Parlamentskorrespondenz Nr. 321 vom 30.05.2000

SCHUTZ DER MINDERHEITEN NOCH VOR DEM SOMMER IN DIE VERFASSUNG ?

Wien (PK) - Der Ausschuss für Menschenrechte des Nationalrats hat sich in seiner heutigen Sitzung auf die weitere Vorgangsweise zur Verankerung der Staatszielbestimmung zu Schutz und Förderung der österreichischen Minderheiten in der Verfassung geeinigt. Die beiden heute dem Ausschuss vorliegenden Anträge der Sozialdemokraten und der Grünen sowie die entsprechende - noch nicht zugewiesene - Regierungsvorlage sollen am 20. Juni zunächst in einem Unterausschuss behandelt werden, zu dem die Vorsitzenden der sechs Volksgruppenbeiräte als Experten eingeladen werden. Im Anschluss an den Unterausschuss soll der Ausschuss die Vorlage plenumsreif machen. Debatte und Beschlussfassung im Plenum des Nationalrats sind damit noch vor der parlamentarischen Sommerpause möglich.

Den entsprechenden Abstimmungen im Ausschuss war eine ausführliche Debatte über die einzuschlagende Vorgangsweise vorangegangen. Bei weitgehender Übereinstimmung in der Sache gab es unterschiedliche Auffassungen in inhaltlichen Details - Staatszielbestimmung im Artikel VI der Verfassung (Regierungsvorlage) oder im Artikel VIII (Sozialdemokraten und Grüne) - und hinsichtlich der Vorgangsweise, etwa betreffend die Beiziehung von Verfassungsexperten. Die Fraktionen der Opposition blieben mit ihren Anträgen, im Unterausschuss Verfassungsexperten beizuziehen, in der Minderheit. Der im Anschluss an die Sitzung des Ausschusses konstituierte Unterausschuss ist im Verhältnis 5 (S) - 4 (V) - 4 (F) - 1 (G) zusammengesetzt.

Bevor der Ausschuss in die Tagesordnung einging, stellte S-Abgeordneter Mag. POSCH einen Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung um den Antrag der Grünen 50/A(E) - Anerkennung der Massaker an den Armeniern als Völkermord - und der Sozialdemokraten 125/A(E) - jährlicher Menschenrechtsbericht der Regierung. In der Debatte über diesen Antrag machten die Regierungsfraktionen  (Dr. OFNER, F, sowie ELLMAUER und GATTERER, beide V) geltend, dass Armenien im Juni die Aufnahme in den Europarat bevorstehe, wofür eine Behandlung des Themas derzeit nicht opportun sei und die Ereignisse vor 85 Jahren geschehen wären. Die Vertreter der Opposition (Mag. POSCH, REHEIS, Mag. PLANK, alle S, sowie Mag. LUNACEK und Mag. STOISITS, beide G) konnten diesen Zusammenhang nicht sehen und stellten fest, dass Verletzungen der Menschenrechte kein Ablaufdatum hätten.

Die Ergänzung der Tagesordnung fand keine Mehrheit. Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) wurde einhellig zum Schriftführer gewählt.

Die beiden Punkte der Tagesordnung wurden sodann vom Ausschuss unter einem erörtert: "Die Republik Österreich bekennt sich zu ihren Volksgruppen und der sich aus deren Bestehen ergebenden historisch gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt und zu deren besonderen Schutz und Förderung". Diese Staatszielbestimmung wollen die Sozialdemokraten mit ihrem Antrag 164/A als ein bedeutendes Signal im Bundes-Verfassungsgesetz verankern.

Grün-Abgeordnete Terezija Stoisits und ihre KollegInnen vom Grünen Klub wollen eine Staatszielbestimmung zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Republik Österreich in der Verfassung verankert haben. Ihren Antrag 13/A begründen sie damit, dass es bis jetzt kein eigenständiges Bekenntnis der Republik zu ihren Minderheiten in der Bundesverfassung gibt, obwohl die Volksgruppen in Österreich einen bedeutenden Beitrag für die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt in Österreich leisten.

