen nur dann Geld bekommen (Bundesrat Mag. Klug: Ja!), wenn sie sich selbst Reformen verordnen. (Bundesrat Mag. Klug: Da gibt es ja eine Vereinbarung!)


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 50

Ich weiß, dass der Termin der 30. Juni ist, aber bis jetzt ist trotzdem weit und breit nichts davon zu sehen. (Bundesrat Schennach: Sonst würde der Kneifel ja auch nicht dagegen stimmen heute!) Ich sage jedoch auch, dass ein Gesundheitssystem ein Soli­darsystem ist (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl), das Arm und Krank und Reich und Gesund solidarisch macht, und daher müssen auch die Krankenkassen zueinander in gewisser Weise solidarisch sein. Es wird nichts nützen, wenn Oberösterreich und Vor­arlberg sagen: Wir lassen die Leute in Wien im Stich!, denn kippt eines, kippt das gan­ze System, und daher zeigt sich auch, wie berechtigt unsere Forderung nach der Zu­sammenlegung der Krankenkassen war und ist!

Tatsache ist, es wird uns nichts anderes übrig bleiben, wenn diese Krise irgendwann einmal ausgestanden sein wird, als dass wir auch sparen werden müssen. Es wird tiefe Einschnitte geben, und da haben sich auch schon einige jetzt im Budgetbegleitgesetz versteckt. Das ist das, was Kollege Schennach schon angesprochen hat: die Gerichts­gebühren und die Antragsgebühren.

Und da sage ich Ihnen schon: In diesen Krisenzeiten, wo so viele Menschen von Kurz­arbeit bedroht sind oder schon in Kurzarbeit sind, von Arbeitslosigkeit bedroht sind oder schon in Arbeitslosigkeit sind, fassen Sie wieder bei den Familien hin! Dort greifen Sie zu! Antrag auf Besuchsrecht: 220 €! Und das bei Familien – oder was von diesen Familien noch übrig geblieben ist im Falle einer Scheidung –, die ohnehin hinten und vorne kein Geld mehr haben. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Da gehen Sie her und sagen: Denen nehmen wir jetzt auch noch 220 € weg, damit sie ihre Kinder oder ihre Enkelkinder sehen können! – Da frage ich Sie von der SPÖ schon: Das ist Ihre soziale Wärme? Und an die ÖVP gerichtet: Das ist eure Familien­politik? Das ist schon ein jämmerliches Erscheinungsbild einer Regierung, die sich im­mer damit brüstet, was sie nicht alles für die Familien tut.

Es ist hier genau das, was ich schon bei der Steuerreform gesagt habe, eingetreten: Sie stecken es den Leuten in die eine Tasche – und aus der anderen nehmen Sie es ihnen wieder doppelt und dreifach heraus.

Dieses Budget und seine Begleitgesetze sind kein Ruhmesblatt für Sie, und damit wer­den Sie sich ganz sicher kein Denkmal setzen! (Beifall bei Bundesräten ohne Frak­tionszugehörigkeit.)

11.41


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

 


11.41.31

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Ich befinde mich in einem hohen Zustand der Gefährdung. (Heiterkeit.) Auf diese Rede mit Vokabeln zu antworten, die unterhalb der Schwelle des Ordnungsrufes liegen, ist tatsächlich ziemlich schwierig. Ich werde daher versuchen, es theologisch anzuge­hen – mit Ihrer Erlaubnis, Kollege Schnider.

Ich bin ja nun nicht wirklich ein Experte für katholische Sakramente – das gebe ich frei­mütig zu; das habe ich auch nie behauptet –, aber ich habe mit großem Interesse ge­lesen, Frau Kollegin Mühlwerth, dass Ihr Parteiobmann das Sakrament der Firmung nachzuholen im Begriffe ist. Ich habe das sicherheitshalber auf kirchenweb.at nach­geschaut, damit ich hier keinen Blödsinn sage.

„Wir Christen“, heißt es hier, „feiern das ,Erwachsenwerden‘ mit der Firmung“. (Heiter­keit bei der SPÖ.)

Falls das beim Kollegen Strache etwas nützt, würde ich Ihnen denselben Weg vor­schlagen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrat Gruber: Da hat der Heilige Geist viel Platz!) – Das ist die eine Feststellung.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 51

Beim Kollegen Schennach mag ja eine gewisse Rest-Sympathie eine Rolle spielen, aber bitte, in diesem Budgetbegleitgesetz ist nichts versteckt und nichts hinein ge­schwindelt. Es ist, wie jedes Budgetbegleitgesetz, eine umfassende Auflistung von Ge­setzesbestimmungen, die mit soeben zum Beschluss vorliegenden – nicht bei uns, aber im Nationalrat – Ausgaben- oder Einnahmenansätzen in engem Zusammenhang stehen.

Ich glaube, man sollte eine solche Diskussion ernst und sachlich führen. Das fällt mir wieder einmal schwer, aber ich muss hier noch einmal die FPÖ zitieren (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, müssen tun Sie nicht!) – nicht Sie, Frau Kollegin Mühlwerth, aber es gibt gewisse Dinge, wo einem die Fassungslosigkeit den Schweiß auf die Stirne treibt.

In der ersten Lesung des Bundesfinanzgesetzes hat der nunmehr Abgeordnete zum Nationalrat – manche werden es noch wissen: vormalige Bundesrat – DDr. Werner Kö­nigshofer von der FPÖ zum selben Thema, das den Kollegen Schennach so aufgeregt hat, nämlich zu den Gerichtsgebühren, einen wirklich überzeugenden Einsparungs­vorschlag gemacht. Er hat mitgeteilt, dass die Dolmetschkosten in Österreich im Bud­get jährlich 6,6 Millionen € betragen. Und – ich zitiere – dann gibt es auch noch die Kosten für die Telefonüberwachung. Das wissen ja die meisten gar nicht, sagte der DDr., dass ausländische Drogendealer, die hier tätig werden, telefonüberwacht wer­den. – Und das kostet natürlich Gebühren.

Und dann kam der Einsparungsvorschlag: Die Dolmetscher werden doch für Ausländer gebraucht, meinte er, und wer sich den Dolmetsch nicht leisten kann, der soll eben da­rauf verzichten! – Das heißt, wir werden in Zukunft tschetschenische Banden, die sich telefonisch, und das gemeinerweise auf Tschetschenisch, zu einem Einbruch verabre­den, vorher anrufen und sagen: Bitte, wir würden Sie gerne telefonisch überwachen, nachdem Sie Gauner aber nur Tschetschenisch reden, übernehmen Sie bitte die Dol­metschkosten dafür? (Heiterkeit. – Bundesrätin Mühlwerth: So hat er das nicht ge­meint, und das wissen Sie auch!)

Das sind die Einsparungsvorschläge der FPÖ! Bitte, ich lasse den Kollegen Königsho­fer ganz besonders herzlich grüßen und würde gerne wissen, in welchen Fächern er seine beiden Doktorate erworben hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Wahrscheinlich beim Salzamt!) – Ja, falls man dafür einen Doktor kriegen kann. Soll sein.

Wir haben hier nicht das Budget zu debattieren, klar, aber das Budgetbegleitgesetz, das ein Sammelgesetz ist, und ich weiß auch nicht, von welchen Emotionen des Bun­desrates der Kollege Schennach gesprochen hat. Jawohl, wir wollen ein Teilein­spruchsrecht bei solchen Gesetzen, die viele Materien behandeln. Dazu stehen wir. Das haben wir nicht, und ich würde auch keinen Einspruch erheben, sage ich dazu, aber die Notwendigkeit dieser verfassungsgesetzlichen Regelung besteht weiter.

Aber was dieses Budget und damit auch das Budgetbegleitgesetz signalisiert, ist etwas viel Wichtigeres als diese merkwürdigen Kritikansätze der Opposition. Wir haben ein Budget gegen die Krise gemacht, ein Budget, das natürlich Belastungen für uns und auch die kommende Generation bringt. Es ist dies natürlich ein Budget, das Geld kos­tet, denn nur dann, wenn wir Mittel des Staates einsetzen, haben wir irgendeine Chan­ce, dieser internationalen Krisenentwicklung entgegenzutreten. Zum Nulltarif geht das nicht!

Aber was ist denn die Alternative dazu? – Sparsam sein, nichts ausgeben? (Bundesrat Schennach: Ordentlich begutachtete Gesetze!) Also, ich habe noch nicht gehört, dass davon das Geld mehr wird. (Bundesrat Schennach: Nein, aber man kommt unter ...!)

Gut, Herr Kollege, aber da wollen wir jetzt nicht eine Nebenbahn, und zwar eine ziem­lich abschüssige, gemeinsam betreten – das überlasse ich dir allein. Es geht darum,


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 52

öffentliche Mittel dort einzusetzen, wo die Privatwirtschaft versagt hat, aber nicht, um der Privatwirtschaft Geschenke zu machen – selbstverständlich nicht! –, sondern um dafür zu sorgen, dass das Werkel sich weiter dreht. Und dafür brauche ich Hilfen, dafür brauche ich vor allem Garantien, weil Wirtschaft von allem anderen abgesehen vor al­lem Psychologie ist. Es geht um Vertrauen, um Vertrauen zwischen den Banken, es geht um Vertrauen in die Bonität von Industrieunternehmen, und hier hat der Staat eine Aufgabe, was auch jene anerkennen, die über viele, viele Jahre dem unsinnigen Slo­gan „Mehr Privat, weniger Staat“ nachgelaufen sind. Nein, wir brauchen mehr Staat, vor allem dann, wenn es ernst wird!

Der „Spiegel“ hat in einem Artikel vor 14 Tagen ein mir zwar bekanntes, aber von mir vergessenes Zitat von John Maynard Keynes ausgegraben. (Bundesrätin Zwazl spricht mit ihrer Sitznachbarin.) – Frau Präsidentin, passen Sie auf, damit Sie protestieren können! – „Der Kapitalismus“, sagt John Maynard Keynes, „basiert auf der merkwürdi­gen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.“

Das ist die berühmte „invisible hand“. So lange sich das Werkel dreht, fallen nicht gera­de Dividenden, aber Boni sozusagen für viele Menschen ab. Wenn sich das Werkel nicht dreht, weil es überhitzt ist – und das haben wir erlebt –, dann fallen die, die dort beschäftigt sind, die, die von dieser Wirtschaft als unselbständig abhängig sind, auch bis weit hinauf, aus dem Rad heraus. Dann dreht sich das nur mehr im Leerlauf und produziert nur mehr eines: Abfall.

Und das ist genau der Punkt, den wir erreicht haben. (Bundesrätin Zwazl: Aber die Un­ternehmer sind an dieser Krise nicht schuld! – Bundesrat Mag. Himmer: Aber wider­wärtige Menschen gibt es im Kommunismus auch!) Ach, das bestreite ich überhaupt nicht! Widerwärtigkeit ist keine politische Etikette – und schon gar nicht für meinen lie­ben Koalitionspartner. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Also, ich habe ganz offensichtlich einen bloßliegenden Nerv getroffen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) Ich habe gar nichts gesagt – ich habe John Maynard Keynes zitiert. Und in aller Beschei­denheit: Mit dem würde ich mich als Ökonom nicht unbedingt vergleichen, aber viel­leicht hast du dieselbe Hemmung, mein Lieber.

Meine Damen und Herren, das ist eine nationale Kraftanstrengung. Das bedeutet aku­te Belastungen, und das wird Belastungen in der Zukunft bedeuten, auch wenn wir guter Hoffnung sein können, dass nicht alles, was heute an Haftungen übernommen werden muss, morgen auch schon Geld kostet. Es geht ja um Vertrauensstärkung, wie ich schon sagte, aber es geht um das vorrangige Ziel.

Die Weltwirtschaftskrise der zwanziger und dreißiger Jahre war deshalb so verhee­rend, weil genau dieses Gegensteuern damals gezielt und bewusst in den meisten europäischen Staaten unterlassen wurde, und anfangs auch in den USA. Damals wur­de gespart nach dem Motto: Tut uns leid, wir haben keine Einnahmen, daher müssen wir auch noch Beamte entlassen, daher müssen wir Gehälter kürzen und Ähnliches mehr. – Das hat nichts dazu beigetragen, die Länder aus der Krise zu bringen – auch nicht Österreich damals –, sondern die Länder sind immer tiefer in die Krise gesunken.

Den einzigen wirklichen Ansatz haben damals die USA gefunden mit ihren großen öf­fentlichen Bauvorhaben, mit den großen Kommunikationsnetzen, die über das Land gezogen wurden und die natürlich auf Pump finanziert wurden. Aber sie haben damit sich selbst und die Weltwirtschaft wieder auf die Beine gebracht. – Vom Krieg will ich in dem Kontext nicht reden; der ist dann später in anderen Ländern als ein besonders wi­derwärtiger Konjunkturfaktor eingesetzt worden. Aber die Gesundung der Weltwirt­schaft ist damals von einem Deficit-Spending-Programm ausgegangen, das ewig mit dem Namen Roosevelt in Verbindung stehen wird.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 53

Wir wollen ganz harmlos und zurückhaltend sein und uns mit niemandem vergleichen, aber wir wollen für unser Land die Auswirkungen dieser Krise gering halten, eine Poli­tik fahren, die nicht den Staat zurückschraubt, sondern die Wirtschaft wiederbelebt und uns damit in Zukunft auch jene Steuereinnahmen sichert, mit denen wir diese Ausga­ben decken können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.52


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mit­terer. Ich erteile ihm dieses.

 


11.52.33

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bei keiner anderen Debatte als der zum Budget oder zu den Budgetbegleitgesetzen kommt der Unterschied zwischen Regierung und Opposition so klar zutage. Das liegt in der Natur der Sache, denn ich erinnere auch Herrn Professor Konecny daran, dass er in der Zeit, in der die SPÖ in der Opposition war, natürlich das Gleiche getan hat – mit Recht. Und dieses Recht nehmen wir uns heute auch heraus, nämlich zu kritisieren, was die Regierung unserer Meinung nach verabsäumt hat oder schlecht budgetiert hat.

Herr Abgeordneter Keuschnigg aus Tirol hat gemeint, dass die Opposition kein Rezept hat oder kein Gegenbudget erstellt hat. Das kann nicht Aufgabe einer Oppositionspar­tei sein! Die hat ja auch nicht die Mittel und die Büros dazu, solche Budgets zu erstel­len. Aber dort, wo Parteien am Werk sind, die in der Regierung sind, wie zum Beispiel das BZÖ in Kärnten, das ja nicht in Opposition ist, sondern in der Regierung, haben wir gestern eine Budgetbegleitdebatte gehabt beziehungsweise eine Vorstellung des Bud­gets 2009, das sich wesentlich abhebt von den Budgetansätzen des Bundes – nicht in der Höhe, das ist klar, aber in den Schwerpunkten. Und das, glaube ich, sollten wir auch betonen.

Herr Professor Konecny, eine ernste Diskussion haben Sie gefordert, und dabei sind Sie selber als Zyniker aufgetreten. Das habe ich von Ihnen eigentlich nicht erwartet, denn Sie sind sonst wirklich auch ein ernsthafter Diskutant. „Ein Budget gegen die Kri­se“ ist erstellt worden, haben Sie gemeint. Ich glaube, das ist eher ein Krisenbudget. Und „Mehr Staat und weniger Privat“: Das wird wohl aus einer Zeit stammen – Sie erin­nern sich wahrscheinlich noch an „Konsum“ und „BAWAG“–, in der wir nicht in Verant­wortung gewesen sind. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Unsere Fraktion im Nationalrat war ja gegen das Budget und auch gegen die ... (Bun­desrat Kraml: Wo sind denn die jetzt? – Bundesrat Gruber: Hypo Adria!)

Herr Kollege Kraml, ich erinnere mich gerne an den „Konsum“ zurück, denn ich bin nämlich Kommerzialrat geworden, weil ich einen Konkurs hinter mir hatte. Ich war Mit­glied im „Konsum“, und deshalb habe ich eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um Kom­merzialrat zu werden. (Bundesrätin Zwazl: Es hat doch nicht jeder Kommerzialrat einen Konkurs hinter sich!) Das ist so. Das ist eines der Kriterien: 50 Jahre alt zu sein, einen Konkurs hinter sich zu haben und eine Spende an den Wirtschaftsbund zu zah­len. Das sind die Kriterien für einen Kommerzialrat! (Heiterkeit und Beifall bei Bundes­räten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirkungsvolle Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosenrate sind in diesem Budget nicht erkennbar. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum wir ... (Bundesrat Gruber: Hypo Alpe Adria! Und die Rechnungsab­schlüsse von Kärnten vor drei Jahren!) – Hypo Alpe Adria beschert uns in Kärnten einen Zukunftsfonds, der mit 500 Millionen € dotiert ist, und deshalb ist das Budget in Kärnten besser abgesichert als das Bundesbudget. (Bundesrat Gruber: Die letzten drei Jahre überhaupt!)


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 54

Wir sehen in diesem Budget und in diesen Begleitgesetzen keinerlei Reformansätze. Solche wären aber notwendig gewesen. Wenn man schon sinkende Einnahmen hat aufgrund der Rezession und des wirtschaftlichen Abschwungs, sollte man diese durch Reformansätze ausgleichen. Es gibt aber weder Ansätze in der Staats- und Verwal­tungsreform noch in der Gesundheitsreform.

Die Zusammenlegung von Krankenkassen wurde heute schon andiskutiert. Auf die Frage an Herrn Bundesminister Stöger in der letzten Sitzung, wann er denn an eine Zusammenlegung denkt, sagte er: zu keinem Zeitpunkt. (Bundesrat Mag. Klug: Natür­lich nicht! – Bundesrat Gruber: Das war eine klare Aussage!) Das heißt, es ist über­haupt kein Wille vorhanden, irgendwo einzusparen, auch nicht im Bildungsbereich und so weiter. (Bundesrat Mag. Klug: Peter, das ist ja jetzt die Kurskorrektur!)

Ohne Reformen wird es nicht möglich sein (Bundesrat Mag. Klug: Reformen schon!), bei sinkenden Einnahmen Maßnahmen zu setzen, die der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen.

Stiftungen werden begünstigt. – Ein Antrag, das zu ändern, von uns im Nationalrat ein­gebracht, wurde von der Koalition natürlich abgelehnt.

Die Gemeinden, ein wichtiger Auftraggeber für die Wirtschaft, werden im Jahr 2009 mit 245 Millionen und 2010 mit 500 Millionen weniger auskommen müssen. Wo sind denn die Ansätze, die Wirtschaft zu beleben, in diesem Budget erkennbar? (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

In der Wirtschaft werden Krisen genützt und Reorganisationen durchgeführt, um nach Ende der Krise verstärkt am Markt auftreten zu können. – Das hat das Land Kärnten zum Beispiel mit der Vorlage dieses Budgets gestern bewiesen. (Bundesrat Gruber: Das ist aber nirgends erkennbar!)

Die Bundesregierung hat diese Chance vertan. Sie hätte in dieser Situation Maßnah­men setzen sollen, die den Leidensdruck der Österreicherinnen und Österreicher ge­mindert hätten. Dies wurde verabsäumt, aber die Bundesregierung hat ja die Chance, das in den nächsten zwei, drei Jahren besser zu machen. Dieses Mal ist es nicht ge­lungen, und deshalb werden wir auch diesem Budgetbegleitgesetz nicht die Zustim­mung geben. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.58


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Ostermayer. – Bitte.

 


11.58.13

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Insbesondere die Ausführungen des letzten Redners haben mich dazu angeregt, meine geplante Rede etwas umzustellen. Wenn hier nämlich gesagt wurde, es gibt keine Ansätze für Beschäftigung, keine An­sätze für den Arbeitsmarkt, keine Ansätze für Reformen und so weiter, so finde ich das einigermaßen erstaunlich.

Der Schwerpunkt dieses Budgets sind einerseits die Beschäftigungspakete, die be­schlossen wurden und von denen auch das WIFO gesagt hat, dass wir besonders schnell waren und dass wir die zweitgrößten Beschäftigungspakete in Europa be­schlossen haben. Wenn man es umrechnet – und das haben die Menschen auch ge­macht – und es sozusagen im Verhältnis der österreichischen Volkswirtschaft zur ame­rikanischen Volkswirtschaft betrachtet, dann sind die Beschäftigungspakete, die in Ös­terreich beschlossen wurden und die in diesem Budget jetzt abgebildet sind, in etwa gleich groß wie die hoch gelobten, zu Recht hoch gelobten, Konjunkturpakete, die un­ter Barack Obama für Amerika in den entsprechenden Gremien beschlossen wurden. Das ist das eine.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 55

Das Zweite ist: Abgebildet in diesem Budget ist natürlich auch die Steuerreform. Das heißt, die Steuersenkung, die die Menschen in diesem Land jetzt spüren, ist natürlich in diesem Budget abgebildet. Der zweite große Brocken, der in diesem Budget drinnen ist, ist die Steuersenkung, die ganz bewusst gemacht wurde, um den Konsum und die Kaufkraft der Menschen zu stärken, damit nicht mangels Kaufkraft die Konjunktur wei­ter hinuntergeht und die Rezession stärker wird. Auch da ist Österreich im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten wesentlich besser dran. Das hat auch gestern die Nationalbank in ihrer jüngsten Prognose wieder bestätigt.

Und trotz in Relation zum Vorjahr steigender Arbeitslosenzahlen – in Relation zu den Vormonaten sinkt sie – haben wir die zweitniedrigste Arbeitslosenrate in Europa. Teil der Wirkung, dass sie nicht mehr steigt, nicht ähnlich stark steigt wie in anderen euro­päischen Ländern, ist, dass wir sehr rasch die Konjunkturpakete beschlossen haben. Die bilden sich im Budget ab. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Das Budgetbegleitgesetz ist, wie es der Name sagt – und mit dem wollte ich ursprüng­lich beginnen, nämlich zum Kollegen Schennach etwas zu sagen, der jetzt leider nicht da ist –, begleitend zum Budget. Das heißt, alle Maßnahmen und Ziele, die man im Budget umsetzen will, müssen parallel dazu im Budgetbegleitgesetz abgebildet wer­den. So weit ist das ja nichts Neues.

Wenn jetzt auf Grund einer besonderen Situation, in der wir uns befinden – es ist ja un­bestritten, dass wir uns in der größten Wirtschaftskrise seit 1929 befinden –, besondere Maßnahmen notwendig sind, dann sind diese besonderen Maßnahmen naturgemäß auch im Budgetbegleitgesetz abzubilden.

Ich glaube, es besteht Einigkeit, dass wir alle miteinander das Ziel hatten, nach den Nationalratswahlen, nach der Bildung der Bundesregierung möglichst rasch ein Budget zu erstellen. Dass das mit extrem viel Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium verbunden ist, ist, glaube ich, zweifellos, und diesen ist dafür auch zu danken. Dass parallel dazu alle anderen Ministerien und Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter der Ministerien oft Nächte durchgearbeitet haben, um dieses Budgetbegleitge­setz zu erstellen, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, die das koordinieren, auch oft durchgearbeitet haben, um das zu erreichen, soll auch er­wähnt werden, und denen soll auch dafür gedankt werden.

Dass in Summe dann ein Gesetz entsteht, das ein Packen in dieser Dichte ist (den an­gesprochenen Gesetzestext in die Höhe haltend), mit sehr vielen Seiten, ist klar. Und dass das auch eine immense Belastung für die Nationalratsabgeordneten, für die Bun­desräte darstellt, ist unzweifelhaft der Fall. Aber wir können doch nicht den Schluss da­raus ziehen, dass es besser gewesen wäre, wenn wir bestimmte Dinge, die wir als not­wendig erachten, nicht gemacht hätten oder wir uns länger Zeit gelassen hätten.

Der Vorwurf, der unmittelbar an meinen Fachbereich ging, betraf die Umsetzung von Medienförderungen. Wenn wir im Budget verhandelt haben, dass wir eine Medienför­derung machen wollen, dass wir die Fernsehfilmförderung erhöhen wollen – gestern gab es sozusagen eine Geburtstagsfeier des Fernsehfonds Austria zum fünfjährigen Bestehen; wir haben die Mittel der Filmförderung von 7,5 auf 13,5 Millionen € erhöht und damit umgesetzt, was wir in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben –, dass wir eine Förderung für private Rundfunkunternehmer schaffen, um das duale Rundfunksystem zu stärken, dass wir kommerzielle Rundfunkbetreiber, aber auch nichtkommerzielle Rundfunkbetreiber unterstützen, dass wir einen hoffentlich bald in­stallierten Presserat unterstützen, und man wirft uns vor, dass das Teil des Budgetbe­gleitgesetzes ist, hätte das ja nur eine Konsequenz zur Folge, nämlich dass wir es nicht jetzt machen, sondern vielleicht irgendwann einmal machen.

Diese Kritik verstehe ich nicht. Ich verstehe schon, dass Opposition auch kritisiert, aber ich glaube, wenn die Regierung Punkte umsetzt, die man selber befürwortet, und man


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das möglichst rasch umsetzen kann, dass es dann eine inadäquate Kritik ist, dass das dann Teil eines Gesetzes ist, das notwendigerweise eben als Begleitung des Budgets beschlossen werden muss.

Insofern bitte ich diesbezüglich um Nachsicht. Ich kann nur eine Anmerkung machen: Alle 69 Artikel, die das Gesetz umfasst, haben Materien zum Inhalt, die unmittelbar mit dem Budget zu tun haben. Es sind nicht Dinge versteckt worden, die man nicht jetzt hätte umsetzen müssen, um das Budget realisieren zu können, sondern die Normen, die geschaffen wurden, wurden in das Gesetz aufgenommen, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Budget stehen. Das gilt auch für den Justizteil, der jetzt schon mehrfach angesprochen wurde.

Noch eine Anmerkung; das ist zwar keine politische, sondern eine rechtliche: Die Tech­nik, dass man Sammelnovellen macht, um das Budget umsetzen zu können, ist ja im­mer wieder auch vom Verfassungsgerichtshof diskutiert worden und von diesem auch als korrekt beurteilt worden, insbesondere dann, wenn die Normen, die da geregelt werden, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Budget stehen.

Ich bitte also um Verständnis, dass das notwendig war. Ich glaube, wenn man es sich detaillierter überlegt, dass die Kritik auch nicht lange halten würde, weil die Konse­quenz wäre, dass das Budget, das wir ja als dringend erforderlich erachtet haben, um möglichst wirksam und möglichst rasch gegen die Krise vorgehen zu können, nicht so rasch hätte umgesetzt werden können. Und ich glaube, da sind wir uns einig: Ein Bud­get rasch und sorgfältig umsetzen heißt auch, ein Konvolut von Gesetzen, das parallel dazu notwendig ist, zu beschließen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bit­te, Frau Kollegin.

 


12.06.51

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure zutiefst, dass Herr Professor Konecny wieder hinausgegangen ist, denn er hat es sich heute wieder nicht nehmen lassen, einen Schlenzer in Richtung Unternehmerinnen und Unternehmer zu machen. Und da krieg’ ich schon einen Kropf. Ich muss schon sagen, die Finanzkrise sozusa­gen am Rücken der europäischen – ich sage jetzt bewusst „europäischen“ – Unterneh­merinnen und Unternehmer auszutragen, das finde ich unfair.

Gerade wir, die Klein- und Mittelbetriebe, aber auch die Großbetriebe haben damit zu kämpfen, um die Auswirkungen wirklich im Rahmen zu halten. Und Gott sei Dank sind wir in Österreich so aufgestellt, dass wir nicht nur Großkonzerne haben, sondern vor allem auch Klein- und Mittelbetriebe. 86 Prozent unserer Betriebe haben nur bis zu zehn Mitarbeiter. Das sind nach wie vor die Betriebe, die noch immer Arbeitskräfte auf­nehmen. Und das sind nach wie vor die Betriebe, die noch immer Lehrlinge ausbilden. Wir haben auch gar keine schlechte Situation, was die Lehrlinge betrifft. Und am Ar­beitsmarkt schaut die Situation aus wie 2005, und damals haben wir nicht von einer starken Krise gesprochen.

Wir alle wissen, gerade wir Unternehmerinnen und Unternehmer, die einen Betrieb füh­ren, wissen – ich bin froh, dass Sie doch noch kommen, Herr Professor Konecny –, dass es nur miteinander geht: Selbständige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber immer unsere Unternehmerinnen und Unternehmer als gierige, verschlingende Kapitalisten hinzustellen, die überhaupt kein Gefühl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, das lasse ich mir schon lange nicht mehr unterstellen. (Beifall bei der ÖVP so­wie des Bundesrates Mitterer. – Bundesrat Konecny: Aber doch nicht Ihre Kammer, Frau Bundesrat!)


