Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament" – dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš, schön, dass ihr wieder dabei seid! In den vergangenen Folgen haben wir darüber gesprochen, wie das österreichische Parlament international tätig wird. Und da gab es überraschend viel zu besprechen – von der EU-Gesetzgebung über diplomatische Tätigkeiten oder Wahlbeobachtungen in anderen Ländern bis hin zur weltweiten Stärkung der Institution Parlament als solcher. Aber die Mitglieder der hohen Häuser der Welt helfen sich auch gegenseitig, wenn es darum geht, ihre Aufgaben zuhause besser zu erledigen. Darüber, wie diese Art von Zusammenarbeit ganz praktisch aussieht, spreche ich heute mit meinen beiden Gästen. Und das tue ich – Ihr habt es sicher schon gehört – nicht irgendwo da draußen in Wien bei einem Spaziergang, sondern seit langem einmal wieder im Studio. Aber nicht in irgendeinem Studio – wir sitzen hier im brandneuen TV-Studio der Parlamentsdirektion. Es ist wunderschön geworden! Es leuchten Studiolichter von der Decke, Kameras umringen uns. Ein sehr schönes repräsentatives Bild des Parlaments begleitet uns im Hintergrund. Wir haben hier heute die Freude, in einem sehr professionell ausgestatteten TV-Studio aufzunehmen. Und ihr fragt euch: Warum Studio? Weil einer unserer Gäste ist nicht hier, in Wien, sondern in Podgorica, der Hauptstadt Montenegros. Ganz passend zu unserem Thema "internationale Kooperationen". Und es gibt noch eine Besonderheit in dieser Folge: Wir werden nämlich heute Englisch miteinander sprechen. Und deshalb sage ich: Hallo Montenegro, hallo Tijana Rosandić. Willkommen in unserem Podcast.
Tijana ROSANDIĆ: Hallo Wien. Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Ich muss sagen, das fühlt sich ein bisschen wie beim Eurovision Song Contest an…, oder?
ROSANDIĆ: Ja, finde ich auch.
LUKÁŠ: Darf ich Sie also vorstellen, Frau Rosandić? Sie sind unter anderem außenpolitische Beraterin im Büro des Generalsekretärs des montenegrinischen Parlaments und nationale Korrespondentin für das Europäische Parlament. Darüber hinaus sind Sie aber auch die montenegrinische Projektleiterin des INTER PARES-Projekts. Darüber werden wir heute auf jeden Fall noch genauer sprechen. INTER PARES wird von der Europäischen Union finanziert und ist ein globales Projekt zur Stärkung der Kompetenzen von Parlamenten. Und im Rahmen dieses Programms arbeiten Sie mit Katharina Stourzh zusammen, meinem zweiten Gast heute. Hallo auch an Sie, Frau Stourzh.
Katharina STOURZH: Hallo, alle zusammen. Es freut mich, hier zu sein, zusammen mit Ihnen und Tijana, mit dir online. Schön, dass wir heute miteinander sprechen können.
LUKÁŠ: Ich freue mich, dass Sie hier live im Studio sind. Wie gefällt es Ihnen hier im neuen Fernsehstudio?
STOURZH: Ich bin ziemlich beeindruckt, ehrlich gesagt. Und ich bin zum ersten Mal hier, ich fühle mich sehr geehrt.
LUKÁŠ: Sie sind Leiterin der Abteilung für parlamentarische Kooperationen im österreichischen Parlament. Und Sie sind unter anderem für die Entwicklung und Umsetzung parlamentarischer Zusammenarbeit zuständig. Stimmt das so?
STOURZH: Ja, genau. Das ist die Aufgabe unserer Abteilung, zusammen mit der gesamten Verwaltung, mit den Abgeordneten und natürlich mit unseren Partnern.
LUKÁŠ: Auf der Website von INTER PARES, die wir vorhin vorgestellt haben, ist der Sinn und Zweck des Projekts folgendermaßen beschrieben - und, liebe Hörerinnen und Hörer, ich verspreche euch, nach diesem Satz wird es wieder verständlicher. Dort steht INTER PARES gibt es, um: "Die Kapazitäten der Parlamente in den Partnerländern zu stärken indem ihre Gesetzgebungs-, Kontroll-, Repräsentations-, Haushalts- und Verwaltungsfunktionen gefördert werden." So, Frau Stourzh, jetzt sind Sie an der Reihe, uns zu erklären, was das konkret bedeutet. Bitte geben Sie uns ein paar Beispiele.
