Parlamentskorrespondenz Nr. 702 vom 23.06.2015

Konsens im Verfassungsausschuss: Keine Aushöhlung des Datenschutzes

Weitere Themen: Nicht amtsführende Wiener Stadträte, Ausweitung der Kompetenzen der Volksanwaltschaft und sozialer Wohnbau

Wien (PK) – Das Niveau des Datenschutzes in Österreich darf nicht ausgehöhlt werden, war heute die einhellige Meinung im Verfassungsausschuss des Nationalrats . Die Bundesregierung wurde daher auch in ihrer Ablehnung der geplanten EU-Datenschutz-Grundverordnung unterstützt. Grundlage für die Diskussion war der gemeinsam von Bundeskanzler Werner Faymann und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer vorgelegte EU-Bericht über aktuelle EU-Vorhaben in ihrem Zuständigkeitsbereich. Dieser wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS mehrheitlich zur Kenntnis genommen.  

Dem Ausschuss lag insgesamt ein bunter Themenmix vor. Neben diversen Vorlagen zum Bereich Medien beschäftigten sich die Abgeordneten auch mit einem gemeinsamen Antrag von FPÖ, Grünen und NEOS zur Ausweitung der Prüfbefugnisse der Volksanwaltschaft, mit Initiativen der Grünen und der NEOS zur Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträte in Wien und einem Forderungskatalog der Grünen für einen nachhaltigen und leistbaren Wohnbau. Diese Anträge wurden jedoch jeweils mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.

Datenschutz-Grundverordnung und "Safe-Harbor" im Visier der Abgeordneten

Kritik hagelte es seitens der Abgeordneten an der von der EU geplanten Datenschutz-Grundverordnung, die nach Meinung von Albert Steinhauser (G) und Nikolaus Scherak (N) zu einer Senkung des Datenschutzniveaus in Österreich führen würde. Österreich habe im Rat dagegen gestimmt, erläuterte Minister Josef Ostermayer, weil es für die Mitgliedsstaaten nach Erlass der Verordnung keine Möglichkeit geben würde, auf nationaler Ebene strengere Regeln einzuführen. Außerdem fehlt die Einbeziehung privater Aktivitäten in den sozialen Medien, sagte er und wandte sich gegen die übermäßige Berücksichtigung der Interessen der Auftraggeber. Man warte jetzt die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission ab, berichtete Ostermayer und merkte an, dass die Positionen des Europäischen Parlaments näher bei jenen Österreichs liegen. Im Rat sei Österreich aber mit seiner Meinung in der Minderheit geblieben, gab er zu bedenken. Die Datenschutz-Grundverordnung wird auch kommende Woche in der Sitzung des EU-Unterausschusses im Mittelpunkt stehen.

Im Zusammenhang mit der Datenschutzfrage wurde in der Diskussion über den EU-Bericht auch über die Entscheidung der EU namens "Safe Harbor" diskutiert, die es europäischen Unternehmen ermöglicht, personenbezogene Daten legal an die USA zu liefern. Albert Steinhauser befürchtet, dass aufgrund der Überwachungsmechanismen in den USA und fehlender Kontrollmöglichkeiten sowie im Zuge kommerzieller Interessen dem Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet sind. Das Abkommen hat sich daher seiner Meinung nach in Folge von NSA erübrigt und sollte gekündigt werden, wenn sich keine maßgeblichen Änderungen ergeben. Ostermayer zufolge laufen derzeit intensive Gespräche darüber, ein Abschluss ist nicht absehbar, da die Standpunkte weit auseinanderliegen. Ein Knackpunkt sei auch die Frage des Individualrechtsschutzes für EU-BürgerInnen.

Einen weiteren Punkt im Vorhabensbericht griff Wolfgang Zinggl von den Grünen auf und thematisierte die Integration der Roma. Er vermisste die von der EU geforderte diesbezügliche Strategie. Dem hielt der Minister entgegen, dass eine Dialogplattform unter Einbindung der Zivilgesellschaft eingerichtet worden sei, um die Bedürfnisse und Problemstellungen der Roma herauszufiltern. Insbesondere brauche es Maßnahmen im Bereich Arbeit, Bildung, Gesundheit und Wohnen. Die EU habe sich zum Fortschrittsbericht Österreichs über gesetzte Maßnahmen positiv geäußert, konnte Ostermayer berichten.