In der Debatte über die beiden Anträge wies Dr. OFNER (F) darauf hin, dass die Thematik bereits seit Jahren diskutiert werde. Mittlerweile gebe es auch eine ähnlich lautende Regierungsvorlage. Ofner beantragte daher die Einsetzung eines Unterausschusses (im Verhältnis 5 - 4 - 4 - 1), in dem die beiden Anträge und die Regierungsvorlage behandelt werden sollten, zumal zwischen den drei Vorlagen nur marginale Unterschiede bestünden. Dieser Äußerung stimmte seitens seiner Fraktion Abgeordneter Dr. ZERNATTO (V) mit dem Hinweis zu, dass durch die Klarstellung, es gehe um Schutz und Förderung der "autochthonen" Volksgruppen, frühere Bedenken zerstreut worden seien.

Mag POSCH (S) erinnerte daran, dass die Aufnahme einer entsprechenden Staatszielbestimmung einem Wunsch der Volksgruppen entspreche. Namens seiner Fraktion beantragte er, im Unterausschuss Experten beizuziehen, wobei die Volksgruppen selbst zu Wort kommen sollten.

Ausschuss-Vorsitzende Mag. STOISITS (G) stellte in ihrer Wortmeldung den Beginn der Diskussion über die verhandelte Thematik dar: Dies sei der Mord an vier Roma im Februar 1995 in Oberwart gewesen. Obwohl es zum Vorhaben, in der Verfassung eine Staatszielbestimmung zu verankern, immer positive Reaktionen aus allen Fraktionen gegeben habe, sei in der letzten Gesetzgebungsperiode eine Beschlussfassung nicht gelungen. Auch Stoisits sprach sich für die Beiziehung von Vertretern der sechs Volksgruppen aus, zumal dadurch auch der Dank an deren engagierte Arbeit ausgedrückt werde.

Trotz des weitgehenden Konsenses kam es in der Folge zu Dissens sowohl in inhaltlichen Details als auch hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise. Dr. GRAF (F) schlug vor, am 20. Juni eine Ausschusssitzung abzuhalten, in der die genannte Regierungsvorlage dem Unterausschuss zur Behandlung zugewiesen werden könne. Unmittelbar anschließend daran sollte der Unterausschuss zusammentreten und die Experten hören und die Vorlagen diskutieren. Noch am gleichen Tag, im Anschluss an die Sitzung des Unterausschusses, sollte der Ausschuss die Vorlage plenumsreif machen. Die Vertreter der Regierungsfraktionen (Dr. OFNER, F, sowie ELLMAUER und Dr. BRINEK, beide V) unterstützten diesen Vorschlag.

Von den Abgeordneten der Sozialdemokraten und der Grünen wurden Bedenken hinsichtlich Details vorgebracht: Es sei nicht gleichgültig, ob die Staatszielbestimmung im Artikel VI oder im Artikel VIII verankert werde (Mag. PRAMMER, S, sowie Mag. LUNACEK und Mag. STOISITS, beide G), die Experten sollten durch die rasche Abfolge von Ausschuss-, Unterausschuss- und wieder Ausschusssitzung nicht den Eindruck gewinnen, ihre Äußerungen würden nicht ausreichend ernst genommen (Mag. POSCH, Mag. PRAMMER, Mag. PLANK). Ausschuss-Obfrau Mag. STOISITS erinnerte daran, dass für die Beschlussfassung eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich sei, was die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion erfordere.

Der Antrag des F-Abgeordneten Dr. OFNER auf Einsetzung eines Unterausschusses wurde einstimmig angenommen. Ebenso einstimmig angenommen wurde der Antrag seines Fraktionskollegen Mag. GRAF, die Vorsitzenden der sechs Volksgruppenbeiräte als Experten den Ausschussberatungen beizuziehen. Ein G-Antrag, zusätzlich zwei Verfassungsexperten einzuladen, fand nur die Stimmen der Grünen und blieb somit in der Minderheit. In der Minderheit der Oppositionsfraktionen blieb der Antrag der Sozialdemokraten, vier von den Fraktionen zu nominierende Rechtsexperten beizuziehen.

Dem im Anschluss an die Ausschusssitzung konstituierten Unterausschuss gehören folgende Mandatare an: Mag. POSCH, JÄGER, REHEIS, Mag. PLANK und Dr. WITTMANN (alle S); ELLMAUER, Dr. BAUMGARTNER-GABITZER, Dr. ZERNATTO und HORNEK (alle V); Dr. OFNER, Dr. KRÜGER, Dr. GRAF und Mag. SCHENDER (alle F); Mag. STOISITS (G). Zur Obfrau des Unterausschusses wurde Mag. STOISITS gewählt.

(Schluss)