Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 152

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16.12.16

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanz­ler! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Das ist eine wei­tere Debatte zum Thema Europa, das dieser Tage in aller Munde ist. (Abg. Deimek: Den gibt’s auch noch?) – Ja, ich bin noch da, aber es wird ein überschaubarer Zeit­rahmen sein. (Abg. Belakowitsch: Gleich ist er weg ...!)

Für alle, die sich ernsthaft erkundigen wollen: Ende September werde ich meinen Sitz hier im Haus übergeben. Das gibt mir die Chance, hier noch das eine oder andere Wort zu deponieren. Und ich muss ja nicht reden; wir haben genügend gute Leute, die auch reden könnten, dennoch habe ich mich heute gemeldet, weil es mir ein Anliegen ist, Sebastian Kurz, wenn er hierherkommt, ein paar Dinge mitzugeben.

Ich war gestern bei einem Abendessen, bei dem einer dabei war, der es an und für sich gut mit mir meint. Er hat mich gefragt: Warum bist du gar so kritisch und so böse mit Sebastian Kurz? – Das stimmt schon, ich glaube, ich habe in den letzten zwei, drei Wochen oft sehr hart ausgeteilt, und es ist nicht so, dass mir das Spaß macht. Es ist für mich jedes Mal eine echte Überwindung. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Rufe bei der FPÖ: So schlimm ist das auch nicht! Das ist fishing for compliments! Matthias, wenn du selber nicht mehr ehrlich bist ...!) – Nein, nein, das ist ehrlich! (Beifall bei den NEOS.)

Ich zitiere meine Frau als Bürgin, die danebengesessen ist, genickt hat und gesagt hat: Ja, er ist am Abend immer ganz fertig, wenn er kritisieren musste. – Das beschäftigt mich sehr. (Ruf bei der FPÖ: Weil du ein schlechtes Gewissen hast ...! – Zwischen­be­mer­kung von Bundeskanzler Kurz.) – Ja, schlechtes Gewissen? Ich wollte in der Politik eigentlich nie so persönlich werden, und es gab ja Zeiten, in denen ich ein echter Sebastian-Kurz-Fan war. (Bravorufe bei der ÖVP.) – War ich, ja. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als ich in die Politik gegangen bin, hatten wir ein Unternehmen und dort auch ein großes Projekt, das nicht gewinnorientiert war. Wir haben uns um die Begleitung von talentierten und engagierten Jugendlichen mit Migrationshintergrund gekümmert. Das war zum Beispiel ein Projekt, das du (in Richtung Bundeskanzler Kurz) als Staats­sekretär übernommen hast. Wir haben es in einen Verein verlagert, denn ich wollte nicht, dass es unter die Räder kommt, nur weil ich in die Politik gehe. Du hast es mit offenen Armen genommen und sofort verstanden, worum es geht, nämlich um Poten­zialentfaltung et cetera.

Das ist schon irgendwie der Grund, warum ich mich noch einmal melde. Vielleicht nutzt es eh nichts, aber ich glaube, wir waren letztes Mal beim biblischen Gleichnis der Talente, und ich denke, es ist mehr möglich, Sebastian Kurz. Ich glaube das tat­sächlich und werde noch jede Chance nutzen, um an dir zu rütteln. (Ruf bei der FPÖ: Da wird er ganz fertig sein!) Wenn ich zuschaue, wie diese Bundesregierung und vor allem ein Bundeskanzler agiert, der der Generation Interrail und Erasmus angehört, dann sage ich: Das kann nicht alles sein! Das kann nicht der Ernst dieses jungen Men­schen mit 31 Jahren sein, der auch diesem Kontinent und seiner Einigung so viel zu verdanken hat. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Dann schießt mir Voltaire ein, der sagt: „Du bist nicht nur verantwortlich für das, was du tust, sondern auch für das, was du nicht tust.“ Die Frage: Was habe ich heute nicht getan?, möchte ich einfach als abendliches Mantra mitgeben. Da wird jemandem hoffentlich einiges für den nächsten Tag einfallen, denn mit den Möglichkeiten, die dieser Kanzler hat, könnte er ganz andere Dinge bewirken, als zu zündeln und irgend­wie Nationalismen zu beflügeln. Da wären ganz andere Dinge möglich, davon bin ich überzeugt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

 


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