Tatjana LUKÁŠ: Wird da manchmal was reingezeichnet?
Eva Marie RUSSEK: Tatsächlich ja. Einmal bin ich mir nicht sicher, ob es ein Tornado sein soll oder doch eine Unterschrift. Und Jean-Claude Juncker, der hat sich sehr herzlich mit einem Herz verewigt.
LUKÁŠ: Darf ich es mal aufschlagen?
RUSSEK: Ja, bitte, sehr gerne.
LUKÁŠ: Oh, es ist so schön.
Peter FIALA: Das Papier braucht eine ganz besondere Oberflächenbeschaffenheit, damit es das Radieren aushält. Also damit dann die Oberfläche nicht beleidigt ist, um es ganz salopp zu formulieren, und das Licht anders reflektiert wird und derlei Dinge.
Jingle: Rund ums Parlament, der Podcast des österreichischen Parlaments.
LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš und ich freue mich, dass ihr wieder mit dabei seid. Diesmal bin ich besonders gespannt, denn uns erwartet eine Abenteuer-Entdecker-Folge. Wir spüren nämlich einem ganz besonderen Gegenstand nach, von dem wir erst bei den Aufnahmen zur vorletzten Folge erfahren haben, in einem tiefen Keller hier im Parlamentsgebäude. Also, wer diese Folge noch nicht gehört hat, gern mal reinhören, es lohnt sich. Wir haben nämlich auch noch andere tolle Dinge gefunden, wie den Finger von Pallas Athene zum Beispiel. Eine gute Folge. Aber heute, dieser ganz besondere Gegenstand, den wir suchen, das ist das Gästebuch des Parlaments. Das ist reserviert für Präsidenten und Präsidentinnen, Königinnen, Friedensnobelpeisträger etc. Ihr seht schon: eine illustre Runde. Und in dieser Folge werden wir zusammen nicht nur das Gästebuch bestaunen, sondern wir werden auch dorthin gehen, wo gerade das nächste Exemplar des Gästebuchs hergestellt wird. Das aktuelle ist nämlich voll. So viel kann ich schon mal verraten. Und um all diese spannenden Dinge zu besprechen und zu entdecken, habe ich heute Eva Marie Russek bei mir. Herzlich willkommen.
RUSSEK: Vielen Dank, dass ich dabei sein darf.
LUKÁŠ: Gerne. Sie leiten ja die Abteilung Protokoll und Organisation in der österreichischen Parlamentsdirektion. Und Sie waren auch schon mal bei uns im Podcast.
RUSSEK: Ja, ich hatte schon die Ehre, das war ein rechtes Vergnügen.
LUKÁŠ: Es war ein rechtes Vergnügen. Auch auf diese Folge wollen wir verweisen, gerne in der Folgenbeschreibung, die sehr lustig geworden ist, tatsächlich. Wir beginnen unsere Entdeckungsreise im Besucherzentrum des Parlaments. Und da habe ich eigentlich auch schon die erste Frage mit dabei. Frau Russek, das Gästebuch des österreichischen Parlaments ist voll. Also wie viele Gäste haben sich denn da eingetragen im Hohen Haus?
RUSSEK: Ja, da muss ich kurz schon anmerken, es ist fast voll, weil wir arbeiten natürlich vorausschauend und haben noch ein bisschen einen Platz, aber es ist an der Zeit natürlich, ein neues zu bestellen. Und ich würde sagen, wir haben um die 175 verschiedenen Personen, die sich eingetragen haben. Da kann ich dazu sagen, es gibt Einträge, wo auch manchmal mehrere Leute unterzeichnet haben. Zum Beispiel die Signatarstaaten haben zu viert unterschrieben. Oder es gibt auch ein paar Wiederholungstäter und -täterinnen, die sich mehrfach eintragen durften.
LUKÁŠ: Aha, ok, wer ist so ein Wiederholungstäter oder -täterin? Weiß man das? Spontan?
RUSSEK: Zum Beispiel die Parlamentspräsidentin vom EU-Parlament, Metsola, die hatte mehrfach die Ehre. Aber sie ist auch, muss ich sagen, gerade mit Blick aufs Parlament, ein besonders willkommener Gast.
LUKÁŠ: Bevor wir, wir werden ja heute noch einen Blick reinwerfen in dieses Gästebuch, aber darf ich vorab schon fragen, wird da manchmal was reingezeichnet?
RUSSEK: Tatsächlich ja. Einmal bin ich mir nicht sicher, ob es ein Tornado sein soll oder doch eine Unterschrift. Und Jean-Claude Juncker, der hat sich sehr herzlich mit einem Herz verewigt. Was ich sagen muss, schon auch nett ist, dass auch mal jemand ein bisschen sich künstlerisch betätigt hat. Aber so à la Rembrandt, Rubens, da sind wir leider nicht unterwegs. Oder Dürer, wenn es zeichnerisch sein soll.
LUKÁŠ: Oder Flaggen. Okay, super, ich freue mich schon. Wie viele Bände gibt es denn von diesem Gästebuch schon?
RUSSEK: Ja, noch ist es nicht die unendliche Geschichte. Wir sind gerade beim ersten Gästebuch. Das wurde 2007 gestartet mit dem schwedischen König Carl Gustaf. Und eben wie schon angesprochen, füllt es sich jetzt aber merklich und es ist Zeit, ein neues zu beschaffen. Also wegen Erfolgs verlängert.
LUKÁŠ: Sehr gut, das ist eine extrem gute Idee. Gästebücher sind immer sehr beliebt und wunderschöne Erinnerungen tatsächlich, auch für spätere Generationen. Also, toll. Es hat ja einen Grund, warum wir mit Ihnen über das Buch sprechen. Denn als Leiterin der Abteilung Protokoll und Organisation sind Sie ja für die Organisation der internationalen Besucher im Parlament verantwortlich.
Und damit auch für das Gästebuch. War das eigentlich Ihre Idee, Frau Russek, frage ich da an dieser Stelle? Waren Sie da schon in der Parlamentsdirektion, als das Gästebuch eingeführt wurde?
RUSSEK: Nein, das Gästebuch gibt's schon länger, als es mich im Haus gibt. Das gibt's nämlich schon seit 2007.
LUKÁŠ: Liebe Frau Russek, Sie als Verantwortliche des Gästebuchs können uns sicher verraten, wo wird es denn aufbewahrt?
RUSSEK: Ja, ich werde dieses Geheimnis teilen, es wird sicher nicht die Sicherheit kompromittieren. Wir haben eine ganz tolle Parlamentsbibliothek und da wird das Gästebuch aufbewahrt in einem Koffer, der sogar verschließbar ist. Da hat das Team den Zahlencode, dass wir es auch öffnen können, wenn wir es brauchen. Und da sind die Kollegen so nett und haben ein gutes Auge drauf. Ich kann dazu anmerken, dass es aber leider, auch wenn die Parlamentsbibliothek immer einen Besuch lohnt, weil es gibt viel Historisches und Modernes, das Gästebuch selbst aber leider nicht angeschaut werden kann.
LUKÁŠ: Aber wir können es uns schon anschauen.
RUSSEK: Ja, in der Tat, da werden wir einen exklusiven Einblick sehr gerne gewähren.
LUKÁŠ: Super, dann würde ich sagen, gehen wir die paar Schritte in die Parlamentsbibliothek und schauen uns das an.
RUSSEK: Auf geht's!
LUKÁŠ: Auf geht's!
RUSSEK: Guten Morgen.
LUKÁŠ: Guten Morgen.
RUSSEK: Wir sind hier, um das Gästebuch zu betrachten gemeinsam.
Bibliotheksmitarbeiterin: Ja, bitte schön.
RUSSEK: Danke sehr.
LUKÁŠ: Wow, großer Aktenkoffer. Vielen Dank.
RUSSEK: Jetzt können alle mitschauen.
LUKÁŠ: Ah, können wir den gleich aufmachen?
RUSSEK: Ja.
LUKÁŠ: Den Code verraten wir hier nicht.
RUSSEK: Ja, man sieht, dass es in einem schönen Lederkoffer aufbewahrt wird, der mit Samt ausgelegt ist, weil uns ist natürlich wichtig, dass so ein wichtiges Dokument auch entsprechend geschützt bleibt.
