Parlamentskorrespondenz Nr. 1477 vom 16.12.2021

Ambitioniertes Programm: Nationalrat diskutiert ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2022-2027

Umsetzung von EU-Richtlinien bei Binnenschifffahrt und im Eisenbahnbereich

Wien (PK) — Der Nationalrat debattierte in seiner heutigen Plenarsitzung den Bericht zum ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2022 bis 2027. Grünes Licht gab es zudem für die damit in Zusammenhang stehenden budgetären Vorbelastungen für die Finanzjahre 2022 bis 2027 im Umfang von insgesamt 46,581 Mrd. €.

Verkehrsministerin Leonore Gewessler sprach vom "größten Bahnausbauprogramm der Republik", das zum Ziel der Klimaneutralität beitrage. Dem schlossen sich die VertreterInnen der Regierungsparteien an. Die Abgeordneten der NEOS und der SPÖ bemängelten fehlende Wirkungsziele, während die FPÖ den Stopp von Straßenausbauprojekten scharf kritisierte.

Die Abgeordneten debattierten über EU-einheitliche Qualifikationsstandards für die Binnenschifffahrt sowie Regierungsvorlagen im Eisenbahnbereich in Folge eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens. Beide Anträge zu diesen Themen wurden einstimmig angenommen.

ÖBB-Rahmenplan 2022–2027 bringt Investitionen von 18,2 Mrd. €

Der mehrheitlich zur Kenntnis genommene Bericht von Verkehrsministerin Leonore Gewessler zum ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2022–2027 beinhaltet die geplanten Investitionen in die Schieneninfrastruktur in der Höhe von 18,2 Mrd. €. Die Verkehrsministerin betont im Bericht, dass die mit dem Rahmenplan 2021-2026 begonnene Investitionssteigerung von 5% pro Jahr im nunmehr vorliegenden Rahmenprogramm fortgesetzt wird. Damit soll laut der Ministerin auch ein Beitrag zur Umsetzung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) geleistet werden, der die österreichischen Klimaschutzziele definiert,. In Zusammenhang mit dem ÖBB-Rahmenplan wurde zudem eine Regierungsvorlage mehrheitlich angenommen. Ein Bundesgesetz zur Genehmigung von Vorbelastungen ermöglicht es der Verkehrsministerin, für die Finanzjahre 2022 bis 2027 budgetäre Vorbelastungen im Umfang von insgesamt 46,581 Mrd. € für den Bund zu übernehmen. 38,577 Mrd. € davon entstehen durch Investitionen bei der Umsetzung des ÖBB-Rahmenplans und 8,004 Mrd. € durch Zuschüsse für Betrieb und Instandhaltung.

Christian Hafenecker (FPÖ) sprach von einem guten ÖBB-Rahmenplan, da dieser unter freiheitlicher Ägide im Verkehrsministerium vorbereitet worden sei. Der ländliche Raum würde aber von Bundesministerin Leonore Gewessler großteils ausgeblendet. Hafenecker kritisierte den Stopp von Straßenausbauprojekten scharf. Die Ministerin wolle "öko-marxistische Ideen" umsetzen, zudem handle sie rechtswidrig. Deswegen habe die FPÖ eine Ministeranklage gegen Gewessler eingebracht. Gerhard Deimek (FPÖ) forderte einen schnelleren Ausbau und schnellere Verbindungen der Schieneninfrastruktur. Im ÖBB-Rahmenplan werde der Zentralraum Kärnten vernachlässigt, da im Zuge des Baues der Koralmbahn keine Errichtung einer Güterbahntrasse sowie Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Bahnlärm eingeplant seien, bemängelte Erwin Angerer (FPÖ). Ein dazu während der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag fand keine Mehrheit unter den Abgeordneten. Dasselbe gilt für die weiteren FPÖ-Entschließungsanträge zur Umsetzung der Klagenfurter Schnellstraße S 37 sowie zur Wiederaufnahme der Wiener Außenring-Schnellstraße S 1 in das ASFINAG-Bauprogramm.

