Hanna PROKSCH: Also für uns ist es halt sehr selbstverständlich, ein EU-Bürger zu sein und nicht nur österreichischer Staatsbürger.
Antonia KRUPOP: Eigentlich die meisten realisieren, was für Möglichkeiten uns das bietet. Und dass es eben nicht einfach nur irgendwie Regelungen sind und irgendwelche Sachen, die wir befolgen müssen, sondern uns eben auch Rechte gibt.
Paul SCHMIDT: Und das ist für mich das wirklich Faszinierende, nämlich diese Vielfalt, diese Unterschiede, die aber doch auch viel Gemeinsames haben. Und dieses Gemeinsame stellt diese europäische Integration in den Vordergrund und probiert, den Mehrwert der Vielfalt zu einer Stärke zu übersetzen. Und das ist das Schöne und gleichzeitig das Komplexe und Schwierige.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.
Tatjana LUKÁŠ: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Rund ums Parlament", dem Podcast des österreichischen Parlaments. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Schön, dass ihr wieder mit dabei seid bei dieser letzten Folge zum Thema 80 – 70 – 30. 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und 70 Jahre Staatsvertrag haben wir ja bereits besprochen. In dieser Folge schauen wir uns zum Abschluss den EU-Beitritt Österreichs vor 30 Jahren an. Und das wieder mit einem Experten und zwei Schülerinnen. Denn schließlich wollen wir wissen: Was hat das alles eigentlich mit uns heute zu tun? Bei mir heute ist zum einen Paul Schmidt. Herzlich willkommen.
SCHMIDT: Danke für die Einladung.
LUKÁŠ: Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Sie waren schon einmal bei uns, nämlich bei der Folge zur EU-Wahl. Schön, dass Sie ein zweites Mal da sind.
SCHMIDT: Ich freue mich auch.
LUKÁŠ: Und zwei Schülerinnen haben sich ebenfalls vorbereitet und haben es zu uns geschafft. Voll fein. Antonia Krupop und Hanna Proksch. Sagt mal hallo zu unseren Hörerinnen und Hörern und vielleicht auch gleich, wo ihr in die Schule geht.
KRUPOP: Hallo, also wir sind vom Kollegium Kalksburg aus dem 23. Bezirk und wir sind 17 und 16 Jahre alt.
LUKÁŠ: Fein, schön, dass ihr da seid. Ich werde euch duzen, wenn das okay ist. Das fühlt sich für mich natürlicher an. Herr Schmidt, wollen Sie auch in unseren Duz-Reigen einsteigen?
SCHMIDT: Na, unbedingt.
LUKÁŠ: Dann duzen wir uns in dieser Folge alle.
SCHMIDT: Ich bin total dabei.
LUKÁŠ: Jung geblieben wie wir sind. Super, fein. Dann würde ich mit den Schülerinnen anfangen. Wer von euch ist denn jetzt eigentlich die Antonia und wer ist die Hanna?
KRUPOP: Also ich bin die Antonia.
PROKSCH: Ich bin die Hanna.
LUKÁŠ: Fein, dann haben wir die Stimmen zugeordnet, damit wir das in Zukunft dann wissen. Ihr wart ja schon einmal in der Demokratiewerkstatt, die hier im Parlament regelmäßig veranstaltet wird, wo Schülerinnen und Schüler kommen. Und ihr habt auch zum Thema EU-Beitritt gearbeitet und euch damit auseinandergesetzt. Wie war denn das genau und welche Stargäste haben euch erwartet bei eurer Session?
KRUPOP: Ja genau, wir durften zwei Experten, also zwei, die auch tatsächlich anwesend waren bei den Verhandlungen, interviewen und danach auch direkt eine Zeitung darüber schreiben.
PROKSCH: Also wir haben uns da erstmals in Gruppen eingeteilt und die haben dann verschiedene Themen behandelt und auch zu den Themen Fragen an die zwei Experten gestellt.
LUKÁŠ: Und wer war da?
PROKSCH: Also es waren Brigitte Ederer und Harald Dossi da. Und unsere Klasse konnte dann mit denen reden im Interview.
LUKÁŠ: Würdet ihr vielleicht für alle, die jetzt nicht so in der Politik drin sind, kurz auflösen: Wer ist denn diese Brigitte Ederer und wie schaut die aus?
KRUPOP: Natürlich hübsch. Und das war die Staatssekretärin zu der Zeit, als Österreich der EU beigetreten ist. Genau, und der Harald Dossi ist dann von der Beamtenseite.
LUKÁŠ: Parlamentsdirektor. Harald Dossi, genau. Der war damals im Bundeskanzleramt für die innerstaatliche Koordinierung der Beitrittsverhandlungen zuständig und deswegen war er dann als Experte bei euch. Das ist ja ganz sicherlich sehr spannend, genau mit den Menschen zu reden, die damals wirklich aktiv dabei waren. Haben die irgendeine Anekdote zum Besten gegeben, die euch in Erinnerung geblieben ist?
PROKSCH: Also für mich besonders in Erinnerung geblieben ist vom Dr. Harald Dossi, wie er erzählt hat, wie intensiv diese Verhandlungen für ihn waren und dass man das dann auch nach einigen Tagen schon gerochen hat an den Leuten. Und von der Mag. Brigitte Ederer, wie euphorisch sie sich gefühlt hat nach den Verhandlungen.
KRUPOP: Ja, sie hat sogar gesagt, dass sie sich fühlt, als würde sie einen Meter über dem Boden schweben.
LUKÁŠ: Ah, wo es dann endlich geschafft und getan war. Ja, interessant. Und wenn ihr das so hört und ihr seid ja in diesem Umfeld aufgewachsen, für euch ist es ja ganz normal, dass Österreich bei der EU dabei ist – wie fühlt sich das für euch an, in der EU zu leben? Oder hat das irgendeine Bedeutung über das Normal hinaus?
PROKSCH: Also für uns ist es halt sehr selbstverständlich, ein EU-Bürger zu sein und nicht nur österreichischer Staatsbürger, sondern auch diese europäische Staatsbürgerschaft auf rechtlicher Ebene auch zu haben. Also nicht nur die österreichischen Rechte, sondern noch mehr. Und diese Sicherheit, eine allgemeine Sicherheit, auch für unsere Demokratie und für unsere Freiheiten. Also denke ich, dass es für mich einfach nicht mehr wegzudenken ist.
KRUPOP: Ja, und wir fühlen uns auch irgendwie, würde ich sagen, verbunden mit den anderen EU-Staaten, auch kulturell. Und wir finden es eben schön, dass man mit den Unterschieden sich irgendwie vereinen kann.
LUKÁŠ: Und bevor ich jetzt dann zum Herrn Schmidt komme, damit er da auch was zu sagen hat hier. Du, Entschuldigung, Paul.
SCHMIDT: Du, Herr Schmidt.
LUKÁŠ: Du, Herr Schmidt. So machen wir es. Dann würde mich noch interessieren, wenn ihr jetzt einen Menschen von einem anderen Kontinent treffen würdet, die jetzt von Europa und der EU so gar keine Ahnung haben, dann würde es ja so ein bisschen abstrakt klingen – die österreichischen Rechte und die EU-Rechte und so. An welchen konkreten Beispielen würdet ihr das festmachen, damit der Jugendliche vom anderen Kontinent das wirklich versteht?
PROKSCH: Also definitiv mal an den EU-Freiheiten. Dieses Reisen, Reisen ohne irgendwelche Beschwerden und irgendwelche Komplikationen. Dann auch arbeiten, wo man will in der EU und Dienstleistungen machen in der EU. Also das ist für uns ein sehr großer Teil, besonders in unserem Alter, auch etwas sehr Tolles.
KRUPOP: Ja, und auch diese gemeinsamen Ziele und Werte eben mit den Menschenrechten und dass jede Person gleich viel wert ist.
LUKÁŠ: Lieber Herr Schmidt, was sagst denn du dazu?
