Parlamentskorrespondenz Nr. 235 vom 08.03.2022

Außenpolitischer Ausschuss setzt sich für Freilassung türkischer JournalistInnen ein

Anträge zu Litauen-China-Streit, Belarus, Brasilien und Afghanistan vertagt

Wien (PK) – Auf die schwieriger werdende Situation für JournalistInnen, aber auch KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und RechtsanwältInnen in der Türkei machten die fünf Parlamentsfraktionen heute im Außenpoltischen Ausschuss des Nationalrats aufmerksam. In einer gemeinsam gefassten Entschließung sprechen sie sich dafür aus, sich vonseiten Österreichs weiterhin für eine freie Meinungsäußerung in der Türkei einzusetzen und dabei auch für die Freilassung türkischer JournalistInnen einzutreten, die aufgrund von Verfahren in Haft sind, die nicht den internationalen rechtsstaatlichen Standards entsprechen. Angestoßen wurde das Thema von der SPÖ, die in einem Entschließungsantrag insbesondere auf die jüngst stattgefundene Verhaftung der TV-Journalistin Sedef Kabas nach einer regierungskritischen Äußerung in einer Fernsehsendung im Jänner aufmerksam macht. (2345/A(E)).

Sämtliche andere außenpolitische Forderungen der Parlamentsfraktionen, die im Ausschuss auf der Tagesordnung standen, wurden entweder vertagt oder einem Unterausschuss zugewiesen.

EU-Türkei-Bericht zur Lage der Menschen- und Grundrechte zeigt alarmierende Situation

Die Lage von JournalistInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, RechtsanwältInnen sowie MenschenrechtsverteidigerInnen in der Türkei gäben Anlass zur Sorge, wie in der von ÖVP, Grünen und SPÖ im Ausschuss eingebrachten Abänderung des ursprünglichen SPÖ-Antrags geltend gemacht wird. Zitiert wird darin aus dem jüngst vorgelegten EU-Türkei-Bericht zur Lage der Menschen- und Grundrechte, wonach bis Jänner 2021 mindestens 353 JournalistInnen in den letzten zweieinhalb Jahren strafrechtlich verfolgt wurden. Auch bei der Freiheit der Meinungsäußerung kam es laut dem Bericht zu erheblichen Rückschritten. Die Entwicklungen im Bereich der Meinungs- und Medienfreiheit in der Türkei seien besorgniserregend, würden eine Missachtung der Kopenhagener Kriterien darstellen und seien nicht mit dem Status eines EU- Beitrittskandidaten vereinbar, so die Position der Parlamentsfraktionen im Entschließungsantrag. Vonseiten der FPÖ machte Christian Hafenecker geltend, dass im Umkehrschluss auch auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Österreich Acht gegeben werden müsse.

Südtirol-Autonomie: ÖVP und Grüne thematisieren mögliche verloren gegangene Kompetenzen

Dem Südtirol-Unterausschuss zugewiesen wurde ein Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen, in dem es um die Bewahrung und Entwicklung der Autonomie Südtirols geht. Anhand eines Rechtsgutachtens vom Institut für Italienisches Recht sowie vom Institut für Europarecht und Völkerrecht der Universität Innsbruck aus dem Jahr 2017 thematisieren Abgeordnete von ÖVP und Grünen in einem Entschließungsantrag mögliche verloren gegangene Kompetenzen für Südtirol seit der Streitbeilegung 1992 zwischen Österreich und Italien in der Südtirol-Frage sowie seit der italienischen Verfassungsreform 2001. Das von der Südtiroler Landesregierung beauftragte Gutachten habe festgestellt, dass die Entwicklungen der Autonomie Südtirols seit 1992 bzw. 2001 einerseits positive Erweiterungen der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen Südtirols brachten, andererseits aber auch Verluste von im Autonomiepaket geregelten bzw. zugesicherten Zuständigkeiten zur Folge gehabt hätten. Auch vor dem Hintergrund des 50. Jahrestages des Inkrafttretens des Zweiten Autonomiestatuts wird die Bundesregierung ersucht, die Südtiroler Landesregierung bei der Wiederherstellung der seit der Streitbeilegungserklärung laut Gutachten verloren gegangenen Zuständigkeiten zu unterstützen, sofern diese Kompetenzübertragungen nicht  auf Unionsrecht zurückzuführen sind (2348/A(E)).