STOURZH: Ja, gerne. Also, eigentlich ist es ganz einfach. In praktischer Hinsicht geht es um den Austausch von Erfahrungen mit bewährten Verfahren. Zum Beispiel, wie üben die Abgeordneten ihre Aufsichtsfunktion in den Parlamenten aus? Welche Instrumente stehen ihnen dabei im Rahmen der Geschäftsordnung zur Verfügung? Welche Rechte haben sie? Da gibt es zum Beispiel die so genannten Interpellationsrechte. Wie ist das in den verschiedenen Parlamenten organisiert? Wir haben uns zum Beispiel darüber unterhalten, wie es im montenegrinischen Parlament geregelt ist, wie es im österreichischen Parlament gehandhabt wird. Und was lässt sich voneinander lernen? Wie ist die Entwicklung auch innerhalb der Geschäftsordnung? Wie sieht es zum Beispiel mit der EU-Koordinierung und dem Prozess des EU-Beitritts aus? Wie wurde das im österreichischen Parlament organisiert, und gibt es bewährte Methoden, von denen das montenegrinische Parlament lernen kann? Aber es geht auch um ELAW, um Human Resources um die Frage: Wie kann die Struktur des Parlaments und der parlamentarischen Verwaltung gestärkt werden? Und dann haben wir eigentlich zwei Ebenen. Wir haben natürlich die Arbeit auf der Verwaltungsebene, aber auch auf der politischen Ebene. Und in all diesen Projekten, über die wir sprechen werden, sind sehr oft Abgeordnete involviert. Aber es stimmt, dass der Schwerpunkt dieser Projekte oft auf dem administrativen Bereich liegt.
LUKÁŠ: Wir haben jetzt eine Menge Beispiele gehört, aber wir sind trotzdem an der Oberfläche geblieben. Ich kann kein praktisches Bild dazu vor mir sehen. Gibt es da eine Sache, die wir herausgreifen können? Wie kann man zum Beispiel die Aufsichtsfunktion des montenegrinischen Parlaments praktisch verbessern? Vielleicht könnten wir darüber eine kleine Geschichte hören.
STOURZH: Natürlich, ich habe zwei Beispiele. Zwei Kollegen aus unserem Budgetdienst sind nach Montenegro gefahren, obwohl wir auch noch ein Online-Meeting hatten wegen Covid. Es gab dort einen Workshop. Und vielleicht kann Tijana da auch ergänzen und es ein bisschen von ihrer Seite aus erklären. Das Thema war: Was macht der Budgetdienst? Warum wurde er eingeführt? Warum ist es wichtig, einen solchen Budgetdienst zu haben, der den Abgeordneten bei ihrer Finanzaufsicht hilft? Andererseits hatten wir ein Treffen und auch einen Workshop und ein Seminar, zum Beispiel zu der Frage, wie die Abgeordneten zu Beginn einer neuen Legislaturperiode in den gesamten parlamentarischen Arbeitsalltag eingeführt werden. Was brauchen sie? Welche Dienstleistungen bietet die Parlamentsverwaltung an? Das war sehr interessant. Tijana, wenn du dich erinnerst, wir hatten diese Workshops, und als unsere Kollegen aus der österreichischen Parlamentsverwaltung zurückkamen, hatten sie viel gelernt, auch von eurem Parlament. Dann haben sie versucht, das, was sie von euch gelernt haben, in unser Onboarding-Projekt und unser Service-Center-Projekt für den Beginn der Legislaturperiode zu integrieren. Es gibt also viele Beispiele und es wird tatsächlich sehr konkrete Arbeit geleistet mit dem Ziel, das montenegrinische Parlament zu unterstützen und Verfahren zu vermitteln. Wir werden auch noch Projekte mit anderen Ländern realisieren, bei denen wir auch ganz praxisnah arbeiten, um den Kollegen in der Verwaltung das zu geben, was sie brauchen. Und wir bringen auch eine Menge Erfahrung für unsere Arbeit hier mit zurück.
LUKÁŠ: Ich denke, das ist ein wirklich guter Punkt für Frau Rosandić, um einzusteigen. Wie stellt das INTER PARES-Projekt sich aus Ihrer Sicht dar?