LUKÁŠ: Blauer Samt. Sehr schön.
RUSSEK: Und braunes Leder.
LUKÁŠ: Und braunes Leder. Das ist ja classy alles hier, bei diesem schönen Gästebuch. Darf ich fragen, als Zwischenfrage, haben andere staatliche Institutionen in Österreich eigentlich auch so ein Gästebuch?
RUSSEK: Ja, manche verfügen über ein Gästebuch. Zum Beispiel unser Bundeskanzleramt. Andere Institutionen praktizieren das nicht. Zum Beispiel das Außenministerium hat keines. Also das wird sehr verschieden gehandhabt.
LUKÁŠ: Und wo wird dieses Buch dann üblicherweise ausgelegt, wenn sich eine Gästin oder ein Gast verewigen soll?
RUSSEK: Ja, im Normalfall finden die Termine im sogenannten Empfangssalon des Parlaments statt. Und da ist eigens ein Tisch aufgestellt mit einem Stuhl. Und da liegt das Gästebuch und ein Kugelschreiber bereit.
LUKÁŠ: Können wir dahingehen und dürfen wir das Gästebuch uns vielleicht ausleihen und mitnehmen?
RUSSEK: Ja, natürlich, sehr gerne.
LUKÁŠ: Fein. Na, dann schließen wir den Koffer, bevor wir da noch rumblättern und öffnen es dann stilecht im Empfangssalon, oder? Ich werde es Ihnen abnehmen, Frau Russek.
RUSSEK: Nein, nein.
LUKÁŠ: Ich wollte sowieso längst schon einmal ein Gästebuch tragen.
RUSSEK: Ja, es ist ein gutes Workout, wie Sie sehen.
LUKÁŠ: Ja, ja, super.
RUSSEK: Wir teilen es uns.
LUKÁŠ: Es ist sehr, sehr schwer. Vielen Dank.
RUSSEK: Ich würde es gerne nehmen. Danke, bis später.
LUKÁŠ: Wie viel Kilo hat dieses gute Gästebuch? Wow!
RUSSEK: Da, gestehe ich, bin ich jetzt auch überfragt, aber ich kann es gerne tragen.
LUKÁŠ: Nein, nein, es passt gut, es passt gut.
RUSSEK: Ja, es ist ein halbseitiges Arm-Workout, definitiv. Es ist halt ein großes, massives Buch.
LUKÁŠ: Wir haben hier sehr viele unterschiedliche Hörerinnen und Hörer. Und so sehr sich mir sofort der Sinn eines Gästebuchs erschließt, weil ich Anekdoten und Erinnerungen liebe, würden Sie vielleicht für unsere Zuhörerschaft es noch einmal aufmachen: Wofür braucht es denn überhaupt so ein Gästebuch? Was ist denn der Sinn von so einem Buch?
RUSSEK: Ja, der ist, ich würde sagen, zweifach. Einerseits unterstreicht man damit symbolisch die Bedeutung dieses Treffens, weil es darf sich natürlich nicht jeder und jede eintragen. Also wenn man da eingeladen wird, ist es auch ein Zeichen einer besonderen Wertschätzung. Aber andererseits ist es auch quasi zur Dokumentation von Begegnungen, also auch, um das historisch festzuhalten.
LUKÁŠ: Wer blättert denn dann eigentlich so im Gästebuch? Die, die sich neu eintragen, oder?
RUSSEK: Nein, ehrlicherweise blättern die nicht, das Gästebuch liegt schon auf. Oben ist ein Pergamentzettel, wo schon dasteht, wer sich einträgt und was der Anlass ist, allenfalls.
LUKÁŠ: Aha! Und da kann man nicht zurückblättern, wenn man jemand ist, der sich neu einträgt?
RUSSEK: Ich würde jetzt da nicht dazwischen springen, wenn ein Gast interessiert ist, ein bisschen zu blättern. Aber normalerweise encouragieren wir den Gast dann, zum Arbeitsgespräch vorzukommen. Also zu lang sollte die Person nicht verweilen. Es gibt ja auch noch Inhalte zu besprechen.
LUKÁŠ: Mich könnte man da nicht stoppen, muss ich sagen. Ich würde sofort zum Blättern anfangen. Und jetzt sind wir im Empfangssalon, den wir auch schon mal ausführlicher besprochen haben, was die Kunst hier drin betrifft. Sehr schön. Und wir öffnen den Koffer. Der blaue Samt strahlt uns entgegen und jetzt können wir mal dieses Buch rausnehmen.
RUSSEK: Ja, sollen wir es an der üblichen Stelle vielleicht auflegen?
LUKÁŠ: Stilecht, stilecht machen wir das und machen es an der üblichen Stelle auf. Sehr gut, dann darf ich es mal aufschlagen?
RUSSEK: Ja, bitte, sehr gerne.
LUKÁŠ: Juhu!
RUSSEK: Darf ich einladen, Platz zu nehmen?
LUKÁŠ: Echt?
RUSSEK: Sieht man schon.
LUKÁŠ: Oh, es ist so schön. Oh, wow, und dieser golden geprägte Adler. Fantastisch, hat der eine Bedeutung? Auf Seite eins!
RUSSEK: Das Bundeswappen der Republik ist das.
LUKÁŠ: Scheint mir sehr besonders in dieses Buch eingebracht zu sein, oder?
RUSSEK: Ja, der wird auch noch, so viel darf ich verraten, im Podcast noch eine Rolle spielen. Weil der hat uns auch eigentlich ein bisschen in eine Richtung gebracht fürs nächste Gästebuch. Es war ein bisschen auch die Inspiration und die Quelle für das nun anzufertigende Gästebuch.
LUKÁŠ: Ach so, wie toll, denn weil die Tradition erst 2007 gestartet wurde, hat man quasi noch Spielraum in der Gestaltung jedes Gästebuchs, das neu gemacht wird. Das muss nicht immer gleich sein, weil seit 150 Jahren.
RUSSEK: Genau, da hat man einen Spielraum. Zum Beispiel steht da jetzt "Österreichisches Parlament" und ich fänd's schön, wenn dastehen würde: "Das Parlament der Republik Österreich". Der volle Titel wäre schon würdig in so einem Buch.
LUKÁŠ: Das Papier ist auch toll. Was ist das für ein Papier?
RUSSEK: Das ist handgeschöpftes Büttenpapier, weil, natürlich, das muss Bestand haben und soll auch ehrlicherweise eine schöne Haptik haben für die Gäste. Dass man auch irgendwie spürt, das ist schon ein besonderes Buch und nicht das Schulfreunde-Buch, das mal in der Schule zirkuliert. Obwohl es natürlich auch besonders ist, wenn da schöne Einträge drinnen sind.
LUKÁŠ: Man muss ja sagen, man hat ja hin und wieder mit handgeschöpftem Büttenpapier zu tun, wenn man Hochzeitseinladungen oder sonst was, irgendwas Besonderes, verschickt. Aber selten ist dieses Papier so glatt geschöpft wie dieses hier in diesem Gästebuch. Das hat immer so Unebenheiten, aber das ist ja wundervoll. Und wir sind jetzt auf der ersten Seite. Besuch seiner Majestät Carl XVI. Gustaf von Schweden, 20. November 2007. Und das ist auch handgeschrieben, richtig?
RUSSEK: Ja, genau, also es ist immer zu Beginn, auch um einen gewissen roten Faden im Buch zu haben, und dass jede Seite gleich beginnt, haben wir einen Kalligrafen, der dann on block – dem geben wir alle paar Termine mal das Buch – handschriftlich einträgt, wer hat sich eingetragen, und was war der Anlass, beziehungsweise das Datum.
LUKÁŠ: Es gibt einen eigenen Kalligrafen, der diese Gästeeinträge vorbereitet?
RUSSEK: Ja, in der Tat, der macht das mit Füllfeder und offensichtlich macht er einen guten Job.
LUKÁŠ: Na, wie gleichmäßig und schön diese Buchstaben geschwungen sind. Das finde ich sehr, sehr schön. Aha, und dann lässt man immer eine Seite aus und dann kommt der nächste?
