Parlamentskorrespondenz Nr. 56 vom 29.01.2014

Nationalrat: Opposition prescht mit Initiativanträgen vor

Sozialthemen eröffnen Debattenreigen um Gesetzesvorschläge, neue Redezeiten bei NR-Sitzungen beschlossen

Wien (PK) - Zahlreiche Gesetzesanträge der Opposition beleuchtete der Nationalrat heute Abend in Ersten Lesungen. Bevor die Anträge den zuständigen Ausschüssen zur weiteren Beratung übermittelt wurden, kam es bei den Grundsatzdebatten darüber zu teils heftigen Auseinandersetzungen. Besonders das Thema Sozialversicherungen förderte ideologische Differenzen zwischen den Parteien zutage.

Auslöser der Kontroversen war unter anderem ein NEOS-Vorstoß, der die Angleichung des Pensionsantrittsalters von Frauen und Männern ab 2018 anvisiert. Nur so könne das heimische Pensionssystem langfristig gesichert werden, betonte Antragsteller Gerald Loacker. 2024 - wie im aktuellen Regierungsplan vorgesehen - sei es für eine Anpassung zu spät. Während der Vorschlag bei der ÖVP generell auf Zuspruch stieß, fanden SPÖ und Grüne wenig Gefallen an einer vorzeitigen Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters weiblicher Arbeitskräfte. Es gelte zunächst, Benachteiligungen für Frauen im aktiven Erwerbsleben abzubauen, meinte etwa Judith Schwentner (G).

Der Vorschlag von Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl, KünstlerInnen in prekären finanziellen Lagen mit maximal 1.500 € zu unterstützen, stieß vor allem bei FPÖ und Team Stronach auf Widerstand; man würde hier Staatskünstler heranzüchten, so die Kritik. Skeptisch äußerten sich auch ÖVP und NEOS, da es problematisch sei, eine einzelne Berufsgruppe übermäßig zu unterstützen. Die Höhe einer Notstandshilfe vom Partnereinkommen abzukoppeln, wie die Grünen in einem weiteren Antrag vorbrachten, war speziell für die ÖVP schwer nachvollziehbar.

Darüber hinaus behandelte das Plenum Anträge der Grünen Fraktion zum Staatsbürgerschaftsrecht und zu den Gerichtsgebühren. Demnach sollten in Österreich Geborene prinzipiell die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, Gebühren bei Gericht dürften nicht mehr automatisch erhöht werden.

Außerdem stellte die Opposition Änderungsvorschläge zur Geschäftsordnung (GO) vor. So verlangt die FPÖ in einem Initiativantrag eine Ausweitung des Interpellationsrechts von Abgeordneten auf staatsnahe Unternehmen; die Grünen wollen mit einer GOG-Novelle das Einbringen von Bürgerinitiativen erleichtern, um die Bevölkerung stärker in den politischen Prozess einzubinden. Eine Novelle der Geschäftsordnung des Nationalrats wurde heute bereits ohne Gegenstimme in Dritter Lesung beschlossen. Damit lassen sich zukünftig die Redezeiten bei Plenarsitzungen effizienter verwalten.

Soziales: Intensive Diskussionen zu Pension, Arbeitslosenhilfe

Im Debattenteil Sozialthemen diskutierten die Abgeordneten neben dem Entwurf der NEOS zur früheren Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters auch einen Vorschlag der Grünen zur Notstandshilfe. Beide Anträge wurden dem Sozialausschuss des Nationalrats zur Behandlung zugewiesen. Sozialpolitik spielte weiters bei einem Grünen-Initiativantrag aus dem Bereich Kultur eine Rolle. Darin wird nämlich eine bessere Sozialversicherung für KünstlerInnen gefordert; der Ausschuss für Kunst und Kultur befasst sich nun damit.

Eine Angleichung des Pensionsantrittsalters von Frauen an jenes der Männer ab dem Jahr 2018 – und nicht erst ab 2024, wie von der Regierung geplant – sei unbedingt nötig, so die NEOS. Denn nur mit einer generellen Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters lasse sich das Pensionssystem langfristig entlasten und sichern, argumentieren sie in ihrem Antrag dazu. NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker kritisiert am jetzigen System, mit dem früheren Pensionsantrittsalter verfügten Frauen automatisch über ein niedrigeres Lebenseinkommen und folglich über geringere Pensionen als Männer. "Den Frauen werden Jahre gestohlen", brachte er es auf den Punkt.

