Parlamentskorrespondenz Nr. 1441 vom 05.12.2018

Europäischer Rechnungshof legt Schwerpunkt auf wirksamen Einsatz der Mittel

Oskar Herics präsentiert im EU-Ausschuss des Bundesrats neueste Prüfergebnisse und Tendenzen

Wien (PK) – In einer "gut gewordenen Tradition", wie der Vorsitzende des EU-Ausschusses des Bunderats Christian Buchmann (ÖVP/St) betonte, informierte auch heuer wieder der österreichische Vertreter im Europäischen Rechnungshof, Oskar Herics, die Ausschussmitglieder über jüngste Prüfergebnisse des europäischen Kontrollorgans.

EU-Rechnungshof hat Nutzen der EU-Gelder für die Bürgerinnen und Bürger im Auge

Der Haushalt der EU betrug im Jahr 2017 137,4 Mrd. €, das sind 0,9% des Bruttonationaleinkommens (BNE) aller Mitgliedstaaten. 56,7 Mrd. € gingen in natürliche Ressourcen, das heißt vor allem in die Landwirtschaft, 35,7 Mrd. € kamen der Kohäsionspolitik zugute, 21,4 Mrd. € standen der Wettbewerbsfähigkeit und 9,8 Mrd. € für außenpolitische Maßnahmen zur Verfügung. Für die Verwaltung wurden 9,7 Mrd. € aufgewendet, für Sonstiges 4,1 Mrd. €.

Grundsätzlich konnte der Rechnungshof zur Zuverlässigkeit der Rechnungsführung der EU ein uneingeschränktes Prüfungsurteil abgeben, zu den Zahlungen jedoch nur ein eingeschränktes, stellte Herics fest. Die geschätzte Fehlerquote bei den Zahlungen sinke kontinuierlich: lag sie 2012 noch bei 4,8% so ging sie 2015 auf 3,8%, 2016 auf 3,1 % und 2017 auf 2,4% zurück. Diese Werte sagen jedoch nichts über die Sinnhaftigkeit und das Funktionieren der Projekte aus, betonte Herics, sondern beruhten nur auf der Feststellung, dass etwas nicht im Einklang mit den EU-Vorschriften ausgegeben wurde. Was die Umsetzungsquote der Empfehlungen betrifft, so liege diese bei rund 80%.  

Der Europäische Rechnungshof geht laut Herics mehr und mehr dazu über, auf den wirksamen Einsatz der Mittel zu achten, das heißt, den Schwerpunkt vom Input mehr auf die Ergebnisse zu verlagern und auf den Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger zu achten. Im Fokus stehe zunehmend die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung. Mittels eines Pilotprojekts im Bereich Kohäsion versuche der Europäische Rechnungshof einen neuen Prüfungsansatz, berichtete Herics, indem von den Mitgliedsstaaten selbst Zuverlässigkeitspakete verlangt werden und man dann Stichproben durchführt. Hier ortete Herics noch zahlreiche Schwachstellen bei den Prüfbehörden der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission.

Kritik an mangelnder Transparenz und erhöhter Komplexität von Finanzstrukturen

Kritik übte Herics einmal mehr an der mangelnden Transparenz und der erhöhten Komplexität der Finanzstrukturen, etwa im Hinblick auf Treuhandfonds für Drittländer außerhalb des EU-Haushalts. Außerdem gebe es in manchen Bereichen keine Prüfkompetenz, Herics nannte in diesem Zusammenhang die Verteidigungsagentur, den Stabilitätsmechanismus und Operationen der Europäischen Investitionsbank (EIB). Für letztere fand er besonders kritische Worte in Bezug auf die Wirkung der von ihr geförderten Projekte. Der Rechnungshof könne nur dann Projekte der EIB prüfen, wenn die Mittel von der EU-Kommission garantiert werden.

Kritik äußerte Herics auch an einer zu hohen Mittelbindung von EU-Haushaltsmitteln, bevor überhaupt Zahlungen geleistet werden. Das führe dazu, dass man dann noch Projekte "herauspresst", um die Mittel abzurufen, was sich aber negativ auf die Qualität auswirkt. Insgesamt sieht Herics ein großes Risiko darin, dass Mittelzuweisungen erst Jahre nach der politischen Entscheidung erfolgen und die EU angesichts unzureichender Flexibilität der Haushaltsführung für unerwartete Ereignisse nicht gerüstet ist.

Weitgehend negativ bewertet Herics die Arbeit des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung OLAF. Dieses reagiere kaum, wenn der Europäische Rechnungshof Betrugsfälle weiterleitet, die Schnittstelle zur Strafverfolgung funktioniere einfach nicht. Herics erwartet sich daher von der Europäischen Staatsanwaltschaft, die 2021 ihre Tätigkeit aufnehmen soll, Verbesserungen. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll für die Verfolgung von grenzüberschreitendem Betrug mit EU-Finanzmitteln sowie von Korruption und Geldwäsche zuständig sein.

