Parlamentskorrespondenz Nr. 652 vom 08.07.2008

Die Regierungsspitze stellt die umgebildete Regierung vor

Bilanz und Abrechnung zum Ende der Gesetzgebungsperiode

Wien (PK) – Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers zur Regierungsumbildung standen an der Spitze der Tagesordnung der ersten Plenarsitzung dieser Woche. Im Amt des Innenministers folgte die langjährige Parlamentarierin und zuletzt als Volksanwältin tätige Maria Fekter auf Günther Platter, der als Landeshauptmann von Tirol angelobt wurde. Staatssekretärin Heidrun Silhavy rückte als Frauenministerin nach, nachdem Doris Bures in das SPÖ-Management zurückgekehrt war. Andreas Schieder ist neuer Staatssekretär im Bundeskanzleramt.

Vor Eingang in die Tagesordnung gab die Präsidentin bekannt, dass die Grünen den Antrag stellten, dem Wissenschaftsausschuss zur Behandlung ihres Antrags 1/A eine Frist bis 9. Juli zu setzen und weiters beantragten, zu diesem Antrag eine Kurze Debatte abzuführen. Fristsetzungsanträge gab es weiterhin für die Anträge 116/A und 3/A (Justizausschuss), 357/A (Familienausschuss), 60/A (Gleichbehandlungsausschuss), 337/A (Sozialausschuss) sowie 15/A und 643/A (Verfassungsausschuss). Sämtlichen Ausschüssen soll zur Behandlung der genannten Anträge eine Frist bis 9. Juli gesetzt werden.

Bundeskanzler Dr. GUSENBAUER erklärte, er möchte die Gelegenheit nutzen, den ausgeschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung herzlich zu danken und den neuen Mitgliedern der Bundesregierung alles Gute für ihre Arbeit zu wünschen. Die heutige Sitzung biete sich an, Bilanz über die 18 Monate zu ziehen, in denen diese Regierung amtiert habe. Der Kanzler zog dabei ein positives Resümee. Es sei gelungen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, neue Arbeitsplätze zu schaffen und für die Arbeitnehmer zahlreiche Verbesserungen zu erreichen. Die soziale Fairness sei mithin gestärkt worden, worauf man gemeinsam stolz sein könne, da dies durchaus nicht überall in Europa gelungen sei.

Wichtig sei die Armutsbekämpfung gewesen, und auch hier habe man entsprechende Erfolge erzielt, was ein ganz wichtiger Schritt für den sozialen Zusammenhalt dieses Landes sei. Österreich sei sozial gerechter geworden unter seiner Regierung, und das halte er für den richtigen Weg, betonte Gusenbauer. Aber auch für Kinder und Jugendliche habe man wichtige positive Weichenstellungen vorgenommen, unterstrich der Kanzler.

Dennoch gebe es noch viele Punkte, die bis zum regulären Ende der Legislaturperiode hätten erledigt werden müssen, so die Gesundheitsreform, die Staatsreform sowie die Mindestsicherung und die Pflegereform.

Österreich stehe vor drei zentralen Herausforderungen. Dabei gehe es erstens die Teuerungswelle im Bereich von Energie und Lebensmitteln, worauf sozial gerechte Antworten gefunden werden müssten, um einkommensschwächere Schichten zu entlasten. Zweitens brauche man eine Bildungsoffensive, um auch künftig wettbewerbsfähig zu sein. Schließlich komme der Frage des sozialen Zusammenhalts eine entscheidende Rolle für die Zukunft zu. Die Sozialdemokratie werde sich weiterhin der sozialen Fairness annehmen und dies auch in der kommenden Wahlauseinandersetzung zum Ausdruck bringen, schloss der Kanzler.