RUSSEK: Eigentlich nicht. Am Anfang war man ein bisschen großzügig und dann haben wir gedacht, nein, wir wollen ja auch wirtschaftlich sein und dann beginnt es dann, dass es auf jeder Seite dann ein Eintrag kommt, beziehungsweise immer auf der rechten Seite. Wobei, Sie werden sehen, manche haben sich ein bisschen kreativ ausgetobt und auf einmal einfach links unterschrieben oder links was reingeschrieben. Ja, kommt vor. Man sieht auch was Schönes, finde ich, dass verschiedene Sprachen auch vorkommen. Spanisch, Französisch, Arabisch, also, das macht auch, finde ich, einen gewissen Charme aus, dass es so einen nationalen Touch auch hat.
LUKÁŠ: Und es ist aber chronologisch geordnet, sehe ich. Also es kann nicht jeder einfach eine Seite, wie gesagt, einfach aufschlagen und sagen, hier bin ich. Nein?
RUSSEK: Nein.
LUKÁŠ: Chronologisch.
RUSSEK: Ja, da kann ich vielleicht auch noch dazu erwähnen, dass, wie die Leute sich eintragen, das ist immer wieder sehr unterschiedlich. Also manche sind on the spot, unterzeichnen. Der kürzeste Eintrag ist, wie gesagt, das sind nur Initialen. Das war die deutsche Bundestagspräsidentin, die hat da sehr to the point einfach ihre Initialen gesetzt. Und es gibt aber auch Delegationen, wo eine Vorausdelegation kommt, um den Besuch vorzubereiten. Oder manchmal ist es auch jemand einfach von der Botschaft. Die kommen manchmal vorab und erledigen den Gästebucheintrag, sodass man nur noch unterzeichnen muss. Und andere sind spontan und tragen spontan eben die Unterschrift ein. Und manche, die schreiben dann schon auch mal ein bisschen länger, sodass manchmal ehrlicherweise auch ein gewisser merkwürdiger Moment entsteht, weil alle stehen ein bisschen rum und warten, dass halt der Gästebucheintrag fertig geschrieben wird. Das ist, wie gesagt, sehr unterschiedlich.
LUKÁŠ: Sehr schön. Hier scheint fast ein Gedicht geschrieben zu sein. Wir wissen, es sind wirklich ganz viele verschiedene Sprachen, armenisch, chinesisch. Toll. Auch eine wunderschöne Unterschrift.
RUSSEK: Was man auch sieht, finde ich, hier ist nämlich zum Beispiel ein Fingerabdruck. Also wir haben hier nicht kriminalpolizeilich uns betätigen wollen, aber es wurde früher mit dem Füllfeder geschrieben. Und man sieht, da hat jemand – natürlich, Diskretion ist im Protokoll immer wichtig, ich werde jetzt nicht sagen, wer –, aber jemand hat diverse Tintenkleckse im Buch hinterlassen, und da sieht man, dass dann auf Kugelschreiber umgestiegen wurde.
LUKÁŠ: Verstehe. Jetzt, wissen Sie was, ich durfte mich hinsetzen, jetzt dürfen Sie sich hinsetzen, vielleicht wären Sie so lieb, uns mal Ihre Lieblingseinträge zu zeigen. Sehr schwierig, sich zu entscheiden, gell?
RUSSEK: Ja, ich such das grad vom Juncker, weil das Herzchen, das find ich schon besonders süß. Was allgemein auffällt bei den Einträgen, ist, dass es eben verschieden genutzt wird. Zum Teil eine Unterschrift, manchmal Dankesworte, manchmal auch sehr inspirierende Worte.
LUKÁŠ: Aha. 18. März, haben wir das Herzerl gefunden.
RUSSEK: Genau, der Premierminister von Luxemburg hat sich mit Herzchen verewigt, was natürlich ein besonderes, glaube ich, Zeichen der Wertschätzung und der Sympathie für Österreich darstellt.
LUKÁŠ: Und ein deutscher Satz, den man vielleicht auch vorlesen kann.
RUSSEK: "Bin froh und dankbar, hier zu sein". Was auch ein besonderer Gästebucheintrag ist, das finde ich nämlich auch so vom chronologischen Ablauf, wie gesagt, es beginnt mit dem König von Schweden und auch die Silvia von Schweden hat sich eingetragen. Und dann gab es ja bekanntlich die Renovierung des Parlaments. Und der erste Gästebucheintrag, der dann wieder hier im Haus stattgefunden hat, war tatsächlich zu Zeiten des Umbaus noch, der schon in den Finishing Touches war, aber noch nicht abgeschlossen. Und da haben sich wieder zwei Majestäten eingetragen und das war der Willem-Alexander und die Máxima von den Niederlanden. Da kann ich sagen, aus Protokollsicht, dass es immer sehr schön ist, egal, wen man trifft – Eminenzen, Majestäten, Friedensnobelpreisträger: Es ist irgendwie immer sehr erfrischend, dass es einfach am Ende des Tages alles Menschen sind und sehr down to earth. Ich glaube, da fragen sich viele Leute, wie sind denn die so drauf, aber ich muss sagen, die Gäste von uns sind eigentlich immer sehr charmant und nett.
LUKÁŠ: Gibt es eigentlich auch Fauxpas im Gästebuch? Dinge, die nicht sein sollten, aber dann einfach in der Hitze der Situation so passiert sind?
RUSSEK: Ja, in der Tat. Also, wie schon kurz erwähnt, es gab Tintenflecke, es wurde auf der falschen Seite eingetragen. Da musste der Kalligraf dann kreativ nachträglich eintragen, wer sich eingetragen hat. Dann wurden die Seiten verdreht. Oder wie erwähnt, kommen manchmal Delegationen, Vorausdelegationen oder die Botschaft, um den Eintrag zu erledigen. Und wie man sieht, es ist der Eintrag vom Kalligrafen und darunter, würde ich sagen, das ist die Fläche von einem A4-Blatt. Und die wird so unterschiedlich genutzt. Einmal war eine Vorausdelegation da, die hat sage und schreibe eineinviertel Stunden gebraucht, um sich einzutragen. Die hatten auch einen Kalligrafen mit. Und der hat dann noch ganz viel geübt. Und man hat gemerkt, je mehr er übt, umso nervöser wird er, es ins echte Buch zu übertragen. Und dann haben wir schon ein bisschen wie im Kreißsaal gewartet, wann das Baby jetzt da zur Welt gebracht worden ist. Aber, ja, man muss natürlich auch Zeit lassen. Aber irgendwann muss man natürlich auch ein bisschen encouragieren, dass man vielleicht auch zum Abschluss kommt.
LUKÁŠ: Aber wie toll das da zu erfahren, dass Kalligrafen nach wie vor ein tolles Add-on sind und vielleicht da in der Entourage oder in der Delegation mitreisen, damit es dann besonders schön ausschaut.
RUSSEK: Man kann ja auch sagen, das Gästebuch ist ja so ein bisschen wie Social Media, nur offline und noch in Papierform.
LUKÁŠ: Sehr nett.
RUSSEK: Und ohne Filter.
LUKÁŠ: Dieses Buch, das ist ja jetzt offensichtlich keines, das man im Schreibwarengeschäft kauft. Also, der Einband und das Papier und die Prägung, alles daran ist irgendwie besonders. Und woher bekommt man denn sowas? Wer macht denn das für einen?
RUSSEK: Also das aktuell vorliegende Gästebuch wurde von der Akademie der Angewandten Künste hergestellt. Das war ein Auftragswerk und die haben wirklich einen fantastischen Job gemacht. Also es war auch die Überlegung, sollen wir vielleicht sie wieder bitten? Und dann hat uns der Zufall eigentlich ein bisschen in eine ganz andere Richtung gelenkt, weil es war die Frage vom Prägeadler, über den wir schon kurz gesprochen haben. Und den darf nicht jeder prägen. Wer das prägen darf, ist die Druckerei vom Finanzministerium. Dann haben wir da mal liebevoll angeklopft und gefragt, ob sie das herstellen könnten für unser neues Gästebuch. Und die haben dann gesagt, ja Moment, wir können nicht nur das, wir könnten euch das Buch binden. Und da haben wir gedacht, es wäre schön, nochmal einer anderen Stelle die Chance zu geben, das zu machen. Vor allem, das sind auch absolute Profis. Und so hat sich das dann ergeben, dass wir jetzt mit der Druckerei vom Finanzministerium das Projekt weiterverfolgen.