SCHMIDT: Ja, ich habe mir vorher gedacht, ich war am 12. Juni 1994, wie diese Volksabstimmung war, so alt wie ihr jetzt seid. Und dann mit 1. Jänner 1995 sind wir ja beigetreten, also vor 30 Jahren. Und ich habe das damals natürlich nicht wirklich mitbekommen, welche Tragweite diese Entscheidung hat. Aber genau wie ihr jetzt gesagt habt, hat das ganz viele Türen geöffnet und Chancen ermöglicht, einfach seinen Horizont zu erweitern. Ich war dann während des Studiums zwei Jahre in Spanien. Ich war über Erasmus in Spanien. Habe im zweiten Jahr dann ein bilaterales Stipendium gehabt, habe dann dort meine Frau kennengelernt, habe zwei Töchter, die jetzt in eurem Alter sind, zwei Spanierinnen und Österreicherinnen gleichzeitig. Und die kommen natürlich auch ganz direkt in ihrem Alltag in den Genuss dieses gemeinsamen zusammenwachsenden Europas. Und die sind durch ihre doppelten Staatsbürgerschaften jetzt vor die Frage gestellt, wo wähle ich eigentlich? Wo habe ich meinen Lebensmittelpunkt, inwieweit fokussiere ich mich auf das, was in Spanien passiert oder das, was in Österreich passiert? Und wenn ich nach Hause komme, also meine Frau ist mit mir seit über 20 Jahren in Österreich, aber wenn ich die Wohnungstür aufmache, bin ich quasi in Spanien, weil das einfach kulturell, kulinarisch ganz anders ist. Das Radio, das Fernsehen läuft die ganze Zeit. Ich höre die ganze Zeit irgendwelche spanischen Nachrichten und denke mir, ich bin da irgendwie zwischen den Welten. Und das ist für mich das wirklich Faszinierende, nämlich das, was ihr vorhin gesagt habt: diese Vielfalt, diese Unterschiede, die aber doch auch viel Gemeinsames haben. Und dieses Gemeinsame stellt diese europäische Integration in den Vordergrund und probiert, den Mehrwert der Vielfalt zu einer Stärke zu übersetzen. Und das ist das Schöne und gleichzeitig das Komplexe und Schwierige. Und das ist es auch, warum ich eigentlich in dem Bereich arbeite. Weil es immer anders ist, weil es so vielschichtig ist und weil es wirklich faszinierend, inspirierend und ganz spannend ist.
LUKÁŠ: Und hast du die Erfahrung, dass alle Jugendlichen oder dass viele Jugendlichen so informiert sind wie die zwei Schülerinnen, die heute bei uns sitzen über diese Rechte und diese Möglichkeiten? Gibt es da ein Bewusstsein durch diese Altersschicht?
SCHMIDT: Naja, das ist eine ganz wichtige Frage, glaube ich. Also das ist natürlich sehr komplex. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, Rechte, Verpflichtungen, die durch diese europäische Integration entstehen. Wenn man sich nicht wirklich damit beschäftigt, dann weiß man nicht viel darüber. Deswegen hat auch die Schule eine ganz wichtige Funktion in diesem Bereich. Und was man auch nicht weiß, ist, dass uns diese europäische Zusammenarbeit eigentlich im Alltag die ganze Zeit begegnet. Also ihr habt vorher das Reisen angesprochen, das grenzenlose Reisen, aber auch wenn ich mit der gleichen Währung zahle, wenn ich zum Arzt muss, wenn ich ein Strafmandat zahlen muss, wenn mein Flug nicht kommt und ich bestimmte Konsumentenrechte habe, Passagierrechte, die dann geltend werden, egal ob ich jetzt in Madrid bin, in Wien bin oder in Brüssel bin oder sonst wo bin. Wenn es um Konsumentenschutz geht, wenn es um Lebensmittelsicherheit geht, also ganz viele Sachen. Es gibt zum Beispiel dieses europäische Bio-Siegel, wenn ihr genau schaut im Supermarkt, das ist bei vielen Bio-Produkten drauf. Also wenn man sich nicht damit beschäftigt, dann weiß man es nicht wirklich, obwohl Europa unseren Alltag ganz direkt beeinflusst. Aber es gibt, glaube ich, ein Bauchgefühl. Das alles ist natürlich kompliziert und man versteht es nicht wirklich, aber es ist, glaube ich, vielen Jungen schon klar, dass es da viele Chancen gibt, viel Potenzial gibt. Und dass es bei allen Problemen, die es gibt, besser ist, man ist gemeinsam in einer Gruppe, in einer Gemeinschaft – so, wie in der Klasse oder in der Familie, so ähnlich ist es in Europa mit den 27 Ländern: Besser ist, man ist gemeinsam, man unterstützt sich gegenseitig, weil so kommt man leichter durch schwierige Zeiten, als man ist ganz allein. Und diese positive Emotion, die fehlt oft ein bisschen. Warum? Weil, ihr habt es vorher gesagt, vieles einfach total selbstverständlich ist, weil man vielleicht die Situation vorher nicht gekannt hat, wie es das alles nicht gegeben hat. Und dazu kommt natürlich, dass dieses Europa, diese Europäische Union, so abstrakt ist, dass sie auch ganz gern im politischen Alltag als Sündenbock verwendet wird. Also aus Arlberger Sicht, aus Bregenzer Sicht ist möglicherweise Wien an allem schuld und die Bundesregierung immer schuld. Und dann auf österreichischer Ebene gibt es dann die nächste Ebene, die europäische Ebene, da ist dann die EU an allem schuld. Das blöde Defizitverfahren, wie kommen wir dazu, dass jetzt sowas passiert? Dabei muss man wahrscheinlich schauen, dass man selber sein Haus in Ordnung bringt. Aber je öfter quasi die Europäische Union zu einem Sündenbock gemacht wird, desto schlechter natürlich die öffentliche Meinung, das Meinungsbild, das Image der Europäischen Union. Aber man darf sich nicht alles schlecht machen lassen. Ich glaube, die Europäische Union ist besser, als wir oft glauben.
LUKÁŠ: Das glaube ich auch. Für alle, die vielleicht unsere letzten beiden Folgen zu diesem Schwerpunkt nicht gehört haben, erkläre ich nochmal ganz kurz, wie wir durch diese Schüler:innen-Folgen kommen. Nämlich wir haben Schwerpunkte und ihr habt ja, fleißig wie ihr seid, schon vorab euch Fragen überlegt zu diesen Schwerpunkten. Und der Paul wird uns Erklärungen und Antworten dazu liefern.
SCHMIDT: Ich würde es probieren.
LUKÁŠ: Wird es probieren, Antworten zu liefern. So gut es halt geht. Man kann alles nicht zu 100 Prozent beantworten. Wir sind in Entwicklung. Der erste Themenschwerpunkt, den wir jetzt gemeinsam aufmachen – und es ist mir ganz wichtig, dass eure Stimmen gehört werden, also nehmt euch den Raum, den ihr braucht: Welche Schritte musste Österreich bei der Aufnahme beschreiten? Und vielleicht, bevor wir jetzt anfangen, es war ja Mitte der 90er einiges zu tun, vielleicht, lieber Paul, könntest du uns zu Beginn mal kurz skizzieren, was für eine Situation hatten wir 1995 und dann gern, Antonia und Hanna, steigt ihr mit euren Fragen ein und löchert ihn ein bisschen.
SCHMIDT: Na, ich bin schon gespannt. Naja, 1995 und die Jahre davor war eine große Aufbruchstimmung, historisch, politisch. Also ihr müsst euch vergegenwärtigen, 1989, Fall des Eisernen Vorhangs, Zusammenbruch der Sowjetunion, dann wenige Monate später der Fall der Berliner Mauer. Das heißt, da hat es einen wirklich starken weltpolitischen Umbruch gegeben und in dieser Situation eine Aufbruchsstimmung quasi. Damals gab es zwölf Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, heute sind es 27. Damals gab es zwölf. Und in dieser Situation gab es jetzt neue Länder, drei neue Länder, anfangs waren es vier – also Schweden, Finnland und Österreich, Norwegen war auch dabei. Norwegen hat fertig verhandelt und dann gab es eine Volksabstimmung, wo die Bevölkerung dagegen gestimmt hat. Aber von zwölf auf 15 ist es dann gegangen. Und in dieser Aufbruchsstimmung ist die europäische Integration einfach schnell, dynamisch weitergewachsen und hat sich vertieft. Es war der Startschuss für die gemeinsame Währung, für den Euro. Das war der berühmte Vertrag von Maastricht Ende 1992. Es war der Beginn des gemeinsamen Markts, des Binnenmarkts. Und die vier Grundfreiheiten, die du vorher genannt hast, die sind da gestartet worden und man kam langsam in den Genuss auch des grenzenlosen Reisens mit dem Aufbau des Schengen-Raums. Das waren die großen Schritte. Und man hat schon geplant, also eigentlich Anfang der 90er war schon klar, dass ungefähr Mitte der 90er, also 95, diese Dreierweiterung stattfinden wird, von vier auf drei. Weil, ich meine, das waren drei sehr westlich orientierte, sehr weit entwickelte, reiche Volkswirtschaften. Das war kein Problem. Aber man hat damals schon vorgebaut auch in Richtung der großen Erweiterung. Also Staaten, die dann 2004 und 2007 gekommen sind. Also das ist alles passiert und wir sind 1995 genau bei dieser Aufbruchsstimmung in die Europäische Union damals eingetreten.