Vizekanzler Mag. MOLTERER sprach davon, dass die EM ein Erfolg für Österreich gewesen sei, die eindrucksvoll bewiesen habe, was für ein sicheres Land Österreich sei, wofür dem gewesenen Innenminister zu danken sei. Die neue Innenministerin werde diesen Erfolgskurs fortsetzen, sie sei eine ausgewiesene Expertin und somit eine Garantin dafür, dass die Sicherheit in Österreich auch weiterhin bestens gewährleistet sei. Fekter sei konsequent und fair, und das sei die Grundlage für eine erfolgreiche Sicherheitspolitik.

Der Vizekanzler erklärte, weshalb er seine Entscheidung, die Koalition zu beenden, getroffen habe. Man habe zuletzt viele Entscheidungen nicht mehr treffen können, gerade im Bereich der Sicherheit und der Sozialpolitik. Der Weg der Gemeinsamkeit sei nicht mehr sichtbar gewesen, deswegen müsse man die Bürger befragen, welchen Weg sie zukünftig eingeschlagen wissen wollen. Es brauche Verlässlichkeit in der Politik und eine klare Linie. Die Menschen erwarteten Ehrlichkeit, man dürfe nicht mehr versprechen, als man halten könne. Sie erwarteten eine verlässliche Regierung, und für diese Maxime stehe er, betonte der Vizekanzler.

Für den Standort Österreich sei ein Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft erforderlich, dieses Konzept sei erfolgreich gewesen und habe Österreich stark gemacht. Sicherheit müsse groß geschrieben werden, auch die soziale und die ökonomische Sicherheit. In der Pflege etwa brauche es neue Antworten, man benötige neue Wege in der sozialen Sicherheit. So müsse man der Herausforderung der Teuerung entschlossen und zielgerichtet entgegentreten. Schließlich sei Europa nicht disponibel, hier müsse für eine klare und eindeutige Politik verfolgt werden. Deshalb lade er die Wählerinnen und Wähler ein, für eine klare Richtungsentscheidung zu sorgen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) meinte, Ionesco hätte kein absurderes Schauspiel schreiben können als jenes, das die Regierungsparteien hier böten. Erwiesenermaßen trete diese Regierung wegen völliger Handlungsunfähigkeit ab, es sei wenig originell, festzuhalten, dass dies die schlechteste "Große Koalition" gewesen sei, die dieses Land seit 1945 gehabt habe. Beide Parteien hätten die gesamte Zeit über nur danach getrachtet, sich gegenseitig zu blockieren.

Die Amtszeit dieser Regierung sei ein verlorenes Jahr für Österreich gewesen, jedes Monat, in denen diese Regierung bestanden habe, seien wichtige Weichen nicht gestellt werden, und der Schlusspunkt sei das Scheitern der Gesundheitsreform gewesen, hielt der Redner fest. Beide Parteien hätten sich nur den Interessen ihrer Organisationen verpflichtet gefühlt, die Anliegen der Patienten seien dabei überhaupt kein Thema gewesen. Ebenso wenig habe die Regierung nach Antworten auf die Preisexplosion gesucht. Nichts sei geschehen, die Bevölkerung zu entlasten. Bis zuletzt sei die Regierung säumig gewesen, und niemand wisse, wie das alles weitergehen soll.

Die Bildungspolitik sei sträflich vernachlässigt worden, die Integrationspolitik habe in die völlig falsche Richtung gewiesen, die Regierung habe sich gleich in mehrfacher Hinsicht lächerlich gemacht, weshalb er den Entschließungsantrag einbringe, der Regierung das Vertrauen zu versagen. Daran schloss der Redner Misstrauensanträge gegen den Kanzler, den Vizekanzler, den Landwirtschafts- und den Verkehrsminister an. Diese vier Politiker seien maßgeblich für die Entwicklung im Lande verantwortlich, sie sollten daher auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen müssen.