Gutes Zeugnis für Österreich – Land hat aber kaum Mittel aus Juncker-Plan abgerufen

Was nun die Prüfberichte mit Österreichbezug betrifft, so liegt man hierzulande im Bereich des Europäischen Landwirtschaftsfonds mit der Fehlerquote von 32,47 % unter dem EU-Durchschnitt von 43,73 %. Österreich musste mit 10 Mio. € auch relativ wenig Finanzkorrekturen durchführen, denn EU-weit betrafen diese Korrekturen rund 2 Mrd. €, wobei Frankreich, Polen, Spanien und Italien die höchsten Korrekturen vornehmen mussten.

Ein Problem in Österreich bleibt die Identifizierung der beihilfenfähigen landwirtschaftlichen Flächen, sprich der Almflächen. Dieses Problem sei noch immer nicht gelöst, bedauerte Herics, es gebe noch keine Rechtssicherheit. Das Prüfverfahren der Kommission laufe noch, im Raum stehen Finanzkorrekturen in der Höhe von 8 Mio. €.

Kritische Anmerkungen zum Hochgeschwindigkeitsnetz

Herics berichtete auch über zahlreiche Sonderprüfungen. Von großem Interesse für die Ausschussmitglieder war dessen Einschätzung des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem "unwirksamen Fleckerlteppich". Als Beispiel nannte er den Brenner Basistunnel, wo es derzeit noch nicht einmal gesichert ist, ob Deutschland die entsprechende Anbindung baut. Insgesamt werde in eine teure Infrastruktur der Hochgeschwindigkeitsnetze mit hohen Kostenüberschreitungen investiert, sagte Herics und appellierte, die Wirksamkeit der Maßnahmen zu prüfen. Er trat auch für eine stärkere Rolle der EU-Kommission bei all diesen grenzüberschreitenden Flaggschiff-Projekten im Bereich Verkehrsinfrastruktur ein.

Wenig funktionieren in den Augen von Herics auch die Public-Private Partnership-Projekte (PPP). Für die Mitgliedstaaten sei dies ein Anker, um die Schulden nicht noch größer werden zu lassen, sie seien aber nicht gut darauf vorbereitet. Bei den meisten Projekten fehle ein politisches Konzept, der Wettbewerb sei unzureichend und die Ausgaben sowohl unwirtschaftlich als auch wenig wirksam. Der EU-Rechnungshof empfiehlt daher, keine neuen PPPs mehr zu fördern, solange die Probleme nicht gelöst sind.

Die Juncker-Investitionsoffensive (EFSI) sei gut angelaufen und konnte hohe private Investitionen auslösen, wobei er aber die Erwartungen an den Hebeleffekt als zu hoch bewertete, sagte Herics. Mit 68,8 Mrd.€ an EFSI-Mitteln sollen 359,9 Mrd. € Gesamtinvestitionen ausgelöst werden. Außerdem seien viele Förderungen ohne weiteres auch aus bestehenden Programmen zu bestreiten gewesen, es gebe große Mitnahmeeffekte und auch die geographische Konzentration sei nicht ausgewogen, fasste Herics die Kritik zusammen. Österreich hat sich mur in einem bescheidenen Ausmaß von 1,4 Mrd. € daran beteiligt und liegt damit EU-weit nur an 23. Stelle.

Kritisch bewertet der Europäische Rechnungshof auch die EU-Heranführungshilfe für die Türkei, vor allem angesichts der demokratiepolitischen Entwicklungen in diesem Land. Man müsse klar darüber reden, ob man nicht Mittel kürzen sollte, wenn vereinbarte Standards nicht eingehalten werden, so der EU-Rechnungsprüfer. Wenig Wirkung ortet er auch bei den Mitteln für die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur, hier hält er eine Neuausrichtung für erforderlich.

EU-Rechnungshof hält Kurskorrektur bei Direktzahlungen für notwendig

Dem Hochwasserschutz in Österreich stellt das europäische Prüforgan ein gutes Zeugnis aus, bei der Luftverschmutzung drohen dem Land jedoch Strafzahlungen in Millionenhöhe.

Bei den Direktzahlungen für die Landwirtschaft hält Herics eine Kurskorrektur für angebracht, denn diese hätten nicht zum Stopp der Abwanderung aus den ländlichen Gebieten geführt, vielmehr gehe die Tendenz zu mehr Agrarindustrie hin. Sollte sich die Agrarindustrie ausweiten, dann werde dies zusätzliches Geld zur Behebung von Umweltschäden erfordern, fürchtet er.

In der Diskussion stellten die BundesrätInnen Christian Buchmann (ÖVP/St), Martin Preineder (ÖVP/N), Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N), Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O), Stefan Schennach (SPÖ/W), Günther Novak (SPÖ/K), Hubert Koller (SPÖ/St), Andrea Kahofer (SPÖ/N), Christoph Längle (FPÖ/V) und Georg Schuster (FPÖ/W) zahlreiche Detailfragen. Dabei verteidigte vor allem Preineder die Direktzahlungen, wie Novak bemängelte er den hohen Bürokratieaufwand bei Projekten und Kontrollen. Buchmann, Novak und Tiefnig sprachen die Breitbandoffensive an und Schuster unterstrich die Notwendigkeit, die Mittel effizient zu verwenden. Schennach wies darauf hin, dass eine hohe Fehlerquelle bei der Mehrwertsteuer liege, die oft doppelt angerechnet werde. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) jan


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