Johannes Margreiter und Karin Doppelbauer (beide NEOS) sprachen von einem ambitionierten Programm und versicherten ihre Unterstützung für den Ausbau der Infrastruktur. Es mangle jedoch an Wirkungszielen und fehle an Paramentern für einen effizienten Mitteleinsatz, weshalb man dem Rahmenprogramm nicht zustimmen könne.

Ähnlich sah das Maximilian Lercher (SPÖ), der ebenfalls das Fehlen von Zielen bemängelte. Ein Bundesverkehrszielgesetz sei deswegen vor allem für den ländlichen Raum von großer Bedeutung. Trotzdem signalisierte der SPÖ-Mandatar die Zustimmung seiner Fraktion. Auch Melanie Erasim (SPÖ) sprach sich für Investitionen in den öffentlichen Verkehr aus. Derzeit sei es für viele Menschen nicht möglich, auf das Auto zu verzichten.

Der ÖBB-Rahmenplan sei mit einem Volumen von 18,2 Mrd. € ein ambitioniertes Programm, das EU-weit als Vorbild gelte, hielt Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP) fest. Für ein attraktives Angebot sei die Modernisierung der Bahnhöfe und der Infrastruktur besonders wichtig, betonte Hermann Gahr (ÖVP). In Bezug auf den Nordzulauf des Brenner-Basis-Tunnels bat der ÖVP-Abgeordnete die Ministerin, verbindliche Zusagen von Deutschland einzufordern. Der Rahmenplan sei ein Bekenntnis zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs, so Andreas Ottenschläger (ÖVP). Was das Bauprogramm der ASFINAG betrifft, habe man innerhalb der Regierungsfraktionen unterschiedliche Standpunkte. Hier brauche es konstruktive Gespräche für transparente Entscheidungsgrundlagen.

Hermann Weratschnig (Grüne) sprach von einer "Rekordsumme für Investitionen in ein modernes Eisenbahnnetz" als Beitrag zur Mobilitätswende. Damit schaffe man zudem 15.000 Arbeitsplätze. Wesentlich sei die Einbindung der Gemeinden und Bundesländer, um Park-and-Ride-Angebote und Lärmschutzmaßnahmen zu realisieren.

"Der ÖBB-Rahmenplan ist das größte Bahnausbauprogramm der Republik" und trage zum Ziel der Klimaneutralität bei, unterstrich Verkehrsministerin Leonore Gewessler. Mit einer Gesamtsumme von 18,2 Mrd. € bis 2027 habe man noch einmal deutlich gegenüber dem Vorjahr aufgestockt. Laut Gewessler gibt es im Rahmenplan vier große Schwerpunkte. Das betreffe den Ausbau des Nahverkehrs in den Ballungsräumen, die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, die komplette Elektrifizierung aller Bahnstrecken bis 2035 sowie die Effizienzsteigerung und Digitalisierung der Bahnsysteme.

Finanzminister Magnus Brunner sah die Investitionen in die Bahn im europäischen Spitzenfeld. Diese seien ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftsstandort und würden rund 15.000 langfristig abgesicherte Arbeitsplätze pro investierter Milliarde schaffen.

EU-einheitliche Qualifikationsstandards für die Binnenschifffahrt

Zur Umsetzung einer EU-Richtlinie plant die Bundesregierung eine Novelle des Schifffahrtsgesetzes. Eine Harmonisierung der europäischen Bestimmungen über Berufsqualifikationen in der Binnenschifffahrt soll die Mobilität von Besatzungsmitgliedern erleichtern. Die Novelle soll auch zu mehr Sicherheit in der Binnenschifffahrt und zu Verwaltungsvereinfachungen führen. Im Detail werden mit der Novelle einheitliche Mindest-Qualifikations- und -Tauglichkeitsstandards für die gesamte nautische Besatzung festgelegt. Mit der Novelle werden auch der Geltungsbereich und die Zuständigkeit für innerstaatliche Befähigungsausweise neu geregelt, die nicht von der EU-Richtlinie erfasst sind. Konkret geht die Zuständigkeit für die Abnahme von Prüfungen für das "Schiffsführerpatent 20m" vom Bund an die Länder Wien, Niederösterreich und Oberösterreich über.

