Parlamentskorrespondenz Nr. 511 vom 23.05.2006

Nationalrat: Zum Ausklang Verkehrsthemen

Brenner-Basistunnel, Verkehrs-Arbeitsinspektion, GPS und GALILEO

Wien (PK) – mit Verkehrsthemen beendete der Nationalrat seine Beratungen. Auf der Tagesordnung standen zunächst das Bundesgesetz zur Errichtung einer Brenner Basistunnel Aktiengesellschaft, die Änderung des Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetzes, ein G-Antrag auf Erhaltung der Eisenbahn-Infrastruktur und ein S-Antrag betreffend Bau des Bahnhofs Wien Mitte.

Abgeordneter EDER (S) begründete die Ablehnung der Änderungen im Eisenbahngesetz auch mit der Unübersichtlichkeit des Gesetzes, das kaum noch vollziehbar sei. Darunter leide die Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften, die auf österreichischen Bahnstrecken gelten. Zudem werde der Verkehrspolitik eine zu geringe Rolle eingeräumt. Schließlich werde der Taktfahrplan erschwert, weil Gütertransporten der Vorrang gegenüber Personenzügen gegeben werde. Vernünftigen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer werde die SPÖ ihre Zustimmung geben.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) begrüßte die Liberalisierung des Güterverkehrmarktes und die Vereinfachung von Behördenverfahren. Die Strukturreform der ÖBB sei goldrichtig, sagte der Redner und wies auf Steigerungen beim Fahrgastaufkommen und bei der Güterbeförderung bei den ÖBB hin. Über Alternativen zu Nebenbahnen sei aus betriebswirtschaftlichen Gründen nachzudenken, da der Kostendeckungsgrad dort vielfach unter 10 % liege.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) sah die Chance vertan, die Verhältnisse im Eisenbahnsektor durch Gesetzesänderungen zu verbessern. Einerseits bleibe der Kompetenzwirrwarr im Eisenbahnwesen bestehen, andererseits werde eine Priorität für den Gütertransport auf der Schiene gegenüber den Taktfahrplänen im Personenverkehr eingeführt. Außerdem kritisierte Moser Erleichterungen bei der Einstellung von Regionalbahnen und wies darauf hin, das es Privaten erschwert werde, Nebenbahnen als Privatlinien fortzuführen. Verbesserungen beim  Arbeitsinspektorat stimmen auch die Grünen zu.

Abgeordneter WITTAUER (F) ging auf die Kritik seiner Vorredner ein und hielt G-Rednerin Moser entgegen, dass nur in ganz bestimmten, einzelnen Fällen der Güterverkehr Vorrang habe. Was die Nebenbahnen angeht, so werden diese sicher nicht leise abgeschafft, sondern nur das Verfahren wird vereinfacht. Die Landeshauptleute haben dieser Regelung zugestimmt, weil sie dabei Anhörungsrechte haben, erläuterte Wittauer. Außerdem müsse es legitim sein, zu überlegen, ob bei einem Deckungsgrad von vielleicht nur 5 % und bei gesicherter Versorgung, eine Bahn eingestellt werden soll oder nicht.

Beim vorliegenden Eisenbahngesetz stecke der Teufel im Detail, urteilte Abgeordnete BINDER-MAIER (S). So fehlen etwa eindeutig Organe, die für die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs zuständig sind. Außerdem obliegen Entscheidungen über Streckeneinstellungen in Hinkunft den Betreibern der Eisenbahn. Auch werde die Vernetzung nicht mehr möglich sein, was einen massiven Qualitätsverlust im öffentlichen Verkehr darstelle. Generell könne man sagen, dass das betriebswirtschaftliche Kalkül vor die Interessen und Bedürfnisse der Menschen gestellt wird, kritisierte Binder-Maier.

Es komme keineswegs zu einer Einschränkung des Personennahverkehrs zu Gunsten des Güterverkehrs, betonte Abgeordnete Mag. HAKL (V). Es gehe vielmehr darum, dass die Länder Hauptverkehrszeiten definieren können. Wenn man es ernst nimmt, mit der Verlagerung von der Straße auf die Schiene, dann müsse man regulierende Maßnahmen akzeptieren, die einen Wettbewerb überhaupt erst ermöglichen.