LUKÁŠ: Aha, die Druckerei vom Finanzministerium. Ich schlage mal vor, mich würde es nämlich sehr interessieren und vielleicht unsere Hörerinnen und Hörer auch, wie das neue Buch aussehen wird. Und weil ich weiß, dass in der Druckerei des Bundesministeriums für Finanzen schon angefangen worden ist, an diesem Buch zu arbeiten, mache ich dem Vorschlag, vielleicht gehen wir einfach hin, Frau Russek, und schauen uns das alles vor Ort an.
RUSSEK: Ich freue mich.
LUKÁŠ: Herrlich. Okay, da sind wir also. Wir sind angekommen in der Druckerei des Bundesfinanzministeriums in Wien. Und wer nicht genau weiß, wo wir jetzt uns befinden, wir sind einmal quasi quer durch die innere Stadt gefahren. Die Urania ist nicht weit und auch der Julius-Raab-Platz. Und wir wurden sehr freundlich empfangen und zwar von Peter Fiala.
FIALA: Willkommen.
LUKÁŠ: Vielen Dank. Sie sind Produktionsleiter der Druckerei. Danke, dass wir hier sein dürfen.
FIALA: Ja, bitte, gerne.
LUKÁŠ: Herr Fiala, als Produktionsleiter, was macht man denn da so den ganzen Tag? Was hat man denn da für Aufgaben?
FIALA: Das frage ich mich auch des Öfteren. Nein, aber um es schnell zu umreißen: Das eine ist, das Tagesgeschäft abzuwickeln. Das heißt, wenn die Einteilung des Ablaufes, wie die Druckaufträge produziert werden sollen – das hängt ja auch immer davon ab, gibt es Druckfreigaben, sind die Daten schon verfügbar und so weiter – wenn’s Fragen gibt oder wenn die Kollegen kommen mit Mustern, ob es so entsprechend gefertigt werden soll, ja oder nein, diese Entscheidungen habe ich zu treffen. Und natürlich auch die Materialbeschaffung, wobei das mache ich nicht allein, sondern ich artikuliere den Bedarf oder ich definiere den Bedarf und die Kollegen, die aus der Verwaltungsebene kommen, müssen dann das organisieren mit den Lieferanten, weil das ja den Vergaberechtlinien entsprechen muss. Das ist ziemlicher Aufwand, das entsprechend den Vorgaben des Gesetzgebers abzuhandeln. Dann habe ich auch noch den Kundenkontakt, das ist eben so charmant wie die Frau Russek von der Parlamentsdirektion.
RUSSEK: Wie nett! Ich erröte, sieht man jetzt nicht.
FIALA: Wo die Kunden auf uns zukommen, also soll heißen, Bundesdienststellen, wir produzieren ausschließlich für Bundesdienststellen, fürs eigene Haus und für Bundesdienststellen, wo die Kollegen dann artikulieren, was hätten sie gerne, können wir das überhaupt abdecken produktionstechnisch. Weil Druckerei ist nicht gleich Druckerei. Es gibt oft spezielle Dinge, die von der technischen Beschaffenheit oder von der Auflagenhöhe dann nicht reinpassen bei uns in den Betrieb. Diese Dinge habe ich abzuklären. Dann die Angebotslegung. Das sind so im Wesentlichen die Dinge, die ich organisiere.
LUKÁŠ: Und was wird hier jetzt genau gedruckt? Also vielleicht, damit man sich das so ein bisschen vorstellen kann für unsere Hörerinnen und Hörer, die vielleicht nicht aus der Druckerbranche kommen.
FIALA: Also die Hauptaufgabe, und die ist vom Gesetzgeber definiert, ist die Produktion der Budgetunterlagen. Das heißt, so wie jetzt wird gerade aktuell das Budget verhandelt. Seitens des Herrn Bundesministers und den anderen Stellen, die involviert sind in diese ganzen Dinge. Es wird ein Doppelbudget verhandelt, weil ja vergangenes Jahr keins beschlossen wurde, sondern es wurde nur fortgeschrieben. Und die Produktion dieser Budgetunterlagen ist ein relativ großer Aufwand mit der kleinen Mannschaft. Deswegen halten wir auch sehr viel Technologie vor, um das in der kurzen Zeit produzieren zu können. Weil wenn Sie da schauen, da stehen jetzt ungefähr 14 Paletten von einem bestimmten Papier. 80 Gramm im Format SRA3. Und das Doppelbudget sind doppelt so viele Paletten dann in Summe. Für die ganzen Broschüren und klebegebundenen Broschüren, die gedruckt werden müssen laut Gesetz und die dann den Nationalratsabgeordneten in gedruckter Form – das ist dieser ominöse "Ziegel", von dem in den Medien immer berichtet wird. Diese 12 Kilo Papier, wo die einzelnen Ressorts, die über ein Budget verfügen, das beschlossen wird, drinnen abgebildet sind.
LUKÁŠ: Und wann bekommen die Abgeordneten das dann?
FIALA: Zur Budget-Rede. Also wenn der Herr Bundesminister die Budget-Rede hält, wird am Vormittag, das ist dann der Parlamentsdirektion die Aufgabe, das jedem Abgeordneten auf den Platz hinzulegen.
LUKÁŠ: Ah, und von dieser Querverbindung her kennen Sie die Frau Russek?
FIALA: Nein, das hat ganz andere Wege beschritten, weil eben dieser Bedarf, weil das Buch zu Ende ist, man braucht jetzt ein neues. Und dann hat irgendjemand irgendwie jemanden gekannt, der sich erinnern konnte, dass die Druckerei des Bundesministeriums für Finanzen eine Buchbindermeisterin hat, die heute leider krank ist. Und dann hat man gefragt, ob wir das herstellen können. Weil das ist ja kein technisches Produkt in dem Sinn, dass irgendwelche Hightech-Druckmaschinen involviert werden, sondern da geht's um Handarbeit. Ausschließlich. Und wir sind in der glücklichen Lage, das tun zu können, weil die besagte Kollegin, die Frau Kaiser, die ich jetzt erwähnen muss, weil sie wirklich über goldene Hände verfügt, ja auch für unsere Bibliothek – das Finanzministerium verfügt über eine eigene Bibliothek– auch dort laufend Bücher bindet. Also wenn Fachliteratur jahrgangsmäßig abgelegt und gebunden wird. Und aber auch Restaurationsarbeiten durchführt. Also das heißt, wir sind da Gott sei Dank sehr gut aufgestellt, was den Bereich betrifft.
LUKÁŠ: Ich hatte das Gefühl, die Frau Russek möchte gern was ergänzen.
RUSSEK: Ja, es ist nämlich, finde ich, ein nettes Detail, wie wir eigentlich tatsächlich auf die Druckerei vom Finanzministerium gestoßen sind. Und zwar war das, weil wir auch den sogenannten Goldadler, also das Bundeswappen, gedruckt haben wollten. Und dann sind wir draufgekommen, das darf ja nicht jeder. Das ist eben die Druckerei vom Finanzministerium, die da das Privileg hat, das zu tun. Und so haben wir den Kontakt hergestellt. Und dann sind wir eben draufgekommen, dass auch Bücher gebunden werden. Und dann war da das Angebot oder der Hinweis, dass das auch hier in einem Guss gemacht werden könnte. Und da haben wir gedacht, das ist ja toll, kriegt auch mal eine andere Stelle die Chance. Wir haben uns dann getroffen und ich muss sagen, man hat auf den ersten Blick gemerkt und auch im Gespräch, dass wir wirklich hier mit Experten zusammenarbeiten, die auch mit sehr viel Herzblut dieses Projekt sich annehmen. Wo wir gerade eben das Konzept erstellen, um dann vorzuschlagen, wie das neue Buch ausschauen könnte.
LUKÁŠ: Ich würde sagen, bevor wir uns dann miteinander vielleicht auch ein bisschen dieses Konzept anschauen und uns schon ein bisschen in die Zukunft blicken können, können wir mal reingehen und diese Druckmaschinen sehen und hören?