Abgeordneter Dr. CAP (S) sah eine beeindruckende Bilanz von Bundeskanzler Gusenbauer und eine deutlich sozialdemokratische Handschrift in der Arbeit der Bundesregierung. Die Rede des Vizekanzlers habe dagegen mutwillig geklungen und keinerlei Begründungen enthalten, warum jetzt nicht weiter gearbeitet werde, wie das wünschenswert wäre. Für die SPÖ sei es von Anfang an schwer gewesen, mit der ÖVP Regierungsarbeit umzusetzen, mit einem Partner, der vom ersten Tag nach der Wahl meinte, der Wähler habe sich geirrt. Der SP-Klubobmann erinnerte an die Blockadepolitik der ÖVP und zeigte sich überzeugt, dass der Wähler darüber urteilen werde.

Cap erinnerte auch an die Kritik Erwin Prölls am Spitzenkandidaten seiner Partei, dem es an "Mut und Weitblick fehlt", klagte, dass viele sicherheitspolitische Projekte nun nicht umgesetzt würden und kritisierte scharf Versuche der ÖVP bei den letzten Wahlen, das Innenministerium parteipolitisch zu missbrauchen.

Die ÖVP sei nicht bereit gewesen, eine steuerliche Entlastung der kleineren und mittleren Einkommen vorzuziehen, obwohl dies wirtschaftspolitisch richtig wäre, kritisierte Cap weiter und zeigte sich verwundert über das Beharren der Volkspartei auf automatischen Verschlechterungen für Pensionisten und generell über den permanenten Widerstand der ÖVP gegen wichtige soziale Fortschritte. Während die Sozialdemokraten gegen die Armut und für die Pflegebetreuung kämpften, verfolge die ÖVP ein neoliberales Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell und verstricke sich in innerparteiliche Widersprüche. Abgeordneter Neugebauer beschwöre in der Bildungsdiskussion Gespenster des 19. Jahrhunderts und blockiere die Gesundheitsreform mit der Forderung, die Reform dürfe in seinem Bereich nicht stattfinden. Abschließend untermauerte der SP-Klubobmann die Forderung seiner Partei, der EU eine breitere Legitimation zu geben und das Instrument der Volksabstimmung in die EU-Politik einzubeziehen. 

Abgeordneter STRACHE (F) kritisierte die Angelobung neuer Mitglieder in einer bereits gescheiterten Bundesregierung, zum Zeitpunkt, wo Neuwahlen bereits feststünden. Die große Koalition sei lediglich für große Streitereien gestanden und hinterlasse großes Chaos, kritisierte der Oppositionspolitiker. SPÖ und ÖVP hätten die Bevölkerung belastet, statt ihre Interessen ernst zu nehmen, sie habe nichts gegen die Armut getan und die Wähler "zur Weißglut getrieben". In der EU-Politik habe man sich dem Brüsseler Verfassungsdiktat unterworfen, Politik gegen das eigene Volk gemacht und sei nicht bereit gewesen, die Bevölkerung einzubinden. Die FPÖ stehe für Rot-Weiß-Rot, zuerst für Österreich und erst dann für die EU. Die Freiheitlichen sehen sich der österreichischen Bundesverfassung und zur Vertretung österreichischer Interessen verpflichtet und nicht der EU-Verfassung. Der abgehobene Weg von ÖVP und SPÖ gehe an der Bevölkerung vorbei, sagte Strache und sprach in diesem Zusammenhang von "Verrat".