LUKÁŠ: Also, wir sind Mitte der 90er. Fashionmäßig, wisst ihr, wo wir daheim sind. Wir haben diese Phase bereits wieder erlebt.
SCHMIDT: Genau, das wiederholt sich ja immer, oder?
LUKÁŠ: Das wiederholt sich immer, die war schon, wir sind wieder frühe 2000er.
SCHMIDT: Also nie den Kleiderkasten ausmisten, weil die Mode kommt immer wieder.
LUKÁŠ: In regelmäßigen Rhythmen kehrt sie wieder. Ihr könnt euch also vorstellen, wie die Leute ausgeschaut haben und jetzt gerne eure Fragen an den Paul, wie sie denn gedacht, gehandelt und was sonst so los war.
KRUPOP: Also erstmal, wie sehr musste denn eigentlich die Verfassung oder die Gesetzgebung geändert werden, um in die EU beizutreten und wie war da auch die Bereitschaft von den Politikern eigentlich dazu?
SCHMIDT: Also ja, es gab eine zwingende Volksabstimmung in Österreich, weil die Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung geändert werden mussten. Das demokratische Prinzip zum Beispiel, also die Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die europäische Ebene. Das rechtsstaatliche Prinzip, also Teile der Normenprüfungskompetenz, des Normenprüfungsmonopols, also das Beschließen von Regeln, wurde auch auf europäische Instanzen übertragen. Und das bundesstaatliche Prinzip musste geändert werden, weil auch die Bundesländer Kompetenzen abgegeben haben auf europäischer Ebene – immer mit einem Mitspracherecht gekoppelt. Aber auch wenn es diese zwingende Volksabstimmung nicht geben hätte müssen, politisch, glaube ich, war es ganz notwendig, dass die Bevölkerung da befragt wird und dass es eine Kampagne gibt, wo informiert und diskutiert wird. Und damals war es so, dass die SPÖ und die ÖVP noch sehr große Parteien waren und beide davon überzeugt waren und ihre Mitglieder und ihre Parteiinstanzen und Strukturen überzeugt haben, dass das der richtige Weg ist. Damals, die Namen sagen euch sicher was, also Franz Vranitzky war hier sehr federführend gemeinsam mit Brigitte Ederer auf der sozialdemokratischen Seite, auf der Seite der Österreichischen Volkspartei waren das vor allem Erhard Busek und Alois Mock. Also das waren die Personen, die Österreich sehr stark geführt haben. Und auf der anderen Seite gab es die Freiheitliche Partei unter Jörg Haider damals und die Grüne Partei, die stark in Opposition waren. Aber auch die österreichischen Sozialpartner und die österreichische Medienlandschaft war sehr positiv und unterstützend. Und ich glaube, es ist viel Überzeugungsarbeit geleistet worden und deswegen war zu Beginn der Verhandlungen die Stimmung, die EU-Stimmung in Österreich alles andere als positiv. Und das wurde durch diesen gemeinsamen Kraftakt gedreht. Letztlich waren es über zwei Drittel der Bevölkerung, die damals für einen EU-Beitritt gestimmt haben, plus es hat eine riesen Wahlbeteiligung gegeben, also über 80 Prozent haben damals daran teilgenommen. Ich habe da damals gerade maturiert und bin da voll in den Genuss gekommen von allen Möglichkeiten, die dieser EU-Beitritt gebracht hat. Ich bin heute noch dankbar darüber.
LUKÁŠ: Ja, und man muss sich da zurückdenken, da gab es ja nur eine traditionelle Medienlandschaft. Wir hatten ja kein Internet, wir hatten ja keine Online-Medien, wir hatten keine Podcasts, alles war damals ja nicht. Wir wurden von traditionellen Medien informiert, oder? Also da war NEWS.
SCHMIDT: ORF.
LUKÁŠ: ORF.
SCHMIDT: Krone.
LUKÁŠ: Krone.
SCHMIDT: Ganz, ganz wichtig, mit einer riesen Reichweite.
LUKÁŠ: Die haben die Meinung da ganz stark mitgetrieben.
SCHMIDT: Und vergesst nicht, damals hat es noch keine Möglichkeit gegeben, ab 16 schon wählen zu können, sondern da war das Wahlalter 18. Erst 2007 ist es auf 16 gesenkt worden, eine Senkung des Wahlalters übrigens, wo Österreich ziemlich europaweiter Vorrenner ist, quasi Vorbildfunktion hat.
LUKÁŠ: Hanna und Antonia, ihr habt ja eben auch mit Brigitte Ederer gesprochen. Was ist euch denn da in Erinnerung geblieben, was aus dieser Phase heraus eine ihrer stärksten Herausforderungen war vielleicht?
PROKSCH: Also es gab natürlich mit dem Land einige Herausforderungen wie der Transitverkehr und auch die Landwirtschaft, dass viele Personen einfach kritisch dem gegenüber waren, wie das dann sein wird in der EU und wie das sich für Österreich auswirken wird. Dann war auch oft das Problem, dass falsche oder Sachen sehr arg ausgedrückt wurden. Wie zum Beispiel das mit der Schokolade, dass irgendwie Flöhe dazu dann in der Schokolade verwendet werden, dass ganz absurde Nachrichten verbreitet wurden.
LUKÁŠ: Das Blut von Flöhen.
PROKSCH: Und dass es eben notwendig war, dass die Politik da wirklich gemeinsam herangegangen ist und das als Einheit behandelt hat.
LUKÁŠ: Und Antonia, kannst du dich an irgendeine Geschichte vom Herrn Dossi erinnern?
KRUPOP: Also ich kann mich daran erinnern, wie intensiv die Verhandlungen für ihn waren und wie viel Kraft er da reingesteckt hat, dass es auch wirklich zustande kommt. Also er meint, er hat tagelang verhandelt, ohne sich irgendwie duschen zu können, richtig schlafen zu können oder irgendwas, um einfach wirklich alles da reinzustecken.
LUKÁŠ: Und das hat der Paul ja vorher erzählt, wie es ihm gegangen ist, wie er mit 18 wählen durfte. Und in dieser Aufbruchsstimmung, das vielleicht auch so ein bisschen gespürt hat, da kommt eine neue Freiheit des Reisens etc. Wie nehmt ihr die Haltung der jungen Menschen der EU gegenüber wahr? Also jetzt gar nicht ihr selbst, sondern vielleicht auch die Menschen, mit denen ihr zu tun habt. In der Schule und sonst wo.
PROKSCH: In meinem Umfeld sind eigentlich alle ziemlich für die EU, auch wenn es einfach sehr selbstverständlich heutzutage wirkt und wir das als normal ansehen, all diese Rechte und Freiheiten nicht mehr wirklich von unserem Alltag zu trennen sind. Aber dafür ist die Jugend definitiv noch für die EU und auch für die Entwicklung mit der EU.
LUKÁŠ: Und nutzt ihr Social Media?
KRUPOP: Ja.
PROKSCH: Ja.
LUKÁŠ: Auf welchen Plattformen seid ihr so?
KRUPOP: Instagram, TikTok, Snapchat.
LUKÁŠ: Und was seht ihr dort von Jugendlichen über die EU?
KRUPOP: Eigentlich auch nur Positives, würde ich sagen.
PROKSCH: Ja?
KRUPOP: Ich finde, eigentlich die meisten realisieren, was für Möglichkeiten es uns bietet. Und dass es eben nicht einfach nur irgendwie Regelungen sind und irgendwelche Sachen, die wir befolgen müssen, sondern uns eben auch Rechte gibt.
PROKSCH: Ja, ich finde, es ist fast nicht genug von der EU in den Sozialen Medien. Weil natürlich lernt man das Ganze in der Schule und kriegt Aufklärung dazu in der Schule, aber dadurch, dass es so komplex ist, lernt man das dann nur ein bisschen objektiv auch. Und allein durch dieses Interview mit Brigitte Ederer und Harald Dossi haben wir schon so einen ganz neuen Eindruck bekommen, wie es damals für die Menschen war.
KRUPOP: Wie es live war.
PROKSCH: Ja, wie die Stimmung war in Österreich. Und so gut kann das gar nicht in der Schule übermittelt werden. Deswegen wäre es vielleicht gut, dass es mehr dazu in den Sozialen Medien geben würde.
LUKÁŠ: Vielleicht so ein Format das sich mit der EU… ein TikTok-EU-Influencer, der Leute trifft?
PROKSCH: Ja.