ROSANDIĆ: Ich mache bei dem Beispiel weiter, das Frau Stourzh genannt hat: Der österreichische parlamentarische Budgetdienst. Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wieso dieses Projekt für uns so wertvoll war und wie es in der Praxis tatsächlich funktioniert hat. Wir wollten verschiedene Mechanismen stärken, die wir für die Aufsicht und die Kontrolle der Regierung nutzen können. Das war eine Komponente, und die andere war die Angleichung der nationalen Gesetze an das EU-Recht. Und innerhalb dieser Stärkungsabsichten haben wir Prioritäten gesetzt. Schon während das Projekt noch in der Vorbereitung war, hat das österreichische Parlament – wie auch andere Partner – erklärt, worin sie gut sind. Eines der Dinge, die wir aufgegriffen haben, war eben der parlamentarische Budgetdienst. Und das ist einer der großen Vorteile dieses Projekts. Es war alles sehr flexibel, und wir konnten immer wieder neue Dinge hinzufügen. Wir konnten also von Beispielen anderer Länder profitieren. Konkret bedeutet das: Es geht eigentlich immer um Verfahren. Wir haben unsere eigenen Verfahren. Aber wenn wir sehen, dass in eurem Budgetdienst etwas besser funktioniert, dann versuchen wir, nicht genau das Gleiche zu übernehmen, aber etwas in der Art zu erarbeiten, was effizient ist. Das nehmen wir dann mit in unser Parlament.
LUKÁŠ: Hier kommt mir eine sehr menschliche Frage in den Sinn: Wie schwer ist es für Menschen, die zum Beispiel seit 30 Jahren im Parlament arbeiten, neue Wege zu gehen? Inzwischen gibt es die EU, es gibt Kooperationen. Wie reagieren die Mitarbeiter darauf?
ROSANDIĆ: Das kommt darauf an. Für uns, für die Verwaltung, ist es ein reibungsloser Übergang. Vor allem, wenn man enthusiastische Leute hat, die die Dinge vorantreiben. Aber es hängt nicht nur von der Verwaltung ab, man braucht auch die richtigen Rahmenbedingungen und politischen Entscheidungen. Es gibt viele Faktoren, auch externe, die davon abhängen, wie schnell sich etwas verändern kann. Aber ich denke, der Wille, etwas zu tun, ist der erste und wahrscheinlich auch der wichtigste Schritt.
LUKÁŠ: Ja, das stimmt. Es hört sich so an, als wären es Beamte, die in diesen Projekten miteinander reden, und nicht die Parlamentarier. Stimmt das?
ROSANDIĆ: Ja und nein. Wir sprechen heute aus der Sicht der Beamten. Der Schwerpunkt liegt also eher auf unserer Arbeit als auf der der Parlamentarier. Aber das Projekt wurde so konzipiert, dass es sowohl die Bedürfnisse der Parlamentarier als auch die Arbeit der Beamten bedient. Natürlich waren die Aktivitäten, die für die Parlamentarier organisiert wurden, andere. Es ging hauptsächlich um Gespräche und Erfahrungsaustausch. Bei uns ging es ebenfalls um Erfahrungsaustausch, aber in gewissem Maße auch um den Aufbau von Fähigkeiten, insbesondere für die Angleichung an das EU-Recht. Letztendlich haben wir alles, was wir für die Verwaltung geplant hatten, auch umgesetzt. Ein paar der Dinge, die für die Parlamentarier geplant waren, konnten wir nicht durchführen, aufgrund der sehr dynamischen und aktiven politischen Szene in Montenegro. Es gab größere politische Ereignisse: zwei Regierungswechsel und den Wechsel des Regierungssprechers, wir hatten vorgezogene Parlamentswahlen... Das hat nicht nur die regulären parlamentarischen Prozesse beeinflusst, sondern natürlich auch das Projekt.
LUKÁŠ: Wie sagt man so schön? Go with the flow, richtig?
ROSANDIĆ: Genau, deshalb war das Projekt ja auch so toll. Während es lief, konnten wir es anpassen. Aber nicht nur wir und INTER PARES, die ja alles koordiniert haben, haben uns bemüht, weiterzumachen. Alle Kollegen, aus Österreich und den anderen sechs Ländern, sechs Parlamenten, waren sehr verständnisvoll. Alle waren bereit, sich auf die Änderungen einzulassen, damit wir trotzdem mit dem Projekt weitermachen konnten. Also vielen Dank dafür.