In seinen weiteren Ausführungen sprach der FP-Klubobmann den Großkoalitionären jede soziale Verantwortung ab und erinnerte sie an ihre Versäumnisse beim Kampf gegen die Teuerung und bei der Abgeltung der Inflation für den Menschen. Das Pflegegeld habe seit seiner Einführung einen 20-prozentigen Wertverlust erlitten, die Kaufkraft der Bevölkerung sei geringer als vor 15 Jahren. In der Politik der Regierungsparteien habe Parteitaktik und Parteistrategie überwogen, staatspolitisch Verantwortung sei nicht erkennbar gewesen, sagte Strache. Dem designierten SPÖ-Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Faymann warf der Redner vor, als Wiener Wohnbaustadtrat die Gemeindebauten für Ausländer geöffnet zu haben und damit das Recht der Staatsbürger auf soziale Wohnungen verletzt zu haben. Die Wähler sah Strache nun aufgerufen, zu verhindern, dass Rot und Schwarz ihre Politik nach den Wahlen wie gewohnt fortsetzen können.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) dankte zunächst dem ehemaligen Bundesminister Platter für seine hervorragende Arbeit als Verteidigungs- und Innenminister und zeigte sich erfreut über die Ernennung Maria Fekters, bei der er das Innenressort in den besten Händen wisse. Österreich stehe nach der 18-monatigen Arbeit der Bundesregierung nicht schlecht dar. Der Exporterlös werde 2008 insgesamt den Wert von 170 Milliarden € übersteigen. Es herrsche Vollbeschäftigung, Schenkungs- und Erbschaftssteuer wurden abgeschafft, das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt, die Briefwahl eingeführt, das Kindergeld erhöht und junge Familien bei Geburten gebührenfrei gestellt. Der Kampf gegen die Teuerung sei mit Erfolg aufgenommen und eine hervorragende Fußballeuropameisterschaft durchgeführt worden.

Die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon sei kein "Kniefall" gewesen, hielt der VP-Klubobmann fest und sah keinen Anlass von einem "EU-Diktat" oder von "Verrat" zu sprechen. Er stimme voll und ganz mit Aussagen des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt überein, der kürzlich sagte, das wiedervereinigte Deutschland stünde ohne die europäische Integration und ohne die Hilfe der europäischen Nachbarn nicht so da, wie es dastehe. Dasselbe gelte für Österreich, sagte Wolfgang Schüssel und fügte hinzu: "Sagen wir Ja zur Europäischen Union".

In der Diskussion über das Scheitern der Koalition, die er gewollt habe, erinnerte Schüssel an den Streit in der SPÖ über Programm und Kurs der Regierung und mit dem eigenen Parteiobmann. Heute sei man sogar mit der EU zerstritten. Die ÖVP sei nicht für die interne Krise der SPÖ verantwortlich, die letztlich zum Sturz des Bundeskanzlers geführt habe. Vertrauen sei wichtig, zur eigenen Führung und zum Partner. Nicht für möglich gehalten habe er den EU-Kurswechsel der SPÖ in Methode und Inhalt nach dem Motto "Ja, aber" und das Abschicken des berühmten Briefes ohne Information der eigenen Parteigremien, des Bundespräsidenten und des Koalitionspartners. Er halte das für beschämend, weil man aus Überzeugung handeln müsse und nicht dem Boulevard zuliebe alle Grundsätze über Bord werfen dürfe und warf der SPÖ "Verrat an ihrer eigenen Seele" vor.       

Abgeordneter WESTENTHALER (B) zeigte eingangs seiner Rede kein Verständnis dafür, dass in einer bereits gescheiterten Regierung neue Mitglieder angelobt werden. Gegenüber seinem Vorredner hielt der Abgeordnete fest, es könne in einer Demokratie niemals "Verrat" sein, sich in einer politischen Entscheidung für die Mitbestimmung der Bürger auszusprechen. Wer von den Bürgern gewählt werden wolle, den Bürgern aber zugleich eine Volksabstimmung verweigere, verstricke sich demokratiepolitisch in Widersprüche, sagte Westenthaler in Richtung ÖVP.

Die große Koalition habe keine großen Probleme gelöst, sie hinterlasse lediglich großen Schaden. Beide Regierungsparteien hätten die Probleme der Menschen nicht erkannt und nichts zu ihrer Lösung beigetragen. Die Folge seien Rekordbelastungen, hohe Preise, eine Million Menschen in Armut, Bestrafung der Leistung bei Belohnung der Faulheit und die Aussicht für junge Menschen, trotz höherer Pensionsbeiträge bis 70 Jahre arbeiten zu müssen. Die Steuerreform werde auf den "Sankt Nimmerleinstag" verschoben, obwohl der Finanzminister Milliarden an Mehreinnahmen verzeichnet. Das BZÖ stelle daher den Antrag, dem Bundeskanzler das Vertrauen zu versagen. "Die Regierungsparteien laufen davon und lassen die Menschen mit ihren Problemen im Stich".

