Innenminister Nehammer: Trennung des Staatsschutzes und des Nachrichtendienstes wird Gefahrenaufklärung stärken
Innenausschuss gibt grünes Licht für Neuaufstellung des Verfassungsschutzes mit verstärkter parlamentarischer Kontrolle
Wien (PK) – Heute debattierte der Innenausschuss die Regierungsvorlage (937 d.B. ) zur Neuaufstellung des Verfassungsschutzes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – dieses wird künftig "Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" heißen. Die Reform soll das Vertrauen der Bevölkerung und der internationalen Partnerdienste in dieses wiederherstellen.
Kernpunkte der Vorlage sind unter anderem die Trennung der Bereiche Staatsschutz und Nachrichtendienst, ein Ausbau der Präventionsaufgaben durch die Einführung von Fallkonferenzen für den Staatsschutz, verstärkte GefährderInnenansprache zur Deradikalisierung, die Beobachtung von GefährderInnen im Rahmen einer Meldeverpflichtung sowie eine stärkere parlamentarische Kontrolle.
Das Gesetz zur Neuaufstellung des Verfassungsschutzes wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags der ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen mehrheitlich von diesen beschlossen. Die NEOS stimmten dem Antrag nicht zu und stellten einen eigenen Abänderungsantrag, der aber keine Mehrheit fand.
ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne stellten auch einen gemeinsamen Antrag auf eine Ausschussfeststellung, der einstimmig beschlossen wurde. Darin fordern die Abgeordneten die Regierung auf, bis spätestens Ende 2026 eine Evaluierung der Umsetzung und Wirksamkeit dieses Bundesgesetzes dem Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses vorzulegen.
Neue Struktur: Trennung von Nachrichtendienst und Staatsschutz
Der Gesetzesentwurf sieht eine strukturelle Trennung in eine Komponente für Nachrichtendienst und eine für Staatsschutz innerhalb eines reformierten BVT vor. Das BVT soll künftig den Namen "Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst" tragen. Den bisherigen Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung soll künftig ausschließlich die Aufgabe des Staatsschutzes zukommen. Während die "Meldestelle NS-Wiederbetätigung" bereits gesetzlich verankert ist, soll dies nun auch bei der "Meldestelle Extremismus und Terrorismus" erfolgen.
Fallkonferenz Staatsschutz und Deradikalisierungsarbeit
Neben der bereits bestehenden sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz soll eine "Fallkonferenz Staatsschutz" eingeführt werden. Daran sollen Behörden, Bildungseinrichtungen und Einrichtungen, die mit Deradikalisierung, Extremismusprävention oder sozialer Integration betraut sind, teilnehmen. Solche Fallkonferenzen verfolgen das Ziel, Maßnahmen unterschiedlicher AkteurInnen zur Vorbeugung verfassungsgefährdender Angriffe möglichst effizient aufeinander abzustimmen.
Die sogenannte Deradikalisierungsarbeit mit radikalisierten Personen wird in Österreich vorwiegend von Organisationen aus der Zivilgesellschaft betrieben. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Verfassungsschutzbehörden solche Einrichtungen im Einzelfall bei der Risikoeinschätzung radikalisierter Personen unterstützen können.
GefährderInnenansprache und Meldeverpflichtung
Die bereits derzeit bestehende Möglichkeit der GefährderInnenansprache und der Meldeverpflichtung wird nun den Organen des Verfassungsschutzes zugewiesen. Bei der GefährderInnenansprache klären speziell ausgebildete PräventionsbeamtInnen über die Rechtsfolgen anhaltender Radikalisierung auf und bieten die Vermittlung von Deradikalisierungsangeboten an. Durch eine Meldeverpflichtung werden Betroffene zur Anwesenheit in einer Dienststelle zu einer bestimmten Zeit verpflichtet. So soll regelmäßiger Kontakt sichergestellt werden.
Stärkere parlamentarische Kontrolle
Die Berichtspflichten an den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses des Nationalrats sollen Erweiterungen erfahren. So soll die Direktion unter anderem jährlich einen Bericht erstellen. Dieser soll neben allgemeinen Informationen über die Tätigkeit der Direktion und der für Staatsschutz zuständigen Organisationseinheiten der Landespolizeidirektionen auch zusätzliche, vertiefende Einblicke, insbesondere in die durch den Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen, enthalten. Außerdem soll die anlassbezogene Berichtspflicht um Informationspflichten bei wesentlichen Organisations- oder Aufgabenänderungen im Bereich der Direktion ergänzt werden.
Unabhängige Kontrollkommission Verfassungsschutz
Zum Zweck der Sicherstellung der gesetzmäßigen Aufgabenerfüllung der künftigen Direktion soll eine unabhängige Kontrollkommission Verfassungsschutz eingerichtet werden. Diese soll systemische Mängel und Optimierungsbedarf in der Organisation aufzeigen. Die Kontrollkommission kann entweder aus eigenem oder über konkretes Ersuchen des Innenministers oder des Ständigen Unterausschusses tätig werden. Daneben soll die Kontrollkommission auch als Anlaufstelle für Whistleblower dienen und eingebrachten Vorwürfen nachgehen.