KRUPOP: Ja.
SCHMIDT: Also würde man heute beitreten nach 30 Jahren und das verhandelt haben und dann in Richtung Referendum gehen, dann müsste man die Kampagne, da müsste man ganz anders kommunizieren und diskutieren.
PROKSCH: Auf jeden Fall aufklärender.
SCHMIDT: Zeitung ist glaube ich bei der Generation – Radio, Fernsehen – kein Thema. Das heißt, wir müssten genau auf Instagram, Snapchat und TikTok unterwegs sein. Und das müssen wir aber trotzdem.
LUKÁŠ: Ich wollte gerade sagen, das ist ja nicht von damals.
SCHMIDT: Also ich glaube, das ist ganz entscheidend und da hat die Politik noch viel zu lernen, glaube ich. Um zu informieren, aber auch um sich dort stärker der Diskussion zu stellen. Ihr seht wahrscheinlich vor allem interessante Sachen über europäische Entwicklungen, weil ihr das ein-, zwei-, dreimal irgendwie gesucht habt und jetzt das so in eurem Algorithmus drinnen habt, dass ihr das immer wieder reingespielt bekommt. Ich bin nicht sicher, ob das der Durchschnitt ist, aber ihr seid halt besonders interessiert an diesen Entwicklungen. Und das Interesse wird gefüttert natürlich von diesen Systemen. Bei anderen, die ganz andere Schwerpunkte haben, die kriegen zum Beispiel nie was zu EU-Themen hineingespielt oder zu europäischen Entwicklungen hineingespielt. Auf der anderen Seite zum Beispiel die ZIB-Kanäle vom ORF, die haben eine wirklich gute Reichweite auch auf den Kanälen.
KRUPOP: Ja, der folg ich auch.
SCHMIDT: Und die bringen natürlich die ganze Zeit zu europäischen Entwicklungen.
PROKSCH: Ja, also ich glaube auch die meisten in unserem Umfeld verfolgen sowas auch aktiver als man vielleicht denken würde, weil es einfach so aktuell ist alles mit der EU. Diese dauernde oder ständige Entwicklung ist einfach immer interessant.
SCHMIDT: Es passieren halt so viele Sachen gleichzeitig, dass das viele auch total überfordert. Also diese Überlappung von Krisen und großen Problemen und Herausforderungen, das macht halt vielen Leuten auch Sorge und Angst. Und da denken sich etliche, da stecke ich lieber den Kopf in den Sand, machen wir die Grenzen zu, ich will davon nichts wissen, was hat das mit mir zu tun. Aber so leicht geht es halt nicht. Also allein, wenn es um die transatlantischen Beziehungen geht zur USA oder die Frage: Krieg oder Frieden? Also die Ukraine ist alles andere als weit weg. Der Gaza-Krieg, der Kampf gegen den Klimawandel, die wirtschaftliche Entwicklung, das sind ja alles Themen, die machen an künstlich gezogenen, nationalen Grenzen nicht halt. Die großen Fragen, die kann man letztlich nur gemeinsam lösen. Aber es darf halt nicht wirklich überfordern. Und man muss halt auch schon das Gefühl der Zuversicht vermitteln und sagen, okay, wir wissen ungefähr, wohin die Reise geht, wir leisten einen Beitrag, dass das wirklich gut funktioniert. Und wenn das nicht gelingt, wenn es vor allem kritisch gebracht wird und kritisch darüber gesprochen wird, naja, dann verunsichert das. Dann ist das sozusagen eine Teufelsspirale, oder? Dann verunsichert das noch mehr und kreiert natürlich einen abstoßenden Effekt. Und genau das wollen wir eigentlich vermeiden, weil wir brauchen Leute wie euch beide, die sich engagieren und aktiv sind und sagen, okay, packen wir es an, wir können diese Sachen lösen, wenn wir zusammenhalten. Und nur so geht es.
LUKÁŠ: Vielleicht kann man da ja was aus der Vergangenheit lernen. Und Paul, die Frage geht eigentlich an dich: Weil es gibt jetzt eben viele Sorgen. Es gibt immer viele Sorgen. Ich kann euch beruhigen, es ist keine Sache eurer Zeit.
SCHMIDT: Das hat es früher auch gegeben.
LUKÁŠ: Wir haben im Tschernobylgras gespielt. Jede Generation hat ihre Sorgen.
SCHMIDT: 86!
LUKÁŠ: Ja, es war toll.
SCHMIDT: 40 Jahre ist nächstes Jahr.
LUKÁŠ: Ja, ja! Auf jeden Fall gab es aber damals eben in einem Teil der Bevölkerung Ablehnung, Skepsis. Aber da ging es vor allem um Identitätsverlust, falsche Regulierungen, also Themen, die nie ganz weggingen. Aber wie ist man denn denen in der damaligen Kampagne, die eben in einer anderen Medienwelt stattgefunden hat, aber nichtsdestotrotz inhaltlich ja wohl gut funktioniert hat, ansonsten hätte es diese hohe Zustimmung nicht gegeben – wie ist man denn diese Themen angegangen? Können wir davon irgendwas vielleicht für heute mitnehmen?
SCHMIDT: Also ich glaube, es ist damals gelungen, gemeinsam Zuversicht zu vermitteln, Optimismus zu vermitteln, ein positives Gefühl, positive Emotionen zu vermitteln. Ich glaube, indem Leute wie Harald Dossi und Brigitte Ederer und ganz viele mehr Land auf Land ab in allen Schulen, auf allen Stammtischen, in Theatern, in Kinos, überall, einfach sich der Diskussion direkt gestellt haben. Und das war total erfolgreich. Nach dem Beitritt ist aber die EU-Stimmung rasant gesunken, weil diese Kraftanstrengung nicht mehr da war. Es war nicht klar, dass man eigentlich weiter kommunizieren muss. Man hat die Kommunikation und diesen Diskurs den Kritikern überlassen. Die, die irgendwie dann positiv gestimmt haben, haben gesagt, okay, also mit europäischen Themen, das ist so kompliziert, da kann ich keinen Blumentopf gewinnen, da kann ich keine Wahl gewinnen, die greife ich lieber nicht an. Bis hin zu Leuten, die gesagt haben, ah ja, wenn die Kritik wirklich funktioniert, dann bin ich auch ein bisschen kritischer. Und die positiven Stimmen hat es immer weniger gegeben und dann hat sich sozusagen so ein negativer Schneeball-Effekt irgendwie aufgetan. Aber ganz konkret, ich glaube, der österreichische Bundespräsident hat das oft gesagt zur Identität, schon vor vielen Jahren und er sagt es immer wieder. Und ich glaube, das ist auch in der Bevölkerung sehr verstanden worden, vor allem nach 30 Jahren: Die Identität wurde niemandem genommen. Es ist ein Sowohl-als-auch. Also ich bin Wiener, genauso wie Österreicher und Europäer. Es gibt genug Platz für viele Identitäten. Meine Töchter sind Spanierinnen und Österreicherinnen und das ist kein Widerspruch und den Platz und den Raum, den gibt es. Man kann einfach viele Identitäten haben. Das ist die eine Seite. Und die zweite Seite, die du gefragt hast, nach Regulierung zum Beispiel, Bürokratie: Auch da, ja, es stimmt. Es gibt ganz viele Regeln, die auf europäischer Ebene gemacht werden und die Wirtschaft stöhnt. Und es sind zu viele Regeln und zu viel Bürokratie und zu viele Formalitäten und so weiter und so fort. Und das stimmt. Das stimmt, weil ja eigentlich das Ziel war, ich schaffe eine europäische Regelung und schaffe eine nationale Regelung ab. Wenn ich jetzt beides aber habe, wird das natürlich immer mehr. Und wir sind in Sachen Bürokratie sicherlich stärker als andere Erdbereiche und das ist alles andere als gut. Auf der anderen Seite wird auch da gerne überschossen, weil Schuld ist immer die Europäische Union. Es gibt das Bürokratie-Monster. Warum ist die Europäische Union ein Monster? Allein schon der Begriff ist absurd. Und was damit suggeriert wird, ist, dass irgendwer da draußen irgendwas entscheidet. Dabei gibt es draußen überhaupt keine Entscheidung, wo nicht Österreich mit am Tisch sitzt. Das heißt, jede bürokratische Maßnahme, jede Regelung, jedes Gesetz – vieles von dem macht Sinn, ist halt schwer umsetzbar oder führt zu Komplikationen und Widerständen, was auch normal ist. Aber alle Entscheidungen wurden mit der Teilnahme Österreichs getroffen. Und ich glaube, das ist ganz entscheidend. Wir können quasi nicht nur in Österreich bestimmen, was Sache ist, sondern wir können auch, wenn wir gescheit sind, engagiert sind, wenn wir kreativ sind, auf europäischer Ebene mitgestalten und mitbestimmen. Und das ist das Entscheidende. Man muss es nur zu Hause dann erklären. Aber man muss dazu stehen und sagen, okay, ich übernehme die Verantwortung, ich war da dabei. Ich erkläre euch das, warum das so entschieden wurde oder warum ich dagegen gestimmt habe. Aber so ist die Demokratie: die Mehrheiten entscheiden. Und das fehlt ein bisschen. Deswegen wird natürlich aus so einem Schneeball oft eine Lawine der Kritik. Oft ist die Kritik berechtigt, aber es gibt auch etliche Male, da ist sie überschießend und fehl am Platz. Und eigentlich ist es eine Kritik an uns selber.