FIALA: Ja, freilich. Würden Sie bitte mitkommen?
LUKÁŠ: Ja, ich sehe da vorne ein großes, rotes Tor. Jetzt gehen wir durch die Paletten mit dem Papier, da drin wird gehämmert.
FIALA: Ja, das sind die Elektriker.
LUKÁŠ: Das sind die was?
FIALA: Die Elektriker verlegen neue Netzwerkleitungen, die konnten wir nicht verscheuchen. Weil bei Handwerkern weiß man natürlich nie, ob die jemals wieder kommen.
LUKÁŠ: Ja, da muss man sehr zuvorkommend sein, zu diesen Handwerkern. Ah ja. Frau Russek, würden Sie vielleicht mit Ihrem frischen Auge mal beschreiben, was Sie da so sehen?
RUSSEK: Also als Nicht-Technikerin versuche ich jetzt mein Bestes. Was mir als erstes ins Auge sticht, ist, dass die Decke, dass Rohre verlegt sind, aber mit Stoff umkleidet sind, sodass Rot-Weiß-Rot, gleich Österreich, sehr gut reflektiert ist. Dann sehe ich viele Papierpaletten.
FIALA: Also das hier ist ein relativer Neuzugang. Wir sind jetzt im zweiten Lebensjahr dieser Maschine. Wir haben vor zwei Jahren den Offset-Druck komplett abgelöst durch den Digitaldruck aus wirtschaftlichen Gründen und so weiter, weil es einfach nicht mehr zeitgemäß war, um es ganz kurz zu fassen. Und sind jetzt gelandet bei einem Hochleistungs-Inkjet-Drucksystem.
LUKÁŠ: Können wir da ein bisschen hingehen?
FIALA: Unbedingt!
LUKÁŠ: Weil da bewegt sich die Maschine wie bei einem 3D-Drucker fast so ein bisschen.
FIALA: Das ist nicht ganz industriell, aber im guten gewerblichen Leistungsbereich.
LUKÁŠ: Super. Danke fürs Zeigen dieser beeindruckenden Maschine. Wir hoffen, dass sie läuft und läuft und läuft. Und Herr Fiala, wir sind ja eigentlich wegen dem Gästebuch des Parlaments da. Und das hat, soweit wir bis jetzt in Erfahrung bringen konnten, mit diesen handgeschöpften Papierseiten etc., ja an sich nichts mit Druckmaschinen zu tun.
FIALA: Nein, ganz und gar nicht.
LUKÁŠ: Sondern es schaut nach purer Handarbeit aus.
FIALA: Schaut nicht nur so aus, ist auch so.
LUKÁŠ: Vielleicht würden Sie uns in Richtung der Werkstatt von der Frau Kaiser-Felbermaier führen und uns dabei erzählen, wo das Buch hergestellt wird und wer die Frau Cornelia Kaiser-Felbermaier denn ist und was sie so kann.
FIALA: Ja, die Frau Cornelia Kaiser-Felbermaier ist ausgebildete Buch-, also Lehrberuf Buchbinder und dann Meisterprüfung. Und ist schon hier im Haus vor meinem Eintritt gewesen. Das heißt, ich denke, die wird 15, 16 Jahre hier sein. Es ist tatsächlich ihre Domäne, die Handarbeit und die Anfertigung von Edeldrucksorten.
LUKÁŠ: Wo sind wir jetzt? Ist das die Werkstatt?
FIALA: Das ist nämlich noch erschwerend hinzugekommen, die Frau Kaiser hatte zuvor einen kleinen Raum hinten in der Buchbinderei. Und ist jetzt im Laufe der vergangenen Wochen jetzt auch noch gleichzeitig hierher übersiedelt, weil das der angenehmere Arbeitsplatz ist. Man sieht hier, ich hab das zuvor angesprochen, das sind alles Bücher für unsere Bibliothek, die gebunden werden. Nicht nur für die Bibliothek, sondern es gibt auch für Sektionsleitungen, die bestimmte Werke gebunden brauchen, um es als Nachschlagwerk zur Verfügung zu haben. Das machen auch wir, also sprich die Frau Kaiser. Die Utensilien, die so ein Buchbinder braucht. Da ist eins offen, da sieht man es sehr schön, da würde sich auch das Buch für die Parlamentsdirektion nicht unterscheiden. Da sind es bedruckte Seiten, in dem Fall. Die sind halt in der richtigen Reihenfolge geordnet. Also man spricht vom Koalieren. Dann kommt der Rückenkarton drauf, der sogenannte Schrenz, mit der Leinengase und dem Kapitalband. Und das Ganze wird dann in die Buchdecken eingehängt. Jetzt liegen keine unverarbeiteten Buchdecken da.
LUKÁŠ: Vielleicht während Sie die Buchdecken suchen, schauen wir uns einmal – vielleicht liebe Frau Russek, wollen Sie mit mir zur Spindelpresse kommen? Erstens stehen wir da auf irgendeinem weicheren Untergrund. Vielleicht können wir das auch noch irgendwie herausfinden, warum das so sein muss. Ob nur fürs Kreuz?
RUSSEK: Oder um Strom zu isolieren?
LUKÁŠ: Von dieser Spindelpresse, die ausschaut wie aus dem 19. Jahrhundert.
RUSSEK: Wahrscheinlich nicht.
LUKÁŠ: Ich glaube nicht. Josef Anger und Söhne, Wien, 17, Hernals, Hauptstraße 122. Da kommt dieses antike Stück her. Wird das noch verwendet, diese Spindelpresse?
FIALA: Natürlich.
LUKÁŠ: Natürlich? Okay.
FIALA: Die Bücher werden, nachdem die Kerne in die Buchdecke eingehängt werden, werden die eine bestimmte Zeit da drinnen gepresst. Damit der Leim entsprechend abbinden kann.
LUKÁŠ: Jetzt liebe Frau Russek, jetzt wo wir da sind, quasi am Ort des Geschehens - hier ist eine True Crime Folge heute.
RUSSEK: Am Tatort, ja.
LUKÁŠ: Was gemeinsam machen Sie eigentlich mit dem Herrn Fiala jetzt? Wie schaut diese Projektplanung aus? Vielleicht können wir so ein bisschen in diese Konzeptionierung reingehen. Damit wir uns was vorstellen können, jetzt wo wir vor den Geräten stehen.
RUSSEK: Da kann ich gleich dazu sagen, auch bei uns in der Parlamentsdirektion arbeiten mehrere Leute dran. Es hat bei uns der Max Kaminski begonnen das Projekt, die Nadine Dragan hat uns extrem wertvolle Hinweise gegeben, wie das Buch 2007 hergestellt wurde, was sehr wichtig war und hat uns auch eben eigentlich auf die Druckerei gestoßen. Und im Moment ist die Andrea Bednarik, die das Projekt zum Alltag verfolgt, wo so die alltäglichen Sachen besprochen werden, wie ist das Papier schon bestellt, was gibt's für Optionen. Und wenn das beieinander ist, dann haben wir uns auch zusammengesetzt, beide Teams, und haben zum Beispiel die Leute ein bisschen irritiert, die anderen Besucher im Parlament, weil wir sind dagesessen, im Kaffeehaus der Parlamentsdirektion und haben auf einmal alle an diesem Buch geschnüffelt. Weil wir den sachdienlichen Hinweis bekommen haben, dass es Ziegenleder ist, was man tatsächlich erschnüffeln kann. Und ich glaube, wir haben einen sehr merkwürdigen Eindruck gemacht auf die anderen Gäste, aber das waren lauter Erwachsene, die sich unfassbar, wie Kinder gefreut haben, dass sie dieses Buch riechen. Und ich glaube, keiner hat verstanden, warum wir das machen. Wir waren aber zum Beispiel auch gemeinsam schon in zwei Unternehmen und haben uns angeschaut, was für Lederoptionen bestehen, für Farben, das Material. Weil wir schauen natürlich ein bisschen mehr auf die Ästhetik und dann haben wir die Profis, die aber das Buch machen, die dann wissen, ist das ein gutes Material, lässt sich das gut verarbeiten. Und in Summe schauen wir auch zusammen drauf. Wir wollen halt gern, dass die Materialien aus Österreich stammen und dass es natürlich wertig ist, aber auch funktional. Also auch der Kalligraf wurde eingebunden, wie das ist, dass die Tinte gut aufgesogen wird, dass da nicht alles verläuft. Mehr Brainpower dahinter, als man vielleicht im ersten Moment vermuten mag.
