Parlamentskorrespondenz Nr. 1219 vom 04.11.2021

Edtstadler bekräftigt ihr Engagement für die Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes

Verfassungsausschuss debattiert Tätigkeitsberichte von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof und neue Parteienfinanzierung

Wien (PK) – Über die Pläne zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses wurde heute einmal mehr im Verfassungsausschuss debattiert. Den Anknüpfungspunkt bildeten zwei Anträgen der SPÖ, die darauf abzielen, die Amtsverschwiegenheit durch eine Informationspflicht öffentlicher Stellen gegenüber BürgerInnen zu ersetzen. Die beiden Anträge wurden erneut vertagt. Bundesministerin Karoline Edtstadler betonte, die Bundesregierung habe bei den Vorarbeiten zur Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes verpflichtet "ihre Hausaufgaben erledigt". Nun müssten die Ergebnisse aus der Begutachtung des Ministerialentwurfs mit den Stakeholdern abgestimmt werden.

Von ÖVP und Grünen vertagt wurde auch die Forderung der NEOS nach einer Neuregelung der Parteienfinanzierung. Einstimmig zur Kenntnis genommen wurden zwei Tätigkeitsberichte, welche die Arbeit des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) für 2019 und das Jahr 2020 sowie des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) für 2018 sowie für 2019 und 2020 zum Inhalt haben.

SPÖ drängt weiterhin auf Abschaffung des Amtsgeheimnisses und Verankerung einer Informationspflicht

Noch aus der letzten Gesetzgebungsperiode aufgegriffen hat die SPÖ eine Verfassungsnovelle (60/A) und einen Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz (61/A), die darauf abzielen, das Amtsgeheimnis durch eine umfassende Informationspflicht von Behörden und anderen staatlichen Stellen zu ersetzen. Beide Entwürfe knüpfen laut SPÖ-Abgeordnetem Christian Drobits an Vorschläge an, die trotz weitgediehener Verhandlungen letztlich gescheitert sind. Drobits drängte im Ausschuss auf eine rasche Umsetzung des angekündigten Informationsfreiheitsgesetzes und wollte wissen, wann dazu eine Regierungsvorlage zu erwarten sei. Es sei an der Zeit, "Nägel mit Köpfen zu machen", sagte der Abgeordnete.

Seitens der ÖVP verwies Abgeordneter Christian Stocker auf einen unterdessen vorliegenden Ministerialentwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes, dessen Begutachtung im April dieses Jahres abgeschlossen wurde. Dieser sehe vor, dass die Amtsverschwiegenheit abgeschafft und durch eine verfassungsgesetzliche Veröffentlichungspflicht von Informationen von allgemeinem Interesse ersetzt wird. Auch soll ein verfassungsgesetzliches Recht auf Zugang zu Informationen verankert werden. Die Begutachtung des Entwurfs habe aber eine sehr breite Palette von teilweise völlig divergierenden Ansichten zu den geplanten Regelungen erbracht, führte der ÖVP-Abgeordnete aus. Um die erforderliche Zweidrittelmehrheit sicherzustellen, müssten noch eine Reihe von Punkten geklärt werden. So seien etwa die Ansichten von Ländern und Gemeinden zu berücksichtigen. Stocker sah eine "durchaus wertschätzende" Vertagung des Antrags der SPÖ, dessen Anliegen man grundsätzlich teile, als gerechtfertigt an. Die Vertagung wurde von ÖVP und Grünen beschlossen.

Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer (Grüne) verwies ebenfalls auf die Begutachtung, die eine Reihe von Bedenken zutage gefördert habe, denen bis zu einem gewissen Maß Rechnung zu tragen sei. Selbstverständlich dürften die Bedenken nicht dazu führen, dass von der eigentlichen Absicht, Transparenz zu schaffen, nicht mehr viel übrigbleibe, meinte die Abgeordnete. Eine breite Akzeptanz der Regelungen sei jedoch notwendig, damit sie künftig auch gelebt werde.

Nikolaus Scherak (NEOS) ließ die Argumente der Koalitionsfraktionen nicht gelten. Die angeführten Bedenken seien längst bekannt, nun gelte es, über diese hinaus zu tatsächlichen Lösungen zu gelangen. Alle Parteien müssten sich dabei bemühen, eine Einigung zu erzielen und die notwendige Verfassungsmehrheit für das Gesetz sicherzustellen, sagte er mit Blick auf die SPÖ.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wies auf die Ministerialvorlage hin und betonte, dass die Bundesregierung "ihre Hausaufgaben gemacht" habe, um mit einem Informationsfreiheitsgesetz einen Paradigmenwechsel in der Information der BürgerInnen einzuleiten. Nicht nur das Amtsgeheimnis solle endgültig beseitigt werden, Ziel sei es, dass staatliche Transparenz zur Regel und Geheimhaltung zur Ausnahme gemacht werden solle. In diesem Sinn sollen unter anderem die Ministerien, die Landesverwaltungen, das Parlament, die Gerichte und weitere Organe des Bundes und der Länder verpflichtet werden, Informationen von allgemeinem Interesse von sich aus zu veröffentlichen. Umfasst sein sollten vom Gesetz aber auch andere Organisationen des öffentlichen Interesses, wie der ORF. In Gesprächen mit Stakeholdern habe sie aber immer wieder feststellen müssen, dass Transparenz zwar gerne eingefordert werde, diese aber vor der eigenen Organisation dann haltmache. Derzeit sei der Konsultationsprozess mit Ländern und Gemeinden eingeleitet worden, um eine breite Akzeptanz des geplanten Gesetzes sicherzustellen. Edtstadler wollte sich auf keinen Termin für eine Regierungsvorlage festlegen, betonte aber ihr Commitment für die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes.