Im Plenum ergänzte Hermann Weratschnig (Grüne) die Zielsetzungen der Novelle um den ökologischen Aspekt. So würden bei der Frage des Artenschutzes, insbesondere bei den Schiffsanlegestellen oder bei der Thematik des treibstoffsparenden Fahrens ökologische Schwerpunkte gesetzt. Außerdem werde durch die Novelle auch die Digitalisierung vorangetrieben, indem neue Datenbanken beispielsweise für Befähigungszeugnisse und Fahrtenbücher entstünden, erläuterte ÖVP-Mandatar Lukas Brandweiner. Sein Fraktionskollege Christoph Stark (ÖVP) ging auf die wirtschaftliche Bedeutung der Harmonisierung ein, durch die unnötige bürokratische Hemmnisse beseitigt würden. Erfreut zeigte sich auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Alois Stöger (SPÖ), dass Österreich auch in diesem Bereich endlich in der Europäischen Union angekommen sei. Die Novelle wurde einstimmig angenommen.

Österreich reagiert auf EU-Vertragsverletzungsverfahren im Eisenbahnbereich

Da Österreich aus Sicht der Europäischen Union mehrere den Eisenbahnbereich betreffende Richtlinien nicht ordnungsgemäß oder nur schlecht umgesetzt habe, hat die EU-Kommission (EK) vier Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Bundesregierung hat nun einen Gesetzentwurf zum Eisenbahngesetz vorgelegt, der zugestandene innerstaatliche Umsetzungsdefizite beseitigen und so eine Klageerhebung abwenden soll. Auch sollen mit der Novelle Umsetzungsdefizite von Richtlinien behoben werden, ohne Zusammenhang mit den Vertragsverletzungsverfahren. Kleinere Änderungen erfolgen im Bundesbahngesetz und im Unfalluntersuchungsgesetz. Ziel der Novelle ist eine Erweiterung des wirtschaftlichen Handlungsspielraumes der Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Außerdem sollen künftig mehrere Eisenbahninfrastrukturunternehmen, einschließlich Parteien öffentlich-rechtlicher Partnerschaften, die Funktionen eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens gemeinsam ausüben können. Angestrebt wird mit der Novelle auch mehr Flexibilität bei der Zuweisung von Zugtrassen an Eisenbahnverkehrsunternehmen. Mittels Abänderungsantrag von ÖVP und Grünen wurde eine weitere Änderung eingebracht, um das letzte Bedenken der EU im Vertragsverletzungsverfahren auszuräumen.

Dietmar Keck von der SPÖ betonte, dass durch die Gesetzesänderung nicht nur die vier Vertragsverletzungsverfahren verhindert würden, sondern insbesondere durch die darin eingeflossene Seveso III-Richtlinie auch ein höheres Sicherheitsniveau gewährleitet werden könne. Klaus Köchl (SPÖ) sah sich durch die Verhandlung der Novelle zu einer Kritik der Privatisierungspolitik der ÖVP veranlasst. Diese habe nicht nur im Eisenbahnbereich für schwere Probleme gesorgt. Joachim Schnabel (ÖVP) warf ein, dass marktwirtschaftliche Prinzipien per se eher positiv zu bewerten seien, wie sich auch im Eisenbahnbereich zeige. Die vorliegende Gesetzesänderung stehe in einer Linie mit den bereits seit 30 Jahren verfolgten Bestrebungen der EU, den europäischen Schienenraum zu vereinheitlichen und damit wettbewerbsfähiger zu machen. Gerade durch den Wettbewerb würden laut Schnabel Leistungssteigerungen veranlasst und Innovationen gefördert. Die Gesetzesänderung und der dazugehörige Abänderungsantrag fanden Einstimmigkeit im Plenum.(Fortsetzung Nationalrat) med/wit

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