STOURZH: Es ist interessant, was Du sagst. Man hat die Flexibilität in vielerlei Hinsicht, weil man sehr schnell anpassen kann. Man kann Aktivitäten ergänzen. Man kann viel verändern. Und es stimmt, in diesem Projekt liegt der Schwerpunkt sehr oft auf der Verwaltungsebene. Auch wenn es immer wieder Elemente gibt, bei denen man versucht, die Abgeordneten einzubeziehen. Aber es gilt eben das alte Sprichwort: Politiker kommen und gehen, die Verwaltung bleibt. Wenn man also mit den Aktionen nachhaltig sein will und die Stärkung von Kapazitäten ermöglichen will, ist ein guter Austausch zwischen den Verwaltungen einfach wichtig. Ich denke, auch darüber werden wir später noch sprechen. Das ist wirklich ein großer Mehrwert für alle Projektteilnehmer, sei es dasjenige Parlament, welches die Unterstützung erhält, oder die anderen Partner. Und ein weiterer Vorteil des INTER PARES-Projekts und anderer Projekte ist, dass wir, wie Tijana bereits erwähnt hat, mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Nicht nur Österreich hat also an dem Projekt teilgenommen. Wir hatten Kollegen aus Griechenland, aus Frankreich, aus der Tschechischen Republik und aus Italien. Das war alles eine sehr gute Kombination und ein sehr intensiver und lebendiger Austausch für uns alle.
LUKÁŠ: Als Fazit lässt sich also sagen: die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten ist eine Aufgabe der Verwaltung, oder?
STOURZH: Es gibt verschiedene Ebenen innerhalb der parlamentarischen Zusammenarbeit und in der parlamentarischen Diplomatie. Heute konzentrieren wir uns auf die Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene. Aber, wie Tijana schon gesagt hat, die politische Unterstützung ist für alle Parlamente wichtig. Im österreichischen Parlament und in den Parlamenten, mit denen wir zusammenarbeiten.
LUKÁŠ: Die kleinen Einblicke, die Sie mir jetzt über das Projekt gegeben haben, sind schon Grund genug, dabei zu sein. Aber, Frau Rosandić, darf ich Sie noch einmal fragen, warum nimmt das montenegrinische Parlament an INTER PARES teil?
ROSANDIĆ: Montenegro möchte der Europäischen Union beitreten, und das verhandeln wir gerade. Das ist ein langer Weg für uns. Dieser Prozess umfasst intensive Verhandlungen und Vorbereitungen, um unser Land an die EU-Standards anzugleichen. Und um diese Vorbereitungen zu unterstützen, gibt es EU-geförderte Projekte. Eines dieser Projekte war INTER PARES. Besonders war für uns die Flexibilität, die - seien wir ehrlich - bei den von der EU finanzierten Projekten nicht immer da ist. Normalerweise gibt es strenge Anforderungen und Kontrollen, die meistens auch begründet sind. Aber als Parlament, das Unterstützung will, war das eine einzigartige Gelegenheit für uns. Der größte Anreiz war, dass das Parlament sich direkt mit Kollegen aus sieben EU-Ländern austauschen konnte. Österreich, die Tschechische Republik, Kroatien, Griechenland, Frankreich, Ungarn und Italien. Wir haben diese Zusammenarbeit im Jahr 2021 gestartet. Und in diesen zwei Jahren haben sich für uns so viele Türen geöffnet, so viele Gelegenheiten, von den Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten zu lernen. Wir konnten Ideen und Erfahrungen austauschen und unsere parlamentarischen Praktiken stärken.
LUKÁŠ: Danke für die Erklärung. Und jetzt stellt sich sofort die nächste Frage, denn Österreich ist ja in einer ganz anderen Situation. Warum nimmt das österreichische Parlament teil, Frau Stourzh?
STOURZH: Wir wissen alle, die Westbalkanregion ist zentral für die österreichische Außenpolitik und auch für alle Aktivitäten des österreichischen Parlaments im Ausland. Als also diese Partnerschaft mit INTER PARES entwickelt wurde, war ganz klar, dass wir mitmachen würden. Und wir sind sehr froh, dass wir das getan haben. Es war unsere erste Teilnahme im Rahmen von INTER PARES. Die Erfahrungen waren toll. Es war eine sehr gute Kooperation mit dir, Tijana, und den schon genannten anderen Ländern. Es ist ein flexibles Instrument. Und es ist wirklich gut, wenn eine kleine Gruppe von EU-Ländern mit einem anderen Land zusammenarbeitet. Uns allen hat der vergleichende Blick sehr gutgetan. Das gilt auch für andere Projekte. Aber ich denke, bei INTER PARES und besonders jetzt im Fall von Montenegro, hat sich das sehr gut gezeigt, und wir konnten wirklich alle davon profitieren.
