Parlamentskorrespondenz Nr. 740 vom 09.09.2008
Reichstag 1848: Ein heißer Sommer in der Winterreitschule (4)
Wien (PK) – Eine Kette runder historischer Jahrestage machen das Jahr 2008 für Österreich zu einem historischen Gedenkjahr. Im März hatte Hitlers Einmarsch im Jahr 1938 Gelegenheit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel der österreichischen Geschichte geboten. Im Herbst geht es um die Gründung der Republik Österreich im November 1918. Bis dahin wirft die "Parlamentskorrespondenz" einen historischen Blick auf ein anderes markantes Datum in der Geschichte des österreichischen Parlamentarismus: das Ende der bäuerlichen Untertänigkeit. Beiträge zu diesem Thema siehe PK Nr. 710, PK Nr. 719 und PK Nr. 726. Mit dem heutigen Beitrag schließen wir unsere Kurzserie ab.
Nach Schluss der Debatte über die "Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit" trat der Reichstag in seiner 32. Plenarsitzung am 29. August 1848 in die Abstimmungsphase ein. Präsident Anton Strobach, der die Reichstagssitzungen seit dem krankheitsbedingten Rücktritt seines Amtsvorgängers Franz Schmitt am 18. August als Präsident des Reichstages leitete, hatte den "Kudlichschen Antrag" und die "Amendments", die vielen Verbesserungs- und Zusatzanträge der anderen Abgeordneten, abzustimmen. Die Geschäftsordnung sah vor, zunächst über jenen Antrag zu entscheiden, der den geltenden Rechtszustand am stärksten verändert und dann der Reihe nach über die anderen Anträge abzustimmen. Angesichts von 60 komplexen Anträgen ließ dieses Verfahren jedoch kein in sich widerspruchsfreies Abstimmungsergebnis erwarten.
Der Präsident schlug daher vor, die Anträge - abweichend von der Geschäftsordnung - nicht im Ganzen abzustimmen, sondern in Form von 159 Einzelfragen, die er aus dem Konvolut der Anträge herausgearbeitet hatte. Seine Mühe war vergebens. Einerseits bestanden viele Abgeordnete auf ungeteilter Abstimmung ihrer Anträge, andererseits fürchteten "Entschädiger" und "Befreier", wie Hans Kudlich analysierte, sowohl präjudizielle Grundsatzentscheidungen als auch Detailbeschlüsse mit Nachteilen für Grundherren oder Bauern.
Die Ratlosigkeit nach der Ablehnung von Strobachs Abstimmungsmodus stürzte den Reichstag in eine Krise. Je nach Temperament reagierten die Abgeordneten mit hektischem Aktivismus oder Verzweiflung. Abgeordneter Franz Pillersdorf verlangte, das Untertänigkeitsverhältnis sofort aufzuheben. Abgeordneter Franz Peitler forderte alle Antragsteller auf, "noch heute" einen neuen Hauptantrag auszuarbeiten. Die Abgeordneten Wilhelm Polaczek, Karl Klaudy und Eberhard Jonak wollten einen Ausschuss zur Unterstützung des Präsidenten bei der Ausarbeitung eines neuen Abstimmungsmodus bilden. Zudem löste Justizminister Alexander Bach Aufregung mit der Bemerkung aus, die Regierung betrachte die Entschädigungsfrage als eine Kabinettsfrage. Von ungünstigen Stimmungen in der Bevölkerung gegen den Reichstag berichtete Abgeordneter Johann Umlauft und Abgeordneter Adolf Fischhof resümierte bitter: "Im Streben gründlich zu sein, sind wir an einen Abgrund gelangt".