FPÖ, Grüne und NEOS wollen Volksanwaltschaft stärken

Breite Diskussion gab es zur Forderung der FPÖ, Grünen und NEOS, die Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft auszuweiten. Ihnen geht es vor allem darum, dass die VolksanwältInnen auch Beschwerden über ausgegliederte Unternehmen wie die Asfinag oder die ÖBB nachgehen können (534/A ), etwa wenn BürgerInnen über mangelnde Lärmschutzmaßnahmen an Autobahnen oder Bahnstrecken klagen.

Die Koalition habe keine wirklich guten Gründe, dieses Anliegen abzulehnen, bekräftigte Wolfgang Zinggl (G) die Forderung, zumal es um bestimmte Pflichten der Unternehmen geht, denen sie nicht nachkommen. Beschwerden darüber würden sich ständig mehren, außerdem gebe es in keiner Weise eine Unvereinbarkeit mit dem Aktienrecht, sagte er. Auch habe die Volksanwaltschaft bestätigt, dass sie diese zusätzliche Aufgabe bewältigen könne. Die Kontrolle der Menschenrechte durch die Volksanwaltschaft sei durch ein höheres Budget abgesichert und würde die Ausweitung der Kompetenzen nicht gefährdet, wischte er die Argumente, die dagegen bereits im letzten Verfassungsausschuss gefallen sind und die auch von Bundesminister Josef Ostermayer in dieser Sitzung vorgebracht worden waren, vom Tisch. Philipp Schrangl, Harald Stefan (beide F) und Nikolaus Scherak (N) unterstützten in ihren Wortmeldungen die Argumente Zinggls. Wenn der Rechnungshof kontrolliert, könne es doch kein Problem sein, dass auch die Volksanwaltschaft kontrolliert, so Stefan.

Aus der einhelligen Meinung der Opposition schwenkte lediglich das Team Stronach ab. Kathrin Nachbaur hielt eine zusätzliche Kontrolle der Unternehmen für einen weiteren Schritt in die Überbürokratisierung, außerdem unterlägen diese ohnehin strengsten Regelungen. Sie befürchtet durch eine solche Regelung, dass potentielle Investoren abgeschreckt werden könnten.

SPÖ und ÖVP sahen die Dinge differenzierter. Die Frage ist vielschichtig und deswegen sei der Diskussionsbedarf darüber noch groß, begründeten Otto Pendl (S) und Wolfgang Gerstl (V) den Vertagungsantrag von Georg Vetter (V). Die Volksanwaltschaft ist eindeutig für Mängel in der Verwaltung zuständig, machte Pendl seine Bedenken geltend und warnte vor Doppel- und Dreifachgleisigkeiten, die der Effizienz nicht dienlich sind. Die Volksanwaltschaft komme immer erst dann zum Zug, wenn die letzte Instanz entschieden hat, warf Gerstl ein und meinte, man könne daher in Bezug auf ausgegliederte Unternehmen nicht die gleichen Regelungen wie bei der Rechnungshofkontrolle schaffen.

Grüne und NEOS stellen verpflichtenden Proporz in Wien in Frage

Zwei getrennte Anträge, allerdings mit der gleichen Stoßrichtung, lagen dem Verfassungsausschuss zur Frage der nicht amtsführenden Stadträte in Wien vor. Sowohl die Grünen (869/A ) als auch die NEOS (840/A ) halten diese Funktionen für überflüssig und haben eine Änderung der Bundesverfassung beantragt, um dem Wiener Landtag die Möglichkeit zu geben, sich vom Proporz im Stadtsenat – und damit auch in der Landesregierung – zu verabschieden. Anders als andere Bundesländer ist Wien als Gemeinde verfassungsrechtlich verpflichtet, auch die Opposition nach Maßgabe ihrer Stärke in die Stadt- bzw. Landesregierung einzubinden.

Wie Daniela Musiol und Albert Steinhauser (beide G) argumentierten, geht es um mehr Gestaltungsmöglichkeit und die Abkehr vom Zwang, in Wien eine Proporzregierung zu installieren. Selbstverständlich müsse der Zugang zu Informationen ohne Sitz im Stadtrat gesichert sein, sagte Musiol. In einer modernen Demokratie ist eine Trennung von Regierung und Opposition sinnvoll, um vor allem die Kontrollrechte entsprechend wahrzunehmen, plädierte Steinhauser für die Änderung der geltenden Regelung. Ähnlich argumentierte Nikolaus Scherak (N). Josef Cap (S) wollte die Möglichkeit der Proporzregierungen in den Landtagen generell nicht so negativ bewerten, indem er vor allem die unterschiedlichen Aufgaben von Landtagen und Nationalrat generell hervorhob.