LUKÁŠ: Es scheint so, vor allem wenn man daran denkt, dass die EU-Länder selbst alle schon so unterschiedlich sind.
STOURZH: Genau, und zu sehen, wie unterschiedlich die parlamentarischen Systeme eigentlich ablaufen, wie das Tagesgeschäft funktioniert – das ist ein großer Gewinn für alle.
LUKÁŠ: INTER PARES ist lateinisch und bedeutet "Unter Gleichen", was ein sehr schöner Name ist, wie ich finde. Es hört sich so an, als ob es für jeden Teilnehmer etwas zu lernen gibt. Frau Stourzh, so schön der Name auch ist: INTER PARES ist nicht die einzige Kooperation, an der das montenegrinische oder das österreichische Parlament beteiligt sind. Können Sie für das österreichische Parlament noch ein paar weitere nennen?
STOURZH: Ja, natürlich. Wie gesagt, sind wir in den Ländern des Westbalkans sehr aktiv. Wir sind auf der einen Seite bilateral sehr aktiv. Wir haben die Demokratiewerkstatt des österreichischen Parlaments gemeinsam mit anderen Parlamenten durchgeführt, das tun wir immer noch. In Albanien zum Beispiel seit Juni. Das Gleiche in Nordmazedonien. Wir hatten von 2019 bis 2021 ein Twinning-Projekt mit ungarischen und kroatischen Kollegen in Bosnien und Herzegowina. Das war auch für das österreichische Parlament eine tolle Erfahrung. Auch hier lag der Fokus auf der Verwaltung, aber auch Abgeordnete und Mitglieder der verschiedenen Komitees waren involviert. Es gibt also viele andere Aktionen. Ein Projekt möchte ich erwähnen, weil es auch eine Verbindung zu Tijana hat. Das war ein großer Zufall. Das österreichische Parlament hat ein Stipendienprogramm ins Leben gerufen. Im Rahmen dessen lädt das österreichische Parlament Kollegen aus den sechs westlichen Balkanländern nach Österreich ein, um mit uns gemeinsam sechs Wochen lang in verschiedenen Bereichen zu arbeiten. Und wir hatten das Vergnügen, auch Tijana als unseren Gast begrüßen zu dürfen. Du, Tijana, warst also im letzten Frühjahr für sechs Wochen bei uns. Ich wollte das Projekt als solches erwähnen, weil es ein Projekt aus Österreich ist. Eigentlich ist das österreichische Parlament hier der Vorreiter, denn kein anderes EU-Parlament hat bisher so ein Programm. Klar, das Europäische Parlament hat ein Stipendienprogramm. Aber wir hoffen, dass andere EU-Parlamente folgen. Es war großartig Tijana und die anderen Kollegen hier zu haben.
ROSANDIĆ: Absolut, es war wunderbar. Ich hoffe auch, dass andere Parlamente ähnliche Praktiken aufbauen, um sie mit anderen Parlamenten zu haben, nicht nur denen des West-Balkan, sondern mit dem Deutschen Bundestag. Erfahrungsaustausch ist immer wichtig. Und es ist wirklich ein Privileg, in eine andere Umgebung zu gehen, die zwar ähnlich, aber doch anders ist, und mit Kollegen, mit professionellen Teams zu arbeiten. Zuerst gibt es eine Einführung in die Stipendiaten-Gruppe und dann, in meinem Fall, in das österreichische Parlament. In die tägliche Arbeit dort, das Gesetzgebungsverfahren und so weiter. Der Rest des Programms ist konkret auf meine Bedürfnisse zugeschnitten, auf meine Aufgaben zu Hause in Montenegro. Das Beste daran ist die praktische Erfahrung. Man arbeitet tatsächlich täglich mit Menschen aus anderen Ländern zusammen. Dabei geht es nicht nur um Beobachtung. Man erhält nicht nur Einblicke, sondern man lernt tatsächlich bei der Arbeit. Man kehrt nicht mit leeren Händen nach Hause zurück. Man bringt viele praktische Fähigkeiten mit, die wir angepasst auf unser Parlament umsetzen können. Wir alle haben bereits funktionierende Parlamente. Aber wir bringen Dinge mit, die unsere Arbeit für die Abgeordneten, für das Parlament noch effektiver machen.