Abänderungsantrag für mehr parlamentarische Kontrolle
Nach einer intensiven Beratung aller Fraktionen zum Begutachtungsentwurf sei man übereingekommen, die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Österreich noch weiter auszubauen und diese eng mit der neu geschaffenen Kontrollkommission Verfassungsschutz im Bundesministerium für Inneres zu verzahnen, führen ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen in ihrem heute eingebrachten Abänderungsantrag an. So soll die Kontrollkommission nach dem Konsensprinzip ihre Entscheidungen treffen und die Vorsitzführung unter den drei Kommissionsmitgliedern jährlich rotieren. Dies soll die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit dieser neuen Institution herausstreichen. Um jeden Anschein einer Parteilichkeit hinsichtlich der Leitungsorgane der Direktion zu vermeiden, wird vorgesehen, dass Personen, die in den letzten fünf Jahren Mitglied der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft waren, nicht als DirektorIn oder StellvertreterIn bestellt werden können.
Nehammer: Gefahrenaufklärung wird gestärkt
Innenminister Karl Nehammer betonte, dass die Trennung des Staatsschutzes und des Nachrichtendienstes die Gefahrenaufklärung stärken werde. Die größte Errungenschaft sei die parlamentarische Kontrolle, die Transparenz bringen und dem Staatsschutz dienen werde. Es werde damit ein Signal gesetzt, dass alles Handeln einer nachhaltigen Kontrolle unterliege.
Alle Parteien hätten bei dieser wichtigen Frage des Verfassungsschutzes zusammen gehalten, betonte Wolfgang Gerstl (ÖVP). Dies sei wichtig, da eine gemeinsame Haltung gezeigt werde. Der Abänderungsantrag mit SPÖ, FPÖ und Grünen schärfe die Kontrolltätigkeit nach. Insgesamt werde eine neue Dimension des Verfassungsschutzes geschaffen, der Glaubwürdigkeit auch Richtung ausländischer Dienste vermittle.
Reinhold Einwallner (SPÖ) befürwortete den Gesetzesentwurf mit den erreichten Abänderungen. Kritisch sah er aber weiterhin, dass Staatsschutz und Nachrichtendienst in einer Organisationseinheit zusammengefasst werde. Die parlamentarische Kontrolle stelle einen positiven Paradigmenwechsel dar. So wurden etwa Minderheitenrechte für die Abgeordneten geschaffen. Die Rolle der Kontrollkommission wurde im Vergleich zur Regierungsvorlage auch massiv weiter entwickelt, befürwortete Einwallner. Insgesamt sei es wichtig, dass zeitnah evaluiert werde, ob diese Konstruktion auch in der Praxis funktioniert.
Es habe eine ernsthafte Brücke der Regierungsfraktionen für einen breiten Konsens gegeben, strich Hannes Amesbauer (FPÖ) ebenfalls hervor. Dies sei ein Signal, dass das Parlament hinter der neuen Behörde stehe. Dass nicht andere Modelle des Verfassungsschutzes Eingang in die Diskussion gefunden hätten, bemängelte Amesbauer. Es sei der Opposition nur möglich gewesen, Verbesserungsvorschläge für ein Modell einzubringen. So sei der FPÖ eine noch klarere Trennung des Staatsschutzes vom Nachrichtendienst sowie eine stärkere parlamentarische Kontrolle wichtig gewesen.
Die Neuaufstellung des Staatsschutzes und des Nachrichtendienstes habe – im Unterschied zu anderen Ländern – ohne tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte der Menschen funktioniert, begrüßte Georg Bürstmayr (Grüne). Mit der Reform könnten die Informationen künftig besser ausgewertet und rascher verstanden werden.
NEOS fordern stärkere Kontrolle
Schon die Trennung zwischen Staatsschutz und Nachrichtendienst sei kritisch zu sehen, führte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper in einem Abänderungsantrag an, den sie in der heutigen Sitzung einbrachte. Die Trennung werde in der Praxis kaum umsetzbar sein und nicht zu einer Optimierung von Zusammenarbeit und Informationsaustausch führen. Umso mehr bedürfe es einer effizienten Kontrolle, um aufgrund dieser organisatorischen Trennung verursachte Mängel zu identifizieren. Die Kommission müsse daher über ausreichende Kontrollbefugnisse und vollumfassende Informationen in deren Bereich verfügen, um dem Ständigen Unterausschuss im Parlament sinnvoll berichten zu können. An der Regierungsvorlage kritisierte Krisper, dass diese bedeutende Kontrolllücken eröffnen würde. Die Kontrolle durch die Kontrollkommission werde auch so lange verzögert, so lange Ermittlungen laufen, da laufende Aktivitäten nicht kontrolliert werden dürften. Auch der Ausschluss einer Kontrollbefugnis für die Kommission aufgrund einer Zuständigkeit des Rechtsschutzbeauftragten sei nicht nachvollziehbar, erklärte Krisper. Die Kontrollkommission wäre somit auf die Aufarbeitung beziehungsweise Kontrolle "rein historischer" Sachverhalte beschränkt.
Christian Stocker (ÖVP) entgegnete Krisper, dass die Kontrollkommission und die begleitende Kontrolle präzise ausformuliert worden seien. Man dürfe mit den Kontrollen nicht die zu kontrollierenden Aufgaben gefährden. Die enge Zusammenarbeit zwischen Parlament und Kommission gewährleiste die Kontrolle. (Schluss) pst