Hermann KRIST: Da ist es ganz still drinnen, da ist ganz besonderes Licht drinnen und diese historische Dimension, die man da inhaliert, das war immer etwas ganz Besonderes für mich.
Josef BUCHNER: Und dann habe ich eben diese Pressekonferenz gemacht in der Säulenhalle und habe das Großraumbüro mit einem Hocker und einem Telefon eingerichtet.
Maria-Luise JANOTA: Da ist einer der zweite Mann in der Hierarchie des Staates, und der freut sich wie ein Kind über das Fahrradl. In der Säulenhalle ist er auch gefahren.
Clemens HAIPL: Herzlich willkommen zurück im Gedächtnis des Parlaments! In diesem Podcast hören Sie jede Woche persönliche Erinnerungen und Anekdoten von ehemaligen Mitgliedern des National- und Bundesrats, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der parlamentarischen Klubs und der Parlamentsdirektion - direkt aus den Archiven des Parlaments aus den letzten Jahren.
Intro "Geschichte(n) aus dem Parlament"
HAIPL: Sie ist neben der Pallas Athene DAS Postkartenmotiv des Parlaments. Kein Wunder. Mit ihren 24 Säulen aus Marmor und den über 900 Quadratmetern Fläche ist sie nicht nur der größte Raum im Parlament, sondern wirklich ein Hingucker. Die Säulenhalle. Die Marmorsäulen für diese Halle - jede um die 16 Tonnen schwer - wurden per Kutschen mit über 30 Pferden vom Adneter Steinbruch in Salzburg zum nächstgrößeren Bahnhof transportiert. Dann wurden die Säulen per Zug nach Wien transportiert. Und das war wahrscheinlich eine ziemliche Show. Dass die Säulenhalle heute noch steht, ist eigentlich ein wahres Wunder! Im Februar `45 nämlich, nur wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde das Parlament durch Luftangriffe der Alliierten schwer getroffen. Eine der Bomben traf die Säulenhalle. Der Einschlag zerstört nicht nur zwei der tonnenschweren Marmorsäulen, sondern auch Teile des berühmten Wandfrieses von Eduard Lebiedzki. Glücklicherweise war der Krieg bald vorbei und die Reparaturen konnten starten. Und so ist die Säulenhalle heute das Juwel, das wir kennen. Ihr Platz im Parlament ist übrigens alles andere als zufällig. Der Architekt des Parlaments, Theophil Hansen, hatte sie für eine ganz bestimmte Aufgabe vorgesehen, erzählt Hans Hafner, ehemaliger Nationalratsabgeordneter der ÖVP:
Hans Hafner: Ich habe das nicht gewusst, dass der Herr Theophil Hansen sehr bewusst die Gänge und die Zugänge der beiden Fraktionen, der beiden großen Fraktionen, so angelegt hat, dass man sich in der Säulenhalle trifft, damit man sich kennenlernt und miteinander auch umgehen kann, und der andere nicht der Feind, sondern der Partner ist, der Gesprächspartner, der Kontrahent ist, aber genauso ein Mensch ist.
HAIPL: Die Säulenhalle sollte also ein Treffpunkt sein, an dem auch ein persönlicher Austausch stattfinden konnte. Ursprünglich war nämlich nicht ein Parlamentsgebäude, sondern zwei Gebäude vorgesehen, eines für das Herrenhaus und eines für das Abgeordnetenhaus. Weil aber Geld die Welt regiert und das zu teuer war, sollten stattdessen beide Kammern des damaligen Reichsrats in einem Gebäude tagen. Theophil Hansen erdachte daher ein Gebäude mit zwei gleichgroßen Flügeln und einem "neutralen" Teil dazwischen.
Die Säulenhalle soll genau diesen Teil darstellen. Die Idee war, dass sich dort Vertreter der beiden Kammern treffen konnten. Dieser Ort inmitten des Gebäudes hatte allerdings nicht nur einen symbolischen Nutzen, sondern auch einen ganz praktischen. Denn das Parlamentsgebäude mit seinen fast 1500 Zimmern kann bei dem einen oder der anderen gerne einmal für Orientierungsschwierigkeiten sorgen. Einmal falsch abgebogen, und schon weiß man nicht mehr, wo man ist. Vor allem für neue Abgeordnete, wie auch der frühere Abgeordnete Josef Buchner einmal einer war, kann das eine ganz schöne Herausforderung sein.
BUCHNER: Das war die Schwierigkeit, sich in diesem großen Haus auszukennen. Am Anfang habe ich mir wirklich schwergetan. Man hat sich von der Säulenhalle weg ein bisschen orientiert, weil: Das war ein Fixpunkt, aber das andere, das Haus der – habe ich immer gesagt - hunderten Türen, das war eine gewisse Schwierigkeit am Anfang.
HAIPL: Aber auch Abgeordnete, die sich schon längst im Gebäude auskennen, kehren immer wieder in die Säulenhalle zurück. Sei es für Ausstellungen, für einen kurzen Schlenderer in der Pause oder aber deswegen, weil sie die Säulenhalle ganz anders nützen. Zum Beispiel Josef Buchner, der gerade am Wort war. Er war zunächst Abgeordneter für die Grünen, ehe er von 1987 bis 1990 ohne Klubzugehörigkeit im Nationalrat saß. Damit war er ein sogenannter wilder Abgeordneter. Statt einem eigenen Büro, hatte er nur ein Postfach. Darüber erhielt er Briefe, Gesetzesvorlagen und andere parlamentarische Materialien.