Im Hinblick auf die bevorstehenden Nationalratswahlen wandte sich Westenthaler gegen jede Ausgrenzung von Parteien, aber auch gegen jede Selbstausgrenzung von Parteien bei der Regierungsbildung. Das BZÖ sei bereit, Österreich aus der Krise zu holen, während Grüne und FPÖ wegen ihrer Weigerung, nach der letzen Wahl in eine Regierung einzutreten, mitverantwortlich für die Krise seien.

Innenministerin Dr. FEKTER habe ihr Amt als Volksanwältin nicht leicht aufgegeben, weil sie es als eine große Aufgabe angesehen habe, für die Sorgen der Österreicher zur Verfügung zu stehen. Auch als Innenministerin werde ihr kein Problem der Menschen zu klein sein. Sie werde immer ein offenes Ohr haben, wenn es um die Sicherheit der Österreicher gehe. "Sicherheit ist ein Menschenrecht", dieser Grundsatz sei ihre Devise, sagte die neue Ressortleiterin und wandte sich gegen jeden Versuch, die Werte der Sicherheit, der Freiheit und des Rechtsstaates gegeneinander auszuspielen. Was habe man von Freiheit und Besitz, wenn die Sicherheit nicht gewährleistet sei, fragte Fekter rhetorisch und bekannte sich nachdrücklich dazu, der Polizei das bestmögliche Werkzeug beim Kampf gegen das Verbrechen zu geben.

Sie habe kein Verständnis dafür, die hervorragende Arbeit der Exekutive in Frage zu stellen oder aus parteipolitischen Motivationen schlecht zu machen, sagte Maria Fekter. Die Polizei könne, solange sie rechtlich handle, mit ihrer hundertprozentigen Unterstützung rechnen, betonte die Ministerin, die aber zugleich null Toleranz für schwarze Schafe erkennen ließ.

Beim Opferschutz seien Fortschritte erzielt worden, zeigte sich die ehemalige Vorsitzende des Justizausschusses erfreut und sagte einmal mehr: "Opferschutz kommt bei mir vor Täterschutz". Abschließend bekräftigte die neue Innenministerin den Respekt vor dem Hohen Haus und sagte den Abgeordneten intensive Kooperation zu.

Abgeordneter PARNIGONI (S) würdigte den Einsatz von Bundeskanzler Gusenbauer für die Einrichtung des Asylgerichtshofs, der seine Tätigkeit bereits aufgenommen habe und nun dafür sorge, dass Asylwerber nicht jahrelang auf Entscheidungen über ihr Aufenthaltsrecht in Österreich warten müssen. Unter der Verantwortung von ÖVP-Innenministern habe die Aufklärungsquote bei Straftaten stark abgenommen, kritisierte Parnigoni, eine Entwicklung für die nicht Exekutivbeamte, sondern schlechte Organisation und Versäumnisse der ÖVP verantwortlich seien. Die Einrichtung einer Sexualstraftäterdatei etwa sei wegen Versäumnissen im Innenministerium gescheitert, auch beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität habe die ÖVP Versäumnisse zu verantworten.

Die SPÖ stehe zur Europäischen Union, sie werde aber dafür sorgen, dass die Bürgerinnen besser in europäische Entscheidungen eingebunden werden. Die Ziele der SPÖ bei den kommenden Wahlen lauten auf Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen für die Menschen. Er sei überzeugt, dass die Sozialdemokraten damit erfolgreich sein werden, schloss Parnigoni.

Abgeordneter DI MISSETHON (V) warf der SPÖ Legendenbildung vor und betonte, der Auslöser für den Bruch der Koalition sei die Führungs- und Orientierungslosigkeit der SPÖ gewesen, ganz Österreich habe dies ja mitverfolgen können.

