Parlamentskorrespondenz Nr. 631 vom 27.05.2021

Bundesrat gibt grünes Licht für EU-Eigenmittelbeschluss

Zustimmung auch für ESM-Reform und effizientere Maßnahmen für Bankenaufsicht und Bankenabwicklung

Wien (PK) – Mit der nötigen Zweidrittelmehrheit stimmte der Bundesrat heute dem EU-Eigenmittelbeschluss zu. Demnach können künftig bis zu 1,40% statt bislang 1,20% des Bruttonationaleinkommens zur Finanzierung des EU-Haushaltes von den Mitgliedsstaaten eingehoben werden. Für den österreichischen Beitrag bedeutet das eine Steigerung auf rund 3,8 Mrd. €. Durch den Beschluss gibt es zudem grünes Licht für das insgesamt 750 Mrd. € schwere Aufbauinstrument "Next Generation EU", das die EU-Länder bei der Überwindung der Corona-Krise unterstützen soll.

Auch für eine Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus, durch die der Eurorettungsschirm künftig auch als Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds fungieren wird, und ein Änderungsabkommen des Bankenabwicklungsfonds (IGA-Änderungsabkommen), um eine vorzeitige Letztsicherung durch den ESM zu ermöglichen, gab der Bundesrat grünes Licht. Einhellig gebilligt wurde überdies die Änderung eines Bündels von Finanzgesetzen, das effizientere Maßnahmen für die Bankenaufsicht und Bankenabwicklung zum Ziel hat.

Zustimmung zu EU-Eigenmittelbeschluss: Obergrenze soll steigen, 750 Mrd. € für Wiederaufbau nach COVID-19-Krise

Der Eigenmittelbeschluss des EU-Rats regelt die Bestimmungen über das System der Eigenmittel für die Periode des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027. Dafür braucht es laut Bundes-Verfassungsgesetz auch die Zustimmung des Bundesrats per Zweidrittelmehrheit, die die Länderkammer heute erteilt hat. Als Obergrenze der Eigenmittel, die die Europäische Kommission in einem bestimmten Jahr von den Mitgliedstaaten zur Finanzierung des EU-Haushalts abrufen kann, sind nun 1,40% statt bislang 1,20% des Bruttonationaleinkommens der EU vorgesehen. Damit soll auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs als wichtigem Nettozahler ein ausreichender Spielraum für den jährlichen EU-Haushalt gewährleistet werden. Der österreichische EU-Beitrag soll dadurch von rund 2,9 Mrd. € auf rund 3,8 Mrd. € ansteigen.

Zuzüglich zum Mehrjährigen Finanzrahmen soll die Europäische Kommission ab 2021 auch Verpflichtungen in der Höhe von 750 Mrd. € für das neue Aufbauinstrument "Next Generation EU" (NGEU) zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Krise eingehen können. Davon sollen bis zu 360 Mrd. € für Darlehen und bis zu 390 Mrd. € für Ausgaben verwendet werden. Die Unterstützung soll zeitlich begrenzt sowie an Zielvorgaben des Aufbau- und Resilienzplans geknüpft sein. Die Finanzierung des NGEU-Instruments soll in den Jahren 2021 bis 2026 über im Namen der EU getätigte Schuldaufnahmen erfolgen, die bis spätestens 2058 aus dem EU-Haushalt zu tilgen sind.

EU-Ministerin Karoline Edtstadler zeigte sich überzeugt, dass der Eigenmittelbeschluss im Interesse der BürgerInnen sei. Denn um nachhaltig aus der Pandemie zu kommen und die Wirtschaft anzukurbeln, brauche es Solidarität und ein gemeinsames Vorgehen. Das alles stehe nicht im Widerspruch zu einem sparsamen Umgang mit Steuergeld. Für Edtstadler setzt Österreich im Rahmen des Wiederaufbauplans die richtigen Akzente. Finanzminister Gernot Blümel bezeichnete es als richtig, dass Österreich einen Beitrag für die gemeinsame Bekämpfung der Corona-Krise leiste. Es sei zwar Fakt, dass Österreich mehr einzahle als es erhalte. Man dürfe aber nicht vergessen, dass das Land als offene Volkswirtschaft indirekt davon profitieren werde, wenn andere Länder wirtschaftlich gestärkt werden. Blümel sprach sich gegen eine Schuldenunion aus, die in diesem Fall seiner Meinung nach aber nicht gegeben sei.

