Parlamentskorrespondenz Nr. 936 vom 03.11.2009

Stöger: Österreich ist bezüglich Schweinegrippe gut aufgestellt

Umfangreiche Tagesordnung im Gesundheitsausschuss

Wien (PK) – Heute Nachmittag fand eine Sitzung des Gesundheitsausschusses statt, in der eine umfangreiche Tagesordnung behandelt wurde. Eingangs nahm der zuständige Bundesminister Alois Stöger auch zur aktuellen Influenza-Pandemie Stellung und meinte, dass Österreich sehr gut aufgestellt sei. Es ist für die gesamte Bevölkerung vorgesorgt. Es gebe keinen Grund für eine Panik, die neue Grippe werde aber sehr ernst genommen, unterstrich er.

Einstimmig angenommen wurden zwei Regierungsvorlagen, die einerseits die Anpassung der Regelungen für die Pflegehilfe an die Erfordernisse des Berufsalltags und andererseits Klarstellungen im Kranken- und Kuranstaltengesetz zum Inhalt hatten. Weiters befassten sich die Ausschussmitglieder mit zahlreichen Anträgen der Opposition, die unter anderem die Durchführung einer Machbarkeitsstudie über ein Case Management (FPÖ), die sozial gerechte Staffelung der Selbstbehalte (FPÖ), die Abschaffung der Krankenhaus-Selbstbehalte für Kinder (BZÖ), die Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen (FPÖ und BZÖ), die Pränataldiagnostik (FPÖ und BZÖ), Gesundheitsprogramme (Grüne und BZÖ), eine österreichweite Arzneimittel-Hotline für Blinde (FPÖ), die Verbesserung des Tierschutzes in verschiedenen Bereichen sowie die Entschädigung von Contergan-Opfern (BZÖ und Grüne)

zum Inhalt hatten.

Bundesminister Alois Stöger informierte darüber, dass die neue Grippe, die schon zu zahlreichen Todesfällen in Europa geführt habe, vor allem jüngere Menschen betreffe und Personen, die vorher nicht krank waren. Per 1.11.2009 wurden in Österreich 528 Fälle registriert, wobei die Zahl in letzter Zeit deutlich zugenommen habe. Auffällig sei, dass vor allem jüngere Männer zwischen 19 und 29 Jahren sowie zwischen 30 und 39 Jahren betroffen sind. Es wurden bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt, führte der Ressortchef weiter aus, etwa die Finanzierung der Impfaktion, die Bereitstellung von Impfstoffen für die gesamte Bevölkerung, die Verteilung von Informationsmaterial sowie die Bereitstellung von Pandemie-Schutzmasken. Für die am 9. November beginnende Impfaktion kommen zunächst die Risikogruppen in Frage, also Personen ab dem 6. Lebensmonat mit chronischen Grunderkrankungen, Schwangere (ab der 15. Schwangerschaftswoche) und Betreuungspersonen von Kindern mit Grunderkrankungen. Grundsätzlich könne sich jedoch jeder Österreicher, der sich vor der neuen Influenza des Typs A/H1N1 ("Schweinegrippe") schützen will, impfen lassen.

Neue gesetzliche Vorschriften für die Pflegehilfe

Ziel der Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG-Novelle 2009) ist die Anpassung der Regelung über die Aufsicht für die Pflegehilfe an die Erfordernisse des Pflegealltags sowie die Festschreibung einer quantifizierten Fortbildungsverpflichtung auch für die Pflegehilfe. Die Regierungsvorlage soll vor allem eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Tätigkeiten der Pflegehilfe im Einzelfall mit begleitender, in regelmäßigen Intervallen auszuübender Kontrolle bei Vorliegen bestimmter Rahmenbedingungen schaffen. Weiters werden einige sich aus der Vollziehung ergebende Probleme im Bereich der Sonderausbildungen einer Lösung zugeführt. Schließlich erfolgen Anpassungen an das Gemeinschaftsrecht sowie einige sprachliche und legistische Klarstellungen und Bereinigungen.