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Ich muss leider Gottes sagen, Herr Kollege Mitterer, ich verstehe nicht, wie Sie zu Ih­rem „Kommerzialrat“ gekommen sind, Sie müssen beim Ansuchen durchgerutscht sein. Es ist nämlich schon so, die Anforderungen, um den Titel „Kommerzialrat“ führen zu dürfen, sind, dass ich erfolgreich ein Unternehmen führe und dass ich mich neben meinem Unternehmen auch noch in einer Organisation betätige, dass ich in einem Ver­ein mitarbeite, dass ich meine Zeit auch der Gemeinnützigkeit zur Verfügung stelle. Und es ist keineswegs – und ich kenne die Fragebögen sehr genau – ein Erfordernis, einen Konkurs hinter sich zu haben. (Lebhafte Heiterkeit des Bundesrates Konecny.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, worauf ich mich jetzt wirklich konzentrieren will, ist das Budgetbegleitgesetz, und da geht es mir um die steuerrechtlichen Konse­quenzen. Und natürlich ist ein wesentlicher Punkt auch das Krankenkassen-Struktur­fondsgesetz. Ich begrüße vor allem die Erhöhung des Haftungsrahmens der Touris­musbank und der Forschungsförderungsbank. Tourismus und Forschung sind gerade die Bereiche, in denen wir unzweifelhaft die höchsten Wachstumschancen haben, und die sind in diesen schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt haben, ganz einfach wichtig.

Der zweite und gerade für die Wirtschaft äußerst positive Ansatz ist die Errichtung des Unternehmensservice-Portals. Um allen, die nicht selbstständig sind, die Notwendig­keit einer Vereinfachung zu verdeutlichen, zitiere ich aus den Erläuternden Bemerkun­gen zu diesem Gesetz:

„Rund 230 Millionen Mal im Jahr erfüllen Unternehmen in Österreich Informationsver­pflichtungen.“ – Die machen wir gratis, Herr Professor. (Bundesrat Konecny: Aber auf gesetzlicher Grundlage!) – „Sie sind mit rund 5 700 gesetzlichen Informationsverpflich­tungen konfrontiert, die in diesen Unternehmen Verwaltungslasten in Höhe von rund 4,3 Milliarden € pro Jahr auslösen.“

Vor allem belastet sind damit die Klein- und Mittelbetriebe. Wir haben in der Wirt­schaftskammer ausgerechnet, dass die Verwaltungslasten in Relation zum Umsatz bis zu 10 Prozent betragen, bei großen Unternehmen erfreulicherweise deutlich unter 1 Prozent des Umsatzes.

Dieses neue Portal, bei dem alle notwendigen Verwaltungsarbeiten zusammenlaufen sollen, ist ein wirklich begrüßenswerter Schritt zur Verwaltungsvereinfachung, denn wir Unternehmer, unsere Unternehmen wollen ganz einfach arbeiten, wollen etwas unter­nehmen und nicht verwalten.

Nun zu den steuerrechtlichen Themen dieses Budgetbegleitgesetzes. Die wesentli­chen Änderungen betreffen das Umsatzsteuergesetz, das Körperschaftsteuer- und das Einkommensteuergesetz.

Bei der Umsatzsteuer geht es um Änderungen, die sich nach EU-rechtlichen Vorgaben richten; die Änderungen gelten grundsätzlich ab 2010. Die Umsatzsteuer wird nämlich bei Dienstleistungen dort fällig, wo der Auftraggeber, sprich: der Kunde, seinen Sitz hat. Die Neuregelungen erleichtern die umsatzsteuerliche Abwicklung von grenzüber­schreitenden Dienstleistungen zwischen Unternehmen.

Worin besteht die Erleichterung im Wesentlichen? – Erstens: Umsatzsteuerliche Regis­trierungen in einem anderen EU-Land werden seltener notwendig sein. Zweitens: Die Aufzeichnungspflichten fallen weg. Und drittens: Die Zahl aufwendiger Vorsteuerrück­erstattungsverfahren wird deutlich abnehmen.

Zur Verdeutlichung bringe ich ein Beispiel: Ein österreichisches Bauunternehmen führt Arbeiten in Deutschland aus. Anlässlich dieser Arbeiten wird ein eingesetzter Kran ka­putt und muss von einem deutschen Unternehmen vor Ort repariert werden. Derzeit muss das deutsche Unternehmen die deutsche Mehrwertsteuer verrechnen, und das österreichische Unternehmen muss sich in einer langwierigen Prozedur und mit gro­ßem Verwaltungsaufwand wieder diese Mehrwertsteuer zurückholen.


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Ab 2010 wird dieser Prozess erfreulicherweise abgekürzt. Das deutsche Reparatur­unternehmen kann netto verrechnen, und das österreichische, unsere Unternehmen ersparen sich den langwierigen Prozess, der oft über acht Monate geht, sich die Um­satzsteuer zurückzuholen. Das ist für uns schon eine positive Lösung und eine Verwal­tungsersparnis.

In diesem Zusammenhang ist es auch erfreulich, dass die Grenze der vierteljährlichen Umsatzsteuerzahlungen und -meldungen von 22 000 € auf 30 000 € angehoben wird, was gerade auch für unsere kleinstrukturierten Betriebe eine wesentliche Erleichterung ist.

In diesem Zusammenhang ist auch die Neuregelung hinsichtlich der Anträge zur Vor­steuerrückerstattung überhaupt im europäischen Geschäftsverkehr gut und erfreulich. Diese sind bisher bei der jeweils zuständigen Stelle in anderen EU-Ländern zu stellen gewesen, und ab 2010 können alle Anträge beim Finanzministerium über FinanzOnline eingereicht werden. Außerdem sind erstmals zwingende EU-rechtliche Erledigungsfris­ten für die Rückerstattung vorgesehen, nämlich maximal acht Monate.

Das ist schon eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung und auch ein Ergebnis des­sen, dass wir jetzt einen gemeinsamen Markt haben. Und das ist – gerade weil die EU-Wahl ansteht, ist darauf hinzuweisen – auch wieder ein Beispiel dafür, wie positiv sich der gemeinsame Wirtschaftsraum auf den Binnenmarkt auswirkt.

Manche glauben, dass uns durch die Novelle zum Körperschaftsteuergesetz einige Steuereinnahmen entgehen, aber diese Maßnahmen sind zu begrüßen. Die vorliegen­de Änderung des Körperschaftsteuergesetzes war notwendig, da die bisherige Vor­gangsweise EU-widrig war. Bisher hat nämlich folgende Regelung gegolten: Wenn ein österreichisches Tochterunternehmen an ein österreichisches Mutterunternehmen Ge­winne, sprich: Dividenden, ausschüttet, sind die Dividenden bei der Muttergesellschaft körperschaftsteuerfrei. Erhält ein österreichisches Mutterunternehmen von einer aus­ländischen Tochter eine Gewinnausschüttung, so waren bisher die Dividenden in der Regel, abgesehen von internationalen Schachtelbeteiligungen, körperschaftsteuer­pflichtig. Diese unterschiedliche Behandlung ist schlichtweg EU-widrig. Künftig sind Auslandsdividenden genauso wie Inlandsdividenden bei der Muttergesellschaft körper­schaftsteuerfrei.

Werte Kolleginnen und Kollegen! In Sachen Einkommensteuergesetz habe ich als Wirt­schaftsvertreterin die Bitte, dass wir weitere Entwicklungen, die mit dieser Änderung verbunden sind, weiter beobachten. Ich begrüße natürlich die Klarstellung, dass Beiträ­ge von Selbständigen zur Arbeitslosenversicherung steuerlich voll absetzbar sind, weil das auch eine wesentliche Gleichstellung mit allen Unselbständigen ist.

Was mich allerdings als Vertreterin vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen schmerzt, ist eine Verschärfung der Besteuerungsvorschriften für den Übergangsge­winn. Da möchte ich schon auch ein Beispiel bringen, damit Sie sehen, mit welchen Bürokratien wir gerade als Klein- und Mittelbetriebe zu kämpfen haben.

Wenn jemand seinen Betrieb aufgibt und Einnahmen-Ausgaben-Rechner ist, muss er im letzten Jahr eine Bilanz erstellen. Dadurch entsteht ein Veräußerungsgewinn, und dieser Veräußerungsgewinn ist jetzt ein Übergangsgewinn, der mit der vollen Härte, das heißt nach dem allgemeinen Tarif, besteuert wird. Da muss man natürlich schauen, ob es hier zu verschärften Härten kommt und dass man das vielleicht noch einigermaßen korrigieren kann.

Ein paar Worte und Überlegungen möchte ich noch zum Krankenkassen-Struktur­fondsgesetz anfügen. Das oberste Ziel all dieser Maßnahmen ist die Sanierung unse­res Krankenkassensystems, um unser Gesundheitssystem mittelfristig auf gute, gesun-


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de Beine zu stellen. Ich habe mir angesehen, was denn eigentlich die kurzfristigen Maßnahmen sind. In einer ersten Maßnahme sollen die jeweiligen negativen Reinver­mögen der Kassen zur Sanierung ausgeglichen werden, konkret einerseits durch die Auflösung des Ausgleichsfonds für Katastrophenfälle. Dadurch werden 42,5 Millionen € für die Kassen flüssig gemacht.

Natürlich ist uns allen bewusst, dass hier ein großer Brocken, nämlich 33 Millionen €, nach Wien fließt. Aber wo, frage ich mich, sind denn die Alternativen? In der aktuellen prekären Situation muss man ganz einfach jenen Kassen helfen, wo es um die ärgsten Auswirkungen bis hin zur Insolvenzgefährdung geht. Alles andere ist volkswirtschaftlich und auch politisch höchst problematisch. Bisher sind auch die verschiedensten Struk­turen der Krankenversicherungen nicht berücksichtigt worden.

Wenn ich jetzt zum Beispiel Oberösterreich und Niederösterreich vergleiche: Oberös­terreich hat weitaus größere Industrieanteile und hat natürlich bessere Voraussetzun­gen als wir in Niederösterreich. Bei uns ist die Situation so, dass viele unserer Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in Wien oder in einem anderen Bundesland arbeiten, aber in der Pension dann in Niederösterreich sind oder sehr viele – Niederösterreich ist ja auch ein schönes Land – in der Pension dann überhaupt nach Niederösterreich ziehen. Und wir alle wissen, dass man gerade in der Pension beziehungsweise in den letzten fünf Jahren seines Lebens die höchsten Kosten für die Krankenversicherung verur­sacht, und das sollte man bei diesen Betrachtungen auch ins Kalkül ziehen.

Wir stehen alle zur Selbstverwaltung und zu eigenständigen Strukturen, aber eine ge­wisse Solidarität muss es ganz einfach geben.

Es sollen heuer noch weitere 45 Millionen € aus Bundesmitteln zur Sanierung jenen Gebietskrankenkassen gewährt werden, die 2008 negativ bilanziert haben. Darüber hi­naus werden 96 Millionen € auf die Krankenkassen aufgeteilt, die sich nach der Halbie­rung der USt auf Medikamente ergeben. Die Verteilung erfolgt natürlich ebenfalls nach dem Liquiditätsbedarf.

Ab 2010 soll mit dem Krankenkassen-Strukturfonds, der erstmalig mit 100 Millionen € dotiert wird, ein Ausgleichsfonds zur Sanierung geschaffen werden. Der Sitz dieses Fonds wird beim Gesundheitsministerium liegen. Die Richtlinien zur Verteilung werden auf der Grundlage eines Sanierungskonzeptes erstellt. Dieses Sanierungskonzept hat der Hauptverband mit allen Gebietskrankenkassen auszuverhandeln, und er wird es dann dem Ministerium zur Genehmigung vorlegen.

Ab dieser Maßnahme soll es nicht mehr um den Liquiditätsbedarf, sondern um realisti­sche Sanierungsmaßnahmen der jeweiligen Gebietskrankenkasse gehen. Damit errei­chen wir auch, dass jede Einheit gezwungen sein wird, effektive Sanierungsmaßnah­men zu setzen. Diesem Ziel entspricht auch die Entschuldungsmaßnahme, den Kas­sen in den nächsten drei Jahren, ab 2010, jährlich 150 Millionen € zu erlassen. Das geht wiederum an die Kassen mit negativem Reinvermögen. Allerdings muss auch hier dem Hauptverband ein Sanierungskonzept vorgelegt werden, das die Bundesregierung zu genehmigen hat.

Das alles erfolgt mit dem mittelfristigen Ziel, ab 2013 relativ ausgeglichene Gebarun­gen zu haben. Aber das wird uns nicht davon entbinden, parallel an einer Reform des Gesundheitssystems zu arbeiten, denn wenn man die Krankenkassenvertreter fragt, dann hört man, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Gebietskrankenkas­sen ganz einfach enden wollend sind.

Die Finanzierung des gesamten Systems kann nicht allein auf den Schultern der Kas­sen liegen. Da machen wir es uns etwas zu einfach. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Budgetbegleitgesetz, und ich ersuche Sie für die Zu-


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kunft ganz einfach um aktive Mitarbeit. Unser Gesundheitssystem ist ein topmodernes, international geschätztes System, und wir müssen es durch einige notwendige Maß­nahmen erhalten.

Wenn wir uns heute darüber streiten, dass der eine mehr und der andere weniger er­hält, dann werden sich später unsere Nachfolge-Generationen den Kopf darüber zer­brechen müssen, ob wir noch für jeden Menschen diese Versorgung, diese großartige Versorgung, die wir in Österreich haben, gewährleisten können. Ich glaube, das will niemand! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.22.36

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Herzlich willkommen, sehr geehrter Herr Alt-Präsident! Bevor ich mich dem eigentlichen Thema zuwende, möchte ich noch eines kurz anmerken: Ich war bei der letzten Sitzung nicht dabei, da wurden zwei Kollegen angelobt; ich möchte sie hiermit recht herzlich begrüßen. Auf eine gute kollegiale Zusammenarbeit, und dass das Ge­meinsame im Vordergrund steht, nicht das Trennende! Auch wenn wir unterschiedliche parteipolitische Ansichten und Ideologien haben, arbeiten wir alle letztendlich für Öster­reich und für die Menschen in diesem Land. Noch einmal, in diesem Sinne: Herzlich willkommen! (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie von SPÖ und ÖVP.)

Ich habe schon kurz erwähnt, dass ich auf einer Dienstreise war. Jetzt muss ich ein bisschen einen Umweg machen, damit ich zum Budgetbegleitgesetz komme: Im Rah­men dieser Dienstreise war ich in Amerika, eingeladen vom US-Außenministerium, als Teilnehmer des International Visitor Program. Das Thema dieser Reise war „Managing in a multi-ethnic society“. Wir waren eine kleine Gruppe von sieben Personen, Vertreter aus Griechenland, Rumänien, Serbien, der Türkei und Zypern, und ich war dabei als Vertreter Österreichs.

Wir hatten Treffen mit unterschiedlichen NGOs, mit den Departments, mit Politikern aus dem Repräsentantenhaus. Wir besuchten auch Religionsgemeinschaften. Kollege Konecny ist jetzt nicht hier, ich hätte ihm sonst kurz einen Vortrag darüber gehalten. Das war sehr interessant und abwechslungsreich. (Bundesrat Schennach: Religions­beauftragter der SPÖ!) – Na super, das freut mich! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich komme schon noch darauf zurück, ich spanne den Bogen, keine Angst. (Bundesrat Gruber: Es wird schon noch werden!) Es wird schon noch werden, genau.

Auf dieser Reise wurde ich von einigen angesprochen in Bezug darauf, was denn in Österreich los sei. Ich schaute dann ins Internet, um in Erfahrung zu bringen, was die überhaupt meinen, und musste mit großer Bestürzung feststellen, dass Besucher eines Konzentrationslagers, Überlebende des Holocaust, beschossen worden waren und dies aus einer bestimmten Ecke als Lausbubenstreich abgetan wurde. (Ruf bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit: ... nicht die Wahrheit gesagt!)

Die fragten uns, ob da jetzt lauter Nazis seien. Ich versuchte natürlich, zu beschwichti­gen, argumentierte dagegen – Sie können sich vorstellen, liebe KollegInnen, dass das sehr unangenehm war. Ich war immer in der Defensive, ich musste immer agieren. Ich musste mich immer entschuldigend verhalten für das, was hier los war.

Kurze Zeit darauf sah ich ein Foto von „Comic-Heinzi“ mit einem Kreuz in der Hand. Ich dachte mir, dass ich nicht richtig sehe, und blätterte ein bisschen im Internet, weil ich


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mir dachte, dass das vielleicht eine Fotomontage oder ein Fake ist. Aber tatsächlich stand er da mit einem Kreuz in der Hand und glaubte, dass man so die Wirtschaftskrise bekämpfen kann. – Da frage ich mich schon, wo wir sind! (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat auch keiner gesagt!)

Ich frage mich, ob wir die Taliban in Österreich haben. Einen recht großen Unterschied gibt es da ja nicht mehr (Ruf bei der ÖVP: Wie ist das ...?): Die missbrauchen die Reli­gion, die FPÖ missbraucht die Religion; diese sind bewaffnet, jene sind bewaffnet. Der einzige Unterschied ist, dass jene keinen Bart haben und blaue Augen haben, aber im Geiste sind sie Brüder. Das ist, bitte, nicht die richtige Antwort auf die Wirtschaftskrise und auf die Probleme, die wir in diesem Land haben. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Mein Kollege Stefan Schennach hat schon die Menge und die Fülle der Gesetze, die da mit geändert, abgeändert und was weiß ich noch werden, angesprochen. Ich halte das auch für eine Unsitte. Anscheinend wird das ja in diesem Haus schon länger disku­tiert. Ich frage mich, warum das bis jetzt nicht geändert worden ist und warum hier nach wie vor eine Unmenge an Gesetzen hereingetragen wird, über die im Endeffekt – seien wir alle ehrlich! – keiner von uns einen Überblick hat.

Aber nun zum Budgetbegleitgesetz: Es wird festgeschrieben, dass wir in den nächsten Jahren ein Budgetdefizit von 3,5, 3,7 oder 4,5 Prozent haben werden. Das ist eine Ver­schuldung um Milliarden über Jahre hinweg! Ich als junger Österreicher, als junger Fa­milienvater frage mich: Wer wird diese Last zu tragen haben?

Bis heute sind die Antworten darauf ausgeblieben (Bundesrat Ing. Einwallner: Was ist die Alternative?), wie wir das finanzieren werden. (Bundesrat Stadler: Was für eine Al­ternative hast du deinen Kindern gegenüber? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ich habe vorhin zu dem Kollegen hinter mir gesagt: Seien wir froh, dass wir in Österreich keine starke Jugendvertretung haben, denn sonst würden die Leute auf die Barrikaden steigen!

Wenn die Pensionen nicht um 1 Prozent hinaufgehen, dann steht das halbe Land still, aber bei solchen Sachen traut sich keiner, den Mund aufzumachen. (Beifall bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit.) Aber das geschieht auf Kosten der zukünftigen Generationen! (Bundesrat Perhab: ... die Jugendvertretung! – Weitere Zwischenrufe.)

Keine Frage, wir müssen Akzente setzen! (Bundesrat Gruber: Die Jungen werden auf die Barrikaden steigen, wenn sie keine Arbeitsplätze haben!) Es müssen Maßnahmen gesetzt werden, es müssen Hebel in Bewegung gesetzt werden, das steht außer Dis­kussion, aber die Frage ist schon, in welche Richtung wir die Hebel bewegen (Bundes­rat Mag. Klug: Jetzt musst du aber einen Vorschlag machen!) und wohin wir das Geld geben. (Ruf bei der ÖVP: Wie sollen wir das machen?)

Seit Jahren, ja Jahrzehnten wird hier in diesem Hause, auch in der anderen Kammer, darüber diskutiert, wie man Reformen machen kann. Ich glaube, ich werde wahrschein­lich in Pension gehen, bevor wir in diesem Haus eine Strukturreformdebatte zu Ende bringen werden. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Da kann man Geld sparen: Mit einer Schulreform, einer Verwaltungsreform, liebe KollegInnen, einer Föderalismusre­form kann man Geld sparen – aber nicht die Zukunft belasten! (Bundesrätin Zwazl: Da muss man auch Konzepte vorlegen! Legen Sie Konzepte vor! – Bundesrat Mag. Klug: ... nicht mit einem Vorschlag!)

Wir haben genügend Anträge eingebracht! Einen Antrag werde ich gerne vorlesen, ich habe ihn vorhin bewusst überblättert: Meine Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat haben einen Antrag eingebracht, Privatstiftungen gerecht zu besteuern. Wisst ihr, wie viel Geld dadurch hereinkäme? (Bundesrat Mag. Klug: Daran arbeiten wir ja!) – Millio­nen und Milliarden! (Widerspruch bei der ÖVP.) Was tut ihr? – Ihr stimmt dagegen! (Bundesrat Gruber: Bleiben wir bei der Wahrheit!)


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Ich verstehe das schon, das ist kein Problem. Es ist eine Entscheidung, und ihr müsst sie rechtfertigen, nicht wir. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben es eingebracht. Mit dem Geld, das dadurch hereinkäme, könnte man die Schulreformen durchziehen, man könnte Arbeitsplätze schaffen, man könnte im Sozialbereich sehr viel in Gang setzen, was wir heute brauchen. Aber nein, ihr haltet die schützende Hand über diejenigen, die das Geld haben und ohnehin reich sind. Bitte, ich bin wirklich niemandem neidig! (Ruf bei der ÖVP: Nein?)

Und zu Frau Kollegin Zwettl ... (Bundesrätin Zwazl: Zwazl!) Zwazl, Verzeihung! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Bei aller Aufrichtigkeit ... (Bundesrätin Zwazl: Von wem? – Heiterkeit.) Von mir, von uns!

Hand aufs Herz: Wir alle – auch die Kollegen von der SPÖ, die in der Gewerkschaft, in Betriebsräten tätig sind – sind mit sehr vielen Arbeiterinnen und Arbeitern in Kontakt. Ich komme aus dem Arbeitermilieu, ich bin selbst ein Arbeiter-, ein Gastarbeiterkind. Ich kenne keinen Arbeiter, der im Schweiße seines Angesichts reich geworden ist! Da stellt sich für mich die Frage ... (Bundesrätin Zwazl: Ich kenne aber auch nicht viele Unternehmer, die reich geworden sind ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es ist schon okay, wenn man ein Risiko trägt (Bundesrätin Zwazl: Aber ich kenne auch Unternehmer, die leider von Ihnen ...!), und das gehört auch belohnt. Das stelle ich gar nicht in Frage. (Bundesrätin Zwazl: ... das sind Unterstellungen!) Aber auch jene, die um 1 000 € im Monat arbeiten müssen, tragen ein Risiko. (Bundesrätin Zwazl: Ja!) Oder um weniger als 1 000 €; es gibt ja Branchen, in denen man noch weniger ver­dient. (Bundesrätin Zwazl: Ja, und? Wer verteidigt denn das? Ich sage ja nur ...!) Da gibt es Menschen, die eine Familie durchfüttern müssen; auch das ist ein Risiko. Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, warum ... (Bundesrätin Zwazl: Wenn Sie unterstel­len, dass die Arbeitgeber ...! – Bundesrat Mag. Klug: Aber die haben wir mit der Steu­erreform entlastet! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Ja, okay, ist ohnehin wurscht. (Bundesrat Schennach: Das hat er aber nicht gesagt! – Gegenrufe bei der ÖVP.)

Ich möchte auch darauf eingehen, dass meine Vorredner darüber gesprochen haben, dass die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Herr Staatssekretär, da möchte ich auf einen ganz konkreten Punkt zurückkommen, und zwar auf den Brenner-Basistunnel. Es werden Millionen, Milliarden in die Hand genommen, um dieses Projekt zu verwirkli­chen. Es wird auch damit argumentiert, dass sehr viele Arbeitsplätze geschaffen wer­den, und so weiter.

Wir Grüne, und auch ich, sind die Letzten, die dagegen sind, dass die Bevölkerung in Tirol entlastet wird. Aber wenn man sich den Umweltbericht anschaut, dann liest man Folgendes – ich zitiere daraus –: Bei der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Verwirklichung des Bauvorhabens kann daher nicht von einer tatsächlichen Verlage­rung ausgegangen werden. – Wenn man so viel Geld in die Hand nimmt und dann da­von ausgehen kann, dass die Mittel nicht zielgerichtet eingesetzt werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann, bitte, müsst ihr euch wirklich die Kritik gefallen lassen, dass man das Geld für gescheitere Sachen verwenden könnte. (Bundesrat Gruber: Nenn ein Beispiel!)

Ein zweites Beispiel ist das AUA-Debakel. Da müssen die Steuerzahler mit Millionen einspringen, weil es verabsäumt wurde, rechtzeitig einen gescheiten Investor zu su­chen.

Von den ÖBB brauche ich jetzt gar nicht zu reden. Im Juli gibt es schon die nächste Tariferhöhung, da wird der Preis für das Zugticket ein bisschen erhöht. Das bedeutet eine Mehrbelastung für die Pendlerinnen und Pendler von 45 € für die Jahreskarte. (Bundesrätin Mühlwerth: So viel, wie die Steuerreform gebracht hat!)


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Verschrottungsprämie: Dafür ist auch sehr viel Geld in die Hand genommen worden. Es wäre gescheiter gewesen, wenn man das Geld dort investiert hätte, wo wir es wirk­lich notwendig brauchten, und zwar in die thermische Sanierung. Da schafft man ... (Bundesrat Mag. Klug: Da tun wir ja auch etwas!) Ja, aber die Relationen sollten schon passen, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt. (Bundesrat Stadler: Ich glaube, du bist ja aus Oberösterreich! Der Landesrat Kepplinger ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Die Verschrottungsprämie ist zwar auf den ersten Blick sehr reizvoll, weil sich Leute neue Autos kaufen können und die Verkäufer nicht mehr jammern, aber das, was man im Endeffekt dadurch „zusammenhaut“, bei den Werkstätten, bei den Gebrauchtwa­genhändlern, braucht man hier, glaube ich, gar nicht aufzurechnen. (Bundesrat Stad­ler: Konzept Kepplinger! Sag einmal etwas dazu!)

Ich könnte hier noch die Post anführen, bei der es zu einer Qualitätsreduktion gekom­men ist.

Die EPUs sind auch angesprochen worden. Das sind die wahren innovativen Kräfte in dem Land! Diese Personen schaffen sich den Arbeitsplatz selbst, sie müssen schauen, dass sie überleben, noch dazu in solch schwierigen Zeiten wie jetzt. Es wäre wichtig, dass wir diese Leute mit Ausbildungsmöglichkeiten unterstützen und eben auch sie mit ins Gebet hereinnehmen.

Die Justiz ist schon thematisiert worden, darauf möchte ich jetzt nicht mehr im Detail eingehen. Nur so viel: Es wird eine Erhöhung der Mindesttagessätze von 2 auf 4 € ge­ben. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes, aber das ist eine Verdoppelung. Die Leute werden sich das gerade in Zeiten wie diesen nicht leisten können. Statt dass wir uns Geld ersparen, wird es noch mehr kosten, denn dann, wenn die Leute die Ersatzfrei­heitsstrafe antreten müssen, haben wir uns im Endeffekt gar nichts erspart.

Die Krankenkassen sind auch angesprochen worden. Zu diesem Punkt noch eines: Ja, da gibt es Handlungsbedarf, keine Frage, und da müssen wir zu einem solidarischen System finden. Wir in Oberösterreich stehen derzeit noch relativ gut da (Bundesrat Mag. Klug: Noch!), in Niederösterreich ist es nicht so. Da bin ich auf die Diskussionen gespannt.

Aber eines ist schon klar: Ganz Westösterreich besitzt eine einzige Fachärztin für Kin­derpsychiatrie – eine einzige! Einige Bundesländer haben Krankenkassen, die keinen einzigen Vertrag mit einer Logopädin oder einer Physiotherapeutin haben. Auch da müssen wir Mittel in die Hand nehmen, damit die Leute Zugang zu den Dienstleistun­gen haben. (Bundesrat Mag. Klug: Dann musst du dem Kassenpaket aber zustim­men!) – Darüber werden wir noch getrennt diskutieren. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit. – Bundesrat Schennach: Aber nicht in dieser Form! – Bundes­rat Mag. Klug: Bist du für das Kassenpaket?)