Parteien entstehen
Einen Weg aus dem Dilemma zeigte Hans Kudlich auf. Er wies die "Entschädiger" darauf hin, dass unter den Abgeordneten eine Mehrheit für eine "billige Entschädigung" der Grundherren durch den Staat eintrete, es sei daher auszuschließen, dass der Reichstag eine Entschädigung von vornherein verwerfen könnte. Unterstützt von den Abgeordneten Alois Borrosch, Ludwig Löhner, Josef Lasser und Cajetan Mayer regte Kudlich eine Vertagung der Sitzung und "Privatgespräche" zwischen den verschiedenen Gruppen über eine Einigung in der Abstimmungsfrage an. Jetzt war im Parlament von "Fraktionsgesprächen" die Rede und Abgeordneter Cajetan Mayer begrüßte ausdrücklich das "Entstehen von Parteien im Reichstag". Die Bildung von Fraktionen registrierten auch die Stenographen, die Zwischenrufe und Beifall immer häufiger politisch zuordneten: "von rechts", "im Zentrum", "von links".
Für ihren Initiator Hans Kudlich verliefen die ersten Parteiengespräche in der österreichischen Parlamentsgeschichte ungünstig. Am 30. August 1848 räumte er das Scheitern seines Versuchs ein, Anträge anderer Abgeordneter mit dem eigenen zu vereinen. Kudlich hielt seinen Antrag zur Aufhebung von Untertänigkeit und feudalen Lasten aufrecht, wollte Fragen der Entschädigung und alle anderen Details weiterhin in einem Ausschuss aus jeweils drei Abgeordneten jedes Gouvernements klären und aufgehobene Rechte feudaler Herkunft nur vom Staat entschädigen lassen. Die Aufhebung der Untertänigkeit sollte der Reichstag selbst proklamieren und damit seine Souveränität betonen, schlug Hans Kudlich einmal mehr vor.
Vor der Entscheidung
Erfolgreicher war Abgeordneter Lasser, der in der Sitzungspause 25 Anträge in einem "Collektiv-Amendment" vereinigt und damit weitere Abgeordnete veranlasst hatte, ihre Anträge zurückzuziehen. Die Mehrheit der Abgeordneten gab Lassers "Collektiv-Amendment" Priorität bei der Abstimmung, weil es die Entschädigungsfrage eindeutig positiv beantwortete. Die Abgeordneten Matthias Kautschitsch, Matthias Hawelka, Georg Lubomirski, Cajetan Mayer und Franz Brauner wollten die Robot und andere persönliche Lasten der Bauern wie Kudlich ohne Entschädigung aufheben, die Grundherren für den Verlust anderer feudaler Rechte - die sie im Unterschied zu Kudlich als "dingliche Eigentumsrechte" interpretierten – aber entschädigen. Damit sahen sie, wie auch Abgeordneter Praschak, "der Grundentlastung im vollsten Umfang den Weg geebnet".
Gegen Josef Lassers "Collektiv-Amendment" standen Hans Kudlich, die Bauern und jene Liberalen, die eine generelle Entschädigung dinglicher Eigentumsrechte der Grundherren "ungeachtet ihres Ursprunges" ablehnten. Diese Abgeordneten wollten die Bauern ohne Entschädigung der Grundherren entlasten oder wie Kudlich, in Ausnahmefällen einer "billigen Entschädigung durch den Staat" zustimmen. Dazu kamen Abgeordnete, die ihre Anträge nicht mit Lasser vereinigt hatten. Der galizische Abgeordnete Franz Smolka etwa lehnte die Einrichtung von Provinz-Entschädigungsfonds ab, weil er Nachteile für Bauern in Agrarprovinzen fürchtete, da diese dort für den Großteil der Steuern aufkommen mussten.
Dramatische Abstimmungen
Der Abstimmungsvorgang, den Präsident Strobach in der Sitzung am 31. August 1848 auf Basis des "Collektiv-Amendments" endlich einleitete, gestaltetet sich tumultuös. Der Präsident hatte alle Hände voll zu tun, die Abgeordneten beim beschlossenen Abstimmungsmodus zu halten. Heftige Debatten zur Geschäftsordnung erschwerten auch die Protokollführung. "Während der Rede herrscht im Hause eine Unruhe, die die genaue Auffassung der Rede verhindert", vermerkten die verzweifelten Stenographen mehr als einmal im Protokoll.