LUKÁŠ: Das klingt so toll.
ROSANDIĆ: Ist es auch. Wenn man so allgemein darüber spricht, ist es sehr abstrakt. Aber wenn man dann ins Detail geht, ist es wirklich wertvoll.
LUKÁŠ: Hands-On – Das hört sich nach der besten Art zu lernen an. Wenn man sechs Wochen lang mit Kollegen aus demselben Bereich arbeitet, ist das etwas wirklich Wertvolles, das man mit nach Hause nehmen kann. Ein tolles Programm.
ROSANDIĆ: Und im Frühjahr in Wien zu sein, war auch toll. Das kam noch dazu.
STOURZH: Für das österreichische Parlament ist es auch eine ganz tolle Erfahrung, weil die ganze Parlamentsverwaltung zusammenarbeitet. Auch die Kollegen, die auf den Budgetprozess, auf Personal oder Kommunikation spezialisiert sind. Natürlich wollen und müssen wir sie alle einbeziehen. Auch sie waren nach den Erfahrungen dieser sechs Wochen sehr zufrieden. Sie sind immer noch in Kontakt mit den Teilnehmern. Und wir haben eine Art Mentorensystem. In jeder Abteilung, der unsere Stipendiaten zugewiesen sind, gibt es eine Person, die die Kollegen betreut. Ein sehr gutes Mittel, um ein Netzwerk aufzubauen aus Stipendiaten und unseren Kollegen aus der Verwaltung.
ROSANDIĆ: Ich hatte das Glück zur gleichen Zeit mit zwei anderen Stipendiaten - einem aus Albanien und einem aus Serbien – vor Ort zu sein, die auch in der internationalen Abteilung arbeiten. Wir wurden durch unsere Erfahrung im österreichischen Parlament sehr inspiriert. Wir dachten, dass es doch eigenartig ist, dass uns das österreichische Parlament zusammengebracht hat. Uns wurde auch klar, wie schade es ist, dass wir so etwas auf dem Westbalkan nicht haben. Dann kam die Idee, das, was das österreichische Parlament macht, unter den sechs Westbalkanländern zu wiederholen. Das Konzept für dieses regionale Stipendienprogramm haben wir schon entworfen. Es wird ähnliche Ziele haben: Austausch, Verbesserung und Stärkung. Aber auch die Förderung der regionalen Stabilität und des Fortschritts. Das ist vor allem wichtig in Hinblick auf unsere Bestrebungen, der EU beizutreten. Wir werden sehen, was sich daraus ergibt. Aber auch das haben wir aus Österreich mitgenommen.
STOURZH: Wir waren wirklich beeindruckt und fühlten uns sehr geehrt, dass die Stipendiaten diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt haben. Und du hast noch etwas erwähnt: Regionale Zusammenarbeit. Sie ist sehr wichtig. Das Projekt ist ein Beispiel für gelebte regionale Zusammenarbeit. Noch ein Ergebnis des Programms! Wir führen es mit einem Partner in der Region in Belgrad durch, dem Europäischen Fond für den Balkan. Wir haben also bereits einige Ergebnisse und weitere Projekte angeschoben.
ROSANDIĆ: Das ist es, was ich an der internationalen Zusammenarbeit liebe. Man fängt mit einem Projekt an und am Ende hat man zehn verschiedene Ergebnisse, die man nie erwartet hätte.
STOURZH: Genau. Und das ist auch ein Sinn der Sache: Austausch und Projekte mit anderen Ländern, die wiederum inspiriert werden.
LUKÁŠ: Das fühlt sich nach genau dem an, was die EU meiner Meinung nach sein sollte. Ich bin durch unser Gespräch jetzt schon ein Fan dieses Projekts geworden! Es ist so positiv für alle Beteiligten. Ich habe aber noch eine Frage an Sie beide. Frau Stourzh, fangen Sie doch vielleicht an. In den letzten Folgen haben wir viel über parlamentarische Diplomatie gesprochen. Ich habe den Eindruck, dass es einige Überschneidungen mit dem Thema Zusammenarbeit gibt, über das wir jetzt gerade gesprochen haben. Stimmt das?
