Parlamentskorrespondenz Nr. 322 vom 17.03.2021

Petitionsausschuss: Hearings zu alternativer Leistungsbeurteilung ohne Noten und Sterben in Würde

Insgesamt standen 48 Initiativen auf der Tagesordnung

Wien (PK) – Im zweiten Teil des heutigen Petitionsausschusses fanden zwei weitere Hearings zu ausgewählten Materien statt. Während sich die Grünen für eine Bürgerinitiative zur "Ermöglichung der alternativen Leistungsbeurteilung ohne Noten im Rahmen der Schulautonomie" entschieden, wollten die NEOS die Petition betreffend "Selbstbestimmtes Sterben in Würde" diskutieren. Die Bürgerinitiative zur alternativen Leistungsbeurteilung wurde zur weiteren Behandlung dem Unterrichtsausschuss zugewiesen. Die Petition zur Entkriminalisierung von Sterbehilfe wurde von ÖVP und Grünen mehrheitlich zur Kenntnis genommen.

Zudem befassten sich die Abgeordneten mit weiteren 43 Materien, die thematisch ein breites Feld abdeckten und etwa von einer "Corona-Generalamnestie" bis zu "Steirische Almen erhalten und schützen" reichten. Einstimmig angenommen wurde schließlich ein Sammelbericht über all jene Verhandlungsgegenstände, die durch Kenntnisnahme erledigt bzw. zugewiesen wurden.

Alternative Leistungsbeurteilung ohne Noten soll im Rahmen der Schulautonomie ermöglicht werden

Die Entscheidung über die Art der Leistungsbeurteilung - ob Ziffernnoten oder alternative Leistungsbeurteilung - soll nach Ansicht einer Bürgerinitiative wieder den Volksschulen bzw. den einzelnen Klassen überlassen werden (25/BI). Ziffernnoten seien nachweislich nicht objektiv und ein Störfaktor insbesondere dort, wo Inklusion gelebt werde und/oder es altersgemischte Lerngruppen gebe, argumentieren die UnterzeichnerInnen. Sie richten sich mit dem Appell an die politisch Verantwortlichen, "den bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen Folge zu leisten und - wie bereits in zahlreichen anderen Ländern üblich - von der verpflichtenden Ziffernnotenbeurteilung abzurücken".

Nicht Noten sondern Anerkennung und Wertschätzung sporne Kinder zum Lernen an, unterstrich Barbara Trautendorfer einleitendend, die als Erstunterzeichnerin der Bürgerinitiative in den Ausschuss geladen worden war. Das von der ÖVP/FPÖ-Regierung im Jahr 2018 beschlossene Pädagogikpaket sei ein "klarer Rückschritt", denn der Notenzwang sei einerseits für SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern frustrierend und würde die gesamte Aufmerksamkeit dieser auf sich ziehen, so Trautendorfer. Auch der Großteil der BildungsexpertInnen würde das so sehen.

Mehrere Abgeordnete unterstützten die Anliegen der Bürgerinitiative, darunter Sibylle Hamann (Grüne), Fiona Fielder (NEOS) und Michael Seemayer (SPÖ). Der Zwang, Noten zu geben, sei aktuell geltendes Recht, die Grünen hätten die ÖVP noch nicht zu einer Änderung in diesem Bereich überzeugen können, so Hamann. Fiedler forderte, dass die Form der Leistungsbeurteilung Teil der Schulautonomie sein solle. Gegenüber Michael Seemayer hielt Barbara Trautendorfer fest, dass sich in Zeiten der COVID-19-Pandemie aufgrund von wenig Präsenzunterricht Schulnoten "ad absurdum" führen würden. Der Aufruf des Bildungsministers an die LehrerInnen, "Milde bei der Beurteilung walten zu lassen", würde dies belegen.

Anders sah dies Christian Ries (FPÖ), der sich skeptisch gegenüber einer alternativen Leistungsbeurteilung äußerte. Die aktuelle Variante einer Mischlösung aus Noten und verbaler Leistungsbeurteilung sei seiner Ansicht nach der richtige Weg. Noten seien zwar "besser als gar nichts", eine differenzierte Beurteilung sei aber zur Motivation der Kinder viel effektiver, erwiderte Barbara Trautendorfer. In der Arbeitswelt sei etwa ein Mitarbeitergespräch aufschlussreicher, als wenn die ArbeitnehmerInnen nur eine Rückmeldung durch Noten von ihren Vorgesetzten erhalten würden.