Corona-Impfstoffspenden, Müttersterblichkeit, Sudan-Schuldenerlass: SPÖ- und FPÖ-Anliegen wandern in den EZA-Unterausschuss

Zwei außenpolitische Anliegen der SPÖ sowie eine Forderung der FPÖ werden im Unterausschuss für Entwicklungszusammenarbeit weitergeführt. Im Zusammenhang mit COVID-19-Impfstoffspenden braucht es für die SPÖ neben mehr Transparenz bei der Vergabe klare und eindeutige Regelungen, insbesondere was das Ablaufdatum und die Summe der Anrechenbarkeit als ODA-Mittel betrifft. Dafür soll sich die Bundesregierung innerhalb der OECD-Verhandlungen einsetzen, wie aus einem Entschließungsantrag von Petra Bayr hervorgeht. Die SozialdemokratInnen treten überdies dafür ein, dass an eine Impfstoffspende auch die Unterstützung in der Logistik zur Verteilung der Dosen und Verabreichung der Impfungen gekoppelt wird, falls das von einem Empfängerland gewünscht wird (2145/A(E)).

Die hohe Müttersterblichkeit in Ländern der Sahel-Region und südlich der Sahara, die sich durch die Corona-Pandemie katastrophal zugespitzt habe, sei nicht nur schockierend, sondern auch nicht mehr länger hinnehmbar, moniert die SPÖ in einem weiteren Vorstoß und belegt ihre Forderung an die Regierung, das als akutes Problem anzuerkennen, auch mit Zahlen: Während in Westeuropa laut UNICEF eine von 11.900 Frauen an schwangerschaftsbezogenen Komplikationen stirbt, ist es in den Ländern der Sahel-Region und südlich der Sahara durchschnittlich 1 von 38 Frauen, die eine Schwangerschaft nicht überlebt. Österreich sollte sich aus Sicht der SPÖ in europäischen und internationalen Gremien aktiv und nachhaltig für Maßnahmen gegen Müttersterblichkeit einsetzen sowie EZA-Gelder Senkung der Müttersterblichkeit zur Verfügung stellen (2346/A(E)).

Einen Schuldenerlass-Stopp für den Sudan, wie ihn die Bundesregierung im Bundesfinanzgesetz 2022 vorgesehen hat, fordern wiederum die Freiheitlichen. Bei der 2,5 Mrd. € budgetierten geplanten Schuldenreduktion handle es sich um österreichische Steuergelder. Gerade in Zeiten, in denen die österreichischen BürgerInnen unter einer steigenden Inflation und Kostenexplosionen leiden würden, stelle dieses Ansinnen einen "ungeheuerlichen Affront" dar. Mit einem Schuldenerlass im Sudan nehme die Bundesregierung zudem ein mittels Putsch an die Macht gekommenes Regime in Kauf, nur um erstmals im Rahmen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit eine ODA-Quote von 0,7% des BNE zu erreichen. Realpolitisch nutze der geplante Schuldenerlass nur dem sudanesischen Militärregime. Aber auch in anderen Fällen sollte die Bundesregierung aufgrund der durch die Corona-Krise bedingten, angespannten Budgetlage von derartigen Schuldennachlässen generell Abstand nehmen, geht es nach den Freiheitlichen (2294/A(E)).

Litauen-China-Streit, Belarus, Brasilien, Afghanistan: Oppositionsanträge vertagt

Vertagt wurden zwei Entschließungsanträge der NEOS. In einem Entschließungsantrag lenkt die Oppositionspartei ihren Blick auf China und erwartet sich im Fall des diplomatischen Streits zwischen Litauen und China Solidarität mit dem EU-Mitgliedsland. Dass Litauen aufgrund seiner Taiwan-Politik aus dem chinesischen Zollsystem entfernt wurde, wertet Helmut Brandstätter (NEOS) als diplomatische und politische Erpressung. Es sei nicht das erste Mal, dass China mit brachialem Wirtschaftsdruck unabhängigen Staaten eigene politische Präferenzen aufzwinge, kritisiert der Abgeordnete. Brandstätter sieht Außenminister Schallenberg gefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass China den wirtschaftlichen und diplomatischen Druck auf Litauen beendet. Andernfalls sollte das sogenannte diplomatische Mutualitätsprinzip auf europäischer Ebene eingehalten werden und die EU ihre diplomatischen Beziehungen zu China in Solidarität mit Litauen entsprechend herabstufen (2144/A(E)).