STOURZH: Ja, natürlich. Teilweise. Wie gesagt gibt es auch Aktivitäten, in die wir die Abgeordneten einbeziehen. Das ist auch ein Teil der parlamentarischen Diplomatie, würde ich sagen: Gespräche mit den Kollegen auf Ausschussebene oder auch innerhalb der bilateralen parlamentarischen Gruppen, die wir ja bei Studienbesuchen auch einbeziehen wollen. Das ist wie bei den sogenannten Joint-Seminaren des Programms, bei denen wir zwei Generationen zusammenbringen. Natürlich wollen wir, dass die Gruppe unsere Abgeordneten kennenlernt, vor allem die, die sich entweder mit EU-Angelegenheiten befassen oder Vorsitzende der jeweiligen Fraktionen sind. Es gibt also Synergien und Überschneidungen, was sehr wichtig und sehr gut ist. Vor zwei Jahren hatten wir zum Beispiel ein Projekt in Nordmazedonien. Das wurde auch von unserem Vorsitzenden des ständigen EU-Unterausschusses des Nationalrats und dem französischen Amtskollegen vorangebracht. Sie waren vor Ort, um mit ihren Parlamentskollegen zu sprechen. Wir hatten ein gemeinsames Programm für die Abgeordneten und für die Verwaltung. Das ist sehr oft der Fall, würde ich sagen.
LUKÁŠ: Haben Sie die gleiche Erfahrung gemacht?
ROSANDIĆ: Ja, es ist immer beides. Die parlamentarische Diplomatie und die parlamentarische Zusammenarbeit sind ineinander verzahnt, denn sie dienen immer den Zielen des Parlaments. Also nationale Interessen zu vertreten und die internationale Zusammenarbeit mit anderen Parlamenten zu vertiefen. Die Diplomatie ebnet den Weg und die parlamentarische Zusammenarbeit stellt - aus meiner Sicht, weil ich dort arbeite - eine Art Fundament dar, auf dem die parlamentarische Diplomatie dann aufbauen kann. Sowohl bei der parlamentarischen Diplomatie als auch bei der Zusammenarbeit kommt es immer auf gemeinsame Bemühungen beider Seiten an. Es geht immer um die Arbeit der Parlamentarier und der Mitarbeiter, die das entsprechende Wissen beisteuern.
LUKÁŠ: Wir nähern uns schon dem Ende. Zu guter Letzt, stellen Sie sich vor, es gäbe eine Zauberfee – mich. Und Sie könnten sich drei Dinge für die Entwicklung der Europäischen Parlamente wünschen. Welche wären das? Frau Stourzh, wünschen Sie sich doch zuerst etwas.
STOURZH: Was die interparlamentarische Kooperation, Koordination und Zusammenarbeit betrifft, wünsche ich mir noch größere gemeinsame Anstrengungen, den Aufbau von Netzwerken und gegenseitiges Lernen. Es gibt bereits viele Initiativen und Ansätze. Von Seiten des Europäischen Parlaments gibt es das so genannte Democracy Support Network, ein sehr nützliches Instrument. Ich bin also sehr zuversichtlich und freue mich auf weitere Bemühungen und noch mehr gemeinsame Initiativen, wie auch Tijana schon gesagt hat.
ROSANDIĆ: Stärkere Kooperationen, Informationsaustausch, das würde ich auch sagen. Zwei sehr wichtige Dinge, die mir das österreichische Parlament gezeigt hat, obwohl wir in diesem Bereich auch schon sehr weit sind, sind Transparenz und Offenheit. Unser Parlament ist schon sehr offen und sehr transparent. Aber das österreichische Parlament ist ein großartiges Beispiel dafür, wohin sich alle Parlamente entwickeln sollten. Es geht nicht nur darum, den Bürgern den einfachen Zugang zu Informationen und Gesetzgebungsverfahren zu ermöglichen. Es geht auch um die Förderung von Verantwortung und das Vertrauen in demokratische Institutionen. Ich glaube, das wollen wir alle. Was außerdem alle Parlamente brauchen, ist die Förderung von Digitalisierung und Innovation.
LUKÁŠ: Sehr schön. Wir sitzen in diesem renovierten Parlament, es ist äußerst zugänglich und schön. Da stellt sich mir die Frage: Kann man das Parlament in Montenegro auch besuchen? Ist es für die Öffentlichkeit freigegeben?
