Parlamentskorrespondenz Nr. 850 vom 13.07.2016

Bundesrat für effektiven Verbraucherschutz aber gegen Eingriff in nationale Kompetenzen

Subsidiaritätsrüge des EU-Ausschusses - Vorschlag widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit

Wien (PK) – Gleich zwei Subsidiaritätsrügen schickte heute der EU-Ausschuss des Bundesrats nach Brüssel. Zum einen ging es um den Verordnungsvorschlag zur Zusammenarbeit der zuständigen nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten, mit dem Ziel, die Verbraucherschutzgesetze durchzusetzen; zum anderen um den Vorstoß der Kommission, ungerechtfertigtes "Geoblocking" zu unterbinden. Beide Materien standen bereits am 29. Juni auf der Tagesordnung des Ausschusses, wobei bereits damals schwerwiegende Bedenken gegenüber beiden Gesetzesentwürfen geäußert wurden.

So war damals die Reaktion hinsichtlich der engeren behördlichen Zusammenarbeit in Sachen Verbraucherschutz (CPC-Verordnung) "kritisch bis ablehnend", wobei die Bundesrätinnen und Bundesräte durchaus Verständnis für einen verbesserten Schutz der KonsumentInnen, insbesondere im Bereich des Internethandels, zeigten. Die EU-Kommission regt vor allem auch im Hinblick auf neue Herausforderungen im digitalen Bereich eine Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften an, welche die Grundlage zur Zusammenarbeit der nationalen Behörden bilden, um die Durchsetzung der Gesetze zum Verbraucherschutz innerhalb der EU zu überwachen. Nach 10-jähriger Erfahrung mit den geltenden Bestimmungen haben sich diverse Defizite und Schwerfälligkeiten herauskristallisiert, erläuterte die Expertin des Sozialministeriums. Vor allem fehle eine Rechtsgrundlage für gemeinsame Aktionen. Die Behörden sollen daher in Hinkunft weitergehende Mindestbefugnisse erhalten. Das betrifft Zugangsrechte zu Daten und Dokumenten, die auch durch Hausdurchsuchungen erzwungen werden können. Erlaubt sein soll ferner Mystery Shopping sowie die Sperre von Webseiten im Fall betrügerischer Praktiken. Die Behörden sollen zudem Sanktionen, einschließlich Geldbußen und Zwangsgelder, verhängen können.

Die Länderkammer stößt sich vor allem an diesen zusätzlichen Befugnissen. Diese greifen nach Ansicht der Mandatarinnen und Mandatare zu tief in nationales Recht, insbesondere in das Strafrecht, ein. Kritisch werden abermals die zahlreichen geplanten delegierten Rechtsakte kommentiert, die ein Mitspracherecht der nationalen Parlamente bei der näheren gesetzlichen Ausgestaltung unterminieren (siehe Meldung der Parlamentskorrespondent Nr. 769/2016).

Subsidiaritätsrüge: Harte Kritik an delegierten Rechtsakten und erweiterten Mindestbefugnissen der Behörden

Dementsprechend hart fällt auch die Subsidiaritätsrüge (begründete Stellungnahme) aus, die der Ausschuss einhellig verabschiedete.

Darin stellen die Bundesrätinnen und Bundesräte außer Streit, dass die Verfolgung grenzüberschreitender Verstöße gegen die EU-Verbraucherschutzgesetze effektiver gestaltet werden muss und eine EU-weite Regelung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden in diesem Zusammenhang notwendig ist. Die geltende EU-Verordnung sei vor allem im Hinblick auf die digitale Wirtschaft und Entwicklung des grenzüberschreitenden Einzelhandels den aktuellen Anforderungen nicht gewachsen, hält es der EU-Ausschuss durchaus für angebracht, die geltenden Bestimmungen zu überarbeiten.

Massive Einwände gibt es jedoch gegen die – wie es im Antrag heißt - extensiv geplanten delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte und die "dadurch verursachte Kompetenzerosion zu Ungunsten von Mitgliedstaaten". Dies widerspreche diametral dem Subsidiaritätsprinzip genauso wie die ins Auge gefasste Bestimmung, wonach die Kommission die Umsetzung der nationalen Durchsetzungspläne überwacht. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) sprach in der Diskussion von einer "Unart" und SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach (S/W) berichtete, dass sich die COSAC (die Konferenz der Europaausschüsse) demnächst explizit mit der Frage der ausufernden delegierten Rechtsakte befassen werde. Österreich ist mit seiner kritischen Haltung dazu längst nicht mehr allein, bemerkte Schennach.

