Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Ich darf die letzte Frage im Rahmen der Fragestunde stellen. Da das Thema Ar­beitslosenversicherung Neu schon auf sehr viel Interesse gestoßen ist, wäre meine Frage:

1926/M-BR/2021

„Mit wem führen Sie im Rahmen des Reformdialogs zur ‚Arbeitslosenversicherung Neu‘ bereits Gespräche?“

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Wir haben Anfang September gesagt, wir wollen diesen Reformdialog starten. Es gibt Gespräche mit den verschiedensten Institutionen und Personen. Wir haben natürlich laufend Gespräche mit den Sozialpartnern; es wird auch noch größere Sozialpartnerrunden geben. Wir haben Gespräche mit dem AMS-Vorstand, mit dem AMS-Verwaltungsrat. Es gibt laufend Ge­spräche mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, mit Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Institutionen.

Es gibt natürlich auch Gespräche mit dem Parlament, mit den Arbeits- und Sozialspre­chern im Parlament. Es wird eine größere – und da kann ich gleich die Einladung aus­sprechen – Veranstaltung geben, eine Art Enquete, und es ergeht die Einladung an alle, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. Wir werden natürlich auch mit Betrof­fenen sprechen – das ist mir ganz besonders wichtig –, über diese Reformideen und die Notwendigkeiten, die sie anführen. Darüber hinaus führen wir einige Gespräche im Aus­land, um uns anzusehen, wie denn verschiedene Arbeitsmarkt- und Arbeitslosenver­sicherungssysteme im Ausland funktionieren und was davon man auf Österreich über­tragen kann.

Mir war immer sehr wichtig, diesen Dialog sehr breit zu führen, um möglichst viel In­formation zu bekommen, natürlich aber auch, um allen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen, und bisher habe ich schon viele interessante Aspekte aus diesen Ge­sprächen mitgenommen. Man lernt aus jedem Gespräch etwas, finde ich.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zusatzfrage, Herr Bundesrat Preineder? – Bitte.

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Meine Zusatzfrage wäre: Ist da auch die Landwirtschaftskammer als Sozialpartner gleichwertig eingebunden?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Ja, wir haben regelmäßig auch Kontakt mit den Sozialpartnern im landwirtschaftlichen Bereich, zum Beispiel wenn es um die Saisonnierregelung geht. Da gibt es immer Gespräche, wir sind in sehr gutem Austausch, und glücklicherweise funktioniert die Zusammenarbeit da sehr, sehr gut – wie letztlich mit allen Sozialpartnern.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Bundesrätin Sandra Gerdenitsch. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Guten Morgen, Herr Mi­nister! Ich darf eingangs betonen: Bitte vergessen Sie die Frauen nicht, binden Sie auch diese aktiv in die Gespräche ein!

Bis wann wird das fertige Konzept vorliegen? Mit welcher Verbindlichkeit soll da was umgesetzt werden? Können Sie Zuverdienstmöglichkeiten und Zumutbarkeitsbestim­mungen definieren? Und: Mit welchen Ländern haben Sie gesprochen?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Das waren jetzt ein paar Fragen, ich hoffe, ich vergesse nichts, sonst erinnern Sie mich bitte daran!

Wir werden bis Ende des Jahres den Reformdialog führen und wollen im ersten Quar­tal 2022 ein Reformpaket präsentieren, das dann auch ins Parlament kommen soll. Das wäre der Zeitplan. Dafür setze ich mich ein, diese Aufgabe ist nämlich recht ambitioniert, ich hoffe aber sehr, dass wir das auch vom Zeitplan her schaffen.

Wir werden natürlich auch – Frauen sind überall beteiligt – mit Frauenvertreterinnen und -vertretern sprechen. Ich habe die Landesräte noch vergessen, natürlich sind auch die Länder eingebunden.

Sie haben gefragt: Wo waren wir, wo haben wir uns die Systeme angeschaut? – Der erste Besuch ging nach Schweden, das, wie ich glaube, ein sehr interessantes System hat, das durchaus mit Österreich vergleichbar ist. (Bundesrätin Schumann: Na ja, nein! Die Gewerkschaften ...!) – Ich weiß, es gibt zwei - - Ich habe es jetzt auch genau gelernt, deswegen weiß ich das, im Gesamtsystem aber ist es in der sozialen Absicherung durchaus vergleichbar und es gibt dort auch interessante Aspekte der Förderung.

Weiters waren wir in Litauen. Dort gibt es bei der Arbeitsvermittlung sehr interessante Aspekte der Digitalisierung. Der US-Besuch, der jetzt stattgefunden hat, hatte eigentlich nicht direkt etwas mit diesem Reformprojekt zu tun. Das war ein bilateraler Besuch mit dem dortigen Arbeitsminister, wir haben dort aber vor allem auch über Aspekte der Ar­beitsvermittlung gesprochen.

Habe ich etwas vergessen? (Bundesrätin Gerdenitsch: Zuverdienstmöglichkeiten und Zumutbarkeitsbestimmungen!)