Wolfgang Gerstl (V) und Otto Pendl (S) beriefen sich auf die Doppelfunktion Wien als Gemeinde und Bundesland und machten darauf aufmerksam, dass es verfassungsrechtlich problematisch sei, eine Gemeinde anders zu behandeln als alle anderen rund 2.100 Gemeinden in Österreich. Es liege daher an Wien, ob es mehr als Land oder mehr als Gemeinde gestaltet sein will, wozu sich der Wiener Landtag noch nicht geäußert hat.

Auch wenn Philipp Schrangl seitens der FPÖ kein Verständnis für die beiden Anträge zeigte und eine Konzentrationsregierung als gute Tradition bezeichnete, weil sie alle wesentlichen Kräfte einbindet, war er sich mit den Abgeordneten der anderen Fraktionen einig, dass Wien die Frage der nicht amtsführenden Stadträte selbst lösen könne. Auch diese beiden Anträge wurden schlussendlich mit SPÖ- ÖVP-Mehrheit vertagt.

Grüne drängen auf nachhaltigen und leistbaren Wohnbau

Ein völlig anderes Thema, nämlich den sozialen Wohnbau, die Raumordnung und die fortschreitende Zersiedelung, beschäftigten den Verfassungsausschuss in weiterer Folge. Die Grünen, und allen voran Gabriela Moser, schlagen ein ganzes Maßnahmenbündel vor, um sowohl nachhaltigen als auch leistbaren Wohnbau in Österreich sicherzustellen (828/A(E) ). Moser drängt etwa darauf, die Drosselung des Flächenverbrauchs als Staatsziel in der Verfassung zu verankern und die Raumordnungskompetenz der Länder zu Lasten der Gemeinden zu erweitern. Damit will sie erreichen, dass Bodenressourcen und Grünland geschont werden, genügend Bauland für sozialen Wohnbau zur Verfügung steht und keine Neubauten mehr "auf der grünen Wiese" ohne Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr errichtet werden. Derzeit würden bei Flächenwidmungen zu oft Einzelinteressen im Vordergrund stehen, moniert Moser, die durch die vorgeschlagenen Kompetenzverschiebungen auch Druck von den BürgermeisterInnen nehmen will. Während der Flächenverbrauchszuwachs um 10% pro Jahr steigt, wachse die Bevölkerung um 1%, untermauerte sie ihren Vorstoß. Auch ihr Klubkollege Wolfgang Zinggl griff das Thema der Zersiedelung Österreichs auf und warf der Regierung vor, nichts dagegen zu unternehmen.

Sozialer Wohnbau brauche günstige Gründe, die Höhe der Grundstückspreise hängen aber mit den Widmungskategorien zusammen und diese wiederum mit der Kompetenzaufteilung, erklärte Moser ihren Verfassungsantrag. Günstiges Bauland gewinne man nur durch verfassungsrechtlich konforme Verträge. Auf heftigen Widerstand stieß sie damit nur beim Team Stronach. Kathrin Nachbaur warnte eindringlich vor staatlichen Eingriffen in das Wohnungsrecht und meinte, günstige Preise könnten nur durch mehr Wettbewerb erzielt werden. Der staatliche Bau sei ineffizient und teuer, sagte sie, besser wäre es, Geld direkt den Bedürftigen Menschen zu geben. Das rief wiederum Albert Steinhauser auf den Plan, der den Argumenten Nachbaurs nichts abgewinnen konnte. So lange die Renditen hoch sind, werden auch die Mieten hoch sein, konterte er.

Verständnis für die Anliegen Mosers zeigten sowohl Johann Singer (V) als auch Otto Pendl (S). Erschwingliche Grundkosten seien ein wichtiger Aspekt für leistbares Wohnen, sagte Singer und räumte ein, dass man der Zersiedelung Einhalt gebieten müsse. Der Antrag der Grünen gehe aber davon aus, dass Grundstücke zur Verfügung stehen, das sei aber nicht überall der Fall. Als weiterer Aspekt sei die Infrastruktur zu beachten. Die Koalitionsparteien sagten die Grünen konkrete Verhandlungen zu diesem Thema zu, wonach auch dieser Antrag mit Koalitionsmehrheit vertagt wurde.(Fortsetzung Verfassungsausschuss) jan