Parlamentskorrespondenz Nr. 960 vom 29.09.2020

Außenpolitischer Ausschuss verurteilt Gewalt gegen DemonstrantInnen in Belarus

Anträge von SPÖ und NEOS zu Moria vertagt

Wien (PK) – Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation in Belarus, wo unter Machthaber Alexander Lukaschenko seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen gegen friedliche DemonstrantInnen mit Gewalt vorgegangen wird, setzte sich der Außenpolitische Ausschuss heute mit einer gemeinsamen Initiative von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS für ein weiteres Engagement Österreichs zur Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft und JournalistInnen im Land ein. Außenminister Alexander Schallenberg sagte zu, weiterhin Druck im Rahmen von Sanktionen ausüben zu wollen. Die Präsidentschaftswahl in Belarus sei alles andere gewesen als eine Wahl, Alexander Lukaschenko habe seine Legitimität verloren, ein Aussitzen werde sich angesichts der anhaltenden Demonstrationen nicht ausgehen. Dieses "demokratiepolitische Drama" sei für Österreich besonders enttäuschend, zumal Wien stets die Speerspitze unter jenen Ländern gewesen sei, die die Hand ausgestreckt hielten, so Schallenberg. Noch würde Lukaschenko die Zusammenarbeit mit der OSZE verweigern, es sei das einzige Forum, mit dem Fortschritte erzielt werden können.

Vier-Parteien-Antrag zur aktuellen politischen Situation in Belarus

Die Bundesregierung soll laut gemeinsamer Entschließung, die nur von der FPÖ abgelehnt wurde, weiterhin für ein sofortiges Ende der Gewalt gegen friedliche DemonstrantInnen in Belarus, die unverzügliche Freilassung aller willkürlich Verhafteter, die Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen sowie eine freie und faire Wiederholung der Präsidentschaftswahlen samt internationaler Wahlbeobachtung eintreten, so der Tenor von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS im Ausschuss. Geht es nach den Parlamentsfraktionen, soll Österreich zudem auf europäischer Ebene die Sanktionen gegen Personen, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlbetrug in Belarus verantwortlich sind, weiterhin unterstützen und gegebenenfalls für eine Verschärfung einstehen.

Der nicht gewählte Präsident könne in Belarus nicht zur Tagesordnung übergehen, so Reinhold Lopatka (ÖVP), mit der Entschließung wolle man sowohl die Bemühungen der Bundesregierung als auch die OSZE-ExpertInnen vor Ort unterstützen. Er trete für zeitnahe freie und faire Wahlen mit internationaler Aufsicht ein.

Vonseiten der Freiheitlichen kündigte Axel Kassegger (FPÖ) nähere Erläuterungen für die ablehnende Haltung seiner Fraktion im Plenum an. Viele im Antrag formulierten Ziele könne die FPÖ unterschreiben, problematisch sehe er allerdings die Sanktionen. Außerdem müsse über die Zivilgesellschaft und deren Ziele eingehender diskutiert werden.

Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic konnte die Vorbehalte der FPÖ nicht nachvollziehen und vermisste eine klare, schlüssige Begründung. Österreich habe in dieser Angelegenheit eine gewisse Verantwortung, sagte Ernst-Dziedzic und rief ins Bewusstsein, dass Frauen seit Beginn eine wesentliche Rolle in den Protesten gespielt hätten. Das Internet habe es zudem möglich gemacht, dass Informationen von Belarus nach außen dringen und gesehen werden kann, was dort wirklich passiert.

Unterstützung der EU bei Ausarbeitung des Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie

Auch der im März von der EU vorgelegte neue Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie 2020 – 2024, der auch Handlungslinien für das zukünftige EU-Engagement unter anderem für den Schutz und die Stärkung des Einzelnen und den Aufbau resilienter, inklusiver und demokratischer Gesellschaften vorsieht, erhielt in einem Entschließungsantrag Unterstützung von ÖVP, Grünen, SPÖ und den NEOS.