Durch einen S-V-Abänderungsantrag wird die Möglichkeit geschaffen, dass Betreuungskräfte im Behindertenbereich (insbesondere im Bereich des betreuten Wohnens), die keine gesamte Ausbildung in einem Sozialbetreuungsberuf absolviert haben, unter bestimmten Voraussetzungen (Absolvierung eines entsprechenden Ausbildungsmoduls) unterstützende Tätigkeiten bei der Basisversorgung durchführen können. – Die Novelle, die von allen Fraktionen positiv bewertet wurde, wurde in der Fassung des Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) trat dafür ein, einen Lehrberuf für den Pflegebereich einzuführen wie dies bereits in der Schweiz der Fall ist. Abgeordnete Ursula Haubner (B) vermisste ein Gesamtkonzept für die Pflege.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) wies darauf hin, dass die Mortalität bei der Schweinegrippe unter jener der normalen Influenza liege. Abgeordneter Kurt Grünewald (G) machte darauf aufmerksam, dass im Internet unzählige Gerüchte bezüglich der Schweinegrippe (z.B. hinsichtlich der Rolle der Pharmaindustrie) im Umlauf sind, denen das Ministerium entschieden entgegentreten müsste.

Änderung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten

Durch eine einstimmig beschlossene Änderung des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) kommt es zu verschiedenen Anpassungen und Klarstellungen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem derzeitigen "Arztbrief", mit der berufsrechtlichen Trennung der Ärzte und Zahnärzte und der Berücksichtigung des neuen Sonderfaches Kinder- und Jugendpsychiatrie. Weiters wird darauf hingewiesen, dass auch die Beurteilung von Pflegestudien, neuen Pflegekonzepten und Pflegemethoden sowie von angewandter medizinischer Forschung am Menschen eine Aufgabe der Ethikkommission ist. In einem S-V-Abänderungsantrag wird u.a. klargestellt, dass der Terminus "angewandte medizinische Forschung" die Beurteilung nicht-interventioneller Studien einschließt. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Mitglieder der Ethikkommissionen gegebenenfalls auch andere Befangenheitsgründe zum Tragen kommen.

Im Zusammenhang mit diesem Tagesordnungspunkt wurden noch drei Oppositionsanträge behandelt: So wurde zunächst der Gesundheitsminister von der FPÖ aufgefordert, eine Machbarkeitsstudie für die Realisierung eines flächendeckenden "Case Managements" im österreichischen Gesundheitswesen in Auftrag zu geben. Durch ein funktionierendes Entlassungsmanagement könnte für die koordinierte, bedarfs- und bedürfnisorientierte Entlassung der Patienten gesorgt werden.

Eine weitere Forderung der Freiheitlichen betraf die Umsetzung einer sozial gerechten Staffelung der Selbstbehalte. Es gehe nicht an, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerung vom Zugang zu gesundheitlichen Leistungen ausgeschlossen ist bzw. gezwungen wird, sich im Ausland behandeln zu lassen, meinte F-Abgeordneter Andreas Karlsböck. Für eine Abschaffung der Spitals-Selbstbehalte für Kinder bis 18 Jahre trat wiederum BZÖ-Mandatar Wolfgang Spadiut ein.

Abgeordneter Erwin Rasinger (V) bezeichnete die Selbstbehalte als "notwendiges Übel". Wenn man für die totale Abschaffung eintrete, dann müsse man auch sagen, wie man das – gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – finanzieren wolle. Auch Abgeordneter Robert Lugar (B) hielt eine Abschaffung aller Selbstbehalte für nicht sinnvoll, da man sich das nicht leisten könne. Abgeordneter Erwin Kaipel (S) wies darauf hin, dass die SPÖ die Selbstbehalte nie als vernünftiges Steuerungsinstrument angesehen hat. Eine generelle und vernünftige Diskussion darüber halte er für sinnvoll.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) gab zu bedenken, dass bei der Mitaufnahme von Eltern, deren Kinder im Spital liegen, erhebliche Selbstbehalte anfallen, die sich nicht alle leisten können. Erheblichen Handlungsbedarf sah er auch bezüglich der Rehab-Einrichtungen von Kindern.

Abgeordneter Johann Hechtl (S) erachtete das bestehende Case Management in Österreichs Spitälern für ausreichend und trat daher für eine Ablehnung des entsprechenden FPÖ-Antrags ein.