12.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


12.35.19

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Da ich keine Auslandsreise hinter mir habe, kann ich gleich zum Budgetbegleitgesetz kommen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gru­ber: Dienstreise!) Dienstreise – ja, Dienstreise war es auch keine.

Kollege Dönmez, es ist eben alles nicht so einfach. (Bundesrat Dönmez: Ja, es ist hart! – Weitere Zwischenrufe.) Die Wirtschaftskrise ist einfach so riesengroß! Die Wirt­schaftskrise beschränkt sich nicht allein auf Österreich, die Wirtschaftskrise gibt es


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weltweit – wir haben es heute schon gehört, sogar in den afrikanischen Ländern –, und da kann man eben nicht so einfach sagen: Jetzt werden wir das sanieren! Da kann man nicht sagen: Ich schiebe da ein paar Millionen hin! Mir ist überhaupt nicht klar, was du gemeint hast, du hast ja immer gesagt, Millionen oder Milliarden; was es jetzt wirklich ist, weiß ich nicht. (Bundesrat Dönmez: Legen Sie einmal Zahlen vor, dann wissen wir es! – Weitere Zwischenrufe.) Aber das geht nicht so, ganz so einfach ist es nicht.

Meine Damen und Herren! Kollege Mitterer ist jetzt nicht im Saal. Ich bin auch Kom­merzialrat und darf mich ebenfalls mit diesem Titel schmücken. Ich habe auch noch keinen Konkurs hinter mir, weil ich meine Rechnungen immer bezahlt habe. Das war vielleicht ein Fehler. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich hätte mich vielleicht auch auf Kosten der Lieferanten entschulden können; das geht natürlich auch.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Nationalrat hat das Budget beschlossen – der Bundesrat hat ja mit dem Budget an sich nichts zu tun, aber die entsprechenden ge­setzlichen Umsetzungen sind im Budgetbegleitgesetz verankert, und um diese geht es heute.

Im Zentrum der Politik für die nächsten Jahre muss natürlich die Bekämpfung der Wirt­schaftskrise und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit stehen. Im vorliegenden Bud­getbegleitgesetz sind daher all jene Änderungen verpackt, die es der Bundesregierung ermöglichen, steuernd einzugreifen und auch die entsprechenden Schwerpunkte zu setzen, denn darauf kommt es an.

Es geht jetzt einmal darum, die Arbeitsplätze mit den Kurzarbeitszeitmodellen abzu­sichern. Diese Modelle sind natürlich zu finanzieren. Wir müssen hier absolut gegen­steuern.

Wir brauchen auch eine Belebung der Wirtschaft. Eine erste Maßnahme zur Belebung der Wirtschaft war natürlich die Steuerreform. Man tut jetzt immer so, als wäre das ganz wenig Geld gewesen. Aber das waren über 3 Milliarden €; in altem Geld, sage ich jetzt einmal, liegt das jenseits von 40 Milliarden Schilling! Ich kann mich nicht daran er­innern, dass wir in den letzten Jahren solche Steuererleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger gehabt hätten.

Ich glaube, das ist wichtig, weil es den Konsum ankurbeln kann. Irgendwie müssen wir ja wieder Geld in die Taschen der Leute bringen, damit auch wieder etwas ausgegeben werden kann. Das Fatale an der ganzen Krise ist nämlich, dass wir dann, wenn sich je­der überlegt, etwas zu kaufen, und es dann nicht macht, automatisch in eine Abwärts­spirale kommen.

Dieser Ausdruck ist heute schon gefallen: zur richtigen Zeit auf Pump investieren. Ja, es ist nichts anderes: Es wird einfach auf Pump investiert! Ich weiß auch, dass wir das alles einmal zurückzahlen müssen. Aber es hat jetzt keinen Sinn, sich hier darüber auszulassen, wer das zahlt, ob ich den Pensionisten etwas wegnehme oder ob ich mich darum sorge, wie es meinen Kindern und Enkelkindern geht. Es wird jede Gene­ration ihre Probleme haben. Es ist schon klar, dass das, was wir jetzt an Schulden hin­terlassen, relativ viel ist, aber es gibt keinen anderen Weg.

Was mir an der ganzen Sache abgeht, ist, dass wir auch für die Gemeinden noch zu­sätzliche Maßnahmen brauchen. Wir haben jetzt die thermische Sanierung, da ist Oberösterreich federführend. Kollege Dönmez, Oberösterreich ist in der thermischen Sanierung federführend. (Bundesrat Dönmez: Ich weiß, aber der Landesrat ...!) Ja, Landesrat Kepplinger!

Wir machen auch andere Sachen, aber jeder Bürgermeister – und es sind Bürgermeis­terinnen und Bürgermeister hier im Saal – sagt mir, dass die Steuereinnahmen gerin-


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ger werden. Wenn in einer Gemeinde die Steuereinnahmen geringer werden, dann werden auch weniger freie Mittel zur Verfügung stehen. Und wenn ich weniger freie Mittel habe, kann sich die Gemeinde weniger rühren.

Daher glaube ich, dass wir in diesem Bereich noch etwas tun müssen. Wir brauchen nicht nur diese ganz großen Konjunkturpakete, die wir beschlossen haben. Diese kom­men nicht ganz hinunter bis in die Gemeinden. Das ist, glaube ich, uns allen klar, daher brauchen wir da etwas.

Wir investieren jetzt wieder in mehr Sicherheit, wir bekommen wieder mehr Polizistin­nen, mehr Polizisten. Das ist auch etwas ganz Wichtiges. Ich habe sowieso nie ver­standen, dass man mit weniger Sicherheitskräften mehr Sicherheit schaffen kann. Das hat mir nie eingeleuchtet. Ich habe mich daher hier auch einmal dagegen ausgespro­chen. Innenminister war damals noch Strasser, der das nicht verstanden hat. Der hat gesagt, dass man fast überhaupt nichts braucht. (Bundesrat Kainz: Das hat er sicher nicht gesagt!) Wichtig ist, dass sie richtig eingefärbt sind, dann passt alles. (Bundesrat Kainz: Wichtig ist, dass sie gut arbeiten, das hat er gesagt!) Na, stimmt’s? (Bundesrat Kainz: Das hat er sicher nicht gesagt!) Was war das Ziel? (Ruf bei der ÖVP: So wie der Schelm denkt ...!) – Ja, genau!

Ich befasse mich jetzt nicht mehr länger mit dem Budgetbegleitgesetz, sondern komme zum Thema Sanierung der Gebietskrankenkassen. Warum sind die Gebietskranken­kassen in eine finanzielle Schieflage geraten? – Weil sie Dinge, Bereiche übernehmen haben müssen, für die sie an sich nicht zuständig waren, für die letztendlich der Staat zuständig war. (Bundesrat Kainz: Das Hanusch-Krankenhaus zum Beispiel!) – Nein, da waren sie nicht zuständig. Bestellt und nicht bezahlt – so ist es gewesen. Bestellt und nicht bezahlt! In dieser Situation befanden sich die Gebietskrankenkassen, und das hat auch die finanzielle Schieflage verursacht. Jetzt unter Bundesminister Stöger wird das erste Mal Geld in die Hand genommen und versucht, die Kassen zu sanieren. Ich sage nicht, dass sie schon saniert sind, aber es wird versucht, sie zu sanieren. Dass es natürlich auch eine gewisse Solidarität geben muss, das, glaube ich, wissen wir alle.

Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse hat ausgezeichnet gewirtschaftet. Dort hat es natürlich auch nicht so viele Leistungen gegeben wie vielleicht anderswo. – Da Kollege Kneifel gerade nickt (Bundesrat Kneifel: Sehr gut gewirtschaftet!): Ich habe in den Zeitungen gelesen, dass Landeshauptmann Pühringer und Kollege Kneifel jetzt die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse retten. Das freut mich ganz besonders, wenn du dich dazu aufschwingst. Ich habe nämlich vermisst, dass du dazu in den letz­ten Jahren irgendetwas gesagt hättest. Zum Beispiel als 70 Millionen € von der Ober­österreichischen Gebietskrankenkasse weggekommen sind, habe ich von dir nichts ge­lesen, nichts gehört. (Bundesrat Kneifel: Da hast du ein schlechtes Archiv!) Hast du da ein besseres Archiv? (Bundesrat Kneifel: Ja!) Ich habe da nichts gehört, zumindest öf­fentlich nicht. (Bundesrat Kneifel: Ich werde dir das zukommen lassen!)

Wir alle wissen, worum es hier geht. Es geht um die Sanierung der Kassen. Das ist et­was ganz Wichtiges, weil wir es auch nicht brauchen können, dass sich immer wieder Private andienen und sagen, dass sie das alles besser können. Wenn sich ein Privater um den Gesundheitsbereich annimmt, dann möchte er Gewinne schreiben. Und wenn einer Gewinne schreibt, dann wird es entweder teurer oder die Leistungen werden we­niger, und das können wir gerade im Gesundheitsbereich nicht brauchen. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist ein Totschlagargu­ment! Ob das stimmt, weiß ich nicht!)

Na ja, Herr Kollege, es ist einfach so. Schauen Sie sich den Verwaltungsaufwand der Gebietskrankenkassen an, der bei 2,5 Prozent liegt, und vergleichen Sie das mit dem


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Verwaltungsaufwand, den private Versicherungen haben, dann wissen Sie das. Wenn Sie schon dieses Dogma anzweifeln, dann frage ich Sie: Wie ist denn die Wirtschafts­krise jetzt überhaupt entstanden? (Bundesrat Dr. Kühnel: Bitte, nicht alles zusammen­manschen bei diesem Thema!) Warum haben wir denn jetzt diese Wirtschaftskrise? Da hat es doch auch Dogmen gegeben, die alle nicht mehr passen. Wir löffeln das jetzt al­les aus. (Bundesrat Kneifel: Daran ist nicht die Oberösterreichische Gebietskranken­kasse schuld!) – Nein, ich habe hier einen Sidestep gemacht. (Bundesrat Kneifel: Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse kann da doch nichts dafür!) – Ich weiß! Ich habe das auch nicht auf die Gebietskrankenkasse bezogen. Ich weiß, dass du ein Ret­ter der Gebietskrankenkasse bist. Ich würde dir das überhaupt nie antun, dass ich dich da in eine missliche Lage bringe.

Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg, mit dem Budgetbegleitgesetz und auch mit der Sanierung der Gebietskrankenkassen. Wir werden daher diesem Budgetbe­gleitgesetz unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bit­te. (Bundesrat Mag. Klug – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Bundes­rates Ertl –: Vielleicht erfahren wir jetzt etwas zum Rechnungshofbericht! – Bundesrat Ertl: Nein, den weiß ich nicht!)

 


12.44.28

Bundesrat Johann Ertl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr verehr­ter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Beim Budgetbegleitgesetz, das heute beschlossen werden wird, mangelt es an allen Ecken und Enden an Maßnahmen, die notwendig wären. Das Budgetbegleitgesetz wurde im Wesentlichen so gestaltet, dass nur mehr das Elend verwaltet wird. (Bundes­rätin Mag. Neuwirth: Na, na!) Es trägt nicht wirklich zur Linderung bei. (Bundesrat Mag. Klug: Muss man das wirklich alles protokollieren?)

Ich erinnere daran, dass in den letzten Jahren dramatische Kostenexplosionen in den unterschiedlichsten Bereichen stattgefunden haben, dass die Kaufkraft dramatisch ge­sunken ist und wir feststellen mussten, dass die Menschen mit ihrem Einkommen kein Auskommen mehr finden. (Bundesrat Mag. Klug: Das ist ein Kickl-Papier!)

Wir liegen im Vergleich bei der Einkommensteuer im Spitzenfeld und das führt dazu, dass wir auch international ganz, ganz schlechte Bewertungen haben. Das ist aber für die Bundesregierung kein Problem. Es fehlt dieser Bundesregierung einfach der Mut. Obwohl es dringend notwendig ist, den österreichischen Steuerzahler nachhaltig zu entlasten, ist weder Bundeskanzler Faymann noch Vizekanzler Pröll dazu bereit. (Bun­desrat Mag. Klug: Und was ist mit der Tarifsenkung?) – Dazu komme ich dann noch.

Gleichzeitig wird von der Bundesregierung die Exekutive zu Tode gespart. Die Krimina­litätszahlen explodieren. (Bundesrat Gruber: Die Frau Innenministerin hat heute genau das Gegenteil gesagt!) – Ja, aber falsche Zahlen hat sie genannt. Da haben wir ganz andere Zahlen. (Bundesrat Gruber: Da hat er nicht zugehört! – Staatssekretär Dr. Os­termayer: Vielleicht hat er die Rede auch schon gestern geschrieben!) Die Kriminali­tätszahlen explodieren einerseits durch eine unverantwortliche und nicht differenziert gehandhabte Zuwanderung und andererseits auch durch die Öffnung der Schengen­grenzen.

Ich darf Sie daran erinnern, wir waren die einzige Fraktion, die gegen die Öffnung der Schengengrenze gestimmt hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?) Die Kriminalitätsrate zeigt, dass die von der Öffnung der Schengen­grenze am meisten betroffenen Bundesländer Wien, Niederösterreich, Burgenland und


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Kärnten sind. Aus den Budgetzahlen geht deutlich hervor, dass bei der Sicherheitsexe­kutive, sprich Polizei, die Mehrdienstleistungen um 16 Millionen € gekürzt werden. Um 16 Millionen € werden die Überstunden gekürzt! Ebenso geht daraus hervor, dass das Budget für das Asyl- und Fremdenwesen um 40 Millionen € erhöht wird. Warum wer­den auf Kosten der Sicherheit die Kosten für das Fremdenwesen erhöht? Mir ist das völlig unklar. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das glaube ich! – Bundesrat Kainz: Das sagt ja nichts!)

Die Exekutive im Wechseldienst muss Journaldienststunden leisten. Das haben wir heute schon gehört. Vonseiten des BMI, des Innenministeriums ist leider nicht daran gedacht worden, diese ungerecht bezahlten Mehrdienstleistungen auch gerecht auszu­gleichen. (Bundesrat Gruber: Die Frau Minister hat das Gegenteil gesagt!) – Nein, hat sie nicht gesagt! (Bundesrat Mag. Klug: Da haben Sie wieder nicht zugehört! – Bun­desrätin Mühlwerth: Sie hat das nicht gesagt!)

Ich wundere mich nicht, dass die Motivation der Exekutive an einem Tiefpunkt ange­langt ist.

Mit exakt 804 604 € überzog das Innenressort die Budgetvorgabe der Repräsentations­kosten. Frau Innenminister Fekter ist damit die Überziehungskaiserin! Rekordverdäch­tig ist auch die Summe aller vom Innenministerium angekauften Lebensmittel. Diese schlagen mit knapp 863 000 € zu Buche. Da kann man nur sagen: Mahlzeit im Innen­ministerium!

Diese Regierung trägt zwar die Verantwortung, lässt aber die Bevölkerung im Stich, wenn es darum geht, die Sicherheit zu gewährleisten oder die Wirtschaftskrise zu meistern. Sie lassen die Bevölkerung im Stich, wenn es darum geht, mehr Exekutiv­personal für Österreich sicherzustellen. (Bundesrat Hensler: Die kommen ohnehin noch!)

Was diese Regierung sicherstellt, ist der Ankauf von Radargeräten. Der große Verbre­cher in Österreich ist einmal mehr der Falschparker, der Schnellfahrer, der Arbeiter. Der Dieb, der Einbrecher, der Kinderschänder – dieser Personenkreis wird geschont. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Geh, das ist doch ...!) Täglich sind die Tageszeitungen voll mit schrecklichen Verbrechen. Wo bleibt das Personal, um diese Verbrechen auch aufzuklären? 24 Stunden Dienst – jetzt horcht zu! – unserer Exekutivbeamten, und nach 23 Stunden fällt eine aufsehenerregende Straftat an. Und schon arbeiten diese Beamten bis zu 50 Stunden und länger in einem durch, ohne eine Minute Schlaf! Dass sie beim Personal der Exekutive spart, zeigt deutlich, dass diese Regierung die Bevöl­kerung im Stich lässt.

700 Millionen € pro Jahr geben wir in Österreich für Entwicklungshilfe aus. Da hätte ich auch gerne einmal gewusst, wie viele Waffenkäufe dadurch von Österreich finanziert worden sind. (Bundesrat Gruber: Das ist hier ja keine Märchenstunde!) 800 Millionen € netto pro Jahr überweisen wir nach Brüssel. Das sind alles Summen, die beträchtlich sind. Gerade in Zeiten der Krise, in denen wir uns befinden, muss doch auch daran ge­dacht werden, diese Zahlungen auszusetzen; gerade in dieser Zeit, in dieser Zeit der Krise, wo Experten davor warnen, dass wir in Richtung einer gigantischen Arbeitslosig­keit gehen. Es ist doch notwendig, ernsthaft darüber nachzudenken, dass jeder Cent, der heute nach Brüssel fließt, in Österreich bleiben müsste zur Bewältigung der Krise. (Bundesrat Gruber: Weißt du zufällig, wie viel aus Brüssel zurückfließt? – Bundesrat Dr. Kühnel: Das ist das neue Feindbild!)

Die Bevölkerung wird immer ärmer durch Arbeitslosigkeit. Die Bevölkerung wird immer ärger, ärmer durch Kurzarbeit. Die Bevölkerung wird immer ärmer durch viele im Bud­getbegleitgesetz versteckte Belastungen. Die Bevölkerung wird immer ärmer durch


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Lohnverzicht, sie wird immer ärger, ärmer, und zwar durch Nichtbereitschaft zur Stei­gerung der Kaufkraft in guten Zeiten. (Bundesrat Mag. Klug: Die Bevölkerung wird im­mer „ärger“! – Bundesrat Kainz: Einmal geht’s noch!)

Und die Bevölkerung wird immer ärger, ärmer durch die langfristige Schuldenpolitik der Bundesregierung. (Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen. – Bundesrat Dr. Küh­nel: Und unter Hans-Christian Strache würde die Bevölkerung erst ganz arm werden, wenn der einmal Kanzler wird! – Bundesrat Mag. Klug: Das ist ein Kickl-Papier!)

Mit lautem Getöse wurde durch unsere Stifter eine Debatte über die Verteilungsgerech­tigkeit begonnen und insbesondere die Stiftungen genannt. Eine durchaus notwendige Debatte! Gerade diese Debatte über die Stiftungen wurde aber durch jene angespro­chen, die selbst bis zum Hals in diesem Stiftungssumpf stecken. Das ist Unehrlichkeit zum Quadrat! Dadurch, dass dieser Stiftungsskandal bekannt geworden ist, werden Ih­nen Ihre Wähler stiften gehen. Das sieht man bei der SPÖ. Mittlerweile verliert die SPÖ jede Wahl.

Die Grünen haben die parlamentarische Plattform verlassen und demonstrieren mit vermummten Schlägern. (Bundesrat Schennach: Wo? – Bundesrätin Kerschbaum: Wie kommen Sie darauf, dass es Grüne sind, wenn sie vermummt sind?)

Die Sozialisten versuchen nach wie vor, sich die Sozialdemokraten einzuverleiben, aber der Wähler erkennt immer mehr den Unterschied zwischen Sozialismus und So­zialdemokratie. Gerade die Jungwähler erkennen ihn und wissen von diesem Unter­schied. Die FPÖ hat 60 Prozent der Jungwähler. Die Jungwähler wissen über die Ehr­lichkeit in der Politik Bescheid. (Bundesrat Mag. Klug: Ja, ja, wer das glaubt!)

Die Zahlen dieses Budgets sind bereits überholt und somit Makulatur. 2,2 Prozent Wirt­schaftsrückgang werden diesem Budget zugrunde gelegt. Jeder Wirtschaftsexperte sagt, dass es mindestens 4 Prozent sein werden. Das bedeutet, dass wir nicht 13,5 Milliarden € Defizit haben werden, sondern es wird in Richtung 20 Milliarden € ge­hen. (Bundesrat Hensler: Am Freitag im Bundesrat! – Bundesrat Gruber: Daumen­breite mal Wurzel aus drei!)

Der Gipfel der Respektlosigkeit sind die Aussagen der sozialistischen Abgeordneten im Nationalrat, dass es keine Alternative zu diesem Budget gibt. Ein Bankenpaket von 15 Milliarden € leisten wir uns, und dafür bekommen wir kein Mitbestimmungsrecht, wir erwerben keinerlei Eigentumsrecht und als Krönung werden Zinsen nur dann zu zahlen sein, wenn die Banken Gewinn erwirtschaften. Steuergeld den Banken derart in den Rachen zu werfen ist unverantwortlich. (Bundesrat Mag. Klug: Es sind Haftungen!) Die Unternehmen und somit unsere Wirtschaft bekommen dafür nicht einmal Kredite. (Bun­desrat Mag. Klug: Nur ja nicht vom Kickl-Papier abweichen! – Bundesrat Dr. Kühnel: Er lacht schon über seine eigene Rede!)

Meine Damen und Herren! Die Tarifsenkung – Sie nennen sie Steuerreform – hilft je­nen nicht, die das Geld am nötigsten hätten. Jene Menschen, die am wenigsten verdie­nen, ersparen sich nämlich gar nichts, weil jedem, der weniger als 1 100 € verdient, auch nichts übrig bleibt, aber genau die brauchen das Geld am dringendsten und ge­nau diese Menschen würden jeden Cent in den Konsum stecken. Sie bekommen nichts! Wir werden daher dem Budgetbegleitgesetz nicht zustimmen. (Beifall der Bun­desrätin Mühlwerth. – Bundesrat Gruber: Da sind wir aber jetzt überrascht!)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brun­ner. – Bitte. (Bundesrat Dr. Kühnel: Jetzt ist ein höheres Niveau zu erwarten! – Bun­desrat Dr. Brunner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Da schauen wir noch!)

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 69

12.56.02

Bundesrat Dr. Magnus Brunner (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Zuerst einmal darf ich mich für die freundliche Aufnahme hier im Bun­desrat bedanken, auch beim Kollegen Dönmez für die freundlichen Worte zur Begrü­ßung. Ich freue mich auch auf eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen allen.

Erlauben Sie mir, dass ich auf die Ausführungen meines Vorredners nicht eingehen werde, und zwar nur deshalb nicht, weil es meine erste Rede hier im Hause ist. Wir werden, so glaube ich, die nächsten Monate noch genug Gelegenheit haben, auf sol­che Wortmeldungen einzugehen, und das werde ich mir auch nicht nehmen lassen. Ich freue mich schon darauf! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Die Budgetbegleitgesetze erfüllen vor allem zwei Zielsetzungen: Sie sind ein wichtiges Signal zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Sie tragen auch einer dritten Anforderung Rechnung, nämlich der, dass man nicht oh­ne Rücksicht auf die Zukunft Geld ausgibt. Dem Finanzminister und dem Herrn Staats­sekretär ist es gelungen, mit diesen Budgetbegleitgesetzen und mit dem Doppelbudget insgesamt den Wirtschaftsstandort zu entlasten, Arbeitsplätze zu sichern, den Steuer­zahler zu entlasten und trotzdem – das klingt fast wie die Quadratur des Kreises – das Defizit nicht grenzenlos ausufern zu lassen.

Umso unverständlicher – da komme ich schon zu einer inhaltlichen Differenz mit dem Kollegen Dönmez – sind die Vorstöße von verschiedenen Seiten, neue Vermögens­steuern einzuführen. Eine höhere Vermögensbesteuerung ist aus meiner Sicht ent­schieden abzulehnen, weil man bei der Diskussion dieses Themas sehr bald auch
bei der Grundsteuer wäre. Die Befürworter einer neuen Vermögenssteuer betonen auch immer wieder gerne, dass diese Maßnahme zu mehr sozialer Gerechtigkeit füh­ren würde.

Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, sieht aber wirklich ganz anders aus. Die Wirklichkeit ist nämlich folgende: Wenn die Steuer auch tatsächlich spürbare Einnah­men bringen soll, dann wird es nicht genügen, nur den Besserverdienenden oder den sehr gut Verdienenden einen Solidarbeitrag abzuverlangen, sondern es wird dann viel­mehr die breite Masse der Bevölkerung zur Kassa gebeten, und dazu gehören insbe­sondere die Familien, dazu gehören auch insbesondere die Klein- und Mittelbetriebe im Gewerbe und im Tourismusbereich, die das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen und die gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise nicht weiter belastet werden sollten.

Um das Budget langfristig wieder ins Gleichgewicht zu bringen und damit auch die Zu­kunftschancen unserer jüngeren Generation zu wahren, ist auch ausgabenseitig anzu­setzen. Anstatt die Ansprüche an den Staat ständig erweitern zu wollen, ist es gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise viel eher angebracht, darüber zu diskutieren, welche Aufgaben überhaupt noch von der öffentlichen Hand wahrzunehmen sind beziehungs­weise wie diese dann auch finanziert werden können.

Bei aller Zustimmung zum größten Teil des Budgetbegleitgesetzes muss ich als Vorarl­berger Bundesrat leider auch ein Thema ansprechen, mit dem wir keine Freude haben. Das ist das Kassenpaket, sind die Ideen zur Sanierung der Krankenkassen. Klubob­mann Karlheinz Kopf hat im Nationalrat einige Verbesserungen gegenüber dem ur­sprünglichen Entwurf erreichen können. Es wäre sicher notwendig gewesen, das Kas­senpaket so gut auszuverhandeln, dass es eben nicht zu großen Interessenkonflikten kommt. Karlheinz Kopf hat mit einem Abänderungsantrag am Schluss noch einmal ver­sucht und sich bemüht, eine Lösung zu erreichen. Leider sind die sozialdemokratische Fraktion und vor allem Gesundheitsminister Stöger zu keinem Beitrag zu einer Lösung zu bewegen gewesen.

Daher wollen oder wollten wir Vorarlberger Bundesräte einen Einspruch gegen dieses Gesetz einbringen. Leider hat uns in letzter Minute unser Kollege Einwallner verlassen


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beziehungsweise ist abgesprungen. (Oh-Rufe bei der ÖVP.) Wir haben die nötigen drei Unterschriften nicht erbracht. Das ändert aber natürlich nichts an der inhaltlichen Kritik an diesem Kassenpaket, die ich Ihnen kurz erläutern darf. (Bundesrat Schen­nach: Wir hätten aber die eine Stimme gerne ausgeborgt!)

Es handelt sich dabei natürlich nicht, wie Kollege Einwallner heute in einer Aussen­dung formuliert hat, um Populismus oder um Unredlichkeit – ich war etwas überrascht, dieses Wort von ihm zu hören –, sondern es sind eindeutig sachliche Argumente, die wir ins Spiel werfen. Es sind vor allem verfassungsrechtliche Bedenken, die wir gegen dieses Kassenpaket haben.

Unter anderem soll mit diesem Paket die gebundene Rücklage im Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkasse – und um diesen geht es in unserer Kritik hauptsächlich – in der Höhe von rund 42,5 Millionen € aufgelöst und die Mittel nach dem Abzug eines für
die Wiener Gebietskrankenkasse vorgesehenen Betrages von 33 Millionen € an die übrigen Gebietskrankenkassen aufgeteilt werden. Dieser Betrag von 33 Millionen € entspricht exakt jenem Betrag, der 2008 der Wiener Gebietskrankenkasse gestundet wurde.

Dieser Betrag von 33 Millionen € entspricht aber nicht jenem Betrag, der der Wiener Gebietskrankenkasse zukäme, wenn die 42,5 Millionen € aus der Rücklage entspre­chend den allgemeinen Verteilregeln aufgeteilt würden, denn in diesem Fall kämen
der Wiener Gebietskrankenkasse lediglich 14 dieser 42,5 Millionen € zugute. (Bundes­rat Mag. Klug: So kann man das auch nicht rechnen!)

Wir haben hinsichtlich dieser Aufteilung der Katastrophenmittel, wie gesagt, große ver­fassungsrechtliche Bedenken, vor allem was den Gleichheitsgrundsatz betrifft. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in den 1990er Jahren in einem Erkenntnis festge­halten und klargestellt – ich darf mit Erlaubnis des Herrn Vizepräsidenten aus diesem Erkenntnis zitieren –,

dass der Gesetzgeber angesichts des allgemeinen, aus dem Gleichheitssatz erfließen­den Sachlichkeitsgebots verpflichtet ist, eine mehreren Sozialversicherungsträgern ge­meinsam auferlegte Finanzierungslast intern nach sachlichen Kriterien aufzuteilen. – Zitatende.