Außenminister Alexander Schallenberg wird demnach auf Initiative von den AntragstellerInnen Reinhold Lopatka, Gudrun Kugler (beide ÖVP) sowie Ewa Ernst-Dziedzic und Michel Reimon (beide Grüne) ersucht, die Bemühungen der EU für die Ausarbeitung eines umfassenden Aktionsplans für Menschenrechte und Demokratie für 2020 bis 2024 zu unterstützen. Zudem soll sich Schallenberg auf EU-Ebene für die Einführung einer unionsweit geltenden Regelung für Sanktionen bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte einsetzen.

Vonseiten Österreichs gebe es ein klares Bekenntnis für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die Entschließung gebe einen guten Anlass, sich noch engagierter auf EU-Ebene dafür einzusetzen, erklärte Ernst-Dziedzic.

Trotz Zustimmung ging die Entschließung den NEOS nicht weit genug, wie Helmut Brandstätter (NEOS) ausführte. Der Außenminister werde darin ersucht, Aktionen zu setzen, die ohnehin bereits vollinhaltlich Teil der österreichischen Politik seien und keiner parlamentarischen Entschließung bedürfen. Wenn es um Menschenrechte gehe, erwarte man sich etwa angesichts der Asylsituation in Griechenland von Österreich, sich gegen sogenannte "Push-Backs" durch griechische Behörden auszusprechen und sich gegen die unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegen MigrantInnen und Flüchtlinge durch die griechischen Sicherheitsbehörden einzusetzen.

Unterstützung für die von den NEOS vorgeschlagenen Ergänzungen im Antrag kam von der SPÖ. Aus Sicht von SPÖ-Abgeordneter Petra Bayr (SPÖ) sei es allerdings auch geboten, über den Nationalen Aktionsplan Menschenrechte sowie das Thema Wirtschaft und Menschenrechte zu sprechen.

Ernst-Dziedzic (Grüne) meinte, dass die Ergänzungen der NEOS wichtig und richtig seien, die ursprüngliche Forderung von ÖVP und Grünen aber auf den EU-Aktionsplan abziele.

SPÖ und NEOS fordern Aufnahme unbegleiteter Kinder aus Moria

Die Forderungen mittels konkreten Anträgen der SPÖ und der NEOS, unbegleitete Kinder aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria in Österreich aufzunehmen, wurden im Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

Moria sei eine Schande und offenbare die Feigheit und Kleingeistigkeit einiger europäischer Regierungen, Kinder in Elend zurückzulassen, statt für rasche Hilfe und Lösungen zu sorgen, kritisiert SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner in der Entschließung ihrer Fraktion und fordert eine menschenwürdige Unterbringung von AsylwerberInnen aus Moria und rasche humanitäre Hilfe. Die SozialdemokratInnen fordern darüber hinaus im Konkreten, in Österreich Kinder und unbegleitete Minderjährige aus Moria aufzunehmen. Es sei ein Gebot von Menschlichkeit und Anstand, zu helfen, ruft Rendi-Wagner im Antrag ins Bewusstsein, die Bundesregierung könne sich dabei auf die Aufnahmebereitschaft und Initiativen zahlreicher Bundesländer und Gemeinden stützen.

Hart ins Gericht mit der Bundesregierung gehen auch die NEOS, wenn es um ihre Haltung bezüglich griechischer Flüchtlingslager geht. Österreich dürfe angesichts "brennender Elendslager" nicht länger tatenlos zusehen, jetzt gelte es zu handeln und schnellstmöglich Kinder aus Moria aufzunehmen, wird in einem Entschließungsantrag geltend gemacht. Die NEOS rufen darin die Bundesregierung konkret dazu auf, sich am Programm der EU-Kommission zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Die "Ausrede" von Außenminister Alexander Schallenberg, dass damit ein Pull-Effekt verbunden sei, sei zynisch und empirisch nicht belegbar.

Die österreichischen Hilfsgüter seien in Athen gelandet und würden dort niemandem helfen, bemängelte NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter (NEO). Man würde gemäß den Aussagen der Bundesregierung den Eindruck bekommen, dass die österreichischen Hilfsgüter schon längst bei den Bedürftigen angekommen seien, so auch SPÖ-Abgeordneter Harald Troch, das sei aber nicht der Fall. Es gehe um 100 Kinder, man sollte aus seiner Sicht gemeinsam mit Deutschland ein Zeichen setzen.