Für die SPÖ wandte sich Sabine Oberhauser dezidiert gegen ein vorzeitiges Anheben des Frauenpensionsantrittsalters. Nicht nur hätten Frauen immer noch den Großteil der Kinderbetreuung zu übernehmen, auch arbeiteten mehr Frauen als Männer Teilzeit bzw. in geringer bezahlten Berufen, waren ihre Gegenargumente. Judith Schwentner (G) fasste zusammen: Ehe die Gleichstellungsziele nicht erreicht sind, sei die durchaus wünschenswerte Anhebung des Pensionsantrittsalters von Frauen nicht zielführend. ÖVP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer verwies in Folge auf Maßnahmenpläne der Regierung wie Teilpensionen bei fortlaufender Erwerbstätigkeit und bessere Anrechnung der Kindererziehung, die zur Unterstützung von Frauen umgesetzt werden sollen. Mehr sei mit dem aktuellen Regierungsübereinkommen leider nicht möglich, befand Aubauer.

Bei der Festsetzung von Notstandshilfe dürfe das Partnereinkommen nicht mitberechnet werden, lautete ein Anliegen der Grünen-Sozialsprecherin Judith Schwentner auf der heutigen Tagesordnung. Da vor allem Frauen davon betroffen seien, würden diese dadurch aus der Abhängigkeit von ihren Partnern geholt. Schwentners Meinung nach braucht es überhaupt einen Rechtsanspruch auf soziale Sicherungsleistung bei Arbeitslosigkeit. Während der Antrag bei SPÖ und FPÖ Unterstützung fand, warnten ÖVP und Team Stronach dabei vor Missbrauch des Sozialsystems. ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig betonte, ihrer Fraktion sei jedenfalls eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vorrangiges Anliegen.

Als sein Vorschlag für ein KünstlerInnen-Absicherungsgesetz (KAG) behandelt wurde, thematisierte Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl die oftmals prekäre soziale Lage von KünstlerInnen mit zu niedrigem Einkommen. In seinen Augen wäre anstelle des bisherigen Künstlersozialversicherungsfonds ein KünstlerInnen-Absicherungsfonds einzurichten. Dieser hätte monatlich maximal 1.500 € an im Inland pflichtversicherte KünstlerInnen zu leisten, deren Monatseinkommen unter diesem Betrag liegt.

Die schwierige Situation vieler Kunstschaffender wurde in der Diskussion zwar außer Streit gestellt. Zur geeigneten politischen Reaktion darauf gingen aber die Ansichten auseinander. Elisabeth Hakel (S) räumte noch ein, es seien verbesserte Rahmenbedingungen wie erhöhte Zuschüsse zum Künstlersozialversicherungsfonds nötig. Maria Theresia Fekter (V) und Beate Meinl-Reisinger (N) gaben jedoch zu bedenken, es gehe nicht an, eine Berufsgruppe mit einer monatlichen Unterstützung, die über der Mindestpension liegt, zu privilegieren. Vor einem Abgleiten der Kunst in reine Staatskunst warnten Josef A. Riemer (F) und Marcus Franz (T) bei derart ausgestalteten Leistungen der Republik an Kunstschaffende.

Zweifel bei Staatsbürgerschaft, Konsens bei Gerichtsgebühren

Die Politikbereiche Inneres und Justiz brachten die Grünen ebenfalls mit Gesetzesanträgen zur Sprache. Das Geburtslandprinzip sei unbedingt im Staatsbürgerschaftsgesetz zu verankern, hält Grünen-Integrationssprecherin Alev Korun in ihrem Gesetzesentwurf fest. Kinder, die in Österreich geboren werden, sollen automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft – auch als Doppelstaatsbürgerschaft - erhalten, wenn zumindest ein Elternteil seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist, so die Forderung. Der Antrag wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen, wobei sämtliche Fraktionen versicherten, sich intensiv damit auseinandersetzen zu wollen. Otto Pendl (S) und Christoph Hagen (T) dachten sogar eine Enquete zu der Thematik an. Eindeutige Kritik gegen das Geburtslandprinzip gab es nur seitens der FPÖ; Christian Hafenecker (F) schnitt dazu juristische Problemfelder wie die Verpflichtung zum Wehrdienst an.