Sie habe den Eindruck, dass die Kollegin Hakl schon lange nicht mehr mit dem Zug gefahren ist, meinte Abgeordnete REST-HINTERSEER (G). Denn dann würde sie wissen, dass man dort kaum mehr Menschen antrifft, die dort auch beschäftigt sind, nämlich die so genannten "Indianer". Die gesamte ÖBB-Restrukturierung könne mit dem Schlagwort zusammenfassen, "viel zu viele Häuptlinge und viel zu wenige Indianer, die noch übrig geblieben sind". Diese Vorgangsweise präge auch das gesamte Ressort, wo es zwei Staatssekretäre gibt, die noch dazu teilweise unterschiedliche Meinungen vertreten. Während nämlich Kukacka davon schwärmt, dass das beim Schließen von Strecken eingesparte Geld dem regionalen Nahverkehr zugute kommen wird, fordert Mainoni in der gleichen Ausschusssitzung, dass das ersparte Geld im Bundesland bleiben soll. Und am Ende bleiben "entleerte Regionen" übrig, weil die Leute gar keine Verkehrsmittel mehr vorfinden. Es gibt kein Konzept für die Regionalbahnen, es gibt kein Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr und sie warte immer noch auf die versprochene Evaluierung aus dem Jahr 2000.

Man müsse nun endlich wieder zur Sache kommen, forderte Abgeordneter WATTAUL (F). Bei der angesprochenen Thematik gehe es um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie sowie um die Einführung von Sicherheitsmanagement- und Qualitätssicherungssystemen. Was die Kritik am Verkehrsministerium angeht, so werde von der Opposition wohl vergessen, dass die Bundesregierung so viel wie noch nie in die Eisenbahninfrastruktur investiert habe. Unrichtig sei auch, dass Güterverkehr generell Vorrang habe. Wenn man wirklich für eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene eintritt, dann müssen auch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Bahn geschaffen werden.

Er werde dem Gesetzentwurf zum Eisenbahngesetz nicht zustimmen, weil damit der öffentliche Nahverkehr und die Infrastruktur im ländlichen Raum geschwächt werden, argumentierte Abgeordneter Ing. KAIPEL (S). Kritisch beurteilte der Redner, dass nun das Schließen von Nebenbahnen erleichtert werden. Auch lehne er es ab, dass nicht mehr die Politik, sondern Manager diese Entscheidungen treffen sollen.

Abgeordneter DI REGLER (V): Heute werde der letzte Baustein im Zuge der größten Reform im österreichischen Eisenbahnwesen seit dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Neben einer Umsetzung von EU-Recht beinhaltet die Vorlage eine Verkürzung der Verfahrensdauer, damit Eisenbahnanlagen schneller gebaut werden können, sowie eine Ausweitung des Kreises der genehmigungsfreien Vorhaben. Den Antrag der Abgeordneten Moser, die für eine raschestmögliche Wiedervereinigung von ÖBB-Infrastruktur-Betrieb mit ÖBB-Infrastruktur-Bau eintritt, werde seine Fraktion ablehnen, da eine eindeutig sachgerechte Zuordnung bereits gegeben ist. Zum S-Antrag betreffend den Bau des Bahnhofes Wien-Europa Mitte stellte Regler fest, dass die Bundesregierung die erforderlichen Mittel genehmigt hat; es müssen nur noch die Genehmigungsverfahren abgewartet werden.

Abgeordnete SCHARER (S) hielt es für verkehrspolitisch äußerst bedenklich, dass durch die Regierungsvorlage einem Eisenbahnunternehmen die dauernde Betriebseinstellung einer Nebenbahn erheblich erleichtert wird. Die Bundesregierung verabschiede sich scheibchenweise von ihrem Versorgungsauftrag, kritisierte die Rednerin, von den 44 Nebenbahnen befinden sich schon 28 auf einer "Abschussliste". So soll etwa die für Pinzgauer Bahn in Aussicht gestellte Unterstützung u.a. für einen Straßenausbau zur Verfügung gestellt werden.