Außenminister Schallenberg erklärte, dass die Hilfsgüter in Griechenland angekommen seien, das Land selbst aber die Verteilung übernommen habe. Die Hilfe vor Ort werde zudem tausendmal schneller ankommen als irgendein Kind in den zur Aufnahme bereiten Staaten ankommen werde, "auch im Dezember wird noch kein Kind in diesen Staaten sein", prognostizierte der Außenminister.

FPÖ für Rückkehr von SyrerInnen in ihre Heimat

Abgelehnt wurde im Außenpolitischen Ausschuss ein Antrag der Freiheitlichen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich für die Wiederherstellung von Lebensumständen in Syrien einzusetzen und die geflüchteten SyrerInnen in Österreich zu einer raschen Rückkehr zu motivieren, damit diese ihre Heimat wiederaufbauen können. Aufgrund der militärischen Erfolge der syrischen Streitkräfte und ihrer Partner sei der vielschichtige Bürgerkrieg in Syrien inzwischen weitestgehend beendet und der sogenannte Islamische Staat besiegt, nun sei der Weg frei für einen syrischen Aussöhnungsprozess und den schrittweisen Wiederaufbau des Landes, so die Freiheitlichen.

Beim Schutz vor Verfolgung handle es sich um ein Hilfsinstrument auf Zeit, nämlich bis zum Wegfall des Asylgrundes. Das sei der Fall, wenn sich die Lage in einem Land wieder beruhige, was auf Syrien in weitem Ausmaß zutreffe, machte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger geltend.

"Man lernt nie aus in diesem Ausschuss", entgegnete dazu Michel Reimon (Grüne), dass der Krieg in Syrien vorbei wäre, sei schlichtweg falsch. Bei Syrien handle es sich nach wie vor um ein besetztes Bürgerkriegsland. Die Menschen dort bräuchten Hilfe, man werde sich darum kümmern, dass in dieser Region etwas passiert.

Auch Bayr (SPÖ) stellte sich gegen die Argumentation der Freiheitlichen, wonach viele SyrerInnen, die aufgenommen wurden, jetzt wieder zurück nach Hause gehen könnten. "Das Land ist de facto kaputt und tot", so die Abgeordnete, vier Fünftel der SyrerInnen vor Ort würden unterhalb der Armutsgrenze leben. Menschen den Asylstatus zu entziehen und sie in ein Loch zu schicken sei aus ihrer Sicht kein Ansatz, den man verfolgen könne.

EZA- und Südtirol-Unterausschuss konstituiert

Unterausschüsse des Außenpolitischen Ausschusses werden sich zur Vorberatung künftig mit der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und mit Südtirol auseinandersetzen. Zugewiesen wurde dem neu konstituierten EZA-Ausschuss, dem SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr vorsitzt, eine Entschließung der SozialdemokratInnen, in der sie sich für den Schutz von Frauen und Mädchen vor HIV bzw. Aids einsetzen sowie eine Entschließung der NEOS für eine langfristige Perspektive für die EZA. Dem Südtirol-Unterausschuss, dessen Obmann ÖVP-Abgeordneter Hermann Gahr ist, wurde der aktuelle Bericht zur Autonomieentwicklung in Südtirol zugewiesen.

NEOS für Ermöglichung der Betreuung von Tieren bei Grenzschließungen

Angesichts der Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Schengen-Binnengrenzen in Folge der Corona-Pandemie fordern die NEOS in einem Entschließungsantrag von Außenminister Alexander Schallenberg, in bilaterale Gespräche mit den österreichischen Nachbarstaaten zu treten, um darauf hinzuwirken, dass das Betreuen von Tieren außerhalb der Grenzen Österreichs ermöglicht wird. Georg Strasser (ÖVP) äußerte sich positiv über die zahlreichen Ausnahmegenehmigungen etwa für Landwirtschaft und im Bereich der Tiere und Lebensmittel während der Grenzschließungen zu Beginn der Corona-Pandemie. Sollte es erneut zu umfassenden Grenzschließungen kommen, würden in bilateralen Gesprächen wieder Lösungen gefunden, zeigte er sich überzeugt. Der NEOS-Antrag wurde entsprechend vertagt. (Schluss Außenpolitischer Ausschuss) keg