Im übrigen würdigte Missethon die Leistungen des ehemaligen Innenministers Platter, wobei er vor allem die Zusammenarbeit mit den EU-Partnern im Schengenraum und anlässlich der Euro hervorhob, die zu einem Mehr an Sicherheit geführt habe. Platter habe damit gezeigt, dass man gemeinsam in Europa wesentlich mehr zustande bringen könne als im Alleingang. Missethon kündigte an, die ÖVP werde weiterhin ihren Weg als konsequente und faire Sicherheitspartei gehen und dabei auch in den nächsten Jahren Zuwanderung, Asyl und Integration als Grundlagen achten. Klar sei aber auch, dass jene, die nach Österreich kommen wollen, auch drei Pflichten zu erfüllen haben: Deutsch lernen, arbeiten wollen und sich in unsere Lebensordnung einfügen, unterstrich Missethon.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) gab der Regierung die Schuld für zwei Jahre Stillstand in Österreich und zeigte vor diesem Hintergrund keinerlei Verständnis für das Stillhalteabkommen zwischen SPÖ und ÖVP. Die Rednerin drängte mit Nachdruck auf Lösungen in den Bereichen Vatermonat, Steuerentlastung, Rettung der Krankenkassen, Abschaffung der Studiengebühren sowie gesetzlicher Mindestlohn und kündigte entsprechende Fristsetzungsanträge ihrer Fraktion an. Sie lud überdies die Abgeordneten ein, eine Wahlkampfkostenbegrenzung zu beschließen, und erinnerte an einen diesbezüglichen Präzedenzfall aus dem Jahr 1975.

Abgeordneter KICKL (F) sprach rückblickend von der schlechtesten Regierung, die Österreich je gehabt hatte, und meinte, die SPÖ werde auch durch den Austausch der Köpfe ihre gebrochenen Wahlversprechen nicht vergessen machen können. Die ÖVP wiederum machte der Redner für, wie er sagte, soziale Eiszeit verantwortlich und bezichtigte sie zudem auch des "Drüberfahrens" in Sachen Mitbestimmung und direkter Demokratie. In der Sicherheitspolitik warf Kickl der Volkspartei vor, nichts gegen Asylmissbrauch unternommen zu haben.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) qualifizierte die Arbeit der Regierung als gescheitert und merkte an, die Koalition habe es trotz ihrer großen Mehrheit nicht zustande gebracht, die Steuern und Abgaben zu senken, die Pensionen zu sichern, Einsparungspotentiale in der Gesundheitspolitik zu nützen oder die Staatsreform umzusetzen.  

Bundesministerin SILHAVY bekannte sich zu einer selbstbewussten, eigenständigen und solidarischen Frauenpolitik. Hilfsinstrumente wie Quotenregelung, Frauenförderungspläne und Gender-Mainstreaming seien notwendig, um die nach wie vor nicht bestehende Chancengleichheit zu erreichen, war für die neue Ressortchefin klar. Als wichtig erachtete Silhavy auch das Schließen der Einkommensschere und die Überprüfung der Entgeltsfindungssysteme auf allfällige Diskriminierungstatbestände. Als Handlungsauftrag verstand sie weiters die Erhöhung des Pflegegeldes und die Entlastung der mittleren Einkommen durch eine künftige Steuerreform.

Abgeordnete Mag. WURM (S) resümierte, die SPÖ habe in der Regierung viel für die Frauen weitergebracht. Die Rednerin hob dabei insbesondere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch den Kampf gegen Gewalt in den Familien, das Engagement bei der Armutsbekämpfung sowie allgemein den Grundsatz des Gender-Mainstreaming als positive Leistungen hervor.