Der VGH hat weiters festgestellt, dass es ihm aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt ist, Bestimmungen zu schaffen, die im Ergebnis bestimmte Krankenkassen systema­tisch benachteiligen und andere Kassen privilegieren. – So weit das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.

Was also aus unserer Sicht für eine gemeinsam auferlegte Finanzierungslast gilt, muss wohl im Umkehrschluss in gleicher Weise auch für die Auflösung eines gemeinsam fi­nanzierten Fonds gelten – oder, wie in diesem Fall, für die Rücklagen aus solch einem Fonds. Die Aufteilung der Mittel hat daher aus unserer Sicht nach sachlichen und nicht, wie Kollege Einwallner meint, nach populistischen oder gar unredlichen Kriterien zu er­folgen; insbesondere darf sie nicht derart vorgenommen werden, dass bestimmte Kas­sen privilegiert und andere benachteiligt werden.

Diese massive einseitige Privilegierung der Wiener Gebietskrankenkasse kann auch nicht, wie wir heute schon gehört haben, mit dem Argument von unterschiedlichen Strukturen abgetan werden. Auch andere Gebietskrankenkassen werden gleich behan­delt und haben auch strukturelle Unterschiede. Das kann also kein sachliches Argu­ment zur Bevorzugung der Wiener Gebietskrankenkasse sein.

Das Land Vorarlberg wird deshalb auch eine Verfassungsklage einbringen. Diese wird, sobald das Gesetz kundgemacht werden sollte, sowohl von der Gebietskrankenkasse in Vorarlberg als auch vom Land Vorarlberg an sich eingebracht werden. (Bundesrat Mag. Klug: Das müssen wir abwarten!)


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Noch ein Wort auch zum dauernd in der Luft liegenden Vorwurf eines unsolidarischen Verhaltens Vorarlbergs. Auch Jürgen Weiss wird immer emotional, wenn so ein Vor­wurf kommt. Es stellt sich nämlich die Frage, was an der Geltendmachung von gravie­renden verfassungsrechtlichen Einwänden unsolidarisch sein soll. Das kann ja nicht unsolidarisch sein, denn es verhält sich ja auch nicht der Verfassungsgerichtshof unso­lidarisch, wenn er diese Bedenken teilt! Das kann ja wohl nicht ernst sein, wenn die Herrschaften in diesem Fall unsolidarisches Verhalten vorwerfen.

Edgar Mayer und ich, wir haben beide gehofft, den Nationalrat in die Lage zu verset­zen, die Weichenstellung so zu gestalten, dass sie vom Verfassungsgerichtshof nicht nachträglich korrigiert werden muss und dadurch auch einen gewissen politischen Be­stand hat. Leider scheint das nicht möglich zu sein. Ich werde daher bei allem Erken­nen der positiven Auswirkungen des Budgetbegleitgesetzes aufgrund dieses Kassen­sanierungspakets diesem Budgetbegleitgesetz nicht zustimmen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


13.05.46

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! (Bundesrat Ing. Einwallner betritt soeben den Sitzungssaal. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny – in Richtung des Bundesrates Ing. Einwallner –: Da be­kommst du einen freundlichen Empfang von der ÖVP! – Bundesrat Perhab: Eine Tap­ferkeitsmedaille!) Kollege Brunner, auch wenn es Ihre erste Rede war, darf ich doch ein bisschen darauf replizieren, da Sie ja den Kollegen Dönmez angesprochen haben. Wenn ich jetzt darauf antworte, dann zeigt das wenigstens, dass ich aufmerksam ge­lauscht habe.

Sie, Kollege Brunner, haben gesagt, die Grünen fordern Vermögenssteuern und Sie sprechen sich massiv dagegen aus. Erstens hat Kollege Dönmez nicht allgemein von Vermögenssteuern, sondern von einer Stiftungssteuer beziehungsweise von einer Art von Vermögenssteuer gesprochen. Zweitens haben Sie beim Thema Stiftungen davon gesprochen, dass da auch die Kleinen und Mittleren drankommen. Ich glaube, das werden Sie nicht so gemeint haben.

Prinzipiell ist das Thema Vermögenssteuer eines, das in der Regierungskoalition wahrscheinlich intensiver zu besprechen sein wird. Unsere Meinung dazu ist bekannt. Es ist immer wieder seltsam, dass sich gerade jene, die besser verdienen, hinter der großen Masse jener, die weniger verdienen, verstecken und sagen: Vermögenssteuer ist nur dann möglich, wenn es alle trifft.

Uns Grünen geht es bei der Vermögenssteuer nicht darum, irgendjemanden besonders intensiv zu belasten, sondern darum, dass man das Steuersystem insgesamt ändert. Uns erscheint es nicht gerechtfertigt, dass man Arbeit nach wie vor massiv besteuert, während das Vermögen in Österreich nicht oder kaum besteuert wird. Dass das unge­recht ist, können Sie wahrscheinlich nicht so einfach widerlegen. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Es geht darum, wie ich in Österreich reich werden kann. Kann ich in Österreich reich werden, wenn ich arbeiten gehe, auch wenn ich keinen Job als Manager bei der OMV habe? Oder bei der AUA, ich weiß nicht, ob es da noch so gut geht. Durch körperliche Arbeit wird man in Österreich nicht reich, aber nach wie vor wird und bleibt man in Ös­terreich reich, wenn man ein größeres Vermögen hat. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist keine ideologische Phrase, das kann man nachvollziehen und nachrechnen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 72

Kollege Keuschnigg hat am Anfang nicht ganz verstanden, warum die Grünen jetzt auch davon reden, dass unsere zukünftigen Generationen die Schulden zurückzahlen müssen, die wir jetzt machen. Er hat die Frage gestellt, ob die Grünen nun sparen oder investieren wollen.

Ich denke, wir alle hier sind uns darin einig, dass beides notwendig sein wird. Auf der einen Seite müssen wir sparen – bei Dingen, die man vielleicht nicht so braucht; und investieren sollte man insbesondere bei Dingen, die nachhaltig sinnvoll sind. Nachhal­tigkeit ist bei Investitionen gerade deshalb so wichtig, weil die Generationen nach uns die Schulden zurückbezahlen werden, die wir für diese Investitionen machen. Was wir kritisieren, ist, dass nicht unbedingt dort gespart wird, wo es nötig und sinnvoll wäre, wie zum Beispiel bei Bankenskandalen und AUA-Debakeln. Wo bleibt die Kontrolle, wo sind die Konsequenzen? Das ist für mich die Frage.

Da doch all dieses Wirtschaftschaos, das jetzt entstanden ist, sehr viel mit dem Finanz­marktchaos der Jahre zuvor zu tun hat; da in manchen halbstaatseigenen Betrieben wie AUA und ÖBB nicht gerade bestens gewirtschaftet wurde; da spekuliert wurde, selbst bei uns in einer Landesregierung wurde spekuliert, wodurch Geld verloren ging – angesichts all dessen möchte ich sagen: Da kann man unserer Meinung nach sparen! Um da zu sparen, ist Kontrolle notwendig. Doch Maßnahmen, um diese Kontrolle künf­tig zu verbessern, sehe ich noch weit und breit nicht!

Beim Investieren ist es, wie gesagt, wichtig, dass man nachhaltig sinnvoll investiert. Jetzt bleiben wir bei den vorliegenden Gesetzen; es sind 70, die nicht alle mit dem Budget zu tun haben. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Doch!) Wo bei dieser Geset­zesvorlage die nachhaltig sinnvollen Investitionen sind, ist noch schwerer zu finden. Wenn ich zum Beispiel im Umweltbereich schaue, so steht, nicht im Gesetz, sondern nur im Budget, dass die Ermessensausgaben der Ministerien um 10 Prozent gekürzt werden.

Im Umweltministerium wird das heißen, dass genau bei jenen Dingen, die mehr oder weniger „so nebenbei“ gemacht werden müssen, aufgepasst werden muss. Das wer­den wahrscheinlich Studien zu AKW-Projekten in der Umgebung oder zum Klima­schutz et cetera sein – also Dinge, die man nicht unbedingt dringend sofort braucht, die aber nachhaltig sehr wohl sinnvoll wären und uns später sehr wohl abgehen werden, weil wir dann keine Grundlagen dafür haben, in welche Richtung wir weitergehen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Keuschnigg.) – Das haben wir schon gesagt, zuerst Herr Dönmez und ich dann noch einmal:

Sparen sollte man dort, wo etwas nicht notwendig ist. Wir brauchen keine Banken­skandale, wir brauchen keinen AUA-Skandal, wir brauchen keine ÖBB-Probleme und Spekulationsverluste. Und wo sind die Maßnahmen, um das künftig zu verhindern? Da würde ich gerne sparen, aber da brauchen wir Kontrolle, damit man sich das künftig sparen kann! (Beifall der Bundesräte Schennach und Mag. Ebner.)

Wie Herr Dönmez über die Stiftungen gesprochen hat, so rede ich jetzt von der Vermö­genssteuer. Im Prinzip geht es um eine Umsteuerung, was in unserem Sinne wäre.

Ein weiterer Bereich im Umweltschutz: Da gibt es einen Haufen Geld, das noch herum­liegt und darauf wartet, abgeholt zu werden, nämlich bei der OeMAG. Österreich hat ein Ökostromgesetz, das derzeit so ausschaut, dass die Gelder für neue Anlagen lie­gen bleiben, weil es sich nicht auszahlt in Österreich zu investieren, weil man in Öster­reich Ökostromanlagen nicht wirtschaftlich betreiben kann.

Da gibt es einen ganzen Berg, den man sich abholen könnte, wenn die Bundesregie­rung ein Budgetbegleitgesetz machen würde, das ein Ökostromgesetz wie in Deutsch­land beinhaltet, eines, das funktioniert und wo dann von der Bevölkerung nachhaltig


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investiert und nachhaltig dafür gesorgt wird, dass wir in Österreich einerseits von aus­ländischem Strom unabhängiger werden, und andererseits das Geld bei uns bleibt. (Ruf: ... UVP-Verfahren ...!)

Daran scheitern aber die Ökostrom-Projekte weniger. Sie scheitern daran, dass mit dem derzeitigen Ökostromgesetz wirtschaftlich nichts anzufangen ist. Da können Sie alle Betreiber fragen. Und jetzt liegt das Gesetz auch noch in Brüssel auf Eis, weil sich die Industrie zu sehr einmischt. Wir wissen aber seit Jahren, dass es in Deutschland funktioniert. Bei uns funktioniert es hingegen seit drei Jahren nicht! In Deutschland (Bundesrat Schennach: Auch in Portugal!), in Portugal, in Italien, in Spanien, sogar in Tschechien funktioniert das Ökostromgesetz inzwischen besser als bei uns. Darüber sollte man vielleicht einmal nachdenken. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Ein weiterer Bereich, in den man nachhaltig investieren sollte, ist der öffentliche Ver­kehr. Dazu gibt es auch einen Text im Budgetbegleitgesetz, nämlich „die Begründung der weiteren Vorbelastungen des BMVIT“. Da geht es um einige Milliarden Euro, das sind nur Haftungen, kein Bargeld. Hier muss man sich aber wieder genauer an­schauen, worin investiert wird.

Auf der einen Seite in den Brenner-Basistunnel, dieser wurde bereits besprochen. Wir haben nichts gegen den Brenner-Basistunnel, wenn er Sinn macht und wenn wir ihn uns leisten können. Dass er Sinn macht, geht aus allen möglichen Studien hervor. Sinn macht er dann, wenn er eine gute Alternative ist: wenn der Straßenverkehr auf der an­deren Seite in irgendeiner Form eingeschränkt wird und wenn der Schienenverkehr wirtschaftlich attraktiver ist.

Derzeit schaut es aber so aus, dass der Zug teuer sein wird, die Straße dagegen billig bleibt. Ob dann wirklich umgestiegen wird, wird sich zeigen. Dafür investieren wir aber eine ganze Menge Geld, und zwar bevor wir uns überlegt haben, wie wir dann die Ver­lagerung von der Straße auf die Schiene wirklich erreichen. Man sollte sich vielleicht zuerst darüber Gedanken machen und erst danach zu graben anfangen.

Ein weiteres Problem: Wenn wir von Arbeitsplätzen reden, so sind Großprojekte wie der Brenner-Basistunnel im Verhältnis zu dem, was sie kosten, nicht so arbeitsplatzför­dernd wie Wohnraumsanierung, Umbau von Bahnhöfen, Nebenbahnenausbau, Betrieb von Nebenbahnen et cetera. Das ist sicher arbeitsplatzintensiver als Großprojekte wie der Brenner-Basistunnel. Wie gesagt: Wenn wir ihn uns leisten können und wenn wirk­lich gewährleistet ist, dass Verkehr verlagert wird, sind die Grünen jederzeit dafür; aber es soll nicht im Regionalverkehr und im Nahverkehr immer wieder eingespart werden, damit wir uns Großprojekte auf die Fahnen heften können, die dann nicht funktionieren und vielleicht erst in 20 Jahren fertig werden.

Zum nachhaltigen Investieren oder nachhaltigen Arbeiten im öffentlichen Verkehr ge­hört auch die Geschichte mit den Preiserhöhungen. Vor einem Jahr hat es geheißen, wir setzen die Preiserhöhungen aus; jetzt erhöhen wir gleich um 10 Prozent. (Staats­sekretär Dr. Ostermayer: Bis Mitte des Jahres!) – Ja, bis Mitte des Jahres. Und jetzt erhöhen wir gleich um 10 Prozent. Das heißt, die Erfolge, die die Bahn zuletzt gehabt hat – und es sind viele Menschen vom Pkw auf die Bahn umgestiegen –, diese Erfolge werden wieder relativiert; noch dazu wenn man berücksichtigt, dass die Probleme im Nahverkehr immer massiver werden.

Im Nahverkehr rund um Wien, das weiß ich aus leidvoller Erfahrung, geht man zum Bahnhof und hofft, dass überhaupt noch irgendein Zug kommt, weil momentan durch Umbauarbeiten eben alles sehr viel schwieriger geworden ist. Das ist einerseits ver­ständlich, andererseits ist das eine Kundenverschreckungsaktion, die gemeinsam mit der jetzigen Preiserhöhung wirkt. Viele PendlerInnen sehen nicht mehr ein, wofür sie so viel Geld bezahlen sollen, wenn die Verbindungen nicht passen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 74

Aber das größte Packerl im Bereich ÖBB, nämlich die Reform der ÖBB-Reform, kommt noch. Dazu gibt es eine aktuelle Stellungnahme des Städtebundes, die Sie wahrscheinlich alle bekommen haben. Es wäre dringend nötig, endlich die Kompeten­zen im Schienennahverkehr zu klären, die Zuständigkeiten von Bund und Land. Alle müssen ihren Teil bezahlen und versuchen, möglichst viel anzubieten.

Stattdessen wird die Finanzierung jetzt auch auf die Gemeinden ausgelagert, die dann die Infrastruktur der ÖBB mit erhalten sollen. Das kann sicher nicht Aufgabe einer Gemeinde sein! Gemeinden haben ohnehin zu wenig Geld für Investitionen; das wis­sen wir alle, denn fast alle von uns sind auch in Gemeinderäten oder Gemeinden poli­tisch aktiv. Wir wissen, dass gerade in den Gemeinden die meisten öffentlichen Inves­titionen durchgeführt werden, und dass, wenn das Geld knapp wird, diese Investitionen natürlich fehlen.

Zuletzt möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den auch Kollege Schennach schon kurz angeschnitten hat, nämlich die Gerichtsgebühren. Es gibt Stellungnahmen von der „Lebenshilfe“ und von der Diakonie, weil durch die Erhöhung von diversen Gebühren in erster Linie behinderte Menschen betroffen sind.

Wie wir alle wissen, gehören behinderte Menschen in Österreich ganz, ganz selten zu den Menschen, die das Geld zuhauf haben.

Für diese Menschen ist eine Gebührenerhöhung wie zum Beispiel 110 € bei Entschei­dungen des Pflegschaftsgerichtes oder eine neue Gebühr für die Sachwalterschaft ab Mitte des Jahres eine massive Belastung, die nicht so leicht weggesteckt werden kann.

Dazu kommt, dass auch bei der Behinderten-Milliarde Kürzungen vorgenommen wur­den. Ich habe erst gestern mit einem Bekannten, der selbst einen körperlich behinder­ten Sohn hat, darüber gesprochen. Er hat mir gesagt, das mit der Behinderten-Milliarde betrifft ihn in Wirklichkeit weniger; denn leider ist es so, dass diese zum Großteil dem AMS zugute kommt und insgesamt weniger den Behinderten selbst.

Dennoch ist die Kürzung der Behinderten-Milliarde ein Problem, weil damit Dinge wie Arbeitsassistenz und Integrationsmaßnahmen noch weiter zurückgenommen werden müssen – und das gerade in einem Bereich, wo es schon jetzt nicht leicht ist, wo es schon jetzt massive Überbelastungen gibt.

Was heute schon vielfach bekrittelt wurde: Es liegen hier sehr viele Gesetzesänderun­gen auf einmal vor. Da es keine Begutachtung des Budgetbegleitgesetzes gab, nehme ich an, dass auch dem Nationalrat diese Stellungnahme von „Lebenshilfe“ und Dia­konie zu spät zugestellt wurde. Ich würde bitten, dass Sie sich diese trotzdem noch einmal durchlesen und überlegen, was die Auswirkungen dieser sehr umfangreichen Gebührenänderungen im Justizbereich bedeuten.

Die Begründung, die in den Erläuterungen steht, nämlich dass man die Gerichtsge­bühren erhöhen muss, um Kostenwahrheit zu schaffen, um sich auf die Kernaufgabe der Justiz zu konzentrieren, ist in meinen Augen schon sehr zynisch. Für mich ist es eine Kernaufgabe der Justiz, dass man jedem Bürger und jeder Bürgerin in diesem Land den Zugang zum Recht möglichst gleich und einfach gestaltet. Genau das wird aber durch diese Gebührenerhöhungen verhindert, das ist kontraproduktiv.

Wir werden dem Budgetbegleitgesetz nicht zustimmen und ich möchte noch einmal betonen: Diese Gesetze haben sicher nicht alle etwas mit diesem Budget zu tun. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

13.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 75

13.20.02

Bundesrat Wolfgang Schimböck, MSc (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja heute hier schon sehr viel gesagt worden, aber ich glaube, auf einige Themen sollte man noch kurz eingehen, da es diesbezüglich zu einer ziemlichen Desinformation gekommen ist.

Begonnen hat das mit Kollegin Mühlwerth, die hier erklärt hat, die Sozialversicherung sei kein Ruhmesblatt. Dieses Thema kommt zwar im Budgetbegleitgesetz gar nicht ganz so vor, wie sie es hier ausgeweitet hat, aber ich glaube eher: Wenn wir in diesem Land auf etwas stolz sein können, dann ist es die Sozialversicherung, so, wie wir sie im Moment vorfinden! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Kollegin Mühlwerth – vielleicht können ihre fraktionsnahen Kollegen ihr das nachher sagen – sollte sich schon die Berichte, die hier ja allen Abgeordneten und Bundesräten vorgelegt werden, einmal ansehen. Gerade die Krankenversicherung, auf die die Kolle­gin so sehr hingehaut hat und die immerhin ein Budget von etwa 13 Milliarden € hat, kann nämlich stolz darauf sein, dass von diesen 13 Milliarden € gerade einmal etwa 300 Millionen € für Verwaltungskosten ausgegeben werden. Ich würde jeder Kollegin, jedem Kollegen empfehlen, sich einmal in der privaten Versicherungswirtschaft umzu­sehen. Das sind nach meiner Rechnung sogar unter 3 Prozent, welche ... (Bundesrat Kneifel: Aber als Kaufmann weißt du, dass die im Wettbewerb stehen und dass die natürlich auch einen Marketing-Aufwand haben! Das ist dir schon bewusst?)

Kollege Kneifel, gerade die Wirtschaftskammer, der du ja irgendwie nahestehst, hat jetzt einmal veröffentlicht – und, Kollege Mayer, du hast dir ja jetzt die Pensionskassen einmal sehr genau angesehen –: Es gibt ja jetzt sogar einen gesetzlichen Auftrag, dass aus dem gesamten Abfertigungsbereich – auch, Gottfried (in Richtung des Bundesra­tes Kneifel), bei den Selbständigen; du hast ja mit für diese Lösung gekämpft – diese Gelder veranlagt werden. Da fließen also sehr wohl Gelder kraft Gesetzes in diese pri­vaten Pensionskassen! Und was den Verwaltungsaufwand betrifft, da können sich durchaus – Kollege Mayer hat sich das bei den Gemeindebediensteten in den letzten Monaten sehr genau angesehen – diese privaten Pensionskassen einmal die österrei­chische Sozialversicherung als Vorbild nehmen, wenn es um die Verwaltungskosten geht. Denn dort, wie gesagt – Gottfried, du kannst das nachrechnen (Bundesrat Knei­fel: Aber sicher nicht die Wiener Gebietskrankenkasse! Die ist kein Vorbild!) –, liegen wir unter 3 Prozent, und das ist, glaube ich, sehr beachtlich.

Was die Steigerungen betrifft, da müssen wir schon auch einmal die Kirche ins Dorf zu­rückholen. Denn wenn allein bei der medizinischen Hauskrankenpflege eine Steige­rung von fast 12 Prozent zu verzeichnen war, dann ist das eben so in dieser Republik: Wir werden Gott sei Dank älter. Und ich glaube, die ältere Generation, die sich hier große Verdienste erworben hat, hat darauf auch einen Anspruch. Oder man denke et­wa auch daran, dass von den 13 Milliarden € fast 5 Milliarden € allein für die Kranken­häuser in diesem Land ausgegeben werden oder dass bei den Kosten für Heilmittel ein Plus von 8 Prozent zu verzeichnen ist. Und dieser Standard wächst eben. Erklären Sie bitte einer Patientin oder einem Patienten einmal, dass er das nicht haben soll, weil er jetzt ein älterer Mensch ist!

Kollegin Zwazl hat da so einen Vergleich gezogen, was die Wiener Gebietskranken­kasse betrifft. Ich traue mir das jetzt zu sagen, weil ich nicht aus Wien komme, aber auch schon in verschiedenen Sozialversicherungsträgern in Funktionen war: Man muss eben zur Kenntnis nehmen, dass es in Wien auch eine große ältere Generation gibt und dass bekanntlich zwei Drittel der Aufwendungen der Sozialversicherungsträ­ger im Krankenversicherungsbereich für die ältere Generation anfallen. Und ich denke, es gilt hier nun einmal das Solidarprinzip, und ich glaube, dazu stehen wir auch hier in diesem Haus. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Kneifel: Das Hanusch-Krankenhaus!)


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 76

Also: Wenn die Sozialversicherung etwas ist, dann ist sie eben ein Ruhmesblatt! Das ist genau das Gegenteil von dem, was Kollegin Mühlwerth hier gesagt hat.

Kollege Mitterer, ich weiß nicht, wo du eigentlich im Kärntner Landtag damals warst, denn du müsstest doch eigentlich wissen, dass in Kärnten ungefähr jeder fünfte Pen­sionsbezieher eine Ausgleichszulage braucht. – Ich glaube, man hat in Kärnten die Landespolitik in den letzten Jahren eher mehr so als Entertainment betrachtet, denn sonst wäre das zu dir als Landtagsabgeordnetem sicherlich durchgedrungen. – Das sind riesige Kosten für die Pensionsversicherung!

Kollege Mitterer, wenn du einmal dieses Heft durchblätterst, das dir als Bundesrat zur Verfügung steht, dann wirst du sehen – und das ist eben leider die triste Situation in Kärnten, was das soziale Klima dort betrifft –: Jeder fünfte Kärntner braucht eine Aus­gleichszulage im Pensionsversicherungssystem! Nur zum Vergleich, da du die Werte wahrscheinlich nicht kennst: Wir liegen im Österreichschnitt ungefähr bei 11 Prozent. – Dort gehen also die Gelder hin! Vielleicht könnt ihr eure Kollegin diesbezüglich dann ein bisschen aufklären.

Jetzt möchte ich aber noch etwas sagen, denn sehr interessant war auch, dass ein Kollege heute gesagt hat, die Ansprüche an den Staat werden ausgeweitet. Das war für mich wirklich phänomenal – denn dieser Kollege war lange Zeit mit dir im Wirt­schaftsbund –, dass das gerade aus dieser Ecke kommt. Denn: Wer kommt denn jetzt mit ganz großartigen Ansprüchen an den Staat? – Nicht die Bürgerin und der Bürger, ja nicht einmal die Ausgleichszulagenbezieher, sondern ich kenne da eine Liste, und da­rauf lese ich Namen wie Treichl und andere große Bankinstitute. Das sind diejenigen, die im Moment Ansprüche an den Staat stellen! Ich weiß nicht, ob Sie diese gemeint haben oder doch jemand anderen. Vielleicht ist Ihnen da auch etwas durcheinander gekommen. (Bundesrat Kneifel: Und die Wiener Gebietskrankenkassa!)

Die Zweiten, die dann da waren und Ansprüche gestellt haben, das waren auch nicht die Klein- und Mittelbetriebe, die Gottfried Kneifel und Sie auch einmal vertreten haben, sondern das waren eher die großen Industriebetriebe, die gesagt haben: Nach den Banken sind wir die Zweiten, die die Hand aufhalten! – Da habe ich gelesen: die Bauin­dustrie, andere Industriebetriebe.

So also hat das ausgesehen, was die von Ihnen zitierten Ansprüche an den Staat be­trifft. Diese Ihre Aussage heute in diesem Haus war also wirklich bemerkenswert. (Bun­desrat Perhab – eine Zeitung in die Höhe haltend –: Der Hannes Androsch ist auch ein Begriff, oder? Hannes Androsch!) – Nun, er ist auch ein Industrieller.

Was ich dann noch gesehen habe: Es sind natürlich eine Reihe von Dingen in diesem Budgetbegleitgesetz enthalten, die ich als eine Verwaltungsvereinfachung sehen wür­de. Da würde ich schon noch den Herrn Staatssekretär ersuchen, das mit auf den Weg zu nehmen: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir hier die kleinen und Kleinstbetrie­be entlasten, denn dort steht eigentlich das Verhältnis der Beratungskosten zu dem, was so ein Betrieb erwirtschaftet, in keinem richtigen Verhältnis. Man sollte daher wirk­lich – vielleicht könnte da das Finanzministerium federführend vorangehen – für Klein- und Kleinstbetriebe Pauschalierungssysteme schaffen, die diese entlasten, denn wenn ich mir die Steuerberatungskosten, Lohnverrechnungskosten und dergleichen mehr für Klein- und Kleinstbetriebe, die oft nur zwei, drei Mitarbeiter haben, ansehe, dann steht das einfach in einer ganz schlechten Relation zu dem, was dort erwirtschaftet wird.

Ich sehe erste Bereiche, auch zum Beispiel im Justizbereich, bei der Forderungsein­treibung und dergleichen mehr, wo es hier zu einer Vereinfachung kommen wird, wür­de aber doch dafür plädieren, dass man diese Dinge in Angriff nimmt. So wie ich über­haupt glaube – das sollten wir hier berücksichtigen –, es wird ja bei einer schlechteren


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Beschäftigungslage für die Gemeinden zu Einbrüchen in der Kommunalsteuer kom­men, und es ist daher ganz wichtig, dass wir all jene kleinen und kleinsten Betriebe un­terstützen, die jetzt noch Arbeitsplätze nicht nur erhalten, sondern auch schaffen.

Wir werden in nächster Zeit einmal eine Veranstaltung im Haus haben, was die Nah­versorgung betrifft. Die Nahversorgung ist nach meinem Verständnis nicht nur der Le­bensmittelhändler vor Ort im Bezirk, im Grätzel, sondern das sind die vielen kleinen Betriebe aus dem Gewerbesektor, aus dem Dienstleistungssektor, die ja ausgebaut gehören, um den Menschen eben Lebensqualität zu bieten.