LUKÁŠ: Und Sie sind quasi als Teamleiter dann ebenfalls dazukommen? Oder was ist Ihre Funktion eigentlich in dieser ganzen…?
FIALA: Wie die Frau Russek gerade gesagt hat, die Frau Bednarik seitens der Parlamentsdirektion und wir, wir koordinieren das sozusagen im täglichen Ablauf. Also jetzt momentan ist grad die Geschichte, ich kümmere mich um die Papiermuster, damit das Parlament die Papiermuster hat. Weil es ist nicht nur die Tintenfestigkeit, sondern was ich ganz zu Beginn auch nicht gleich so antizipiert hatte: Der Kalligraf muss sich dadurch, dass ich mit der Hand, mit der Gillott-Feder reingeschrieben wird in das Buch, Hilfslinien ziehen mit dem Bleistift, und die muss er dann natürlich wieder wegradieren. Das heißt, das Papier braucht eine ganz besondere Oberflächenbeschaffenheit, damit es das Radieren aushält. Also damit dann die Oberfläche nicht beleidigt ist, um es ganz salopp zu formulieren, und das Licht anders reflektiert wird und derlei Dinge. Also deswegen dauert der Auswahlprozess des Papiers eigentlich länger, als ich mir ursprünglich gedacht hatte. Weil ich war mit dem auch noch nie konfrontiert in der Form. Nachher ist man so, ah ja klar, das macht Sinn, auf das muss man aufpassen. Und diese Dinge koordiniere ich. Ich habe mich auch gekümmert, welche Lieferanten kommen in Frage fürs Papier, für das Leder und so weiter und hab mich darum gekümmert, wo kriegen wir zum Beispiel die Präge-Klischees her.
LUKÁŠ: Was sind Präge-Klischees?
RUSSEK: Hier kann man nämlich mal positiv über Klischees sprechen.
LUKÁŠ: Was sind Präge-Klischees? Frag ich mich an dieser Stelle.
FIALA: Präge-Klischees, ja.
RUSSEK: Ich hab auch schon viel gelernt in diesem Prozess, dass es auch, wie gesagt, positive Klischees gibt.
FIALA: Das ist auch tatsächlich ein positives Klischee.
RUSSEK: Ah bitte! Ich hab schon einen Instinkt entwickelt.
FIALA: Weil die für Blindprägungen, also wenn etwas erhaben ist übers Papier, da gibt es eine Gegenzurichtung, die den Druck ausübt. Und auf der Gegenüberseite gibt es etwas, eine Vorrichtung, die den Druck auffängt. Und das ist das negative Klischee. Und das ist tatsächlich ein positives Klischee. Und ich habe hier ein Muster. Es war oder ist seitens des Hauses ein Wunsch, einen repräsentativen Goldadler drauf zu haben. Und dann ist mir eingefallen, dass das Innenministerium, ich nenne jetzt Namen, das Innenministerium hat so ein Klischee, wir dürfen das öfter mal ausleihen und jetzt ist es wieder bei uns. Und das wird dann verwendet, um den Goldadler vorne auf das Gästebuch drauf zu prägen.
LUKÁŠ: Macht auf jeden Fall sehr viel her und genau diese Größe wird verwendet, weil die ist natürlich schon deutlich größer als wie im alten Gästebuch, das wir vorher betrachtet haben.
RUSSEK: Genau, weil wir wollten eben nicht nur etwas fortführen. Man soll ja im Leben auch den Anspruch haben, dass man vielleicht etwas noch ein bisschen optimieren kann oder auch ein bisschen zeitgemäßer noch machen kann. Und da haben wir eben gedacht, das Buch ist doch, wie Sie gesehen haben, sehr groß. Und im Moment, finde ich, verschwindet der Adler regelrecht. Und der ist jetzt ein bisschen ein repräsentativer und, wie gesagt, auch der Titel im Buch wird geändert werden, um eben zum Beispiel "der Republik Österreich" hinzuzufügen, damit es noch eigentlich korrekter und vielleicht auch noch ein bisschen würdiger wird.
LUKÁŠ: Für unsere Hörerinnen, wie groß, lieber Herr Fiala, ist denn dieser Adler, den wir jetzt bekommen?
FIALA: Der hat circa 8 mal 9 Zentimeter.
LUKÁŠ: 8 mal 9 Zentimeter? Und der vorige, gell, der ist eher so 2 mal 2 oder so, gell?
RUSSEK: Also man sieht in diesen letzten, was sind das jetzt, 18 Jahren, haben wir beschlossen, darf der Adler wachsen. Er ist jetzt flügge und darf die Flügel ein bisschen mehr ausbreiten.
LUKÁŠ: Sehr gut. Nein, der ist wirklich schön. Aber kommt auch in das Innere des Buchs und nicht draußen auf den Ledereinband? Oder wird darüber auch nachgedacht, diesen Ledereinband zu variieren?
RUSSEK: Angedacht wäre es einerseits innen, aber dann vielleicht außen auch aufs Leder, das Klischee zu verwenden. Also wir werden, wie gesagt, das noch auch mit der Druckerei noch final abklären, wie das mit dem Leder und so alles funktioniert. Und dann aber auch im Haus werden wir jetzt dann Optionen vorlegen, wenn wir dann alle Parameter abgeklärt haben. Und dann werden wir eben eine Empfehlung abgeben, aber auch sagen, was andere Optionen wären. Weil wir wollen ja auch nicht vor vollendete Tatsachen stellen, weil das Buch muss ja nicht nur uns gefallen.
LUKÁŠ: Und muss die Tradition, die begonnene Tradition des Ziegenleders, weitergeführt werden? Oder kann es auch ein anderes Leder sein?
RUSSEK: Also theoretisch kann es ein anderes Leder sein, wird es vielleicht sogar. Ursprünglich war die Überlegung, weil das Ziegenleder so besonders langlebig ist und auch dankbar in der Verarbeitung.
FIALA: Weil es relativ dünn ist. Also die Buchbinderin tut sich damit leichter, weil es ein bisschen dünner ist. Und weil man, da ein anderes Buch, anhand dessen kann ich es vielleicht erklären: Das Leder, wenn ein Buch, eine Buchdecke mit Leder überzogen wird, muss es hier an den Kanten, wo es umgeschlagen wird und der Bereich, wo es innen verklebt wird – die Buchbinder sprechen vom Schärfen, wo immer das auch historisch herkommt, weiß ich nicht –, aber es wird einfach dünner gemacht. Es wird mit einem bestimmten Werkzeug auf der Innenseite Material abgenommen. Also ähnlich wie mit einem Hobel vom Holzspan runtergehobelt wird, passiert das da beim Leder auch beim Schärfen, damit man es verkleben kann. Und das Ziegenleder ist flexibler, langlebig, es ist mechanisch beanspruchbar, und jetzt sind wir aber in der Situation, wo aufgrund der Verfügbarkeit der Größe – das Buch ist relativ groß, das Gästebuch – haben wir festgestellt bei den Lieferantenbesuchen, dass wir an unsere Grenzen stoßen, was das Format der Ziege betrifft. Das heißt, anscheinend werden die Ziegen nicht mehr so groß wie vor 20, 30 Jahren.
RUSSEK: Das Aktuelle sind sogenannte, habe ich gelernt, Oasenziegen. Und irgendwann habe ich gehört, früher gab es einmal größere, dickere Ziegen. Das Buch soll eigentlich so von der Größe gleich bleiben, aber wir finden nur kleine Ziegenleder heute.
LUKÁŠ: Wirklich? In Österreich?
RUSSEK: Offensichtlich durchleben die Ziegen auch irgendwie einen Fitnesstrend, der sich bemerkbar macht.
LUKÁŠ: Oh Mann, oh nein.
FIALA: Anscheinend werden die kleiner.
