BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 65

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12.22.23

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätzte Damen und Herren! Das Heimopferrentengesetz und das Verbre­chensopfergesetz sind die ersten Gesetze in der EU zum Schutz betroffener Menschen im Bereich Missbrauch und Gewalt.

Meine Damen und Herren! Als vor sechs Monaten Vertreter des offiziellen Österreich und Vertreter der Kirche mit über 300 betroffenen Männern und Frauen unter dem Titel „Geste der Versöhnung“ zusammenkamen, war das mehr als ein Akt der Erinnerung. Die Lebensgeschichten von ehemaligen Heimkindern, Geschichten von einem Leben an­gefüllt mit Gewalt und Missbrauch standen im Mittelpunkt. Diese Menschen, meist oh­nehin schon mit Nachteilen einer zerbrochenen Familie oder dem Verlust des Elternhau­ses ins Leben gestartet, fanden dort, wo sie Hilfe und Geborgenheit erwarteten, Gewalt und Missbrauch. Dabei ist es nicht nur die Zerstörung der Kindheit, die man feststellen muss, sondern auch die Hypothek für die Zukunft der Menschen, die mit diesen Gräuel­taten verbunden waren und sind. Vor allem ist es auch eine lange Zeit des Schweigens darüber, was diesen Menschen angetan wurde, die zusätzlich bedrückend wirkt.

Diese Menschen durften das, was ihr Leben zerstörte, nicht artikulieren, durften das Zer­störte in Bezug auf ihr Leben nicht benennen. Sie durften auch nicht mit dem Verständ­nis rechnen, das Opfern das Leben ein wenig erleichtert. Es war für viele eine Befrei­ung, als diese brutalen Vorkommnisse von Gewalt und Missbrauch in Heimen des Staa­tes, der Kirche und auch in Pflegefamilien ans Tageslicht kamen. Es waren in vielen Fäl­len der systematische Missbrauch und die systematische Gewalt, die so betroffen mach­ten. Die Frage, wie das geschehen konnte, stellt sich hier unweigerlich. Oft sind es Ab­hängigkeit und Hilflosigkeit, die für manche Menschen in Bezug auf Missbrauch einla­dend wirken, oft ist es auch die Überforderung der in der Erziehung tätigen Personen.

Ich durfte oft mit Waltraud Klasnic, die als Vorsitzende der Unabhängigen Opferschutz­anwaltschaft eine der Einrichtungen zur Aufarbeitung dieser Schicksale leitete, reden und dabei erfahren, wie behutsam vorgegangen werden musste, um Menschen zum Reden über das zu bringen, was ihr Leben zerstörte, und wie befreiend die Möglichkeit, darü­ber reden zu können und Gehör zu finden, wirkte. Diese Gespräche sind für mich un­vergesslich.

An diesem Punkt möchte ich allen, die in den Kommissionen und in anderen Einrich­tungen einen unverzichtbaren Beitrag zur Aufarbeitung dieser Ereignisse leisteten, mei­nen herzlichen Dank aussprechen, an der Spitze der Präsidentin des Nationalrates Do­ris Bures, dem Weißen Ring unter Professor Jesionek, Waltraud Klasnic, der möwe, dem Land Wien und stellvertretend für die übrigen Bundesländer dem Land Tirol. Es sind Institutionen, die zu einem Hearing eingeladen waren. Diese Organisationen, meine Da­men und Herren, brachten nicht nur die Erfahrung einer jahrelangen Auseinanderset­zung mit diesem dunklen Thema ein, sondern auch die Feinfühligkeit und Sensibilität, die notwendig sind, um die Opfer nicht noch weiter in ihrer schwierigen Lage zu entmu­tigen. Ihre Arbeit führte zu dem ermutigenden Zeichen, das wir jetzt mit diesem Bun­desgesetz betreffend die Rentenleistung für Opfer von Gewalt in Heimen setzen konn­ten.

Ich wiederhole: In sonst selten anzutreffender Einigkeit konnte dieses Gesetz erarbeitet werden – ein ermutigendes Zeichen für die Übernahme von Verantwortung. Mit diesem Gesetz wird den Opfern, die bis jetzt aktenkundig sind, aber auch denen, die erst in Zu­kunft ihr Schweigen zu brechen vermögen, eine Zusatzpension von 300 € monatlich zu­gesprochen. Es ist eine Zusatzpension, die wertgesichert ist und nicht gepfändet wer­den kann. Dieser Betrag ist steuerfrei, unpfändbar, wird nicht auf andere Leistungen an­gerechnet und mit der normalen Pension jährlich valorisiert. Man schätzt, dass über 7 000 Personen bezugsberechtigt sind. Diese Pension wird auch Pflegekindern in Pfle-


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