Bundesminister Alois Stöger informierte darüber, dass in den Ethikkommissionen VertreterInnen von neun Berufsgruppen sitzen, u.a. Ärzte, Pharmazeuten sowie Vertreter des Pflegedienstes, von Patienten- und von Behindertenorganisationen. Nicht richtig sei, dass es gar keine Angebote bezüglich der Rehabilitation von Kindern gebe; eine Ausweitung sei jedoch notwendig. Was die Selbstbehalte angeht, so habe er bereits bei seinem Amtsantritt gesagt, dass er froh sei über jeden Selbstbehalt, den man nicht mehr haben müsse. Generell könne man jedoch sagen, dass Österreich zu den Ländern mit dem besten Zugang zu hochwertigen Gesundheitsleistungen für alle Menschen gehöre.

Bei der Abstimmung wurde der F-Entschließungsantrag bezüglich der Durchführung einer Machbarkeitsstudie über ein Case Management abgelehnt; die beiden anderen Anträge wurden mit S-V-Mehrheit vertagt.

FPÖ und BZÖ: Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und Pränataldiagnostik

Für eine Wiedereinführung der finanziellen Zuwendungen für die Erfüllung des Mutter-Kind-Passes und verpflichtende ärztliche Vorschuluntersuchungen trat die FPÖ in einem Entschließungsantrag ein. – Dieser Antrag wurde dem Familienausschuss zugewiesen.

Außerdem plädierten die freiheitlichen Mandatare für eine Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 10. Lebensjahr. Dadurch bestünde nach Ansicht von F-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein die Möglichkeit, dass Anzeichen von Kindesmisshandlungen früher entdeckt werden. Um auf die Eltern auch einen gewissen Druck zur Durchführung solcher Untersuchungen auszuüben, sollte bei Nichtdurchführung solcher Untersuchungen die Familienbeihilfe reduziert werden.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) räumte ein, dass man sehr wohl über eine Ausweitung der Untersuchungen diskutieren könne. Die Androhung von Sanktionen sei aber völlig sinnlos, weil sich davon Personen, die Kinder misshandeln, wohl kaum abschrecken lassen.

Vertagt wurde sodann ein Entschließungsantrag des BZÖ, in dem der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend ersucht, eine Hebammenberatung und -betreuung im Rahmen des Mutter-Kind-Pass-Programms vorzusehen. 15 bis 20 % der Frauen hätten aufgrund von psychosozialen Vorbelastungen, finanziellen, partnerschaftlichen oder seelischen Krisen nicht die Chance, das Ereignis der Geburt als beglückend erleben zu können, gibt Abgeordnete Ursula Haubner zu bedenken. – Abgeordnete Renate Csörgits (S) befürwortete eine Vertagung des Antrags, da bereits eine Mutter-Kind-Pass-Kommission im Ministerium eingerichtet wurde, die zurzeit die bisherigen Leistungen evaluiert und über eine Weiterentwicklung berät. Abgeordneter Kurt Grünewald (G) unterstützte den BZÖ-Antrag, da Hebammen eine sehr wichtige Rolle bei der Geburtsvorbereitung spielen.

Bundesminister Alois Stöger bezeichnete das Mutter-Kind-Pass-Programm als eine sehr wichtige und zentrale Maßnahme im Rahmen der Schwangerenbetreuung, die einen maßgeblichen Beitrag zur Reduktion der Kindersterblichkeit geleistet hat. Er habe bereits eine Studie in Auftrag gegeben, die die Wirksamkeit des Mutter-Kind-Pass-Programms untersuchen soll und deren Ergebnisse in die Weiterentwicklung des Angebots einbezogen werden. Konkrete Ergebnisse werden in etwa einem halben Jahr vorliegen, kündigte er an.

Abgelehnt wurden schließlich zwei Entschließungsanträge des BZÖ sowie der Freiheitlichen. Die BZÖ-Abgeordneten Wolfgang Spadiut und Ursula Haubner sprachen sich für die Aufnahme des so genannten "Combined Tests " in das – unentgeltliche - Untersuchungsprogramm des Mutter-Kind-Passes aus. Ihrer Meinung nach stelle der "Combined-Test" das derzeit genaueste Verfahren (im frühestmöglichen Stadium der 11. Schwangerschaftswoche) dar, um Hinweise auf Fehlbildungen bei den chromosomalen Erbanlagen eines Fetus zu bekommen. Ebenfalls keine Zustimmung fand die Forderung der Freiheitlichen, klare Regelungen für die pränatal-diagnostische Schwangerenbetreuung nach dem neuesten Wissensstand zu schaffen. Der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) war es vor allem ein Anliegen, eine verpflichtende Beratung vor der Durchführung solcher Untersuchungen vorzuschreiben, die u.a. auch darüber informiert, dass bei ethischen Vorbehalten die Untersuchung abgelehnt werden kann. – Auch Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) wies darauf hin, dass die Mutter-Kind-Pass-Kommission bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hat und die Ergebnisse abgewartet werden sollten. Sie war jedoch überzeugt, dass es zu einer Ausweitung des Leistungsangebots kommen würde. Ablehnend äußerte sie sich hinsichtlich der Einführung eines generellen Combined Test-Screenings, zumal dieses Verfahren eine Fehlerrate von 10 % bis 15 % aufweise und die Frauen nur verunsichern würde.

Konsens über Arzneimittel-Hotline für Blinde

Eine Initiative der FPÖ, in der Abgeordneter Norbert Hofer auf die Probleme von Blinden mit Beipacktexten von Arzneimitteln aufmerksam machte, war Ausgangspunkt für eine Fünfparteien-Einigung über die österreichweite Schaffung einer Arzneimittel-Hotline für Blinde. Der Gesundheitsminister wird demnach aufgefordert, mit der Apothekerkammer und dem Verband der Blinden und Sehschwachen in diesbezügliche Gespräche einzutreten.

Kein Erfolg für weitere Oppositionsanträge

Nicht durchsetzen konnte sich Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) mit seinem Antrag betreffend die Erstellung eines Aktionsplans für gesunde Ernährung und Bewegung, der mehrheitlich abgelehnt wurde. Gesundheitsminister Alois Stöger kündigte in diesem Zusammenhang aber die Vorlage eines Nationalen Aktionsplans Ernährung für Jänner 2010 an, der die Wechselwirkung von Gesundheit und Ernährung besonders berücksichtigen werde und zudem von dem Motto getragen sein soll, dass die gesündere Wahl die leichtere Wahl bei der Ernährung zu sein habe.

Das Thema gesunde Ernährung wurde auch vom Abgeordneten Robert Lugar (B) aufgegriffen, der auf das Problem des Übergewichts bei Kindern hinwies und vor allem die Eltern in die Pflicht nehmen wollte. Mit der Initiative seiner Fraktion betreffend Schulgesundheitsprogramm wird sich der Unterrichtsausschuss auseinandersetzen.

Vertagt wurde hingegen ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Kurt Grünewald (G) betreffend Schaffung eines Gesundheitsförderungs- und Präventionsgesetzes. Der Minister erinnerte daran, dass ein entsprechendes Gesetz derzeit in Ausarbeitung sei.

Keine Entscheidung traf der Ausschuss hinsichtlich eines Antrags der Grünen betreffend Schaffung eines Unterstützungs-Fonds für Contergan-Geschädigte und einer BZÖ-Initiative auf Entschädigung für Contergan-Opfer. Minister Alois Stöger erinnerte an laufende Gespräche mit den betroffenen Firmen über die Zahlung einer Entschädigung und meinte, er rechne mit einem Ergebnis noch in diesem Jahr. Beide Initiativen wurden daraufhin mehrheitlich vertagt.

Vertagt wurden schließlich auch Anträge der Abgeordneten Christiane Brunner (G) betreffend Verbesserung der EU-Tierschutzstandards bzw. betreffend Maßnahmen zum Schutz von Tieren beim Transport, ein Vorstoß des Abgeordneten Wolfgang Spadiut (B) auf Verstärkung der Kontrollen der Tiertransporte und Verschärfung der Strafen für illegale Tiertransporte sowie eine Initiative der FPÖ hinsichtlich Verbesserung der Haltungsbedingungen für Welpen in Tierhandlungen.

Abgeordnete Anna Höllerer (V) verwies auf entsprechende Verhandlungen, betonte aber mit Nachdruck, das österreichische Tiertransportgesetz habe sich bewährt, die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniere, die Strafen würden ausreichen. Weitere Verschärfungen würden nur zur Umlenkung der Transporte über das Ausland führen, wo es weniger strenge Vorschriften gibt.

Abgeordneter Dietmar Keck (S) verwies hinsichtlich des Welpenhandels auf bestehende Regelungen und sprach das Problem der Praktikabilität dieser Vorschriften an. (Schluss)