Insgesamt kann man diesem Paket sehr viel Positives abgewinnen, und ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch einmal bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, da es ja nicht ganz einfach war, diesen weiten Komplex hier abzudecken, der aber dazu beitragen wird, nicht nur unsere Konjunktur zu stützen, sondern auch ein günstiges psychologisches Wirtschaftsklima in unserem Land zu schaffen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Eb­ner. – Bitte.

 


13.28.52

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Das Budgetbegleitgesetz betrifft – es wurde schon mehrmals ange­sprochen – 70 Gesetze und Ordnungen, wie Zivil-/Strafprozessordnung, Exekutions­ordnung, Bundesabgabenordnung und dergleichen mehr. Wenn es um die Belastun­gen geht, dann ist man sehr konkret in den Formulierungen. Wenn es um die Entwick­lungen, um die Reformen geht, dann wird hier sehr schwammig und sehr offen for­muliert.

Bei „Zivilrechtsangelegenheiten“ heißt es: „Durch Anpassungen im Gebührenrecht sol­len Mehreinnahmen von ... erzielt werden.“ Bei „Strafrechtsangelegenheiten“: „Durch Anpassung im Kosten- und Gebührenrecht sollen Mehreinnahmen erzielt werden.“ – Und so geht es weiter, wenn es um Belastungen geht. Wir haben schon einige von den Vorrednern gehört.

Wenn es aber um Bereiche wie die Gebietskrankenkassen geht, dann lauten die For­mulierungen etwa: Es „sollen Maßnahmen getroffen werden, die ... dienen“. Wenn wir dann weitergehen zum Bildungsbereich – erlauben Sie mir, dass ich etwas später da­rauf zu sprechen komme –, so heißt es hier: „... ist in Aussicht genommen“.

Überall dort also, wo es in den Gesetzen um Belastungen geht, ist man sehr konkret. Wo es aber um Reformen geht, dort wird es sehr nebulos.

Wenn mein Vorredner für den Gebietskrankenkassenbereich hier eine Lanze ... – schlagen wollte, treffen wollte (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Gebrochen hat!) – ge­brochen hat, ja – ich wollte es eigentlich anders formulieren, aber danke schön, Herr Staatssekretär! –, dann darf ich an den Vorvorredner erinnern, der, von Vorarlberg kommend, eine entsprechende Verfassungsklage einbringen wird.

Das sind also die Vorgaben, die uns, dem Bundesrat, nunmehr vorgelegt werden, wenn wir heute über das Budgetbegleitgesetz zu diskutieren haben. Einerseits Belas­tungen und andererseits: Wenn man im Budget ein Zahlenkonvolut hat bei einer Vor­gabe von minus 3,5 Prozent, oder vielleicht doch 4,4 Prozent des Bruttoinlandspro­dukts, minus 2,2 Prozent oder doch 4 Prozent oder doch 0,0 Prozent, dann stellt sich für uns die Frage: Wie sinnvoll und richtig ist es, ein Doppelbudget zu machen?


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 78

Ich habe den Eindruck, man will sich darüber hinwegtäuschen, hinwegschweigen, wie ja auch der Herr Bundeskanzler bei Ministerin Schmied sich zuerst verschwiegen hat und sie völlig im Regen stehen gelassen hat, als der Finanzminister von ihr Maßnah­men gefordert hat und sie dann auch im Regen stehen gelassen hat. Das ist offensicht­lich der Stil dieser Regierungskoalition. Auch wenn heute Ministerin Fekter in einem Zynismus, den ich bisher noch nicht gekannt habe, sagt: „Ich werde der Polizei nicht erklären, sie muss zwei Stunden länger arbeiten“, dann ist es für mich verwunderlich, dass innerhalb der Koalition solche Äußerungen getätigt werden. Und ich sehe auch ein, dass es völlig klar ist, dass von dieser Regierung keine Reformen zu erwarten sind, wenn man sich hier im Hohen Haus so die Bälle zuwirft, die Lanzen zuwirft und meint, punktgenau getroffen zu haben. Ich glaube, diese Aussage hat sich selbst ad absurdum geführt, und die Frau Minister sollte sich eines anderen Tones befleißigen.

Genau dasselbe gilt auch, wenn Kollege Gruber aus Salzburg auf die Kärntner Bud­gets hinweist und meint, diesbezüglich Kritik üben zu können. Da hat er wohl verges­sen, dass die letzten Budgets in Kärnten BZÖ-SPÖ-Budgets waren und dass alle Rechnungsabschlüsse besser ausgegangen sind als die Voranschläge, die von SPÖ-BZÖ-Koalitionen beschlossen wurden. Vielleicht sollte er etwas über die Tauern hin­weg schauen, dann könnte er auch von Kärnten lernen, wie Budgetkonsolidierung und Budgetpolitik geht.

Das sei Ihnen allen auch ins Stammbuch geschrieben: Wenn wir eine Steuerreform ha­ben, dann wird diese Steuerreform auch in Kärnten Auswirkungen haben, und wenn wir die Entwicklung der Budgetmittel, die dem Land zugewiesen werden, mit etwa 100 Millionen Minus bewerten, dann wird natürlich auch im Bereich der Steuerreform die Auswirkung mit etwa 44 Millionen € zu bewerten sein. Das Bundesland Niederös­terreich, das eine weit höhere Pro-Kopf-Verschuldung als Kärnten hat, wird dann offen­sichtlich auch beim Finanzminister – so von Onkel zu Neffen – vorstellig werden, um diese Budgetansätze anzuprangern und diesbezügliche Änderungen als notwendig einzufordern. Wir haben ja am Beispiel der Diskussion über CERN, Ausstieg oder Nichtausstieg, gesehen, wie diese auch in einer Situation, wo es um Arbeitsplätze geht, wo es um die soziale Sicherheit geht, wo es um die Zukunft auch des Wirt­schaftsstandorts Österreich geht, dann zu einer besonderen Art von Diskussion geführt hat, bei der draußen keiner verstanden hat, was hier tatsächlich gewollt wurde. Wollte man etwas anderes zudecken, oder wollte man hier wirklich eine konstruktive Diskus­sion über den Ausstieg aus der Atomdiskussion und über alternative Energiepolitik füh­ren? – Dann hätte man diese Diskussion, glaube ich, anders führen sollen.

Die Reformen stehen an. Sie sind hier schon mehrmals angerissen worden. Eine Staats- und Verwaltungsreform ernst zu nehmen heißt, so wie wir es bei der letzten Diskussion auch gehört haben: Weg von der kleinen Königreichspolitik, hin zu einer ge­samtstaatlichen Politik! Herr Bundesrat Weiss hat ja als Föderalismusminister eine Re­form, eine Staatsreform versucht und ist damit wohl nicht weitergekommen. Vielleicht ist das jetzt die Möglichkeit, Parallelitäten, Doppelgleisigkeiten hintanzuhalten. Genau dasselbe: Eine Krankenkassendiskussion ist natürlich eine Gesundheitsreformdis­kussion. Und keiner, der politische Verantwortung hat, will hier in irgendeiner Form von Sparmaßnahmen reden, bei denen auch eine Reduzierung oder Verringerung unseres hohen Niveaus mit zur Diskussion stünde.

Aber ich habe den Eindruck, dass alle Kollegen von SPÖ- oder ÖVP-Seite, die sich am Anfang zu Wort gemeldet haben, wie etwa Kollege Keuschnigg, uns darauf vorberei­ten, dass wir mit entsprechenden Steuererhöhungen zu rechnen haben werden. Sie sprechen davon, dass wir das „zurückzahlen“ werden. Zuerst wird sich nichts erhöhen, aber die Steuereinnahmen von morgen werden dann wohl zeigen, wie wir das, was jetzt an Schulden da ist, wieder begleichen werden.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 79

Die jetzige Regierung, der Finanzminister sagt, wir werden nichts erhöhen. Sie hinge­gen sagen ganz offen, es werden Steuererhöhungen kommen, die Frage ist nur, wann. Die Diskussion hat ja schon begonnen. Sie haben nur noch nichts in diese Richtung gesagt. Herr Professor Konecny hat ebenfalls gesagt, das heuer beschlossene Budget werde Belastungen in der Zukunft bedeuten. (Präsident Reisenberger übernimmt wie­der den Vorsitz.)

Es steht mir nicht an, dazu eine Berichtigung zu machen, aber ich darf eine Ergänzung machen: Ich glaube, dass John Maynard Keynes und sein Deficit spending aus den dreißiger Jahren durch Stiglitz und die anderen Ökonomen des ausgehenden 20. Jahr­hunderts relativiert worden sind. Und die Weltwirtschaftskrise ist durch den New Deal nicht gelöst worden, sondern wir wissen, dass über die Tennesee Valley Authority und andere Versuche nur marginale Arbeitsplatzmöglichkeiten im Rahmen des New Deal in den USA geschaffen wurden. Vielleicht kommen wir dazu noch, aber das ist eher eine besondere Form des Gesprächs. Deficit spending ist in dieser Situation nicht ... (Bun­desrat Mag. Klug: Die Alternative? Die Alternative?)

Was die Alternative betrifft, so ist die Regierung hier gefordert, die entsprechenden Al­ternativen in den Reformen zu sehen, denn die Stiftungen in einem Steuerparadies zu belassen ist keine Alternative. Ich möchte hier nicht davon ausgehen, dass die SPÖ, ob es in der Steiermark oder in Oberösterreich oder in Kärnten ist, eine besondere Nä­he zu den Stiftungen und zu den Steuerbefreiungen von Stiftungen hat.

Kolleginnen und Kollegen! Wir glauben, ja wir sind überzeugt, dass dieses Budget in den Grundansätzen der Versuch ist, eine Weltwirtschaftskrise auf der innerstaatlichen Ebene in Angriff zu nehmen, sehen aber darin keinerlei Lösungsansätze.

Daher werden wir von unserer Seite diesem Budgetbegleitgesetz die Zustimmung nicht geben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

13.38


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


13.38.28

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Ebner, Kärnten ist ein wunderschönes Land – auch ich bin davon begeistert, als Tourist oder auch als Urlauber. Aber nicht einmal Sie als Direktor einer höheren Schule können uns hier er­klären, dass Kärnten ein Vorbild ist, was Budgetkonsolidierung und -sanierung betrifft. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Klug.) Ich glaube, das ist ja bei 1,7 Milliarden € Schulden des Landes Kärnten, bei Ausverkauf des gesamten Familiensilbers, wohl nicht der Fall. Aber ich gebe Ihnen recht, wir sind ja auch in dieser Hinsicht Nachbarn, denn die Steiermark steht diesbezüglich auch nicht viel besser da. Das gebe ich auch zu, so ehrlich bin ich auch.

Aber letzten Endes ist die Problematik natürlich auch ausgehend davon, dass wir die größte Wirtschaftskrise seit 1945, sage ich jetzt einmal – ich gehe gar nicht so weit zu­rück –, zu bewältigen haben, und das führt zu gewaltigen Konsequenzen für alle Ge­bietskörperschaften, für die Wirtschaft per se und auch für uns als gesamtes politi­sches System.

Ich glaube, dass die Ansätze in diesen beiden Budgets beziehungsweise in diesem Doppelbudget sowie in diesem Begleitgesetz positiv zu sehen sind. In einem Punkt muss ich allerdings Stefan Schennach recht geben: Wir haben uns tatsächlich voriges Jahr darüber massiv beschwert, dass wir ein derartiges Gesetzesvolumen als Abge­ordnete in dieser Zeit nicht bewältigen können – das ist unmöglich –, aber ich glaube,


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 80

es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die nicht erfreut wären, wenn wir noch zwei, drei Sondersitzungen zu dieser Gesetzesmaterie hätten, mit Begutachtungen und al­lem, was dazugehört. Es ist nun einmal parlamentarischer Brauch geworden, mehr als 60 Gesetzesmaterien unter einem zu beschließen.

Es kann natürlich jeder das herausfiltern, was er kritisieren möchte, aber ich glaube, dass wir doch eine ganzheitliche Betrachtung in den Vordergrund stellen sollten. Denn: Was wäre die Alternative dazu? Würden wir dieses Budgetbegleitgesetz nicht positiv beschließen, was hätte das für Konsequenzen für die österreichische Wirtschaft, für den österreichischen Staatshaushalt und für unsere Bevölkerung? Darüber sollte man ernsthaft nachdenken. Das möchte ich der Opposition, die dagegen spricht, was natür­lich ihr gutes Recht ist, hier doch entgegenhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei Zielsetzungen in diesem ganzen Bud­getvolumen sind unbestreitbar.

Erstens: Es ist wichtig, die Zukunft Österreichs mit diesen Budgets sicherzustellen.

Alle meine Vorredner waren sich einig darüber, dass, wenn wir uns anstrengen, wenn wir unsere Ressourcen nützen, Österreich die Chance hat, schneller und besser aus der Krise herauszukommen als andere europäische Staaten, weil wir Assets haben, die es uns ermöglichen, schneller zu reagieren.

Zweitens: moderate Verschuldung. – Die Verschuldung wird natürlich die Zukunft über Generationen belasten. Uns ist es aber überhaupt nicht egal, wie viel Schulden wir ha­ben, mit wie viel Schulden wir die nächste Generation belasten. Uns, der Volkspartei, macht das große Sorgen, und wir haben die Ambition, diese Schulden so gering wie möglich zu halten. Wenn wir im internationalen Vergleich die Budgetentwicklung an­schauen, dann müssen wir sagen: Damit liegen wir im guten Mittelfeld.

Was die Budgetsanierung betrifft, so stellt Felderer – und auch andere Experten sagen Ähnliches – ganz konkret fest, dass die Sanierung des zukünftigen Budgetdefizits mit­tels einer neuen Vermögensteuer absurd ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht sagt Ihnen der Gini-Koeffizient et­was. Dieser stellt dar, wie die Einkommensverteilung überhaupt ausschaut, also auch in Österreich und international. In der Spreizung vom niedrigsten Einkommen bis zum höchsten Einkommen liegen wir im grünen Bereich mit 0,29. Wir liegen damit im ersten Drittel weltweit. Dänemark ist um eine Spur besser. Aber wir haben die soziale Sym­metrie auch in der Einkommensverteilung. Daher gilt es, in Zeiten der Krise die Wirt­schaft und die Bürger nicht mit neuen Steuern zu belasten, sondern wir müssen sie jetzt entlasten, damit wir schneller zu einem Konjunkturaufschwung kommen und in eine positive wirtschaftliche Entwicklung starten können.

Das ist das erste Budget unseres Parteiobmannes, Finanzministers und Vizekanzlers Pröll, und ich meine, es ist ein gelungenes Budget, und zwar trotz schwieriger Voraus­setzungen und Rahmenbedingungen, die zu berücksichtigen waren.

Es wurde heute bereits gesagt, dass schon jetzt die Prognosen hinsichtlich 2,2 Prozent Wirtschaftsabschwung nicht mehr stimmen. Natürlich kann niemand aufrecht behaup­ten, dass das im nächsten Monat noch so ist. Selbstverständlich werden Anpassungen vonnöten sein.

Josef Pröll ist es gelungen, in schwierigen Zeiten für die österreichische Bevölkerung ein verkraftbares Budget zu beschließen, für die österreichische Wirtschaft Rahmenbe­dingungen zu schaffen, die es uns erlauben, schneller wieder durchzustarten, und für die zukünftigen Generationen den Rucksack nicht so groß ausfallen zu lassen, dass er nicht mehr zu bewältigen ist. In diesem Sinne stimmen wir diesem Budgetbegleitgesetz zu. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.43



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 81

Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile ihm dieses.

 


13.44.08

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen ganz deutlich sagen: Es ist zwar bedauerlich, dass Kollege Ertl und Kollegin Mühlwerth von der FPÖ beziehungsweise von der Opposition jetzt nicht im Saal sind, aber die Redebeiträge dieser beiden Kollegen haben mich in Wahrheit in meiner eigenen politischen Einschätzung, dass in der derzeitigen Situation eine Null­lohnrunde für Politiker gerechtfertigt ist, in Wahrheit nur bestärkt. (Beifall des Bundes­rates Mag. Erlitz.)

Damit mir der Präsident nicht den Vorwurf macht, dass das eigentlich zum Tagesord­nungspunkt, der später drankommt, gehört, möchte ich jetzt zum Budgetbegleitge­setz 2009 kommen und einige Punkte aus meiner Sicht dazu sagen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist natürlich ganz klar, wenn einzelne Gesetzesma­terien global behandelt und diskutiert werden, dass es bei den einzelnen Kolleginnen und Kollegen verschiedene Schwerpunktsetzungen und auch unterschiedliche Interes­senlagen gibt und auch unterschiedliche Vertiefungen in der Materie selbst. Das liegt in der Natur der Sache, das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches. Aber ich glaube schon, dass wir die Verpflichtung haben, wenn wir zu einem Konvolut von Gesetzes­materien sprechen, nämlich in diesem Fall den Bundeshaushalt und das Budget betref­fend, uns sehr gut zu überlegen, ob wir da unsere Zustimmung zu verweigern riskieren sollten, und zwar in Zeiten einer derartigen wirtschaftlichen Krise, ob die Argumente, die man vorbringt, dafürstehen, oder ob man als einzelner Politiker nicht maßlos über­zieht und das Nichtzustimmen in Wahrheit sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Wenn wir uns solche Aussagen, wie sie die Ausführungen des Kollegen Ertl und der Kollegin Mühlwerth zum Kassensanierungspaket enthielten, anhören mussten – und es tut mir leid, so hart formulieren zu müssen –, dann muss ich ausdrücklich fest­stellen: Es ist wirklich problematisch, über die Krankenversicherung zu sprechen, wenn man überhaupt keine Ahnung davon hat, was im Zuge der Ausführungen der beiden Redner offensichtlich wurde. Ich betone: Überhaupt keine Ahnung!

Es ist auch nicht besonders „sportlich“, sich im Bundesrat in der Plenarsitzung zu Wort zu melden, aus der Sicht der Opposition die übliche Kritik anzubringen und dann, wenn es um die inhaltliche Auseinandersetzung geht, im Saal nicht anwesend zu sein. Ich sage das vorsichtig, denn es kann immer begründete Unterbrechungen der Anwesen­heit geben, aber wenn die Opposition das Budgetbegleitgesetz 2009 in Summe kriti­siert und dann nicht einmal anwesend ist, wenn es um die inhaltliche Auseinanderset­zung geht, dann muss ich sagen: Das ist keine geeignete Art und Weise, wie man mit­einander arbeiten sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Aus der Sicht der Steiermark möchte ich zum Thema Kassensanierungspaket zunächst einmal Folgen­des sagen: Mir ist klarerweise bekannt, dass das Ergebnis der Regierungsklausur in Sillian mit dem Koalitionspartner vereinbart war. Unser Gesundheitsminister hat sich bemüht, mit allen Ländern darüber Gespräche zu führen. Und als Steirer möchte ich diese Gelegenheit auf alle Fälle ergreifen, vielen, vielen herzlichen Dank für dieses Sa­nierungspaket zu sagen, denn es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und es ist eine wichtige Kurskorrektur.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag vielleicht etwas skurril wirken, wenn ein Stei­rer sich bemüht, die Wiener Gebietskrankenkasse zu verteidigen, aber ich muss ganz offen und ehrlich sagen: Wenn man hier derartige Ausführungen wie die der Bundesrä-


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te Ertl und Mühlwerth hört, dann muss man zur Situation der Wiener Gebietskranken­kasse zumindest zwei Sätze sagen, und das mache ich jetzt im Interesse der Versi­cherten in Wien sehr gerne.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die politische Diskussion über die Krankenversiche­rung aufzuziehen über die Debatte „gute Kassen“ und „schlechte Kassen“ ist inhaltlich derartig daneben – um nicht ein anderes Wort zu verwenden –, dass es schlimmer gar nicht geht. Ich weiß, dass sich die politischen Gegner bemühen, mit der Debatte „gute und böse Kassen“ die vergangenen Jahre zuzudecken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, betrachten wir in Bezug auf die Gebietskrankenkas­se Wien die Jahre 2001 bis 2006 – wahrscheinlich sind aus diesem Grund die bei-
den Proponenten der FPÖ aus dem Saal gegangen –: Wenn wir nämlich nur die Jah-
re 2001 bis 2006 vergleichen würden und jene Maßnahmen abziehen würden, mit der die Politik damals die Gebietskrankenkasse in Wien belastet hat, dann hätte die Ge­bietskrankenkasse Wien jetzt einen Budgetüberschuss von 155 Millionen €. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mag. Neuwirth: So ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist enorm schwierig, eine Krankenversicherungs­debatte im Detail zu führen. Aber wenn wir als gesetzgebende Körperschaft Rech­nungshofberichte ernst nehmen, dann sollten wir sie auch genau lesen. Ich darf jetzt diese Gelegenheit dazu nutzen, zum Thema Wiener Gebietskrankenkasse, die ebenso wie alle anderen Gebietskrankenkassen selbst verwaltet wird von den Funktionären und Funktionärinnen der Versicherten, ein paar Sätze aus dem Rechnungshofbericht zitieren:

Der „Ermessensspielraum“ in der Gebietskrankenkasse Wien wurde „voll ausge­schöpft: Der RH stellt fest, dass die WGKK bereits alle freiwilligen Leistungen bzw. satzungsmäßigen Mehrleistungen eingestellt hat. Somit hat die Selbstverwaltung ihren Spielraum bei den nicht gesetzlichen Leistungen“ völlig „ausgeschöpft.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das versteht man dann gut, wenn man weiß, was frei­willige Leistungen und satzungsmäßige Mehrleistungen sind. Ich habe ohnedies die Hoffnung aufgegeben, dass das bei den Vertretern der FPÖ der Fall ist.

Wenn wir im Zusammenhang mit einem Ausgleichsfonds von mehreren Gebietskran­kenkassen ein gesamtes Paket auf die Schiene stellen, dann ist mir völlig bewusst, dass insbesondere in der Länderkammer – ich betone, Kollege Brunner: insbesondere in der Länderkammer! – die Sensibilität hinsichtlich der Frage: Wohin fließt welches Geld?, eine besonders hohe ist.

Das ist mir völlig bewusst. Wenn man sich allerdings das Kassensanierungspaket in Summe genauer ansieht und wenn man sich mit dieser Materie näher beschäftigt hat, dann weiß man, dass es in Wahrheit fünf einzelne Pakete sind.

Fünf einzelne Pakete umfasst das Kassensanierungspaket. Der große Gedanke des Kassensanierungspaketes ist: Es kommt neues, frisches Bundesgeld in das Gesund­heitssystem.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nur an alle hier im Bundesrat appellieren: Reden Sie, bitte, mit – Ihnen vielleicht auch nahestehenden – Expertinnen und Exper­ten und fragen Sie diese, ob neues Geld im Gesundheitssystem gebraucht wird oder nicht, und zwar mittel- und langfristig! Wenn die Mehrheit der Meinung ist, dass kein neues Geld gebraucht wird, dann kann man das Kassenpaket ablehnen. Das wird aber nicht der Fall sein.

Wenn ich mir genau anschaue, was mit diesem Kassensanierungspaket tatsächlich auf die Reise geschickt wird, dann muss ich ehrlich sagen: Ich bin eigentlich überrascht,


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dass in einer Länderkammer der Föderalismus derartig überstrapaziert wird, denn es ist so, dass bei einer einzelnen Maßnahme, nämlich bei der Auflösung des Katastro­phenfonds, von 42 Millionen € die Vorarlberger Gebietskrankenkasse 600 000 € ohne­dies bekommt und dass die 33 Millionen € in Wahrheit auf eine Stundung zurückzufüh­ren sind, die die Trägerkonferenz Anfang 2008 beschlossen hat.

Wir müssen uns natürlich irgendwann einmal die Frage stellen: Wie wollen wir denn die Sozialversicherung verwaltet haben? Wollen wir immer dann, wenn es irgendwo eine kleine Geschichte gibt, die uns nicht passt, als Politiker sagen: Das brauchen wir nicht, jetzt brauchen wir etwas anderes!, oder wollen wir, wie ich den Worten der Frau Präsi­dentin entnehmen konnte – sinngemäß übersetzt: dass wir davon überzeugt sind –, dass auch die Krankenversicherung im Bereich der Selbstverwaltung grundsätzlich in guten Händen ist?

Das muss man sich, glaube ich, gut überlegen. Summa summarum halte ich es für ein enormes Risiko, wenn man diesen Weg beschreitet.

Im Übrigen möchte ich zur Klassifizierung „gute Kassen“ und „schlechte Kassen“ sa­gen: So etwas gibt nicht, es gibt aber qualitative Unterschiede! Qualitative Unter­schiede gibt es zum Beispiel dort, wo die Funktionärinnen und Funktionäre es selbst in der Hand haben, wie viel an Beitragsaufkommen für die Versicherten pro einzelne Maßnahme an die Ärzte überwiesen wird.

Mir liegt in diesem Zusammenhang eine Statistik vor, die besagt, dass die Wiener Ge­bietskrankenkasse die zweitsparsamste Kasse österreichweit in Bezug darauf ist, was Vertragsärzte pro Patient und Quartal von den Krankenkassen bekommen, und zwar mit 44,11 €. Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse ist mit 50,05 € die drittausgaben­freudigste Gebietskrankenkasse in ganz Österreich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, es tut mir leid, aber ich möchte wirklich sagen – ohne dass ich mich für diese detaillierte Darlegung der Krankenversicherung entschuldigen möchte –: Das war die Sache wert, denn ich weiß, welche Schwierigkei­ten sie in der Vorbereitungsphase zum Budgetbegleitgesetz 2009 für uns alle bedeutet hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob das gesamte Kassensanierungspaket verfas­sungswidrig ist oder nicht, wird für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dies zu entscheiden hat, ohnedies mit Erkenntnis festgestellt.

Kollege Brunner hat in seinen Ausführungen auch auf die ständige Judikatur des Ver­fassungsgerichtshofes hingewiesen. Sie waren – ich erlaube mir das jetzt im Nachhi­nein zu sagen – vielleicht nicht so ausführlich, dass man zu dem Schluss kommen könnte, dass ein Ausgleich innerhalb eines Trägers – und darum handelt es sich! – sachlich gerechtfertigt ist und dafür gute Gründe vorliegen.

Letztlich muss man sagen: Wenn sich die Politik im Zuge der Gesetzgebung stunden­lang darüber den Kopf zerbrechen würde, ob eine Gesetzesmaterie tatsächlich zu 100 Prozent verfassungskonform ist, dann würden wir noch lange weiter diskutieren.

Die Sozialdemokratie steht nach Beratungen mit Expertinnen und Experten auf dem Standpunkt, dass dieses Kassensanierungspaket verfassungskonform ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich jetzt meine Ausführungen zum Kassensanierungspaket. Es war durchaus angenehm, hier einmal als vierzehnter Red­ner zu replizieren. (Die Bundesräte Ertl und Mühlwerth betreten den Sitzungssaal.) Ich darf recht herzlich die beiden Vertreter der Oppositionspartei FPÖ begrüßen! (Zwi­schenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)


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Nachdem unsere liebe Kollegin und Frau Präsidentin Zwazl heute als ÖVP-Bundesrä­tin eine Lanze für die Wirtschaft gebrochen hat, wird es, glaube ich, nicht überraschen, wenn ich am Schluss meiner Ausführungen als Sozialdemokrat eine Lanze für die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer brechen will. (Bundesrätin Zwazl: Das habe ich auch getan!)

Ja, ich weiß, liebe Frau Präsidentin! Aber du wirst sicher verstehen, dass das Budget­begleitgesetz und die Bundeshaushalte 2009 und 2010 eine so wunderbare Gelegen­heit dazu bieten, dass ich diese einfach nicht ungenützt vorbeigehen lassen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute schon gehört, wir betreiben jetzt ver­nünftigerweise eine antizyklische Wirtschaftspolitik – vernünftigerweise; Professor Ko­necny hat hier ausführlich und sehr treffend darauf aufmerksam gemacht, daher wäre es schade um die Zeit, wenn man das wiederholen würde, denn besser kann man es gar nicht sagen –, aber wenn wir uns den Bundesvoranschlag 2009/2010 ganz genau anschauen, dann stellen wir folgende zwei Umstände fest: Einnahmen 2009: Bundes­voranschlag: 64 Milliarden €. Die Lohnsteuer wird 20 Milliarden € ausmachen und die Mehrwertsteuer 21,8 Milliarden €; das sind in Summe 41,8 Milliarden € oder 65,4 Pro­zent. Lassen Sie mich salopp formulieren: zwei Drittel. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.)

