Parlamentskorrespondenz Nr. 726 vom 21.06.2022

Wirtschaftsausschuss: Rechte von Verbraucher:innen bei Online-Einkäufen werden gestärkt

Zahlreiche Oppositionsanträge zu Wirtschaftsthemen vertagt

Wien (PK) — Mit zwei Gesetzen zur Stärkung des Verbraucher:innenschutzes angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Handels befasste sich heute der Wirtschaftsausschuss. Hintergrund ist die so genannte Modernisierungsrichtlinie der EU, mit der vier Richtlinien der EU zum Verbraucher:innenschutz aktualisiert wurden. Die neue EU-Richtlinie wird nun in Form von zwei Umsetzungsgesetze in österreichisches Recht gegossen. Die Regelungen richten sich gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und gegen unlautere Geschäftspraktiken. Dabei geht es etwa um mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen. Weitere Themen sind Preisangaben sowie die bessere Durchsetzbarkeit von Verbraucher:innenrechten. Die Strafen bei Verstößen sollen deutlich angehoben werden. Die beiden Umsetzungen wurden mit Mehrheit, ohne die Stimmen der NEOS, beschlossen.

Auf der Tagesordnung standen auch Anträge der FPÖ und der NEOS zur Senkung von Kammerbeiträgen. Außerdem fordern die NEOS Transparenz bei der Verwendung von Beiträgen der Wirtschaftskammer, einschließlich einem "Kopfverbot" bei Inseraten. Die NEOS sprechen sich auch für Änderungen der Öffnungszeiten zugunsten von Selbstbedienungshofläden aus und wollen, dass die Lieferung von Alltagsprodukten an Kund:innen auch sonntags erlaubt wird. Die SPÖ will eine Erhöhung der Lehrlingsförderung und eine Zweckwidmung von Übergewinnen von Energiekonzernen. Alle Oppositionsanträge wurden von ÖVP und Grünen vertagt.

Umsetzung der EU-Richtlinie zu Verbraucher:innenrechten

Zwei Umsetzungsgesetze zur Verankerung der sogenannten Modernisierungsrichtlinie der EU im österreichischen Recht beschloss der Wirtschaftsausschuss heute mit Stimmenmehrheit. Damit wird eine Neugestaltung von fünf Gesetzen vorgenommen, die Verbraucher:innenrechte regeln. Ein Abänderungsantrag, den ÖVP und Grüne im Ausschuss einbrachten, diente rechtlichen Klarstellungen bei den Inkrafttretens-Bestimmungen.

Die Modernisierungsrichtlinie der EU reagiert auf die zunehmende Digitalisierung im Warenverkehr, etwa durch die Ausweitung der jeweiligen Anwendungsbereiche auf digitale Inhalte und auf digitale Dienstleistungen. Außerdem geht es um mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen durch erweiterte Informationspflichten sowie um ein neues, verschärftes Sanktionenregime und um eine Ergänzung für den individuellen Rechtsschutz für Verbraucher:innen. Neue Verbote betreffen etwa die Vermarktung von Produkten trotz unterschiedlicher Zusammensetzung auf dieselbe Weise ("Dual Quality"). Auch erfolgen Änderungen beim Rücktrittsrecht. Zudem sieht die Modernisierungsrichtlinie neue Vorschriften zur Kennzeichnung von Preisermäßigungen vor.