Gerade aus Tiroler Sicht habe das Projekt Brenner Basistunnel eine große Bedeutung, weil die Bevölkerung entlastet und der Wirtschaftsstandort gesichert werden muss, konstatierte Abgeordneter GAHR (V). Es müssen Antworten auf den steigenden Lkw-Verkehr gefunden und daher die Verlagerung von der Straße auf die Schiene erleichtert werden. Die Bahn müsse sich für die Zukunft rüsten, unterstrich Gahr.

Abgeordneter MARIZZI (S) wiederholte die Kritikpunkte seiner Fraktion am Gesetzentwurf und erinnerte u.a. an das Fehlen einer unabhängigen Kontrollbehörde. Außerdem verwahrte er sich dagegen, dass die Missstände bei den ÖBB auf die Beschäftigten abgeschoben werden.

Abgeordneter RÄDLER (V) verwies auf die Erfolge der ÖBB-Strukturreform. Es konnte nicht nur die Anzahl der Fahrgäste um eine Million gesteigert werden, es wurden auch 174 Mill. € eingespart.

Es sei ja erfreulich, dass die ÖBB immer mehr Menschen in die Ferne transportiert, aber es müssen auch Angebote vor Ort vorhanden sein, unterstrich Abgeordnete FLECKL (S). Das Schließen von Strecken sei schon jetzt an der Tagesordnung und den Menschen falle es immer schwerer, von "A nach B zu kommen".

Staatssekretär Mag. KUKACKA wies ausdrücklich darauf hin, dass die Behörde, d.h. die Politik, die Zustimmung zur Einstellung einer Bahn geben muss. Es ändere sich gar nichts an den Kompetenzen, alles bleibe so wie bisher. Völlig unrichtig sei auch, dass der Taktverkehr nicht mehr gewährleistet ist. Es wurde festgehalten, dass innerhalb der Hauptverkehrszeiten der Personenverkehr den Vorrang hat. Nur außerhalb der Hauptverkehrszeiten, also im Regelfall in der Nacht, kann die trassenzuweisende Behörde auch dem gemeinwirtschaftlichen Güterverkehr den Vorrang geben. Kukacka machte zudem darauf aufmerksam, dass keine Bahnen eingestellt wurden. Das Kilometerangebot wurden nicht reduziert, sondern sogar ausgebaut, stellte Kukacka mit Nachdruck fest.

Abgeordneter HEINZL (S) hielt es für verwerflich, dass es der Verkehrsminister nicht für notwendig erachtet, ins Parlament zu kommen und stattdessen im Fußballstadium sitzt. Das ÖBB-Schlamassel setze sich weiter fort, es gebe Verschlechterungen für die Pendler, weniger Züge, eine Benachteiligung des regionalen Nahverkehrs, eine ständige Verteuerung der Fahrpreise etc.

Bei der Abstimmung wurde zunächst die Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen; der G-Abänderungsantrag fand keine Mehrheit. Sodann wurde das Verkehrs-Arbeitsinspektionsgesetz einstimmig angenommen. Die (negativen) Ausschussberichte über den G-Antrag (Wiedervereinigung ÖBB-Infrastruktur Betrieb und ÖBB-Infrastruktur Bau) sowie den S-Antrag (Bau Bahnhof Wien-Europa Mitte) wurden mehrheitlich angenommen.

Änderung des Patentgesetzes, Nutzung von GPS und GALILEO

Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) kündigte an, dass ihre Fraktion dem Abkommen über die Förderung, Bereitstellung und Nutzung von GALILEO und GPS Satellitennavigationssystemen zustimmen werden. Eine gewisse Unsicherheit gab es im Ausschuss bezüglich des Patentgesetzes, weil davon auch die Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) betroffen sind. Nach genauer Durchsicht der Regelungen sei man aber zum Schluss gekommen, dass eine Zustimmung möglich ist.