Zwei Drittel des Bundeshaushalts – ich beziehe die Mineralölsteuer und die Verbrau­chersteuern nicht ein, weil sich diese im Wesentlichen kompensieren, und damit ist die­ser Hinweis völlig überflüssig – finanzieren die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2009. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ja, ich weiß, dass das immer ein biss­chen Irritation auslöst. Im Jahr 2010 steigert sich dieser Prozentsatz auf 73,6 Prozent­punkte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für all jene, die sich Sorgen um das Funktionieren des Staates machen, möchte ich nun meinen Redebeitrag mit dem Hinweis abschließen, dass im Jahr 2010 für das Funktionieren des Staates die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer ihren Beitrag leisten, indem sie drei Viertel des Bundeshaushalts finan­zieren. Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.01


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


14.01.30

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Ostermayer, am Anfang noch ein Wort zu Ihnen. Sie haben die Budgetbegleitgesetze sozusagen gewogen und haben gesagt: Es ist ein riesiges Paket. Wir aus den Ländern hatten es natürlich auch nicht einfach, mit dem umzugehen. Zum Beispiel wurde das ganze Paket am 13. März über­sandt, und am 23. war dann die Stellungnahme abzugeben. Aber das kritisieren wir jetzt nicht. Unsere Beamten haben einfach schneller gearbeitet, um eine Stellungnah­me abzugeben. Ich glaube, man kann sagen, das war für uns in den Ländern eine ent­sprechende Herausforderung.

Zu den Budgetbegleitgesetzen 2009 und 2010: Es geht in erster Linie um ein massives Gegensteuern gegen die Krise, und damit ist auch eine klare Methodik verbunden, nämlich einerseits die Menschen in Beschäftigung zu halten und andererseits die Men­schen zu entlasten. Herr Kollege Mitterer, da muss ich Ihnen wirklich widersprechen. Es erscheint nämlich wichtig, dass insbesondere im Bereich des Arbeitsmarktes und der Arbeitsmarktpolitik ganz klare Zeichen gesetzt werden, wie zum Beispiel die Finan­zierung der Kurzarbeit, die auch noch attraktiver gestaltet werden könnte. Wir müssen auch die Akzeptanz verbessern, um die Menschen in Beschäftigung zu halten.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 85

Eine wirksame Steuerentlastung, die jetzt einsetzt, und nicht zu vergessen die Banken- und Konjunkturpakete, das alles sind Maßnahmen, die diese Bundesregierung mit Fi­nanzminister Josef Pröll rasch und effizient umgesetzt hat und umsetzen wird. Zahlen, Daten und Fakten hat Kollege Keuschnigg schon angeführt. Unser Finanzminister und diese Regierung haben mit diesem Doppelbudget in einer ganz schwierigen Situation – und wir hoffen alle, dass die Talsohle inzwischen erreicht ist und die Realwirtschaft sich bald wieder erholt – Maßnahmen gesetzt und Ziele definiert, um aus der Krise ge­meinsam herauszukommen. Dass das entsprechende Auswirkungen auf das Budget hat, auf das Budgetdefizit, auf die Staatsverschuldung, das ist, glaube ich, logisch. Aber genau in dieser Situation sind derartige budgetäre Maßnahmen angebracht und wichtig, um unsere Wirtschaft in Schwung und in Betrieb zu halten.

Herr Kollege Dönmez, liebe Frau Kollegin Kerschbaum, es ist eines klar festzuhalten: In dieser Krisensituation können wir nicht über Steuererhöhungen reden, wenn wir ge­rade erst eine Steuerentlastung gemacht haben. Ganz im Gegenteil. Wir haben die Steuern gesenkt, um den Konsum entsprechend anzutreiben. Es ist richtig, die Staats­verschuldung wird ansteigen, aber sagen Sie uns eine andere Lösung in dieser Situa­tion, um das ganze Werkl sozusagen in Betrieb zu halten. (Zwischenruf des Bundesra­tes Dönmez.) Einfach nur einen Vorschlag, nicht kritisieren, Vorschläge erarbeiten, Herr Kollege Dönmez! Das ist entscheidend. Kritisieren kann jeder, aber Vorschläge erarbeiten und dann umsetzen, das ist genau das, was diese Bundesregierung mit die­sem Budget versucht. (Bundesrat Konecny: Bravo!) Genau darum geht es. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Übrigens muss ich sagen, ich habe mich über deinen Reisebericht besonders gefreut – ein Arbeiter in Amerika –, du hast dich ja selbst als Arbeiter bezeichnet, das hat auch einen gewissen Charme, Herr Kollege.

Zurück zu den Begleitgesetzen, wobei ich, so wie in den Vorjahren, im Vorbeigehen er­wähnen möchte: 70 Gesetze als Begleitschutz für das Budget in einem Gesetzesan­trag zu verpacken, trägt ja nicht unbedingt zur Unterforderung eines Mandatars bei. (Bundesrat Konecny: Ja, gefällt mir!) – Genau so ist es, Herr Professor. Nur, einige Äußerungen im Zuge dessen sind schon in Frage zu stellen.

Kollege Ebner ist jetzt nicht da – er hat unsere Innenministerin des Zynismus bezich­tigt –, er hat etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Die Frau Ministerin hat gesagt, sie wird nicht über die Medien den Exekutivbeamten zwei Stunden wegnehmen – egal, wie diese Aussage zu werten ist –, sondern sie hat gesagt, sie wird das zuerst mit der Personalvertretung besprechen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

Herr Kollege Ertl, Ihre Zusammenhänge im Bereich der Exekutivbeamten – ich kenne mich da auch ein bisschen aus –, die kann man nicht ärger definieren. Also da haben wir schon einigen Ärger mit deinen Aussagen gehabt, aber du selbst hast es auch im­mer wieder mit „Ärger“ definiert. Wenn man 1 000 Beamte mehr bekommt, ist es natür­lich logisch, dass in einem Bereich die Überstunden zurückgehen, weil eben diese 1 000 Beamten mehr sich für andere Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Das ist ja zur Sicherheit und zum Schutz des Exekutivbeamten, Herr Kollege Ertl. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Also da verwechselst du offensichtlich Äpfel und Birnen.

Dass mit diesen Gesetzen sozusagen in einem Aufwaschen Sachverhalte, die zwar nicht budgetnahe sind, aber gerade anstehen, mit geregelt werden, liegt auf der Hand. Sammelnovellen in vorliegender Form – mit dem hat sich auch immer Jürgen Weiss auseinandergesetzt – mögen zur schnelleren Erstellung und zur Verabschiedung von Gesetzentwürfen beitragen und eventuell auch bürokratiegerecht sein, aber sie sind keineswegs adressatengerecht. Die oft geäußerte Forderung der Länder, hier etwas differenzierter ans Werk zu gehen, bleibt aufrecht.


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Was uns Vorarlberger jedoch mächtig stört – parteiübergreifend, war ich einmal der Auffassung –, ist die im Begleitgesetz verpackte Krankenkassenfinanzierung. Herr Kol­lege Einwallner, also das muss ich dir schon auf den Weg ins Ländle mitgeben, ich meine, du bist ja inzwischen im Ansatz beinahe ein Alemanne geworden und hast auch den Spargedanken von uns übernommen. Das ist auch gut für einen Unternehmer.

Ich muss dir ein Kompliment machen, eine halbe Seite Interview in den „Vorarlberger Nachrichten“, nicht schlecht, Respekt, Herr Kollege, mit der Headline (Bundesrat Gruber: Nur keinen Neid!) – Ja, aber jetzt kommt es, Herr Kollege Gruber: „VN“-Inter­view: SPÖ-Bundesrat Reinhold Einwallner über das Kassenpaket. – Fette Schlagzeile: „Schere aus der SPÖ-Klublinie aus“. (Ruf bei der ÖVP: Nein!) – Ja! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Das sind Fakten, das hast du selber gesagt, oder?

„Herr Einwallner, es überrascht, dass Sie als erster Sozialdemokrat gemeinsam mit den Ländle-ÖVP-Bundesräten Edgar Mayer und Magnus Brunner gegen das Kassen­paket stimmen werden. Ihr Parteikollege Elmar Mayer hat im Nationalrat zum Beispiel dafür gestimmt.

Einwallner: Ich sehe die Sache tatsächlich etwas anders und meine, dass man hier nicht den richtigen Weg geht. Daher meine Entscheidung, aus der Klublinie auszusche­ren und gegen dieses Gesetz zu stimmen.“

Ein weiterer Punkt – „Vorarlberger Nachrichten“: „Werden Sie gegen das Kassenpaket einen gemeinsamen Einspruchsantrag mit Brunner und Mayer einbringen?“

Einwallner: „Zuerst einmal werde ich im eigenen Klub darlegen, warum ich nicht mitge­he. Und wenn es dann einen Einspruchsantrag gibt, werde ich mir den genau anschau­en. Grundsätzlich ist es aber eine gute Tradition der Vorarlberger Bundesräte, gemein­sam zu agieren – das ist passend für die Länderkammer des Parlaments.“

Letzte Frage „Vorarlberger Nachrichten“: „Ist aus der SPÖ eigentlich schon Druck auf Sie ausgeübt worden, nachdem Sie angekündigt haben, gegen das Kassenpaket zu stimmen?“

Einwallner: „Nein.“ (Bundesrat Gruber: Bei uns gibt es keinen Druck!)

Lieber Kollege Einwallner, du bist drucklos im Liegen umgefallen. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Und 600 000 € sind es wert, ein Budget zu sprengen?!) – Herr Kolle­ge, dem Vorarlberger geht es beim Sparen um die eigene Kasse, und es sind nicht 600 000 €, sondern wir hätten aus diesem Katastrophenfonds, wie Kollege Brunner ge­sagt hat, 1,4 Millionen € zusätzlich gut, also 2 Millionen €. 1,4 Millionen € zusätzlich oder nicht zu haben, ist für Vorarlberg ein sehr hoher Betrag. (Staatssekretär Dr. Os­termayer: 2 Millionen € wären Grund, das Budget zu sprengen?!) – Nein, in der Wirt­schaftskrise geht es auch um die Situation der Krankenkassen, Herr Kollege Staatsse­kretär. Wenn man bei uns in Vorarlberg etwas sagt, dann steht man dazu, auch wenn es weh tut. Wir hatten mit diesem Projekt in unserer Partei auch nicht nur Freunde, das wage ich hier anzumerken.

Es ist also für uns nachvollziehbar, dass beabsichtigt ist, die Krankenkassen in den nächsten drei Jahren in mehreren Tranchen zu entschulden. Dass hiefür 450 Millio­nen € erforderlich sind, muss gleichfalls erwähnt werden.

Zu dem, was du gesagt hast, Kollege Klug: Ja, es braucht tatsächlich neues Geld für die Krankenkassen. Dazu stehen wir, aber es muss ganz klar aufgezeigt werden, dass es österreichweit große Unterschiede gibt: im Bereich von Leistungen, Honoraren, von Tarifen und Gebühren und bei einigen auch in der Struktur. Ich möchte das jetzt nicht überstrapazieren, aber wir alle kennen den Vergleich zwischen Oberösterreichischer


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und Wiener Gebietskrankenkasse, daher nur kurz: Es gibt im Bereich Kassensituation Unterschiedlichkeiten, die überarbeitet gehören.

Zustimmung also zu einer Entschuldung, aber wir fordern auch eine entsprechende Strukturreform. Das steht ja auch im Regierungsprogramm, Herr Staatssekretär, in dem sich die Bundesregierung zum schrittweisen Abbau des negativen Reinvermö­gens der Krankenversicherungsträger bekennt und dies an eine erbrachte oder fix ver­einbarte, nachvollziehbare Dämpfung und Ausgabendynamik um neue Verteilungsmo­delle knüpft, und zwar unter stärkerer Berücksichtigung von Strukturfragen.

Wir Vorarlberger sind deshalb nicht bereit – um auf diese 2 Millionen beziehungsweise 1,4 Millionen € zu sprechen zu kommen, die wir zu wenig bekommen –, andere Kran­kenkassen in diesem Ausgleich mitzufinanzieren beziehungsweise – wieder Bezug nehmend auf die Wiener Gebietskrankenkasse – Schuldenlöcher zu stopfen.

Ich sage es jetzt an einem Beispiel: Wenn Sie in einem Sparverein während eines Jah­res 2 000 € einzahlen und Sie bekommen am Ende des Jahres bei der Auszahlung nur 600 € heraus und 1 400 € sind irgendwie verschwunden, dann werden Sie sich auch aufregen. Das ist eben unser Zugang zu dieser Situation. Wir Vorarlberger lehnen des­halb genau dieses Segment des Katastrophenfonds des Gesundheitsministers Stöger ab. (Bundesrat Mag. Klug: Aber da wird das Kind mit dem Bade ausgegossen, Ed­gar!) – Wie man schon gesagt hat, das wird, Kollege Klug, der Verfassungsgerichtshof klären: Da werden die Vorarlberger nicht nachgeben. Da geht es um das Prinzip, auch wenn es „nur“ – unter Anführungszeichen – um 1,4 Millionen € geht.

Aus Vorarlberg kommen Respekt und hohe Anerkennung für dieses Budget und auch für die Rahmenbedingungen, aber wir werden den Punkt der Krankenkassenfinanzie­rung ablehnen. Es wäre besser gewesen, dieses Projekt „Krankenkassen“ herauszulö­sen, in einem eigenen Bereich zu diskutieren, in einem eigenen Gesetzesantrag zu for­mulieren. Dann hätten wir dem Rest dieser sehr guten Begleitgesetze unsere Zustim­mung erteilen können. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.13


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. Ich erteile ihm dieses.

 


14.13.24

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Was macht man in einer ganz bestimmten Zeit, die eben genau so ausschaut, wie sie aussieht? – Es ist auch niemand hier hergegangen und hat die Zeit, in der wir jetzt leben, als die große, rosigste, tollste Zeit beschrieben. Trotzdem sind auf der einen Seite neue Blickwinkel gefordert, und auf der anderen Seite kann nur jeder ganz bestimmte Blickwinkel haben, auch als politisch Verantwortlicher, und kann nur das tun – und von dem gehe ich aus –, das er selbst und seine Kolleginnen und Kollegen im Regierungsteam, in der je­weiligen Koalition und letztlich wir hier im Parlament in den beiden Kammern verant­worten können.

Jetzt können wir natürlich hergehen und sagen: Da und da fehlt etwas, da ist zu viel und da ist zu wenig und da passt es auch nicht ganz. Das Problem dabei ist nur, wenn man das multipliziert, hochrechnet und nur so agiert, dann bleibt zum Schluss nur üb­rig, dass wir kein Budget haben, dass nichts zum Ausgleichen da ist, dass nichts zum Auszahlen ist und dass eigentlich nichts läuft. Das ist die Voraussetzung. Ich verstehe natürlich, dass die Opposition und auch andere Kreise da und dort nicht ganz mit dem einen oder anderen zufrieden sind. Ich glaube, da könnten gerade wir in dieser födera­len Kammer jeder für unser Land das eine oder andere finden, zu dem wir sagen müs­sen: Da passt es nicht ganz, da zwickt es.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 88

Aber jetzt werde ich Ihnen etwas sagen, von dem ich überzeugt bin: Wir stellen jetzt fest, dass es da und dort ein bisschen zwickt. Wenn ich mir den Haushaltsplan an­schaue und wie es in den ersten vier Monaten gelaufen ist, dann habe ich den Ein­druck, es wird morgen und übermorgen noch mehr zwicken. Trotz dieser Situation ist es diesem Regierungsteam mit seinen Persönlichkeiten gelungen, ein großes Entlas­tungspaket, gerade für den Mittelstand, gerade für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auf die Beine zu stellen. Eines muss ich sagen: Wenn es wirklich so ist, dass 64 Pro­zent des Budgets auch in Zukunft die Arbeitnehmer aufbringen, dann zeigt das, dass in diesem Land etwas verdient wird, dann zeigt das auch, dass hier jemand Steuern zahlt, denn wir wissen, dass 2,7 Millionen Menschen in diesem Land keine Steuern mehr zahlen müssen. Das gehört auch zu dem Paket. Es zeigt auf der anderen Seite, dass es trotz dieser Krisensituation eine Wirtschaft gibt, Arbeitgeberinnen und Arbeit­geber, die unglaublich viel dahintersetzen, dass das möglich ist. Deshalb glaube ich, es braucht beides.

In meinem Beitrag als bereits 16. Redner heute möchte ich sagen, dass wir eigentlich von Gesetzes wegen über das Budgetgesetz zu reden haben, wir aber über die Bud­getbegleitgesetze diskutieren. Es wurden schon alle angesprochen, bestens analysiert und so weiter, aber ich glaube, zwei Prinzipien fehlen noch, über die wir zwar reden, aber eher so nebenbei, die mir aber sehr wichtig erscheinen, gerade für eine Politik, die wir in solchen Zeiten pflegen sollten. Was meine ich damit? – Ich glaube, dass es neben dem Budgetgesetz und dem Budgetbegleitgesetz ein paar Prinzipien gibt, um die wir uns nicht herumschleichen dürfen, über die wir reden müssen, auch hier in den beiden Kammern. Es geht um die Umsetzung des Budgets und den Blick auf das Gan­ze. Da wird von uns hier in der Bundesländerkammer sehr viel verlangt werden. Denn wenn wir uns alle nur auf unsere Länder beziehen und wir dann auch, die wir ja alle in Gemeinden und Orten leben, nur unsere Orte und unsere Gemeinde im Kopf haben werden, dann wir das sehr schwierig werden.

Zweites Principium – und das sage ich jetzt hier als Theologe, weil heute schon theolo­gisch gesprochen worden ist –, nämlich aus der christlichen Soziallehre gibt es zwei Prinzipien, die sich manche Parteien dann in ihre Programme genommen haben, aber ich sage immer, ihren Ursprung haben sie aus der christlichen Soziallehre, nämlich das Principium Solidarität und Subsidiarität. Was heißt das? – Das heißt, wenn der eine et­was übernimmt, übernimmt er das in erster Linie nicht nur für sich, sondern für die an­deren. Das heißt: Einer für alle, alle für einen! Was heißt das? – Das heißt dann eben nicht mehr, dass ich einzelne Sachen herauspicke und sage, das passt mir nicht, son­dern man schaut immer mit Blick auf das Ganze, wie es für uns alle aussieht, wo es zwickt, wo es in Zukunft vielleicht noch mehr zwicken wird. Das heißt, es wird darum gehen, dass wir alle gemeinsam zwischen Sparsamkeit und gleichzeitigem Wachstum agieren werden müssen.

Für jeden, der ein Sparbuch oder sonst irgendwelche, auch kleinere, Aktienpakete hat, stellt sich die Frage: Wie geht man damit um, wenn es um Verantwortung mit dem Geld geht? – Da geht es meines Erachtens um eine fast neue Moral. Wir hören immer nur den Begriff „Ethik“. Ich sage immer, da gibt es einen großen Unterschied, und das sage ich jetzt als jemand, der sich da auskennt. Ethik ist die philosophische Grundlage. Aber Ethik hat noch nichts damit zu tun, wie ich mich verhalte, sondern die Moral ist eigentlich das konkrete Handeln, das konkrete Denken.

Und da ist schon zu überlegen, ob wir uns diesbezüglich nicht auch in unserer Politik verändern müssen, denn es stellen sich nämlich folgende Fragen:

Wie gehen wir mit Risken um? Wie hoch ist unsere Risikobereitschaft beim Geldausge­ben und – das sage ich jetzt aber auch – beim Geldeinnehmen? Beides gehört zu­sammen!


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 89

Zweitens: Wie groß ist unsere Bereitschaft auszugleichen? – Dem Nachbarn, der mir nicht direkt wieder etwas zurückgibt, auch etwas geben? Ich weiß nicht!

Aufrichtigkeit, in dem Wort steckt „richtig“ drinnen.

Nächster Punkt, Selbstverantwortung: Wie sehr bin ich bereit, auch selbst etwas in die Hand zu nehmen und zu sagen: Okay, das erledige ich selbst!, ohne gleich zum nächs­ten Formular zu laufen und zu fragen: Was kann ich mir noch alles von Mutter und Va­ter Staat oder Mutter und Vater Gemeinde oder Mutter und Vater Land oder Mutter und Vater Europa abholen? – Da geht es doch darum, dass wir hier, in dieser Kammer, Rahmen schaffen – das klingt schön, aber jetzt kommt der zweite Teil dazu – und Grenzen ziehen.

Ich glaube, dass wir eine tolle Aufgabe hätten – damit möchte ich schließen –, und ich möchte eine Persönlichkeit in den Mittelpunkt meiner Rede stellen, von der ich glaube, dass ihr das zumindest zurzeit in einer unglaublich großartigen Weise gelingt. Ich mei­ne, dass wir hier in diesem Parlament die Aufgabe hätten, Stimmung zu machen, eine positive Stimmung, dass wir zusammen etwas tun, dass wir wissen, dass es zwickt und zwackt und die Situation nicht rosig ist, dass wir aber gemeinsam hinter Dingen stehen, die uns vielleicht persönlich, im kleinen Umfeld manchmal nicht ganz so passen, mit denen wir aber global gesehen auf einer richtigen Spur sind. – Dazu muss ich aber eine Vision haben.

Wen meine ich? – Ich meine den Präsidenten der USA, denn was ihm zum Beispiel gestern und auch heute wieder gelungen ist, das, muss man ganz offen sagen, ist, nicht „großartig“ zu sagen: Ah, das geht alles nicht!, und – weil wir heute ja unter ande­rem über unterschiedliche Religionen und unterschiedliche Theologien und was auch immer gesprochen haben, angefangen bei der Fragestunde – sich nicht hinzustellen und zu sagen: Mit euch können wir nicht, ihr seid die Achse des Bösen und ihr seid die Achse des Guten!, nein, sondern herzugehen und sehr klar und deutlich zu sagen: Wir gehören zusammen! (Beifall der Bundesräte Dönmez, Kerschbaum und Mag. Klug.)

Und wenn diese Welt überleben will, das sage ich ganz offen, dann kann sie nur über­leben, wenn sie sagt: Du gehörst genauso dazu wie ich auch dort dazugehöre. Deswe­gen müssen wir nicht alle miteinander verheiratet sein, aber eine Welt kann sich nur daraus verstehen – und das muss meines Erachtens hier, in den Parlamenten auf die­sem Erdball, beginnen –, dass eine Stimmung entsteht, dass es um ein Miteinander und um ein Gemeinsam geht, ganz egal, ob einer dieser Religion angehört oder jener, ob einer diesem Land angehört oder jenem (Beifall der Bundesräte Dönmez und Kerschbaum), und ganz egal, ob einer immer gleich sagt: Das tut nur mir gut!, denn die Frage ist, ob es uns auch gemeinsam mit Blick auf das Ganze guttut. Ich denke, deshalb sind solch klassenkämpferische Töne völlig unangebracht. Das führt uns ge­nau in die falsche Richtung.

Das, was uns wohin führt, ist, dass wir sagen: Wir versuchen es gemeinsam! Wir ge­hen es gemeinsam an! Und – davon bin ich überzeugt, und das sage ich jetzt bewusst in deutscher Sprache –: Wir können es! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrä­te Dönmez und Kerschbaum.)

14.23


Präsident Harald Reisenberger: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Junker zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.

 


14.23.50

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Also, heute ist wirklich schon al­les gesagt worden, trotzdem darf ich kurz auf ein paar Themen eingehen.


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Zunächst einmal zu den Ausführungen von Frau Kerschbaum: Der Brenner-Basistun­nel ist kein dunkles Loch, das Geld verschlingt, sondern der Brenner-Basistunnel ist eine Chance für die Zukunft, für die Bevölkerung von Tirol und für das Land Tirol. Und wenn Sie sagen, er schafft nicht so viele Arbeitsplätze, antworte ich, der Brenner-Ba­sistunnel schafft sogar jetzt, in der Startphase – denn noch haben die Arbeiten ja gar nicht wirklich begonnen – Arbeitsplätze und regt den Konsum in der Region an. (Bun­desrat Mag. Klug: Das stimmt!)

Es sind Hunderte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Region beschäf­tigt. Diese müssen essen, sie müssen trinken, sie schlafen, und es sind auch sehr vie­le, die dort arbeiten, aus anderen EU-Ländern, und diese bringen dann für Kurzurlaube ihre Familien her, weil sie sehen, wie schön Tirol ist, wie lebenswert es ist. Also für Ti­rol ist auch das jetzige Stadium schon sehr positiv: Es stärkt die Wirtschaft durch Kon­sum. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl. – Bundesrätin Kersch­baum: ... das wissen wir noch nicht!)

Die Verlagerung von der Straße auf die Schiene können wir heute noch nicht machen. Es wäre unverantwortlich, jetzt ein Gesetz zu beschließen, das erst in 15 oder 20 Jah­ren in Kraft treten könnte, denn bis dahin ist hoffentlich der Tunnel fertig und wir kön­nen ein Gesetz beschließen, das bewirkt, dass bestimmte Güter von der Straße auf die Schiene überwechseln. Und das Gesetz muss auch kommen, denn der Verkehr wächst! Wir werden nicht alle Lkws auf die Schiene bringen, denn das funktioniert nicht, aber wir werden den Zuwachs, wenn die Wirtschaft wieder wächst, auf die Schie­ne bringen müssen – und das wird auch gemacht werden! –, aber heute können wir das noch nicht machen.

Zu den Ausführungen des Herrn Bundesrates Klug: Es ist schön – es ist wirklich schön! –, dass so viel Lohnsteuer bezahlt wird, denn diese zahlen die Arbeitnehmer, und Gott sei Dank hat die Wirtschaft noch so viel Arbeit, dass sie die Arbeitnehmer be­schäftigen kann und dass sie gut zahlt, sodass diese Lohnsteuer an den Staat abge­führt wird. Aber den Lohn inklusive Abgaben müssen die Arbeitnehmer auch erwirt­schaften (Ruf bei der SPÖ: Gemeinsam!), und das müssen Arbeitgeber und Arbeitneh­mer gemeinsam tun.

Da ist auch Herr Kollege Dönmez, der die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber auseinan­derdividieren will (Bundesrat Dönmez: Nein, nein, nein!): Es geht nur gemeinsam, das muss eine Einheit sein! Wir haben in der letzten Zeit in den Medien gesehen, wie Ar­beitnehmer zu ihren Betrieben stehen, wie aber auch Betriebe zu ihren Arbeitnehmern stehen, denn es gibt eine Verantwortung, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gegenüber hat.

Ich habe in meiner beruflichen Karriere aber auch schon Folgendes erlebt – das ist ein konkretes Beispiel –: Eine Zimmerei, ein mittelständisches Unternehmen, 19 bis 20 Ar­beitnehmer, alteingesessen, wurde an den Sohn übergeben, und der Sohn wurde krank, er konnte mit der Belastung nicht leben. Die Verantwortung dafür, dass auf der einen Seite seine Arbeitnehmer jeden Tag Arbeit haben, aber andererseits auch der Druck, als Unternehmer die Arbeit zu finden, eine kurzfristige Auftragserteilung, das machte ihn krank! – Er ist jetzt wieder Arbeitnehmer und glücklich. Man sollte also den Unternehmern, die diese Verantwortung übernehmen, die den Druck aushalten müs­sen, und zwar nicht nur für sich und weil sie auf die eigene Familie schauen, sondern weil sie auch auf die Arbeitnehmer schauen, vergönnen, dass sie hoffentlich schon auch Gewinn machen.

Ich bilanziere wirklich viele Unternehmen jährlich und sehe, nicht alle – bei Weitem nicht alle! – Unternehmer sind reich. Ich bin manchmal ganz glücklich, wenn jemand Geld verdient. (Beifall bei der ÖVP.)


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Zum Budgetbegleitgesetz brauche ich jetzt ja wirklich nicht mehr viel zu sagen: Es ist wirklich ein Budgetbegleitgesetz, das den Kampf gegen die Krise an- und aufnimmt!