LUKÁŠ: Ja, eigentlich braucht man Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Das nehme ich da mit. Bevor wir zum nächsten Themenkomplex gehen: Habt ihr noch eine Frage zu dem?
PROKSCH: Ja, wir würden gerne fragen, wenn jetzt neue Wahlen zu dem Beitritt von Österreich zur EU stattfinden würden, wie würden Sie das einschätzen, ob Österreich wieder so stimmen würde?
SCHMIDT: Ich glaube, Österreich würde wieder so stimmen. Ich sage dir nämlich auch, warum. Also erstens einmal, weil die Zeiten einfach total instabil sind, weil auf der Welt so viel passiert und jeder weiß, wenn es hart auf hart geht, bin ich lieber nicht allein. Ich bin lieber solidarisch, ich habe lieber die Unterstützung von anderen Ländern in Europa, gerade wenn es um Sicherheit geht, gerade wenn es um Handelsfragen geht. Und auch das Thema Asyl und Migration kann ich nicht alleine lösen. Deswegen lieber nicht allein sein. Und ich glaube, das ist das ausschlaggebende Argument. Das Zweite ist, wir haben seit 1995 in der Gesellschaft für Europapolitik über 70-mal die Frage gestellt, wollt ihr bleiben oder wollt ihr austreten? Das heißt, wir haben so eine riesige Zeitreihe über diese 30 Jahre. Und manchmal geht es hinauf, manchmal geht es hinunter, je nach tagespolitischer Entwicklung. In Krisenzeiten geht die Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft meistens hinauf. Aber im Schnitt über diese 30 Jahre waren in der Regel 70 Prozent dafür, dass wir Mitglied der Europäischen Union sind, während rund 22 Prozent im Schnitt dagegen waren. Also über diese 30 Jahre jetzt gerechnet. Das heißt, diese Zweidrittelmehrheit, die gibt es nach wie vor. Das heißt nicht, dass man alles super findet, was da draußen passiert. Vieles wird sehr kritisch gesehen. Oft wird ja auch der Eindruck vermittelt und es gibt die weit verbreitete Meinung, dass die europäische Integration nicht wirklich gut funktioniert. Und das stimmt. Man muss es besser machen, man kann es besser machen. Aber ich glaube, man ist froh, dass man dabei ist. Ich glaube, das ist das Entscheidende.
LUKÁŠ: Bevor wir jetzt also zu unserem nächsten Themenkomplex gehen, Punkt zwei, Punkt eins. Es gibt noch drei Fragen, die wir jedem Gast und jeder Gästin stellen, bevor wir ins Thema gehen nochmal, die etwas über die Gäste und Gästinnen persönlich verraten. Antonia wir beginnen bei dir. Frühling oder Herbst?
KRUPOP: Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
KRUPOP: Ich würde sagen, der Kompromiss ist die beste Lösung.
LUKÁŠ: Wo fängt für dich Demokratie an?
KRUPOP: Ich würde sagen, dabei, dass die ganze Bevölkerung, also wirklich jedes Mitglied der Bevölkerung entscheiden kann und nicht einfach nur eine Person die ganze Macht hat. Und auch eben, dass jeder gleich viel wert ist und jeder die gleichen Rechte hat. Ich würde sagen, das ist Demokratie für mich.
LUKÁŠ: Dankeschön. Hanna, Frühling oder Herbst?
PROKSCH: Frühling.
LUKÁŠ: Kompromiss oder beste Lösung?
PROKSCH: Ich stimme auch der Antonia zu. Ich würde sagen Kompromiss.
LUKÁŠ: Du hast Geschwister?
PROKSCH: Ja.
LUKÁŠ: Du hast also Erfahrung im Kompromiss.
PROKSCH: Ja, meistens.
SCHMIDT: Bist du die Ältere oder die Jüngere?
PROKSCH: Ein Mittel.
LUKÁŠ: Achso, ja dann: She knows it all!
PROKSCH: Bei vier Schwestern.
LUKÁŠ: Achso okay, wow.
SCHMIDT: Dann weißt du, worüber du sprichst.
PROKSCH: Ja.
LUKÁŠ: Und wo fängt für dich Demokratie an?
PROKSCH: Wenn jeder Mensch zählt. Also, wenn wirklich jede Person ein Recht hat und auch jede Person inkludiert wird, auch wenn es anstrengend ist, quasi jede Meinung einzuziehen. Aber: alle zu vertreten.
LUKÁŠ: Dankeschön. Paul, dich haben wir diese Fragen ja schon einmal gefragt. Wir werden ganz genau überprüfen, ob du das gleiche sagst.
SCHMIDT: Achso! Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich gesagt habe. Aber so schnell ändere ich meine Meinung nicht.
LUKÁŠ: Frühling oder Herbst?
SCHMIDT: Frühling. Stimmt's?
LUKÁŠ: Natürlich, natürlich. Es wurde top vorbereitet, was beim letzten Mal gesagt wurde. Kompromiss oder beste Lösung?
SCHMIDT: Als gelernter Österreicher bin ich ganz bei euch, dass der Kompromiss die beste Lösung ist. Und ich meine, Europa ist immer ein Kompromiss und eigentlich müsste sich da der Österreicher ziemlich gut auskennen.
LUKÁŠ: Das ganze Leben ist echt meistens ein Kompromiss, muss man sagen. Und das ist auch gut so. Wo fängt für dich Demokratie an?
SCHMIDT: Am Spielplatz. Am Spielplatz, im Kindergarten, in der Schule, in der Familie. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen.
LUKÁŠ: Unser nächster Themenblock: Was ist überhaupt europäische Integration? Der Beitritt Österreichs zur EU geschah ja im Zuge der europäischen Integration. Das sagt man so. Wir fragen uns allerdings und vielleicht auch manche Hörerinnen und Hörer da draußen, was ist das eigentlich, europäische Integration? Herr Schmidt, bitte gerne eine kurze Erklärung, damit wir uns auskennen und eine gute Basis für die Fragen unserer Gästinnen schaffen.
SCHMIDT: Europäische Integration ist ein europäisches Zusammenwachsen, ein Teilen von Zuständigkeiten, wo man versucht – also, wenn man es historisch betrachtet, die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg: Nie mehr wieder Krieg, man schlägt sich nicht mehr die Köpfe weg auf dem Schlachtfeld, sondern setzt sich zusammen und redet und diskutiert so lange, bis dabei was rauskommt, apropos Kompromiss. Und das ist dann der europäische Kompromiss. Also man probiert zusammen, für die großen Fragen unserer Zeit Lösungen zu finden, sodass es nie wieder Krieg gibt und sodass jeder davon profitiert. Das ist die europäische Integration.
LUKÁŠ: Die Arena gehört euch. Antonia und Hanna, bitte. Was für Fragen habt ihr mitgebracht? Antonia, kannst gerne anfangen.
KRUPOP: Okay, also erstmal, es gab ja bestimmte Kriterien, dass überhaupt Österreich beitreten durfte und an dieser europäischen Integration teilhaben durfte. Und heutzutage gibt es die Kopenhagener Kriterien. Hat sich das da irgendwie unterschieden? Gibt es da Unterschiede zwischen den Kriterien, die Österreich erfüllen musste und den Kopenhagener Kriterien?