Zunächst beschloss der Reichstag einstimmig die Aufhebung der Untertänigkeit und des schutzobrigen Verhältnisses, die Entlastung von Grund und Boden und die Aufhebung aller Unterschiede von Dominical- und Rustical-Gütern "unter rauschendem Beifall". Die Aufhebung "aller aus dem Untertänigkeitsverhältnis entspringenden, dem untertänigen Grund anklebenden Lasten, Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art" erfolgte einstimmig und unter "stürmischem Beifall".
Als somit die "bäuerliche Untertänigkeit" und alle feudalen Lasten aufgehoben, die Entschädigungsfrage aber noch offen war, versuchten Abgeordnete der Linken, die Abstimmung zu beenden. Ihr Motiv war klar: "Werden die folgenden Punkte angenommen, fallen alle übrigen und die Hauptschlacht für die Bauern ist verloren", sagte Abgeordneter Franz Peitler. Die Abgeordneten Johann Umlauft, Ernst Violand und Johann Scherzer hielten die Entschädigungsfrage wegen fehlender statistischer Grundlagen für nicht entscheidungsreif. Die Abgeordneten Ludwig Löhner und Ferdinand Thinnfeld kündigten an, Entscheidungen für eine Entschädigung bei der Abstimmung über nicht vereinigte Amendments korrigieren zu wollen, womit sie aber Abgeordneten Franz Rieger auf den Plan riefen, der ihre Absicht durch einen erfolgreichen Antrag zur Geschäftsbehandlung vereitelte.
In der Entschädigungsfrage entschied sich der Reichstag auf Antrag des Abgeordneten Alois Borrosch mehrheitlich für eine während des Abstimmungsvorganges vorgelegte Formulierung des Abgeordneten Matthias Kautschitsch: "Für einige dieser aufgehobenen Lasten ist eine Entschädigung zu leisten, für andere nicht"
Ermutigt durch diesen Erfolg Borroschs und Kautschitschs drängten nun auch andere Abgeordnete auf Änderungen des Abstimmungsmodus und lösten neuerlich eine heftige Geschäftsbehandlungsdebatte aus. Als die Situation auch nach wiederholter mehrheitlicher Bekräftigung des beschlossenen Procedere völlig unübersichtlich wurde, erzwang Präsident Strobach die Einhaltung der Beschlüsse, indem er seinen Rücktritt für den Fall androhte, "dass der Abstimmungsmodus noch einmal in Zweifel gezogen würde".
In der Abstimmung fortfahrend beschloss der Reichstag mit Mehrheit, alle aus dem persönlichen Untertansverbande, dem Schutzverhältnis, dem obrigkeitlichen Jurisdiktionsrecht und aus der Dorfherrlichkeit entspringenden Rechte und Lasten ohne Entschädigung aufzuheben. Für aufgehobene Arbeitsleistungen, Natural- und Geldabgaben von Bauern, die vertraglich außerhalb des Untertänigkeitsverhältnisses vereinbart worden waren, beschloss der Reichstag mehrheitlich eine "billige Entschädigung" der Grundherren. Entgeltlich sollten Holzungs- und Weiderechte sowie die Servitutsrechte zwischen den Obrigkeiten und ihren bisherigen Untertanen aufhören, unentgeltlich hingegen das Blumensuch- und Weiderecht der Grundherren sowie die Brach- und Stoppelweide.
Einstimmig beschloss der Reichstag dann auf Antrag des Abgeordneten Franz Smolka, zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs "eine Commission (Ausschuss) aus Abgeordneten aller Provinzen zu bilden". Der Auftrag des Plenums für diesen Ausschuss wurde in namentlicher Abstimmung mit 224 Ja- gegen 125 Nein-Voten fixiert. Er lautete auf entgeltliche Aufhebung der im Rahmen von Erbpachtverträgen zwischen Grundherren und Bauern vereinbarten wechselseitigen Bezüge und Leistungen. Der Ausschuss sollte auch Aufhebung oder Regulierung der Servitutsrechte klären, Maßstab und Höhe der zu leistenden Entschädigung und die Entschädigungsquote für jede Provinz festlegen sowie über die Dotierung des für jede Provinz zu bildenden Entschädigungsfonds entscheiden. Auf Antrag des Abgeordneten Cajetan Mayer wurde noch eine Formulierung eingefügt, die eine Entscheidung für eine staatliche Entschädigung ermöglichte. Zudem sollte der Ausschuss strittige Entschädigungsfragen klären.