Was mich besonders freut – denn auch Unternehmen müssen sparen –, ist, dass im Budgetbegleitgesetz das Unternehmensserviceportalgesetz enthalten ist, sodass viel­leicht doch die vielen Anträge und Statistiken, die ein Unternehmer, Sonja Zwazl hat es ja schon gesagt, im Laufe eines Berufslebens machen muss, einheitlich vonstatten ge­hen, dass die Stammdaten nur einmal erfasst werden müssen und dann die Daten vor­handen sind und dass dann eben auch Doppelgleisigkeiten, Tippfehler und der ganze Rest vermieden werden können. Die Verwaltungskosten ganz speziell bei den kleinen Unternehmen sind vom Umsatz gerechnet viel teurer als bei einem großen Unterneh­men. Laut Berechnung der WKO belaufen sich die Kosten bei KMUs auf zirka 10 Pro­zent gegenüber einem Prozent bei größeren Unternehmen.

Darum sollten wir in Zeiten wie diesen gemeinsam handeln. Stimmen wir dem Budget­begleitgesetz zu und stimmen wir mit dem Budgetbegleitgesetz auch einer positiven Entwicklung Österreichs zu! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesra­tes Zangerl.)

14.29


Präsident Harald Reisenberger: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Him­mer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

 


14.29.30

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Ich möchte ganz knapp auf ein paar Redebeiträge Bezug nehmen, die wir heute in der Debatte gehört haben.

Lieber Fraktionsobmann Konecny, da ich jetzt schon wiederholte Male gehört habe, dass „Mehr Privat, weniger Staat“ kläglich gescheitert sei, möchte ich das schon in das Licht rücken, wie es eigentlich damals vom jetzigen Alt-Bundeskanzler gemeint war.

Ich denke, wir haben in einem Land gelebt, in dem die Stahlindustrie, die Tabakindus­trie und vieles andere verstaatlicht waren und vieles in staatlicher Hand war, was dem Steuerzahler Milliarden an Kosten verursacht hat (Bundesrat Kraml: Die Tabakindus­trie hat viel gekostet?!), wobei viele Desaster dabei waren. Wir haben bei der Privati­sierung, gerade auch über die ÖIAG, eigentlich sehr viele Erfolgsgeschichten geschrie­ben, wir haben das Land moderner gemacht, und ich glaube, wir sind da einen richti­gen Weg gegangen.

Wenn man sich der Tatsache stellt, dass wir diese Wirtschafts- und Finanzkrise erle­ben, und dann sagt: Super, wir haben recht gehabt, jetzt muss es wieder den Staat als Unternehmer geben!, dann möchte ich schon auch erwähnen, dass in diesem Zusam­menhang der Staat und damit – da man ihn nicht völlig von der Politik lostrennen kann – natürlich wohl auch die Politik versagt hat. Es hat das gesamte System versagt! Es haben nicht nur die Manager versagt, die mehr versprochen haben, als sie gehalten haben, es hatte global auch eine relevante Mehrheit in der Politik den Eindruck, hier das Richtige zu tun. Und es haben Kontrollmechanismen versagt, und insofern haben natürlich auch die Kontrollmechanismen, die von der Politik gefordert worden wären, versagt. – Das heißt, „Mehr Privat, weniger Staat“ ist nach wie vor für vieles die richtige Antwort, aber es ist nicht für alles die richtige Antwort.

Und damit sind wir bei dem Punkt, an dem wir heute schon das eine oder andere Mal in Schwarz-Weiß-Schemata verfallen sind: Lieber Kollege Dönmez, ja, selbstverständ­lich klingt es „bärig“, wenn man sagt: Niemand in Österreich ist sozusagen im Schwei­ße seines Angesichts reich geworden, und es stimmt schon, dass es bestimmte Tätig­keiten gibt, bei denen man in der Stunde – ich weiß nicht – 10 €, 20 € verdient. Da


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wird sich das nicht ausgehen, wie viel auch immer man arbeitet, das ist eine völlig rich­tige Analyse!

Aber wir leben in einem Land, in dem bereits du als Gastarbeiterkind hier im Bundesrat sitzt, über eine hervorragende Ausbildung und über, wie ich glaube, auch eine gute Zu­kunft verfügst, und das zeigt schon die Qualität unseres Landes und das dokumentiert auch die Chancen, die unser Land gibt. Und es haben viele, viele Leute in diesem Land mit redlicher Arbeit etwas weitergebracht, sowohl Unselbstständige als auch selbstständig Erwerbstätige! Ich denke, wir leben in einem Land, in dem der allergrößte Teil derer, die hier arbeiten, ihr Geld mit redlicher Arbeit verdienen – Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.

Wenn in diesem Zusammenhang von der Opposition, insbesondere von der Kollegin von den Freiheitlichen, richtigerweise gekommen ist, dass wir alle gemeinsam wissen, dass wir aufgrund dessen, was jetzt getan wird, dann selbstverständlich auch wieder einmal das Thema Sanierung zu diskutieren haben werden, also wie das Budget langfristig „auf die Reihe gebracht“ werden kann, muss ich Ihnen schon Folgendes sagen: Der Kollege links neben Ihnen, also Kollege Ertl, wird Ihnen nicht viel dabei helfen können, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, und auf das, was da an Polemik gekommen ist, möchte ich gar nicht eingehen – wer immer die Rede geschrieben hat, das ist ja wurscht, denn es gilt da gesprochene Wort, das man hier vom Rednerpult aus sagt. (Bundesrätin Kerschbaum: ... alle kritisieren! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Aber ich möchte zu noch einem Thema – weil wir das heute schon so strapazieren – etwas sagen, weil ich finde, dass das ein sehr ernsthafter Punkt ist. Ich hätte eigentlich sogar geglaubt, Kollege Schnider greift das auf, aber wahrscheinlich hast du es über­hört.

Herr Kollege Ertl, Sie haben hier kritisiert, dass wir Geld für die Entwicklungshilfe aus­geben. – Es sind zwar nicht 700 Millionen €, wie es gesagt wurde, sondern 400 Millio­nen €, aber trotz all der Probleme, die wir hier in unseren Breitengraden haben, wissen wir als aufgeklärte Menschen, dass Zigtausende Menschen pro Tag immer noch an Hunger sterben. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Und dann hier „locker vom Hocker“ die Entwicklungshilfe als Streichposten anzubieten, ist meiner Meinung nach zynisch und unwürdig, das möchte ich wirklich ausdrücklich betonen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum und Dönmez.)

Abschließend: Diese Bundesregierung, diese Koalition hat ein 3-Milliarden-€-Paket auf die Reise geschickt, mit dem auf die Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert worden ist. Das Ergebnis sehen wir in der wirtschaftlichen Entwicklung, sehen wir auch am Ar­beitsmarkt, da hier einiges abgefedert werden konnte. Und sowohl nationale als auch internationale Experten geben dieser Regierung und dieser Koalition recht, hier die richtigen Maßnahmen getroffen zu haben.

Deswegen fällt es mir besonders leicht, diesen Budgetbegleitgesetzen die Zustimmung zu geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.35


Präsident Harald Reisenberger: Als nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Zwazl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.

 


14.36.03

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Mag. Klug: Ich richte mir die Zahlen wie­der her!) – Ich habe die Zahlen da. Herr Klug, ich muss ja die Hälfte dazurechnen, und zwar weil man ja Folgendes nicht vergessen darf – wenn ich das schon sage, und Sie wissen, da reagiere ich immer ein bisschen sensibel, weil mich das stört, denn dieses


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Auseinanderdividieren geht mir wirklich auf die Nerven (Bundesrat Mag. Klug: Das war es ja nicht!), weil ich das nicht richtig finde –:

Wenn man sagt, 20 Milliarden € ist die Lohnsteuer, ist das okay. – Ich habe jetzt nach­geschaut: Gott sei Dank, und das ist das Erfreuliche daran, haben wir bis in den April 6,8 Milliarden € an Lohnsteuer, das heißt, wir sind im Plan, das heißt, unseren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern geht es trotz der Wirtschaftskrise gut. – Das Geld ist ein­mal da, das ist einmal fix. Da nützt das Stirnrunzeln nichts, das ist so, und das ist schon auch ein gemeinsames Verdienst unserer Betriebe.

Wenn ich dann aber nur sage, die Einkommensteuer ist 2,85 Milliarden, darf ich nicht vergessen, dass wir Unternehmer nur 3 Prozent sind, also da „brennen“ wir ganz schön. Körperschaftsteuer: 5,9 Milliarden €; Kapitalsteuer: 2,6 Milliarden €.

Aber dann kommt noch ein wesentlicher Brocken dazu, das ist die Kommunalsteuer, die zahlen wir ganz allein und die beträgt 3 Milliarden €. Der Dienstgeberbeitrag beträgt 4,5 Milliarden € und die Verbrauchssteuer beträgt 3,8 Milliarden €. – Das sind zusam­men 12,3 Milliarden €, also zahlen wir 23,6 Milliarden €!

Die USt zahlen wir alle, das ist egal. (Bundesrat Mag. Klug: Auch die Verbrauchs­steuer!) Die Verbrauchssteuer zahlen auch die Betriebe, das ist vor allem die Mineral­ölsteuer. (Bundesrat Mag. Klug: Auch!) Nein, nein!

Aber, bitte, so wie Sie das immer bringen, so einseitig, mit einer solchen Schräglage! Wären Sie ein Schiff, gingen Sie unter! – Mir war es nur recht, das einmal zu sagen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

14.37


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.38.193. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden (610/A und 209 d.B. sowie 8113/BR d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gelangen nunmehr zu Punkt 3 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Perhab. Ich bitte um den Bericht.

 


14.38.51

Berichterstatter Franz Perhab: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 29. Mai 2009 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Be-


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grenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesbezügegesetz und das Bezügegesetz geändert werden.

Meine Damen und Herren, der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Juni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Klug. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.40.05

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin Zwazl ist zwar jetzt nicht im Saal – der Ta­gesordnungspunkt ist ohnedies abgeschlossen –, aber trotzdem: Ich gebe gerne zu, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil ich kurz im Ohr gehabt habe: Zu dir hat sicher auch noch niemand gesagt, wenn du ein Schiff wärst, würdest du untergehen, oder?, das stimmt. Ich habe das das erste Mal gehört; eine durchaus beachtliche Beschrei­bung, und angenehmerweise bin ich kein Schiff.

Darüber hinaus kann ich diese strapazierte Schieflage, die ich angeblich dargestellt ha­be, überhaupt nicht nachvollziehen; ich habe den Zettel noch hier. Aber, wie gesagt, nachdem der Tagesordnungspunkt abgeschlossen ist, bleibt mir nur in Erinnerung: Im Jahr 2010 zahlen drei Viertel der Einnahmen für das Funktionieren des Staates die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Die Frage der Schieflage ist eine Frage des ...! Wenn man den Kopf schief hält, schauen normale Menschen auf einmal ganz schief aus! – Heiterkeit.) Ja.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt, um die Geschäftsordnung einzuhalten: Wir alle wissen, dass der vorliegende beziehungsweise vor uns liegende Beschluss in Wirklichkeit nichts anderes ist, als dass die Politikerin­nen und Politiker auf eine angemessene Gehaltserhöhung verzichten. Unter der Vo­raussetzung, dass jene Beträge, die am 4. Juni in dem Medien „Die Furche“ zitiert wur­den, richtig sind, bedeutet das, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte in Zukunft im Monat rund 130 € nicht dazubekommen, im Sinne eines Verzichtes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob diese Beträge beachtliche budgetwirksame Min­derkosten darstellen oder nicht, ist zweifelsohne subjektiv. Wir wissen – wir müssen dies auch heute nicht besonders zelebrieren –, in den Unterlagen, die uns zur Verfü­gung gestellt wurden, geht man von 2,86 Millionen € aus, ohne den halbjährigen Auf­schub für die Pensionen und auch ohne Einbeziehung der Politikerinnen- und Politi­kerpensionen. Wir haben im Ausschuss dankenswerterweise gehört, dass 1 Prozent Pensionserhöhung in diesem Zusammenhang stolze 380 000 € an Kosten verursachen würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Vorstoß beziehungsweise – politisch gespro­chen – dieser Verzicht kann meines Erachtens lediglich ein Sub-Subbeitrag oder – an­ders formuliert – ein symbolischer Akt in einer besonderen politischen und wirtschaftli­chen Krisensituation sein.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 95

Mit dem heutigen Verzicht – das möchte ich doch auch sagen – belohnen wir auch un­sere politische Arbeit keineswegs. Ich habe beim vorangegangenen Tagesordnungs­punkt schon darauf hingewiesen, dass eine differenzierte Gehaltserhöhung bedauerli­cherweise nicht möglich ist. Darüber hinaus ist jetzt, 2009 – wir alle wissen, wie sich die besonderen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für uns darstel­len –, für eine generelle Debatte, ob wir bei einer gerechten Entlohnung unserer Politi­kerinnen und Politiker im Allgemeinen und der Bundesrätinnen und Bundesräte im Be­sonderen angelangt sind, zweifelsohne nicht der richtige Zeitpunkt.

Nach meiner politischen Einschätzung gewinnen wir mit dem folgenden Beschluss mit Sicherheit auch keinen Blumentopf, aber in einer Zeit, in der wir unter besonderen poli­tischen Rahmenbedingungen, in einer Zeit, in der wir unter besonderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen über derartige Dinge nachdenken, sollten wir meines Erachtens auch keinen Beitrag leisten, eventuell einen weiteren Blumentopf zu verlieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich meine daher, alles zu seiner richtigen Zeit, diese Maßnahme daher zu diesem Zeitpunkt. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

14.44


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich erteile ihm das Wort.

 


14.45.00

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir durchleben gerade eine wirtschaftlich schwierige Zeit. Eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise macht trotz großer Anstrengungen seitens des Bundes, der Länder und der Gemeinden auch vor uns nicht halt.

Zig Tausende Menschen in unserem Land haben eben aufgrund der angeführten Um­stände in ihrer Lebensplanung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten eine großteils un­verschuldete Schräglage erlitten. Der Grund für diese Engpässe sind Einbußen im Ein­kommensbereich, Einbußen durch Kurzarbeitsmaßnahmen oder gar Arbeitslosigkeit. Auffangpools wie Stiftungen oder andere arbeitsmarktrechtliche Maßnahmen, die gut und wichtig sind, können diese nur zum Teil abfedern. Das Wort „Solidarität“ findet in dieser Zeit wieder seine Bedeutung.

Wir beschließen heute die Abänderung von Gesetzen, diese Änderungen sind die Grundlage dafür, dass die Politikerbezüge in den kommenden Jahren nicht erhöht wer­den. Mit diesem Beschluss für eine Nulllohnrunde, die wir uns selbst auferlegt haben, leisten wir nur einen kleinen Beitrag zur Bewältigung der schwierigen Zeit. Es handelt sich um budgetwirksame Minderkosten von rund 3 Millionen €, es sind dies aber jährli­che Minderkosten, da die nächste Anpassung mit 1. Jänner 2011 auf der Grundlage 1. Juli 2008 erfolgen wird. Diese Änderung betrifft auch die Kolleginnen und Kollegen in der Pension, und das ist gut so.

Mit diesem Beschluss, sehr geehrte Damen und Herren, reden wir nicht nur von Soli­darität, sondern wir leben sie auch. Daher ist auch dieser Beschluss sehr wichtig. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.47


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


14.47.08

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Ich möchte mich ganz kurz zu zwei Bereichen äußern, zuerst zu den Pen­sionssicherungsbeiträgen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 96

Beim Pensionssicherungsbeitrag für Geldleistungen nach den Artikeln IV und V des Bezügegesetzes wurden zuletzt mit 1. Juli 2003 Veränderungen vorgenommen, so­dass sich für Leistungen bis zur ASVG-Höchstbeitragsgrundlage unverändert ein Pen­sionssicherungsbeitrag von 8 Prozent ergibt, während für die Leistungsteile oberhalb der Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG ein Beitrag von 15 Prozent eingehoben wird. Und dazu haben wir Grüne, unsere KollegInnen vom Nationalrat, einen Abände­rungsantrag eingebracht, der noch diskutiert wird, hat mir mein Kollege vorhin draußen gesagt.

Die vorgeschlagene Änderung beinhaltet nach unserer Sicht den Wegfall der Bezug­nahme auf den Pensionssicherungsbeitrag für Beamte gemäß § 13a des Pensionsge­setzes 1965, der Beitrag nach § 13a Pensionsgesetz wird bis zum Jahr 2020 laufend reduziert bei Leistungen nach dem Bezügegesetz – völlig entgegen der Intention des Gesetzgebers –, eine moderate Anhebung der Beiträge, die bei der Leistung von 6 000 € einen Betrag von zirka 12 Prozent ergeben, bei 13 000 € zirka 16 Prozent.

Diese Anhebung der Pensionssicherungsbeiträge geschieht vor dem Hintergrund, dass die Ruhe- und Versorgungsbezüge nach dem Bezügegesetz eine generell sehr geringe Eigendeckung durch Beiträge und Pensionssicherungsbeiträge und gegenüber allen anderen Altersversorgungssystemen sehr hohe Leistungen ausweisen.

Der zweite Punkt ist, dass wir Grüne uns für eine einheitliche Bezügeregelung der EU-Abgeordneten einsetzen. Eine dahin gehende Regelung sollte unserer Meinung nach noch vor dem 7. Juni erfolgen (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP), Ver­zeihung, 7. Juli, denn bisher wurden EU-Abgeordnete wie Parlamentsabgeordnete des jeweiligen Heimatlandes entlohnt. Das ist ungerecht, wenn zum Beispiel ein italienischer Minister 11 000 € verdient und jemand aus einem osteuropäischen Staat 1 000 €. Das ist ungerecht, deshalb sollten wir ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ich glaube, du bist oft drüben.

Künftig sollen ja die EU-Parlamentarier 38,5 Prozent des Grundgehaltes eines Richters am Europäischen Gerichtshof erhalten. Das sind derzeit 7 412 €; das Ganze zwölfmal jährlich.

Für die österreichischen Abgeordneten ändert sich bei der Höhe des Bezuges eigent­lich fast gar nichts bis wenig. Sie bekommen zwar weniger, also 7 412 € statt 8 160 € und das Ganze nur zwölfmal, aber dafür brauchen sie nur einen niedrigeren Steuersatz zu entrichten. Im Grunde kommen Sie dann wieder auf das Gleiche.

Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die EU-Mandatare in das neue System einsteigen und dass es ein Optionsrecht gibt für jene, die jetzt schon drinnen sind, und jene, die neu einsteigen.

In diesem Sinne werden wir auch unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

14.51


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Dieser Beschluss bedarf nach Artikel 44 Absatz 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zu­stimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 97

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit unter Berück­sichtigung der besonderen Erfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

14.52.454. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (203 d.B. sowie 8114/BR d.B.)

 


Präsident Harald Reisenberger: Nun gelangen wir zu Punkt 4 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich bitte um den Bericht.

 


14.53.00

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Mai 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es erübrigt sich daher dessen Ver­lesung.

Ich komme sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Juni 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche, in die Debatte einzutreten.

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Mag. Neuwirth. Ich erteile es ihr.

 


14.53.46

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Über Budgetfragen haben wir ja heute schon sehr, sehr ausführlich diskutiert. Allerdings hat auch die Änderung des Entschädigungsfondsge­setzes budgetäre Auswirkungen.

Ich möchte nur ganz kurz in Erinnerung rufen, worum es hier insgesamt geht. Im Jahr 2001 wurde das Entschädigungsfondsgesetz in Erfüllung des Washingtoner Ab­kommens beschlossen. Sinn und Zweck war und ist es, Opfern des NS-Regimes, die nicht oder nicht zulänglich entschädigt worden sind, zu ermöglichen, dass sie ihre An­sprüche geltend machen.

Im zweiten Teil des Gesetzes ist die Naturalrestitution von Liegenschaften geregelt, die zwischen 1938 und 1945 entzogen wurden und sich nun im Eigentum des Bundes be­finden.


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Ziel der heutigen Änderung – wir haben dieses Gesetz ja schon mehrmals geändert, zuletzt vor einem Jahr – ist die beschleunigte Auszahlung der restlichen Mittel dieses Fonds.

Es ist geplant, dass das verbliebene Fondsvermögen aliquot auf jene Opfer des Natio­nalsozialismus beziehungsweise auf deren Erben aufzuteilen ist, über deren Anträge bis zum 1. Juli 2009 entschieden wurde. Für die noch offenen Verfahren verpflichtet sich der Bund, dem Fonds Mittel nachzuschießen, sobald die Höhe der jeweils zuer­kannten Leistungen feststeht. Gleiches gilt natürlich auch für jene Fälle, bei denen die erste Entscheidung später abgeändert werden soll.

Somit ist gewährleistet, dass komplizierte Verfahren, die es unter diesen Verfahren ja auch gibt, die Abwicklung der Schlusszahlungen nicht weiter blockieren können und die meisten der rund 20 700 Antragstellerinnen und Antragsteller in absehbarer Zeit den restlichen ihnen zustehenden und zuerkannten Entschädigungsbetrag erhalten.

Das ist derzeit auf der Basis der geltenden Rechtslage nicht möglich, da das Antrags­komitee erst nach der Entscheidung aller Anträge den Antragstellerinnen und Antrag­stellern eine abschließende Leistung zuerkennen kann.

Mit der nun vorgeschlagenen Änderung soll die Republik Österreich ihrer politischen und ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus wei­terhin gerecht werden.

Kolleginnen und Kollegen! Eine rasche Durchführung dieser Schlusszahlungen kommt den meist sehr betagten Antragstellern und Antragstellerinnen entgegen, von denen et­liche im Inland, aber auch im Ausland unter ziemlich schwierigen sozialen Bedingun­gen leben. Viele der mittlerweile sehr betagten Antragstellerinnen und Antragsteller können das Geld sehr gut brauchen, allerdings meist zur Begleichung offener Kranken­haus- oder Pflegekosten oder Arztrechnungen.

Nicht allen war und ist es vergönnt, diesen Augenblick auch zu erleben. Viele Antrag­stellerinnen und Antragsteller sind schon zuvor oder während des aufwendigen und langwierigen Restitutionsverfahrens verstorben. Die Zeit drängt. Nehmen wir gemein­sam unsere moralische Verantwortung wahr und stimmen wir diesem Beschluss heute zu! – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörigkeit.)

14.57


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


14.57.15

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Frau Vizepräsidentin Neuwirth hat ja im Wesentlichen schon alles in ihrer Rede erwähnt, ich kann daher meine Ausführungen kurz halten.

Bei der Änderung des Entschädigungsfondsgesetzes geht es im Wesentlichen darum, eine rasche Finalisierung der Schlusszahlungen des Entschädigungsfonds zu ermögli­chen, damit unser Österreich seiner sozialen und politischen Verantwortung gegenüber Geschädigten durch den Nationalsozialismus gerecht werden kann.

Bisher hat das Komitee in etwa 20 500 Fällen von insgesamt 20 700 Fällen eine Ent­scheidung getroffen. Es stehen dem Fonds insgesamt zirka 210 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Mit dieser Gesetzesnovelle, die wir heute beschließen, wird, wie er­wähnt, auch eine Nachschusspflicht des Bundes normiert.

Hinsichtlich der Erledigung der beim Antragskomitee anhängigen Fälle ist mit einer lan­gen Verfahrensdauer zu rechnen, zum Beispiel, wenn es bei Todesfällen und den da-


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 99

mit verbundenen Erbverfahren zu erheblichen Verzögerungen der Schlusszahlungen kommt.

Wir sind der Auffassung, dass die Beschleunigung der Verfahren einen Akt der so­zialen Verantwortung darstellt, weil die AntragstellerInnen großteils – wie bereits von der Frau Vizepräsidentin erwähnt wurde – betagte Personen sind, die außerdem zu­meist noch in einer schwierigen persönlichen Situation leben. Zudem können durch die schnelle Abwicklung der Formalitäten und Endzahlungen auch im Verwaltungsbereich Kosten eingespart werden, was natürlich auch wichtig ist, weil der Entschädigungs­fonds dann sozusagen weniger Erbfälle zu behandeln haben wird. Dazu wird auch ein besonderer Modus angewendet werden, wie die Auszahlungsquoten festgelegt werden.

Es hat auch eine besondere Qualität, wenn in diesem sensiblen Bereich oder in dieser sensiblen Materie alle Fraktionen im Bundesrat – das hoffe ich – ihre Zustimmung er­teilen.

Im Namen meiner Fraktion darf ich mich für die bisherigen großartigen Leistungen des Komitees, die für mich auch einen Teil von Vergangenheitsbewältigung darstellen, sehr, sehr herzlich bedanken.

Wir werden diesem Gesetz gerne unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

14.59



BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 100

Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


15.00.04

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! So wie wir allen bisherigen Diskussionen und Entscheidungen zum Entschädigungsfonds unsere Zustimmung gegeben haben, werden wir selbstverständ­lich auch dieser Änderung der geltenden Gesetzeslage unsere Zustimmung geben. Im­merhin ist die Antragsfrist bereits am 28. Mai 2003 abgelaufen. Wie schon meine Vor­rednerin und mein Vorredner gesagt haben, gibt es jetzt noch eine ganze Reihe von Schlusszahlungen, die allerdings auf der geltenden Rechtsbasis nicht zu machen sind.

Ich stimme mit all dem, was bisher gesagt wurde, überein, mit einem Wort vielleicht nicht, und zwar mit dem Wort „rasch“. Man bedenke, wir schreiben das Jahr 2009! Würden wir 1989 oder so schreiben, dann könnte man das als solches noch akzeptie­ren. Die wenigen hochbetagten Überlebenden, die durch das nationalsozialistische Re­gime verfolgt worden waren (Zwischenruf bei der ÖVP) – ich will es gerade sagen –, haben wahrlich lange warten müssen, um dieses Zeichen der Republik Österreich zu bekommen. Ich verstehe das Wort „rasch“, Kollege Mayer, in dem Sinn, dass die Fina­lisierung dieser Schlusszahlungen jetzt rasch erfolgen soll, abgesehen von den Erb­schaftsgeschichten, da ja auch die Erben anspruchsberechtigt sind. Ich glaube, dass es auch richtig war, diese Entscheidung so zu treffen.

Angesichts dessen, wie lange sich die Republik Österreich in diesem Fall Zeit gelassen hat, war es mir vor wenigen Tagen möglich, das auch einmal in einen anderen Zusam­menhang zu stellen, und zwar wird von anderer Seite über die Entwicklungen am Westbalkan immer wieder gesagt, das dauere zu lange. Wie lange haben wir gebraucht, um vieles zu ändern?! Man sollte das in anderen Weltregionen weniger aus dem „bequemen“ Sessel heraus betrachten, dann würde man bei Aufarbeitung der eigenen Geschichte sehen, dass so etwas schwierig ist. Aber diese Letztzahlung, die­se Finalisierung muss jetzt tatsächlich rasch erfolgen.

Gerne werden wir dem zustimmen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.02


Präsident Harald Reisenberger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Ebner. Ich erteile es ihm.

 


15.02.54

Bundesrat Mag. Walter Ebner (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Meine Vorredner haben schon auf das Wesentliche im vorliegenden Gesetz Bezug genommen: Der Entschädi­gungsfonds und das entsprechende Gesetz, 2001 beschlossen, wurden nachjustiert, um in diesem Bereich der Gerechtigkeit tatsächlich einen Weg zu bahnen, auch wenn die Republik Österreich 1995 mit der Beschlussfassung des Nationalfonds den ersten Schritt gesetzt hat. 2001 kam der Entschädigungsfonds, und darüber hinaus als drittes Standbein kamen die Naturalrestitutionen.

Wir haben heute hier einen Beschluss zu fassen, um tatsächlich den Personen in die­sen Verfahren zu ihrem Recht zu verhelfen. Von 20 700 Verfahren wurden ja in der ersten Entscheidung 20 540 positiv behandelt; es sind also offensichtlich zirka 300 Ver­fahren noch offen. Und da gilt es, eine rasche Entscheidung zu treffen.

Wer so wie ich in Yad Vashem mit SchülerInnen aus Österreich sein durfte und konnte, kann diese Verfahren, diese Statistiken und Zahlen tatsächlich mit Personen verknüp­fen. Dann wird es einem umso bewusster, welche Dramatik und welche menschenver­achtenden Systeme es auf der Welt gibt und gegeben hat, besonders auch den Natio­nalsozialismus, der im Besonderen in Österreich, ja in großen Teilen Europas gewütet hat.

Daher ist es notwendig und richtig, dass wir diesen Beschluss fassen, dass wir aber auch den Betrag von 210 Millionen US-Dollar dort, wo Bedarf ist, aufstocken. Wir soll­ten jenen Verfolgten, die noch am Leben sind, diese Entschädigung persönlich geben und nicht den Erben. Diese Entschädigung stellt auch einen moralischen Akt dar und kann nur eine kleine Entschädigung für das sein, was sie erlitten haben.

