11.38

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Ja, die Anpassung von Familienleistungen an die Kaufkraft jenes Landes, in welchem ein Kind wohnt, war ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Fairness und ist damals unter der freiheitlichen Regierungs­beteiligung umgesetzt worden.

Der Europäische Gerichtshof hat am 16. Juni 2022 entschieden, dass die Indexierung der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen wie Kinderabsetzbetrag, Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag, Fami­lienbonus Plus nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Das Urteil ist zur Kenntnis zu nehmen. Das muss aber auch zur Folge haben, dass Österreich zukünftig überhaupt keine Familienbeihilfe mehr an im Ausland wohnhafte Kinder bezahlt, denn die Natio­nalstaaten sollen selbst entscheiden. Wir in Österreich sollen selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen zukünftig die Familienbeihilfe in das jeweilige Ausland für Kinder, die nicht in Österreich wohnen, bezahlt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Argument, das immer wieder von den NEOS und von der SPÖ kommt, nämlich dass Eltern, die in Österreich arbeiten, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen und deswegen einen Anspruch auf unsere Familienleistungen haben, ist völlig verfehlt. Dieses Argument ist völlig daneben! Dazu kommt noch, dass einige Staaten, in denen diese Kinder leben, gar kein Kindergeld bezahlen müssen, während Österreich zur Kas­se gebeten wird – und das kann es auch nicht sein!

Worum geht es eigentlich bei dieser Angelegenheit? – Konkret geht es um die EU-Ver­ordnung 883/2004, in der grenzüberschreitende Sachverhalte zur Anwendung kommen und die Sozialversicherungsleistungen koordiniert, etwa wenn eine Person in einem Land wohnt, aber in einem anderen Land arbeitet. Das betrifft die Leistungen des Ar­beitslosengelds, also den ganzen Bereich der Arbeitslosigkeit, Leistungen bei Krankheit, das heißt Krankengeld, Rentenansprüche – alles, was so in den Sozialbereich gehört.

Die Familienbeihilfe ist eine Familienleistung und keine Sozialleistung, und das wird ständig vermischt! Es werden da ständig immer Äpfel und Birnen vermischt – das sind zwei verschiedene Dinge! Immer wieder vermischt man es, und das ist nicht korrekt und es ist auch nicht richtig. Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man nämlich, dass die Familienbeihilfe auch an Eltern bezahlt wird, die gar nicht erwerbstätig sind – das ist aber auch ausschlaggebend, ob Eltern Steuern oder eben Sozialversicherungsbeiträge zahlen –, und natürlich auch, wenn das Kind nicht in Österreich wohnhaft ist.

Der Grund für die Einführung der Indexierung von Familienleistungen war für uns damals unter anderem, dass die Familienbeihilfe an die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungs­kosten angepasst wird, und die Höhe der Lebenshaltungskosten hängt wiederum von dem Land ab, in dem das Kind wohnhaft ist. Und auch wenn jetzt das Urteil des Euro­päischen Gerichtshofes anerkannt wird, wird die Indexierung der Familienleistungen wei­terhin für sinnvoll erachtet.

Dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexie­rung der Familienbeihilfe“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien, wird aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten in Bezug auf die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuer­vorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, zu prüfen und alle erforderlichen Schritte zu un­ternehmen, damit es in Österreich ehebaldigst wieder zu einer Indexierung der Fami­lienleistungen kommt.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter

betreffend Indexierung der Familienbeihilfe

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3, Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichs­gesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden sowie über den Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe, den Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auf­hebung der Indexierung der Familienbeihilfe und den Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Bei­hilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuerge­setz 1988 – EStG 1988) geändert wird (1633 d.B.)

in der 169. Sitzung des Nationalrates am 8. Juli 2022

Für Kinder, die nicht in Österreich wohnhaft sind, müssen laut den Vorschriften der EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009 Familienleistungen bezahlt werden, wenn ein El­ternteil in Österreich erwerbstätig ist oder einen Rentenanspruch hat.

Am 1. Jänner 2019 führte Österreich einen nach dem allgemeinen Preisniveau im jeweils betreffenden Mitgliedstaat basierenden Anpassungsmechanismus für die Berechnung der Pauschalbeträge der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen (Kinderabsetzbetrag, den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Al­leinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag) ein, die Erwerbstätigen ge­währt werden, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

Grund für die Einführung der Indexierung von Familienleistungen war unter anderem, dass es die Grundsätzliche Intention der Familienbeihilfe ist, für die Eltern einen teil­weisen finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung zu schaffen, die ihnen u.a. durch die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung und Erziehung von Kindern ent­steht. Insofern orientiert sich die Höhe der Entlastung durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag – dem Funktionsgleichheit in Bezug auf die Familienbeihilfe zu­kommt – an den tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten. Die Höhe der Lebens­haltungskosten wiederum hängt naturgemäß vom Wohnort der Kinder ab und kann da­her entsprechend differieren.1

Ein vom Bundesministerium für Finanzen im Jahr 2017 eingeholtes Rechtsgutachten hat u.a. Folgendes festgehalten:

„Die österreichische Familienbeihilfe ist nach der Intention des Gesetzgebers und der Judikatur des VfGH funktional eine teilweise Entlastung von der aus der Unterhaltspflicht erfließenden Belastung. Innerhalb des dualen Systems der Familienentlastung kommt der Familienbeihilfe eine spezifische Funktion zu, nämlich einen Teil der Ausgaben für die Sicherstellung des dem Regelbedarf zugrundeliegenden Warenkorbs zu refundieren. Sie soll die Person, in deren Haushalt das Kind lebt in die Lage versetzen, einen Teil jener Sachgüter und Dienstleistungen, die für die Erfüllung seine Unterhaltspflicht maß­geblich sind, nicht aus seinen eigenen Mitteln, sondern mit Unterstützung und aus Mitteln der Allgemeinheit zu erwerben.

Durch die Anrechnung der Familienbeihilfe auf den in Geld zu zahlenden Unterhalt kommt es indirekt zu einer Entlastung des zur Zahlung von Geldunterhalt Verpflichteten.“

Und weiters:

„Erfolgt keine Indexierung der Familienbeihilfe nach der Kaufkraft beim Leistungsexport, treten in jeglicher Hinsicht primärrechtlich fragwürdige Effekte ein: Wird die Leistung in absolut unveränderter Höhe trotz unterschiedlicher Preisniveaus gewährt, kommt es ent­weder zu einer Überförderung oder Umverteilung, die von den Grundfreiheiten nicht ge­fordert ist (wenn das Wohnland des Kindes ein Land mit niedriger Kaufkraft ist), oder zur Unterförderung (wenn das Wohnland des Kindes ein Land mit höherer Kaufkraft ist), die der Ausübung der Freizügigkeit entgegensteht.

Am 16. Juni 2002 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Inde­xierung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages und weiterer steuerrechtlicher Begünstigungen (Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhalts­absetzbetrag, Familienbonus Plus und Kindermehrbetrag) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Aus diesem Grund sind die Indexierungsbestimmungen nicht mehr anzuwenden.

Auch wenn das Urteil des EuGH anerkannt wird, wird die Indexierung der Familienleis­tungen weiterhin für sinnvoll erachtet. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher fol­genden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien, wird aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten in Bezug auf die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuer­vorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, zu prüfen und alle erforderlichen Schritte zu un­ternehmen, damit es in Österreich ehebaldigst wieder zu einer Indexierung der Familien­leistungen kommt.“

1 Siehe 111 d. B:, XXVI. GP, Erläuterungen

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Alexandra Tanda, Sie gelangen als Nächste zu Wort. – Bitte.