Dann beschloss der Reichstag mit Mehrheit die provisorische Fortführung von Gerichtsbarkeit und politischer Verwaltung durch die Patrimonial-Behörden auf Kosten des Staates bis zur Einführung staatlicher Behörden. Minister Bach kündigte auf Antrag des Abgeordneten Wilhelm Polaczek dazu Gesetzentwürfe an.
Kudlichs Niederlage
Ein Großteil des "Kudlichschen Antrages", der dann zur Abstimmung kam, war durch die vorangegangenen Beschlüsse bereits erledigt. Nach Klärung von Detailfragen zur Aufhebung nicht untertäniger "Lehensverhältnisse" erzielte Kudlich in namentlicher Abstimmung eine Mehrheit von 178 Ja- zu 120 Nein-Stimmen für die Entschädigung der Aufhebung dinglicher Feudalrechte durch den Staat. Bei der Zusammensetzung des Ausschusses zur Ausarbeitung des Grundentlastungsgesetzes entschieden sich die Abgeordneten für jeweils drei Mitglieder aus jedem Gouvernement und traten mehrheitlich auch dafür ein, ihren Beschluss über die Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit im Namen des Reichstages zu proklamieren.
Diese Beschlüsse über einzelne Punkte des "Kudlichschen Antrages" erlangten aber keine Rechtskraft, weil es der Reichstag ablehnte, sie auch "im Ganzen" abzustimmen. Dies löste große Aufregung aus, zumal Präsident Strobach in der turbulenten Abstimmung die dünne Mehrheit von 152 zu 148 Stimmen gegen Kudlich erst durch Auszählung der Gegenstimmen ermittelt hatte. Überdies behaupteten Abgeordnete der Linken, bei der Abstimmung seien "auch anwesende Journalisten" mitgezählt worden. Die Abgeordneten Karl Hubicki und Ernst Violand setzten schließlich auch die Einsetzung eines Ausschusses "zur Untersuchung unparlamentarischer Influenzierungen" gegen Franz Stadion durch, der galizische Abgeordnete, die kein Deutsch sprachen, beeinflusst haben soll, indem er ihnen sagte, Kudlichs Antrag ziele auf die Abschaffung der Monarchie.
Mit Beschlüssen für die Aufhebung des untertänigen Bier- und Branntweinzwanges und mehrheitlich herbeigeführten Feststellungen zur Erledigung noch nicht abgestimmter Anträge betreffend Inleute und Häusler, Hirschenheu, Jagd- und Fischereifragen, Gerichte und Gemeinden, Bergrecht, Armen- und Waisenversorgung sowie über die Entlassung unwürdiger Patrimonialbeamter endete der Abstimmungsprozess über den "Kudlichschen Antrag" in der 37. Reichstagssitzung am 5. September 1848.
Nun hatte der Reichstag noch zu klären, in welcher Form die "Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit" kundgemacht werden sollte. Schon während der Abstimmung war Abgeordneter Ernst Violand mit Justizminister Bach in einen Streit über das Recht des Reichstages zur Gesetzesproklamation geraten. Der Minister vertrat seine Ansicht, Reichstagsbeschlüsse bedürften der Sanktion des Monarchen und der Kundmachung durch die Regierung, um Gesetzeskraft zu erlangen, was weit gehende Erörterungen über die - mangels Verfassung - noch offene Frage nach sich zog, welche Kompetenzen Kaiser, Regierung und Reichstag künftig in der Gesetzgebung haben sollten. Die Rechte fürchtete ein Präjudiz zugunsten einer unbeschränkten Parlamentsherrschaft, während die Linke ein starkes Signal an die Bauern und für einen möglichst souveränen Reichstag setzen wollte. Letztlich setzten sich Abgeordneter Alois Borrosch durch, der die Sanktion des Monarchen als "Vereinigung der ausübenden und gesetzgebenden Gewalt zur Gültigerklärung eines Gesetzes" interpretierte sowie Abgeordneter Franz Hein, der vor "jedem Schein des Republikanismus" warnte und das Recht der Krone unterstrich, "das ihr nach constitutionellen monarchischen Prinzipien notwendig gebührt".