Der EU-Ausschuss sieht aber nicht nur das Subsidiaritätsprinzip verletzt, sondern auch die Verhältnismäßigkeit, und zwar im Hinblick auf die Ausübung der ausgedehnten Mindestbefugnisse der Behörden. Diese sollten laut Meinung der Bundesräte und Bundesrätinnen bereits im Verordnungstext prominenter verankert sein und nicht erst in den Durchführungsrechtsakten festgelegt werden. Dementsprechend sei zu klären und zu präzisieren, ob und in welchen Fällen insbesondere die Befugnisse der Entschädigung und der Gewinnabschöpfung zulässigerweise ergriffen werden können, heißt es in der begründeten Stellungnahme. Nach Auffassung des EU-Ausschusses sollten auch für einzelne weitreichende Mindestbefugnisse Parameter festgelegt werden, die den zuständigen Behörden sachliche Kriterien für die Auswahl und Anwendung der Sanktionen unter Wahrung der jeweiligen innerstaatlichen rechtlichen Rahmenbedingungen geben. Die schrankenlose Anwendbarkeit, wie sie der Verordnungsentwurf derzeit vorsieht, würde über das hinausgehen, was zur Erreichung der im Vorschlag angeführten Ziele erforderlich ist.

Befürchtung, EU-Kommission könnte sich zu sehr einmischen

Die Subsidiaritätsrüge der Länderkammer wurde auch von den anwesenden ExpertInnen des Wirtschafts-, Sozial- und Justizministeriums sowie von der Wirtschaftskammer begrüßt, wobei die Vertreterin des Sozialressorts, das auch für den Konsumentenschutz zuständig ist, den Verordnungsentwurf der EU-Kommission grundsätzlich weniger negativ beurteilte und bei einigen "zu viel Sorge" ortete. Das Ziel der Verordnung sei die Abstellung von Verstößen und nicht die Entschädigungen, sagte sie. Auch gibt es ihr zufolge für die nationalen Behörden weitgehenden Spielraum bei der Ausgestaltung der Mindestbefugnisse, die Priorität bleibe auch nach dem vorliegenden Entwurf bei der Durchführung durch nationale Behörden. Grundsätzlich plädierte sie für eine Bereinigung des Verbraucherrechts, um besser gegen unlautere Praktiken großer Unternehmen vorgehen zu können. Das komme auch den Klein- und Mittelbetrieben zugute, sagte sie, da diese ja nicht so häufig grenzüberschreitend tätig seien.

Einig war man sich seitens der drei involvierten Ressorts aber in der Kritik an den zahlreich geplanten delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten. Die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums wandte sich gegen eine zu starke Einmischung der EU-Kommission, bisher hätten sich die Mindestbefugnisse auf Auskunftsrechte beschränkt, stellte sie fest. Sozial- und Justizministerium vertraten auch die Ansicht, dass die Priorität beim zivilrechtlichen Verbraucherrecht bleiben sollte und die stärkere Heranziehung des Strafrechts große Probleme nach sich zöge. Die Anlehnung an das Kartellrecht wurde daher auch vom zuständigen Sektionschef des Justizministeriums in Frage gestellt. Das habe mehr mit dem Strafrecht zu tun und gehöre eigentlich nicht mehr zum Verbraucherrecht, betonte er. Beim Strafrecht seien auch grundrechtliche Fragen tangiert, gaben er wie auch Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) zu bedenken. Das österreichische System habe sich bewährt, sagte der Sektionschef.

Auch die Wirtschaftskammer wiederholte heute im Ausschuss ihre  schwerwiegenden Sorgen. Die angedachten Mindestbefugnisse gehen weit über das Verbraucherrecht hinaus, unterstrich deren Vertreter, die Durchsetzung der Verbraucherrechte sei Kompetenz der Mitgliedstaaten. Mit den Neuerungen würde man tief ins Strafrecht und in das materielle Recht hineingehen, damit würde man mit "Kanonen auf Spatzen" schießen. Würde der Verordnungsvorschlag umgesetzt, dann könnte die EU-Kommission sogar eine ausländische Behörde bestimmen, Maßnahmen in Österreich zu ergreifen, warnte er. Mit all dem sei die Verhältnismäßigkeit keineswegs gewahrt.

Mischkulanz zwischen Zivilrecht und Strafrecht ist zu überdenken

Die Meinung der ExpertInnen spiegelte sich in den Wortmeldungen der Bundesrätinnen und Bundesräte wieder. Stefan Schennach (S/W) und Heidelinde Reiter (G/S) halten weitere Schritte zur Durchsetzung der Verbraucherrechte, vor allem im Online-Handel, für unumgänglich. Auch sei es wichtig, mit Drittstaaten Abkommen abschließen zu können, um die Möglichkeit zu erhalten, über die EU-Grenzen hinaus tätig werden zu können, sagte Schennach. Er zeigte aber Verständnis für die Bedenken hinsichtlich der "Mischkulanz" zwischen Zivilrecht und Strafrecht.

Sonja Zwazl (V/N) hingegen äußerte sich dezidiert negativ zu den EU-Plänen. Es gehe um gravierende Eingriffe in nationales Recht, stellte sie fest, Österreich könne diese Dinge selber regeln. Der Titel der Verordnung sei daher irreführend. Gerd Krusche (F/St) wiederum warnte vor einer "Amerikanisierung" des Systems. Auch VerbraucherInnen haben eine gewisse Eigenverantwortung, meinte er. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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