BUCHNER: Ich weiß noch, wie ich zum Parlamentspräsidenten gegangen bin, zum Leopold Gratz seinerzeit, und gesagt [habe]: Das geht nicht mit einem Postfach. Und dann habe ich eben diese Pressekonferenz gemacht in der Säulenhalle und habe das Großraumbüro mit einem Hocker und einem Telefon und weiß ich was noch eingerichtet. Dank des Fernsehens und dank der Medien war das angeblich in einer amerikanischen Zeitung drinnen, das war also weltweit ... Das war dann auch dem Gratz zu stark, und er hat gesagt, ich kriege ein Büro. Letztendlich sind wir zusammengekommen und ich habe ein Büro bekommen.
HAIPL: In eine internationale Zeitung hatte die Säulenhalle es also schon einmal geschafft. Ein anderes Mal wäre es auch beinahe so weit gewesen. Denn natürlich ist der reichverzierte Saal ein Ort, an den auch hochgeladene Gäste geführt werden. Wie zum Beispiel 2007 das spanische Königspaar Juan Carlos I. mit seiner Frau Königin Sofia. Blöd nur, wenn das Postkartenmotiv des Parlaments kurz zuvor noch als Drehort verwendet wird. Der ehemalige Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, Wolfgang Engeljehringer, kann sich noch sehr gut daran erinnern:
Wolfgang Engeljehringer: Das spanische Königspaar kam. Die kamen natürlich aufgefahren mit Cobra-Begleitung, Sturmgewehre, alles vorne. Und 15 Minuten vorher kam ein Klub auf die Idee, Werbung für die Inlineskater zu machen, in der Säulenhalle, weil man wollte eben, dass die als Spielzeug anerkannt werden, dass die auf der Straße fahren dürfen, auf den Gehsteigen und so weiter. Es gab eine Abgeordnete, die hat [die Skater] nur in den Händen gehalten für die Fotos, es gab auch Abgeordnete, die sind so an der Säule gestanden, damit es ihnen nicht wegbricht unten (lacht), es gab auch welche, die langsam gefahren sind – genau 15 Minuten bevor das spanische Königspaar hereinkommt durch die Säulenhalle. Zum Glück kam gerade der Präsident Fischer vorbei, den habe ich mir gleich geschnappt, und der hat sie ins Lokal VIII verbannt, dann wurden dort die Aufnahmen gemacht.
HAIPL: Nun ja, ganz abwegig war die Idee mit den Inline-Skates nicht. Schließlich eignet sich der glatte, polierte Steinboden perfekt für Räder aller Art. Aber nicht, dass Sie bei Ihrem Besuch im Parlament auf falsche Ideen kommen: Das ist natürlich strikt verboten. Dennoch war das nicht das einzige Mal, dass jemand durch die Säulenhalle fuhr: So erinnert sich die ehemalige Mitarbeiterin der Dritten Nationalratspräsidentin Heide Schmidt Maria-Luise Janota:
JANOTA: Da hat der Herr Präsident Fischer von seinem Alpenverein zum Geburtstag ein Fahrrad bekommen. Und das war so gegen halb acht, acht am Abend, und ich bin noch im Büro der Dritten Präsidentin gesessen, weil ich noch gearbeitet habe und höre draußen die Tür, wie wenn jemand an der Tür ankommt, ich denke mir: Was ist denn da jetzt los? Da kam der Präsident mit dem Fahrrad in mein Büro und hat gesagt, das muss ich Ihnen jetzt zeigen. Der hat so eine Freude gehabt mit dem Fahrradl, das war so nett, es war so das Menschliche, und das hat mich so berührt. Da ist einer der zweite Mann in der Hierarchie des Staates, und der freut sich wie ein Kind über das Fahrradl. Und das finde ich einfach überwältigend. In der Säulenhalle ist er auch gefahren.
HAIPL: Treffpunkt, Großraumbüro, Drehort und Fahrradpark – zwischen den Marmorsäulen der Säulenhalle ist also schon so einiges passiert. Multifunktional sozusagen. Schon von Anfang an war sie weit mehr als nur ein imposanter Raum. Und doch, auch die Imposanz hat natürlich eine Wirkung auf die Menschen. Manchmal erinnert sie zum Beispiel daran, was für eine Ehre es ist, im Parlament arbeiten zu dürfen, so der ehemalige SPÖ-Abgeordnete Hermann Krist:
KRIST: Im Großen und Ganzen ändert das alles nichts an meiner grundsätzlichen Einstellung, dass das eine ganz besondere Aufgabe ist und dass das eine ganz besonders schöne Aufgabe war. All die Jahre werde ich nie vergessen, wenn ich in der Früh um 8 ins Haus gekommen bin und dann durch die Säulenhalle gegangen bin. Da ist ganz still drinnen, da ist alles ganz besonderes Licht drinnen und diese historische Dimension, die man da inhaliert, das war immer etwas ganz Besonderes für mich.
HAIPL: Wenn Sie das nächste Mal dem Parlament einen Besuch abstatten, sehen Sie die Säulenhalle jetzt vielleicht ein wenig mit anderen Augen. Vorbeischauen lohnt sich ganz bestimmt. Denn es war sicher nicht das letzte Mal, dass die Säulenhalle durch ein neues Kuriosum noch ein wenig historischer wurde. Mit etwas Glück sieht man vielleicht sogar radelnde Politiker oder skatende Politikerinnen um die Säulen Slalom fahren. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann hinterlassen Sie doch bitte gerne ein Abo oder eine Bewertung. Fragen, Kritik oder Anmerkungen können Sie uns an diese E-Mail-Adresse Podcast@parlament.gv.at oder auf den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments schicken. Und auf der Webseite parlament.gv.at finden Sie jede Menge Wissen über das Parlament und seine Geschichte. Ich heiße nach wie vor Clemens Haipl und würde mich freuen, wenn wir uns nächstes Mal wieder hören und sage Tschüß und bye bye.
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