Es muss hier auch gesagt werden, dass im Jahr 2009 noch etwa 516 000 € – so steht es im Entwurf – und 2010 2,9 Millionen € vorzusehen sein werden. Das heißt, das, was mit einer Limitierung, Deckelung von 210 Millionen Dollar angesetzt worden ist, war aus damaliger Sicht wohl richtig. Nunmehr ist allerdings ein neuerlicher Beschluss not­wendig.

Ich darf mich den Ausführungen meiner Vorredner anschließen: Es gebührt auch all je­nen Respekt, die sich mit diesen Fragen, mit den einzelnen Anträgen auseinanderge­setzt haben. Daher darf ich sie namentlich erwähnen – aus den Unterlagen, die wir ab­rufen konnten, waren die Namen ersichtlich –: Sir Franklin Berman als Vorsitzender, von amerikanischer Seite Jonathan Greenwald und von österreichischer Seite Dr. Kurt Hofmann. Auch sie haben entsprechende Leistungen erbracht. Jeder einzelne Antrag beinhaltet ein persönliches Schicksal, das wir als Nachgeborene nur nachzufühlen ver­suchen können. Erfassen können wir die Grausamkeit und die Brutalität wohl nicht in ihrer vollen Härte.

Aus diesem Grunde ist es auch für mich ein besonderes Faktum gewesen, dass Frau Minister Dr. Fekter heute in einer Beantwortungspassage zu Mauthausen darauf hinge­wiesen hat, dass in den achtziger Jahren in Österreich noch das Opferbild vorherr­schend war, es aber seither eher eine Gesamtsicht gibt. Aus diesem Grunde ist die Frage der Verantwortung, die Frage der Raschheit 30, 40, 50 Jahre nach Beendigung und Beseitigung dieses verbrecherischen Systems eine zu relativierende. Auch hier se­hen wir für die Zukunft weiter Verantwortung, und diese Verantwortung in die Zukunft bedeutet, dass der Nationalfonds natürlich weiterhin bestehen bleibt, aber nur ein Be­reich, nämlich die Antragstellung, mit der Begrenzung 28. Mai 2003 ein Ende gefunden hat.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 101

Der Nationalfonds hatte 32 000 Anträge zu behandeln. Davon betrafen 23 000 Anträge Mietrechtsentschädigungen. 18 000 Auszahlungen wurden ein-, zwei- oder mehrmals getätigt.

Wer diese Altösterreicher – und so empfinden sie es – im Staate Israel, in ihrer neuen Heimat persönlich kennen lernen durfte, weiß, welch enge persönliche Bindung sie zu ihrer Kindheit, wohl auch zu ihrer familiären Vergangenheit und zu diesem Staate ha­ben. Damit ist es gerechtfertigt und richtig, dass dieser Staat mit dieser Beschlussfas­sung auch seiner Verantwortung gerecht wird.

Auch wenn in der Statistik zu lesen ist, dass 524 Mal Naturalrestitutionen getätigt wur­den, so muss ich doch sagen: Das ist schon ein Verhältnis, das uns zu denken geben und uns eigentlich aufrütteln sollte. Wenn 20 000, 30 000 Anträgen – hinter jedem An­trag stecken ja Personen und Schicksale ganzer Familien – tatsächlich nur Naturalres­titutionen in der Größenordnung von 542 gegenüberstehen, dann soll uns das deutlich machen, dass es ein Missverhältnis zwischen den Anträgen von Personen, die außer­halb dieser Republik Österreich eine neue Heimat gefunden haben, und denjenigen, die tatsächlich Naturalrestitutionen in Anspruch nehmen konnten, herrscht.

Wenn von der Republik Österreich der Wunsch nach einem endgültigen Abschluss der Verfahren geäußert wurde, nämlich dass damit alle Ansprüche gegenüber Österrei­chern und österreichischen Unternehmen abgegolten sein sollten, dann glaube ich, dass wir uns auch dieser Frage mit voller Verantwortung zu stellen haben. Es wird wohl keine endgültigen Verzichtserklärungen geben. Daher werden wir auch über das Jahr 2009/2010 hinausgehend das eine oder andere an budgetärer Vorsorge zu treffen haben.

Wir werden von unserer Seite diesem Antrag die Zustimmung geben. (Beifall bei Bun­desräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.09


Präsident Harald Reisenberger: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.10.415. Punkt

Wahl des Vizepräsidenten und der Vizepräsidentin sowie der Schriftführer/innen und der Ordner/innen für das 2. Halbjahr 2009

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Da mit 1. Juli 2009 der Vorsitz im Bundesrat auf das Bundesland Burgenland über­geht und gemäß Artikel 36 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der an erster Stelle ent­sendete Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Erwin Preiner, zum Vorsitz be­rufen ist, sind die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates für das kommende Halbjahr neu zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 102

Ich werde die Wahl des Vizepräsidenten beziehungsweise der Vizepräsidentin durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des ersten zu wäh­lenden Vizepräsidenten des Bundesrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Mag. Harald Himmer lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt. (Bundesrat Mag. Himmer bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an. Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bun­desrates.

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt hiefür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth lautet.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt. (Bundesrätin Mag. Neuwirth bedankt sich für das Vertrauen und nimmt die Wahl an. Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer/innen

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur Wahl der SchriftführerInnen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Josef Saller, Ana Blat­nik, MMag. Barbara Eibinger und Waltraut Hladny für das zweite Halbjahr 2009 zu Schriftführerinnen beziehungsweise Schriftführern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Ein­wand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Ich habe die Mitteilung bekommen, Herr Bundesrat Josef Saller nimmt die Wahl an. Ebenso hat uns Frau Bundesrätin Ana Blatnik mitgeteilt, dass sie die Wahl annimmt. Frau Mag. Barbara Eibinger? (Bundesrätin Mag. Eibinger dankt und nimmt die Wahl an!) Frau Bundesrätin Waltraut Hladny? (Bundesrätin Hladny dankt und nimmt die Wahl an.)

Wahl der Ordner/innen

 


Präsident Harald Reisenberger: Wir kommen nun zur Wahl der Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Mitglieder des Bundesrates Karl Boden und Dr. Franz Eduard Kühnel für das zweite Halbjahr 2009 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 103

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Es wird kein Einwand erhoben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen. (Die Bundesräte Boden und Dr. Kühnel nehmen die Wahl an. Allgemeiner Beifall.)

Ich darf allen Gewählten auch von diesem Platz aus recht herzlich zur Wahl gratu­lieren.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

15.14.55Schlussansprache des Präsidenten

 


15.15.02

Präsident Harald Reisenberger: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, da es die letzte Sitzung ist, die ich als Bundesratspräsident leiten darf, vor dem – nicht ganz, aber doch – Ende noch einige persönliche Worte zu sagen. Es ist nämlich die Situation eingetreten, dass ich zwar die nächste Präsidiale noch leiten darf, aber der Vorsitz bei der nächsten Sitzung bereits auf das Burgenland übergeht.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Bundesrätinnen und Bundes­räte! Ich werde mich nicht allzu lange in Ausführungen ergehen, sondern es so halten wie bei meinem Einstand. Ich weiß, wenn man hier sitzt und sich anhören kann, was für theoretisch wunderbare Sachen hätten gemacht werden sollen, können oder müs­sen, dann ist das manchmal sehr mühsam. Ich werde mir das sparen. Ich glaube aber, dass Sie auch ein Anrecht darauf haben, ein bisschen etwas darüber zu erfahren, was in diesem halben Jahr stattgefunden hat und was wir alles gemacht haben.

Ich darf sagen – Sie wissen es ja –, dass dieses erste Halbjahr 2009 ein durchaus spannendes gewesen ist. Wir leben in einer Zeit der Wirtschaftskrise, der Finanzkrise – ja ich wiederhole mich, ich habe dies schon einige Male gesagt –, bis zu einem gewis­sen Grad auch der Vertrauenskrise, und das hat sich auch in der Gesetzgebung, auch auf den Bundesrat ausgewirkt – auf die Diskussionen, aber vor allem auch auf die Häu­figkeit der Sitzungen. Es war dieses halbe Jahr eines, in dem wir uns – aufgrund der Anzahl der Sitzungen – zweifelsohne als mehr als fleißig bezeichnen konnten. Ich kann aber auch sagen, dass diese sehr effizient abgehalten wurden, denn der zeitliche Auf­wand ist immer in einem Rahmen geblieben, der – viele von uns können sich daran er­innern – sich nicht gegen Mitternacht oder sogar über Mitternacht hinaus erstreckt hat, sondern wir konnten immer zu einem vernünftigen Zeitpunkt sagen: Die heutige Sit­zung ist geschlossen.

Spannende Aufgaben gehabt, Kontakte über Parteigrenzen hinweg geknüpft und Men­schen näher kennengelernt zu haben ist das, was ich für dieses halbe Jahr für mich in Anspruch nehmen kann und wofür ich wirklich sehr dankbar bin. Ich glaube – und ich bin zutiefst davon überzeugt –, dass die Funktion des Präsidenten des Bundesrates vor allem auch eine Position ist, in der wir die Möglichkeit haben, zu repräsentieren. Dabei geht es genau darum, worüber wir immer wieder diskutieren: Braucht man den Bundesrat oder braucht man ihn nicht? Das zieht sich ja durch alle Bundesländer und manchmal auch durch Fraktionen hindurch, dass manche sagen: Aber ja, den gibt es halt!, oder sich fragen, ob wir ihn wirklich brauchen.

Ich glaube schon, dass es auch darauf ankommt, wie wir uns präsentieren, wie wir uns selbst verstehen und wie wir unsere Aufgaben wahrnehmen, und ich denke, dass man


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da schon einiges machen kann. Habe ich am Anfang noch gemeint, dass wir im Be­reich der Reformen im Bundesrat endlich einige Nägel mit Köpfen machen müssen, und habe ich zu diesem Zeitpunkt im Jänner noch blauäugig geglaubt, dass sich das mit ein bisschen gutem Willen und ein bisschen Übereinstimmung auch in der Präsidia­le in kurzer Zeit über die Bühne bringen lässt, so bin ich mittlerweile klüger geworden. Die hellblauen Augen sind nicht mehr hellblau, sie haben den normalem Zustand – nämlich die braune Farbe – wieder angenommen. Ich weiß jetzt, dass es auch bei bes­tem Willen nicht funktioniert, auch wenn man in vielen Punkten über Parteigrenzen hin­weg die gleiche Meinung hat, diese Punkte von heute auf morgen zu verwirklichen.

Aber und darüber bin ich schon sehr froh und darauf bin ich auch recht stolz – wir konnten in der Präsidiale, also über Parteigrenzen hinweg, doch etliche Übereinstim­mungen erzielen, die jetzt in nächster Folge – und das wird, so hoffe ich, dann doch im nächsten halben Jahr sein – greifbar gemacht werden können. So konnten wir uns im Bereich der Bundesratsreform etliche Punkte genauer anschauen und gemeinsam zu guten Ergebnissen kommen wie zum Beispiel beim Stellungnahmerecht des Bundes­rates – das ist ein altes Kapitel, das für uns wichtig ist – und vor allem beim Teilein­spruchsrecht, das, glaube ich, vielen von uns ein ganz großes Anliegen ist.

Wir haben uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wie Verfassungsgesetze zu se­hen sind und wie wir als Bundesräte besser mitwirken können.

Wir haben ebenso festgestellt, dass es für uns wichtig ist, die Teilnahme am Hauptaus­schuss des Nationalrates zu erreichen, weil der Kontakt dorthin für uns ganz wichtig ist und wir diese Möglichkeit auch ausschöpfen sollten.

Wir sind weiters der Meinung, dass die Bestellung der Mitglieder des Verfassungsge­richtshofes nicht ohne den Bundesrat zu passieren hat.

Wir haben uns sehr intensiv über die EU-Erklärungen unterhalten und sind, glaube ich, auch zu einem Punkt gekommen, der für uns wichtig ist. Ähnlich geht es im Strukturbe­richt weiter. Aber auch bei der Anpassung der Geschäftsordnung des Bundesrates, die wir erst bei der letzten Präsidiale in Angriff genommen haben, gibt es einige Punkte, die – no na – von allen geteilt werden, und einige, über die wir uns noch unterhalten werden.

Die Arbeit ist hier voll im Gange, und ich bin sehr froh darüber, dass wir diese Punkte zumindest jetzt einmal in Bahnen lenken konnten, sodass der nächste Schritt schneller gemacht werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass das geschehen wird.

Was konnten wir noch alles in diesem halben Jahr machen, und was habe ich machen können, wofür zeichne ich in erster Linie verantwortlich? – Ich habe eine Enquete zum Thema Sozialpartnerschaft veranstaltet, und ich glaube, heute war wieder so ein Tag, wo sich gezeigt hat, wie wichtig die Sozialpartnerschaft in Österreich ist. Ich bin nicht nur bekennender, sondern sehr leidenschaftlicher Gewerkschafter, aber auch Sozial­partner; und deshalb war mir diese Veranstaltung so wichtig. Froh war ich auch darü­ber, dass die Präsidenten aller sozialpartnerschaftlichen Organisationen bei uns waren und in hervorragender Form ihre Meinung hier dargelegt haben.

Heute sage ich es auch: Ich habe nicht daran gedacht – und bin dafür auch gescholten worden –, dass zu den Sozialpartnern natürlich auch unsere Pensionisten-Organisa­tionen dazugehört hätten. – Okay, wo gearbeitet wird, fallen Späne, kann ich nur sa­gen. Diesen Fehler habe ich gemacht, dazu stehe ich; nichtsdestotrotz aber sage ich, dass diese Enquete geprägt war von einer wirklich wunderbaren Diskussion, und zwar nicht nur der Referenten, sondern auch von euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ihr bei dieser Enquete dabei gewesen seid und dort gesprochen habt. Wie wichtig die­se Veranstaltung war, hat sich ja auch darin gezeigt, dass sie eine Stunde länger als


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 105

vorgesehen gedauert hat. Das wäre sicherlich nicht der Fall gewesen, wenn es kein so anspruchsvolles Thema gegeben hätte.

Erst vor Kurzem konnte ich den Städtetag in der Steiermark besuchen, der zum ersten Mal von drei Städten durchgeführt wurde, nämlich von Bruck an der Mur, Leoben und Kapfenberg. Es war das eine sehr interessante Veranstaltung, ich war ja nicht alleine dort, wir konnten uns ja gemeinsam über einige Sachen amüsieren, wir konnten uns über einige Sachen freuen, aber was für mich wichtig war – das ist etwas, wo man die Chance bekommen muss, das auch zu lernen –, ist, verschiedene Problempunkte aus verschiedenen Perspektiven heraus zu sehen.

Ich glaube, das es wichtig ist, wenn man verschiedene Punkte aus dem Blickwinkel einer Stadt, eines Landes, des Bundes, der Gemeinde, wie auch immer, betrachtet. Und wenn man die unterschiedlichen Ansichten kennt, so heißt das ja nicht, dass man seine Meinung ändert, aber man kann eher verstehen und kommt eher zu Kompromis­sen, man kann eher miteinander auf ein Ziel zugehen, wenn man gegenseitige Akzep­tanz walten lässt.

In zwei Wochen werde ich noch deutsche und österreichische Landesparlamente so­wie den Südtiroler Landtag besuchen. Ich denke, dass dies auch eine sehr interessan­te Sache sein wird. Dabei werde ich natürlich auch wieder versuchen, den Bundesrat hervorzustreichen und diesen in den Vordergrund zu stellen. Gerade bei der Tagung der Landesparlamente werden wir auch sprechen über Veränderungsvorschläge, die wir vorhaben, die ich Ihnen dargelegt habe. Die Länder sind es ja, aus denen wir kom­men: Wien, Niederösterreich, Burgenland, Tirol, Vorarlberg und so weiter, sie alle ha­ben ein Anrecht, zu wissen, was wir an Veränderungen planen und vorhaben. Vorge­spräche hat es gegeben, und ich habe Signale bekommen, dass unsere Vorschläge, unsere Wünsche, unsere Forderungen – das kann man ruhig auch sagen – durchaus auf fruchtbaren Boden fallen.

Das Ausland ist auch eine Sache, die der Bundesratspräsident nicht auf die Seite schieben darf, und ich muss sagen, es ist auch interessant, es macht wirklich Spaß. So zum Beispiel konnte ich eine wirklich sehr interessante zweiwöchige Reise nach China unternehmen. Ich konnte hier bei uns im Hause den chinesischen Parlamentspräsiden­ten Wu, die Nummer 2 Chinas, empfangen.

China ist ein wirklich interessantes Land, ein Land, das man kennenlernen und wo man mit den Menschen ins Gespräch kommen sollte, um zu verstehen, warum Sachen so sind, wie sie sind, auch um zu verstehen, warum nicht von heute auf morgen China, vielleicht in unserer Wunschvorstellung, so ist, wie wir glauben, dass in Österreich alles in Ordnung ist. Auch hier gibt es einige Sachen, die sich verändern werden, aber es ist ganz einfach das Kennenlernen der Situation; das ist sehr wichtig.

In meiner Funktion als Bundesratspräsident konnte ich eine Reihe sehr interessanter und wichtiger Gespräche führen. So war ich etwa bei der Präsidentenkonferenz in Pa­ris, ebenso in Den Haag; am 27. Juli werde ich noch in offizieller Mission nach Buda­pest fahren. Vor 20 Jahren wurde ja der Eiserne Vorhang endlich durchgeschnitten!

Sehr viele Botschafterinnen und Botschafter durfte ich gleichfalls kennenlernen, die hier zu uns ins Haus gekommen sind und Kontakt mit dem Bundesrat gesucht haben.

Interessant war auch, an Staatsbesuchen teilnehmen zu können. Eingeladen wurde ich dazu zum Beispiel, wie bereits gesagt, vom chinesischen Parlamentspräsidenten Wu, wo ich die Gelegenheit hatte, fast eine Stunde lang ein Gespräch mit ihm führen, ein Gespräch, das tief hineingegangen ist in problematische Beziehungen, wo man eigent­lich zunächst nicht annehmen würde, dass wir vom Bundesrat dazu um unsere Mei­nung gefragt werden, dass diese von Relevanz ist, wie zum Beispiel das Thema Tibet, worüber es eine sehr intensive Diskussion gab.


BundesratStenographisches Protokoll771. Sitzung / Seite 106

Kennenlernen durfte ich weiters den Sohn des japanischen Kaisers, ebenso die Präsi­denten von Mali und Kasachstan sowie den König von Jordanien. Wir haben die ver­schiedensten offiziellen Gelegenheiten zu Gesprächen wahrgenommen, teilweise mit Kolleginnen und Kollegen – so zum Beispiel in Jordanien mit dem Kollegen Schen­nach, der ja in diesem Ad-hoc-Ausschuss hervorragende Arbeit leistet, wie ich feststel­len konnte, und dass er Anerkennung genießt, was man auch dazusagen sollte.

Ich hatte in diesem halben Jahr meiner Präsidentschaft auch Gelegenheit, bei unserer Gedenkveranstaltung hier im Parlament einige Worte zu sagen. Alles, was rundherum in dieser Zeit war, ist mehr als betrüblich. – Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen auch ein Schreiben zu den Entgleisungen, die es in letzter Zeit gegeben hat, zukom­men lassen und ersuche Sie, dieses zur Kenntnis zu nehmen.

Wichtig war es, dass jene, die bei dieser Gedenkveranstaltung gesprochen haben – die Frau Präsidentin des Nationalrates, der Zweite Präsident des Nationalrates, der Herr Bundespräsident und meine Wenigkeit –, sich in wirklicher Einhelligkeit und in ganz klarer Art und Weise, mit ganz klaren Worten gegen Neofaschismus ausgesprochen haben und ein klares Bekenntnis zu „Nie wieder!“ gegeben haben. Ich glaube, das ist wichtig, das ist gut – und das sind wir uns auch selbst schuldig.

Wir haben weiters auch Gespräche mit der Frau Nationalratspräsidentin bezüglich des Bundesrates führen können. Hier spricht man immer wieder davon, was man umge­baut bräuchte und was man anders haben will. Es geht hier um den Umbau des Parla­mentes an und für sich, was notwendig ist.

Ich habe immer darauf gepocht, dass es für uns wichtig ist, dass wir als Bundesrat auch in Zukunft einen Raum haben, der unser Raum ist; wo natürlich auch andere Veranstaltungen stattfinden können, wo wir aber sicher nicht Untermieter sind und wo wir, wenn wir Sitzungen haben, eben sein dürfen. Das ist auch bei der Frau Präsidentin auf fruchtbaren Boden gefallen, sie sieht es auch so. Ich denke aber, es wird noch eine Zeit dauern, bis tatsächlich klargestellt ist, wohin wir wandern werden, wie sich die bau­liche Tätigkeit zusammensetzen wird und dergleichen.

Das geht hin bis zu Kleinigkeiten. Ich habe beispielsweise ein Mail bekommen, in dem sich Menschen darüber mokiert haben, dass die Kamera, mit der unsere im Internet übertragenen Sitzungen gefilmt werden, immer nur in eine Position gerichtet ist. Ich habe mich klug gemacht und festgestellt, dass wir keine sehr moderne Kamera haben, da sie nur den Bereich des Sprechers einnimmt und sich nicht nach links und rechts bewegen kann. Wir haben daraufhin den Antrag gestellt, dass eine neue Kamera ange­schafft wird, um auch in dieser Hinsicht der heutigen Zeit angepasst zu sein. Wir haben in diesem vergangenen halben Jahr doch ein schönes Programm hinter uns gebracht, und ich habe für die letzten paar Tage meiner Präsidentschaft, die noch vor mir liegen, doch noch einiges vor. Dass ich das Ganze über die Bühne gebracht habe, und zwar, wie ich hoffe, in der Art über die Bühne gebracht habe, dass ihr sagen könnt: Okay, das hat er gar nicht so schlecht gemacht, hätten wir ihm gar nicht zugetraut!, das kommt nicht von allein. Das ist vor allem bei meinem „Nebenjob“ – unter Anführungs­zeichen –, Landessekretär des ÖGB, der auch ziemlich viel Zeit einnimmt, nicht so ein­fach.

Es ist wirklich nur möglich gewesen durch die gute Zusammenarbeit und die Vorberei­tung. Meinen Dank dafür spreche ich zunächst der Präsidiale aus. Dank an deinen Vor­gänger, Kollege Himmer, an Kollegen Weiss, der das in hervorragender Weise ge­macht hat; konfliktfrei – ich habe es auch nicht anders erwartet. Ebenso die Fraktions­vorsitzenden, Kollege Bieringer, nun Kollege Kneifel, und natürlich – für mich ganz wichtig – unser Fraktionsvorsitzender Albrecht Konecny, unser Professor, der immer Rat und Tat gewusst hat und somit dementsprechend hilfreich war.


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Eines ist wichtig, wenn man als Präsident arbeitet: dass man auch eine Vizepräsidentin hat, mit der man wirklich durch dick und dünn gehen kann. – Susanne Neuwirth, auch dir oder gerade dir ein ganz besonderes Dankeschön. Es tut gut, wenn man in dieser Zeit jemanden hat, der sagt: Wenn du ein Problem hast, ich bin da, wir machen das miteinander! – Ein ganz herzliches Dankeschön.

Aber auch mit den anderen Parteien, Kollegen Schennach zum Beispiel, war die Zu­sammenarbeit immer konfliktfrei; ebenso mit Kollegem Zangerl, der den Wunsch geäu­ßert hat, seinen Sitzplatz zu verlegen. In einem amikalen Gespräch haben wir das be­sprochen. Wir haben ihn gebeten: Bitte, lass uns ein bisschen Zeit, schauen wir, wie es weitergeht! – Ein Danke an euch alle, dass es diese Art der Kommunikation miteinan­der gegeben hat.

Ganz wichtig natürlich auch die Direktion und das Büro, beginnend mit Frau Dr. Bach­mann, die in hervorragender Weise die Vorbereitung aller Sitzungen und dergleichen mehr erledigt hat, über Frau Vizedirektorin Alsch-Harant bis hin zu Frau Fritz, die in erster Linie für mich zuständig war beziehungsweise ist, Frau Mroz und Frau Schwarz-Völkl.

Es gibt noch zwei, sozusagen die „Niki Laudas“ des Parlaments: Herrn Erich Mroz und Herrn Peter Michels, die mich immer verlässlich von Punkt A nach Punkt B gebracht und manchmal auch darauf hingewiesen haben, dass die Fahrt in der vorgegebenen Zeit nicht zu schaffen ist. Als wir zum Beispiel den chinesischen Präsidenten Hu vom Flughafen abzuholen hatten, haben wir einen Anruf bekommen, dass er eine Stunde früher landen wird. Halb zwölf war geplant, halb elf, hat es ursprünglich geheißen, kommt er an, also dreiviertel neun Abfahrt. Ich habe gesagt, das schaffen wir nie, wir fordern eine Polizeieskorte an, die soll uns zum Flughafen bringen, soll uns den Platz frei machen. Das hat alles wunderbar funktioniert. Die Polizeieskorte war auf dem Weg. Wollt ihr wissen, wo sie uns eingeholt hat? – Genau beim Eingang vom Sonder­gastraum zum Flughafen. Wir haben es also geschafft. – Recht herzlichen Dank an euch!

Dank an euch alle vor allem dafür, dass wir die Sitzungen so gut über die Runden brin­gen konnten, Dank dafür, dass ihr es mir erspart habt, einen Ordnungsruf aussprechen zu müssen. Manchmal war es nicht einfach, und ich gebe zu, manchmal bei Ministerin­nen und Ministern sogar noch schwieriger als bei euch. Aber wir haben es gemeinsam geschafft, die Sitzungen in einer Form über die Bühne zu bringen, die meiner Meinung nach diesem Haus und diesem Rahmen würdig ist.

25 Tage lang darf ich noch Präsident des Bundesrates sein. Es erwartet mich noch ein volles Programm bis dahin, aber es ist eine schöne und verantwortungsvolle Aufgabe.

Unser Image – das möchte ich auch sagen – ist im Ausland, überall dort, wo man hin­kommt, wesentlich besser als es manche bei uns im eigenen Land, die es immer wie­der herunterkritisieren – ich sage bewusst „herunterkritisieren“ –, darstellen. Wir kön­nen alle – egal, welche Funktion wir im Bundesrat innehaben – durch die Art, wie wir in der Öffentlichkeit auftreten, in unserer Partei, in unserer Gemeinde, wo immer wir sind, schon auch dazu beitragen, dass man uns das zukommen lässt, was uns zusteht, nämlich: den Bundesrat in der Form zu sehen, wie sie ist.

Wir können einiges verändern, wir wollen einiges verändern, gemeinsam mit den Bun­desländern. Wir haben auch mit dem Städtebund und dem Gemeindebund im vergan­genen halben Jahr Vereinbarungen treffen können, wo es zu einer besseren Kommuni­kation kommen wird. Ich glaube, dass das so weitergehen wird.

Das Burgenland übernimmt für das kommende halbe Jahr den Vorsitz. Erwin Preiner, du bist ja schon voll in den Vorbereitungen, schon ganz ungeduldig, in Erwartung, die Geschäfte übernehmen zu dürfen. Kollege Preiner plant sogar schon für einen Tag, be-


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vor er seine Präsidentschaft antritt, nämlich für den 30. Juni, eine große Veranstaltung in Eisenstadt. Ich glaube, die Einladungen sind schon abgeschickt; ich möchte nur noch daran erinnern. Ihr werdet noch einen Brief von der Parlamentsdirektion bekom­men, weil wir natürlich einen Bus zur Verfügung stellen werden für diejenigen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein wollen.

In diesem Sinne bleibt mir nur noch übrig, mich recht herzlich zu bedanken für das letz­te halbe Jahr. Ich freue mich schon auf die nächsten Monate, in denen ich mit ein biss­chen weniger Zeitaufwand, aber mit gleichen Kolleginnen und Kollegen arbeiten wer­de. – Ich danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

15.35


*****

15.35.50Einlauf

 


Präsident Harald Reisenberger: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 2684/J-BR/09
bis 2690-BR/09/J, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Juli 2009, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 30. Juni 2009, 13 Uhr, vorge­sehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

15.37.15Schluss der Sitzung: 15.37 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien