Parlamentskorrespondenz Nr. 16 vom 11.01.2012

Justizopfer des "Ständestaats" sollen rehabilitiert werden

Justizausschuss gibt grünes Licht für gemeinsamen S-V-G-Antrag

Wien (PK) – Österreichische Justizopfer der Jahre 1933 bis 1938 sollen rehabilitiert werden. Der Justizausschuss des Nationalrats gab heute grünes Licht für einen gemeinsam von SPÖ, ÖVP und Grünen ausgearbeiteten Gesetzesantrag. Damit werden alle Urteile von ordentlichen Strafgerichten sowie von Sonder- und Standgerichten aus der Zeit des "Austrofaschismus" rückwirkend aufgehoben, wenn die verurteilte Tat im Kampf um ein unabhängiges und demokratisches Österreich erfolgt ist. Ausdrücklich umfasst sind auch politische Meinungsäußerungen. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ, nur die FPÖ äußerte sich kritisch und sprach von zum Teil "absurden" Bestimmungen.

Im Einzelnen sind von der Rehabilitierung jene Personen umfasst, die zwischen 6. März 1933 und 12. März 1938 strafgerichtlich verurteilt oder verwaltungsbehördlich angehalten oder ausgebürgert wurden, weil sie sich – in Wort oder Tat –  für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreichs eingesetzt haben. Damit greifen die Abgeordneten die Formulierung des Opferfürsorgegesetzes auf. Die entsprechenden Urteile und Entscheidungen werden nicht nur rückwirkend aufgehoben, auch ihr Unrecht wird in einer eigenen Klausel dezidiert festgehalten. Ebenso wird all jenen, die sich zwischen 1918 und 1938 für ein unabhängiges und demokratisches Österreich eingesetzt haben, ausdrücklich Anerkennung gezollt.


Über diese allgemeine Urteilsaufhebung und Rehabilitierung hinaus, können betroffene Personen bzw. deren Ehegatten, eingetragene Partner, LebensgefährtInnen, Verwandte in gerader Linie oder Geschwister außerdem per Antrag eine Feststellung erwirken, dass die Verurteilung als nicht erfolgt gilt. Die Entscheidung obliegt dem Wiener Landesgericht für Strafsachen, wobei dieses in Zweifelsfällen einen beim Justizministerium einzurichtenden sechsköpfigen Rehabilitierungsbeirat zur Prüfung der Faktenlage beiziehen kann. Entschädigungs- und Rückersatzansprüche können aufgrund des Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetzes nicht erhoben werden.

FPÖ-Abgeordneter Johannes Hübner begründete die ablehnende Haltung seiner Fraktion damit, dass manche Gesetzesbestimmungen "absurd" seien. Der Zweck des Gesetzes sei vielleicht ein nobler, meinte er, geglückt sei dieses aber sicherlich nicht. So passt seiner Ansicht nach etwa die Diktion des Opferfürsorgegesetzes auf viele Opfer des Ständestaates nicht, da ein großer Teil der Sozialisten damals nicht für ein unabhängiges Österreich, sondern für einen Anschluss an Deutschland eingetreten sei. Am stärksten hätten sich dem gegenüber die Repräsentanten des Ständestaates für ein unabhängiges Österreich eingesetzt.

Nicht einsichtig ist für Hübner außerdem, dass sogar noch Enkel oder Urenkel einen Feststellungsbescheid über die Aufhebung eines Urteils beantragen können. Seiner Meinung nach würde die vorgesehene Generalrehabilitierung vollkommen ausreichen. Die Justiz sei ausgelastet genug, betonte er, es bestehe kein Anlass für "virtuelle Verfahren über historische Tatsachen".

Von den anderen vier Fraktionen wurde das Gesetz hingegen begrüßt. So sprach Zweiter Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (V) etwa von einem "historischen Schritt", der "mehr als herzeigbar" sei. Mit dem Beschluss würden die Justizopfer aus der Zeit des autoritären Ständestaats rehabilitiert. Ihm zufolge hat man bei der Formulierung des Gesetzes bewusst an das Opferfürsorgesetz angeknüpft. Auch SPÖ-Abgeordneter Johannes Jarolim zeigte sich erfreut, dass es nach langen Verhandlungen zu einer Einigung gekommen sei, und wies insbesondere auch darauf hin, dass das Gesetz neben der Rehabilitierung auch Dank und Anerkennung für jene Personen beinhalte, die sich in der damaligen Zeit für ein unabhängiges und demokratisches Österreich eingesetzt hätten.

Seitens der Grünen sprachen die Abgeordneten Albert Steinhauser und Harald Walser von einer symbolisch wichtigen Geste, auch wenn sie bedauerten, dass der Begriff "Austrofaschismus" im Gesetz nicht vorkomme. Das Gesetz stelle jedoch "relativ zielsicher" die Rehabilitierung der Justizopfer der damaligen Zeit sicher, sagte Steinhauser. Die von FPÖ-Abgeordnetem Hübner aufgestellte "These" hält seiner Meinung nach schon allein deshalb nicht, da sich das Opferfürsorgegesetz immer schon auf den Zeitraum 1933 bis 1945 bezogen und damit auch für die Opfer des Austrofaschismus gegolten habe.

Den Grünen sei es auch wichtig gewesen, das Unrecht, das den Opfern angetan wurde, klar zu benennen und den betroffenen Personen Anerkennung auszusprechen, betonten die beiden Abgeordneten. Es werde, so Walser, klar festgeschrieben, dass die Zeit des Austrofaschismus eine Zeit war, in der Unrecht passiert ist.

Positiv zum Gesetzesantrag äußerte sich auch Abgeordneter Christoph Hagen (B), der sich den Ausführungen Neugebauers weitgehend anschloss.

Justizministerin Beatrix Karl ging auf einen von Abgeordnetem Johann Maier (S) aufgezeigten Fall ein, bei dem es um ein Unrechtsurteil aus der Zeit des Nationalsozialismus geht. Maier schilderte, dass laut Landesgericht Wien ein Standgerichtsurteil gegen einen Deserteur nicht ausdrücklich aufgehoben werden könne, weil eine schriftliche Urteilsausfertigung fehle, obwohl der Betroffene nachweislich im Oktober 1944 in Mauthausen hingerichtet wurde. Karl wies darauf hin, dass das Rehabilitierungsgesetz für NS-Justizopfer eine automatische Aufhebung sämtlicher Unrechtsurteile vorsehe und die Rehabilitation damit "ex lege" erfolgt sei. 

Mit dem Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz als miterledigt gelten zwei Entschließungsanträge der Grünen (475/A[E] und 1400/A[E]) zum gleichen Gegenstand. (Schluss)