SCHMIDT: Also die Grundkriterien sind gleich. Jedes Land, das geografisch in Europa liegt, kann ein Beitrittsansuchen formulieren und schicken. Das ist einmal die Grundvoraussetzung. Das zweite ist das sogenannte politische Kriterium: Es muss stabile Institutionen geben, die Menschenrechte müssen gewährleistet sein, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitsrechte. Also das ist, glaube ich, ganz entscheidend. Es muss eine Demokratie sein und eine demokratisch starke und entwickelte Gesellschaft sein. Das zweite Kriterium ist das wirtschaftliche Kriterium. Also es braucht einen gewissen Grad an Offenheit der Wirtschaft. Sie muss wettbewerbsfähig sein. Das heißt, sie muss aktiver Teil des Binnenmarkts sein können und die Wirtschaft muss eine funktionierende Wirtschaft sein. Und das dritte ist die Übernahme der ganzen Verträge, der ganzen Regeln, der ganzen Verpflichtungen und Ziele, die es in der Geschichte der Europäischen Integration gibt. Also all das, was ihr in den Verträgen findet, ist ja das, was sozusagen historisch gewachsen ist. Und das ist die Grundvoraussetzung für das Funktionieren dieser Europäischen Integration. Das muss eins zu eins übernommen werden. Und wenn das erledigt ist, dann ist man quasi reif dafür, der Europäischen Union beitreten zu können.
KRUPOP: Und muss man da wirklich alle Kriterien erfüllen? Oder ist es auch möglich, sich vorzunehmen, als Teil der EU alle Kriterien erfüllen zu können?
SCHMIDT: Also ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man die Kriterien so weit als möglich erfüllt. Es gibt ja auch bei Verhandlungen und bei Beitritten dann auch immer wieder Übergangszeiten. Also zum Beispiel in Österreich war das so, dass der österreichische Arbeitsmarkt für fünf bis sieben Jahre nicht geöffnet wurde, weil man gesagt hat, man braucht die Zeit noch, um dann dem Wettbewerb standhalten zu können, beziehungsweise den Nachbarstaaten die Möglichkeit zu geben, hier aufzuholen, um ungefähr das gleiche Lohnniveau zu haben, damit es kein Lohndumping gibt. Also man hat so eine Übergangszeit zum Beispiel definiert im Hinblick auf die Erweiterungen 2004 und 2007, die großen Erweiterungen. Das gibt es schon, aber im Großen und Ganzen braucht es ja dann einen einstimmigen Beschluss aller EU-Mitgliedstaaten, dass ein neues Land beitreten kann. Und die Europäische Union, all das, was es an Strukturen gibt und an Entscheidungsprozessen gibt, das muss erweiterungsfit gemacht werden. Das heißt, das muss auch funktionieren, wenn dann statt 12, 15 Mitglieder oder dann 25, 27, 28 Mitglieder oder sogar mehr da sind. Ich glaube, das ist auch ein entscheidendes Kriterium für die aktuellen Mitgliedstaaten, einer zukünftigen Erweiterung zuzustimmen.
LUKÁŠ: Hanna, was würdest du gern wissen?
PROKSCH: Bei dieser europäischen Integration, das ist ja etwas, was noch nicht abgeschlossen ist, dessen Entwicklung immer fortgeht auch. Finden Sie, dass es derzeit irgendwelche Verbesserungsmöglichkeiten in diesem Bereich gibt in der EU?
SCHMIDT: Also da gibt es natürlich ganz, ganz viel. Das würde jetzt total den Rahmen sprengen. Aber die Europäische Union kann natürlich immer effizienter werden, schnellere Entscheidungen treffen. Sie kann noch demokratischer werden. Das Europäische Parlament kann noch weitere Kompetenzen bekommen. Man kann auch zwischen der Kompetenzverteilung zwischen nationaler Ebene, also den Mitgliedstaaten, und der europäischen Ebene, den europäischen Institutionen noch Veränderungen schaffen. Wir sind jetzt in einer Phase, wo es einen rasanten gesellschaftlichen Wandel gibt, auch weil wir den Klimawandel bekämpfen, aber auch weil es in Richtung einer Sicherheits- und Verteidigungsunion geht. Also die Verteidigung und die Sicherheit der europäischen Demokratie, des europäischen Lebensmodells unserer Lebensqualität steht jetzt immer stärker im Vordergrund. Und all diese Probleme und großen Fragen und Herausforderungen führen natürlich dazu, dass sich die Europäische Union die ganze Zeit weiterentwickelt. Und eine große Frage dabei ist zum Beispiel: Wie ist das jetzt mit den Ländern in Südosteuropa, den sechs Balkanländern? Oder wie ist das mit Georgien, Moldau, Ukraine? Wann können die der Europäischen Union beitreten? Wie muss die Europäische Union ausschauen? Wie kann sie fit gemacht werden für weitere Erweiterungen? Also all das ist total im Fluss und es gibt ganz viele Fragen und ganz viel Veränderung, die wir da gerade sehen. Und oft ist es auch nicht so wichtig, welche Ebene wofür zuständig ist. Weil wenn es akute Probleme gibt, dann können sich natürlich die Mitgliedstaaten zusammentun und sagen, okay, wir geben jetzt der Europäischen Kommission zum Beispiel ein Mandat, dass sie gemeinsam für alle Länder Impfstoff produziert und beschafft. Das Gleiche passiert zum Beispiel beim Einkauf von Energie, von Erdgas. Also auch die Europäische Kommission bekommt ein Mandat, obwohl sie dafür nicht zuständig ist, gemeinsam als Europäische Union auf dem Weltmarkt Erdgas einzukaufen, weil das einfach viele Vorteile gibt. Oder um aus der Corona-Krise zu kommen, gab es europäische finanzielle Hilfen für Länder, die besonders hart getroffen waren von diesen Corona-Verwerfungen. Und Gesundheitspolitik zum Beispiel war nie eine Zuständigkeit und ist bis heute nicht eine Zuständigkeit der Europäischen Union. Das heißt, oft passiert etwas wirklich Dramatisches, das dann dazu führt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten schnell aktiv werden müssen und schnell agieren müssen. Und dann tut man sich zusammen und sagt, okay, was braucht es? Welche Ebene ist am besten ausgerüstet dafür, hier gemeinsam, solidarisch etwas zu machen? Und da sind dann nicht immer die Verträge oder die Zuständigkeiten das entscheidende Kriterium, sondern da sagt dann die Politik, das machen wir vielleicht ganz anders, weil das einfach viel effizienter ist. Es kann natürlich genau umgekehrt auch sein. Es können natürlich die EU-Mitgliedstaaten auch sagen, okay, zum Beginn der europäischen Integration war – ich gebe jetzt ein Beispiel – die gemeinsame Agrarpolitik ganz wichtig im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Ernährung der Bevölkerung in der Nachkriegszeit. Vielleicht ist das etwas, was nach europäischen Standards jetzt jeder Mitgliedstaat stärker für sich machen kann. Und auf der anderen Seite zum Beispiel könnte die Europäische Union sagen, wir müssen viel mehr in europäische Verkehrsnetze investieren, in den Ausbau der Schienennetze zum Beispiel. Weil ein einzelnes Land baut eine Autobahn oder eine Schiene von Grenze zu Grenze. Aber eigentlich, was wir brauchen, ist, dass wir mit dem Zug von Helsinki bis Lissabon fahren können. Und das gibt es so nicht. Also da ist total viel im Fluss, total viel in Bewegung und fertig ist das Ding noch lange nicht.
LUKÁŠ: Das passt eigentlich ganz gut, dieses EU-Motto, das es seit dem Jahr 2000 gibt – "In Vielfalt geeint" – zu dem, was du gesagt hast. Und das wird auch überleiten zu unserem nächsten Themenblock: Ziele und Werte der EU. Da werdet ihr euch sicher damit befasst haben. Eure nickenden Köpfe sind bereit. Genau, also dieses Motto "In Vielfalt geeint" – das klingt ja sehr gut und beinhaltet auch schon, wenn man so zwischen den Zeilen liest, so eine gewisse demokratische Spannung, zu einem Kompromiss zu finden, obwohl jeder sehr unterschiedlich ist.
Warum hat die EU sich denn eigentlich dieses Motto gegeben? Habt ihr das erfahren in eurem Workshop vielleicht und könnt ihr uns davon erzählen?
PROKSCH: Also wir haben nur erfahren, dass halt diese Vielfalt für die Demokratie steht und dass das das einfach nochmal zusammenfassen soll. Also wir finden das Motto auch besonders schön, weil es ja auch wirklich so ist, dass wir in Europa durch diese vielen Kulturen, trotz dieser vielen Kulturen, so eine Einheit sein können.
KRUPOP: Und diese Unterschiede müssen nicht einander trennen, sondern können eben auch zusammenführen und auch einfach dieser Austausch, den finden wir auch ganz wichtig.
LUKÁŠ: Und da kann man sich ja sagen, was stellt man sich darunter vor, aber wie habt ihr das erlebt? Reist ihr viel in Europa rum? Habt ihr schon viele Länder besucht?