Einigkeit unter den Parteien zeigte sich dafür bei einem Antrag des Grünen-Justizsprechers Albert Steinhauser, der die automatische Inflationsanpassung von Gerichtsgebühren bekrittelt. Diese sei abzuschaffen, unterstreicht er, denn die Einnahmen der Gerichte durch Gebühren überstiegen mittlerweile bereits beträchtlich die tatsächlich bei Gericht verursachten Kosten. Sein Initiativantrag sieht hier den Hauptausschuss des Nationalrats aufgerufen, zukünftig die Frage der Gebührenhöhe mit justizpolitischen Argumenten zu bewerten und dem Justizminister das Pouvoir für eine diesbezügliche Verordnung zu geben. Dabei sei generell eine Gebührensenkung unabhängig vom Verbraucherpreisindex nötig, so die Grünen. Der Antrag wurde dem Justizausschuss des Nationalrats übermittelt.

GO-Novellen angeregt, geänderte NR-Redezeiten angenommen

Novellen in der Geschäftsordnung regten die Freiheitlichen mit einem Antrag zum Interpellationsrecht und die Grünen mit einem Entwurf zur Aufwertung des Petitionsausschusses an; beide Gesetzesinitiativen wurden dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen.

Die Initiative der FPÖ, das Fragerecht des Nationalrats auf Auskünfte über staatsnahe Unternehmen auszuweiten, befürworteten die übrigen RednerInnen dieses Debattenabschnitts vollinhaltlich. Erwin Spindelberger (S) und Gabriela Moser (G) untermauerten die Begründung des FPÖ-Verfassungssprechers Harald Stefan, der Schritt sei notwendig, da man das Interpellationsrecht der Abgeordneten durch die Ausgliederung von Unternehmen sukzessive eingeschränkt habe. Das Parlament müsse seine Kontrollrechte zurückholen, war die Argumentationslinie.

Eine Aufwertung des Petitionsausschusses wollen die Grünen mit ihrem Vorschlag zur Geschäftsordnungsänderung erreichen. Eine eigene Bürgerinitiativen-Plattform des Parlaments soll die Möglichkeit bieten, innerhalb von vier Monaten jene 500 Unterstützungserklärungen zu sammeln, die man zum Einbringen eines Anliegens benötigt, umriss Wolfgang Pirklhuber (G) den Antrag. Bei mehr als 5.000 UnterstützerInnen einer Initiative, so die Forderung weiter, sei dazu zwingend ein Hearing im NR-Petitionsausschuss abzuhalten. Dieser soll, umbenannt in "Ausschuss für Petitionen, Resolutionen und Bürgerinitiativen", zudem verpflichtende Stellungnahmen von Regierungsmitgliedern einfordern können. Der Entwurf wurde von den DebattenteilnehmerInnen aller Fraktionen weitgehend begrüßt; einzig FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter hinterfragte, ob eine staatlich geführte Website tatsächlich demokratisches Mitspracherecht fördere. Ausdrücklich gelobt wurde der Vorstoß vom neuen Obmann des Petitionsausschusses, NEOS-Politiker Michael Pock. Er sah darin eine breitere Einbindung der BürgerInnen in den demokratischen Prozess.

Mit einem in Dritter Lesung einhellig beschlossenen Sechs-Parteien-Initiativantrag wurde die Redezeitenverwaltung bei Nationalratssitzungen schließlich auf die nunmehr sechs Fraktionen im Plenum abgestimmt. Die Redezeit einer oder eines Abgeordneten kann in einer Debatte damit auf fünf Minuten beschränkt werden; bislang waren mindestens 10 Minuten für eine Wortmeldung vorgesehen. Beschließt das Plenum für mehrere Debatten gemeinsam oder für die gesamte Tagesordnung eine Blockredezeit, müssen dem kleinsten Klub zumindest 30 Minuten (früher 60) zur Verfügung stehen. (Fortsetzung Nationalrat) rei