Gerade im Interesse der KMU sei die Patentsicherheit, die ein Garant für den heimischen Standort ist, unabdingbar, erklärte Abgeordneter HAUBNER (V). Innovation, Forschung und Entwicklung sind die Schlüssel zum Erfolg von Morgen. Der Anteil an KMU mit eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist mit 59 % gemessen am Entwicklungsbudget und am EU-Durchschnitt relativ hoch. Im Jahr 2005 wurde beim Österreichischen Patentamt 3.484 Erfindungen angemeldet; 2.495 davon betrafen Patente. Ein eindeutiger Beweis für die Kreativität und Forschungsbereitschaft heimischer Betriebe, zeigte sich Haubner erfreut.

Abgeordnete Dr. HLAVAC (S) verwies darauf, dass es um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie gehe, die der Durchsetzung von geistigem Eigentum im Bereich Patentmarken und Musterschutz dient. Basis sei das TRIPS-Abkommen, das immer wieder heftig kritisiert wurde. Es sei sinnvoll, die Regelungen der Richtlinie zu konkretisieren, wobei es vor allem um Auskunftspflichten und eine genaue Ausformulierung der einstweiligen Verfügung geht.

GALILEO sei eine Erfolgsgeschichte und es spreche daher nichts dagegen, dafür zu stimmen, meinte Abgeordneter WITTAUER (F).

Schon im heurigen Jahr werde die Region Berchtesgaden einen Sprung ins Jahr 2010 machen und die Premiere des europäischen Satellitennavigationssystems GALILEO vorwegnehmen, informierte Abgeordneter BÖHM (V). Erst im Jahr 2010 werden genug Satelliten im All sein, um das System zu starten. GALILEO basiert auf einer Konstellation von 30 Satelliten und Bodenstationen, die Nutzer aus den verschiedensten Bereichen (Verkehrswesen, soziale Einrichtungen, Justiz, Zoll, Bauwesen, Rettungsdienste, Freizeit) mit Ortungsinformationen versorgen können. Das System stelle einen technologischen Durchbruch und eine gesellschaftliche Revolution dar, war Böhm überzeugt.

Abgeordneter PRÄHAUSER (S) kündigte ebenfalls an, dass seine Fraktion die beiden Vorlagen mittragen wird.

Abgeordneter PACK (V) ging in seiner Wortmeldung vor allem auf das Patentrecht ein. Eine Rechtssicherheit in diesem Bereich sei insbesondere für den Wirtschafts- und Investitionsstandort Österreich von großer Bedeutung.

Abgeordneter STEIER (S) wies darauf hin, dass Galileo das wichtigste europäische Technologieprojekt sei. Der Satellitennavigation werde erhebliches Marktpotential zugesprochen, skizzierte er. Allein in Europa seien 200.000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze in diesem Bereich zu erwarten. Der Kooperation zwischen den USA und Europa im Bereich der Satellitennavigation stimmt die ÖVP Steier zufolge gerne zu.

Abgeordneter KAINZ (V) machte geltend, dass in den letzten Jahren umfassende Investitionen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur erfolgt seien. Das Projekt Galileo ist für ihn, wie er sagte, nicht nur ein wichtiger Bestandteil der europäischen Raumfahrtpolitik, es trage auch viel zu mehr Verkehrssicherheit bei.

Abgeordneter SCHWEISGUT (V) gab zu bedenken, dass ein eigenes Satellitennavigationssystem Europa weniger abhängig von anderen Systemen wie GPS mache. Gleichzeitig seien Kooperationen mit anderen Systemen zu begrüßen, betonte er und zeigte sich in diesem Sinn über das vorliegende Abkommen erfreut.

Die Änderung des Patentgesetzes, des Halbleiterschutzgesetzes und des Markenschutzgesetzes wurde vom Nationalrat einstimmig verabschiedet. Ebenfalls einstimmig genehmigten die Abgeordneten das Abkommen über die Förderung, Bereitstellung und Nutzung von Galileo und GPS Satellitennavigationssystemen.

Im Anschluss an die 150. Sitzung fand eine weitere (151.) Sitzung des Nationalrats statt, die in der Geschäftsordnung vorgesehenen Mitteilungen sowie Zuweisungen durch den Präsidenten diente. (Schluss)