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP/T) betonte ebenfalls, dass es sich um eine außerordentliche, einmalige und befristete Ermächtigung für die Kommission handle, Schulden aufzunehmen. Insofern sei "Next Generation EU" eine Chance für Europa, umweltfreundlicher, moderner und zukunftsfitter zu werden, und kein Einstieg in eine Schuldenunion. Auch für Elisabeth Kittl (Grüne/W) handelt es sich um das Gegenteil einer Schuldenfalle, nämlich um einen Motor für die Wirtschaft. Es scheine nur auf den ersten Blick so, als würde Österreich mehr einzahlen als herausbekommen. Denn aufgrund der verschränkten europäischen Wertschöpfungsketten werde auch die heimische Wirtschaft von den Wiederaufbaumaßnahmen profitieren. Kittl strich die sogenannte Plastiksteuer, einen CO2-Zoll und eine Mindeststeuer für große Digitalunternehmen als sinnvolle mögliche neue Eigenmittelkategorien heraus.

Stefan Schennach (SPÖ/W) begrüßte den Recovery Fund und den Eigenmittelbeschluss ausdrücklich. Er kritisierte jedoch, dass die Städte und Regionen nicht in die Erstellung des österreichischen Aufbauplans einbezogen wurden. Das sei eine vergebene Chance, die Projekte seien auf "unintelligente Art und Weise" zustande gekommen. Er drückte seine Hoffnung aus, dass die Regierung künftig mit den Ländern und Sozialpartnern diesbezüglich in Dialog treten werde.

Negativ zum EU-Eigenmittelbeschluss äußerte sich Johannes Hübner (FPÖ/W). Mit diesem Paket öffne man ein "gewaltiges Tor an Haftungen und Zahlungen zum Schaden der Republik Österreich" und bewege sich weit außerhalb des Verfassungsrahmens, sagte er. Für ihn handle es sich um den direktesten Weg in eine Schuldenunion. Er brachte deshalb einen Entschließungsantrag ein, mit dem er die Regierung auffordern wollte, den Beitritt Österreichs zur Schuldenunion im Zusammenhang mit NGEU abzulehnen und ein klares Bekenntnis für die finanzielle Unabhängigkeit des Landes abzugeben. Die freiwerdenden Mittel wollte er in österreichische KMU investiert sehen. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

ESM-Reform soll Eurozone besser gegen Finanzkrisen wappnen

Um die Eurozone künftig besser gegen Finanzkrisen zu wappnen, soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) reformiert werden. Im Zentrum des mehrheitlich gebilligten Übereinkommens zur Reform des ESM steht, dass der Eurorettungsschirm künftig auch als Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds (Common Backstop) fungieren wird. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen Ansteckungseffekte zwischen den ESM-Mitgliedstaaten sowie die wechselseitige Abhängigkeit von öffentlichen Haushalten und Banken weiter reduziert werden.

Im Zusammenhang mit der ESM-Reform gab es zudem grünes Licht für ein Änderungsabkommen des Bankenabwicklungsfonds (IGA-Änderungsabkommen). Das bestehende Übereinkommen wird geändert, um eine vorzeitige Letztsicherung durch den ESM zu ermöglichen.

Effizientere Maßnahmen für Bankenaufsicht und Bankenabwicklung

Einhellig gebilligt hat der Bundesrat eine Regierungsvorlage, die in Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien die Stärkung der Widerstands- und Abwicklungsfähigkeit von Kreditinstituten zum Ziel hat. Durch die Änderung eines Bündels von Finanzgesetzen (Bankwesengesetz, Börsegesetz, Finalitätsgesetz, Finanzmarkt-Geldwäsche-Gesetz etc.) sollen insbesondere die Gefährdung der Finanzmarktstabilität sowie schwere volkswirtschaftliche Schäden in potenziellen Krisenfällen verhindert werden. Die Harmonisierung und das Schließen regulatorischer Lücken soll Schwachstellen beheben, die Rechtssicherheit erhöhen und die Effektivität der Aufsichtspraxis verbessern. (Fortsetzung Bundesrat) kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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