KRUPOP: Ja, eigentlich schon. Und wir haben auch ein Erasmus-Projekt in der Schule.
LUKÁŠ: Ah, wie cool.
KRUPOP: Und da sind wir im Austausch mit Schülern aus Ungarn und aus Polen. Da sind auch gerade welche zu Besuch diese Woche.
PROKSCH: Ja, wir haben das jedes Jahr, dass von unserer Schule Schüler nach Polen, nach Ungarn fahren und dann kommen zu dieser Zeit immer ungefähr die Leute hierher. Und es ist einfach jedes Mal aufs Neue schön, diese Vielfalt zu sehen, aber auch diese Gemeinsamkeiten zu sehen.
KRUPOP: Ja, man findet da immer wirklich viel, was man gemeinsam hat.
SCHMIDT: Wie redet ihr denn? Auf welcher Sprache?
KRUPOP: Auf Englisch.
PROKSCH: Auf Englisch.
SCHMIDT: Und habt ihr dann auch Unterricht auf Englisch?
KRUPOP: Wir haben ein wissenschaftliches Projekt immer als Thema und dazu machen wir dann Experimente gemeinsam und besichtigen natürlich auch die Orte, an denen wir dann sind.
PROKSCH: Es ist kulturell und wissenschaftlich. Es besteht halt immer aus Projekten.
SCHMIDT: Total spannend, dass ihr alle Englisch miteinander redet.
PROKSCH: Ja, es ist auf jeden Fall eine Herausforderung.
SCHMIDT: Jetzt wo Großbritannien ausgetreten ist.
LUKÁŠ: Die sind alle so fluent in Englisch, muss man wirklich sagen, mit eurem Medienkonsum, das ist alles so top Englisch.
SCHMIDT: Wobei im Sinne der Vielfalt ist es natürlich, dass man die Sprachen lernt. Ich glaube, man kann die Kultur und den Menschen nur wirklich verstehen, wenn man sich einmal mit der Sprache beschäftigt hat.
KRUPOP: Ja, wir versuchen auch immer.
SCHMIDT: Und ich meine, 24 offizielle Amtssprachen.
PROKSCH: Die Antonia kann etwas Polnisch.
KRUPOP: Ein bisschen Polnisch. Mein Vater ist aus Polen.
PROKSCH: Was sie schon ausprobiert hat.
KRUPOP: Da versuche ich immer, es ein bisschen zu verbessern mit denen.
PROKSCH: An Ungarisch haben wir uns noch nicht rangetraut.
SCHMIDT: Ungarisch ist sehr komplex. Das ist, so wie Finnisch, eine sehr komplexe Sprache.
KRUPOP: Sie haben versucht, aber...
PROKSCH: Aber überraschend können die Ungarn relativ gut Deutsch. Und ich habe mich auch mit einer auf Französisch unterhalten kurz.
KRUPOP: Ja stimmt, ich auch mal.
SCHMIDT: Na bitte! Aber das zeigt natürlich auch die Komplexität der Vielfalt. 24 offizielle Sprachen, das ist gar nicht leicht und Demokratie dauert. Der Unterschied zu China zum Beispiel ist, ich meine, in China werden Entscheidungen schneller getroffen. Aber möchte man das überhaupt?
LUKÁŠ: Zurück zur EU. Die EU ist kein Bundesstaat. Das haben wir ja in anderen Folgen schon gehört und ausführlich besprochen. Wir verlinken natürlich alles in unserer Folgenbeschreibung, in unseren Shownotes. Aber die Mitgliedstaaten müssen ja auch zusammenarbeiten. Und ein ähnliches Gebilde wie die EU gibt es auf der Welt nicht noch einmal. Welche Rolle spielen eigentlich die angesprochenen Werte, wir haben die vorher schon kurz immer so ein bisschen angekratzt, auf die man sich unter diesen 27 Mitgliedstaaten geeinigt hat? Paul, würdest du uns kurz einen Einblick geben und dann gern Fragen von den Schülerinnen.
SCHMIDT: Die Rolle der Werte, der europäischen Werte, sind natürlich ganz essenziell und sind auch gleich am Anfang der EU-Verträge zu finden in Artikel 2. Also Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechte, Toleranz. Das ist das Um und Auf und ganz entscheidend für das Funktionieren der Europäischen Union.
LUKÁŠ: Was denkt ihr so darüber, wenn ihr das hört, diese Werte?
PROKSCH: Es ist auf jeden Fall eine treibende Kraft, denke ich, ein Kompass, was uns auch nochmal etwas mehr vereint alle, weil wir alle für diesen Wohlstand und diese Freiheit in Europa sind. Und auch jeder sich dementsprechend halt Mühe geben sollte. Und ich finde, das ist etwas besonders Wichtiges in der EU, was einfach eines der Hauptziele immer ist, diese Werte aufrechtzuerhalten.
KRUPOP: Ja, und ich finde es auch eigentlich wichtig, dass die EU, und vielleicht sollte sie es auch noch mehr machen, als Einheit, die diese Werte vertritt, auch gegenüber der Welt auftritt.
SCHMIDT: Es gibt natürlich manchmal ein Spannungsfeld zwischen knallharter Interessenspolitik und den europäischen Werten, die gern hochgehalten werden. Und gerade in einer Welt, wo die Stärke des Rechts ein bisschen verloren wird und das Recht des Stärkeren jetzt wieder zur Tagesordnung wird, ist es ganz wichtig, dass man als Europäische Union seine Interessen klar vertritt, aber gleichzeitig einen Wertekompass hat, den man dabei nicht verliert.
LUKÁŠ: Ja, Wertekompass gegen wirtschaftliche Bestrebungen ist auf jeden Fall ein ständiges Spannungsfeld, in dem sich die EU bewegt. Wir kommen jetzt zu unserem letzten Themenschwerpunkt, zum Ausblick. Aber bevor wir da reintauchen, würde ich gerne noch wissen, wie fühlt es sich denn für die drei Gesprächspartner:innen, die heute dasitzen, an, als Österreicher und Österreicherin Teil dieser EU zu sein? Antonia beginn doch du gerne und dann gehen wir weiter zu Hanna und dann weiter zum Paul.
KRUPOP: Ich finde es fühlt sich eigentlich so an, als könnte man auch wirklich was bewegen, weil Österreich ist ja doch recht klein im Vergleich zur Welt. Und wenn man dann so ein Teil von etwas Größerem ist, von so einer Gemeinschaft, dann könnte man vielleicht auch wirklich, vielleicht auch bei der Klimakrise und bei den ganzen Dingen, die gerade in der Welt leider passieren, auch was bewegen.
PROKSCH: Ich finde, für mich fühlt es sich vor allem sicher an. Dass vor allem mit den derzeitigen Geschehnissen in der Welt, dass unsere Demokratie gesichert wird und dass das nicht als selbstverständlich auch angesehen wird, dass wir diese Rechte und Freiheiten haben, sondern dass das notwendig ist fast. Dass das auch so bleiben wird einfach, ist unglaublich angenehm für uns alle und beruhigend. Weil wir wissen, wir sind in der EU und wir können in der EU etwas bewirken und wir können mit der EU unsere Demokratie sichern.
LUKÁŠ: Und wird euch das nochmal mehr bewusst jetzt, was so auf der ganzen Welt so passiert, dass das so etwas ganz Besonderes eigentlich ist?
PROKSCH: Ja, definitiv. Also ich finde auch, dass dadurch, dass wir vieles oft – besonders die Jüngeren, die bei diesem Beitritt nicht so dabei waren – selbstverständlich sehen, werden wir auch ein bisschen träge, nicht so aufmerksam. Solche Ereignisse bringen es dann auf jeden Fall wieder in den Mittelpunkt, dass das immer noch passieren kann, dass eine Demokratie sich so abwandeln kann.
LUKÁŠ: Danke. Paul, wie fühlt es sich für dich an, als Österreicher Teil der EU zu sein?
SCHMIDT: Für mich fühlt es sich gut an und ich kann, glaube ich, das nur teilen und unterstreichen, was ihr beide gesagt habt. Also die Möglichkeit, mitzubestimmen und dabei zu sein und etwas Größeres zu formen und gehört zu werden und ein Gefühl von Sicherheit und Solidarität, dass man nicht allein ist, gerade, wenn man vor großen Herausforderungen steht. Ich glaube, das ist ganz entscheidend. Und ganz wichtig: All das, was wir jetzt haben, ist alles andere als selbstverständlich. Nichts ist gegeben, alles muss neu erkämpft, erklärt diskutiert, erarbeitet werden, weil sonst zerrinnt es uns irgendwann durch die Finger und so schnell können wir dann gar nicht schauen. Und deswegen ist, glaube ich, auch dieses Gespräch so wichtig, weil die Demokratie braucht diese Auseinandersetzung, diese thematische Auseinandersetzung, diese Gespräche, diese Gesprächsbereitschaft. Ich glaube, das macht Europa aus auf allen Ebenen. Und das müssen wir schützen, pflegen und wir müssen schauen, dass das weiterwächst und weiter zusammenwächst. Weil nur so gemeinsam können wir die wirklich großen Fragen unserer Zeit auch beantworten.