ROSANDIĆ: Ja, es ist tatsächlich sehr offen. Es ist sogar das transparenteste und offenste Parlament in der Region, einschließlich Kroatien und Slowenien. Es gibt dazu jährliche Untersuchungen. Das Parlament von Montenegro ist seit einigen Jahren immer oben mit dabei. Aber es gibt noch eine Menge zu tun. Wir hatten zum Beispiel eine Bürgerversammlung in Montenegro. Das war so etwas wie die Conference on the Future of Europe, nur in einem viel kleineren Rahmen. Es ging um Korruption. So sehr wir auch glauben, dass wir offen und transparent sind, es gibt noch viel zu tun. Also ja, wir sind offen. Technologisch gesehen und von der Ausstattung her sind wir noch nicht so weit wie Ihr Parlament. Das ganze Gebäude nach der Renovierung ist beeindruckend und die ganze Idee dahinter, das Parlament zu öffnen, ist wirklich eindrucksvoll. Wir wollen das sehr gern erreichen. Eines Tages, hoffentlich.
LUKÁŠ: Ich danke Ihnen für die Einblicke in Ihr Parlament, in Ihre tägliche Arbeit und in Ihre Erfahrungen mit dem Programm. Vielen Dank, Frau Rosandić. Drei Fragen an Sie. Frühling oder Herbst?
ROSANDIĆ: Wenn ich wählen müsste, würde ich mich für den Herbst entscheiden. Warum nicht Winter und Sommer?
LUKÁŠ: Das ist viel zu einfach. Das Leben ist nicht so einfach.
ROSANDIĆ: Ja, ich denke, ich würde mich für den Herbst entscheiden, vielleicht weil er vor der Tür steht und wir in Montenegro sehr heiße Sommer haben. Der Herbst bringt Erleichterung.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
ROSANDIĆ: Ich würde sagen: Kompromiss. Man weiß ja auch nie, für welchen Zeitpunkt was die beste Lösung ist. Die beste zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft? Also würde ich sagen: Kompromiss.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie die Demokratie an?
ROSANDIĆ: Bei den Menschen, absolut. Bei den Menschen, dem freien Willen und der Inklusion. Offenheit. Unbedingt, mit den Menschen.
LUKÁŠ: Danke. Frau Stourzh, Frühling oder Herbst?
STOURZH: Das ist schwierig, weil ich alle Jahreszeiten mag. Sie haben alle ihre Vorteile. Aber wenn man sich jetzt wirklich entscheiden muss, würde ich sagen, Frühling.
LUKÁŠ: Sehr gut. Kompromiss oder beste Lösung?
STOURZH: Sehr oft ist der Kompromiss die beste Lösung. Kompromiss im besten Sinne ist sehr oft die beste Lösung.
LUKÁŠ: Und wo fängt für Sie die Demokratie an?
STOURZH: Da ich im Parlament arbeite, würde ich sagen, im Parlament. Aber wie Tijana auch gesagt hat, bei den Menschen, vor allem bei der Jugend. Das ist für mich wichtig.
LUKÁŠ: Ich danke Ihnen, Mrs Rosandić und auch im Studio Mrs Stourzh, dass Sie uns so einen umfangreichen Einblick in Ihre Zusammenarbeit gegeben haben. Danke sehr.
STOURZH: Es war mir ein Vergnügen. Ciao Tijana.
ROSANDIĆ: Danke , dass wir hier unsere Erfahrungen teilen dürfen – und für dieses schöne Gespräch.
LUKÁŠ: Und jetzt, wo wir uns von unseren Gästen verabschiedet haben, bedanke ich mich auch bei euch fürs Zuhören. Vielen Dank, dass ihr dabei geblieben seid, ich finde, es war sehr spannend. Und ich hoffe sehr, dass ihr auch das nächste Mal wieder mit dabei seid. Dann wenden wir uns nämlich einem ganz neuen Thema zu. Wieder ein Thema, das uns alle betrifft, nämlich den Gesetzen. Wo, wie und durch wen entsteht überhaupt so ein Gesetz? Das wollen wir uns gemeinsam mit sehr interessanten Gästen näher anschauen. Ich bin mir sicher, das wird spannend und lehrreich. Am besten, Ihr hört nächstes Mal wieder rein! Und wenn euch diese Folge gefallen hat, dann empfehlt sie gerne weiter und abonniert am besten gleich diesen Podcast. Dann verpasst ihr garantiert keine Folge mehr. Abonnieren könnt ihr überall, wo es Podcasts gibt: ob auf Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, Deezer oder Amazon Music. Jede Menge Informationen und Angebote rund um das österreichische Parlament und zu unserer Demokratie findet ihr auf unserer Website www.parlament.gv.at und den Social-Media-Kanälen des Parlaments.Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at. Also: Ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš – wir hören uns!
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.