Das sogenannte Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz, dass das Justizministerium ausgearbeitet hat, nimmt Änderungen im Konsumentenschutzgesetz und im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz vor (1529 d.B.). Neben den Verträgen über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen geht es um die Informationspflichten von Unternehmen, die an die technologische Entwicklung angepasst werden. Außerdem werden die Transparenzpflichten für Betreiber:innen von Online-Marktplätzen aktualisiert. Geregelt wird auch das Rücktrittsrecht in Fällen, in denen auf Wunsch des Verbrauchers bzw. der Verbraucherin noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist mit der Vertragserfüllung begonnen wurde. Künftig wird zwischen Verträgen, die den Verbraucher bzw. die Verbraucherin zu einer Zahlung verpflichten, und solchen, aufgrund derer Verbraucher:innen lediglich personenbezogene Daten bereitstellen, unterschieden. Darüber hinaus sind Erweiterungen des Rücktrittsrechts im Zusammenhang mit aggressiven oder irreführenden Vermarktungs- und Verkaufspraktiken vorgesehen. Bei Maßnahmen zur Durchsetzung von Verbraucher:innenrechten, die im Rahmen von koordinierten Aktionen zur Ahndung weitverbreiteter Verstöße oder weitverbreiteter Verstöße mit Unionsdimension gesetzt werden, können künftig auch Geldstrafen mit sehr hohem Strafrahmen verhängt werden.

Das sogenannte Zweite Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde vom Wirtschaftsministerium vorbereitet (1530 d.B.). Die Änderungen betreffen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Bundesgesetz über die Auszeichnung von Preisen. Der Schutz für Verbraucher:innen bei Schädigung durch unlautere Geschäftspraktiken soll erhöht werden. Verankert werden unter anderem Geldstrafen von bis zu 4% des Jahresumsatzes des Unternehmens bei weitverbreiteten Verstößen und weitverbreiteten Verstößen mit Unions-Dimension im Rahmen von koordinierten Aktionen.

Gerald Loacker (NEOS) begründete die Nichtzustimmung seiner Fraktion mit dem Verweis auf teilweise höchst kritische Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren. Diese hätten die Befürchtung geäußert, dass es entgegen der Intention der EU-Richtlinie geradezu zu einem Abbau des Verbraucher:innenschutzes kommen könnte.

Aus Sicht von ÖVP-Abgeordneter Johanna Jachs ist es in der Umsetzung gelungen, eine gute Balance zwischen den Interessen der Konsument:innen und der Wirtschaft zu finden. Ulrike Fischer (Grüne) meinte, es gebe wesentliche Verbesserungen für Verbraucher:innen, etwa beim Rechtsschutz, bei Informationsverpflichtungen und bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen.

FPÖ und NEOS kritisieren Höhe von Kammerbeiträgen der Wirtschaftskammern

Mehrbelastungen für "Zwangsmitglieder" der Wirtschaftskammern Österreich durch teuerungsbedingt steigende Kammerbeiträge ortet die FPÖ. FPÖ-Abgeordneter Erwin Angerer fordert daher, dass die Wirtschaftskammern Österreich auf die infolge der Teuerung steigenden Kammerbeiträge verzichten bzw. diese an die "Zwangsmitglieder" zurückzahlen solle (2559/A(E)). Darüber hinaus sprechen sich die Freiheitlichen für eine gänzliche Abschaffung der Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften zu den Fachgruppen bzw. Fachverbänden der Wirtschaftskammern aus.

Eine Senkung der Arbeiterkammerumlage für Geringverdienende sowie der Wirtschaftskammerumlage 2 als Beitrag der Kammern zur Bewältigung der Corona-Krise fordern die NEOS in einem Initiativantrag (565/A). Gerald Loacker will eine dauerhafte Umlagensenkung. Das würde mehr verfügbares Einkommen für Arbeitnehmer:innen und eine Lohnnebenkostensenkung für Unternehmen bedeuten, meint er.

SPÖ will Übergewinne von Energiekonzernen zweckwidmen

Die Sozialdemokraten Rudolf Silvan und Christoph Matznetter greifen Überlegungen der EU-Kommission auf, die Übergewinne von Energiekonzernen zur Bekämpfung von Energiearmut in der Bevölkerung zu verwenden. Die österreichische Regierung solle ein Maßnahmenpaket zur Besteuerung dieser zusätzlichen Gewinne ausarbeiten und die Einnahmen für Anti-Teuerungsmaßnahmen sowie für den Ausbau erneuerbarer Energieträger zweckgewidmet werden (2639 A/(E)). Aufgrund der derzeitige Preisgestaltung am Strommarkt würden Energieproduzenten mit geringen Erzeugungskosten, etwa bei der Wasserkraft, horrende Gewinne erzielen, kritisieren die Sozialdemokrat:innen.

