BundesratStenographisches Protokoll841. Sitzung / Seite 77

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Seit Herbst 2014 gibt es kein Mare Nostrum mehr, und das kritisieren wir heftig. Allein in diesem Jahr, und das Jahr ist noch nicht einmal zur Hälfte um, haben die Kata­strophen im Mittelmeer 1 200 Menschenleben gekostet. Die Antwort der Europäischen Union ist nicht, die Menschen zu retten und die Seemeilengrenze wieder auszuweiten, sondern schon wieder knapp 30 Seemeilen vor der italienischen Küste Schluss damit zu machen. Was, wenn dieses Schiff knapp vor der libyschen Küste in Seenot gerät? – Das ist das große Thema, das müssen wir besprechen. Man kann nicht still dasitzen und sagen: Ja da kann man nichts machen! – Das haben 1938 genug Staaten ge­macht, und genau deswegen müssen wir hier aktiv werden.

Wenn man hört, dass in Nordafrika Flüchtlingszentren gebaut werden sollten – etwas, das von sehr vielen als eine der Patentlösungen wahrgenommen wird –, dann möge man sich bitte die politischen Realitäten in diesen Staaten anschauen, wie etwa in Li­byen, das derzeit ein Failed State ist, das muss man leider so sagen. (Bundesrat Kru­sche: Wer ist schuld?)

Das muss man auch über Ägypten sagen, das es nicht geschafft hat, nach der Revolu­tion eine Verfassung zustande zu bringen, in der sich alle wiederfinden, sondern wo es einen derartigen Konflikt zwischen der Muslimbruderschaft und säkularen Kräften und dem Militär gab, dass zuerst die einen das Sagen hatten und jetzt die anderen, und die es nicht schaffen, miteinander eine demokratische Verfassung zustande zu bringen. Dort sollen wir Schutz und Sicherheit bieten? – Ich glaube das nicht.

Tunesien ist ein Land, das erst um seine Stabilität ringt, und in Syrien kann man derzeit wohl keine Flüchtlingszentren bauen.

Sie haben gerade heute die neuen Zahlen bekommen – jetzt habe ich sie vergessen, auf meinem Tisch liegen lassen –, Sie können es nachlesen: So viele Binnenflüchtlinge wie jetzt hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Das betrifft vor allem Syrien. 38 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge – jetzt, nicht gestern, nicht vorgestern, jetzt! Und die haben keine Hilfe.

Wenn Menschen im Mittelmeer sterben, dann muss man etwas tun, und zwar sofort – nicht morgen, nicht übermorgen, sondern jetzt! Was man jetzt machen kann, ist, Mare Nostrum wieder auszuweiten, Mare Nostrum wieder ins Leben zu bringen, um im ge­samten Mittelmeer Menschenleben zu retten. Das ist das Akute. Und nachhaltig? – Nachhaltig hat sich Dublin als Irrtum erwiesen. Es muss wieder die Möglichkeit geben, innerhalb der Länder, aus denen Menschen fliehen wollen, in den Botschaften Asyl­anträge zu stellen. Es muss wieder die Möglichkeit geben, dass die Menschen, die die­se Hilfe brauchen, eine Reise organisiert bekommen. Das wäre auch die Möglichkeit, den Schleppern, die mit havarierenden, viel zu vollen Booten über das Mittelmeer tu­ckern, die Grundlage zu entziehen. (Bundesrat Dörfler: Grundlage wäre, wenn es kei­ne Konflikte gäbe!)

Meine Damen und Herren! In zwei Wochen steht Österreich mit dem Slogan „Building Bridges“ im Mittelpunkt der Weltaufmerksamkeit. Europa sollte tatsächlich Brücken bauen zu den Menschen, die Hilfe suchen, und nicht nach dem Motto handeln: Building Walls rund um Europa. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.20


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


12.20.30

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa predsednica! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kole-


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