NEOS fordern Schritte gegen illegale Parteienfinanzierung

Die NEOS fordern die Einführung neuer Straftatbestände für illegale Parteienfinanzierung (28/A). Hier müsse endlich etwas vorangehen, sagte Nikolaus Scherak (NEOS). Die NEOS fordern Strafen, wenn vorsätzlich falsche bzw. unvollständige Angaben im Finanzbericht gemacht, meldepflichtige Spenden nicht ausgewiesen, verbotene Spenden angenommen oder Spenden zu Verschleierungszwecken gestückelt werden. Für verbotene Spenden über 50.000 € fordern die NEOS ein Strafmaß von bis zu fünf Jahren. Der Antrag wurde bereits im Ausschuss behandelt und heute erneut vertagt.

Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer von den Grünen verwies darauf, dass intensive Gespräche mit dem Koalitionspartner im Gange seien. Zudem wolle man den jüngsten Vorschlag des Rechnungshofs berücksichtigen. Sie strebe eine rasche Lösung an, derzeit gebe es noch kein fertiges Konzept. ÖVP-Abgeordneter Alexander Melchior sprach ebenfalls von guten Gesprächen mit dem Koalitionspartner. In weiterer Folge werde man sich an die anderen Fraktionen wenden, kündigte er an. Abgeordnete Selma Yildirim (SPÖ) sagte, sie hoffe, dass diese Koalition rasch Gespräche mit den Oppositionsparteien aufnehmen werde. FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst erklärte, ihre Fraktion sei für eine transparente Parteienfinanzierung und habe auch einen eigenen Vorschlag dazu eingebracht. Die starke Kriminalisierung, wie sie die NEOS wollten, lehne sie aber ab.

Verfassungsausschuss äußert sich anerkennend zur Tätigkeit der Höchstgerichte in der Pandemie

Die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) für 2019 (III-193 d.B.) und das Jahr 2020 (III-452 d.B.) sowie die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) für 2018 (III-67 d.B.) sowie für 2019 und 2020 (III-451 d.B.) wurden vom Verfassungsausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen. In der Diskussion stellten die Abgeordneten Nikolaus Scherak und Johannes Margreiter (beide NEOS), Friedrich Ofenauer und Klaus Fürlinger (beide ÖVP), Susanne Fürst (FPÖ), Agnes Sirkka Prammer und Astrid Rössler (Grüne) sowie Selma Yildirim (SPÖ) verschiedene Detailfragen an die Präsidenten der beiden Höchstgerichte, die in den Ausschuss eingeladen waren. Die Abgeordneten drückten den Höchstrichtern auch ihre Anerkennung dafür aus, dass die Gerichte auch unter den schwierigen Pandemiebedingungen die Qualität ihrer Arbeit gewahrt und für den notwendigen Rechtsschutz der BürgerInnen gesorgt haben.

Verfassungsgerichtshof: Neue Fragestellungen für Höchstgericht während COVID-19-Pandemie

Wie der Präsident des Höchstgerichts Christoph Grabenwarter betonte, konnten im Jahr 2019 einige sehr komplexe Gesetzesprüfungsanträge entschieden werden. Das betrifft etwa die Sozialversicherungsreform, das Sicherheitspaket und das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Ein sehr großer Teil der Beschwerdeverfahren sei im Berichtzeitraum in einem direkten Zusammenhang mit der Fluchtbewegung des Jahres 2015 gestanden. Etwa 60% der Entscheidungen des VfGH würden den Asylbereich betreffen.

Eine besondere Herausforderung habe es für das Höchstgericht dargestellt, dass es von Abgeordneten im Zusammenhang mit dem 2020 gestarteten Untersuchungsausschuss des Nationalrats zur "Ibiza-Affäre" mehrfach eingeschaltet und innerhalb von vier Wochen in sehr komplexen Angelegenheiten zu einer Entscheidung finden musste. Unter Hintanstellung anderer Tätigkeiten sei das auch gelungen, unterstrich Grabenwarter. Eine sehr weitreichende Entscheidung sei auch zur Frage des assistierten Suizids gefallen. VfGH-Präsident Grabenwarter zeigte sich zufrieden, dass der Gesetzgeber die vorgegebene Frist für eine gesetzliche Regelung einhalten habe. Die COVID-19-Pandemie habe dazu geführt, dass das Höchstgericht mit neuen Fragen konfrontiert war, die sich aus den Corona-Verordnungen ergaben. Unter Einhaltung eines besonderen Sicherheitskonzepts habe der VfGH aber alle Sitzungen in Präsenz abhalten können.