Abgeordnete RAUCH-KALLAT (V) sprach Doris Bures ihren Dank für die Erhöhung der Mittel für die Interventionsstelle gegen Gewalt aus und verbuchte überdies die Flexibilisierung des Kindergeldes auf der Habenseite der Regierung. Zu Heidrun Silhavy bemerkte sie, die neue Ministerin hätte sich Besseres verdient, als von den Herren in ihrer Partei als Verlegenheitslösung behandelt zu werden.

Abgeordneter Dr. PILZ (G) stellte fest, den Grünen reiche es nun auch. Es reiche, dass in der Regierung ein ÖVP-Obmann, der zu nichts, und ein SPÖ-Obmann der, zu allem fähig ist, sitzen. Heftige Kritik übte der Redner an Stillhalteabkommen, wobei er meinte, die SPÖ hätte noch zwei Tage Zeit, mit einer Mehrheit im Parlament wichtige Maßnahmen zu beschließen, etwa die Abschaffung der Studiengebühren und die Sanierung der Krankenkassen. Auch forderte Pilz die Sozialdemokraten auf, den Untersuchungsausschuss nicht "abzudrehen".

Abgeordneter WEINZINGER (F) brachte im Zusammenhang mit dem Fall Arigona das Thema Asylmissbrauch zur Sprache und forderte die Innenministerin in einem Entschließungsantrag auf, weitere medizinische Gutachten einzuholen, um Arigona und ihre Mutter zum nächstmöglichen Zeitpunkt abschieben zu können.

Abgeordnete HAUBNER (B) bezeichnete die Regierungsumbildung vor dem Hintergrund der bevorstehenden Auflösung des Nationalrates als skurril. Das Ende der Koalition sei nun aber, wie sie sagte, eine große Chance für Österreich, dass glaubwürdige und verlässliche Politiker mit Verstand und Herz für die Zukunft des Landes arbeiten können und in die Entlastung der Bürger und Unternehmen, in soziale Sicherheit und in ein Gesundheitssystem investieren, das nicht in ein Zwei-Klassen-System abdriftet.

Staatssekretär Mag. SCHIEDER versicherte, er werde die verbleibende Zeit dazu nützen, anstehende Projekte umzusetzen oder auf Schiene zu bringen. Als seine Ziele nannte er dabei die weitere Professionalisierung der Ausbildung der Bundesbediensteten, die Reduzierung der zahlreichen Nebengebühren sowie die Entwicklung der Eckpunkte eines einheitlichen Dienst- und Besoldungsrechtes.

Abgeordneter PENDL (S) rief dazu auf, den öffentlichen Dienst nicht immer nur als Kostenfaktor zu sehen, sondern vielmehr auch zu berücksichtigen, dass es hier um Menschen geht, die eine hervorragende Leistung erbringen.

Abgeordneter AMON (V) sah die Hauptverantwortung für das Scheitern der Gesundheitsreform bei der SPÖ, der er vorwarf, auf einen großzügigen Kompromissvorschlag der ÖVP nicht eingegangen zu sein. Hauptproblem sei nicht die Frage der Kontrolle, sondern die Situation der maroden Gebietskrankenkassen unter SPÖ-Einfluss, stand für Amon fest.

Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) warf der ÖVP vor, ihre Innenpolitik bloß auf die Deutschkenntnisse der Zuwanderer zu konzentrieren.

Abgeordneter Dr. FICHTENBAUER (F) untermauerte die EU-Kritik seiner Fraktion und stellte fest, es gebe eklatante Widersprüche zwischen dem Europa der feierlichen Reden und den tatsächlichen Erfahrungen.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) vermisste Problemlösungskompetenz der Bundesregierung vor allem in den Bereichen Inflationsbekämpfung, Benzinpreis und EU-Vertrag.

In einer Tatsächlichen Berichtigung wies Abgeordneter NEUGEBAUER (V) die Behauptung von Abgeordnetem Cap zurück, er wolle in der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter keine Kontrolle zulassen.