Danke für die Erinnerung. Zuverdienstmöglichkeiten und Zumutbarkeitsbestimmungen: Natürlich sind diese Teil des Gesamtsystems. Auch das wird im Gesamtsystem eine Rolle spielen. Wir haben immer gesagt, dass der Zuverdienst auf der einen Seite sehr positive Aspekte hat: Er lindert in vielen Fällen Armut, er führt dazu, dass man Fä­higkeiten erhält, er führt möglicherweise dazu, dass man leichter wieder eine volle Be­schäftigung bekommt. Er hat aber in anderen Fällen auch – das wissen wir aus Studien – eine verlängernde Wirkung auf die Arbeitslosigkeit; deswegen muss man sich das sehr genau anschauen.

Was die Zumutbarkeitsbestimmungen betrifft: Da habe ich überhaupt noch keine Ein­schätzung. Wir haben vor Kurzem eine Einschätzung der OECD bekommen, die wir jetzt genauer prüfen und die besagt, dass die Zumutbarkeitsbestimmungen in Österreich während der Arbeitslosenversicherungszeit, also während man Arbeitslosengeld be­zieht, im internationalen Vergleich nicht besonders streng sind, während des Bezugs der Notstandshilfe allerdings sind sie im internationalen Vergleich relativ streng. – Das ist jetzt einmal die Einschätzung der OECD. Wir müssen uns anschauen: Gibt es da ir­gendwelche Notwendigkeiten? Es muss aber, glaube ich, im Gesamtpaket funktionieren, und wenn man einzelne Aspekte herausgreift, dann kommt man in der Argumentation sehr rasch in eine Schieflage, deswegen bitte ich um Verständnis, dass wir über ein Gesamtpaket diskutieren wollen.

Präsident Dr. Peter Raggl: Ich bitte um die Zusatzfrage von Bundesrat Thomas Dim.

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Es geht ja nicht nur darum, das Arbeitslosengeld zu reformieren, sondern es auch gerechter zu machen. Das heißt vielleicht auch, dass die, die länger in ein System einbezahlt haben, dann im Fall der Arbeitslosigkeit auch mehr bekommen.

Wie stehen Sie zu der Idee, auf Basis der 55 Prozent des Letztbezuges pro Beitragsjahr das Arbeitslosengeld um 1 Prozent zu erhöhen?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Das ist ein in­teressanter Vorschlag, den ich, glaube ich, irgendwann schon einmal gehört habe. Wir haben ja jetzt schon Elemente im System, die diese Seniorität – nennen wir es so – berücksichtigen: Man bezieht länger Arbeitslosengeld, wenn man länger einbezahlt hat, die Höhe ist davon aber nicht betroffen.

Das kann man sich sicher näher anschauen. Die Frage ist natürlich immer, welche Wir­kungen das auf diejenigen hat, die dann, wenn sie älter sind, höhere Bezüge hätten, und ob es damit vielleicht zu einer leichteren Verfestigung käme. Das muss man sich also genau anschauen, das ist ein interessanter Vorschlag, den ich gerne mitnehme. – Vielen Dank.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrat Andreas Lackner zu Wort gemeldet. – Ich bitte, diese Frage zu stellen.

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Minister! Sind Gespräche mit VertreterInnen der Armutskonferenz geplant oder gibt es diese bereits?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank. Ja, wir haben mit der Armutskonferenz einen Gesprächstermin für November vereinbart. Darüber hinaus gibt es aber natürlich laufend Gespräche mit Mitgliedern der Armutskonferenz, laufend Gespräche auch mit VertreterInnen der sozialökonomischen Betriebe, der Caritas und ähnlichen Trägerorganisationen. Wir schauen uns sehr genau an, was dort gemacht wird, um einfach zu verstehen, welche Möglichkeiten und Fördernotwendigkeiten es gibt.

Gerade für diesen Bereich sind natürlich für die Reform Gespräche geplant, um zu sehen, welche Reformschritte zu welchen Effekten führen würden. Ich sage das ganz offen: Natürlich kann es kein Ziel sein, dass durch eine Reform Armut verschärft wird, und deswegen ist der Austausch mit der Armutskonferenz so wichtig.

Präsident Dr. Peter Raggl: Zur letzten Zusatzfrage hat sich Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Frage.

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist leider keine spieltheoretische Frage geworden. (Heiterkeit des Bundesministers Kocher.)

Wird Ihrer Einschätzung nach im Rahmen der Arbeitslosenversicherung Neu die Netto­ersatzrate auch einmal unter 55 Prozent sinken?

Präsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Wir haben ja jetzt schon bei der Notstandshilfe eine Nettoersatzrate, die unter 55 Prozent liegt; das sind ja 92 oder 95 Prozent des Arbeitslosengeldbezugs, insofern gibt es das schon. Die Frage ist, ob das genau auf diesem Niveau bleibt. Es muss im Gesamtsystem passen, ich habe aber ausgeschlossen, dass es weit unter 55 Prozent gehen kann, und das ist, glaube ich, etwas, das schon aussagt, dass es nicht um eine Kürzung geht, sondern eher um eine Verbesserung der Situation für die arbeitslosen Menschen in Österreich. – Danke.

Präsident Dr. Peter Raggl: Sehr geehrter Herr Bundesminister, vielen Dank für die Beantwortung der Anfragen der Bundesrätinnen und Bundesräte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mir liegen keine weiteren Anfragen vor. Die Fragestunde ist damit beendet.