SPÖ: Lehrlingsförderung ausbauen

Angesichts des großen Fachkräftemangels in Österreich fordert die SPÖ, dass der im Budgetbegleitgesetz 2020 eingeführte und ab 2023 geltende Finanzierungsdeckel von 250 Mio. € bei der Lehrlingsförderung wieder aufgehoben wird (2640/A(E)). Ansonsten würden Mittel für die Internatsunterbringung von Berufsschülerinnen und -schülern, für Auslandsaufenthalte von Lehrlingen, für Vorbereitungskurse zur Lehrabschlussprüfung etc. fehlen, warnte SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner im Ausschuss. Eva-Maria Himmelbauer sagte, man reagiere selbstverständlich auf die erhöhte Nachfrage. Sie verwies auf bereits laufende Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium, um den finanziellen Mehrbedarf zu berücksichtigen.

NEOS: Flexible Öffnungszeiten für Selbstbedienungshofläden und Lieferung von Alltagsprodukten auch sonntags

Die NEOS fordern eine Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten. In einem Antrag verweisen sie auf Selbstbedienungshofläden(2163/A(E)), die Landwirt:innen helfen, durch Direktvermarktung mehr Einkommen zu erzielen. Mit Ausnahmen zugunsten automatisierter Selbstbedienungsläden im Öffnungszeitengesetz müsse man der stark gestiegenen Nachfrage entsprechend Rechnung tragen, argumentiert Karin Doppelbauer (NEOS).

Österreich sei zudem im internationalen Vergleich sehr restriktiv bei der Regulierung des Warenverkaufs an Sonntagen, werfen die NEOS in einem Initiativantrag zum Öffnungszeitengesetz auf (2194/A). Notwendig sei die Gleichbehandlung des stationären und des Online-Handels bei der Art des Erwerbs von Waren des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs, indem die Lieferung auch sonntags ermöglicht wird. In Zeiten der Online-Bestellungen sei nicht nachvollziehbar, warum gewisse Lebensmittel nur in zubereiteter Form bestellt werden können, und bei anderen eine Lieferung an jedem Tag erlaubt ist, meinte Gerald Loacker (NEOS) im Ausschuss.

Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, er sei grundsätzlich offen für eine Diskussion über Öffnungszeiten. Was die regionalen Anbieter:innen betreffe, weise er darauf hin, dass die Landeshauptleute bereits regional unterschiedliche Öffnungszeiten verordnen könnten. Diese Möglichkeit werde bisher aber kaum ausgeschöpft.

NEOS: Transparenz bei Verwendung von Wirtschaftskammer-Beiträgen und "Kopfverbot" bei Inseraten

Der Wirtschaftsminister habe Vorkehrungen zu treffen, dass die Wirtschaftskammer die Pflichtbeiträge ihrer Mitglieder verantwortungsvoll nutzt, fordert Gerald Loacker (NEOS) ein entsprechendes Reformpaket von Bundesminister Martin Kocher (2610/A(E)). Im Sinne der Ausgabentransparenz habe die Wirtschaftskammer die Bewertungs- und Bilanzierungsregeln gemäß Unternehmensgesetzbuch (UGB) einzuhalten und die Rechnungsabschlüsse der Kammern und Fachorganisationen auf ihrer Website offenzulegen. Loacker will weiters die Obergrenze für Werbekosten der Wirtschaftskammer mit 1 € je Mitglied begrenzen und fordert für die Wirtschaftskammer als Teil der österreichischen Selbstverwaltung das "Kopfverbot" bei Inseraten (Verbot, Politikerinnen bzw. Politiker in Inseraten abzubilden), wie es für Regierungsinserate gelte, sagte Loacker. (Schluss Wirtschaftsausschuss) sox