LUKÁŠ: Die wirklich großen Fragen unserer Zeit, die werden auch den Ausblick beeinflussen, den wir jetzt abschließend miteinander wagen. Und zwar wäre es mir sehr recht, es gibt ja verschiedene Herausforderungen, die wir in der EU spüren. Ich würde gerne die Herausforderungen vor allem von Hanna und Antonia hören, die ihr spürt, die ihr bewusst wahrnehmt, vielleicht gar nicht, die ihr euch vorher jetzt überlegt habt oder recherchiert habt, sondern die ihr bewusst wahrnehmt und den Wunsch, den ihr daran knüpfen würdet, wie das in 20 oder 30 Jahren sein soll. Und gerne dann Paul, du auch. Gerne emotional nahe an dem, was ihr spürt und gar nicht nur, was ihr intellektuell verarbeitet jeden Tag.
KRUPOP: Ja, also ich würde erst mal sagen, mit den ganzen Spannungen, die es zurzeit gibt in der Welt, im Gaza-Streifen, Ukraine-Konflikt, da würde ich auch sagen, dass viele von uns und auch ich Angst haben, dass es sich ausweiten könnte, dass es noch schlimmer wird oder auch einfach, dass es das gibt, ist schon genug schlimm. Und wir würden uns einfach, denke ich wünschen, dass die EU da zeigt, dass sie stark gegen diese Sachen ist und eben als Vorbild, dass Frieden möglich ist, auftritt.
PROKSCH: Das halt auch vor allem in einer Einheit. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die EU sich international als Einheit zeigt und als selbstständig und zeigt, dass man auch als Einheit etwas bewirken kann. Gegen den Klimawandel oder gegen eben solche Konflikte wie die Antonia gesagt hat. Und dann zusammen auch viel mehr schaffen kann, als jetzt nur Österreich alleine zum Beispiel schaffen würde. Als Vorbild und als Vorbild der Demokratie, der Freiheit, der Sicherheit und das zusammen.
LUKÁŠ: Und hast du eine Utopie für in 30 Jahren, wenn du mal so alt bist wie wir, wie Paul und ich heute? Wie soll es dann sein in der EU?
PROKSCH: Ich hoffe auf jeden Fall, dass ich meine Freiheiten alle noch habe, dass sich nichts zurückentwickelt und dass die EU sich untereinander nicht gegenseitig in den Rücken fällt durch diese große Verschiedenheit. Sondern eben, wie das Motto schon sagt, diese Verschiedenheit nutzt und weiter zusammenarbeitet und sich weiter konstant entwickelt und auch für die Menschen sich weiterentwickelt.
LUKÁŠ: Dankeschön. Dann gebe ich dir das abschließende Wort, lieber Paul. Herausforderungen und der utopische Wunsch an eine Zukunft in 30 Jahren?
SCHMIDT: Also mein Wunsch wäre, dass wir uns in 30 Jahren wieder hier treffen auf einen Podcast.
LUKÁŠ: Oh, das wäre schön, das wäre super.
SCHMIDT: Und das alles noch einmal. Wir hören uns das vorher noch einmal an und dann diskutieren wir das noch einmal durch.
LUKÁŠ: Damit wir ja diese Herbst-oder-Frühlingsfrage richtig beantworten!
SCHMIDT: Wenn es das Format überhaupt noch gibt.
LUKÁŠ: Möglicherweise.
SCHMIDT: Also ich würde sagen, nach innen ist es ganz wichtig, dass wir unsere Ziele erreichen, nämlich die Lebensqualität auf sehr hohem Niveau halten beziehungsweise weiter verbessern können. Ich glaube, warum machen wir das Ganze? Warum arbeiten wir in Europa zusammen? Weil wir den Menschen ein schönes Leben bieten wollen, weil wir ihnen Lebensqualität bieten wollen, weil wir ihnen alle Möglichkeiten und Optionen bieten wollen. Und ich glaube, das muss das Ziel nach innen sein. Und nach außen muss die Europäische Union stärker werden als Akteur. Sie muss in diesem Spannungsfeld zwischen Interessen und Werten ihre Werte nicht vergessen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, dass wir eine Wertegemeinschaft sind und dass die auch nicht nur in Verträgen stehen, sondern auch gelebt werden, ganz konkret, sodass jeder was damit anfangen kann. Ich glaube, das ist ganz entscheidend. Und die Einheit, dieses Spannungsfeld zwischen Einheit und Vielfalt, ist ein Prozess, wo ich mir wünschen würde, dass wir auf der einen Seite stärker mit einer Stimme sprechen können, um einfach ein stärkeres Auftreten zu haben und hier mehr Gewicht zu haben, auch international. Aber auf der anderen Seite die Vielfalt, die wir haben, auch pflegen. Weil das ist ja das, was uns ausmacht. Und diese Vielzahl an Identitäten, an Stimmen an Sprachen an Kulturen ist unser Schatz. Und nur mit dieser Vielfalt schaffen wir das, glaube ich, einen großen Mehrwert für die Bevölkerung auch zu bringen, für die Menschen auch zu bringen. Und das wird, glaube ich, das Entscheidende sein für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten noch stärker Antworten auf die Fragen unserer Zeit findet.
LUKÁŠ: Vielen Dank, vielen Dank für das rege Diskutieren und Herkommen und Vorbereiten. Und an alle Beteiligten: Schön, dass ihr da wart.
SCHMIDT: Danke für die Einladung.
PROKSCH: Dankeschön.
KRUPOP: Ja, danke!
SCHMIDT: Wir sehen uns in 30 Jahren.
LUKÁŠ: Oder früher, Paul.
SCHMIDT: Frage bitte aufschreiben. Die drei persönlichen Fragen.
LUKÁŠ: Nächstes Mal recherchiere ich sie wirklich.
SCHMIDT: Das vergesse ich nicht. Nächstes Jahr.
LUKÁŠ: Nächstes Jahr. Ja, ja, die EU ist ein Dauerthema. Es kann schon sein, dass wir uns nochmal sehen. Für alle, die den Paul gern in der Folge hören wollen, die wir bereits mit ihm aufgenommen haben, wie gesagt, alle Informationen in den Shownotes dazu. Und das war es für dieses Mal mit "Rund ums Parlament". Ganz herzlich möchte ich mich an dieser Stelle auch nochmal für die Zusammenarbeit mit der Demokratiewerkstatt des Parlaments bedanken und auf die Website www.demokratieWEB – großgeschrieben – stadt.at hinweisen. Auch diese Adresse findet ihr natürlich in den Zusatzinformationen. Und dort könnt ihr alles über die angebotenen Workshops für Schulen, aber auch ganz viele Informationen und Lernmaterialien rund um Demokratie spezifisch für Kinder und Jugendliche aufbereitet finden. Ich hoffe, euch hat diese Folge gefallen. Wenn ja, dann gebt uns gerne eine sehr gute Bewertung. Das würde uns freuen. Und abonniert uns auch, wenn ihr das noch nicht getan habt. Dann verpasst ihr nämlich auch die nächste Folge nicht. Da starten wir in ein neues Thema hier in "Rund ums Parlament". Und zwar werden wir mit Menschen und Institutionen aus den gesellschaftlichen Bereichen neben der Politik darüber sprechen, wie sie ihren Platz in der Demokratie sehen. Also da sprechen wir mit Menschen aus Kunst und Kultur, aus der Wirtschaft, aus Religion und Kirche, dem Sozialbereich und der Wissenschaft. Los geht's mit der Generaldirektorin der österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger und dem Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, Jonathan Fine. Ich bin schon sehr gespannt auf Örtlichkeiten und die Gesprächspartner. Es wird sicher herrlich. Falls ihr Fragen, Kritik oder Anregungen zum Podcast habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail an podcast@parlament.gv.at und schaut auch gerne mal auf der Website und den Social-Media-Kanälen des österreichischen Parlaments vorbei. Also, ich freue mich schon auf die nächste Folge mit euch. In diesem Sinne vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Tatjana Lukáš. Wir hören uns.
Jingle: Rund ums Parlament. Der Podcast des österreichischen Parlaments.