Vonseiten der ÖVP verwies Rebecca Kirchbaumer darauf, dass die EU ihre Solidarität mit Litauen gegenüber Peking bereits kommuniziert habe. Dass es innerhalb der EU in dieser Frage zu besseren Lösungen komme als bilateral, war der Standpunkt von Ernst-Dziedzic (Grüne), die zudem auf das von der EU-Kommission vorgeschlagene Instrument gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnehmen von Drittstaaten ins Treffen brachte.

Als beschämend wertete es Helmut Brandstätter (NEOS), "dass wir uns vor jemanden fürchten, der einen unserer engsten Partner bedroht". Die Reaktion der EU gegenüber China sei verhalten aber korrekt gewesen, sagte SPÖ-Abgeordneter Harald Troch. Litauen habe Österreich auch nicht gefragt, als es diesen bilateralen Weg gegenüber China, der auch im eigenen Land umstritten sei, eingeschlagen hat. Es sei nicht beschämend, wenn Österreich die Vorgangsweise der EU unterstützt.

Vor dem Hintergrund des geplanten Botschafterwechsels in Minsk machen die NEOS in einem weiteren Entschließungsantrag darauf aufmerksam, dass die Entsendung eines neuen Botschafters nach Belarus ein Vorsprechen bei Machthaber Alexander Lukaschenko mit sich bringen würde, womit die Legitimität des Regimes vonseiten Österreichs implizit anerkannt werde. Die NEOS ziehen demnach eine interimistische Leitung in Erwägung. Eine solche würde die Kommunikationskanäle offen halten, ohne Lukaschenko als Staatschef anzuerkennen. In jedem Fall sollte die Nachbesetzung der Botschaftsleitung in Minsk so vonstattengehen, dass eine formal vorgesehene Übergabe eines Beglaubigungsschreibens vonseiten Österreichs als Entsenderstaat des Botschaftschefs an das Regime Lukaschenko nicht notwendig wird (2270/A(E)).

FPÖ-Abgeordneter Martin Graf legte den NEOS nahe, den Antrag zurückzuziehen. Wenn man alle Botschaften in "Schurkenstaaten" abziehen würde, müsste das Außenministerium eingespart werden.

Auch zwei Entschließungsanträge der Freiheitlichen wurden in die Warteschleife geschickt. Aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der Unabhängigkeit Brasiliens erinnert die FPÖ unter anderem an historische Verbindungen zwischen Österreich und dem Land in Südamerika und spricht sich für eine Intensivierung der Beziehungen im politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich sowie im Jugendaustausch aus. Demnach sollte nach Ansicht der Freiheitlichen ein mit  50.000 € dotierter "Dona Leopoldina Preis für die Förderung der österreichisch-brasilianischen Freundschaft" für wissenschaftliche oder kulturelle Projekte ausgeschrieben werden. Zudem sollte sich die Bundesregierung um den Abschluss eines strategischen Partnerschaftsabkommens zur Intensivierung der Beziehungen Österreichs mit Brasilien bemühen. Geprüft werden soll aus Sicht der Oppositionspartei zudem die Einrichtung eines österreichischen Kulturforums in Brasilien (2336/A(E)).

Auf Ablehnung stieß die FPÖ-Forderung bei SPÖ-Abgeordneter Petra Bayr aufgrund des Umgangs des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro mit der indigenen Bevölkerung, dem Amazonas-Gebiet, der Corona-Pandemie sowie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in dem Land. Martin Graf (FPÖ) entgegnete, dass Österreich nicht mit Regimen, sondern mit Staaten und damit mit den Menschen im jeweiligen Land verbunden sei. Vonseiten der ÖVP verwies Georg Strasser auf die im Jahr 2022 stattfindenden Wahlen in Brasilien. Diese sollten abgewartet werden, danach könnten Überlegungen über eine Vertiefung der Beziehungen fortgesetzt werden.

Erneut vertagt wurde ein FPÖ-Entschließungsantrag (1913/A(E)), in dem der Bundeskanzler aufgefordert wird, "sich deutlich gegen jedwede Form der Migration aus Afghanistan nach Österreich auszusprechen und die diesbezüglich notwendigen Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zu forcieren". (Schluss Außenpolitischer Ausschuss) keg