Abgeordneter KÖFER (S) machte Abgeordneten Westenthaler darauf aufmerksam, dass in Kärnten mittlerweile das gesamte Landesvermögen verkauft worden sei. Dazu käme eine Reihe von "Finanzdebakel", etwa in Zusammenhang mit der finanziellen Gebarung der Wörthersee-Bühne und beim Verlust von Millionen Steuer- und Spendengeldern in Banda Aceh. Gleichzeitig weise Kärnten die höchste Verschuldung in seiner Geschichte auf.

Abgeordneter Mag. KUKACKA (V) erinnerte an eine Aussage des neuen SPÖ-Spitzenkandidaten Werner Faymann im Juni, wonach die Sozialdemokratie den Umstieg von der Opposition in die Regierung nie wirklich geschafft habe. Dieser Aussage sei vollinhaltlich zuzustimmen, sagte er. Kukacka warf der SPÖ vor, eine Doppelstrategie verfolgt und u.a. durch den Untersuchungsausschuss Zwietracht und Konflikte in die Koalition gebracht zu haben.

Abgeordneter Mag. ROSSMANN (G) meinte in Anlehnung an Vizekanzler Molterer: "Ehrlich, es reicht". Während die Regierung "den Reichen und Superreichen" im Juni ohne Not ein weiteres Steuerprivileg zugestanden habe, müsse die breite Masse weiter hohe Nettoreallohnverluste infolge der hohen Inflation und der kalten Steuerprogression in Kauf nehmen, beklagte er. Rossmann urgierte in einem Entschließungsantrag der Grünen daher eine sofortige spürbare Steuerentlastung für untere und mittlere Einkommen.

Abgeordneter THEMESSL (F) machte geltend, die Koalition habe trotz Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und ausgezeichneter Konjunkturdaten nichts zustande gebracht. Massive Kritik übte er dabei vor allem an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Kleine und mittlere Betriebe würden zunehmend belastet, bemängelte er, die Transportwirtschaft drohe "ausgerottet zu werden". Molterer sei als Finanzminister die gesamte Zeit "nicht präsent gewesen". Themessl brachte daher einen Misstrauensantrag gegen Molterer ein.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) zog eine kritische Bilanz der Arbeit der Großen Koalition. Vieles sei liegen geblieben, meinte er, und verwies etwa auf die Steuerreform und die Gesundheitsreform. Dafür habe man unnötiger Weise die Sozialpartner in der Verfassung verankert. Zur Pensionsautomatik merkte Dolinschek an, ihm wäre eine automatische Lohnanpassung lieber.

Zu konkreten Themen brachte Dolinschek drei Entschließungsanträge ein. Das BZÖ fordert die Einführung eines freiwilligen Vatermonats in Form eines einmonatigen Parallelbezugs von Kinderbetreuungsgeld für Väter unmittelbar nach der Geburt eines Kindes, die Auszahlung eines einmaligen Teuerungsausgleichs für die "exorbitant gestiegenen Lebensmittel- und Treibstoffpreise" an besonders betroffene Bevölkerungsgruppen und eine umgehende Erhöhung des Pflegegelds um mindestens 5 %.

Bei der Abstimmung blieben alle sieben Misstrauensanträge der Opposition in der Minderheit. Die Opposition stimmte dabei geschlossen für die Misstrauensanträge der Grünen und des BZÖ gegen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, während der Grüne Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung über die Antragsteller hinaus keine Unterstützung fand. Für ein Versagen des Vertrauens gegenüber Vizekanzler und Finanzminister Molterer, Verkehrsminister Werner Faymann und Landwirtschaftsminister Josef Pröll sprachen sich Grüne und FPÖ aus.

Gleichfalls abgelehnt wurden der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend Abschiebung von Mutter und Tochter Zogaj, der Entschließungsantrag der Grünen betreffend sofortige steuerliche Entlastung der unteren und mittleren Einkommen und die Entschließungsanträge des BZÖ betreffend freiwilliger Vatermonat, betreffend Teuerungsausgleich sowie betreffend Erhöhung des Pflegegeldes. (Schluss Regierungsumbildung/Forts. NR)