RUSSEK: Da darf ich vielleicht auch noch anmerken, wir haben auch die Optionen überlegt, wäre veganes Leder eine Option, aber aufgrund der nicht gegebenen Langlebigkeit war dann ehrlicherweise auch diese Überlegung recht schnell verworfen, weil die Langlebigkeit ist uns schon auch wichtig. Dass das für lange Jahre auch repräsentativ ausschaut und es nicht ein bisschen, sag ich mal, abgegriffen wirkt. Und beim hochwertigen Leder ist das eben der Fall.
LUKÁŠ: Jetzt, wenn ich das richtig verstanden habe: Die Lederauswahl läuft. Die Papierauswahl läuft. Und es gibt noch nichts, worüber ich streichen kann und sagen kann, dieses Papier wäre doch wunderbar, oder? Oder gibt's das schon?
FIALA: Ich könnte die Richtung…
RUSSEK: Ich hab die Lederproben.
LUKÁŠ: Ah, wirklich? Oh, es gibt beides sogar? Na, bitte. Oh, hier kommt das Leder. Die Frau Russek bringt das Leder. Ah. Weinrotes und dunkelblaues Leder. Das würde ganz gut zu dem Samtkoffer passen tatsächlich, gell?
RUSSEK: In der Tat, wobei aktuell, wie Sie gesehen haben, der Koffer hat auch schon einiges erlebt und hinter sich.
LUKÁŠ: Auch der Koffer wird ausgetauscht?
RUSSEK: Ja, wir werden auch die Option präsentieren, dass es auch einen Koffer gibt, vielleicht im gleichen Leder sogar. Damit es dann richtig schön stimmig ist. Wenn wir große Ziegen finden, oder? Ja, ich muss sagen, das Rot, kann man vielleicht sagen, schaut, finde ich, sehr aus wie der österreichische Reisepass, das Rot.
LUKÁŠ: Sehr. Extrem österreichisches Reisepassrot, tatsächlich.
RUSSEK: Und das Dunkelblaue entspricht im Moment unserem aktuellen CD, dem Corporate Identity Design, das sich aber natürlich auch in den nächsten Jahrzehnten ändern kann, und dieses Buch, bin ich mir sicher, es wird einige Jahrzehnte bestehen.
LUKÁŠ: Was ist denn Ihr persönlicher Favorit?
RUSSEK: Das Blau.
LUKÁŠ: Das Blaue, gell? Ich find auch das Blaue sehr schön, muss ich sagen.
RUSSEK: Das ist die Option, die wir dann einmal... Also wir werden ja einen Vorschlag machen, wie es ausschauen könnte. Und das wird sicher die sein. Und dann werden wir die Alternative anbieten. Weil natürlich soll die Hierarchie auch eine Auswahl haben.
LUKÁŠ: Natürlich.
RUSSEK: Und schön weich ist es, kann ich auch sagen.
LUKÁŠ: Und auch eine Papierauswahl. Der Herr Fiala steht jetzt schon da mit der Papierauswahl.
FIALA: Wir hatten ursprünglich um die zwölf Kandidaten circa. Da muss ich dazu sagen, das sind alles sehr gute Ausstattungspapiere oder Büttenpapiere. Und da hat sich beim Testen durch den Kalligraphen herausgestellt, die sind ungeeignet, weil eben entweder nicht tintenfest oder beim Radieren beeinträchtigt man die Oberfläche derart, dass es dann einfach aus ästhetischen Gründen nicht mehr brauchbar ist. Und das sind jetzt die zwei Kandidaten, die in die engere Auswahl gekommen sind, aus diesem ganzen Auswahlverfahren hier. Die sind, wenn man's gegens Licht hält, von der Struktur ähnlich. Also das ist so eine Siebdruckprägung, nennt man das.
LUKÁŠ: Mit so länglichen Lichtstreifen.
FIALA: Genau, es sieht ähnlich aus wie ein Wasserzeichen, ist aber kein richtiges Wasserzeichen. Aber das sind eben Papiere, die jetzt in Frage kommen und die der Parlamentsdirektion auch gefallen von der Weiße des Papiers, weil man kein hochweißes Papier haben möchte. Das hat so einen leichten Eierschalen-, Naturfarben-Touch.
RUSSEK: Genau, wir haben einfach gefunden, es sieht etwas wertiger und würdiger aus, wenn es einen leichten Cremestich hat. Das Weiß ist halt so ein bisschen das Alltagspapier, wo wir alle beherzt im Büro auch mal was drucken.
LUKÁŠ: Ja, also so Eierschalenfarben, das kommt immer sehr elegant daher, auf jeden Fall, das stimmt. Es fühlt sich sehr angenehm und auch sehr glatt an für so handgeschöpftes Papier. Tatsächlich finde ich dieses Papier schöner. Ich finde auch, dass da die Längsstreifen nicht so stark durchscheinen. Und das kommt mir eleganter und edler vor. Aber es ist wirklich eine sehr persönliche...
RUSSEK: Ja, das ist aber im Moment fast auch unser Favorit.
LUKÁŠ: Ah ja? Na schau! Alles im Einklang.
RUSSEK: Also das freut mich jetzt sehr, da fühl ich mich ein bisschen bestätigt, dass wir vielleicht auf dem richtigen Weg unterwegs sind.
LUKÁŠ: Na, wundervoll. Vielen Dank. Was vielleicht das Letzte ist, was wir dann noch besprechen können, jetzt wo Leder und Papier für gut befunden wurden, ist, wie geht denn das mit der Bindung, wie funktioniert denn das?
FIALA: Das Buch hat eine bestimmte Seitenanzahl. Wissend, dass man die freie Hand hat seitens der Parlamentsdirektion, dass man nicht sklavisch genau diese Seitenanzahl einhalten muss. Aber trotzdem, technisch funktioniert es so, dass immer eine bestimmte Anzahl von Bögen – das Format der Einzelseite, in dem Fall hat es 24,5 zu 42 Zentimetern, die Einzelseite. Das heißt, ich brauche immer das doppelte Format offen. Dann werden sechs, sieben, acht dieser Bögen zusammengetragen. Die werden an der Rückseite vernäht und zusammengefaltet. Und in dem Fall muss es dann schon im endgültigen Format sein, weil das Buch einen Büttenrand bekommt. Das heißt, die Papierkante ist nicht beschnitten mit einem Messer, mit einem Planschneider, sondern die ist gerissen.
LUKÁŠ: Gerissen?
FIALA: Gerissen, ja. Also da gibt's eine eigene Technik dafür. Da gibt's zwei unterschiedliche Vorrichtungen dazu. Das ist wie ein Lineal mit einer Klemmleiste, so kann man sich das vorstellen. Das Papier wird mit einem Schwamm nass gemacht und dann reißt man es ab. Und dann entsteht dieser Büttenrand. Und diese sechs oder acht Bögen werden in gerissener Weise im offenen Format einmal umgefaltet, vernäht und dann werden die außen… Man sieht es jetzt da leider nicht.
LUKÁŠ: Gibt es vielleicht irgendwo ein Buch, das dem ähnlich genäht ist?
FIALA: Ich hab eins verzweifelt gesucht, aber ich finde kein offenes gerade. Die haben alle schon den Schrenz drauf. Leider Gottes sieht man das nicht. Die kriegen dann zusätzlich zu der Vernähung, wird Kartonpapier, also starkes Papier draufgeklebt. Und dann kommt dieser Kartonschrenz drüber und die Gase. Alle diese Lagen, also wo ich gesagt habe, diese acht Seiten oder zehn Seiten in einer Lage, werden die entsprechende Anzahl von Lagen, um dann die Seitenanzahl des Buches erreichen zu können, miteinander verheiratet.
RUSSEK: Da kommt die Bindung ins Spiel.
FIALA: Deswegen wahrscheinlich Buchbinder.
RUSSEK: Also quasi Matchmaker in Wirklichkeit der Seiten.
