BundesratStenographisches Protokoll793. Sitzung / Seite 39

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ist es so weit, dass die deutsche Justizministerin an einer Reform arbeitet, die sich mit der Frage Obsorge für uneheliche Kinder beschäftigt.

Wir in Österreich müssen uns jetzt nach dieser Entscheidung auch damit beschäftigen. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht ganz unglücklich darüber, weil auch das natürlich ein The­ma ist, das sehr, sehr wichtig ist und das man diskutieren muss. Ein Kind hat nämlich Anspruch auf beide Elternteile. Wir dürfen nicht von den Männerrechten und von den Frauenrechten ausgehen, wir müssen von den Kinderrechten ausgehen. Ich bin schon sehr gespannt. Ich werde mir gleich nachher durchlesen, wie dieses Urteil begründet worden ist. Aber, wie gesagt: ganz exklusiv.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Welche Vorteile erwarten Sie sich vom Vorrang einer gemeinsamen Obsorge nach einer Scheidung oder von unehelichen Kin­dern?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ganz einfach: Es gibt Studien, auch in Deutschland, die belegen, dass die gemeinsame Obsorge per se de­eskalierend ist, dass sie per se, also von sich aus, schon zu einer besseren Ge­sprächsbasis zwischen den getrennten Elternteilen führt.

Sie wissen, die Obsorge betrifft ja nicht den persönlichen Kontakt, es geht eigentlich nur um die Frage, ob der andere Elternteil bei wichtigen Entscheidungen das Kind be­treffend mitzureden hat oder nicht; zum Beispiel bei der Frage, ob sich ein Kind einer medizinischen Behandlung unterzieht, welche Schule es besucht und so weiter.

Warum ist das deeskalierend? – Ich glaube, es wäre ganz wichtig, diese Frage der Ob­sorge aus dem Trennungsstreit herauszulösen. Dieser Streit, die Diskussion um die gemeinsame Obsorge oder die getrennte Obsorge oder die Frage, wer die Obsorge hat, wird im Trennungsstreit instrumentalisiert, der natürlich von Rachegefühlen, von Enttäuschung gezeichnet ist. Und das gehört herausgelöst. (Bundesrätin Posch-Grus­ka: Aber das sind die gleichen Personen! Das stimmt ja nicht!) Die Kinder dürfen nicht instrumentalisiert werden.

Deswegen bin ich überzeugt davon, dass sozusagen der natürliche Zustand, dass nämlich beide Elternteile die Obsorge haben, aufrechterhalten werden soll, aber: Wenn irgendwo eine Gefahr für das Kind gegeben ist, sei es durch Gewalt, sei es durch an­dere Einflüsse, kann natürlich dem anderen Elternteil die Obsorge entzogen werden.

In Deutschland hat sich dieses System sehr gut bewährt. Ich bin immer wieder im Ge­spräch mit meiner deutschen Amtskollegin und auch mit Justiz-Staatssekretär Max Stad­ler. Wir haben wirklich intensiv darüber gesprochen. Die Erfahrungen in Deutschland sind sehr positiv, zumal sich die Zahl der Besuchsrechtsstreitigkeiten und der Unter­haltsstreitigkeiten bei Gericht massiv reduziert hat, seit es dieses System gibt.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bun­desrätin Lugsteiner.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Bis jetzt gab es ja das gewollte gemeinsame Obsorgerecht, es stand eigentlich immer das Kindeswohl im Vordergrund. Mein Informationsstand ist nun: Das von der konserva­tiven Seite geplante Modell der zwingenden gemeinsamen Obsorge würde dazu füh­ren, dass mehr Rechtsstreitigkeiten bei Gericht entstehen – was Sie schon angeführt haben –, um von einer unerwünschten gemeinsamen Obsorge wieder wegzukommen, beziehungsweise würde oft der schwächere Elternteil vom rücksichtslosen Partner mit der Weigerung auf den Verzicht der gemeinsamen Obsorge ungebührlich unter Druck gesetzt.

 


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