Petition fordert Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Würde in Österreich

Ein Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende sei ein wesentlicher Teil der Autonomie des Menschen, heißt es in einer von Abgeordnetem Michael Bernhard (NEOS) unterstützten Petition, die dabei den Kontext von unausweichlichem schweren körperlichen oder psychischen Leid, insbesondere bei unheilbaren Krankheiten, unter ärztlicher und psychologischer Betreuung, und bei aufrechter Urteilskraft des Leidenden im Fokus hat (22/PET). Eine Umfrage zeige auch, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung in Österreich für Sterbehilfe ausspreche. Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) sowie die Petition von Wolfgang Obermüller "Recht auf Sterbehilfe" ersuchen gemeinsam den Nationalrat, die Entkriminalisierung von Sterbehilfe zu diskutieren und gesetzgeberisch umzusetzen. Betont werden gleichzeitig der ethische und zeitliche Vorrang von Palliativmedizin sowie psychischer und emotionaler Betreuung vor jeder Entscheidung zum Freitod.

"Sie können die Petition wieder nur zur Kenntnis nehmen oder dafür sorgen, dass das Thema Sterbehilfe angemessen im Parlament diskutiert wird", appellierte Wolfgang Obermüller, Sprecher der "Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende", an die Mitglieder des Ausschusses. Durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom Dezember 2020 habe in dieser Frage eine "neue Zeitrechnung" begonnen, er habe aber den Eindruck, dass man seitens der Politik die Dringlichkeit einer gesetzlichen Regelung bis Ende 2021 nicht erkenne oder erkennen wolle. Obermüller forderte eine "echte Lösung", die aber eine Diskussion über das Thema Sterbehilfe voraussetze. Im Lichte des VfGH-Urteils sei es nötig, eine neue parlamentarische Enquete einzurichten, die sich aus je 50% SterbehilfebefürworterInnen sowie –gegnerInnen zusammensetzen solle. Die relevante Frage sei, wie künftig die Sterbehilfe geregelt werde, nicht ob diese richtig oder falsch sei. Das habe der VfGH bereits entschieden.

Reinhold Einwallner (SPÖ) hielt für seine Fraktion fest, dass es wichtig sei, das "heikle Thema der Sterbehilfe" über eine Enquete hinaus zu diskutieren. Die entscheidende Frage sei, wie der Gesetzgeber die "Gradwanderung zwischen dem Recht auf Selbstbestimmung und der Verhinderung von Missbrauch" schaffe. Hermann Weratschnig (Grüne) pflichtete Einwallner bei, was es nun brauche, sei der Dialog zwischen allen Fraktionen. Die Frage der Missbrauchsgefahr bei der Sterbehilfe sei in der österreichischen Diskussion "völlig überbewertet" und würde nur in jenen Ländern geäußert, die keine Erfahrungen damit haben, ergänzte Wolfgang Obermüller. Dort, wo es Sterbehilfe gebe, sei die Bevölkerung damit überwiegend zufrieden, ihm seien auch keine Missbrauchsvorwürfe bekannt.

Auch Ausschussvorsitzender Michael Bernhard unterstützte eine parteiübergreifende Diskussion "außerhalb der Tagespolitik". Darum wäre eine Zuweisung der Petition in den Justizausschuss für ihn der richtige Weg gewesen. Es gehe um die Schaffung einer gesetzlichen Lösung, in dem auch der in Frage kommende Personenkreis für ein "selbstbestimmtes Ende des Lebens" definiert werden müsse. Seitens der FPÖ unterstützte auch Christian Ries den Vorschlag zur Zuweisung in den dafür zuständigen Justizausschuss, denn das VfGH-Urteil habe die Rechtslage geändert. Ein neues Gesetz brauche jedoch eine "scharfe Abgrenzung", was künftig im Bereich der Sterbehilfe möglich sei und was nicht.

Neue Initiativen: LKW-Abbiegeassistent, Nein zum Testzwang für Kinder, Abschaffung der Deutschförderklassen

Im Rahmen einer Einlaufbesprechung befassten sich die Abgeordneten noch mit allen neu eingelangten Anliegen, bei denen es unter anderem um die verpflichtende Einführung eines Abbiegeassistenten für LKW (51/PET), ein "Nein zum Testzwang für Kinder" (52/PET) sowie um die Abschaffung der Deutschförderklassen und des MIKA-D-Tests (33/BI) ging.

Nähere Informationen zum aktuellen Stand des parlamentarischen Verfahrens bezüglich all jener Bürgerinitiativen und Petitionen, die heute auf der Tagesordnung standen, sind auf der Website des Parlaments zu finden. (Schluss) med