Nach Redaktion durch das Vorstandsbüro wurden die Beschlüsse zur "Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit" von Präsident Strobach an die Regierung übermittelt. In der 40. Sitzung des Reichstages am 11. September 1848 gab Präsident Strobach bekannt, der Kaiser habe den Beschlüssen des Reichstages seine Sanktion erteilt und mit dem 7. September 1848 die legale Kundmachung des Gesetzes in allen auf dem Reichstag vertretenen Ländern verfügt.
Zuvor hatte der Reichstag die "Commission" zur Ausarbeitung eines Grundentlastungsgesetzes aus fünf Mitgliedern je Gouvernement gewählt. In dieser Sitzung beantwortete Innenminister Anton Doblhoff auch eine Anfrage des Abgeordneten Alois Borrosch, der sich wegen der Einflussnahme der Regierung auf die Entscheidung des Reichstages über die Entschädigung der Grundherren besorgt gezeigt hatte. Minister Anton Doblhoff wies die Behauptung des Abgeordneten zurück, die Regierung habe die Absicht, "den Reichstag zu sprengen oder zu unterdrücken".
Die Grundentlastung
Die Ereignisse nach dem Reichstagsbeschluss über die Grundentlastung bestätigten die Sorgen des Abgeordneten Borrosch. Nach dem Oktoberaufstand in Wien wurde der Reichstag ins mährische Kremsier verlegt und wenige Wochen nach der Thronbesteigung des jungen Kaisers Franz Joseph per Ministerratsbeschluss vom 20. Jänner 1849 aufgelöst. Am 7. März hinderten Soldaten die Abgeordneten gewaltsam an der Abhaltung einer Sitzung. Zugleich mit einer oktroyierten Verfassung hatte der junge Kaiser Franz Joseph am 4. März 1848 ein Durchführungspatent zum Gesetz über die "Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit" herausgegeben. Dieses Gesetz war das erste Gesetz, das in Österreich von einer frei gewählten Volksvertretung in einem parlamentarischen Verfahren erarbeitet worden war.
Kaiser Franz Joseph, der auf eine Modernisierung seines Reiches "von oben" setzte, führte die "Grundentlastung" in den Jahren des Neoabsolutismus rasch und "relativ bauernfreundlich" durch, wie der Sozialhistoriker Ernst Bruckmüller schreibt. Von der kapitalisierten Summe der bäuerlichen Lasten wurde ein Drittel abgezogen, ein Drittel musste der Bauer bezahlen, ein Drittel übernahm der Staat. Leistungen an Kirchen und Schulen wurden ohne Abzug abgelöst. Auch die Entschädigungen für Besitzveränderungsgebühren leistete der Staat, ebenso die Entschädigung des Adels in Galizien. Die patrimonialen Ämter wurden, wie im Reichstag beschlossen, nach und nach von Bezirkshauptmannschaften und Bezirksgerichten abgelöst, und allmählich setzte auch die Selbstverwaltung der bäuerlichen Gemeinden ein - die einstigen "Untertanen" entwickelten sich definitiv zu modernen Staatsbürgern.
Hans Kudlich
Noch ein Wort zu Hans Kudlich. Nach dem Scheitern des Wiener Oktoberaufstandes floh er zunächst nach Deutschland, dann in die Schweiz und schließlich nach Amerika. Der in Österreich in Abwesenheit zum Tod verurteilte Revolutionär starb 1917 in Hoboken bei New York, wo er als ein erfolgreicher Arzt tätig gewesen war. Kudlich hinterließ unter anderem das dreibändige Memoirenwerk "Rückblicke und Erinnerungen". Kudlichs Leben beschrieb auch der Schriftsteller Bruno Wittek in seinem Roman "Sturm überm Acker" (1927). (Schluss)