FIALA: Die werden verklebt. Dann kommt ein dünner Kartonstreifen und dann kommt das, was man hier sieht, die sogenannte Gaze, drüber. Das ist so was, wie das die Trockenbauer verwenden bei den Rigipsplatten, wenn ein Stoß ist, um den Stoß stabilisieren zu können. Genauso, also das hat eine sehr feine Gitterstruktur. Und das ganze Ding wird dann in die Buchdecke eingeklebt. Und dann, wenn es in die Buchdecke final eingeklebt ist, da muss man zuerst die Buchdecke natürlich mit dem Leder überziehen. Dann wird der Goldadler draußen drauf geprägt. Und dann kommen die ganzen Lagen, die fertig vorbereiteten und verklebten, kommen in die Buchdecke rein. Und das wird dann gepresst. Zwei, drei, vier Tage.
LUKÁŠ: Gibt's irgendein Buch in dieser Werkstatt, das ähnlich gebunden ist, wie es dann das Gästebuch sein wird, lieber Herr Fiala?
FIALA: Ja, wir hätten ein Beispiel da. Das ist das Arrestantenbuch.
LUKÁŠ: Was ist ein Arrestantenbuch?
FIALA: Die Bezirkspolizeikommissariate, die müssen, wenn jemand arrestiert wird und festgehalten wird, müssen die die Personalien aufnehmen. Und dazu gibt's diese Bücher oder gab's in Vergangenheit, ob das aktuell jetzt noch aufgelegt wird, weiß ich nicht.
LUKÁŠ: Ah, festgenommene Person überstellt von, Anlass, Endverfügung. Wow!
FIALA: Das Arrestantenbuch ist von der Idee her, was die Bindung betrifft, ist es eigentlich genauso gefertigt, wie dann das Buch der Parlamentsdirektion gefertigt wird. Das heißt, man sieht hier die einzelnen Lagen, die, so wie ich zuvor versucht habe zu erklären –Trockenbeispiel –, die da hinten dann vernäht werden und verklebt mit dem Schrenzrücken, dann kommt das Kapitelband und dann wird es in die Buchdecke eingeklebt. Also von der Idee her ist es die gleiche Verarbeitung wie das Gästebuch der Parlamentsdirektion.
LUKÁŠ: Und ich glaube die letzte Frage, die wir haben, ist, wie kommt der positive Druck des Adlers letztlich auf das Buch, weil es schaut ja alles sehr golden aus. Wird da echtes Gold verwendet?
FIALA: Da ist sicher Gold drinnen in der Folie. Es gibt diese Heißprägefolien in unterschiedlichen Beschaffenheiten und Farbnuancen, sowohl Gold, Silber, Kupfer, schlag mich tot. Und die Kunst dabei ist, bei so einem großen Prägeklischee: Die Übertragung des Druckbildes, das ist ja wie im Buchdruck. Das heißt, alle druckenden Teile sind über den Druckstock erhaben. Das ist eigentlich Guttenberg, nur halt aus Messing. Und es ist dann in der Vorrichtung, in diesen Prägeapparaten, eine Platte, auf die das Prägeklischee aufgespannt wird, und diese Platte ist beheizbar. Und es muss eine bestimmte Temperatur herrschen und ein bestimmter Druck. Und das ist natürlich aufgrund der Größe dieses Klischees tricky, weil man die Maschine haben muss, die das erhitzen kann. Und dann muss man testen, wie viel Druck und wie viel Temperatur. Das sind zwei Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen. Und wenn man nur eine Buchdecke hat, hat man auch nur einen Versuch. Aber deswegen braucht man auch ein bisschen mehr Leder als das Eigentliche, weil man muss Kartondeckel, die ungefähr ein bisschen größer als A4 sind, wo man vier-, fünf-, sechsmal dieses Klischee drauf prägen kann, muss man zusätzlich anfertigen. Damit, wenn es dann zur Prägung kommt auf der endgültigen Buchdecke, damit man im Vorfeld testen kann, Drucktemperatur, so lang, bis es passt. Dass man dann, wenn man eine Buchdecke prägt, die richtig prägt im Idealfall.
LUKÁŠ: Sie haben den ja extra geholt für uns. Wo wird denn der normalerweise aufbewahrt?
FIALA: Der ist in der Druckerei des Innenministeriums. Also korrekterweise heißt es Digital Print Center. Im Innenministerium.
LUKÁŠ: Hat er da so einen kleinen Tresor, Wohnzimmer?
FIALA: Nein, das ist ähnlich wie bei mir. Der ist im Schrank, da sind die Klischees versperrt.
LUKÁŠ: Ach so, okay.
FIALA: Und man muss auch tatsächlich dann unterschreiben, dass man den geholt hat.
LUKÁŠ: Ja genau, weil den haben ja nicht so viele, oder? Das ist ja was Besonderes, dass der da ist.
FIALA: Meines Wissens nach gibt's in der Größe in der Republik den einen. Es sei denn, die Heeresdruckerei hat einen, aber das entzieht sich meiner Kenntnis.
LUKÁŠ: Dann würde ich sagen, kommen wir langsam zum Ende. Und wie lange wird denn das noch dauern, bis dieses neue Gästebuch fertig ist, Frau Russek? Was ist da für ein Zeitrahmen anvisiert?
RUSSEK: Natürlich so rasch wie möglich. Wir sind jetzt langsam auf der Zielgeraden, dass wir eben ein konkretes Konzept vorlegen können. Dann ist es natürlich ein bisschen davon abhängig, wie schnell die Entscheidung getroffen wird. Und dann die technische Dauer der Ausarbeitung, da würde ich dann gerne an den Kollegen übergeben. Da möchte ich nicht vorgreifen.
FIALA: Also von Auftragserteilung an wären es, ich sag mal, ungefähr acht Wochen. Kann auch sein, dass es ein bisschen schneller ist. Aber die acht Wochen, da sind wir auf der sicheren Seite. Weil es macht bei so einem Produkt keinen Sinn, wenn man...
LUKÁŠ: Hudelt.
FIALA: Genau. Das muss ordentlich sein. Soll und muss ordentlich sein.
LUKÁŠ: Und gibt's dann schon eine erste Idee, wer vielleicht so die ersten Gäste sein können? Hat sich schon was angekündigt, ihr werdet ja einen Terminplan haben, der sich wahrscheinlich weit in den Herbst erstreckt?
RUSSEK: Also tatsächlich steht das noch in den Sternen, weil Besucher sich zum Teil auch sehr kurzfristig ankündigen. Und ich glaube, in der bisherigen Tradition werden wir natürlich darauf achten, dass es wirklich ein ganz besonderer Gast sein wird. Allerdings kann ich das noch nicht voraussagen, ehrlicherweise.
LUKÁŠ: Super, dann vielen Dank für die tiefen Einblicke tatsächlich in die Erstellung des neuen Gästebuchs des Parlaments. Danke, Herr Fiala.
FIALA: Bitte, sehr gerne.
LUKÁŠ: Danke, Frau Russek, dass Sie uns den ganzen Weg begleitet haben und auch schon davor dabei waren.
RUSSEK: Sehr gerne.
LUKÁŠ: Super, vielen Dank. Herrlich, das war's auch schon wieder mit dieser Folge von "Rund ums Parlament". Ich hoffe, es hat euch so viel Spaß gemacht auf dieser Entdeckungsreise wie mir. Wenn ja, dann abonniert uns gern und gebt uns eine Bewertung, das würde uns sehr freuen. Und damit beenden wir unseren Blick hinter die Kulissen des Parlamentsbetriebs – vorerst. Denn ab der nächsten Episode widmen wir uns einem neuen Thema. In diesem Jahr nämlich feiert die Republik Österreich gleich drei runde Jubiläen. Drei Daten, die für die Geschichte Österreichs von sehr großer Bedeutung sind. Und damit natürlich auch für das Parlament. Mit denen wollen wir uns beschäftigen. Konkret geht es um das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren, um die Unterzeichnung des Staatsvertrags vor 70 Jahren und um den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahr 1995, also vor 30 Jahren. Dazu haben wir uns spannende Expertinnen und Experten eingeladen. Aber nicht nur. Wir werden nämlich zu diesen Themen auch mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, weil wir wissen wollen, wie diese Ereignisse von damals auf uns heute nachwirken. Auch wenn wir damals gar nicht selbst dabei gewesen sind. Falls ihr Kritik, Fragen oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut auch gerne mal auf der Website und den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne sage ich vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.