Eingehend auf Fragen von Abgeordneten erläuterte Grabenwarter, dass die Personalentwicklung ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit sei. Eine erfreuliche Entwicklung habe sich dabei beim Frauenanteil ergeben, bei Führungskräften liege dieser unterdessen bei 50%. Grundsätzlich sei es gelungen, mit Effizienzsteigerungen die Dauer der Entscheidungen sehr kurz zu halten. Zurückweisungen von Beschwerden, vor allem im Zusammenhang mit COVID-19-Bestimmungen, hätten vor allem aufgrund formaler Mängel stattgefunden. Das Höchstgericht habe seine Judikatur jedoch angesichts der Pandemie erweitert und prüfe auch Maßnahmen, die bereits außer Kraft getreten sind. Damit gebe man beispielsweise dem Gesundheitsminister Leitlinien für künftige Entscheidungen. Bei seinen Entscheidungen stütze sich der VfGH auf die Grundrechte, wie etwa die persönliche Freiheit, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitsgrundsatz, um Verordnungen zu beurteilen. Grabenwarter kündigte an, dass das Höchstgericht auch seine Öffentlichkeitsarbeit ausbauen wolle. Es sei wichtig, dass die BürgerInnen verstehen, welche Rolle der Verfassungsgerichtshof hat, betonte der VfGH-Präsident. Daher werde auch das Programm für SchülerInnen "Verfassung macht Schule" weitergeführt, sobald es die Umstände erlauben.

Verwaltungsgerichtshof konnte in Pandemie Umfang seiner Tätigkeit weitgehend aufrechterhalten

Die Corona-Pandemie habe auch die Arbeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit stark beeinflusst, sagte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Rudolf Thienel zur Präsentation der Tätigkeitsberichte seines Hauses. Durch Änderungen der Arbeitsweise sei es jedoch gelungen, trotz Kontaktbeschränkungen eine zügige Fallabwicklung sicherzustellen. Ein wichtiges Instrument dafür war aus VwGH-Sicht die Ausweitung der Möglichkeit einer Beschlussfassung im Umlaufweg. Weiters mache der VwGH nun verstärkt von der elektronischen Aktenführung, von Homeoffice und von Videokonferenzen für Beratungen Gebrauch.

Ein großes Thema für den Verwaltungsgerichtshof sei weiter die Personalfrage. Immer wieder fehle es an RichterInnen und wissenschaftlichem Personal, um vor allem die hohe Zahl anfallender Asylbeschwerden rasch abarbeiten zu können. Vor allem die aufgrund des Generationswechsel anstehenden Pensionierungen seien eine Herausforderung. Der VwGH sei bemüht, für wissenschaftliche MitarbeiterInnen eine Art Laufbahnmodell zu schaffen, um qualifizierten JuristInnen Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Der VwGH stehe dabei in einer positiven Konkurrenz mit dem OGH um die besten Köpfe, unterstrich Thienel.

Besonders komplexe Verfahren, die einer ausführlichen Beratung bedürfen, hätten im Jahr 2020 jedoch nur in geringerer Zahl erledigt werden können, merkte der VwGH-Präsident auf Nachfragen von Seiten der Abgeordneten an. Für diese sei der Umlaufbeschluss nicht der geeignete Weg, um Entscheidungen herbeizuführen. Der Verwaltungsgerichtshof habe insbesondere zu Beginn der Lockdown-Maßnahmen wichtige Grundsatzentscheidungen in Zusammenhang mit dem Epidemie-Gesetz getroffen, um den BürgerInnen Klarheit über die Rechtslage zu geben. Als Beispiel führte Thienel die Regelung von Sonderzahlungen für ArbeitnehmnerInnen in Quarantäne. Die relativ häufige Zurückweisung von Beschwerden, vor allem auch in Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen, stelle keine Verminderung des Rechtsschutzes dar, betonte der VwGH-Präsident. Vielmehr wende das Gericht hier dasselbe Prinzip wie der OGH an, wonach im Sinne der Verfahrensökonomie bereits an anderer Stelle ausjudizierte Fälle nicht noch einmal entschieden werden müssen. Als Argument die Qualität der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und für ihre Akzeptanz in der Bevölkerung führte Thienel ins Treffen, dass weniger als 10% der Entscheidungen angefochten werden. Auch die Verfahrensdauer sei im internationalen Vergleich mit durchschnittlich etwa vier Monaten sehr kurz. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) sox